Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.03.2023 – 24 CS 23.354
Titel:

Widerruf einer Waffenhandelserlaubnis wegen Unzuverlässigkeit

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2b, § 21 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1, § 45 Abs. 2
Leitsatz:
Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2b WaffG ist nicht, dass der Betreffende strafrechtlich verurteilt worden ist; es reicht aus, wenn Tatsachen die Annahme eines zukünftigen regelwidrigen Verhaltens rechtfertigen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf einer Waffenhandelserlaubnis, Unzuverlässigkeit des Verantwortlichen eines Gewerbebetriebs, Widerruf, Waffenhandelserlaubnis, Unzuverlässigkeit, Waffen- und Munitionsaufbewahrung, Unregelmäßigkeiten
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 06.02.2023 – RO 4 S 22.1388
Fundstelle:
BeckRS 2023, 6182

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Widerrufs ihrer Waffenhandelserlaubnis.
2
Die Polizei stellte bei Durchsuchungen der Niederlassung der Antragstellerin in G* … am 13. April und 8. Dezember 2021, sowie bei Begehungen der Schießanlage B* … am 27. April und 10. Mai 2021 verschiedene Unregelmäßigkeiten bei der Waffen- und Munitionsaufbewahrung fest. Insbesondere fand die Polizei gemäß Beweissicherungsbericht vom 13. April 2021 in dem Geschäftslokal der Antragstellerin 197 Langwaffen sowie diverse Kurzwaffen auf, die nicht ordnungsgemäß verwahrt und nicht gegen Wegnahme gesichert waren. Zudem konnte der Verbleib zahlreicher Waffen nicht aufgeklärt werden. Mindestens 134 Waffen und Waffenteile wurden nach Österreich verbracht.
3
Das diesbezüglich gegen den Verantwortlichen der Antragstellerin eingeleitete Strafverfahren ist nach Aktenlage noch nicht abgeschlossen.
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Angesichts dieser Vorkommnisse widerrief das Landratsamt Regensburg (im Folgenden: Landratsamt) nach Anhörung der Antragstellerin mit Bescheid vom 26. April 2022 die am 14. Dezember 2020 erteilte Waffenhandelserlaubnis (Nr. 1 des Bescheids), ordnete an, dass bis spätestens drei Monate nach Vollziehbarkeit des Bescheids der Erlaubnisbescheid an das Landratsamt zurückzugeben sei (Nr. 2) sowie Waffen und Munition an Berechtigte zu überlassen oder unbrauchbar zu machen seien, worüber dem Landratsamt Regensburg ein Nachweis zu erbringen sei (Nr. 3). In Nr. 4 des Bescheids ordnete das Landratsamt für die Nrn. 2 und 3 den Sofortvollzug an.
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Über die gegen den Bescheid vom 26. April 2022 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden (Az. RO 4 K 22.1390). Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 6. Februar 2023 (versehentlich datiert auf 6. Februar 2022) abgelehnt.
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Zur Begründung führt das Verwaltungsgericht aus, der Bescheid vom 26. April 2022 sei bei summarischer Prüfung rechtmäßig. Der Bescheid sei hinreichend bestimmt, denn die Antragstellerin könne erkennen, was von ihr verlangt werde. Er sei auch materiell rechtmäßig, denn dem Verantwortlichen der Antragstellerin fehle die waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Bereits die Tatsache, dass zuletzt der Verbleib von 249 Waffen, Waffenteilen und Schalldämpfern nach Ausschöpfung der zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten sowohl bei der Waffenbehörde als auch aus polizeilicher Sicht nicht geklärt werden konnte, rechtfertige nach summarischer Prüfung die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit aufgrund eines unsachgemäßen Umgangs mit bzw. der fehlenden sorgfältigen Verwahrung von Waffen. Auf die Frage, ob der Entzug der waffenrechtlichen Erlaubnis daneben auch auf die geschilderten Aufbewahrungsverstöße und die Veränderungen im Aufbewahrungskonzept bzw. die Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz und das Waffengesetz gestützt werden könne, wofür nach Aktenlage Vieles spreche, komme es für das Gericht mithin nicht mehr entscheidungserheblich an.
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Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt. Die Antragstellerin macht geltend, das Ermittlungsverfahren sei noch nicht abgeschlossen, deshalb sei noch nicht abschließend geklärt, ob ihr Verantwortlicher Verstöße gegen die Führung des Waffenhandelsbuchs begangen habe. Selbst wenn letzte Zweifel unter Zugrundelegung des Waffenhandelsbuches in dem laufenden Ermittlungsverfahren bisher nicht geklärt werden konnten, realisiere sich dadurch aber nicht die konkrete Gefahr des Abhandenkommens von Waffen. Das Verwaltungsgericht komme zu der verkürzten Einschätzung, dass sich aus Mängeln im Führen des Waffenhandelsbuches gegenständlich ein grob nachlässiges Verhalten ergeben würde. Die angegriffene Entscheidung gehe auch zu Unrecht davon aus, dass auch bei einer präventiven Vorgehensweise des Landratsamtes eine fundierte Auseinandersetzung mit der Einlassung im Zuge der Ermittlungen zum Verbleib der Waffen und Waffenteile zu erfolgen habe. Insofern könne der Einschätzung des Gerichts dahingehend, den Verantwortlichen der Antragstellerin würde unter Betrachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bereits in Bezug auf die nicht mehr auffindbaren Waffen und Waffenteile fehlen, nicht beigetreten werden.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
9
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat im Grundsatz beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
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Nach § 45 Abs. 2 i.V.m. § 21 Abs. 3 Nr. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Waffengesetzes i.d.F.d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), ist eine Waffenhandelserlaubnis nach § 21 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 WaffG in der Regel zu widerrufen, wenn die verantwortlichen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzen, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden. Solche Tatsachen liegen hier vor, denn es konnte bisher nicht abschließend geklärt werden, wo zahlreiche Waffen, Waffenteile und Munition aus dem Geschäftsbetrieb der Antragstellerin verblieben sind.
11
Soweit die Antragstellerin vorträgt, das Strafverfahren gegen den Verantwortlichen ihres Betriebs sei noch nicht abgeschlossen, deshalb stehe noch nicht abschließend fest, ob ihm Verstöße hinsichtlich der Führung des Waffenhandelsbuchs zur Last gelegt werden könnten, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Voraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ist nicht, dass der Betreffende strafrechtlich verurteilt worden ist, sondern dies ist nur in den Fällen des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 WaffG zwingende Voraussetzung für die Annahme der Unzuverlässigkeit. Im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme eines zukünftigen regelwidrigen Verhaltens rechtfertigen. Ein solcher Fall liegt hier vor, denn bei den Durchsuchungen der Geschäftsräume wurden wiederholt unzureichende Sicherungsmaßnahmen sowie eine unzureichende Dokumentation der Waffenverkäufe festgestellt. Eine Prognose ergibt daher, dass auch zukünftig damit gerechnet werden muss, dass erlaubnispflichtige Schusswaffen nicht ordnungsgemäß gesichert und aufbewahrt, sowie möglicherweise an unberechtigte Personen weitergegeben werden.
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Im Übrigen ist wohl auch der Tatbestand des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG erfüllt. Danach ist in der Regel waffenrechtlich unzuverlässig, wer wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften eines der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG genannten Gesetze, also des Waffengesetzes, des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen, des Sprengstoffgesetzes oder des Bundesjagdgesetzes verstoßen hat. Dafür ist eine strafrechtliche Verurteilung nicht erforderlich. Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Verantwortliche der Antragstellerin gröblich gegen das Waffengesetz verstoßen hat, indem zahlreiche Waffen in deren Geschäftslokal nicht hinreichend gesichert aufbewahrt worden sind. Dass möglicherweise später Umbaumaßnahmen durchgeführt worden sind, die manche der festgestellten Probleme verhindern können, führt nicht dazu, dass die Verstöße nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.4 und 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013 (abgedruckt bei Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und entspricht der nicht angegriffenen Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
14
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).