Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 28.03.2023 – W 1 K 22.1854
Titel:

Kein Anspruch auf Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs bei Verschuldensunfähigkeit des Schädigers 

Normenketten:
BGB § 827
BayBG Art. 97
Leitsätze:
1. Durch die Verwendung der Formulierung "rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld" hat der bayerische Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass es maßgeblich auf die materielle Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung ankommt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist der Schädiger verschuldensunfähig iSv § 827 Abs. 1 und 2 BGB, scheidet die Entstehung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld von vornherein aus. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine analoge Anwendung des Art. 97 Abs. S. 1 BayBG auf Fälle, in denen wegen der Verschuldensunfähigkeit des Schädigers ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht entstanden ist und in der Folge auch nicht rechtskräftig festgestellt wurde, kommt nicht in Betracht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs, Begriff des rechtskräftig festgestellten Anspruchs, Keine Analogie, Dienstunfall, Polizeibeamtin, Schuldunfähigkeit des Schädigers, Erfüllungsübernahme, Schmerzensgeldanspruch, rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld, verschuldensunfähig, analoge Anwendung, keine Analogie
Fundstelle:
BeckRS 2023, 8562

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs durch den Beklagten.
2
Die Klägerin steht als Polizeiobermeisterin im Dienst des Beklagten. Am 26. Februar 2017 befand sich die Klägerin im dienstlichen Einsatz wegen einer Festnahme einer am Boden liegenden Person, als sich der Schädiger ihr von hinten näherte und ihr mehrmals in den Oberkörper und Rücken trat. Dabei zog sich die Klägerin mehrere Verletzungen zu.
3
Dieser Unfall wurde mit Bescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Regensburg, vom 26. Juni 2019 als Dienstunfall mit folgenden Dienstunfallfolgen anerkannt: Halswirbelsäulen-Distorsion Grad II, Prellung des rechten Kniegelenks, Distorsion des linken Handgelenks, Prellungen der Brustwirbelsäule, Lendenwirbelsäule und Rippen sowie Blockierungen der Brustwirbelsäule und des Iliosakralgelenks.
4
Die Klägerin machte aufgrund dieses Vorfalls gegen den Schädiger einen Schmerzensgeldanspruch in Höhe von 10.000,00 EUR geltend. Mit Versäumnisurteil des Landgerichts Würzburg vom 26. März 2018 (Az. 71 O 1475/17) wurde der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 8.149,00 EUR zugesprochen. Auf den daraufhin von Seiten des Schädigers erhobenen Einspruch wurde das Versäumnisurteil des Landgerichts W. … vom 26. März 2018 mit Endurteil vom 2. September 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen, da sich nach den richterlichen Feststellungen der Schädiger wegen einer hirnorganisch bedingten psychotischen Störung und einer additiven Alkoholintoxikation zum Zeitpunkt der Tat in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand gemäß § 827 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befunden habe und daher schuldunfähig sei. Auch als der Schädiger den Alkohol zu sich genommen habe, habe er sich in einer seine freie Willensbildung ausschließenden Situation befunden und die Konsequenzen seiner folgenden Handlungen nicht ersehen können, weshalb er auch hierfür gemäß § 827 Satz 2 BGB nicht verantwortlich gemacht werden könne. Die gegen das klageabweisende Endurteil des Landgerichts W. … vom 2. September 2020 von der Klägerin eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg.
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Mit Schreiben vom 25. März 2021, eingegangen bei dem Beklagten am 6. April 2021, beantragte die Klägerin die Erfüllungsübernahme der Schmerzensgeldansprüche nach Art. 97 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in Höhe von 10.000,00 EUR.
6
Mit Bescheid vom 8. Juli 2021 lehnte der Beklagte den Antrag auf Erfüllungsübernahme ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass nach dem Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG Gegenstand der Erfüllungsübernahme ausschließlich der originär gerichtlich festgestellte Schmerzensgeldanspruch sei, sonstige Schadensforderungen seien nicht übernahmefähig. Mit Versäumnisurteil vom 26. März 2018 habe das Landgericht W. … der Klägerin wegen der dieser von dem Schädiger zugefügten Verletzungen ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 EUR zugesprochen. Mit Endurteil vom 2. September 2020 habe das Landgericht W. … das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen, da sich der Schädiger in einem Zustand befunden habe, der die freie Willensbildung ausgeschlossen habe, und er demnach für den Schaden, den er der Klägerin zugefügt habe, nicht verantwortlich gewesen sei. Es fehle somit an der Voraussetzung des rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldanspruchs gemäß §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 Strafgesetzbuch (StGB), § 253 BGB.
7
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 9. August 2021 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung trug sie vor, dass Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG die Möglichkeit der Erfüllungsübernahme bereits bei einem rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld vorsehe. Der Anspruch müsse nicht rechtskräftig tenoriert sein. Die Feststellungen des Landgerichts W. … in dem Urteil vom 2. September 2020 seien demnach ausreichend. Denn das Gericht habe innerhalb des Tatbestandes und der Urteilsbegründung festgestellt, dass die Klägerin durch die Handlungen eines Dritten verletzt worden sei und dieser grundsätzlich, wenn nicht Schuldunfähigkeit gegeben wäre, zur Zahlung von Schmerzensgeld verpflichtet sei. Für diese Auslegung spreche der Umstand, dass der Gesetzgeber die Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen nicht an die Person des Schädigers (hier: insbesondere dessen Schuldfähigkeit) habe knüpfen wollen. Die Erfüllungsübernahme solle für alle verletzten Beamten gleichermaßen gelten und nicht durch in der Person des Schädigers liegende Umstände oder durch das Verhalten des Schädigers konterkariert werden können.
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Im Übrigen seien die Voraussetzungen einer Analogie erfüllt. Es liege eine planwidrige Regelungslücke vor, da Art. 97 BayBG keine Regelung für den hier einschlägigen Fall der grundsätzlichen Verantwortung des Schädigers bei gleichzeitiger Schuldunfähigkeit enthalte. Es könne daher als sicher unterstellt werden, dass der Normgeber für den Fall der Kenntnis des sich hiesigen Sachverhaltes die anspruchsbegründende Norm so ausgestaltet hätte, dass auch der hiesige Sachverhalt hiervon erfasst wäre. Sowohl auf der Seite des geschädigten Beamten als auch auf Seiten des Normsetzers sei eine vergleichbare Interessenlage gegeben, da der geschädigte Beamte mit oder ohne tenoriertem Schmerzensgeldanspruch nicht auf dem während der Dienstausübung erlittenen Schaden sitzen bleiben solle.
9
Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2022 wies die Widerspruchsbehörde den Widerspruch vom 9. August 2021 gegen den Bescheid vom 8. Juli 2021 zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass die Erfüllungsübernahme als ergänzende Fürsorgeleistung darauf beschränkt sei, unbillige Härten zu vermeiden, die sich aus dem Ausfall bei vermögenslosen Schädigern ergeben könnten. Tatbestandliche Voraussetzung der hier begehrten Erfüllungsübernahme nach Art. 97 BayBG sei ein rechtskräftig festgestellter Schmerzensgeldanspruch des Beamten. Daran fehle es hier, da das Landgericht W. … das Vorliegen eines solchen Anspruchs verneint habe. Der Begriff der rechtskräftigen Feststellung sei nicht formaljuristisch, sondern dem Zweck des Art. 97 BayBG entsprechend auszulegen. Der Dienstherr könne allein im Rahmen seiner Fürsorgepflicht als Grundlage des Art. 97 BayBG, welche zugleich auch dessen Grenze bildet, zur Erfüllungsübernahme verpflichtet werden. Im Übrigen sei der Art. 97 BayBG nach dem Willen des Gesetzgebers gerade für solche Fälle geschaffen worden, in denen eine Vollstreckung seitens des Beamten ins Leere laufe, weshalb Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG ausdrücklich den Nachweis von erfolglosen Vollstreckungsversuchen als Voraussetzung für die Erfüllungsübernahme bestimme. Einen solchen Nachweis von erfolglosen Vollstreckungsversuchen habe die Klägerin nicht vorgelegen können, da ein Anspruch bereits gerichtlich verneint worden sei.
10
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 2. Dezember 2022 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erhoben. Die Klägerin ist der Auffassung, der Anspruch auf Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen ergebe sich aus Art. 97 BayBG aufgrund von Auslegung, hilfsweise aufgrund einer analogen Anwendung der Norm. Sie trug zur Begründung die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vorgebrachten Erwägungen erneut vor und führte ergänzend aus, dass die in dem Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 2022 dargestellten Argumente nicht verfingen. Soweit der Beklagte darauf abstelle, dass Art. 97 BayBG allein für die Fälle geschaffen worden sei, bei welchen unbillige Härten aufgrund vergeblicher Vollstreckungsversuche bei vermögenslosen Schädigern verhindert werden sollen, sei dies nicht nachzuvollziehen. Denn Art. 97 Abs. 2 BayBG sehe vor, dass eine unbillige Härte insbesondere dann vorliegt, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500 EUR erfolglos geblieben sei. Mit der Formulierung „insbesondere“ werde der Wille des Gesetzgebers deutlich, dass eine unbillige Härte nicht allein dann vorliege, wenn das Regelbeispiel erfüllt sei. Mithin könne sich die unbillige Härte auch aus anderen Sachverhaltskonstellationen ergeben, wie der Schuldunfähigkeit des Schädigers. Zudem regle Art. 97 Abs. 3 BayBG nur das Antragsverfahren für die Erfüllungsübernahme. Der Umstand, dass darin der Nachweis der Vollstreckungsversuche gefordert werde, führe nicht dazu, dass fruchtlose Vollstreckungsversuche Tatbestandsvoraussetzung der Erfüllungsübernahme seien.
11
Die Klägerin beantragte zuletzt,
den Bescheid vom 8. Juli 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2022 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 9. Februar 2021 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
12
Ein Vertreter des Beklagten beantragte,
die Klage abzuweisen.
13
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, die Voraussetzungen der Erfüllungsübernahme nach Art. 97 BayBG lägen nicht vor, da es an einem rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld fehle. Mit Endurteil des Landgerichts W. … vom 2. September 2020 sei das Versäumnisurteil des Landgerichts W. … vom 26. März 2018 aufgehoben und die Klage der Klägerin auf Schmerzensgeld gegen den Schädiger abgewiesen worden. Die materielle Rechtskraft des klageabweisenden Endurteils stehe der rechtskräftigen Feststellung eines Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin gegen den Schädiger entgegen. Die von der Klägerseite befürwortete Auslegung des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG, wonach zwischen „rechtskräftig festgestellt“ und „rechtskräftig tenoriert“ zu unterscheiden sei, sei nicht möglich. Die Rechtskraftwirkung sei auf den Entscheidungssatz, das heißt auf den Tenor, beschränkt. Nicht in Rechtskraft erwüchsen die Urteilsgründe sowie die in den Entscheidungsgründen festgestellten Tatsachen und Tatbestandsmerkmale. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weise darauf hin, dass die Gesetzesbegründung zu Art. 97 BayBG von „dem titulierten Schmerzensgeldanspruch“, „Schmerzensgeldtitel“ oder „Titel“ spreche (siehe U.v. 16.12.2020 – 3 B 20.1553 – juris Rn. 21). Hieran anknüpfend werde darauf hingewiesen, dass im Endurteil der Schmerzensgeldanspruch, insbesondere die Angemessenheit der Schmerzensgeldhöhe, gar nicht festgestellt oder geprüft worden sei. Die Urteilsgründe, auf die die Klägerin ihren Anspruch auf Erfüllungsübernahme stütze, seien insoweit unvollständig. Die Klägerin verlange, dass dieser Mangel durch den Rückgriff auf das Versäumnisurteil geheilt werde. Einem aufgehobenen Urteil solche Fernwirkungen zuzuschreiben widerspreche fundamental den Regeln des Prozessrechts. Wäre es möglich, sich aus den Urteilen verschiedener Instanzen, die für sich günstigen Aspekte zusammenzutragen und hierauf erfolgreich Ansprüche zu stützen, riefe dies weitreichende Rechtsunsicherheiten hervor. Unsicherheiten habe der Gesetzgeber bei Art. 97 BayBG allerdings vermeiden wollen, weshalb er bewusst auf den „rechtskräftig festgestellten Anspruch“ abgestellt habe. Eine analoge Anwendung des Art. 97 BayBG auf den vorliegenden Fall sei ebenfalls nicht möglich, da keine planwidrige Regelungslücke gegeben sei. Aus dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des Art. 97 BayBG werde deutlich, dass es dem Plan des Gesetzgebers entspreche, die „rechtskräftige Feststellung eines Schmerzensgeldanspruchs“ für sämtliche Fälle der Erfüllungsübernahme als anspruchsbegründende Tatbestandsvoraussetzung vorzuschreiben. Der Wortlaut des Art. 97 BayBG nehme mit der Formulierung „rechtskräftig festgestellter Anspruch“ auf zivilrechtliche Begrifflichkeiten Bezug. Anspruchsbegründende Voraussetzung sei eine rechtskraftfähige Entscheidung über den Schmerzensgeldanspruch, die formell rechtskräftig geworden sei. In der Konsequenz spiele es für das „Ob“ des Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzung „rechtskräftige Feststellung eines Schmerzensgeldanspruchs“ keine Rolle, an welchen rechtlichen oder tatsächlichen Hindernissen der Erlass einer rechtskräftigen Entscheidung scheitere. Auch aus der Bezeichnung des Art. 97 BayBG als „Erfüllungsübernahme“ werde deutlich, dass Art. 97 BayBG im Gegensatz zu Art. 98 BayBG keine materiell-rechtliche Schadensersatznorm sei, sondern einen rechtskräftig titulierten Schmerzensgeldanspruch voraussetze. Aus der Systematik des Art. 97 BayBG gehe das Erfordernis eines rechtskräftigen Titels ebenfalls hervor. Denn anders als für den Fall der Vergleiche gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO habe der Gesetzgeber keine ausdrückliche Ausnahme geregelt. Der in Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG als weitere Tatbestandsvoraussetzung geregelte „Nachweis eines erfolglosen Vollstreckungsversuchs“ setzte das Vorliegen eines Vollstreckungstitels ebenfalls denklogisch voraus. Auch aus dem Sinn und Zweck des Art. 97 BayBG ergebe sich, dass der „rechtskräftig festgestellte Anspruch auf Schmerzensgeld“ nach dem Plan des Gesetzgebers unabdingbare Voraussetzung für eine Erfüllungsübernahme sei. Aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Schmerzensgeldanspruchs wegen der Beziehung zwischen Opfer und Schädiger müsse die Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs den Beamten vorbehalten bleiben. Wie aus der in Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG geregelten Tatbestandsvoraussetzung „Nachweis der Vollstreckungsversuche“ ersichtlich werde, obliege es zunächst den Beamten als Gläubigern, das Zwangsvollstreckungsverfahren zu betreiben, um die privatrechtlichen Ansprüche zu befriedigen. Art. 97 BayBG diene nur dazu, den Beamten ein etwaiges Ausfallrisiko auf der Vollstreckungsebene abzunehmen. Das Risiko der gerichtlichen Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs verbleibe hingegen bei den Beamten. Mit Art. 97 BayBG habe nicht der Rechtskreis des verletzten Beamten erweitert werden, sondern nur das Vollstreckungsrisiko abgemildert werden sollen. Ein Anspruch der Beamten gegenüber dem Dienstherrn auf Vorleistung könne aus Art. 97 BayBG nicht abgeleitet werden. Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck des Art. 97 BayBG würden zeigen, dass das Fehlen eines rechtskräftig titulierten Schmerzensgeldanspruchs dem Plan des Gesetzgebers entsprechend zum Ausschluss der Erfüllungsübernahme führe, unabhängig von dem der Titulierung entgegenstehenden rechtlichen oder tatsächlichen Grund. Die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke scheide vor diesem Hintergrund aus. Die analoge Anwendung des Art. 97 BayBG auf den vorliegenden Fall, in dem der Schmerzensgeldanspruch wegen der fehlenden Verschuldensfähigkeit des Schädigers nicht rechtskräftig festgestellt worden sei, stünde im Widerspruch zum Plan des Gesetzgebers und wäre deshalb mit Art. 20 Abs. 3 GG nicht vereinbar. Die Klägerin könne daher aus Art. 97 BayBG weder im Wege der Auslegung noch der Analogie einen Anspruch auf Erfüllungsübernahme hinsichtlich des nicht rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldanspruchs ableiten.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die dem Gericht vorliegende Verwaltungsakte Bezug genommen. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

15
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung betreffend den Antrag auf Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 8. Juli 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Oktober 2022 erweist sich vielmehr als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
16
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Entscheidung betreffend den Antrag auf Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs, da die Voraussetzungen der hier streitentscheidenden Norm des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht erfüllt sind (hierzu unter 1.) und auch eine analoge Anwendung der Norm vorliegend nicht in Betracht kommt (hierzu unter 2.).
17
Gemäß Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG kann der Dienstherr die Erfüllung eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld übernehmen, welcher daraus resultiert, dass ein Beamter in Ausübung des Dienstes oder außerhalb dessen wegen seiner Eigenschaft als Beamter einen tätlichen rechtswidrigen Angriff erleidet. Der Dienstherr kann den Anspruch bis zur Höhe des festgestellten Schmerzensgeldbetrages übernehmen, soweit dies zur Vermeidung einer unbilligen Härte notwendig ist. Eine unbillige Härte liegt insbesondere vor, wenn die Vollstreckung über einen Betrag von mindestens 500,00 EUR erfolglos geblieben ist (Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG).
18
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass durch die Verwendung der Formulierung „rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld“ der bayerische Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht hat, dass es maßgeblich auf die materielle Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung ankommt (vgl. Erläuterungen zum Haushaltsgesetz 2015/2016 und den Durchführungsbestimmungen hierzu – LT-Drs. 17/2871, S. 48, siehe auch BayVGH, U.v. 16.12.2020 – 3 B 20.1556 – BeckRS 2020, 43400 und B.v 26.02.2021 – 3 BV 20.1258 – BeckRS 2021, 4349).
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1. Gemessen daran sind die Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG vorliegend nicht erfüllt, da es bereits an einem zugunsten der Klägerin rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld fehlt.
20
Bei dem durch das Versäumnisurteil des zuständigen Landgerichts vom 26. März 2018 zunächst zugesprochenen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin handelt es sich zwar im Grundsatz um einen gerichtlich festgestellten Anspruch im Sinne des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG. Nachdem der beklagte Schädiger das Versäumnisurteil vom 26. März 2018 jedoch innerhalb der Einspruchsfrist gemäß § 339 Abs. 1 ZPO angegriffen hat, ist dieses nicht in formelle Rechtskraft erwachsen (§ 705 ZPO), sondern wurde durch das nachfolgende Endurteil des zuständigen Landgerichts vom 2. September 2020 aufgehoben, so dass bereits deshalb aus dem Versäumnisurteil vom 26. März 2018 keine Rechtswirkungen mehr folgen können und dieses wiederum auch nicht mehr als Voraussetzung für das Eintreten der – allein den aus Klageantrag und Klagegrund bestehenden Streitgegenstand umfassenden (vgl. BGH, B.v. 16.12.2021 – I ZR 57/21, BeckRS 2021, 47052 Rn. 7 m.w.N.) – materiellen Rechtskraft (§ 322 Abs. 1 ZPO) dienen kann.
21
Gleichzeitig wurde mit dem vorgenannten – nach Erfolglosigkeit des von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahrens nunmehr formell rechtskräftigen – Endurteil des Landgerichts vom 2. September 2020 das Bestehen eines Anspruchs der Klägerin auf Schmerzensgeld gemäß §§ 823 Abs. 1, 2 BGB i.V.m. §§ 223, 224 StGB, § 253 BGB verneint, da der Schädiger zum Tatzeitpunkt verschuldensunfähig im Sinne von § 827 Abs. 1 und 2 BGB war, und die Klage demzufolge abgewiesen.
22
Nachdem das zuständige Landgericht mit Endurteil vom 2. September 2020 das Bestehen eines Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin in den Entscheidungsgründen ausdrücklich verneint und folgerichtig die auf Zuerkennung eines solchen Anspruchs gerichtete Klage im Urteilstenor abgewiesen hat, besteht weder in formeller noch in materieller Hinsicht ein rechtskräftig festgestellter Schmerzensgeldanspruch der Klägerin. Vielmehr hat das zuständige Landgericht mit Endurteil vom 2. September 2020 genau das Gegenteil dessen rechtskräftig festgestellt, so dass wegen entgegenstehender Rechtskraft auch in Zukunft nicht noch einmal über den hier in Rede stehenden Schmerzensgeldanspruchs der Klägerin verhandelt und entschieden werden darf, mithin auch eine künftige rechtskräftige Feststellung des Anspruchs von Vornherein ausgeschlossen ist.
23
Auch die Ausführungen des Klägerbevollmächtigten führen zu keiner anderen Bewertung. Sofern dieser die Ansicht vertritt, dass der Schmerzensgeldanspruch nicht rechtskräftig tenoriert sein müsse und Feststellungen des Landgerichts W. … in dem Urteil vom 2. September 2020 ausreichend seien, so steht bereits der insofern unmissverständliche Wortlaut des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG („rechtskräftig festgestellten Anspruch“) dieser Auffassung entgegen. Im Übrigen ergibt sich auch aus den Feststellungen des Landgerichts in dessen Urteil vom 2. September 2022, wie vorstehend dargestellt, dass die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld nicht erfüllt waren, da ein solcher vor dem Hintergrund des verschuldensabhängigen Deliktsrechts der §§ 823 ff. BGB nicht nur die Erfüllung des haftungsbegründenden Tatbestands sowie der Rechtswidrigkeit der Handlung des Schädigers voraussetzt, sondern maßgeblich auch das Verschulden des Schädigers, was wiederum erfordert, dass dieser auch verschuldensfähig ist. Ist, wie vorliegend, der Schädiger verschuldensunfähig im Sinne von § 827 Abs. 1 und 2 BGB, scheidet die Entstehung eines Anspruchs auf Schmerzensgeld von vornherein aus. Entgegen des Vortrags der Klägerseite ist ein solcher Anspruch demnach auch nicht dem Grunde nach oder der Sache nach entstanden. Ein solcher Ansatz wäre schlichtweg systemwidrig, denn im Vergleich zu den Tatbeständen der Gefährdungshaftung steht außer Zweifel, dass gerade das System des verschuldensabhängigen Deliktsrechts der §§ 823 ff. BGB für den Eintritt der Haftung zwingend ein Verschulden eines wiederum verschuldensfähigen Schädigers voraussetzt. Die Verantwortlichkeit eines Unzurechnungsfähigen entfällt bei Vorliegen der in §§ 827 f. genannten Voraussetzungen vollständig. Eine partielle Haftung oder eine verminderte Zurechnungsfähigkeit kennt das Bürgerliche Gesetzbuch nicht, sondern es gilt das „Alles- oder Nichts-Prinzip“, welches voll zulasten des Geschädigten geht, der den Schaden „wie ein Unglück hinnehmen muss“ (vgl. hierzu Wagner in MüKoBGB, 8. Aufl. 2020, § 827 Rn. 2).
24
Insofern geht auch das Argument der Klägerseite, dass der Gesetzgeber die Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeldansprüchen nicht an die Person des Schädigers, insbesondere dessen Schuldfähigkeit, knüpfen wollte, ins Leere. Denn weder ergibt sich ein solcher ausdrücklich erklärter Wille aus den Materialien, die die Entstehungsgeschichte der streitgegenständlichen Vorschrift und die damit vom Gesetzgeber verfolgten Motive dokumentieren, noch aus dem Wortlaut des Art. 97 BayBG. Im Übrigen trägt er dem dezidiert zivilrechtsakzessorischen Charakter der Vorschrift nicht Rechnung.
25
Denn sowohl die vom bayerischen Gesetzgeber gewählte Gesetzesüberschrift „Erfüllungsübernahme bei Schmerzensgeldansprüchen“ als auch die Formulierung des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG („Hat der Beamte oder die Beamtin […] einen rechtskräftig festgestellten Anspruch auf Schmerzensgeld gegen einen Dritten, kann der Dienstherr auf Antrag die Erfüllung dieses Anspruchs […] übernehmen […])“ lassen klar erkennen, dass die Vorschrift zivilrechtsakzessorisch zu verstehen ist, mit der Folge, dass zunächst ein im zivilrechtlichen Sinne rechtskräftig festgestellter Anspruch auf Schmerzensgeld gegeben sein muss, dessen Erfüllung (§ 362 BGB) im Falle vom Beklagten anstelle des Schädigers übernommen wird, sofern Vollstreckungsversuche entsprechend Art. 97 Abs. 2 BayBG erfolglos geblieben sind. Die Vorschrift dient somit gerade nicht dazu, nach dem Zivilrecht fehlende Anspruchsvoraussetzungen zu kompensieren, sie setzt deren Vorliegen vielmehr zwingend voraus. Dies ergibt sich auch unmissverständlich aus der in Art. 97 Abs. 3 Satz 3 BayBG getroffenen Regelung, wonach Ansprüche gegen Dritte auf den Dienstherrn übergehen, soweit dieser die Erfüllung übernommen hat. Der hiermit durch den Gesetzgeber ausdrücklich angeordnete Forderungsübergang gewährleistet, dass der Schädiger durch die Erfüllungsübernahme nicht von seiner eigentlichen Verantwortung und Leistungspflicht freigestellt wird und der Dienstherr bei einem etwaigen Wegfall der Vollstreckungshindernisse Regress nehmen kann (vgl. BeckOK BeamtenR Bayern/Buchard, 27. Ed. 1.9.2022, BayBG Art. 97 Rn. 42), setzt aber ebenfalls zwingend das Bestehen eines rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Schmerzensgeld voraus.
26
Das in diesem Zusammenhang vorgetragene Argument des Klägerbevollmächtigten, wonach das Gesetz keine abschließende Definition eines Falles unbilliger Härte im Sinne von Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG i.V.m. Art. 97 Abs. 2 Satz 1 BayBG vorsehe, so dass auch die vorliegende Konstellation eine solche darstelle, greift ebenfalls nicht durch. Eine solche Lesart der Vorschrift würde nicht nur die Grenze ihres Wortlauts überschreiten, sondern stünde auch im ausdrücklichen Widerspruch zu dem Willen des bayerischen Gesetzgebers, der in seiner Gesetzesbegründung deutlich gemacht hat, dass nur soweit die Uneinbringbarkeit des Anspruchs wegen Vermögenslosigkeit des Schädigers zu einer unbilligen Härte führe, Art. 97 BayBG aus Fürsorgegründen die Möglichkeit eröffne, bei uneinbringlichen, rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldansprüchen eine entsprechende Übernahme der Erfüllung bei ihrem Dienstherrn zu beantragen (vgl. Erläuterungen zum Haushaltsgesetz 2015/2016 und den Durchführungsbestimmungen hierzu – LT-Drs. 17/2871, S. 48, siehe auch BayVGH, B.v 19.04.2021 – 3 BV 20.2837 – BeckRS 2021, 9494; U.v. 16.2.2022 – 3 B 21.292 – BeckRS 2022, 3146 Rn. 17). Eine besondere Härte liege im Übrigen nur dann vor, wenn der durch die Unfallfürsorge in Art. 45 ff. BayBeamtVG normierte Ausgleich materieller und immaterieller Schäden im Einzelfall weit hinter dem titulierten Schmerzensgeldanspruch zurückbleibt und so eine weitergehende Fürsorgepflicht des Dienstherrn ausgelöst wird (Erläuterungen zum Haushaltsgesetz 2015/2016 und den Durchführungsbestimmungen hierzu – LT-Drs. 17/2871, S. 48). Schließlich lässt das von der Klägerseite suggerierte Verständnis des Begriffs der unbilligen Härte den Regelungszusammenhang, in dem dieser eingebettet ist, außer Betracht, insbesondere mit Blick auf Art. 97 Abs. 3 Satz 1 BayBG, wonach die Übernahme der Erfüllung innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Rechtskraft des Urteils schriftlich unter Nachweis der Vollstreckungsversuche zu beantragen, mithin das Eintreten der aus der Uneinbringbarkeit des Schmerzensgeldanspruchs resultierenden unbilligen Härte nachzuweisen ist.
27
2. Eine analoge Anwendung des Art. 97 Abs. Satz 1 BayBG auf Fälle, in denen wegen der Verschuldensunfähigkeit des Schädigers ein Anspruch auf Schmerzensgeld nicht entstanden ist und in der Folge auch nicht rechtskräftig festgestellt wurde, kommt ebenfalls nicht in Betracht.
28
Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 26.01.2016 – 2 B 17.15 – juris Rn. 8; U.v. 28.06.2012 – 2 C 13.11 – juris Rn. 24; U.v. 27.03.2014 – 2 C 2.13 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v 26.02.2021 – 3 BV 20.1258 – BeckRS 2021, 4349 – Rn. 24).
29
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Ausschluss der Erfüllungsübernahme von Schmerzensgeldansprüchen, die wegen der Verschuldensunfähigkeit des Schädigers im zivilrechtlichen Sinne von vornherein nicht entstanden sind und in der Folge auch nicht rechtskräftig festgestellt wurden, aus dem Anwendungsbereich des Art. 97 BayBG stellt keine planwidrige Reglungslücke in dem obigen Sinne dar.
30
Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es der bayerische Gesetzgeber versehentlich unterlassen hat, die Regelung des Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG auch auf solche Fälle zu erstrecken. Die Annahme eines derartigen Versäumnisses liegt bereits aufgrund der Gesetzesbegründung fern, die ausdrücklich den Grund des Art. 97 Abs. 1 Satz 2 BayBG in der fehlenden Rechtskraftfähigkeit eines Vergleiches sieht. Ausweislich dessen war sich der bayerische Gesetzgeber also durchaus bewusst, dass es Fälle geben kann, in denen kein rechtskräftig festgestellter Schmerzensgeldanspruch vorliegt. Er hat sich jedoch dafür entschieden, dass allein ein Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO der rechtskräftigen Feststellung gleichstehen soll.
31
Mit dieser ausdrücklichen Entscheidung des bayerischen Gesetzgebers die Erfüllungsübernahme von vornherein auf die Fälle zu beschränken, in denen ein Schmerzensgeldanspruch rechtskräftig oder durch einen Vergleich festgestellt wurde und sich das vollstreckungsrechtliche Ausfallrisiko nachweislich realisiert hat, geht auch dessen bewusste Entscheidung einher, in allen Übrigen Fällen, insbesondere in solchen, in denen von vornherein kein vollstreckungsfähiger Anspruch auf Schmerzensgeld entstanden ist, von einer Erfüllungsübernahme abzusehen. Diese bewusste Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die in Art. 97 BayBG genannten Fälle spricht eindeutig gegen eine analoge Anwendung auf nicht ausdrücklich geregelte Fälle. Denn durch Analogie darf eine vom Gesetzgeber als Ausnahme gewollte Regelung nicht zum allgemeinen Prinzip erhoben werden (vgl. Canaris, Die Feststellung von Lücken im Gesetz, 2. Aufl. 1983, S. 181).
32
Wenn der Klägerbevollmächtigte annimmt, dass der Normgeber im Falle der Kenntnis des hiesigen Sachverhaltes die anspruchsbegründende Norm so ausgestaltet hätte, dass auch der hiesige Sachverhalt hiervon erfasst wäre, so findet dies demgegenüber keinerlei Stütze in den Gesetzgebungsmaterialien und wird weder der vom Normgeber gewählten Gesetzesformulierung noch dem von diesem verfolgten Regelungsziel gerecht.
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Vielmehr ergibt sich aus den Gesetzgebungsmaterialien, dass der bayerischen Gesetzgeber mit der Einführung des Art. 97 BayBG das ausdrückliche Ziel verfolgt hat, Beamten nach tätlichen Angriffen durch Dritte aus Fürsorgegründen wegen des Vorliegens einer unbilligen Härte die Möglichkeit einzuräumen, bei uneinbringlichen, rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldansprüchen eine entsprechende Übernahme der Erfüllung bei ihrem Dienstherrn zu beantragen, mithin das einer Vollstreckung immanente Ausfallrisiko zu übernehmen. Demnach sollte die Einführung der Erfüllungsübernahme den Beamten, der einerseits Opfer eines tätlichen Angriffs durch Dritte wurde und dadurch ein erhebliches Sonderopfer für die Allgemeinheit erbracht hat, und dessen Vollstreckungsversuche der rechtskräftig festgestellten Schmerzensgeldansprüche andererseits erfolglos geblieben sind, von dem Risiko, einem vermögenslosen Schädiger gegenüberzustehen, entlasten (Erläuterungen zum Haushaltsgesetz 2015/2016 und den Durchführungsbestimmungen hierzu – LT-Drs. 17/2871, S. 48 und S. 55).
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Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass Art. 97 BayBG zwar die hier streitgegenständliche Fallkonstellation nicht umfasst, mithin lückenhaft ist, diese Regelungslücke jedoch dem Plan des bayerischen Gesetzgebers entspricht, diese also nicht planwidrig ist, so dass für das erkennende Gericht weder Anlass noch Befugnis zu einer Ausdehnung seines Anwendungsbereichs im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung gegeben ist.
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Sofern der Klägerbevollmächtigte in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass andere Bundesländer eine Erfüllungsübernahme im Falle von Rechtsgutsverletzungen durch das Handeln Schuldunfähiger vorsehen, wie etwa § 82a Abs. 4 LBG NRW, ist dies für das vorliegenden Verfahren nicht von Bedeutung. Jedenfalls stellt dieser Umstand keine unzulässige Ungleichbehandlung der Klägerin dar, da der in Art. 3 Abs. 1 GG normierte Gleichheitssatz nur Ungleichbehandlungen umfasst, die aus Handlungen desselben Hoheitsträgers resultieren, mithin namentlich keine aus Regelungen verschiedener Bundesländer folgenden Ungleichheiten (vgl. v. Mangoldt/Klein/Starck/Wollenschläger, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 68 m.w.N.).
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3. Da nach den vorstehenden Ausführungen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Erfüllungsübernahme eines Schmerzensgeldanspruchs gemäß Art. 97 Abs. 1 Satz 1 BayBG nicht erfüllt sind und auch eine analoge Anwendung dieser Norm auf die streitgegenständliche Fallkonstellation ausscheidet, kann sich auch kein Anspruch der Klägerin auf erneute Ermessensentscheidung des Beklagten über ihren Antrag auf Erfüllungsübernahme ergeben.
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4. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.