Titel:
Gesellschafter-Geschäftsführer, Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit, Abfindungsanspruch des Gesellschafters, Gesellschafterbeschluss, Geschäftsführer - Dienstvertrag, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Abfindungsklausel, Geschäftsführervertrag, Kostenentscheidung, Rechtsprechung des BAG, Hinauskündigungsklausel, Kündigungserschwerung, Vertragsstrafe, Fremdgeschäftsführer, Kommanditbeteiligung, Unzulässige Kündigungsbeschränkung, Abberufung als Geschäftsführer, Gesellschafterrechte, Geschäftsführeranstellungsvertrag, Anstellungsvertrag
Schlagworte:
Sittenwidrigkeit, Call-Option, Hinauskündigungsklausel, Geschäftsführerstellung, Managementbeteiligung, Abfindungsregelung, Verhältnismäßigkeitsprüfung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 23.05.2024 – 14 U 5289/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56904
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die mit gemeinsamen Schreiben der Beklagten zu 1) bis zu 3) vom 14.12.2022 ausgeübte, in § 19 des Gesellschaftsvertrages der … vom 09.12.2021 vereinbarte Call-Option nichtig ist und der Kläger weiterhin Inhaber eines Kommanditanteils mit einer Haftsumme gemäß § 172 I HGB von € 10,00 ist, dem gesellschaftsintern nach Ziffer 6.1 und „Exhibit 6.1“ zum „Management Invest Agreement relating to …“ vom 09.12.2021 i.V.m. § 11.4(a) des Gesellschaftsvertrages 262 …-Stammgeschäftsanteile im Nennwert von je € 1,00 mit den laufenden Nummern 5.806 bis 5.919, 30.570 bis 30.662, 60.566 bis 60.595 und 63.023 bis 67.027 wirtschaftlich zugeordnet und auf dem Kapitalkonto II des Klägers gutgeschrieben sind.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.
4. Der Streitwert wird auf 35.173,68 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger war bei der … beschäftigt mit einer Jahresvergütung i.H.v. € 240.000,- zuzüglich eines zielabhängigen Bonus von € 100.000,- sowie zuzüglich eines 3-Jahres-Bonus (Anlage K 8), als er von der Beklagten zu 1) abgeworben wurde. Hierbei wurde dem Kläger seitens des Geschäftsführers … suggeriert, dass er über das „MEP“ umgerechnet mit einem Bonus von mehr als € 350.000,- jährlich rechnen könne, wenngleich die vertragliche Umsetzung des MEP von der Angestelltentätigkeit entkoppelt sein müsse (KV Anlage K9).
2
Mit Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 6. Oktober 2020 (KV Anlage K 10) wurde der Kläger alleiniger Geschäftsführer der … . Zudem wurde er im Juli 2021 im Rahmen der …-Transaktion auch als Geschäftsführer der … sowie später auch der … bestellt.
3
Die Beklagten sind, neben anderen, Kommanditisten der … mit Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter … . Einzige persönlich haftende Gesellschafterin der … ist die … Verwaltungsgesellschaft mbH mit Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter … . Alleinige Gesellschafter der … sind wiederum zwei Fonds des Private Equity Investors …, nämlich die … und die …, beide mit Sitz in … .
4
Die … und die Beklagten sind die einzigen Gesellschafter der … mit Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter … . Die … ist wiederum die einzige Gesellschafterin der … mit Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter … . Die … ist zusammen mit ihren verschiedenen Tochtergesellschaften (insgesamt die „… Gruppe“), zu denen insbesondere die … mit Sitz in …, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Augsburg unter …, gehört, eine auf LED-Beleuchtung spezialisierte Unternehmensgruppe.
5
Die Mehrheitsgesellschafter der Beklagten zu 1) sind die … . Bei der … Gruppe handelt es sich demnach um eine von den … kontrollierte Portfoliogesellschaft. Die Beklagten zu 2) und 3) haben sich jeweils im Zuge des Verkaufs ihrer Unternehmen an die … auf Ebene der … zurückbeteiligt.
6
Nachdem, wie der Kläger wusste, die Vereinbarung einer Tantieme nicht in Betracht kam, lies er sich dazu hinreißen, stattdessen als „Initial Manager“ als Geschäftsführer der … im Rahmen des „Management Invest Agreement relating to …“ am 09.12.2021 eine Beteiligung an der … gemäß Ziff. 9.1 des MIA neben weiteren Managern der … Gruppe (im MIA als Initial Managers bezeichnet) zu vereinbaren (KV Anlage 2, Übersetzung in die Klageschrift eingearbeitet) und dem Gesellschaftsvertrag beizutreten, wobei der Kläger 262 Geschäftsanteile von der Gesellschaft im Nennwert von je 1,00 € zu einem Preis von € 149.984,46 erwarb und dementsprechend seine Einlage in Höhe von EUR 149.984,46 an die …, zu der er sich nach Ziff. 6.1 des MIA verpflichtet hatte, leistete. Mit dem Wirksamwerden der Beteiligung des Klägers als Kommanditist der … wurden ihm gemäß Ziff. 6.1 und Exhibit 6.1 des MIA insgesamt 262 … Stammgeschäftsanteile (ein Kommanditanteil) im Nennwert von je EUR 1,00 wirtschaftlich zugewiesen, die nach Ziff. 6.4 des MIA bei der … auf dem Kapitalkonto II des Klägers gutgeschrieben wurden.
7
Die vom Kläger geleistete Einlage in Höhe von insgesamt EUR 149.984,46 errechnete sich aus dem damaligen Anteilspreis eines … Stammgeschäftsanteils in Höhe von EUR 572,46 multipliziert mit der Anzahl der dem Kläger wirtschaftlich innerhalb der … zugewiesenen 262 … Stammgeschäftsanteile, wobei der Anteilspreis je … Stammgeschäftsanteil dem tatsächlichen Verkehrswert entsprach.
8
Hierbei war keine Beteiligung an laufenden Gewinnen vorgesehen, sondern lediglich an den erzielten Erlösen im Falle eines Exits.
9
Der Gesellschaftsvertrag sieht in Ziff. 19 vor, dass die Beteiligung eines Managers an der … im Falle des Ausscheidens des Managers aus der … Gruppe von den bestehenden … Gesellschaftern erworben werden kann (die „Leaver Call Option“). Rechtstechnisch umgesetzt ist die Leaver Call Option durch ein bereits von den Managern erklärtes Angebot an die vorhandenen Gesellschafter, die Kommanditbeteiligung (einschließlich aller Nebenrechte und Salden auf allen für den Manager bei der … geführten Konten) an der … (die „Leaver Kommanditbeteiligung“) pro rata an die …-Gesellschafter zu verkaufen und abzutreten. Diese …-Gesellschafter sind jedoch schuldrechtlich verpflichtet, dieses Angebot nur anzunehmen, wenn auch ein sog. Call Event (wie in Ziff. 19.6. des Gesellschaftsvertrags definiert) vorliegt, darunter auch die Fälle des Ausscheidens des Managers aus aktiven Anstellungsverhältnissen innerhalb der … Gruppe. Der Kaufpreis für die Leaver Kommanditbeteiligung hängt von einer Reihe von Faktoren ab und entspricht entweder dem Verkehrswert (Fair Market Value) oder dem niedrigeren Wert von Verkehrswert und dem Betrag des Investments des Managers (Cost) (vgl. Ziff. 20 des Gesellschaftsvertrags).
10
Mit der Leaver Call Option wird die Möglichkeit abgesichert, dass ein ausscheidender Manager, der mithin nicht mehr länger zu der Wertsteigerung der … Gruppe beitragen kann, an einer solchen auch in der Zukunft nicht mehr partizipiert, und neue Manager über das MEP mittelbar an den „frei werdenden“ … Stammgeschäftsanteilen beteiligt werden können.
11
Mit Schreiben vom 30.08.2022 und Schreiben vom 28.09.2022 kündigte die … unter Beifügung eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses den Geschäftsführeranstellungsvertrag des Klägers ohne Angabe von Gründen ordentlich fristgerecht zum 28.02.2023 und vorsorglich erneut zum 31.03.2023 (BV Anlage 09, überschrieben mit „Anlagenkonvolut B 8“). Zugleich wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss vom 06.09.2022 als Geschäftsführer der Gesellschaft abberufen und ihm seine Abberufung als Geschäftsführer ebenfalls ohne Angabe von Gründen mitgeteilt (BV Anlage 09, Überschrieben mit „Anlagenkonvolut B 8). Darüber hinaus wurde der Kläger mit Schreiben vom 30.11.2022 unwiderruflich freigestellt (BV Anlage 10, Überschrieben Anlage B 9).
12
Mit Schreiben vom 14.12.2022 übten die Beklagten zu 1) bis 3) unter Bezugnahme auf § 19.2 des Gesellschaftsvertrages der … unter Berufung auf die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer der … die dort vereinbarte Call-Option in Bezug auf die gesamte von dem Kläger gehaltene Kommanditbeteiligung („the entire Partnership Interest“) dahingehend aus, dass das antizipierte Rückübertragungsangebot nach § 9 des „Management Invest Agreement relating to …“ vom 09.12.2021 angenommen und damit die gesamte Kommanditbeteiligung des Klägers an der … erworben wurde (Anlage K 9).
13
Als „Abfindung“ ermittelten die Beklagten als den dem Kläger zustehenden Verkehrswert, wobei dem Kläger auch eine Berechnung des Verkaufspreises/Verkehrswerts seiner Kommanditbeteiligung übermittelt wurde, einen Betrag von 35.173,68 €, der an den Kläger – der seinerzeit für die Anteile fast 150.000,- € bezahlt hatte – ausbezahlt wurde.
14
Der Kläger ist am 27.01.2023 als Kommanditist aus dem Handelsregister der … ausgetragen worden.
15
Der Kläger vertritt die Auffassung, dass die Call-Option als sog. Hinauskündigungsklausel nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sei mit der Folge, dass er weiterhin Kommanditist der … sei. Die Rechtsprechung halte nach wie vor daran fest, dass derartige Klauseln grundsätzlich nach § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig seien, weil sie die Gefahr begründen, dass der betreffende Gesellschafter von den ihm zustehenden Rechten nicht mehr frei Gebrauch machen und die ihm obliegenden Pflichten nicht mehr ordnungsgemäß erfüllen könne, da ständig über ihm das „Damoklesschwert“ des Ausschlusses hänge. Von diesem Grundsatz der Sittenwidrigkeit sei nur dann eine Ausnahme zu machen, wenn wegen besonderer Umstände ein sachlicher Grund für die freie Ausschließungsmöglichkeit gegeben sei, wobei eine Rückkauf- und Rückabtretungsvereinbarung nach den Umständen des Einzelfalles zwar prinzipiell einen derartigen sachlichen Grund darstellen könne, der vorliegende Fall aber anders liege, von einem Ausnahmefall im Sinne der Rechtsprechung könne hier gerade keine Rede sein.
16
Mithin sei die Call-Option sittenwidrig, da sie den Altgesellschaftern die Möglichkeit einräume, den Kläger jederzeit aus der Gesellschaft auszuschließen, schon wenn er von seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für ein …-Unternehmen freigestellt ist bzw. nicht mehr Geschäftsführer einer der …-Gesellschaften ist, obwohl er für die Beteiligung an der … einen Kaufpreis von knapp € 150.000,-, der dem seinerzeitigen Verkehrswert der Anteile entsprochen haben soll, und damit einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens für die Beteiligung hingegeben hat.
17
Dabei möge es zwar sein, dass die Beteiligung dem Kläger keinen nennenswerten gesellschaftsrechtlichen Einfluss vermittelt habe. Es möge auch sein, dass dem Kläger die Beteiligung als Managerbeteiligung nur wegen seiner Tätigkeit als Geschäftsführer- bzw. Manager innerhalb der …Gruppe angeboten wurde, jedoch entkoppele sich die Beteiligung vom reinen Annex zur Geschäftsführer- bzw. Managerstellung, wenn der Kläger den Verkehrswert der Anteile als Kaufpreis zu zahlen habe, denn in so einem Fall halte der Kläger die Beteiligung eben nicht mehr treuhändergleich als Annex zu seiner Position innerhalb der …-Gruppe, sondern die Managerbeteiligung sei dann eine echte wirtschaftliche Beteiligung an einem Unternehmen mit dem Risiko des Totalverlustes, so dass eine Koppelung an das Bestehen einer Organstellung und/oder eines Dienstverhältnisses durch die Call-Option als vermeintlich sachlicher Grund nicht mehr gerechtfertigt sei, sondern dann ein Fall der grundsätzlichen Sittenwidrigkeit vorliege. Die entscheidende Abweichung von den vom BGH für die zulässige Hinauskündigung eines Managers aufgestellten Voraussetzungen sei die Tatsache, dass der Kläger nicht nur den Nennwert der Anteile bezahlt hat und dann beim Verlust der Geschäftsführerstellung und der Geschäftsanteile auch nur den Nennwert zurückerhält, sondern er aufgrund des bezahlten Kaufpreises von nahezu 150.000,- € eben nicht nur eine treuhänderähnliche Stellung innehalte, sondern mit dem Erwerb der Beteiligung zum angeblichen Verkehrswert ein erhebliches wirtschaftliches Risiko bis hin zum Totalverlust eingehe, wodurch die Call-Option, die schon greife, wenn der Kläger von seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für ein …-Unternehmen freigestellt wird, nicht sachlich gerechtfertigt sei. Dabei könne dem Kläger auch nicht entgegengehalten werden, er sei für den wirtschaftlichen Wert seiner Beteiligung als Geschäftsführer der … (mit-) verantwortlich gewesen, da die … nur eines von vier operativen Unternehmen der …-Gruppe ist. Nach der Rechtsprechung des BGH werde eine Hinauskündigungsklausel ausnahmsweise nur dann für wirksam erachtet, wenn einem Geschäftsführer im Hinblick auf seine Geschäftsführerstellung, somit lediglich als Annex zu seiner Geschäftsführerstellung, eine Minderheitsbeteiligung, auf Grund derer die Möglichkeit in der Gesellschafterversammlung seine Vorstellungen gegen den Willen der Gesellschaft durchzusetzen, praktisch ausgeschlossen sei, eingeräumt werde, für die er nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu bezahlen habe und die er bei Beendigung des Geschäftsführeramtes gegen eine der Höhe nach begrenzte Abfindung zurück zu übertragen hat.
18
Die Annahme der Beklagten, die Leaver Call Option hätte gar keinen psychologischen Zwang erzeugen können, der für die Ausübung der Gesellschafterrechte durch den Kläger in irgendeiner Weise von Belang gewesen wäre, gehe fehl.
19
Nach der Rechtsprechung des BAG sei § 622 Abs. 6 BGB Ausdruck des allgemeinen Rechtsgedankens, dass die Kündigung für Arbeitnehmer nicht einseitig übermäßig erschwert werden darf, wobei diese Rechtsprechung auch auf Fremdgeschäftsführer anwendbar sei. Hieran anknüpfend sei anerkannt, dass über die in § 622 Abs. 6 BGB ausdrücklich geregelte Fallkonstellation des Verbots längerer Kündigungsfristen für den Arbeitnehmer als für den Arbeitgeber hinaus allgemein alle Kündigungsregelungen unwirksam seien, die durch eine mögliche Einwirkung auf den Kündigungsentschluss des Arbeitnehmers tatsächlich zu einer Erschwerung der Kündigung seitens des Arbeitnehmers führen. Weiterhin habe das BAG unwirksame Kündigungsbeschränkungen zum Nachteil des Arbeitnehmers darin gesehen, dass dieser für den Fall der fristgemäßen Kündigung eine von ihm gestellte Kaution verlieren oder eine Vertragsstrafe zu zahlen hat. Ebenso sei eine mit § 622 Abs. 6 BGB und dem hierin verbrieften Rechtsgedanken der Unzulässigkeit einer einseitig nur den Arbeitnehmer belastenden übermäßigen Erschwerung der Kündigung unvereinbare Vereinbarung vom BAG bejaht worden, wenn der ungekündigte Fortbestand des Arbeitsverhältnisses als Bedingung für die Zahlung einer Umsatzbeteiligung als Bestandteil der Vergütung für erbrachte Arbeitsleistung vereinbart wird. Verstoße eine vertragliche Kündigungsregelung gegen § 622 Abs. 6 BGB, so sei die Vereinbarung nach § 134 iVm § 622 Abs. 6 BGB unwirksam.
20
Auch § 723 Abs. 3 BGB sei Ausdruck des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, wonach es mit der persönlichen Freiheit der Gesellschafter unvereinbar sei, eine Bindung ohne zeitliche Begrenzung und ohne Kündigungsmöglichkeit vorzusehen. Ein Verstoß gegen Abs. 3 führe zur Nichtigkeit der kündigungsbeschränkenden Regelung.
21
Die Unwirksamkeit einer Kündigungsbeschränkung könne sich auch aufgrund einer mit der Kündigung verbundenen wirtschaftlichen Einbuße ergeben. Eine unzulässige Kündigungsbeschränkung sei dann anzunehmen, wenn mit einer Klausel objektiv bewirkt werde, dass der kündigungswillige Gesellschafter sich wegen der wirtschaftlich nachteiligen Folgen zum Verzicht auf die Kündigungserklärung veranlasst sehe.
22
Die Leaver Call Option wirke hier in doppelter Hinsicht beschränkend: Sie stelle sowohl eine unzumutbare Kündigungserschwerung für den Kläger hinsichtlich des Geschäftsführer-Dienstvertrages mit der … als auch hinsichtlich des Gesellschaftsvertrages mit der … dar. Da entgegen dem vom BGH abgesegneten Managermodell hier aufgrund der Beteiligung keine laufende Gewinnausschüttung erfolge, sondern mit der Beteiligung lediglich die Chance bestünde, an einem Exit-Erlös zu partizipieren, werde die Kündigung des Anstellungsvertrages unzumutbar erschwert, da der Manager im Falle der Eigenkündigung zum Bad Leaver wird und immer nur eine Abfindung nach dem geringeren Wert erhalte und der Manager damit rechnen müsse, mit Verlust des privat investierten Kapitals auszuscheiden. Soweit ein weiterer entscheidender Unterschied zur „Managermodell“-Entscheidung vorliegend darin liege, dass der Kläger die Kommanditanteile nicht zum Nennwert, sondern zum Verkehrswert erworben hat, sei die Entscheidung des LG Stuttgart (LG Stuttgart Urt. v. 10.10.2018 – 40 O 26/18 KfH) insoweit nicht auf den hiesigen Fall übertragbar, als dass in dem vom LG Stuttgart entschiedenen Fall primär in Art einer Tantieme (zusätzlich zur Tantiemeregelung im Dienstvertrag) die Beteiligung am laufenden Gewinn der Gesellschaft (neben der Einbindung in die Entscheidungsprozesse der Gesellschaft) im Vordergrund stehen sollte, was hier eben gerade nicht der Fall sei, da aufgrund der Fremdfinanzierung keine Gewinne ausgeschüttet wurden. Auch hatten die Parteien ausdrücklich selbst für den Fall, dass der dortige Beklagte als Bad Leaver anzusehen sein würde, vereinbart, dass der Rückkaufpreis dem Kaufpreis entsprechen solle und der Rückkaufpreis damit nach unten gedeckelt gewesen sei. Hinzu komme schließlich, worauf auch das OLG München (Urteil vom 13.05.2021, 7 U 1844/19) abhebe, dass sich im Gegensatz zu dem dem BGH-Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt und auch anders als nach dem Sachverhalt des Urteils des Landgerichts Stuttgart vorliegend dem „Management Invest Agreement relating to … Group“ vom 09.12.2021 schon nicht entnehmen lasse, dass bei der Beteiligung des Klägers wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft im Vordergrund gestanden habe, um dadurch die Bindung des Klägers an das Unternehmen zu verstärken, seine Motivation zu steigern und/oder eine Belohnung für seinen erfolgreichen Einsatz zu gewähren. Weder das „Management Invest Agreement relating to …“, der Gesellschaftsvertrag der … noch eine sonstige Gesellschaftervereinbarung enthielten nämlich diesbezüglich irgendwelche Anhaltspunkte, die Manager würden lediglich als solche Manager oder Initial Manager bezeichnet. Der Kläger erhalte bei seinem Ausscheiden auch nicht den Erwerbspreis und damit den Nominalwert seiner Beteiligung von den Beklagten zurück, trage mithin nach der vertraglichen Gestaltung nicht nur das Insolvenzrisiko hinsichtlich seines Anspruchs gegen die Beklagten bzw. die Gesellschaft auf Rückzahlung des Nennwerts seiner Gesellschaftsanteile, sondern ein weitergehendes, von der Insolvenz der Gesellschaft unabhängiges wirtschaftliches Risiko bezogen auf die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten …-Gruppe, auf deren Geschicke er insgesamt keinen maßgeblichen Einfluss habe. Der Verkehrswert der Anteile an der … werde maßgeblich von Faktoren mitbestimmt, auf die der Kläger als Geschäftsführer der … keinen Einfluss gehabt habe. Dies hebe den Kläger aber von der Stellung eines reinen GmbH-Geschäftsführers ab, der rechtlich schon nicht für den Erfolg der Gesellschaft und erst recht nicht tatsächlich für den Erfolg einer ganzen Unternehmensgruppe einzustehen habe, sodass die Gesellschafterstellung des Klägers auch nicht mehr nur als bloßer Annex zu seiner Geschäftsführertätigkeit angesehen werden könne. Da nach der Rechtsprechung des BGH diese Annexeigenschaft der Gesellschafterstellung aber gerade der Grund dafür sei, dem Verlust der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers gegenüber der in § 38 Abs. 1 GmbHG vorgesehenen jederzeitigen Abberufbarkeit eines Geschäftsführers keine entscheidende Bedeutung beizumessen, komme umgekehrt, das heißt, wenn die Gesellschafterstellung nicht nur bloßer Annex der Geschäftsführertätigkeit ist, dem Verlust der Gesellschafterstellung ein die jederzeitige Abberufbarkeit übersteigendes Gewicht bei.
23
Dies habe dementsprechend die Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Call-Option zur Folge.
24
Soweit die Beklagten auf das Urteil des LG Stuttgart abstellen, wonach es auch möglich sei, dass der Manager die Anteile zum Verkehrswert erwerbe, sei diese Entscheidung insoweit nicht auf den hiesigen Fall übertragbar, die Anteilspreise würden sich zwar nach dem Verkehrswert bemessen, es fehle aber eine Deckelung nach unten. Der Kläger trage das volle Risiko des Totalverlustes. Anders als in anderen Fällen, in denen der beteiligte Manager eine treuhänderähnliche Stellung erlange, deren wirtschaftlicher Wert – bei denkbar geringem eigenen Risiko – in dem erheblichen Gewinnausschüttungspotential während der Dauer seiner organschaftlichen und dienstvertraglichen Bindung an die Gesellschaft liege, sei hier die Stellung des Klägers eine andere: selbst wenn man ihm vermittelt durch die Call-Option nur eine Art treuhänderische Stellung zuschreiben wolle, habe er mit seiner Einlage von € 149.984,46 jedoch ein nicht nur unerhebliches finanzielles Risiko einschließlich des Risikos des Totalverlustes auf sich genommen. Das passe nicht zusammen; entweder sei der Kläger nur Treuhänder – dann müsse er aber wenigstens seinen Einsatz wieder zurückerhalten – oder es handele sich um eine Beteiligung, die nicht nur Annex zu seiner Stellung als Geschäftsführer war – dann aber sei die Call-Option nichtig.
25
Der Kläger beantragt daher:
„Es wird festgestellt, dass die mit gemeinsamen Schreiben der Beklagten zu 1) bis zu 3) vom 14.12.2022 ausgeübte, in § 19 des Gesellschaftsvertrages der … vom 09.12.2021 vereinbarte Call-Option nichtig ist und der Kläger weiterhin Inhaber eines Kommanditanteils mit einer Haftsumme gemäß § 172 I HGB von € 10,00 ist, dem gesellschaftsintern nach Ziffer 6.1 und „Exhibit 6.1“ zum „Management Invest Agreement relating to …“ vom 09.12.2021 i.V.m. § 11.4(a) des Gesellschaftsvertrages 262 …Stammgeschäftsanteile im Nennwert von je € 1,00 mit den laufenden Nummern 5.806 bis 5.919, 30.570 bis 30.662, 60.566 bis 60.595 und 63.023 bis 67.027 wirtschaftlich zugeordnet und auf dem Kapitalkonto II des Klägers gutgeschrieben sind.“
26
Die Beklagten beantragen
27
Sie sind der Meinung, eine Sittenwidrigkeit der vom Kläger angegriffenen Leaver Call Option nach § 138 Abs. 1 BGB sei nach der einschlägigen Rechtsprechung sowie auch nach geltenden Rechtsgrundsätzen „fernliegend“. Die Leaver Call Option könne vorliegend nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes ausgeübt werden, nämlich wenn der Manager aus dem Management der … Gruppe ausscheide oder eine wesentliche Verletzung vertraglicher oder nachvertraglicher Pflichten des Managers vorliege, was bereits belege, dass es sich um keinen Fall einer grundsätzlich sittenwidrigen „Hinauskündigungsklausel“ handele. Aber selbst wenn man dies anders sähe, könne jedenfalls das tragende Argument der Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit von „Hinauskündigungsklauseln“ gar nicht auf die Leaver Call Option übertragen werden. Die Argumentation der Rechtsprechung sei nämlich, dass der von einer sog. „Hinauskündigungsklausel“ betroffene Gesellschafter schutzwürdig sei, da die „freie“ Ausschließungsmöglichkeit als Disziplinierungsmittel empfunden werden könnte, das den betroffenen Gesellschafter daran hindere, seine Mitgliedschaftsrechte nach eigener Entscheidung zu gebrauchen (sog. „Damoklesschwert„Argument), weswegen bereits die Existenz einer derartigen Hinauskündigungsklausel ein gedeihliches Zusammenwirken in der jeweiligen Gesellschaft gefährde. Die Beteiligung des Klägers an der … vermittele jedoch weder in Bezug auf diese noch in Bezug auf die … einen relevanten gesellschaftsrechtlichen Einfluss, sondern es sei vielmehr praktisch ausgeschlossen gewesen, dass der Kläger mit seinem Stimmverhalten Entscheidungen auf Ebene der … oder mittelbar auf Ebene der … beeinflussen konnte. Sinn und Zweck der Bündelung (Pooling) von Managern in der … sei es gerade sicherzustellen, dass es sich nur um eine finanzielle Beteiligung handele und eben keine Mitsprache einer Vielzahl an Managern mit Kleinstbeteiligungen erfolge. Im Vordergrund der Managementbeteiligung sei nicht die gesellschaftsrechtliche Teilhabe als vielmehr die Incentivierung und Bindung des Klägers an die … Gruppe mit Blick auf eine Beteiligung an den Erlösen bei einem Exit gestanden. Die vorliegende Leaver Call Option könne daher gar keinen psychologischen Zwang erzeugen, der für die Ausübung der Gesellschafterrechte durch den Kläger in irgendeiner Weise von Belang gewesen wäre, womit das Damoklesschwert-Argument vorliegend fehlgehe.
28
Selbst wenn man aber davon ausgehen sollte, dass in der Leaver Call Option doch eine sog. „Hinauskündigungsklausel“ zu sehen sei, wäre diese gerade nach der sog. ManagermodellRechtsprechung in der hier vorliegenden Sachverhaltskonstellation gerechtfertigt, weil besondere Umstände vorlägen, eben weil die Beteiligung des Klägers lediglich als Annex zu seinem Geschäftsführervertrag anzusehen sei. In einer solchen Konstellation könne nicht mehr von einer unangemessenen Drucksituation gesprochen werden, zumal die im Gesetz in § 38 Abs. 1 GmbHG vorgesehene Möglichkeit, den Geschäftsführer ohne Grund aus seiner Organstellung abzuberufen, im Vordergrund stehe und die weitere Folge einer Abberufung, nämlich der Verlust der Gesellschafterstellung, demgegenüber nicht mehr entscheidend ins Gewicht falle.
29
Nachdem der Kläger vorliegend praktisch keinen relevanten gesellschaftsrechtlichen Einfluss in seiner Funktion als Kommanditist der … hatte und auch das wirtschaftliche Risiko des Klägers im Zusammenhang mit dem MEP begrenzt war, lägen gleich zwei der von der Rechtsprechung geforderten Voraussetzungen vor. Wie bei jedem finanziellen Eigenkapitalinvestment sei auch ein Investment über das MEP mit dem Risiko eines Wertverlusts verbunden, zugegebenerweise im schlimmsten Fall bis hin zum Totalverlust, es sei allerdings auch ausdrücklich erwünscht, dass die Mitglieder des Managements substantielle Eigenmittel investieren und damit selbst „ins Risiko gehen“, um zu verhindern, dass das Management unternehmerische Entscheidungen trifft, die das Überleben des Unternehmens gefährden. Das Risiko des Klägers sei jedoch unter allen Umständen auf seinen bloßen Einsatz beschränkt gewesen. Dass das auch dessen Totalverlust im Falle der Insolvenz der … Gruppe beinhalte sei zutreffend, aber für die Beurteilung der Wirksamkeit unschädlich.
30
Dass die beabsichtigte Incentivierungs- und Belohnungsfunktion nicht über die Beteiligung an laufenden Gewinnen erfolgte, sei dem Kläger zum einen bekannt gewesen, zum anderen unerheblich, weil nach der Managermodell-Rechtsprechung eine Beteiligung an laufend auszuschüttenden Gewinnen gerade nicht erforderlich sei.
31
Durch die Kündigung, Abberufung und Freistellung des Klägers als Geschäftsführer der … sei die wesentliche Grundlage für eine Beteiligung des Klägers an der … entfallen, da er von diesem Zeitpunkt an keinen Beitrag mehr zur Wertsteigerung des Unternehmens habe leisten können und somit die fehlende Beitragserbringung und der nachträgliche Wegfall des Interessengleichlaufs es rechtfertigen würden, ihm seine Beteiligung aus dem Managementbeteiligungsprogramm wieder zu entziehen.
32
Schließlich könne sich der Kläger gar nicht auf die Unwirksamkeit der Leaver Call Option berufen, da er seine Investmententscheidung in voller Kenntnis von den Chancen und Risiken der Managementbeteiligung, einschließlich des Konzepts der Leaver Call Option, getroffen habe. Darüber hinaus habe der Kläger ganz maßgebliche Mitverantwortung für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung der … Gruppe und damit auch des Verkehrswerts seiner Kommanditbeteiligung getragen. Im Ergebnis sei es nur der Bereitschaft der Beklagten, der … Gruppe weitere Eigenkapitalmittel zur Verfügung zu stellen, zu verdanken, dass der Verkehrswert zum Zeitpunkt der Ausübung der Leaver Call Option überhaupt noch positiv gewesen sei.
33
Die Leaver Call Option lasse sich nicht unter die BGH-Rechtsprechung zur „Hinauskündigungsklausel“ subsumieren, da der tragende Entscheidungsgrund der BGH-Rechtsprechung keine Anwendung finde. Denn es fehle an einem relevanten gesellschaftsrechtlichen Einfluss des Klägers, so dass sich dieser nicht durch ein „Damokles-Schwert“ in der Ausübung seiner Gesellschafterrechte beschränkt sehen konnte. Die Argumentation, die Call Option sei bereits deshalb nichtig, weil der Manager ein wirtschaftliches Risiko trage, gehe fehl. Ebenso wenig „fordere“ der BGH auch einen Anteilserwerb durch den Manager zum Nennwert. Ein wesentlicher Treiber der echten „Equity“-Management-Beteiligung (im Vergleich zu rein virtuellen Beteiligungen über eine schuldrechtliche Exit-Bonus-Vereinbarung) sei, dass die Erlöse für die teilnehmenden Manager nicht als Arbeitslohn qualifiziert und daher für die Manager erheblich vorteilhafter versteuert würden. Die Vermeidung von lohnsteuerpflichtigen Sondervorteilen setze auch den Erwerb der Beteiligung durch den Manager zum Verkehrswert voraus, der daher auch gängiger Marktstandard sei. Aus dem Umstand, dass der BGH in der Managermodell-Entscheidung die Wirksamkeit der dortigen Erwerbsoption auch damit begründet habe, dass der Manager seine Anteile zum Nennwert erworben hat, könne im Umkehrschluss nicht gefolgert werden, dass dies eine zwingende Voraussetzung für die Wirksamkeit sei. Aus der Rechtsprechung ergäben sich drei (3) maßgebliche Kriterien für die Wirksamkeit eines einseitig herbeiführbaren Rückerwerbsrechts (1. kein wesentlicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss, 2. Incentivierungsfunktion, 3. auf den Einsatz beschränktes finanzielles Risiko), die in Bezug auf die streitgegenständliche Leaver Call Option allesamt vorlägen. Die Argumentation des Klägers, die Leaver Call Option sei sittenwidrig, da ihn mehr als nur das Insolvenzrisiko hinsichtlich seines Anspruchs gegen die Beklagten bzw. die … treffe, weil er auch das Risiko in Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten … Gruppe trage, gehe fehl. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der drohende Totalverlust akzeptabel sein soll, nicht aber ein teilweiser Verlust des Einsatzes. Dies lasse sich auch aus dem Urteil des OLG München nicht ableiten. Die Besonderheit des diesem Urteil zugrunde liegenden Falles sei gewesen, dass den betreffenden Manager eine vertragliche Nachschusspflicht in Bezug auf die Gesellschaft traf und ein erfolgter Nachschuss für die Zwecke des Rückerwerbspreises außer Betracht bleiben sollte. Das OLG München habe „kritisiert“, dass der Manager über den Investmentbetrag für seine Anteile hinaus haften sollte (OLG München, Urteil v. 13.05.2020 – 7 U 1844/19). Dem Urteil sei jedoch gerade nicht zu entnehmen, den Manager dürfe nur das Risiko des Totalausfalls seines Investments treffen, nicht aber auch das eines nur teilweisen Verlusts. Ebenso wenig überzeuge die Argumentation des Klägers unter Bezugnahme auf besagtes Urteil des OLG München, dass sich aus dem MIA nicht ergebe, dass bei der Beteiligung des Managers an der … wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn im Vordergrund stand. Zum einen sei klar, dass bei dem MEP nicht die Teilhabe an laufenden Gewinnen, sondern nur solchen, die im Falle eines Exit erzielt werden, im Vordergrund stand. Zum anderen sei es offensichtlich und sollte es dem Kläger bei Abschluss des MIA bewusst gewesen sein, dass das MEP eben diesen Incentivierungszwecken dient. Dem Urteil des OLG habe ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde gelegen (u.a. Beteiligung eines Managers mit 25% an der Gesellschaft), weswegen die formellen Erwägungen des OLG München auf hiesigen Fall nicht übertragbar seien.
34
Die Leaver Call Option sei auch nicht nach § 622 Abs. 6 BGB i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Zum einen sei § 622 BGB gar nicht auf Geschäftsführer anwendbar. Zum anderen könne in der konkreten Ausgestaltung der Leaver Call Option keine kündigungsbeschränkende und damit nichtige Vereinbarung gesehen werden, wenn der Manager als Gegenleistung entweder sein volles Investment oder den vollen Verkehrswert erhält. Der Kaufpreismechanismus gewährleiste einen Interessengleichlauf mit dem Investor und sei gerechtfertigt. Ansonsten würde man maßgeblich für die Geschicke von Unternehmen und ihre Mitarbeiter verantwortliche Manager dahingehend falsch incentivieren, dass sie besonders riskante Geschäfte mit hohen Ertragsaussichten im Erfolgsfall eingehen, weil sie immer nur von dem Vorteil (Upside) daraus profitieren, während ihr Risiko nach unten begrenzt sei.
35
Es bleibe daher festzuhalten, dass Gründe für die Unwirksamkeit der Leaver Call Option nicht ersichtlich seien und mit den Grundsätzen der Privatautonomie und Verhältnismäßigkeit auch nicht in Einklang zu bringen wären.
36
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteienvertreter samt den vorgelegten Anlagen, namentlich die in Schriftform vorgelegten getroffenen Absprachen und Vereinbarungen der Parteien sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.09.2023.
Entscheidungsgründe
37
Die zulässige Klage ist vollumfänglich begründet.
38
Das mit der sog. Call-Option geregelte Ankaufsrecht ist gem. § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig.
39
Im Ergebnis kann nicht sicher festgestellt werden, von welchen besonderen, die freie Hinauskündbarkeit des Klägers als CEO rechtfertigenden Erwägungen sich die Gesellschafter bei Abschluss der Gesellschaftervereinbarung nebst Call-Option haben leiten lassen. Bei einer freien Hinauskündbarkeit bei vergleichbaren Konditionen sind jedoch an die Prüfung der Frage, wann eine solche und zu welchen Bedingungen genau ausnahmsweise gerechtfertigt erscheint, besonders hohe Anforderungen zu stellen und dies immer unter genauer Betrachtung des Einzelfalles mit all seinen Facetten zu prüfen.
40
Die Beklagten hatten sich vorliegend auf Grund der genannten Vereinbarung die jederzeitige Möglichkeit einräumen lassen, sich eines Gesellschafters ohne Angabe von Gründen durch dessen freie Abberufung als Geschäftsführer zu entledigen. Das stellt eine sog. Hinauskündigungsklausel dar, von der die Altgesellschafter nach freiem Belieben Gebrauch machen können. Regelungen im Gesellschaftsvertrag einer GmbH oder einer daneben geschlossenen schuldrechtlichen Vereinbarung, die es ermöglichen, einen Mitgesellschafter ohne sachlichen Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, sind aber als sog. „Hinauskündigungsklauseln“ nach gefestigter Rechtsprechung grundsätzlich wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig, sofern sie nicht ausnahmsweise wegen besonderer Umstände als sachlich gerechtfertigt erscheinen (BGH v. 19.09.2005 – II ZR 173/04 mwN). Die freie Ausschließungsmöglichkeit kann nämlich von dem betroffenen Gesellschafter als Disziplinierungsmittel empfunden werden, das ihn daran hindert, von seinen Mitgliedschaftsrechten nach eigener Entscheidung Gebrauch zu machen (OLG München v. 13.05.2020).
41
Nachdem solche Hinauskündigungsklauseln also vom Grundprinzip her prinzipiell sittenwidrig und nur ausnahmsweise wirksam sind, obliegt den Beklagten hinsichtlich der ausnahmsweisen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Hinauskündigungsklausel die Darlegungs- und Beweislast.
42
Einen solchen Nachweis haben die Beklagten nach Ansicht dieser Kammer nicht zu erbringen vermocht, weder hinsichtlich des Vortrags zu den Ausgestaltungen der getroffenen Vereinbarungen noch hinsichtlich der Subsumtion der maßgeblichen Regelungen unter die gängige Rechtsprechung hierzu. Selbst wenn die Beklagten seinerzeit ihre vorformulierten vertraglichen Regelungen eng an der maßgeblichen Rechtsprechung zu orientieren versucht haben mögen, vermochte die Ausgestaltung der streitgegenständlichen Regelungen das Gericht nicht davon zu überzeugen, es sei eine Ausnahme vom Grundsatz der Nichtigkeit wegen Sittenwidrigkeit veranlasst. Für die ausnahmsweise Wirksamkeit der streitgegenständlichen Call-Option sprechende Umstände konnte diese Kammer nicht in einem Ausmaß erkennen, dass die Vermutung der Sittenwidrigkeit widerlegt wäre.
43
Die Rechtsprechung hält eine Hinauskündigungsklausel ausnahmsweise etwa dann für wirksam, wenn einem Geschäftsführer im Hinblick auf seine Geschäftsführerstellung quasi als Annex hierzu eine Minderheitsbeteiligung gewährt wird. Das soll etwa dann der Fall sein, wenn er hierdurch nicht die Möglichkeit erhält, in der Gesellschafterversammlung seine Vorstellungen gegen den Willen der Gesellschaft durchzusetzen und er für die Beteiligung nur ein Entgelt in Höhe des Nennwerts zu bezahlen hat und die er bei Beendigung des Geschäftsführeramtes gegen eine der Höhe nach begrenzte „Abfindung“ zurückzuübertragen hat. Der BGH hat bei der Konstellation, bei der der Hintergrund für die Beteiligung des „Managers“ an der Gesellschaft war, diesen – bei denkbar geringem eigenem Risiko für die Dauer seiner dienstvertraglichen und organschaftlichen Bindung – zur Motivationssteigerung am wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft zu beteiligen, die Koppelung einer ohne Angaben von Gründen möglichen Beendigung der Geschäftsführerstellung mit der Gesellschafterstellung unter bestimmten Umständen als für sachlich gerechtfertigt gehalten. Er vertritt die Ansicht, dass bei einer solchen Konstellation der das Hinauskündigungsverbot tragende Gedanke – den Gesellschafter bei der Ausübung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unangemessen unter Druck zu setzen – nicht berührt werde, weil die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit, den Geschäftsführer ohne Grund aus seiner Organstellung abzuberufen, im Vordergrund stehe, mithin die von Anfang an geringfügige und nur zeitlich begrenzt gewährte Beteiligung an der Gesellschaft unter bestimmten Umständen lediglich als Annex zur Geschäftsführerstellung zu verstehen sei. In dem von ihm entschiedenen Fall sah der BGH dies als gegeben an, allerdings hatte die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Geschäftsführers nach dem Unternehmenskonzept die Funktion, den Geschäftsführer stärker an das Unternehmen zu binden, seine Motivation zu steigern und seine Stellung als „geschäftsführender Gesellschafter“ innerhalb des Betriebs und nach außen aufzuwerten, wobei wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft im Vordergrund stand, der jeweils vollständig ausgeschüttet wurde, was im vorliegenden Fall gerade nicht der Fall ist. Im angeblichen „Präzedenzfall“ wurde mithin dem Geschäftsführer neben seinem Gehalt eine Einnahmequelle ermöglicht, die vorliegend nur für den Fall des Exits angedacht ist, nicht aber laufend. Dort war das finanzielle Risiko des Geschäftsführers gering, er brauchte für den Erwerb des Geschäftsanteils nicht mehr als den Nennwert zu zahlen, während hier der Marktwert geschuldet war. Insoweit ging der BGH von einer treuhänderähnlichen Stellung aus, deren wirtschaftlicher Wert – bei denkbar geringem eigenen Risiko – in dem erheblichen Gewinnausschüttungspotenzial während der Dauer der organschaftlichen und dienstvertraglichen Bindung an die Gesellschaft lag. Mit deren Beendigung war es nachvollziehbar, dass die weitere Beteiligung ihren rechtfertigenden Sinn – Bindung an das Unternehmen, Motivationssteigerung und Belohnung für erfolgreichen Einsatz – verlor, weil eine Gewinnausschüttung an einen Minderheitsgesellschafter, der nicht mehr für die Gesellschaft tätig ist, dessen Motivation nicht mehr steigern kann. Das mit der Gesellschafterstellung verbundene Gewinnbezugsrecht ähnelt einer Tantiemeregelung, deren Wegfall bei Beendigung des zu Grunde liegenden Vertragsverhältnisses logisch erscheint. Abgesehen von dem Gewinnbezugsrecht würde eine weitere Beteiligung des ausgeschiedenen Geschäftsführers als Gesellschafter für ihn auch keine schutzwürdigen Vorteile bringen. Auf Grund seines geringen Anteils kann er auf die Geschicke der Gesellschaft in der Gesellschafterversammlung ohnehin kaum Einfluss nehmen. Eine Teilhabe an dem künftigen Wertzuwachs des Gesellschaftsvermögens würde ohne die Geschäftsführerstellung einen unverdienten Vermögensvorteil darstellen.
44
Wenn nun daraus gefolgert wird, dass der das Hinauskündigungsverbot tragende Gedanke, den Gesellschafter bei der Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte nicht unter unangemessenen Druck zu setzen, bei vergleichbarer Sachlage nie berührt sei und der Verlust der Gesellschafterstellung des Geschäftsführers insoweit nicht entscheidend ins Gewicht falle, weil die Beteiligung in einem so ausgestatteten „Managermodell“ immer nur einen Annex zur Geschäftsführerstellung darstelle, dann kann das nicht bedeuten, dass bei jeder von vornherein nur auf Zeit eingeräumte Beteiligung lediglich von einem „Annex“ auszugehen sei ohne Berücksichtigung der für den Einzelfall entscheidenden sonstigen Konditionen dieser „Beteiligung auf Zeit“.
45
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Call-Option kann es zunächst mithin allenfalls in einem ersten Schritt der Prüfung darauf ankommen, ob eine als geringfügig zu erachtende Beteiligung des Klägers an der Beklagten vorliegt, die ihm ausschließlich zum Zwecke seiner Motivationssteigerung bei der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit gewährt wurde und ob im Ergebnis dieser Prüfung die Manager-Beteiligung bereits deswegen lediglich als Annex zu seiner Stellung als Geschäftsführer einzustufen ist. Aus einer nur teilweise scheinbar deckungsgleichen Sachlage kann aber noch nicht die „Annex-Rechtsprechung“ zu einem Postulat erhoben und übertragen werden. In dem vom BGH am 19.09.2005 entschiedenen Fall (II ZR 173/04) etwa hatte die gesellschaftsrechtliche Beteiligung des jeweiligen Geschäftsführers nach dem Unternehmenskonzept der Beklagten die Funktion, den Geschäftsführer stärker an das Unternehmen zu binden, seine Motivation zu steigern und seine Stellung als „geschäftsführender Gesellschafter” innerhalb des Betriebs und nach außen aufzuwerten, wobei wirtschaftlich die Teilhabe am Gewinn der Gesellschaft im Vordergrund stand, der jeweils vollständig ausgeschüttet wurde, und zwar regelmäßig in einer das Gehalt übersteigenden Höhe, was vorliegend ja gerade nicht vereinbart war. Darüber hinaus war das finanzielle Risiko des Geschäftsführers gering, er brauchte für den Erwerb des Geschäftsanteils nicht mehr als den Nennwert zu zahlen. Sofern der BGH in der zitierten Entscheidung noch dazu ausführt, dass die Angemessenheit der vereinbarten Abfindung des Geschäftsführers für die Wirksamkeit der Hinauskündigungsregelung keine Bedeutung habe, weil auch die Vereinbarung einer unangemessen niedrigen Abfindung das Kündigungsrecht unberührt ließe, galt das bei der Konstellation, dass an die Stelle der vereinbarten Abfindung lediglich eine Abfindung nach dem Verkehrswert trat oder eine Abfindung nach dem Ertragswert bemessen und auf das Zehnfache des Erwerbspreises beschränkt war (also eine Fallkonstellation, die mit der hiesigen eben nicht vergleichbar ist).
46
Sofern das OLG München in der erwähnten Entscheidung (7 U 1844/19) zu dem Schluss kommt, es käme für die Unbedenklichkeit eines Managermodells entscheidend darauf an, dass es in Anbetracht des prozentualen Anteils des Geschäftsführers an der Gesellschaft und unter Berücksichtigung deren Gesellschafterstruktur praktisch ausgeschlossen ist, dass der Geschäftsführer durch sein Stimmverhalten Entscheidungen der Gesellschafterversammlung beeinflussen kann, dass er kein über das bloße Insolvenzrisiko hinausgehendes wirtschaftliches Risiko übernimmt und dass mit der Gesellschaftsbeteiligung eine Anreiz- und Belohnungsfunktion verbunden ist – wobei im dort zur Entscheidung anstehenden Fall das alles nicht der Fall war –, heißt das im Umkehrschluss nicht, dass andernfalls – wenn also diese drei Voraussetzungen zu bejahen seien –, eine Unbedenklichkeit der Klausel immer vorliege und der Annex-Charakter immer zu bejahen sei.
47
Vorliegend hat der Kläger mit seiner Einlage von 149.984,46 € nach Ansicht dieser Kammer ein alles andere als nur unerhebliches finanzielles Risiko auf sich genommen, und zwar einschließlich – aber nicht nur – des Risikos des Totalverlustes. Mit dem vorliegenden Investment hat er ein erhebliches wirtschaftliches Risiko auf sich genommen und nicht lediglich eine geringfügige Beteiligung erworben, selbst wenn er prozentual nicht maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt war.
48
Der Kläger hat als „Investor“ für seinen Kommanditanteil bestehend aus 262 Geschäftsanteilen im Nennwert von je 1,- € nahezu 150.000,- € bezahlen dürfen bei Übernahme eines entsprechenden wirtschaftlichen Risikos was den Wert des Unternehmens anbelangt, da nicht ausgeschlossen ist, dass die Gesellschaft sich negativ entwickelt oder gar in Insolvenz gerät und sich das Risiko verwirklicht. Insoweit handelt es sich vorliegend um alles andere als die Übernahme eines lediglich begrenzten finanziellen Risikos, zumal eine „Deckelung“ ja nicht vorgesehen war. Von einer nur treuhänderähnlichen Stellung kann daher nicht ausgegangen werden, weswegen die Beteiligung des Klägers an der … gerade nicht lediglich als ein Annex zu seiner Stellung als Geschäftsführer angesehen werden kann. Das LG Stuttgart (40 O 26/18) stellt in seiner Entscheidung vom 10.10.2018 fest, dass der entscheidende Unterschied zur „Managermodell“-Entscheidung im dort zu entscheidenden Fall darin liege, dass die Kommanditanteile nicht zum Nennwert, sondern zum Verkehrswert erworben wurden, mithin einerseits in Art einer Tantieme (zusätzlich zur Tantiemeregelung im Dienstvertrag) eine Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft vorlag, andererseits trage der „Manager“ auch ein erhebliches wirtschaftliches Risiko, da er hiermit zwangsläufig auch am unternehmerischen Verlust der Gesellschaft beteiligt sei, womit er die Gesellschaftsanteile auch nicht nur treuhänderisch halte.
49
Wenn hier die Incentivierung nicht über die laufende Gewinnausschüttung erfolgt, sondern über die Chance, am Exit-Erlös nach Befriedigung der Vorzugsrechte der Investoren zu partizipieren, dann ist das nicht gleichzustellen mit einem Erwerb der Anteile bloß zum Nennwert und der daraus folgenden treuhandähnlichen Stellung, wenn der Kläger über den Nennwert hinaus einen nicht unerheblichen Teil seines Vermögens von € 149.984,46 einlegen muss, aber jederzeit seine Beteiligung durch Abberufung als Geschäftsführer der … verlieren kann.
50
Entscheidend ist, dass der bei Ausübung der Call-Option zu zahlende Kaufpreis nach der geschlossenen Vereinbarung unter dem Erwerbspreis liegen kann – und hier auch liegt –, da nach der Vereinbarung der Marktpreis für die Berechnung zu Grunde zu legen ist. Das vom Kläger übernommene wirtschaftliche Risiko ist nach Auffassung dieser Kammer auch insoweit durchaus beachtenswert, als nicht sichergestellt ist, dass er zumindest seinen Einsatz zurückerhalten wird. Für die Beantwortung der Frage, ob die Beteiligung an einer Gesellschaft lediglich als ein Annex zur Geschäftsführerstellung verstanden werden kann, mag zwar auch der Gesichtspunkt der Förderung der Motivation eine Rolle spielen, das wirtschaftliche Engagement des Geschäftsführers spielt indes ebenfalls eine Rolle. Das Disziplinierungsmittel der freien Hinauskündbarkeit kann nur dann als in den Hintergrund tretend angesehen werden, wenn die Gesellschafterstellung eine untergeordnete Bedeutung hat, und zwar nicht abstrakt, sondern ganz konkret für den betroffenen Manager. Je größer nämlich das wirtschaftliche Engagement und je höher die Beteiligung an der Gesellschaft ist, desto weniger wird die Gesellschafterstellung lediglich als Annex zur Geschäftsführerstellung verstanden werden können. Wenn also der Kläger nach der geschlossenen Vereinbarung zwar im Falle eines Exits durch die Teilhabe an den Verkaufserlösen über das „Sweet Equity“ eine deutliche Gewinnsteigerung seines Einsatzes hätte erfahren können, im Übrigen jedoch nicht seinen Investitionsbetrag zurückerhalten sollte, sondern nur einen geringfügigen Teil desselben, nachdem keine „Deckelung“ (nach unten) in der Vereinbarung vorgesehen war, dann ist das für die Prüfung der Frage, ob die streitgegenständliche Vereinbarung gegen die guten Sitten verstößt, nicht irrelevant, und das auch losgelöst von der Frage, ob hierdurch ein AnnexCharakter zu bejahen oder zu verneinen wäre.
51
Zwar mag der Kläger aus freien Stücken diese Vereinbarung abgeschlossen haben, eine Alternativvereinbarung zur Vereinbarung einer Tantieme bzw. einer Bonuszahlung stand ihm jedoch nicht zur Verfügung. Sofern der Kläger – wie bei Seinesgleichen zu Recht üblich – zusätzlich zu seinem Gehalt eine Beteiligung an dem wirtschaftlichen Erfolg der Gesellschaft für sachgerecht erachtete, die ihm schließlich bei seiner Abwerbung von seiner alten Arbeitsstelle auch ausdrücklich zugesagt worden war (s. Mail des Geschäftsführers der Beklagten zu 1) vom 23.09.2020, Anlage K 9), dann blieb ihm nichts anderes übrig als sich auf diese Call-Option einzulassen oder auch nicht, wobei er jedoch anders als bei einer Bonus-Vereinbarung in „schlechten“ Jahren nicht weniger als im Vorjahr oder nichts erhält, sondern „zusehen“ darf, wie sich sein Einsatz trotz seiner Bemühungen verringert. Ohne an laufenden Ausschüttungen zu partizipieren war ja bewusst nicht einmal sichergestellt, dass er zumindest seinen Einsatz zurückerhält, wobei er für die Geschäftsanteile auch nicht nur den Nennwert gezahlt hat, sondern den viel höheren Verkehrswert für seine Beteiligung an der … schuldete.
52
An anderer Stelle (BGH II ZR 342/03) weist der BGH ausdrücklich darauf hin, dass ein z.B. wegen seiner vereinbarten Abtretungspflicht ausscheidender Gesellschafter jedenfalls grundsätzlich einen Anspruch auf Abfindung in Höhe des Verkehrswerts seines Geschäftsanteils habe, der Abfindungsanspruch zwar beschränkt werden könne, soweit dadurch nicht von vornherein ein grobes Missverhältnis zu dem wahren Wert der Gesellschaftsbeteiligung entstehe, wobei das Interesse der verbleibenden Gesellschafter an dem Fortbestand des Gesellschaftsunternehmens und das Interesse des ausscheidenden Gesellschafters an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung seiner Beteiligung gegeneinander abzuwägen seien. Dabei werde ein Mitarbeiter nicht zu einem Gesellschafter „minderen Rechts”, wenn er im Rahmen eines Mitarbeitermodells darauf verwiesen würde, bei seinem Ausscheiden aus den Diensten der Gesellschaft nur Anspruch auf eine Abfindung in Höhe des von ihm selbst aufgewandten Betrags – und ohne Beteiligung am Verlust – zu erhalten. Zulässig ist demnach, den dem Mitarbeiter bei der Rückübertragung des Gesellschaftsanteils zu zahlenden Rückkaufpreis zu beschränken auf die Höhe des beim Erwerb des Anteils durch den Betroffenen selbst aufgebrachten Entgelts und damit seinen Ausschluss von etwaigen zwischenzeitlichen Wertsteigerungen zu vereinbaren.
53
Sofern also nach herrschender Ansicht stets eine Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen hat, kann auch nicht ohne Belang sein, inwieweit der Abfindungsanspruch des Gesellschafters unzumutbaren Beschränkungen unterliegt. Insoweit kann es als gegen die guten Sitten verstoßend anzusehen sein, durch quasi eigenverantwortlich aus freien Stücken getroffene vertragliche Absprachen eine ungleiche Kündigungslage zum Nachteil einer der Parteien des Arbeitsverhältnisses zu schaffen, insbesondere beispielsweise einen einseitigen Vermögensnachteil des Arbeitnehmers für den Fall einer von ihm erklärten Kündigung zu vereinbaren, weil die Entscheidungsfreiheit des Arbeitnehmers in Bezug auf die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geschützt werden soll. Erst Recht muss dies gelten, wenn sich ein Arbeitnehmer auf eine einseitig einschränkende Vereinbarung einlässt. Zwar mag ein Geschäftsführer grundsätzlich kein Arbeitnehmer im eigentlichen Sinne sein. Er ist vielmehr notwendiges Organ und hat bestimmte Mindestpflichten, von denen er weder durch den Gesellschaftsvertrag noch durch die Gesellschafter befreit werden kann. Er mag auch als Vertretungsorgan der Gesellschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Darauf allein kann es indes bei dem Rechtsgedanken der Schutzwürdigkeit von Arbeitnehmerrechten nicht ankommen. Deswegen sind einzelne Vorschriften des Arbeitsrechts jedenfalls entsprechend auf Fremdgeschäftsführer und Gesellschafter-Geschäftsführer anzuwenden, wenn diese – wie hier – an der Gesellschaft prozentual nur unwesentlich beteiligt sind und daher, ggf. aufgrund der Ausgestaltung ihres Geschäftsführervertrages, in einer mit einem Arbeitnehmer vergleichbar abhängigen Stellung sind. Sofern der BGH in besagter Entscheidung v. 19.09.05 ausführt, es könne offen bleiben, ob die für Arbeitsverhältnisse vorgesehene Regelung des § 622 VI BGB auf das Anstellungsverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers entsprechend anwendbar sei, weil jedenfalls die Verknüpfung der Gesellschafterstellung mit dem Geschäftsführeramt und dem ihm zu Grunde liegenden Anstellungsvertrag keine nach § 622 VI BGB unzulässige Kündigungsbeschränkung darstellen würde, so mag das für den dort entschiedenen Fall gelten. Erwähnt wird ausdrücklich die Rechtsprechung des BAG, wonach aus dem Verbot des § 622 VI BGB der allgemeine Grundsatz herzuleiten sei, dass es unzulässig sei, durch vertragliche Absprachen eine ungleiche Kündigungslage zum Nachteil einer der Parteien des Arbeitsverhältnisses, vor allem des Arbeitnehmers, zu schaffen, insbesondere einen einseitigen Vermögensnachteil des Arbeitnehmers für den Fall einer von ihm erklärten Kündigung zu vereinbaren, wenngleich der BGH dies mit der Bemerkung ergänzt, dieser Grundsatz schließe allerdings eine für den Arbeitnehmer – und gegebenenfalls den Geschäftsführer – ungünstige Reflexwirkung seiner Kündigung nicht aus. Entscheidend sei eine Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit (aaO mwN). Sofern der BGH dort zu dem Ergebnis kommt, dass die Verknüpfung der Kündigung des Geschäftsführeranstellungsvertrags mit der Beendigung der Gesellschafterstellung nicht zu beanstanden sei, sei der Zusatz „im Rahmen des von der Beklagten praktizierten Managermodells” zu beachten, das hier vorliegende praktizierte Modell ist nämlich ein in wesentlichen Nuancen Anderes. Es wird im Übrigen weder ausdrücklich die Meinung vertreten, dass § 622 VI BGB in dergleichen Konstellationen nie gelte, noch, dass der Rechtsgrundsatz des BAG in seiner Anwendung auf geschäftsführende Gesellschafter stets ausgeschlossen sei, noch, dass die Verknüpfung nie zu beanstanden sei. Es bestätigt sich vielmehr, dass es immer auf eine Würdigung der Gesamtumstände unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit anzukommen hat.
54
Der Hinweis auf die Privatautonomie hilft insoweit nur bedingt weiter, weil auch privatrechtlich zustande gekommene Dienstvertragsregelungen grundsätzlich im Lichte des Art. 12 GG zu prüfen sind. Eine unzulässige Kündigungserschwerung durch Verschärfung der Kündigungsbedingungen zulasten des Arbeitnehmers, etwa wenn arbeitsvertragliche Klauseln vorsehen, dass der Arbeitgeber jederzeit, der Arbeitnehmer dagegen nur zu bestimmten Kündigungsterminen kündigen darf und er anderenfalls eine Vertragsstrafe zahlen muss, eine Kaution oder eine Erfolgsbeteiligung verliert oder eine „Abfindung“ zahlen muss, ist bekanntlich unzulässig. Vergleichbare Fallgestaltungen haben sich an den gleichen Maßstäben messen zu lassen, so dass Abfindungsklauseln jeweils die Position des Betroffenen im Unternehmen und in der Gesellschaft sowie seine bisher in das Projekt investierte Arbeit und das von ihm eingegangene Risiko angemessen berücksichtigen müssen. Erst kürzlich hat das BAG in einer Entscheidung (in der es selbstverständlich nicht um Call-Optionen ging) darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts im Rahmen der durchzuführenden Abwägung auch die betroffenen Grundrechte des Arbeitgebers (Art. 5 I, 12 I GG) und die Grundrechte des Arbeitnehmers (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I, 12 I GG) zu berücksichtigen seien (Urteil v. 06.06.2023 – 9 AZR 272/22).
55
Im Ergebnis bleibt mithin festzuhalten, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze eben nicht als Leitlinien pauschal ohne Berücksichtigung der Eigenarten der Ausgestaltung des konkreten Einzelfalles zur Anwendung gebracht werden können, um die Wirksamkeit einer Ankaufsregelung in einem Managementbeteiligungsprogramm beurteilen zu können. Es ist vielmehr – wie immer, wenn geschriebenes Recht scheinbar durch “case-law“ ersetzt oder fortgeschrieben wird – eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalls unter Beachtung des Gebots der Verhältnismäßigkeit und ausgewogener Abwägung der widerstreitenden Interessen notwendig, zumal wenn – wie hier – scheinbar gravierend in die Privatautonomie eingegriffen wird. Es kann trotz und auch wegen der zitierten Rechtsprechung nur eine Prüfung unter umfassender rechtlicher Betrachtung des zu entscheidenden konkreten Einzelfalles sein statt der Suche nach Deckungsgleichheit mit vermeintlichen Präzedenzfällen.
56
Nachdem das Investment des Klägers in Höhe von ca. 150.000,- €, zu dem er sich nicht neben sondern statt einer Tantieme-Regelung hat hinreißen lassen, als solches nicht als geringfügig einzuordnen ist, sein „Abfindungsanspruch“ andererseits nicht durch seinen Einsatz nach unten gedeckelt war, fehlt es bei der augenscheinlichen Unausgewogenheit der Interessen an einer stichhaltigen Begründung für die Annahme, die Vereinbarung sei ausnahmsweise nicht sittenwidrig. Die unumgängliche und von der Rechtsprechung auch vorgegebene Prüfung der Verhältnismäßigkeit und Abgewogenheit der widerstreitenden Interessen ergibt nämlich vorliegend ein krasses Missverhältnis der umgesetzten Interessenlagen (etwa Verkehrswert statt Nennwert, keine Beteiligung an laufend auszuschüttenden Gewinnen, fehlende Deckelung der „Abfindung“ nach unten, volles wirtschaftliches Risiko, Erheblichkeit des Einsatzes, Zusammenspiel dieser Faktoren bei nachgewiesener Abwerbung/Köderung mit einem angeblichen wirtschaftlichen Potential der Manager-Beteiligung von ca. 1 Million bis zum avisierten Exit 2024).
57
Im Ergebnis sind daher nach Ansicht dieser Kammer keine ausreichend tragenden Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das für den Fall des Ausscheidens des Klägers vereinbarte Ankaufsrecht der Beklagten ausnahmsweise nicht gegen die guten Sitten verstößt. Die vereinbarte Call-Option ist somit gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig.
58
Da das mit der sog. Call-Option eingeräumte Erwerbsrecht wegen Sittenwidrigkeit nichtig ist, liegt ein wirksames Angebot des Klägers, seine Anteile an der Gesellschaft abzutreten, nicht vor und kann daher von den Beklagten auch nicht angenommen werden, die Option nicht ausgeübt werden. Der streitgegenständliche Gesellschafterbeschluss, der an eine wegen Sittenwidrigkeit nichtige Gesellschaftervereinbarung anknüpft, kann mithin ebenfalls keine Wirksamkeit entfalten.
59
Somit sind Verpflichtungsgeschäft und Übertragung der Anteile wegen Verstoßes gegen das Hin-auskündigungsverbot nichtig mit der Folge, dass der Kläger nach wie vor Gesellschafter der Beklagten ist und Eigentümer seiner Anteile.
60
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
61
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
62
Der Streitwert ergibt sich aus § 3 ZPO.