Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 17.04.2023 – W 8 K 22.1361
Titel:

Versagungsgegenklage, Erbengemeinschaft, zwei Rinder, Kürzung landwirtschaftlicher Subventionen wegen tierschutzrechtlicher Verstöße, kein unverzügliches Herbeirufen des Tierarztes, regelmäßige Anwesenheit des Hoftierarztes im Betrieb für sich nicht ausreichend, Nachweis tierschutzrechtlicher Verstöße durch Stellungnahmen der Amtstierärzte, vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte auch prämienrechtlich relevant, rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts mit einer Geldbuße von 100, 00 EUR für einen Verstoß gegen das Tierschutzrecht, Cross-Compliance, Sanktion nach Regelbewertung, fehlerfreie Ermessensausübung, kein atypischer Ausnahmefall, keine Willkür, keine unzulässige Doppelbestrafung

Normenketten:
VwGO § 61 Nr. 2
Delegierte VO (EU) 640/2014 Art. 38
VO (EU) 809/2014 Art. 73 Abs. 2
VO (EU) 809/2014 Art. 74 Abs. 1
VO (EU) 1306/2013 Art. 91
VO (EU) 1306/2013 Art. 93 Abs. 1 Buchstabe c)
VO (EU) 1306/2013 Art. 99
VO (EU) 1306/2013 GAB 13 des Anhangs II
RL 98/58/EG Art. 4
TierSchNutztV § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Schlagworte:
Versagungsgegenklage, Erbengemeinschaft, zwei Rinder, Kürzung landwirtschaftlicher Subventionen wegen tierschutzrechtlicher Verstöße, kein unverzügliches Herbeirufen des Tierarztes, regelmäßige Anwesenheit des Hoftierarztes im Betrieb für sich nicht ausreichend, Nachweis tierschutzrechtlicher Verstöße durch Stellungnahmen der Amtstierärzte, vorrangige Beurteilungskompetenz der Amtstierärzte auch prämienrechtlich relevant, rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts mit einer Geldbuße von 100, 00 EUR für einen Verstoß gegen das Tierschutzrecht, Cross-Compliance, Sanktion nach Regelbewertung, fehlerfreie Ermessensausübung, kein atypischer Ausnahmefall, keine Willkür, keine unzulässige Doppelbestrafung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9248

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
I. Die Kläger, eine Erbengemeinschaft bestehend aus vier Miterben, den Klägern zu 1) bis 4) – vertreten durch einen der Miterben, den Kläger zu 1) –, wenden sich gegen die vorgenommene Kürzung der von ihnen begehrten landwirtschaftlichen Subventionen durch den Beklagten – vertreten durch die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) – bezogen auf das Jahr 2021 wegen Verstöße gegen „Cross-Compliance-Vorgaben“, und zwar wegen tierschutzrechtlicher Verstöße, in Höhe von insgesamt 2.594,58 EUR.
2
Infolge einer Mitteilung seitens der Tierkörperbeseitigungsanstalt über ein auffälliges Rind (Rind 1: OM DE …) mit tierschutzrelevanten Befunden in der anschließenden Sektion (multiple Dekubiti und hochgradige Abmagerung) erfolgte am 3. Mai 2021 eine Vor-Ort-Kontrolle. Sieben Tage später erfolgte eine weitere Mitteilung über ein auffälliges Rind (Rind 2: OM DE …), welches an einer hochgradigen Kachexie (Abmagerung) sowie an einer schweren Bronchopneumonie litt. Der Beklagte wertete die Verstöße als Cross-Compliancerelevante Verstöße und bewertete sie als mittleren fahrlässigen Verstoß (Kürzungssatz 3,00%).
3
Die Kläger beantragten mit Mehrfachantrag vom 11. Mai 2021 sowohl Direktzahlungen (DZP), Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) und Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ).
4
Mit Bescheid vom 29. November 2021 gewährte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg den Klägern AGZ in Höhe von insgesamt 279,55 EUR und mit weiterem Bescheid vom 10. Dezember 2021 Direktzahlungen in Höhe von 73.015,50 EUR sowie mit Auszahlungsmitteilung vom 30. März 2022 eine Förderung betreffend AUM in Höhe von 12.218,20 EUR. Hierbei waren jeweils Kürzungen in Höhe von 3,00% enthalten. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Ein Verstoß oder mehrere Verstöße gegen die Cross-Compliance-Vorschriften seien festgestellt worden. Auf den entsprechenden Prüfbericht werde verwiesen. Im Falle eines Cross-Compliance-Verstoßes obliege es dem AELF, die förderrechtlichen Konsequenzen gemäß Art. 99 VO (EU) 1306/2013 zu bestimmen. In derartigen Fällen entspreche es der ständigen Verwaltungspraxis, die Zuwendung um 3,00% zu kürzen. Besondere Gründe, die eine abweichende Bewertung rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich.
5
Dagegen ließen die Kläger jeweils Widersprüche einlegen.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2022 wies die FüAk die Widersprüche zurück. In den Gründen ist im Wesentlichen ausgeführt: Gemäß der Verordnung (EU) 1306/2013 sei die Gewährung von Agrarzahlungen auch an die Einhaltung von Vorschriften in den Bereichen Umweltschutz, Klimawandel, guter landwirtschaftlicher Zustand der Flächen, Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanzen sowie Tierschutz geknüpft. Diese Verknüpfung werde als „Cross-Compliance“ bezeichnet. Erfolgten die Verstöße in einem bestimmten Kalenderjahr und seien sie dem Betriebsinhaber anzulasten, werde der Gesamtbetrag der Direktzahlungen, der dem Betriebsinhaber in diesem Jahr gewährt worden bzw. zu gewähren sei, gekürzt oder gestrichen (vgl. Art. 99 Abs. 1 VO (EU) 1306/2013). Aufgrund der Ausführungen des Veterinäramtes Würzburg sei ausreichend belegt, dass bei dem einen Tier (Rind 1) die frühe erste Dezemberhälfte 2020 als Beginn des schmerzhaften Krankheitsgeschehens angenommen werden könne. Laut den arzneimittelrechtliche vorgeschriebenen Aufzeichnungen sei das Tier erstmalig am 30. Dezember 2020 behandelt worden. Die Mindestdauer des massiven Krankheitsgeschehens (offensichtlich hochgradig reduziertes Allgemeinbefinden, starke Abmagerung, mehrere über den Körper verteilte, teils große und tiefreichende Dekubitalgeschwüre und Entzündung mehrerer Gelenke) bis zur ärztlichen Behandlung des stark beeinträchtigten Tieres habe mindestens drei Wochen betragen und sei zu spät erfolgt. Die Beeinträchtigung des Tieres hätte einem Laien mindestens 14 Tage vor Behandlungsbeginn offenkundig gewesen sein müssen. Das Tier sei schließlich am 3. Januar 2021 getötet worden. Bei einem weiteren Rind (Rind 2) handele es sich nach dem Eintrag in der HI-Tier-Datenbank um ein Fleckviehkalb und nicht um ein „Kreuzungseinschlag-Kalb mit Einschlag Milchrasse mit weniger Fleischmasse“. Der abgemagerte Zustand sei durch die Amtstierärztin mittels tiermedizin-wissenschaftlichen Nachweises einer gallertartigen Atrophie des Knochenmarks belegt. Darüber hinaus sei kein Körperfetthöhlengewebe vorhanden gewesen. Weiterhin habe das Tier eine fibrinös-eitrige, abzendierende und nekrotisierende Bronchopneumonie aufgewiesen. Die deutlichen Symptome der Atemwegserkrankung (Schweratmigkeit, Husten, Ausfluss etc.) seien für den Landwirt erkennbar gewesen. Das Tier sei mit Antibiotika behandelt worden. Zwischen dem Zeitpunkt der Behandlung und dem Tod des Tieres hätten mehr als sechs Wochen gelegen, in denen das Tier unbehandelt geblieben sei. Im Falle einer ausbleibenden Besserung habe der Tierhalter die Pflicht, das Tier erneut tierärztlich untersuchen und gegebenenfalls behandeln zu lassen.
7
Die Verstöße gegen Art. 91, 93 Abs. 1 Buchstabe c) i.V.m. GAB 13 des Anhangs II der VO (EU) 1306/2013 i.V.m. Art. 4 der RL 98/58/EG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV seien ausreichend belegt. Danach habe der Halter von Nutztieren sicherzustellen, dass soweit erforderlich für die Behandlung kranker und verletzter Tiere unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung oder Absonderung getroffen würden bzw. ein Tierarzt hinzugezogen werde. Dies hätten die Kläger offenkundig versäumt. Der Umfang der vorzunehmenden Kürzung richte sich nach Art. 99 VO (EU) 1306/2013 i.V.m. Art. 38 Delegierte VO (EU) 640/2014. Dabei würden bei den Kürzungen bzw. Ausschlüssen die Beurteilungskriterien Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße berücksichtigt. Art. 38 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 enthalte Begriffsbestimmungen zu den Beurteilungskriterien für den Schweregrad des Verstoßes. Zur europarechtskonformen Anwendung dieser Vorgaben würden von der Verwaltung für die einzelnen Rechtsakte und Standards Regelbewertungen beschlossen und jeweils definiert, unter welchen Voraussetzungen die dazu bestimmte Regelbewertung Anwendung finden solle. Die dort beschriebenen Fallkonstellationen stellten also antizipiert diejenigen dar, die nach Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit zur Regelbewertung führen sollten. Die festgestellten Verstöße seien jeweils als mittlere, fahrlässige Verstöße bewertet worden. Dies entspreche der Regeleinstufung. Ein atypischer Sachverhalt, der ein Abweichen von der Regelkürzung rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich. Mehrere fahrlässige Erstverstöße gegen unterschiedliche Rechtsakte in einem Bereich würden wie ein Verstoß sanktioniert (vgl. Art. 74 Abs. 1 VO (EU) 809/2014). Aus diesem Grunde habe die Kürzung richtigerweise 3% betragen.
8
II. 1. Mit Schriftsatz vom 1. September 2022 ließen die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten „Anfechtungsklage“ gegen die streitgegenständlichen Bescheide erheben. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Die Kläger wendeten sich als Betriebsinhaber für den Betrieb der Erbengemeinschaft gegen die im Antrag näher bezeichneten Bescheide, mit denen ihnen infolge vermeintlicher Cross-Compliance-Verstöße die DZP, AGZ und AUM-Ausgleichszulage für das Jahr 2021 gekürzt worden seien. Sie begehrten die ungekürzte Gewährung der Förderungen. Hintergrund sei die vermeintlich zu späte tierärztliche Behandlung bzw. Nottötung zweier Rinder.
9
Mit Schriftsatz vom 14. November 2022 ließen die Kläger zur Klagebegründung im Wesentlichen weiter ausführen: Die Ausführungen des Beklagten zur Klagebefugnis seien nicht zielführend. Das Rubrum der Klageschrift weise die „Erbengemeinschaft“ aus. Unter der genannten Betriebs-Nr. … die auch in der Klageschrift benannt sei, seien die Bescheide des Beklagten an die „Erbengemeinschaft“ und den Kläger zu 1) als Adressaten gerichtet. Konsequenterweise seien die Kläger deshalb auch die Erbengemeinschaft, vertreten durch den Betriebsleiter, den Kläger zu 1), der im Übrigen auch bei Annahme einer GbR als geschäftsführender Gesellschafter habe entsprechend auftreten dürfen. Letzterer müsse sich auch hinsichtlich der behaupteten Tierschutzverstöße als Beschuldigter in einem OWI-Verfahren vor dem Amtsgericht Würzburg verteidigen.
10
Der Betriebsleiter, der Kläger zu 1), habe im Rahmen der Tierhaltung keinerlei tierschutzrelevanten Verstöße begangen, die ihrerseits Cross-Compliancerelevant seien und die erfolgten Kürzungen rechtfertigen würden. Der Tierarzt suche nahezu wöchentlich den Hof auf; nicht jeder bloße Besuch und die Beschau der Tiere sei dokumentiert worden. Bei dem Tier mit der OM DE … (Rind 2) habe bis zuletzt eine tierärztliche Behandlung und sogar noch kurz vor dem plötzlichen Verenden eine Impfung stattgefunden, da der Tierarzt keine infauste Prognose gestellt habe und auch einen Antibiotikaeinsatz mangels Fieber als nicht zielführend eingeschätzt habe. Der Zustand des Tieres habe sich nach der Antibiotikabehandlung im März 2021 deutlich verbessert gehabt. Die Nahrungsaufnahme sei regelgerecht gewesen. Lediglich eine Gewichtszunahme sei ausgeblieben. Unverzüglich bei den ersten Anzeichen von gesundheitlichen Problemen nach Separierung und abgestufter Behandlung sei eine durchgängige tierärztliche Behandlung und Aufsicht erfolgt. Das Tier sei ohnehin als Kreuzungs-Kalb mit Einschlag Milchrasse mit weniger Fleischmasse versehen und habe deshalb abgemagert und anfällig gewirkt. Zwar sei in der HIT-Datenbank der Rasseschlüssel 11, also Fleckvieh, hinterlegt worden. Allerdings werde bei einem Muttertier der Rasse Fleckvieh üblicher und rechtmäßiger Weise der Schlüssel 11 hinterlegt, auch wenn der Vater eine andere Rasse aufweise. Das Tier sei dann plötzlich verendet. Auch bei dem Tier mit der OM DE ... (Rind 1) habe bis zuletzt eine tierärztliche Behandlung stattgefunden. Das Tier habe beim Erwerb im November 2020 bei einem Alter von 13,5 Monaten nur 310 kg gewogen. Ende Dezember 2020 sei bei den ersten Anzeichen einer etwaigen Lahmheit ebenfalls fachgerecht mit einer abgestuften Behandlung begonnen worden, insbesondere mit Separierung und Haltung auf Stroh sowie Massage. Als dies nach anfänglicher augenscheinlicher Besserung doch nicht zum Erfolg geführt habe, seien Schmerzmittel verabreicht worden. Schließlich sei eine Nottötung durchgeführt worden. Das Tier sei mehrfach geimpft und dem Tierarzt vorgestellt worden. Der Arzt habe auch gesagt, dass er erkennbar kranke Tiere nicht impfe. Erst Ende Dezember 2020 habe das Tier das Bein geschont und der Tierarzt habe nur noch Schmerzmittel verabreichen können. Das Veterinäramt habe die beiden Tiere gar nicht gesehen. Die aus der ex-post Betrachtung aufgestellten Mutmaßungen zum Leiden der Tiere und insbesondere die Erkennbarkeit von Verletzungen seien deshalb oft nicht mehr als Spekulation und ein Urteil vom Schreibtisch aus. Der Kläger zu 1) habe nicht mehr tun können, als nach guter fachlicher Praxis erst eine niederschwellige Behandlung in Eigenregie durchführen und dann einen Veterinär hinzuziehen. Dem Kläger zu 1) sei mangels Verstoß gegen das Tierschutzrecht und der Tierhaltungsvorschriften kein Cross-Compliance-Verstoß anzulasten.
11
Mit Schriftsatz vom 4. April 2023 ließen die Kläger eine Vollmacht und eine Bestätigung aller Miterben vom 1. April 2023 überreichen, wonach die Erbengemeinschaft im Zusammenhang mit dem Betrieb Betriebs-Nr. … nach deren Organisation im Außenverhältnis durch den Kläger zu 1) vertreten werde, der damit auch benannter Ansprechpartner für die Behörden und Dritte sei. Der Kläger zu 1) sei überdies befugt gewesen und noch befugt, namens der übrigen Mitglieder der Erbengemeinschaft und damit namens der Erbengemeinschaft im Zusammenhang mit dem Betrieb Betriebs-Nr. … Anträge bei Behörden zu stellen, Bescheide zu empfangen und hiergegen Rechtsmittel einzulegen und zu klagen. Die Kläger ließen weiter vorbringen, hinsichtlich des OWI-Verfahrens sei in Bezug auf das Tier mit der Ohrmarke ... (Rind 2) eine geringe Geldbuße von 100,00 EUR ausgeurteilt worden. Die Tat bleibe weiter bestritten. Herr W. M. K. sei indes gemäß §§ 79, 80 OWiG aufgrund der geringen Geldbuße ein weiteres Vorgehen gegen das Urteil mittels Rechtsbeschwerde nicht möglich. Das Urteil könne deshalb nicht Präjudiz im Verwaltungsverfahren sein.
12
Mit Schriftsatz vom 11. April 2023 nahm der Klägerbevollmächtigten noch wie folgt Stellung: Maßgeblich sei aus der Sicht der Kläger nur noch ein konkretes Eingehen auf das Tier 2. Dokumentiert sei als letzte Behandlung der 12. März 2021. Der Tierarzt sei auch noch danach und vor dem Verenden des Tieres vor Ort gewesen und habe das Tier behandelt, unter anderem mit einer Impfung, wie die vorgelegte Rechnung belege. Aufgrund der besonderen Rasse habe es für den Kläger zu 1) keinen Anlass gegeben, vom äußeren Erscheinungsbild auf eine krankhafte und potentiell tödliche Abmagerung zu schließen. Das Tier habe regelrecht noch Nahrung aufgenommen und diese wohl nur unzureichend verstoffwechselt, was der Kläger zu 1) jedoch nicht habe erkennen können. Dies habe auch der Hoftierarzt bezeugt. Außerdem habe es sich um ein Kreuzungskalb mit rotbunt Einkreuzung gehandelt, um die Milchleistung zu erhöhen. Auf Nachfrage des Klägers zu 1) beim Herkunftsbetrieb habe dieser angegeben, dass er gegenüber dem Veterinäramt in der Tat angegeben habe, er besame nur mit Fleckvieh, er habe sich aber irrtümlich auf ein Kalb aus dem Jahr 2020 bezogen gehabt.
13
2. Die FüAk führte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 13. September 2022 zur Begründung der Klageerwiderung im Wesentlichen aus: Die Klage sei unzulässig. Ihr fehle es an der Klagebefugnis. Die Klage sei durch den Kläger zu 1) erhoben, dieser sei auch als „Kläger“ erfasst. Er sei jedoch nicht Adressat der angegriffenen Verwaltungsakte. Die angegriffenen Kürzungen bezögen sich ausschließlich auf den Betrieb Erbengemeinschaft. Der Kläger zu 1) könne keine mögliche eigene Rechtsverletzung geltend machen. Entgegen der Ausführungen in der Klageschrift sei der Kläger zu 1) nicht Betriebsinhaber des landwirtschaftlichen Betriebs Erbengemeinschaft mit der Betriebs-Nr. … Die Erbengemeinschaft habe seit dem Jahr 2019 jährlich mit dem Mehrfachantrag landwirtschaftliche Subventionen beantragt. Die Erbengemeinschaft als solche sei nicht rechtsfähig und auch nicht beteiligungsfähig. Vorliegend sei nach Ansicht des Beklagten bei einem Betrieb „Erbengemeinschaft“ jedoch von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) im Sinne des § 705 ff. BGB auszugehen, welche sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Verwaltungsprozess beteiligten- und prozessfähig sei. Als Gesellschafter fungierten alle Beteiligten der Erbengemeinschaft. In jedem der gestellten Mehrfachanträge habe die Erbengemeinschaft versichert, dass sie die den jeweiligen Anträgen zugrundeliegenden Produktionseinheiten (vor allem Flächen) in eigenem Namen und auf eigene Rechnung bewirtschafte. Die Betätigung der Erbengemeinschaft gehe also weit über den Zweck einer Erbengemeinschaft im eigentlichen Sinne, wie sie im BGB vorgesehen sei, hinaus. Die Erbengemeinschaft trete seit mehreren Jahren im Rechtsverkehr als landwirtschaftlicher Betrieb auf. Eine reine Erbengemeinschaft sei im Gegensatz dazu nicht auf Dauer angelegt, sondern diene alleine dem Zweck der Auseinandersetzung. Aus Sicht des Beklagten hätten die Beteiligten der Erbengemeinschaft spätestens mit der Stellung des ersten Mehrfachantrags als Erbengemeinschaft eine GbR gegründet, welche auch nach außen auftrete. Innerhalb der Klagefrist sei keine Klage der Erbengemeinschaft eingegangen.
14
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2023 verwies der Beklagte hinsichtlich der Cross-Compliance-Verstöße der Rinder auf die Stellungnahme des Veterinäramts Würzburg vom 28. Dezember 2022, welche in der Anlage übermittelt werde.
15
In der Stellungnahme des Landratsamts Würzburg, Verbraucherschutz – Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung – vom 28. Dezember 2022 ist im Wesentlichen ausgeführt: Die letzte Behandlung des Kalbs mit der Ohrmarkennummer DE ... (Rind 2) habe nach Erkenntnis des Veterinäramts am 12. März 2021 stattgefunden. Der Tod des Tieres sei am 25. April 2021 eingetreten. Zwischen dem letzten Tag der Behandlung und dem Datum des Todes des Kalbs lägen mehr als sechs Wochen, in denen nach den Aufzeichnungen von Tierhalter und Tierarzt keine Behandlung stattgefunden habe. Der Einwand der Klägerseite, es handele sich um ein Kreuzungskalb, verfange nicht. Zum einen sei das Kalb als Fleckvieh in der Datei eingetragen. Selbst wenn es sich entgegen des Eintrags um ein Kalb einer eher milchbetonten Fleckvieh-Linie gehandelt haben sollte, seien auch diese Kälber von guten und frohen Wachstum. Der reduzierte Gesundheitszustand und der schlechte Ernährungszustand hätten dem Kläger zu 1) daher ganz besonders auffallen und als Grundlage verstärkte Aufmerksamkeit für den Zustand dieses Tieres dienen müssen. Nach Rücksprache mit der für den Herkunftsbetrieb des Kalbs zuständigen Veterinärbehörde sei in dem Betrieb ausschließlich mit Sperma von Fleckviehpollen besamt worden. Auch bei dem Muttertier handele es sich um Fleckvieh. Der Ernährungszustand des Kalbs sei durch die Veterinärdirektorin nicht nur rein adspektorisch, also aufgrund eines äußeren Erscheinungsbildes beurteilt worden, sondern aufgrund des tiermedizinisch-wissenschaftlichen Nachweises einer gallertigen Atrophie. Darüber hinaus sei nach Eröffnung des Tierkörpers kein Körperhöhlenfettgewebe vorhanden gewesen. Beides seien eindeutige Belege für eine hochgradige Kachexie (Abmagerung). Selbst äußerlich als sehr mager erscheinende Holstein-Rinder hätten normale Mengen an Körperhöhlenfettgewebe und wiesen keine gallertige Atrophie auf. Bei der Untersuchung durch die Veterinärdirektorin habe sich das Kalb als hochgradig abgemagert und mit einer fibrinös-eitrigen abszedierenden und nekrotisierenden Bronchopneunomie dargestellt. Die pathologische und bakteriologische Untersuchung durch das LGL Erlangen habe dies bestätigt. Das 15 Monate alte Charolais-Rind mit der Ohrmarkennummer DE ... (Rind 1) sei gemäß dem tierärztlichen Anwendungs- und Abgabebeleg erstmalig am 30. Dezember 2020 behandelt und am 3. Januar 2021 getötet worden. In dem Infektionsbericht sowie im Gutachten sei festgestellt worden, dass das Tier eine Vielzahl von über den Körper verteilten, teils großen und tiefreichenden Dekubitalgeschwüren (Druckgeschwüren) aufgewiesen habe. Außerdem sei eine Gelenkentzündung beider Karpalgelenke (Vorderfußwurzelgelenke) festgestellt worden. Die Mindestdauer der Druckgeschwüre seien mit drei Wochen angegeben worden. Derartige Geschwüre entstünden durch längerfristige Druckeinwirkung von außen, wodurch Blutgefäße komprimiert würden. Durch die unzureichende Durchblutung nekrotisiere (sterbe ab) zuerst die äußere Hautschicht, bei andauerndem Druck sterbe auch das darunter liegende Gewebe ab, es entstehe ein (in die Tiefe reichendes) Druckgeschwür. Das offenliegende Druckgeschwür führe zu Eintritt von Schmutz und Erregern, die wiederum Infektionen mit anschließenden Entzündungen hervorriefen. Dekubitalgeschwüre könnten durch gute Pflege ausheilen. Die Vielzahl und die Tiefe der Geschwüre sei gut sichtbar gewesen. Auch dieses Tier stelle sich adspektorisch als abgemagert dar, habe aber weder eine gallertartige Atrophie noch ein vollständiges Fehlen von Körperhöhlenfettgewebe aufgewiesen. Es sei folglich stark abgemagert, ohne den Zustand der Kachexie erreicht zu haben. Im Vordergrund habe die Vielzahl der teils tieferreichenden Dekubitalgeschwüre gestanden. Aus Sicht des Veterinäramts sei nicht bis zuletzt, sondern ausschließlich zuletzt eine tierärztliche Behandlung durchgeführt worden. Da die Entstehung von Dekkubitalgeschwüren eine Zeit des vermehrten Liegens voraussetze, sei davon auszugehen, dass das Tier mehrere Tage vor dem 14. Dezember 2020 durch vermehrtes Liegen auffällig gewesen sei. Die von Klägerseite genannte abgestufte Behandlung habe offensichtlich keinen Erfolg gehabt. Es sei so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen. Beide Tiere seien nach dem Tod und der Anlieferung durch den Verarbeitungsbetrieb tierischer Nebenprodukte (VTN) W. untersucht und aufgrund tierschutzrelevanter äußerlicher Auffälligkeiten seziert worden. Auffällige Körperpartien seien an das LGL versandt worden. Diese seien makroskopisch, histologisch und bakteriologisch untersucht worden. Auf Grundlage der Gutachten sowie auf der Grundlage des Cross-Checks in Verbindung mit den kontrollierten arzneimittelrechtlichen Aufzeichnungen seien die Cross-Compliance relevanten Verstöße in der HI-Tier erfasst worden. In diesem Zusammenhang werde nochmals auf den Analogieschluss nach Sambraus verwiesen, wonach ein Tier jedenfalls dann, wenn folgende drei Voraussetzungen erfüllt seien, leide: a) Das Tier befinde sich in einer Situation, die vergleichbar eine Situation sei, die bei den Menschen Leiden verursachen würde; b) das Tier zeige Reaktionen, insbesondere Verhaltensweisen, die vergleichbar seien mit den Reaktionen von Menschen in der entsprechenden Situation, c) das Tier verfüge über ein zentrales Nervensystem, das demjenigen von Menschen stammesgeschlechtlich ähnlich sei.
16
Mit Schriftsatz vom 1. März 2023 teilte die FüAk mit, dass das von Klägerseite angesprochene Bußgeldverfahren mittlerweile abgeschlossen sei. Im Ergebnis sei im Bußgeldverfahren ausschließlich das Tier „Kalb mit der Ohrmarkennummer ...“ (Rind 2) berücksichtigt worden. Sollte das Gericht entgegen der Auffassung der Beklagtenseite zum Ergebnis kommen, dass auch im verwaltungsrechtlichen Verfahren lediglich ein Cross-Compliancerelevanter Verstoß vorliege, wiesen sie bereits jetzt darauf hin, dass dies keine Auswirkung auf den Kürzungssatz und damit auf den streitgegenständlichen Kürzungsbetrag gehabt hätte. Mehrere fahrlässige Erstverstöße gegen unterschiedliche Rechtsakte in einem Bereich würden gemäß Art. 73 Abs. 2 VO (EU) 809/2014 wie ein Verstoß sanktioniert. Es bliebe daher auch in diesem Fall bei einer Kürzung von 3% und die Klage wäre auch in diesem Fall abzuweisen.
17
Laut der beigefügten Mitteilung des Amtsgerichts Würzburg, Abteilung Strafsachen, habe dieses durch Urteil vom 11. Januar 2023, rechtskräftig seit 30. Januar 2023, eine Geldbuße von 100,00 EUR verhängt.
18
3. In der mündlichen Verhandlung am 17. April 2023 beantragte der Klägerbevollmächtigte,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung der Bescheide des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Kitzingen-Würzburg vom 29. November 2021, 10. Dezember 2021 und 30. März 2022 und des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 2. August 2022 zu verpflichten, den Klägern die beantragte Förderung in Höhe von weiteren 2.594,58 EUR zu bewilligen.
19
Die Beklagtenvertreterin beantragte,
die Klage abzuweisen.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte und der ebenfalls beigezogenen Akte des Ordnungswidrigkeitsverfahrens der Staatsanwaltschaft bzw. des Amtsgerichts Würzburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

21
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
22
Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig.
23
Eine „Anfechtungsklage“, wie noch im Klageschriftsatz vom 1. September 2022 hervorgehoben, ist nach dem offenkundigen Klageziel nicht ausreichend und nicht sachgerecht, da von den Klägern eine weitergehende Förderung begehrt wird.
24
Eine ungeteilte Erbengemeinschaft ist nicht nach § 61 Nr. 2 VwGO beteiligungsfähig, weil sie nicht auf Dauer angelegt ist, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist und ihr als solche kein Recht – auf Erhalt der konkreten landwirtschaftlichen Subventionen – zustehen kann, selbst wenn sie unter einer Sammelbezeichnung auftreten mag (vgl. Schenke in Kopp//Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 61 Rn. 8). Beteiligungsfähig sind vielmehr die einzelnen Miterben zusammen, weil die Verwaltung des Nachlasses und die Verfügungsbefugnis gemäß § 2038 Abs. 1 und § 2040 Abs. 1 BGB den gesamthänderisch verbundenen Miterben gemeinschaftlich zustehen (Kintz in BeckOK, Posser/Wolff VwGO, 64. Ed. 1.1.2023, § 61 Rn. 13; SächsOVG, B.v. 11.3.2013 – 5 A 751/10 – juris Rn. 8). Das Gericht hat alle vier Miterben einzeln als Kläger erfasst, die allerdings nur gemeinschaftlich handeln können.
25
Die Miterben können sich jedoch einvernehmlich nach außen durch einen der Miterben vertreten lassen. Im vorliegenden Verfahren hat die Klägerseite mit Schriftsatz vom 4. April 2023 eine Vollmacht und eine Bestätigung aller Miterben bezogen auf den einen Miterben, dem Kläger zu 1), vorgelegt, die dessen umfassende Vertretungsberechtigung ausweist.
26
Der Beklagte behandelt die Kläger (Miterben) – mit Blick auf den konkreten landwirtschaftlichen Betrieb und dessen landwirtschaftsrechtliche Förderung – als Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertreten durch den einen Miterben. Betriebsinhaber und Adressat ist in der Sache die Mehrheit aller Miterben in ihrer gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit.
27
Die Klage ist unbegründet.
28
Die Bescheide des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Kitzingen-Würzburg vom 29. November 2021, 10. Dezember 2021 und 30. März 2022 und des Widerspruchsbescheides der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FüAk) vom 2. August 2022 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger (Miterben der Erbengemeinschaft) – vertreten durch den Kläger zu 1) – nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
29
Dass die Voraussetzungen für die Gewährung von weiteren 2.594,58 EUR nicht vorliegen, weil wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzrecht eine Kürzung von 3% nach Maßgabe der einschlägigen Cross-Compliance-Vorschriften vorzunehmen ist, hat der Beklagte in den Bescheiden des AELF vom 29. November 2021 und 10. Dezember 2021 und vom 30. März 2022 sowie im Widerspruchsbescheid vom 2. August 2022, auf deren Gründe, die sich das Gericht zu eigen macht, zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO), zutreffend begründet und in seinen Schriftsätzen vom 13. September 2022, 11. Januar 2023 und 1. März 2023 (samt Anlagen, insbesondere der Stellungnahme des Veterinäramtes Würzburg vom 28.12.2022) vertiefend erläutert.
30
Die Rechtsauffassung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Das Vorbringen der Kläger führt zu keiner anderen Beurteilung.
31
Sowohl das Ob als auch das Wie der erfolgten Kürzungen und Sanktionen ist rechtmäßig.
32
Ein Verstoß gegen die Cross-Compliance-Bestimmungen liegt wegen tierschutzrechtlicher Verstöße im klägerischen Betrieb vor.
Auszugehen ist von folgender Rechtslage:
33
Alle streitgegenständlichen Subventionen sind an die Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen (so genannte „Cross Compliance“) gebunden, entweder kraft Gesetzes, siehe § 2 Abs. 1 Nr. 1 AgrarZahlVerpflG (Busse in Schulze/Janssen/Kadelbach, Europarecht, 4. Auflage 2020, § 26 Agrarrecht, Rn 163 ff.; Härtel in Koch/Hofmann/Reese, Umweltrecht, 5. Aufl. 2018, § 15 Agrarumweltrecht Rn. 36) oder über die richtliniengeleitete Verwaltungspraxis, etwa bei der Ausgleichzulage gemäß Nr. 6.5 S. 8 der AGZ-Richtlinie, BayMBl. 2019 Nr. 143 oder der AUM-Richtlinie vom 23.12.2020 iVm Art. 91 VO (EU) 1306/2013 (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 6 ZB 20.3025 – juris Rn. 15 zur AGZ; vgl. zum Ganzen VG Gießen, U.v. 2.12.2022 – 4 K 2816/21.GI – juris Rn. 26; ferner VG Würzburg, U.v. 19.4.2021 – W 8 K 20.122 – juris Rn. 24 f.; U.v. 12.10.2020 – W 8 K 20.563 – juris Rn. 21 f.; U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1582 – juris Rn. 20 f.; U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1448 – juris Rn 39 f.).
34
Die grundlegenden Normen umfassen eine Liste von Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB). Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass gegen Landwirte und andere Begünstigte, die diese Normen nicht einhalten, verhältnismäßige, wirksame und abschreckende Sanktionen verhängt werden (vgl. VG Stade, U.v. 23.11.2022 – 6 A 1163/20 – juris Rn. 71 ff.).
35
Vereinigungen natürlicher Personen werden auch unionsrechtlich als Betriebsinhaber anerkannt. Gegen eine GbR können somit Sanktionen verhängt werden, wenn die Gesellschafter Verstöße gegen Cross-Compliance-Regelungen begangen haben (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 8).
36
Dem Betriebsinhaber (hier: den Klägern bzw. einem von ihnen) muss der Verstoß anzulasten sein; zumindest fahrlässiges Verhalten ist erforderlich (BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – BeckRS 2021, 4233 Rn. 19; VG Würzburg, U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1582 – juris Rn 23 f.).
37
Nach Art. 91 VO (EU) 1306/2013 wird eine Verwaltungssanktion verhängt, wenn ein Begünstigter die Cross-Compliance-Vorschriften nicht erfüllt, wenn der Verstoß das Ergebnis einer Handlung oder Unterlassung ist, die dem Betreffenden anzulasten ist, unter anderem, wenn er von den Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB) abweicht. Dazu zählen nach Art. 93 Abs. 1 Buchst. c) VO (EU) 1306/2013 unter anderem die im Anhang II aufgeführten Cross-Compliance-Vorgaben für den Tierschutz. Die GAB 13 des Anhangs II VO (EU) 1306/2013 verweist auf Art. 4 der RL 98/58/EG des Rates vom 20. Juli 1998 über den Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere, welcher bestimmt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass bei der Tierhaltung die Bestimmungen dem Anhang Genüge tragen. Im Anhang IV der RL 98/58/EG ist bestimmt, dass ein Tier, das Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung aufweist, unverzüglich ordnungsgemäß versorgt werden muss; spricht ein Tier auf diese Maßnahmen nicht an, so ist so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen. Erforderlichenfalls sind die kranken oder verletzten Tiere gesondert in angemessenen Unterkünften unterzubringen oder gegebenenfalls mit trockener und angenehmer Einstreu zu versehen.
38
§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV (Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung – Verordnung zum Schutz landwirtschaftlicher Nutztiere und anderer zur Erzeugung tierischer Produkte gehaltene Tiere bei ihrer Haltung) setzt die unionsrechtlichen Vorgaben um. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV hat der Tierhalter sicherzustellen, dass, soweit erforderlich, unverzüglich Maßnahmen für die Behandlung, Absonderung in geeignete Haltungseinrichtungen mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage oder die Tötung kranker oder verletzter Tiere ergriffen werden sowie ein Tierarzt hinzugezogen wird. Ist ein Tier krank oder verletzt, so muss es unverzüglich in ein mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage versehenes, abgesondertes Stallabteil verbracht und dort behandelt werden. Solche Stallabteile müssen in ausreichender Zahl vorgehalten werden. Zwischen Behandlung, Absonderung und Tötung besteht eine Rangfolge, die sich sowohl aus § 1 S. 2 TierSchG als auch aus Nr. 4 Anhang RL 98/58/EG ergibt:
Erster Schritt:
39
Stellt der Halter oder Betreuer Anzeichen für eine Krankheit oder Verletzung fest, so trifft er unverzüglich erste Versorgungsmaßnahmen. Soweit es zur Heilung oder zum Schutz anderer Tiere erforderlich ist, muss er das erkrankte oder verletzte Tier in einer geeigneten Haltungseinrichtung mit trockener und weicher Einstreu oder Unterlage unterbringen.
Zweiter Schritt:
40
Reichen diese Maßnahmen nicht aus, so muss so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzugezogen werden; nach Nr. 4 Anhang RL 98/58/EG besteht diese Verpflichtung ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Wert des Tieres und gilt auch für Tiere, die zur Schlachtung bestimmt sind. Ein Tierarzt ist so rasch wie möglich hinzuzuziehen, wenn das Tier, das Anzeichen einer Krankheit oder Verletzung aufweist, auf die ordnungsgemäße Versorgung nicht anspricht. Die objektive Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Tierarztes ist – unabhängig von dem gesicherten Vorliegen einer akuten Erkrankung und Verletzung – zu bejahen, wenn das Tier erhebliche Schmerzen hat, die durch den Einsatz von veterinärärztlich zu verordnenden Medikamenten zu lindern wären, oder leidet. Für die Feststellung von Schmerzen und Leiden ist dabei insbesondere auf die Verhaltensbeobachtung zurückzugreifen, wobei von bestimmten Symptomen – Lautäußerungen wie Jaulen oder Winseln, Verhaltensänderungen wie beispielsweise Veränderungen in der Art und Geschwindigkeit des Aufstehens oder Sich Niederlegens, Veränderungen in der Körperhaltung usw. – auf das Vorhandensein und die Intensität von Schmerzen geschlossen werden kann (VG Gera U.v. 17.12.2018 – 5 K 532/17 Ge – juris Rn. 62 ff., 64 f.; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 17 TierSchG Rn. 89 ff.).
Dritter Schritt:
41
Eine Tötung darf grundsätzlich erst erfolgen, wenn nach den Regeln der veterinärmedizinischen Kunst dem Tier ein Weiterleben ohne andauernde, erhebliche Schmerzen oder Leiden nicht ermöglicht werden kann. Erst wenn also eine weitere Behandlung medizinisch nicht mehr möglich ist (und nicht schon dann, wenn sie wirtschaftlich nicht mehr lohnend erscheint), kommt eine Tötung in Betracht, und auch dann nur, wenn es um anders nicht behebbare erhebliche Schmerzen oder Leiden geht (Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 4 TierSchNutztV Rn. 3 m.w.N; VG Magdeburg, U.v., 4.7.2016 – 1 A 1198/14 – juris Rn. 96 f.).
42
Krank sind Tiere mit gestörtem Allgemeinbefinden. Dies ist aus der Sicht des sachkundigen und erfahrenen Laien, wie einen gewerbsmäßigen Landwirt, zu beurteilen (Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, 244. EL Dezember 2022, § 4 TierSchNutztV Rn. 6; ders. in Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Aufl. 2019, § 4 TierSchNutztV Rn. 6).
43
Nach Anhang Nr. 5 RL 98/58/EG muss der Halter der Tiere Aufzeichnungen über alle medizinischen Behandlungen der bei jeder Kontrolle vorgefundenen toten Tiere führen.
44
Grundsätzlich obliegt die Beweislast für das Vorliegen von Cross-Compliance-Verstößen beim Beklagten (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 43).
45
In tierschutzrechtlichen Verfahren ist aber anerkannt, dass den fachlichen Einschätzungen und Bewertungen des beamteten Tierarztes eine besondere Bedeutung zukommt. Nach § 16 a Abs. 1 Satz 2 TierSchG ist dem Amtstierarzt bei der Frage, ob die Anforderungen von § 2 TierSchG erfüllt werden, eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt worden, so dass dessen fachliche Beurteilungen jedenfalls nicht durch schlichtes Bestreiten und auch nicht durch unsubstantiierte, pauschale Behauptungen entkräftet werden können (vgl. BayVGH, B.v. 11.8.2022 – 23 CS 22.1285 – juris Rn. 23; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2022, § 16a TierschG Rn. 46; jeweils m.w.N.). Da der Vorwurf eines Verstoßes gegen tierschutzrechtliche Cross-Compliance-Regelungen häufig aufgrund von Feststellungen im Rahmen von veterinärrechtlichen Kontrollen erhoben wird, kann diese Rechtsprechung auch Bedeutung in prämienrechtlichen Verfahren haben (ebenso VG Bayreuth, U.v. 14.11.2022 – B 8 K 20.908 – unveröff. UA S. 12). Die besondere Beurteilungskompetenz kommt aber nur dem beamteten Tierarzt, also dem Amtstierarzt, zu. Abweichende andere amtstierärztliche, aber gegebenenfalls auch privatärztliche, Beurteilungen desselben Krankheitsbildes sind aber im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu würdigen und können im Einzelfall eine amtstierärztliche Feststellung entkräften. Ferner kann den Feststellungen des Amtstierarztes nur dann eine besondere Bedeutung zukommen, wenn sie ordnungsgemäß dokumentiert sind. Die tatsächlichen Verhältnisse müssen in dem Bericht über die Kontrolle ausreichend beschrieben und die auf dieser Grundlage getroffenen veterinärmedizinischen Feststellungen müssen schlüssig dargelegt werden (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 44).
46
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt in Bezug auf beide streitgegenständlichen Tiere ein Verstoß gegen die genannten Tierschutzvorschriften vor, wie sich aus dem plausiblen schriftlichen Vorbringen des Beklagten ergibt. Ins Gewicht fallen die verschiedenen Gutachten und Stellungnahmen der staatlichen Veterinärärzte (Amtstierärzte der Veterinärämter W. und B.) sowie des LGL und auch das Urteil des Amtsgerichts Würzburg vom 11. Januar 2023 betreffend das Rind 2, mit dem ein tierschutzrechtlicher Verstoß mit 100,00 EUR als Ordnungswidrigkeit geahndet wurde. Auf die betreffenden Gutachten und Stellungnahmen sowie die beigefügten Lichtbilder, die sich zu einem Großteil in der beigezogenen Ordnungswidrigkeitsakte der Staatsanwaltschaft Würzburg befinden, wird verwiesen.
47
Ungeachtet der unterschiedlichen rechtlichen Ansätze im Bußgeldverfahren und im landwirtschaftsrechtlichen Subventionsverfahren ist festzuhalten, dass ein Bußgeldverfahren durchgeführt worden ist, wobei auch eine richterliche Beweiswürdigung hinsichtlich bußgeldrechtlich relevanter Tatbeiträge stattgefunden hat und ein Schuldspruch für Rind 2 erfolgt ist. Dies ist durchaus zu berücksichtigen, selbst wenn keine zwingende Bindung besteht und eine eigene Würdigung durch das Verwaltungsgericht vorzunehmen ist (vgl auch OVG NRW, B.v. 15.9. 2022 – 12 A 2169/20 – juris Rn. 32), soweit es nicht um eine weitere Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten geht.
48
Denn § 84 OWiG regelt den Strafklageverbrauch der Tat mit der Folge einer absoluten Sperrwirkung für die Verfolgung von nachträglich entdeckten Straf- oder Bußgeldtatbeständen. Dies gilt auch für Einstellungsbeschlüsse hinsichtlich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten, außer es liegen neue Tatsachen oder Beweismittel vor (str.; Bücherl in BeckOK OWiG, Graf, 37. Ed., Stand: 1.1.2023, § 47 Rn. 39 ff.; Ganter in BeckOK OWiG, Graf, 37. Ed., Stand: 1.1.2023, § 84 Rn. 15. u. 21; Mitsch in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 26, 36 ff.; Lutz in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Aufl. 2018, § 84 Rn. 10, 11 u .15).
49
Daher ist zu berücksichtigen, dass seitens des Amtsgerichts bzgl. Rind 2 ein Schuldspruch, aber hinsichtlich Rind 1 kein Freispruch erfolgte, sondern lediglich – ohne weitere Begründung – eine Beschränkung auf das andere Rind, also eine Einstellung. Dies erfolgte wohl im Ermessen, da die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zum einen im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde liegt (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG) und zum anderen auch das Gericht das anhängige Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft in jeder Lage einstellen kann, wenn dieses eine Ahndung nicht für geboten hält (§ 47 Abs. 2 Satz 1 OWiG).
50
Ausgehend von den Feststellungen und Schlussfolgerungen der Amtstierärzte – mit ihrer vorrangigen Beurteilungskompetenz nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung – und unter Berücksichtigung des Urteils des AG Würzburg ist nach eigener Würdigung des Verwaltungsgerichts Würzburg gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ein Cross-Compliance-Verstoß des Klägers zu 1) für beide Rinder zu bejahen.
51
Für jedes Rind gibt es jeweils Aussagen von drei verschieden Amtstierärzten bzw. verbeamteten Veterinären (Dr. ... bzw. Dr. ..., jeweils Veterinäramt W.; Veterinärdirektorin Dr. ..., Veterinäramt B.; Dr. ... [zu Rind 1] bzw. Dr. ... [zu Rind 2) ], jeweils Prüfleiter und Fachtierarzt für Pathologie beim LGL).
52
Die Klägerseite betont zwar, dass bei jeden der beiden Tiere rechtzeitig erforderliche Maßnahmen ergriffen wurden. Insbesondere habe durchgängig und bis zuletzt eine tierärztliche Behandlung stattgefunden. Bei den ersten Anzeichen von gesundheitlichen Problemen sei unverzüglich eine Separierung und eine abgestufte Behandlung bis hin zur tierärztlichen Behandlung erfolgt.
53
Demgegenüber verweist der Beklagte auf die verschiedenen veterinärmedizinischen Befunde, Gutachten und Stellungnahmen sowie die fehlende Dokumentation durchgängiger tierärztlicher Behandlung.
54
Laut plausibler und in sich stimmiger fachlicher Wertung der Amtstierärzte Dr. … (vom 30.8.2021, 8.9.2021 Abgabe an StA) und Dr. … (vom 8.6.2021 und 28.12.2022) sowie Dr. … (vom 5.1.2021, 27.4.2021, jeweils Sektionsbericht) bzw. Dr. … und Dr. … (vom 19.2.2021 und vom 7.5.2021 jeweils Gutachten LGL) wurden beide Rinder zwar tierärztlich untersucht und behandelt, aufgrund der Zeiträume zwischen Krankheitsbeginn und Therapiebeginn bzw. zwischen Therapie und Tod des Tieres ist jedoch anzunehmen, dass im Falle des Rindes 1 ein Tierarzt zu spät (erst nach mindestens zwei Wochen, am 30.12.2020) hinzugezogen worden ist und dass im Falle des Rindes 2 – laut Aufzeichnungen von Tierhalter und Tierarzt – zuletzt 6 Wochen (falls Behandlung am 17.4.2021, knapp 5 Wochen) vor dem Verenden des Tieres stattgefunden hat.
55
Die überzeugenden fachbehördlichen Feststellungen und Bewertungen der – wie ausgeführt – über eine vorrangige Beurteilungskompetenz verfügenden Amtstierärzte wurden nicht substantiiert angegriffen; dies wäre aber erforderlich gewesen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 – 6 ZB 20.3025 – juris Rn. 18 f.)
56
Im Einzelnen ist zu Rind 1 – DE ..., 15 Monate, weiblich, Charolais Rind – auszuführen:
Zeitlicher Ablauf Rind 1:
- 04.11.2020: Zukauf des Tieres
- 14.12.2020: angenommener (spätester) Beginn der Dekubitalstellen laut Sektionsgutachten
- 30.12.2020: tierärztliche Behandlung und Abgabe eines Arzneimittels zur täglichen Anwendung
- 03.01.2021: Tötung des Rindes (Bolzenschuss mit anschließender Entblutung);
- 05.01.2021: Sektion: laut Sektionsbericht ist bezüglich der Dekubitalulzera von einer Mindestdauer von 3 Wochen auszugehen.
57
Laut Sektionsbericht von Dr. …, Veterinäramt B., vom 5. Januar 2021 ist das Mindestalter der Dekubitalulzera (histologisch, also feingeweblich mikroskopisch untersucht) aufgrund der histopathologischen Befunde mit drei Wochen anzugeben (ebenso Dr. …, LGL, im Gutachten vom 19.2.2021). Ausgelöst durch vermehrtes Liegen, erschwerend auf ungeeigneten Liegeflächen. Ein vermehrt liegendes Rind muss weich, trocken und sauber gelagert und regelmäßig gewendet werden.
58
Nach Dr. …, Veterinäramt W., vom 30. August 2021 ist davon auszugehen, dass das Rind 1 aufgrund schmerzhafter Zustände bereits Anfang Dezember vermehrt zum Liegen kam. Bei Haltung auf Tiefstreu ist fachlich davon auszugehen, dass ein vermehrtes Liegen erst nach mehreren Tagen zur Entstehung von Dekubitalstellen führt. Daraus lässt sich schließen, dass als Beginn des vermehrten Liegens die frühe erste Dezemberhälfte als Beginn des schmerzhaften Krankheitsgeschehens sicher angenommen werden kann – spätester Beginn 14. Dezember 2020. Die tierärztliche Behandlung erfolgte – laut den arzneimittelrechtlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen – erst 16 Tage später am 30. Dezember 2020 und damit zu spät, sodass dem Tier über mehrere Tage erhebliche Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt wurden. Ebenso Dr. …, Veterinäramt W., in seiner Stellungnahme an die FüAK vom 8. Juni 2022, der hinzufügt, dass die Beeinträchtigungen des Tieres selbst für einen Laien mindestens 14 Tage vor Behandlungsbeginn offenkundig waren. Eine Behandlung erfolgte nicht bis zuletzt, sondern nur zuletzt (ebenso in seiner Stellungnahme vom 28.12.2022).
59
In seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2022 fügte Dr. …, Veterinäramt W., noch hinzu, dass die Vielzahl der teils tieferreichenden Dekubitalgeschwüre gut sichtbar gewesen ist. Da die Entstehung von Dekkubitalgeschwüren eine Zeit des vermehrten Liegens voraussetzt, ist davon auszugehen, dass das Tier mehrere Tage vor dem 14. Dezember 2020 durch vermehrtes Liegen auffällig gewesen ist. Die von Klägerseite genannte abgestufte Behandlung hat offensichtlich keinen Erfolg gehabt, sodass so rasch wie möglich ein Tierarzt hinzuzuziehen war.
60
In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger zu 1) zwar, sie hätten festgestellt, dass das Rind 1 im Dezember gelahmt habe, und hätten es mit Salbe eingerieben. Sie hätten es separiert und auf Stroh gelagert. Kurz darauf gab er aber doch widersprüchlich an, er habe die offene Stelle das erste Mal vielleicht zwei Tage, bevor der Hoftierarzt gekommen sei (30.12.2020), gesehen. Der Tierarzt Dr. … habe Schmerzmittel verabreicht. Dann habe sich aber der Kläger zu 1), als die Gelenkentzündung immer schlimmer geworden sei, zur Tötung entschlossen. Damit ist jedoch nicht vereinbar, dass laut fachkundiger Stellungnahme der Veterinäre die offenen Stellen (Dekubiti) teilweise so tiefreichend gewesen sind, dass sie schon Mitte Dezember hätten sichtbar sein müssen, insbesondere in den Karpalgelenken. Der in der mündlichen Verhandlung anwesende Amtstierarzt erklärte, der Veterinär des LGL habe vor dem Amtsgericht lediglich in Bezug auf die weniger tiefreichenden offenen Stellen im Brustbereich geäußert, dass er sich zum Zeitpunkt der Erkennbarkeit nicht genau festlegen könne. Diese Aussage treffe aber nicht auf die tiefreichenden Stellen bei den Karpalgelenken zu. Vielmehr habe er dazu festgestellt, dass diese mindestens drei Wochen alt sein müssten und große Schmerzen verursacht hätten. Der Tierarzt hätte deswegen deutlich früher gerufen werden müssen, als erst am 30. Dezember 2020. So habe die Leidensgeschichte des Tieres mindestens drei Wochen gedauert.
61
Dem Kläger zu 1) hätte als sorgfältigen und gewissenhaften Landwirt, der zudem als Metzger und Viehhändler langjährige Erfahrungen im Umgang mit Nutztieren hat, auch das vermehrte Liegen auffallen müssen. Dies ist ihm wohl auch aufgefallen, indem er angab, das – offenkundig wohl vermehrt liegende und damit Indizien (Symptome) aufweisende (vgl. Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 17 TierSchG Rn. 90) – Tier sei immer wieder zum Fressen aufgestanden.
62
Auch soweit der Kläger zu 1) pauschal angab, der Tierarzt sei sein Hoftierarzt gewesen, der dauernd durch den Stall gelaufen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass dies nach den Vorgaben der Tierschutz-Nutztierhalteverordnung nicht ausreicht. Danach ist wie ausgeführt nicht ausreichend, dass der Hoftierarzt nur beiläufig bei dem Tier vorbeischaut. Vielmehr ist der Tierhalter bei einer auftretenden Erkrankung, bei der eine eigene Behandlung mit „Hausmitteln“ nicht rasch zum Erfolg führt, verpflichtet, unverzüglich aktiv tätig zu werden und einen Tierarzt hinzuzurufen. Er darf nicht abwarten, bis der Hoftierarzt üblicherweise den Hof aufsucht. Erforderlich ist eine individuelle Behandlung des konkreten Tieres. Die Beklagtenvertreterin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger zu 1) hätte feststellen müssen, dass es nicht besser, sondern schlechter wird, wenn er jeden Tag das Tier mit Salbe eingerieben haben will. Auch das VG Bayreuth habe entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn der Hoftierarzt regelmäßig im Betrieb anwesend ist und nur durchläuft, ohne dass ihm auffällige Tiere durch den Landwirt bewusst vorgestellt werden. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchNutztV erfordert ausdrücklich die Hinzuziehung des Tierarztes. Die Regelung verpflichtet den Landwirt zur Herbeiführung der Beurteilung durch den fachkundigen Tierarzt. Dies setzt eine aktive Initiative des Tierhalters voraus, sodass der Tierarzt anschließend das konkrete Tier und eventuell notwendige Maßnahmen fachlich beurteilen kann (so VG Bayreuth, U.v. 14.11.2022 – B 8 K 20.908 – unveröff. UA S. 13). Zudem fordert der Verordnungsgeber ein dahingehendes Handeln so rasch wie möglich, wenn die eigenen Maßnahmen, wie hier Separierung und Einsalben, keine baldige Besserung bewirken. Ein beiläufiges Vorbeischauen anlässlich eine anderweitigen Anwesenheit des Tierarztes im Betrieb wird den rechtlichen Anforderungen genauso wenig gerecht, wie ein Zuwarten, bis der Tierarzt ohnehin im Betrieb erscheint. Ein entsprechend rasches Herbeirufen des Tierarztes zwischen Mitte und Ende Dezember 2020 hat auch nach den Angaben des Klägers offenbar so nicht stattgefunden, geschweige denn ist ein solche dokumentiert. Eine Verpflichtung zur aktiven Hinzuziehung eines Tierarztes ist, wie schon dargelegt, ohne Rücksicht auf den wirtschaftlichen Wert des Tieres zu erfüllen. Denn der Tierarzt ist so rasch wie möglich hinzuzuziehen, wenn das Tier Anzeichen einer Krankheit aufweist und auf die eigene Versorgung – hier etwa die Separierung und weiche Lagerung – nicht anspricht. Abzustellen ist auf die objektive Notwendigkeit der Hinzuziehung des Tierarztes, wenn das Tier erhebliche Schmerzen hat, die durch veterinärärztlich zu verordnende Medikamente zu lindern wären, oder leidet (VG Gera U.v. 17.12.2018 – 5 K 532/17 Ge – juris Rn. 62 ff., 64 f.; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Hirt, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, § 4 TierSchNutztV Rn. 3 und § 17 TierSchG Rn. 89 ff.) Krank sind Tiere mit gestörtem Allgemeinbefinden. Der Kläger zu 1) ist wie in der mündlichen Verhandlung ausgeführt zum einen als gewerbsmäßiger Landwirt seit einigen Jahren und zuvor als Viehhändler und Metzger durchaus kundig, um zu beurteilen, ob ein Tier krank ist und leidet. Die Aussage in der mündlichen Verhandlung, das Tier sei immer wieder aufgestanden, um zum Fressen hinzulaufen, enthebt den Kläger zu 1) bei gleichwohl bestehenden Anzeichen einer Krankheit nicht davon, den Tierarzt möglichst rasch herbeizurufen.
63
Gleiches gilt im Ergebnis für das Rind 2 – DE ..., 5 Monate, Fleckvieh-Kalb:
Zeitlicher Ablauf Rind 2:
- 11.01.2021: Zukauf des Tieres
- 08.03.2021-12.03.2021: tierärztliche Behandlung des Rindes
- 17.4.2023: laut RA angebliche tierärztliche Behandlung, Impfung
- 25.04.2021: Tod des Tieres
- 27.04.2021: Sektion am VTN W. Laut Sektionsbericht von Dr. …, Veterinäramt B., vom 27. April 2021 umfasst eine Abmagerung einen längeren Zeitraum. Eine fortschreitende Abmagerung hätte der Tierhalter erkennen können und entsprechend reagieren müssen. Dr. …, LGL, bestätigt in seinem Gutachten vom 7.5.2021 die Bronchopneumie.
64
Nach Dr. …, Veterinäramt W., vom 30. August 2021 hat eine Behandlung ca. sechs Wochen vor dem Verenden des Tieres stattgefunden. Die Behandlung war zum einen nicht ausreichend, um weitere Leiden und Schäden (weitere Abmagerung mit Todesfolge) zu verhindern. Zum anderen hätte bei infauster (ungünstiger) Prognose eine schmerzlose Tötung das Leiden des Tiers vorzeitig beenden können.
65
Dr. …, Veterinäramt W. weist in seiner Stellungnahme an die FüAK vom 8. Juni 2022 noch darauf hin, dass am 8., 10. und 12. März 2021 eine Behandlung mit Florkem (Florfenicolhaltiges Antibiotikum bei Atemwegserkrankungen) erfolgte und der Tod ohne weitere Behandlung mehr als sechs Wochen später eingetreten ist. Der Tierhalter hätte das Tier, das kachektisch und mit einer schweren Bronchpneumie starb, erneut tierärztlich untersuchen und behandeln lassen müssen (ebenso in seiner Stellungnahme vom 28.12.2022).
66
In seiner Stellungnahme vom 28. Dezember 2022 fügte Dr. …, Veterinäramt W., noch hinzu, dass selbst, wenn es sich entgegen des Eintrags (als Fleckvieh-Kalb) um ein Kalb einer eher milchbetonten Fleckvieh-Linie gehandelt haben sollte, auch diese Kälber von guten und frohen Wachstum sind. Der reduzierte Gesundheitszustand und der schlechte Ernährungszustand hätten dem Tierhalter daher ganz besonders auffallen und als Grundlage verstärkter Aufmerksamkeit für den Zustand dieses Tieres dienen müssen. Der Ernährungszustand des Kalbs ist nicht nur rein adspektorisch, also aufgrund eines äußeren Erscheinungsbildes beurteilt worden, sondern aufgrund des tiermedizinisch-wissenschaftlichen Nachweises einer gallertigen Atrophie. Darüber hinaus ist nach Eröffnung des Tierkörpers kein Körperhöhlenfettgewebe vorhanden gewesen. Beides sind eindeutige Belege für eine hochgradige Kachexie (Abmagerung). Selbst äußerlich als sehr mager erscheinende Holstein-Rinder haben normale Mengen an Körperhöhlenfettgewebe und weisen keine gallertige Atrophie auf. Bei der Untersuchung hat sich das Kalb als hochgradig abgemagert und mit einer fibrinös-eitrigen abszedierenden und nekrotisierenden Bronchopneunomie dargestellt. Die pathologische und bakteriologische Untersuchung durch das LGL Erlangen hat dies bestätigt.
67
Der Kläger zu 1) hat zudem nicht die nach § 4 in Verbindung mit Anhang Nr. 5 RL 98/58/EG zu führenden Aufzeichnungen vorlegen können, die seine Behauptungen über eine durchgängige bzw. rechtzeitige tierärztliche Behandlung belegen.
68
Die Rechnung des Tierarztes Dr. … vom 23. Mai 2021, die belegen soll, dass nach Einstellung der Antibiotikabehandlung im März 2021 am 17. April.2021 eine Impfung, eventuell eine weitere Behandlung von Rind 2 erfolgt sein soll, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Rechnung umfasst nur pauschal 35 Schutzimpfungen im Betrieb der Kläger an diesem Tag und lässt sich nicht individuellen Tieren zuordnen. Erst recht lässt sich dem nicht entnehmen, dass zusätzlich zur Massenimpfung von 35 Tieren eine individuelle Begutachtung und Behandlung des konkreten Rindes 2 erfolgt sein soll. Es ist auch nicht dargelegt, inwieweit mit der Impfung das konkrete Leiden von Rind 2 (Kachexie, Bronchopneumie) behandelt worden sein sollte. Daraus lässt sich auch nicht schließen, dass der Tierarzt möglichst rasch eigens zur Behandlung von Rind 2 gerufen wurde und nicht nur beiläufig im Zusammenhang mit der Impfung auch an diesem Tier vorbeikam. Soweit am 17. April 2021 auch die Behandlung eines Kalbes wegen Meningitis (Hirnhautentzündung) und Parese (Teilausfall motorischer Funktionen eines einzelnen Muskels, einer Muskelgruppe oder einer Extremität) in Rechnung gestellt ist, ist diese nicht einem bestimmten Kalb zugeordnet und von der Diagnose nicht nachvollziehbar, dass sich die Krankheiten auf Rind 2 beziehen sollten. Zudem belegt diese Behandlung eines offenkundig anderen Kalbes umgekehrt nicht, dass auch das streitgegenständliche Kalb (Rind 2) – abgesehen von einer Impfung samt Fiebermessen – dem Tierarzt zur gesonderten Behandlung vorgestellt wurde. Mit dem klägerischen Vorbringen werden die amtstierärztlichen Schlussfolgerungen nicht entkräftet, zumal selbst bei Wahrunterstellung knapp 5 Wochen nichts geschehen wäre.
69
Hinzu kommt die diagnostizierte schwere Lungenentzündung des Rindes 2, wie der Amtstierarzt in der mündlichen Verhandlung nochmals betonte. Der Amtstierarzt räumte zwar selbst ein, dass die Lungenentzündung und die Behandlung mit Antibiotika zu einem erhöhten Energiebedarf geführt habe und daher für gewisse kurze Zeit eine fehlende Zunahme bzw. Abnahme des Tieres naheliegend gewesen sei, jedoch – hob er hervor – hätte der Tierhalter anschließend die fortschreitende Abmagerung erkennen müssen. Auch der Hinweis des Klägers zu 1) in der mündlichen Verhandlung, sowohl bei der Antibiotikagabe als auch bei der Impfung sei Fieber gemessen und kein Fieber festgestellt worden, bis zum Schluss nicht; das Kalb habe dann über Nacht am Morgen einfach tot im Stall gelegen, vorher habe es keine Anzeichen einer Lungenentzündung geben, es habe auch normal gefressen, leuchtet nicht ein. Abgesehen davon, dass Fieber kein alleiniger Gradmesser ist, ist nicht nachvollziehbar, dass ein aus Sicht des Tierhalters vollkommen gesundes und normal fressendes Tier über Nacht tot umfällt und bei der Sektion keinerlei Anzeichen für den plötzlichen Tod festzustellen sind, sondern vielmehr eine sich länger hinziehende Leidensgeschichte aufweist, verbunden mit einer fortschreitenden Abmagerung und einer Lungenentzündung, zumal diese laut amtstierärztlicher Feststellung (Dr. …, Veterinäramt W., vom 8.6.2022) durch deutliche Symptome einer Atemwegserkrankung (Schweratmigkeit, Husten, Ausfluss etc.) gekennzeichnet war.
70
Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Hoftierarzt Dr. R. sich – anlässlich einer Impfung – an eine Lungenentzündung nicht habe erinnern können. Dies besagt nicht, dass eine solche nicht vorgelegen hat, zumal wenn er das streitgegenständliche Rind 2 zusammen mit 34 anderen Kälbern ohne nähere Begutachtung impft. Denn wie ausgeführt deutet dieser Umstand ebenfalls darauf hin, dass das Tier dem Hoftierarzt nur zum Impfen vorgestellt worden ist und nicht zur Untersuchung und Behandlung einer anderen möglichen Erkrankung.
71
Soweit mit Anwaltsschriftsatz vom 11. April 2023 vorgebracht wurde, dass der Tierarzt bei der Verhandlung des AG Würzburg „Dies“ bestätigt hat, also „das Tier wurde behandelt, u.a. mit einer Impfung“, ist nicht ersichtlich, welche weitere Behandlung bestätigt worden sein soll. Außerdem hat das AG Würzburg gleichwohl eine fahrlässige Tatbegehung angenommen und eine Geldbuße verhängt.
72
Im Übrigen ist auf die Verfügung des AG Würzburg vom 20. Januar 2023 zu verweisen (Bl. 190 der OWi-Akte). Darin ist zum Verfahrensausgang angemerkt: Beschränkung auf 1 Tier [durch Beschluss des AG in der mündlichen Verhandlung am 11.1.2023, und zwar auf Rind 2]. Da auch Tierarzt eingeschaltet war (der sich als Zeuge nur sehr vage erinnern konnte), erscheint das Verschulden des Betroffenen relativ gering, so dass eine erhebliche Reduzierung der Geldbuße erfolgen konnte.
73
Soweit mit Schriftsatz vom 11. April 2023 weiter vorgebracht wird, das Rind 2 habe regelgerecht Nahrung aufgenommen und diese wohl nur unzureichend verstoffwechselt, was der Kläger jedoch nicht habe erkennen können, was der Tierarzt Dr. … vor dem Amtsgericht bestätigt habe, ist dies zu hinterfragen. Zum einen ist im Vermerk des AG Würzburg von einem nur sehr vagen Erinnerungsvermögen des Zeugen Dr. … die Rede. Zum anderen ist fraglich, ob dem Kläger zu 1) nicht selbst auffallen konnte und musste, dass das Tier 2, ein noch nicht ausgewachsenes Kalb, trotz – wie behauptet – regelgerechter Nahrungsaufnahme über Wochen und Monate nicht zunahm. Außerdem lag laut Amtstierarzt eine schwere Bronchopneumie vor, die – auch für den Kläger zu 1) – wie ausgeführt erkennbar („mit deutliche Symptomen“) und behandlungsbedürftig gewesen ist. Wie schon erwähnt: Das AG Würzburg kam trotz Anhörung des Tierarztes zu einem fahrlässigen Schuldvorwurf.
74
Zum weiteren Vorbringen im Schriftsatz vom 11. April 2023, dass der Herkunftsbetrieb des Vatertiers gegenüber dem Veterinäramt sich irrtümlich auf ein anderes Kalb bezogen habe, hat der Klägerbevollmächtigte zum einen in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe keine weiteren Informationen bzw. Belege erhalten können. Auch der Beklagtenseite lagen keine neuen Erkenntnisse vor. Zum anderen kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob es ein reinrassiges Fleckvieh-Kalb oder ein Kreuzungs-Kalb war, weil laut plausibler amtstierärztlicher Aussage (Dr. …, Veterinäramt W., Stellungnahme vom 28.12.2022) auch bei einem Kreuzungs-Kalb Symptome einer Lungenentzündung sowie auch eine länger fortschreitende Abmagerung für einen Landwirt erkennbar gewesen waren.
75
Ausgehend von den Feststellungen und Schlussfolgerungen der Amtstierärzte – mit ihrer vorrangigen Beurteilungskompetenz – und unter Berücksichtigung des Urteils des AG Würzburg ist ein Cross-Compliance-Verstoß gesamtbetrachtend jeweils zu bejahen.
76
Ein Cross-Compliance-Verstoß zieht auf der Rechtsfolgenseite zwangsläufig eine Sanktion nach sich, weil gemäß Art. 91 Abs. 1, Art. 97 Abs. 1 UAbs. 1 VO (EU) 1306/2013 eine Verwaltungssanktion zu verhängen ist, wenn der Begünstigte gegen eine Cross-Compliance-Vorschrift verstößt (vgl. VG Bayreuth, U.v. 14.11.2022 – B 8 K 20.908 – unveröff. UA S. 14).
77
Des Weiteren ist auch die Höhe der Sanktion von 3% rechtmäßig.
78
Der Beklagte hat schon zutreffend ausgeführt, dass sich der Umfang der vorzunehmenden Kürzung nach Art. 99 VO (EU) 1306/2013 i.V.m. Art. 38 VO (EU) 640/2014 richtet, wonach bei den vorzunehmenden Kürzungen die Beurteilungskriterien Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit der Verstöße zu berücksichtigen sind. Gemäß Art. 38 VO (EU) 640/2014, die die zentrale Sanktionsnorm im Rahmen der Cross-Compliance-Regelung ist, ist bei einer Fahrlässigkeit des Verstoßes im Regelfall eine Kürzung des Gesamtbetrags um 3% vorzunehmen. Nach Art. 73 und Art. 74 VO (EU) 809/2014 wird bei mehreren fahrlässigen Verstößen, die sich wie hier nicht auf verschiedene Cross-Compliance-Bereiche beziehen, nur ein Verstoß angenommen.
79
Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden.
80
Verwaltungssanktion und Kürzung seitens des Beklagten halten sich im durch die einschlägigen Vorschriften – europarechtlich wie nationalrechtlich – vorgegebenen Rahmen (vgl. auch VG Stade, U.v. 23.11.2022 – 6 A 1163/20 – juris Rn. 96 ff.).
81
Denn werden die Cross-Compliance-Verpflichtungen nicht eingehalten, wird gemäß Art. 91 Abs. 1 VO (EU) 1306/2013 eine Verwaltungssanktion verhängt (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – Rn. 12 f.). Das Nähere bestimmen Art. 38 und 39 VO (EU) Nr. 640/2014.
82
Ein Verstoß umfasst unter anderem die Grundanforderungen an die Betriebsführung (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 38 Rn. 4). Die Schwere eines Verstoßes beurteilt sich nach den Auswirkungen des Verstoßes auf das, durch den entsprechenden Standard oder die Anforderung, geschützte Rechtsgut. Die Bewertung wird von dem jeweiligen Prüfer im Rahmen der Kontrolle vorgenommen. Hierfür stehen den Prüfern Vorgaben im Rahmen von Verwaltungsvorschriften zur Verfügung. Diese enthalten eine sogenannte Bewertungsmatrix, in der im Hinblick auf alle in Betracht kommenden Verstöße gegen Anforderungen und Standards beispielhaft Standardbewertungen im Hinblick auf einen bestimmten Sanktionssatz vorgenommen werden. Die konkrete Festsetzung der Sanktion wird allerdings nicht durch die Fachbehörde, sondern durch die Behörde, die über die Bewilligung der Förderung zu entscheiden hat, vorgenommen. Diese ist an die Bewertung der Fachbehörde nicht gebunden, wird sich aber im Regelfall hieran orientieren. Allerdings hat die Bewilligungsbehörde sicherzustellen, dass in ihrem Zuständigkeitsbereich die Kriterien einheitlich angewendet werden (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 38 Rn. 7).
83
Ist der festgestellte Verstoß auf Fahrlässigkeit des Begünstigten zurückzuführen, so wird eine Kürzung in der Regel auf 3 % des Gesamtbetrags der Zahlungen und jährlichen Prämien gemäß Art. 92 der VO (EU) 1306/2013 vorgenommen (Art. 39 Abs. 1 VO (EU) 640/2014). Art. 39 VO (EU) 640/2014 ist die zentrale Sanktionsnorm im Rahmen der Cross-Compliance-Regelungen, die die Art. 91, 92, 97, und 99 VO (EU) 1306/2013 ergänzt (Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 2).
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Im Regelfall wird bei Fahrlässigkeit eine Sanktion von 3% verhängt. Art. 73 Abs. 2 VO (EU) Nr. 809/2014 regelt den Fall, dass mehr als ein Verstoß in Bezug auf verschiedene Rechtsakte oder Standards desselben Bereichs der Cross-Compliance festgestellt worden ist. In diesem Fall gelten diese Verstöße – anders als im Fall des Verstoßes in verschiedenen Bereichen (Art. 74 Abs. 1 VO (EU) Nr. 809/2014) – im Rahmen von Art. 39 VO (EU) 640/2014 als ein einziger Verstoß (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 21, 24, 31; VG Würzburg, U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1582 – juris Rn. 29).
85
Die Bewertungsmatrix dient der Regeleinstufung zur Sicherstellung einer einheitlichen Verwaltungspraxis, soweit kein atypischer Ausnahmefall vorliegt (BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – Rn. 32; VG Würzburg, U.v. 19.4.2021 – W 8 K 20.1022 – juris Rn. 36 ff., 43; U.v. 12.10.2020 – W 8 K 20.563 – juris Rn. 31 ff.; U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1582 – juris Rn. 27 ff.; U.v. 3.8.2020 – W 8 K 19.1448 – juris Rn. 49 ff.).
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Hinsichtlich der konkreten Sanktion und der Einstufung als „mittel“ hat die Klägerseite nichts vorgebracht, geschweige denn gerügt. Auch sonst sind keine Anzeichen einer Fehlbewertung ersichtlich. In den streitgegenständlichen Bescheiden wird hinreichend deutlich, dass die Entscheidung durch eine Sanktionsmatrix für den Regelfall gesteuert wird und dass hier kein Fall vorliegt, der eine Abweichung der Regelbewertung rechtfertigen würde. Der Beklagte hat auch in der mündlichen Verhandlung erläuternd ausgeführt, dass auf Bund- und Länder-Ebene eine Matrix abgestimmt und angelegt wird, die eine Regelbewertung für einfach, mittel und schwer vorgibt. Die nicht rechtzeitige Verständigung des Tierarztes wird danach im Regelfall als mittel bewertet. Diese Matrix ist in der HI-Tier-Datenbank hinterlegt. Dabei sind auch die Kriterien Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit für den Regelfall hinreichend bewertet.
87
Die Beklagtenvertreter haben in der mündlichen Verhandlung zudem plausibel ausgeführt, dass man beide Fälle auch als Wiederholungsfall hätte sehen können, weil der zweite Fall erst nach der ersten Kontrolle quasi bei einer zweiten Kontrolle, die nicht vor Ort stattfinden muss, aufgefallen ist. Bei Annahme eines Wiederholungsfalles hätte die Kürzung auf 9% verdreifacht werden müssen. Davon hätten sie aber abgesehen. Infolgedessen wäre selbst, wenn man nur bei einem der beiden Tiere einen Verstoß erkannt hätte, eine Kürzung von 3% die Regelsanktion gewesen.
88
Strittig ist zwar, ob die Festsetzung der Höhe einer Sanktion im Ermessen der Behörde steht, weil nach Art. 39 Abs. 1 UAbs. 2 abweichend vom Regelfall UAbs. 1 Art. 39 VO (EU) 640/2014 eine Absenkung der Sanktion auf 1% oder eine Erhöhung auf 5% erfolgen „kann“, und ob die konkrete Festsetzung der Sanktion von den Verwaltungsgerichten daher nicht nur auf Ermessensfehler, sondern in vollem Umfang geprüft wird (vgl. Schulze/Schulte im Busch in Düsing/Martinez, Agrarrecht, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014, Art. 39 Rn. 32, mit Nachweisen zu den jeweiligen Auffassungen; aber etwa VG Würzburg, U.v. 19.4.2021 – W 8 K 20.1022 – juris Rn. 37 „gewisser Ermessensspielraum“ hinsichtlich der Beurteilung des Verstoßes als schwer, mittel, leicht). Jedoch kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagtenseite bei der konkreten Festsetzung der Sanktion ein Ermessen eingeräumt ist, so dass eine Überprüfung nur auf Ermessensfehler möglich wäre oder ob eine volle gerichtliche Überprüfung vorzunehmen ist, weil die vom Beklagten anhand der Matrix ermittelte Höhe der Sanktion unter jeden Blickwinkel nicht zu beanstanden ist (vgl. auch VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris Rn. 117 f.). Ein Ermessensfehler ist auch im Lichte des § 114 Satz 1 VwGO nicht ersichtlich (vgl. VG Bayreuth, U.v. 14.11.2022 – B 8 K 20.908 – unveröff. UA S. 14 f.).
89
In der vorliegenden Konstellation ist weiter kein atypischer Ausnahmefall gegeben, der eine abweichende Entscheidung des Beklagten hätte gebieten müssen (vgl. allgemein OVG NRW, B.v. 29.5.2017 – 4 A 516/15 – juris), weil der konkrete Sachverhalt keine außergewöhnlichen Umstände aufweist, die von solchem Gewicht sind, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung gebieten. Denn die vom Beklagten nach seiner Verwaltungspraxis vorgenommene Kürzung wegen eines Tierschutzverstoßes ist keine atypische Besonderheit, die eine abweichende Behandlung gebietet, sondern gängige Praxis in einer typischen Fallkonstellation. Der Umstand, dass ein Hoftierarzt sowieso regelmäßig durch den Tierbestand geht, rechtfertigt keine andere Beurteilung im vorliegenden Einzelfall, bei dem gerade die erforderliche unverzügliche Herbeirufung des Tierarztes unterblieben ist (vgl. VG Bayreuth, U.v. 14.11.2022 – B 8 K 20.908 – unveröff. UA S. 15). So liegt kein atypischer Ausnahmefall vor, sondern eine Fallgestaltung, die häufiger vorkommt und nach der Ausgestaltung der – europarechtlich gesteuerten – Förderpraxis gerade mit einer Verwaltungssanktion verbunden mit einer Kürzung der begehrten Förderung in Höhe von 3% bedacht wird (vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 6.3.2023 – W 8 K 22.1257 – juris 128 f.).
90
Der Ausschluss der Kläger von der weitergehenden Förderung (einschließlich Verwaltungssanktion) ist nicht willkürlich, weil sachgerechte und vertretbare Gründe von der Beklagtenseite vorgebracht wurden.
91
Der Allgemeine Gleichheitssatz gebietet nur, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen und in diesem Rahmen einen Anspruch zu gewähren (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 – 10 LC 149/20 – AUR 2021, 98 – juris Rn. 21).
92
Der Zuwendungsgeber hat dabei einen weiten Gestaltungsspielraum, soweit er bei der Förderung nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten vorgeht. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen der öffentlichen Hand in weitem Umfang zu Gebote (SächsOVG, U.v. 24.11.2021 – 6 A 540/19 – juris Rn. 48 ff.; OVG LSA, B.v. 26.4.2021 – 1 L 49/19 – juris Rn.10; NdsOVG, U.v. 15.9.2022 – 10 LC 151/20 – juris Rn. 43; U.v. 24.3.2021 – 10 LC 203/20 – RdL 2021, 251 – juris Rn. 30 ff. und 38; OVG NRW, U.v. 22.3.2021 – 14 A 1131/18 – DWW 2021, 186 – juris Rn. 44 m.w.N.).
93
Für eine willkürliche Handhabung sind keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr werden die Kläger genauso behandelt wie andere Landwirte in vergleichbarer Situation. Die Anwendung der Bewertungsmatrix stellt gerade eine gleichmäßige Behandlung sicher.
94
Schließlich sind die erfolgten Kürzungen auch europarechtlich nicht zu beanstanden. Das System der Kürzungen mit dem Instrument der Verwaltungssanktion ist gerade ein integraler Bestandteil der europarechtlich getragenen landwirtschaftlichen Förderungen (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – BeckRS 2021, 4233 Rn. 22 f.; B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.113 – BeckRS 2021, 4354 Rn. 25 f.; jeweils m.w.N. zur EuGH Rspr.).
95
Der Europäische Gerichtshof hat wiederholt festgestellt, dass es sich bei der im Falle der Nichteinhaltung der anderweitigen Verpflichtungen (Cross Complianc) anzuwendenden Sanktion in Regelungen der gemeinsamen Agrarpolitik, wie die Kürzung oder der Ausschluss von Beihilfen, um ein spezielles Instrument der Verwaltung handelt, das integraler Bestandteil des Systems der Landwirtschaftsbeihilfen ist und die Einhaltung dieser Verpflichtungen fördern soll, aber keinen strafrechtlichen Charakter besitzt. Das System der Kürzungen oder des Ausschusses von Direktzahlungen stellt eine Verwaltungsmaßnahme dar, die mit den Anreizen in Form von Direktzahlungen verbunden ist (BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – juris Rn. 23 m.w.N.).
96
Kürzungen wegen Verstößen gegen Cross-Compliance-Vorgaben verstoßen infolgedessen auch nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung, da sie primär dem Schutz der finanziellen Interessen des Haushalts der Europäischen Union vor einem Missbrauch der Mittel dienen. Die Verwaltungssanktionen sollen daher wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (OVG NRW, B.v. 7.7.2022 – 12 A 290/20 – juris Rn. 19 ff.; BayVGH, B.v. 9.3.2021 – 6 ZB 21.137 – Rn. 22 f.).
97
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
98
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.