Titel:
Feststellungsinteresse, Kostenentscheidung, tarifliche Ausschlußfristen, Eingruppierungsfeststellungsklage, Rechtsmittelbelehrung, Höhergruppierungsanspruch, Elektronischer Rechtsverkehr, Berufungsbegründungsschrift, Feststellungsklage, Vergütungsanspruch, auszuübende Tätigkeit, Sachverhaltsermittlung, Schülerbeförderung, vielseitige Fachkenntnisse, Gesonderte Geltendmachung, Vergütungsdifferenzen, Nebenforderungen, Verzugszinsen, Berufungseinlegung, Tätigkeitsmerkmale
Schlagworte:
Eingruppierung, Entgeltordnung, Arbeitsvorgang, Selbstständige Leistungen, Fachkenntnisse, Ausschlussfrist, Tarifautomatik
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG München, Urteil vom 19.04.2024 – 7 Sa 404/23
BAG Erfurt, Urteil vom 26.02.2025 – 4 AZR 141/24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 56641
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01.01.2017 in die Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 3 und seit dem 01.01.2020 in die Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) in Verbindung mit der Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingruppiert ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin € 11.938,47 brutto, zzgl. Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 513,83 brutto seit dem 01.07.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.08.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.09.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.10.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.11.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.12.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.01.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.02.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.03.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.04.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.05.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.06.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.07.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.08.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.09.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.10.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.11.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.12.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.01.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.02.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.03.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.04.2023 und aus € 523,09 brutto seit dem 01.05.2023 zu bezahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
4. Der Streitwert wird festgesetzt auf € 18.831,24.
5. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und sich daraus ergebender Differenzentgeltansprüche für die Vergangenheit.
2
Die am ... 1974 geborene Klägerin ist auf Grund des Arbeitsvertrags der Parteien vom 31.05.2011 (Bl. 35 f. d. A.) seit 01.07.2011 beschäftigt, wobei der TVöD-VKA in seiner jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet. Die Klägerin war seit 01.07.2011 in die Entgeltgruppe 5, Stufe 2 des TVöD-VKA eingruppiert. Nach dem Änderungsvertrag vom 28.03.2014 war die Klägerin rückwirkend ab 18.02.2014 in die Entgeltgruppe 6 des TVöD-VKA eingruppiert. Nach dem Änderungsvertrag vom 17.04.2018 (Bl. 39 d. A.) war die Klägerin ab 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 7 der EntgO-VKA eingruppiert.
3
Die Klägerin wird als Sachbearbeiterin im Jobcenter für C. beschäftigt.
4
In dieser Funktion übt die Klägerin folgende Tätigkeiten zu folgenden Zeitanteilen aus:
- „Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II“.
Die Tätigkeit der Klägerin umfasst die Sachbearbeitung vom Zeitpunkt des Antragseingangs bzw. der formlosen Anzeige eines Bedarfs bis einschließlich der Fertigung eines rechtsmittelfähigen Bescheids über den Antrag. Die Sachbearbeitung umfasst die Leistungen für Bildung und Teilhabe gemäß §§ 28, 29 SGB II (Bildungsbedarf – § 28 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2-6 SGB II; persönlicher Schuldbedarf -§ 28 Abs. 3 SGB II; Schülerbeförderung – § 28 Abs. 4 SGB II; Lernförderung – § 28 Abs. 5 SGB II; gemeinschaftliche Mittagsverpflegung – § 28 Abs. 6 SGB II; Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft – § 28 Abs. 7 SGB II) Zeitanteil: 75%
- Aufgaben im Rahmen der Koordinierungsstelle für den C.. Die Tätigkeit der Koordinierungsstelle umfasst ausweislich der Stellenbeschreibung der Klägerin vom 05.11.2019 (Bl. 41 d. A.) folgende Inhalte: „[…] Rechtsübergreifende Beratung zu den Ansprüchen auf Bildungs- und Teilhabeleistungen nach den SGB XII, den Bundeskindergeldgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz.
Anpassung und Ergänzung der zentralen EDV-Angebote auf die örtlichen Gegebenheiten (Formblätter und Bescheide erstellen).
Beratung von Anbietern (Gemeinden, Vereine, Kindergärten, Schulen, NachhilfeAnbieter) über Anspruchsvoraussetzungen und Abrechnungsmöglichkeiten und Festsetzung angemessener Kosten.[…]“ (Bl. 41 d. A.).
Als Arbeitsergebnisse der Tätigkeit der Koordinierungsstelle liegen (beispielhaft) erstellte Informationsblätter (vgl. Bl. 250 ff. d. A.) und Formulare (Bl. 259 d. A., Bl. 276 ff. d. A.) vor.
- Abwesenheitsvertretung der Teamleiterin, Frau…
5
Die Ausgangssachbearbeitung beim Jobcenter C. erfolgt durch die Klägerin und seit 2019 durch eine Kollegin, welche die Klägerin unterstützt. Die Klägerin verteilt die Anträge und Arbeiten an die Kollegin nach ihrem Ermessen. Die Sachbearbeitung beginnt mit der Antragstellung bzw. der formlosen Anzeige eines bestehenden Bedarfs. Der Klägerin obliegt sodann die Auswertung der Angaben der antragstellenden Person und die ggf. notwendige Sachverhaltsermittlung, wobei sie hinsichtlich der Leistungsberechtigung des Antragstellers grundsätzlich auf die Prognoseentscheidung des Leistungssachbearbeiters zurückgreift. Im Rahmen der Prüfung, ob die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen und welche Rechtsfolge eintritt, sind von der Klägerin u.a. die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales zu berücksichtigen. Es sind Vollzugshinweise für jeden Bedarf i.S.v. § 28 Abs. 2 bis 7 SGB II vorhanden, beispielhaft vorliegend der Vollzugshinweis vom 31.05.2019 (Bl. 323 ff. d. A.) betreffend § 28 Abs. 3 SGB II (Schulbedarf), Vollzugshinweis vom 10.09.2021 (Bl. 416 ff. d. A.) betreffend § 28 Abs. 4 SGB II (Schülerbeförderung). Ein weiterer Vollzugshinweis vom 10.08.2021 (Bl. 344 ff. d. A.) befasst sich mit Aspekten des Verfahrens und der Arten der Leistungsgewährung. Ferner existiert ein Vollzugshinweis vom 18.08.2020 mit Hinweisen zu den allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen. Auf den Inhalt der vorliegenden Vollzugshinweise wird Bezug genommen.
6
Daneben sind von der Klägerin sog. fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu berücksichtigen. Diese betreffen in erster Linie die Leistungsprogramme, wie dem verwendeten EDV-Programm „Allegro“.
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Die Sachbearbeitung endet mit der Ausfertigung eines Bescheids, mit dem über den Antrag bzw. die formlose Anzeige entschieden wird.
8
Im Falle des Widerspruchs gegen einen Bescheid der Klägerin, fertigt diese eine fachliche Stellungnahme und gibt den Vorgang sodann an die Widerspruchsstelle des Landratsamts ab. Gleichfalls bearbeitet die Klägerin Widerrufe und Rückforderungsansprüche bei bewilligten Leistungen.
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Der Beklagte legt eine Statistik über beantragte Leistungen betreffend die Tätigkeit der Klägerin ab dem 01.01.2011 vor (vgl. Bl. 311 d. A.). Ausweislich dessen haben 2251 Kinder ab 03.2011 mindestens einen Antrag gestellt. Im Betrachtungszeitraum sind 4993 Leistungen beantragt worden, wobei davon 1059 Anträge auf eintägige Schulausflüge, 685 Anträge auf mehrtägige Klassenfahrten, 135 Anträge auf die Schülerbeförderung, 222 auf die Lernförderung, 1555 Anträge auf das gemeinschaftliche Mittagessen, 1181 Anträge auf Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft, ca. 547 Anträge Schulbedarf (ohne gesonderte Antragstellung), 156 Anträge auf Leistungen außerhalb des Rechtskreises des § 28 SGB II entfallen.
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Die Klägerin übersandte unter dem 25.10.2017 zwei Schreiben an den Beklagten zur begehrten „Höhergruppierung“. Eines der Schreiben lautet auszugsweise wie folgt:
„[…] Antrag auf Höhergruppierung“ […] da sich der zeitliche Anteil meiner selbstständigen Leistungen in den letzten 2 Jahre deutlich erhöht hat und die normale Sachbearbeitung in Qualität und Quantität nur durch diese selbstständigen Leistungen auf diesem hohen Niveau gehalten werden können, bitte ich hiermit um die Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 9a. […]“ (Bl. 51 f. d. A.)
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Die stellvertretende Geschäftsführerin des Jobcenters bestätigte den Erhalt am 25.10.2017.
12
Das weitere Schreiben der Klägerin vom 25.10.2017 liegt nicht vor, hatte jedoch den Betreff: „Antrag auf Überleitung in EGO TVöD 2017“ und den Inhalt eines Antrags auf Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 8 zum 01.01.2017 (vgl. Bl. 489 d. A.).
13
Der Fachbereichsleiter Personalmanagement des Landratsamts bestätigte den Eingang des Antrags bzw. der Anträge mit E-Mail vom 29.11.2017 (Bl. 131 d. A.).
14
Die Parteien schlossen unter dem 17.04.2018 einen Änderungsvertrag (Bl. 39 d. A.) mit dem Inhalt, dass die Klägerin ab dem 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert ist. Der Vertrag kam ohne Gespräche zwischen der Klägerin und Vertretern des Beklagten zustande.
15
Die Geschäftsführerin des Jobcenters C. wandte sich mit Schreiben vom 09.03.2020 (Bl. 42 ff. d. A.) an den Beklagten mit der Bitte um Überprüfung der Eingruppierung der Klägerin. Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 02.12.2020 (Bl. 55 f. d. A.) mit, dass er die Klägerin als zutreffend eingruppiert ansehe.
16
Die Klägerin verfolgt ihre Ansprüche mit Klage vom 29.12.2021, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag (Bl. 1 d. A.), weiter. Die Klageschrift wurde dem Beklagen am 04.01.2022 (vgl. Bl. 65 d. A.) zugestellt.
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Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, sie habe im Rahmen in der Ausgangssachbearbeitung stets einen Ermessungsspielraum auszuüben, im Wege einer eigenen geistigen Gedankenarbeit über den einzuschlagenden Weg zu entscheiden und selbstständig ein Ergebnis zu erarbeiten; sie verweist insoweit auf Beispiele im Rahmen der Lernförderung und Schülerbeförderung (vgl. Bl. 185 ff. d. A.).
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Die Klägerin ist der Auffassung, dass sie zutreffend in der Entgeltgruppe 9a der Entgeltordnung (VKA) eingruppiert ist. Auch der Arbeitsvorgang „Sachbearbeitung der Bildungs- und Teilhabeleistungen nach dem SGB II“ erfülle die Voraussetzungen der „selbstständigen Leistungen“. Es seien „vielseitige Fachkenntnisse“ erforderlich, um unter Anwendung der einschlägigen Vorschriften die zu prüfenden und zu bewilligenden Bildungs- und Teilhabeleistungen ordnungsgemäß bearbeiten zu können. Ferner erbringe sie „selbstständige Leistungen“ im Sinne der Entgeltgruppe 9a TVöD. Ihre Tätigkeit erfordere die Ausfüllung von Beurteilungs- und Entscheidungsspielräumen, weil in jedem Einzelfall Aspekte der Vorsorge, der leistungsgerechten Förderung, der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit zu beachten und gegeneinander abzuwägen seien. Dabei handele es sich auch nicht nur um einen Normenvollzug. Bei den zu vollziehenden Normen seine Ermessensspielräume eröffnet und unbestimmte Rechtsbegriffe auszulegen und zu prüfen.
19
Die Ansprüche im Rahmen der Zahlungsanträge seien nicht durch § 37 Abs. 1 TVöD ausgeschlossen. Die Geltendmachung mit Schreiben vom 25.10.2017 sei hinreichend konkret.
20
Die Klägerin stellt zuletzt folgende Anträge:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2017 nach der Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 3 und seit dem 01.01.2020 nach der Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöDVKA) in Verbindung mit der Entgeltordnung (VKA) zum TVöD zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 01.01.2017 in die Vergütungsgruppe EG 9a Stufe3 und seit dem 01.012020 in die Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) in Verbindung mit der Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingruppiert ist. Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 1. oder mit dem Antrag zu Ziffer 2, werden wir beantragen zu erkennen:
3. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin € 27.873,54 brutto, zzgl. Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 266,77 brutto seit dem 01.12.2017, aus € 266,77 brutto seit dem 01.01.2018, aus € 266,77 brutto seit dem 01.02.2018, aus € 266,77 brutto seit dem 01.03.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.04.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.05.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.06.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.07.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.08.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.09.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.10.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.11.2018, aus € 274,41 brutto seit dem 01.12.2018, aus € 274,41 brutto seit dem
01. 01.2019, aus € 274,41 brutto seit dem 01.02.2019, aus € 274,41 brutto seit dem 01.03.2019, aus € 274,41 brutto seit dem 01.04.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.05.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.06.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.07.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.08.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.09.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.10.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.11.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.12.2019, aus € 282,06 brutto seit dem 01.01.2020, aus € 534,72 brutto seit dem
01.02.2020, aus € 534,72 brutto seit dem 01.03.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.04.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.05.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.06.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.07.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.08.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.09.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.10.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.11.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.12.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.01.2021, aus € 511,54 brutto seit dem 01.02.2021, aus € 511,54 brutto seit dem
01.03.2021, aus € 511,54 brutto seit dem 01.04.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.05.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.06.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.07.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.08.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.09.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.10.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.11.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.12.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.01.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.02.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.03.2022, aus € 513,83 brutto seit dem
01.04.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.5.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.06.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.07.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.08.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.09.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.10.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.11.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.12.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.01.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.02.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.03.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.04.2023 und aus € 523,09 brutto seit dem 01.05.2023 zu bezahlen.
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Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1. und dem Antrag zu Ziffer 2.:
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 09.03.2020 nach der Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) in Verbindung mit der Entgeltordnung (VKA) zum TVöD zu bezahlen.
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Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 4.:
5. Es wird festgestellt, dass die Klägerin seit dem 09.03.2020 in die Vergütungsgruppe EG 9a Stufe 4 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst – Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-VKA) in Verbindung mit der Entgeltordnung (VKA) zum TVöD eingruppiert ist.
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Für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu Ziffer 4. oder mit dem Antrag zu Ziffer
5., werden wir beantragen zu erkennen:
6. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin € 19.104,61 brutto, zzgl. Zinsen in Höhe von 5-Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 511,54 brutto seit dem 01.05.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.06.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.07.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.08.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.09.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.10.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.11.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.12.2020, aus € 511,54 brutto seit dem 01.01.2021, aus € 511,54 brutto seit dem 01.02.2021, aus € 511,54 brutto seit dem 01.03.2021, aus € 511,54 brutto seit dem 01.04.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.05.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01. 06.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.07.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.08.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.09.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.10.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.11.2021, aus 513,83 brutto seit dem 01.12.2021, aus € 513,83 brutto seit dem 01.01.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.02.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.03.2022, aus € 513,83 brutto seit dem 01.04.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.05.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.06.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.07.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.08.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.09.2022, aus 523,09 brutto seit dem 01.10.2022, aus € 523,09 brutto seit dem
01.11.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.12.2022, aus € 523,09 brutto seit dem 01.01.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.02.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.03.2023, aus € 523,09 brutto seit dem 01.04.2023 und aus € 523,09 brutto seit dem 01.05.2023 zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt demgegenüber,
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Er ist der Auffassung, dass die Klägerin zutreffend in der Entgeltgruppe 7 des TVöD-VKA eingruppiert ist. Die Klägerin habe im Rahmen der Sachbearbeitung von Leistungen lediglich ein einziges Gesetz (das SGB II) und daraus im Wesentlichen nur zwei Bestimmungen (§§ 28 und 29 SGB II) anzuwenden. Es sei daher bereits zweifelhaft, ob „vielseitige“ Fachkenntnisse benötigt werden. Jedenfalls seien nicht in rechtlich relevantem Umfang „selbstständige Leistungen“ durch die Klägerin zu erbringen. Etwaige „selbständige Leistungen“ seien von der Klägerin ausschließlich in Wahrnehmung des Arbeitsvorgangs 2 zu erbringen. Durch die im Rahmen dieses Arbeitsvorgangs erzeugten Arbeitsergebnisse und die Erschließung des Sachgebiets durch die Rechtsprechung und die zahlreichen Arbeitshinweise, wie die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales seien im Arbeitsvorgang 1 keine selbständigen Leistungen in relevantem Umfang mehr zu erbringen. Etwaige Entscheidungsspielräume seien so gering, dass damit keine selbstständige Erarbeitung eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative verbunden sei, die nur über eine leichte geistige Arbeit hinausgehe. Insbesondere habe die Klägerin nicht im Wege einer eigenen geistigen Gedankenarbeit den einzuschlagenden Weg zu entscheiden, weil dieser bereits durch die Arbeits- und Vollzugshinweise sowie die Vorschriften selbst vorgegeben sei. Auch die Ergebnisse seien bereits vorgegeben: Bewilligung bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen oder anderenfalls Ablehnung. Der Klägerin stehe hinsichtlich der Frage, in welcher Form die Leistung erbracht werde – in bestimmten Grenzen – ein Ermessen zu, sofern dies nicht nur das Gesetz (§ 29 SGB II oder die Vollzugshinweise) bereits festgelegt sei. Darüber hinaus entfalle ein erheblicher Anteil an Anträgen in den Teilbereichen „Schulausflüge“, „Klassenfahrten“, und „Teilnahme an gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung“, wobei in diesen Teilbereichen die Sachbearbeitung jeweils standartisiert erfolge; insoweit sei weder eine Prüfung noch eine besondere Abwägung erforderlich. in diesen Teilbereichen erfolge eine formlose Antragstellung, indem der Bürger den jeweiligen Betrag für die Teilnahme an einem Schulausflug oder an einer Klassenfahrt dem Jobcenter mitteile und der mitgeteilte Betrag sodann vom Jobcenter bezahlt werde. Bei der Teilnahme an gemeinschaftlicher Mittagsverpflegung gelte entsprechendes. Auch im Sachbereich „Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft“ seien weder besonderer Überlegungen anzustellen noch Abwägungsentscheidungen zu treffen; Teilhabeleistungen seien auf einen feststehenden Betrag in Höhe von € 15,00 je Monat festgelegt. Auch mögliche förderfähige Angebote seien durch entsprechende Vollzugshinweise etwa des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales bereits im Voraus im Einzelnen festgelegt. Persönlicher Schulbedarf (§ 28 Abs. 3 SGB II) werde in Höhe von € 150,00 pauschal pro Schuljahr gewährt. Insoweit sei weder eine Prüfung erforderlich noch eine Abwägungsentscheidung zu treffen. Mithin sei in Summe von rund 90% der beantragten Leistungen eine einfach gelagerte Sachbearbeitung zu leisten.
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Wegen des weiteren Sachvortrags wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 29.12.2021 (Bl. 3 ff d. A.), 02.06.2022 (Bl. 107 ff. d. A.), 14.10.2022 (Bl. 179 ff. d. A.), 25.11.2022 (Bl. 219 ff. d. A.) 03.05.2023 (Bl. 454 ff. d. A.), die Schriftsätze des Beklagten vom 07.02.2022 (Bl. 69 d. A.), 13.04.2022 (Bl. 74 ff. d. A.), 31.08.2022 (Bl. 155 ff. d. A.) 18.10.2022 (Bl. 208 f. d. A.) 19.01.2023 (Bl. 291 ff. d. A.), 09.05.2023 (Bl. 474 ff. d. A.) jeweils samt Anlagen sowie die Niederschriften vom 26.01.2022 (Bl. 66 f. d. A.), 24.10.2022 (Bl. 211 ff. d. A.), 15.05.2023 Bl. 487 f. A.) und 14.06.2023 (Bl. 496 f. d. A.) Bezug genommen.
27
Beweis wurde nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
29
Die Klage zulässig. Insbesondere besteht für den Feststellungsantrag das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß §§ 256 Abs. 1 ZPO, 46 Abs. 2 ArbGG. Eine Feststellungsklage kann sich zulässigerweise auf einzelne Beziehungen und Folgen eines Rechtsverhältnisses, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (sog. Elementenfeststellungsklage). Auf Feststellungsklagen, welche zukünftige Ansprüche zum Gegenstand haben, ist auch der Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage nicht anwendbar. Aus diesen Gründen ist die allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO insgesamt zulässig (vgl. nur BAG, Urt. v. 10.06.2020 – 4 AZR 167/19, Rn. 12).
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Die Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
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1. Die Klägerin hat Anspruch auf die begehrte Feststellung, denn Sie kann ab dem 01.01.2017 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a der Entgeltordnung zum TVÖD für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) beanspruchen.
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a) Für das Eingruppierungsbegehren der Klägerin sind vorliegend die §§ 12, 13 des TVÖD- VKA in Verbindung mit der EntgO -VKA maßgebend.
§ 12 (VKA) Eingruppierung
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(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Anlage 1 – Entgeltordnung (VKA). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
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(2) Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von den Sätzen 2 bis 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
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Die für die Eingruppierung der Klägerin maßgebenden Vorschriften der EntgO- VKA in Teil A, Abschnitt I., Ziff. 3. lauten auszugsweise wie folgt:
Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 1, deren Tätigkeit gründliche und Vielseitige Fachkenntnisse erfordert, sowie Beschäftigte der Entgeltgruppe 5 Fallgruppe 2, deren Tätigkeit vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(1 Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der die / der Beschäftigte tätig ist, zu beziehen. 2 Der Aufgabenkreis der / des Beschäftigten muss aber so gestaltet sein, dass er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitigen Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)
Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit mindestens zu einem Fünftel selbstständige Leistungen erfordert.
(Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Entgeltgruppe 9a Beschäftigte der Entgeltgruppe 6, deren Tätigkeit selbstständige Leistungen erfordert. (Selbstständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)“
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b) Bezugspunkt der tariflichen Bewertung ist der Arbeitsvorgang. Für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs ist das Arbeitsergebnis maßgebend. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus einzelne Arbeitsschritte der Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind. Tatsächlich getrennt sind Arbeitsschritte nicht, wenn sich erst im Laufe der Bearbeitung herausstellt, welchen tariflich erheblichen Schwierigkeitsgrad der einzelne Fall aufweist. Zur Tätigkeit gehören dabei auch die Zusammenhangstätigkeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitszeiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind.
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Danach sind die Tätigkeiten der Klägerin drei Arbeitsvorgängen zuzuordnen. Ein Arbeitsvorgang bildet die Ausgangssachbearbeitung der Klägerin bzgl. der Bewilligung von Leistungen im Bereich der Bildung und Teilhabe. Hierzu gehört als Zusammenhangstätigkeit auch die Fertigung einer schriftlichen Stellungnahme für den Fall des Widerspruchs gegen einen ihrer Bescheide. Gleichfalls ist die Tätigkeit des Widerrufs von bewilligten Leistungen und die Rückforderung bereits erfolgter Leistungen zu diesem Arbeitsvorgang zu zählen, weil auch insoweit nach entsprechender Prüfung ein Verwaltungsakt als Arbeitsergebnis anzufertigen ist.
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Ein weiterer Arbeitsvorgang der Klägerin stellt ihre Tätigkeit im Rahmen der „Koordinierungsstelle“ dar. Schließlich liegt ein dritter Arbeitsvorgang in der (Abwesenheits-) Vertretung der Teamleiterin und stellvertretenden Geschäftsführerin des Jobcenters bei Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Teamleiterin begründet.
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c) Die Bewertung der Arbeitsvorgänge ergibt, dass die Klägerin überwiegend Tätigkeiten ausübt, die der Entgeltgruppe 9a TVöD-VKA entsprechen. Dies liegt darin begründet, dass der Arbeitsvorgang „Sachbearbeitung für Bildungs- und Teilhabeleistungen im Vollzug des SGB II“ sowohl „gründliche und vielseitige Fachkenntnisse“ als auch „selbstständige Leistungen“ im Sinne der EntgO -VKA und § 12 Abs. 2 TVöD-VKA voraussetzt.
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aa) Gründliche Fachkenntnisse setzen unter Berücksichtigung der Klammerdefinition nähere Kenntnisse von u. a. Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen des fraglichen Aufgabenkreises voraus. Es sind Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art zu verlangen. Das Tätigkeitsmerkmal erfordert danach erweiterte Fachkenntnisse sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Vielseitige Fachkenntnisse erfordern demgegenüber einer Erweiterung des Fachwissens seinem Umfang nach. Dies kann sich bspw. aufgrund der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen oder der Verschiedenartigkeit der sich aus einem Fachgebiet folgenden Anforderungen ergeben. Denkbar ist zwar, dass sich der Wissensbereich nur auf ein einzelnes, abgegrenztes Teilgebiet beschränkt in dem der Angestellte eingesetzt wird; jedoch reicht ein eng abgegrenztes Teilgebiet mit etwa nur routinemäßiger Bearbeitung nicht aus. Hierbei ist eine pauschale Überprüfung ausreichend, wenn die Parteien die Tätigkeit des Arbeitnehmers als unstreitig ansehen und der Arbeitgeber selbst für die Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet (vgl. BAG, Urt. v. 06.06.1984 – 4 AZR 203/82).
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Die Voraussetzungen für eine lediglich summarische Prüfung im Hinblick auf das Vorliegen von gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen sind vorliegend erfüllt; die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 7 des TVöD-VKA erfüllt sind.
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Gegenstand der Sachbearbeitung der Klägerin sind sechs verschiedene Bedarfe.
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Dies stellt einen breiten Regelungsumfang dar, wenngleich die unterschiedlichen Ansprüche in §§ 28, 29 SGB II geregelt sind. So haben die einzelnen Leistungsarten bereits unterschiedliche Voraussetzungen zur Prüfung und Bewilligung. Die Leistung Lernförderung gem. § 28 Abs. 5 SGB II setzt eine ergänzende, angemessene, geeignete und erforderliche Lernförderung zur Erreichung der festgelegten wesentlichen Lernziele voraus; demgegenüber setzt die Schülerbeförderung gemäß § 28 Abs. 4 SGB II tatsächliche Aufwendungen für die Schülerbeförderung zum Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs voraus, soweit die Schüler angewiesen sind auf die Schülerbeförderung. Bei der Teilhabe am sozialen- und kulturellen Leben gemäß § 28 Abs. 7 SGB II sind wiederum tatsächliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme an bestimmten Aktivitäten als Voraussetzung zu prüfen. Diese (beispielhafte) Darstellung zeigt bereits, dass die verschiedenen Leistungen an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind und folglich verschiedenartige unbestimmte Rechtsbegriffe ggf. auszulegen und anzuwenden sind. Dementsprechend sind tatsächliche Ermittlungen auch auf unterschiedliche Gesichtspunkte zu richten. Auch die Rechtsfolgen bei einer Bewilligung von Leistungen sind nicht einheitlich; von pauschalierten Zahlungen sind die Erstattung von tatsächlichen Aufwendungen sowie Zahlungen an Dritte in Dreiecksverhältnissen zu unterscheiden. Aus diesen Gründen sind gründliche und vielseitige Fachkenntnisse in tariflichen Sinne zur ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung erforderlich.
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bb) Die Klägerin erbringt im Rahmen des Arbeitsvorgangs auch selbständige Leistungen im tariflichen Sinne in rechtserheblichen Umfang.
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Selbstständige Leistungen erfordern ausgehend von den vorausgesetzten Fachkenntnissen ein entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmale „selbstständige Leistungen“ darf nicht mit dem Begriff „selbständig Arbeiten“ verwechselt werden, worunter eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung zu verstehen ist. Eine selbstständige Leistung im Tarifsinne ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert. Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinne ist – ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe – ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses. Es werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderung an das Überlegungsvermögen gestellt werden. Dabei müssen für eine Entscheidung unterschiedliche Informationen verknüpft und untereinander abgewogen werden. Dass diese Abwägungsprozesse bei entsprechender Routine durchaus schnell ablaufen können, steht dem nicht entgegen (vgl. zum Ganzen BAG, Urt. v. 23.09.2009 – 4 AZR 309/08, Rn. 33).
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Diese Voraussetzungen sind erfüllt, weil die Klägerin im Rahmen der Sachbearbeitung die jeweils erforderlichen Tatsachen ggf. zu ermitteln, zu bewerten und hieraus unter Anwendung der einschlägigen Normen Schlussfolgerungen zu ziehen hat. In Abhängigkeit des Inhalts der Antragsstellung hat die Klägerin in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die notwendigen Tatsachen zur Beurteilung des Anspruchs bereits vorliegen oder sie eigene Ermittlungen anzustellen hat.
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(1) So werden gem. § 28 Abs. 4 SGB II (Schülerbeförderung) bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Auf diese Voraussetzungen hat sich die Sachverhaltsermittlung zu erstrecken; wenngleich Angaben formularmäßig abgefragt werden, können Rückfragen erforderlich werden und Zweifelsfragen aufkommen, beispielsweise welche Schulen und Bildungsgänge berücksichtigungsfähig sind, wonach sich das Kriterium „nächstgelegen“ bemisst und in welchen Fällen bzw. bei welcher Entfernung vom Wohnort das Merkmal des „Angewiesenseins“ erfüllt ist. Insoweit ist ohne weiteres ersichtlich, dass relevante Informationen von der Klägerin verarbeitet werden müssen und die Entscheidung darüber anfällt, „ob“ und „wie“ weitere Ermittlungen ggf. anzustellen sind.
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(2) Bei Anträgen gem. § 28 Abs. 5 SGB II (Lernförderung) wird bei Schülerinnen und Schülern eine schulische Angebote ergänzende, angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Die Sachverhaltsermittlung hat sich folglich u.a. auf den Leistungsstand der Schülerin bzw. des Schülers und das wesentliche Lernziel der jeweiligen Schule zu beziehen. Sodann ist prognostisch zu beurteilen, ob und ggf. welche Lernförderung geeignet und erforderlich ist. In der Rechtsfolge sind Maßnahmen der Lernförderung auf ihre Angemessenheit hin zu prüfen und auszuwählen. Im Rahmen dieser Sachbearbeitung ergeben sich sowohl Beurteilungs- als auch Ermessensspielräume. Ermittlungen sind ggf. auch gegenüber der Schule hinsichtlich der Lernziele, der Erforderlichkeit und Geeignetheit einer Förderung des bzw. der Leistungsberechtigten durch die Klägerin vorzunehmen.
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(3) Allgemein hat die Klägerin Im Rahmen der Sachbearbeitung vielfach unbestimmte Rechtsbegriffe anzuwenden unter Berücksichtigung etwaiger Rechtsprechung und Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales auszulegen. Die vorliegenden Vollzugshinweise haben nach Auffassung der Kammer durchaus den Charakter „juristischer Kommentare“ von erheblichem Umfang; der Vollzugshinweis vom 10.08.2021 zu § 28 SGB II (Bl. 344 ff. d. A.) umfasst beispielsweise 72 (sic!) DIN- A4 Seiten. Auch inhaltlich handelt es sich nicht um Handlungsanweisungen und Informationen, die Reaktionsmöglichkeiten abschließend und in einfach anzuwendender Weise beinhalten würden. Vielmehr enthalten die Vollzugshinweise Auslegungshilfen unter Berücksichtigung von höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. nur Seite 6 ff. des. Vollzugshinweises vom 10.09.2021 zu § 28 Abs. 4 SGB II = Bl. 421 ff. d. A.; Seite 13 ff. des Vollzugshinweises vom 31.05.2019 zu § 28 Abs. 3 SGB II = Bl. 335 ff. d. A.). Auf der Rechtsfolgenseite ergibt sich aus § 29 SGB II, dass die Art der Leistungserbringung durch den Träger, d. h. die Klägerin als Sachbearbeiterin bestimmt wird. Bei der Auswahl der Art der Leistungserbringung sind verschiedene Aspekte wie die Zweckmäßigkeit, eine etwaige Selbstbindung der Verwaltung, Gesichtspunkte der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung sowie die Vor- und Nachteile für den Empfänger zu berücksichtigen (vgl. dazu Seiten 5 ff. des Vollzugshinweises vom 10.08.2021 zu § 28 SGB II = Bl. 348 ff. d. A.).
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So ergibt sich aus den Vollzugshinweisen vom 31.05.2019 betreffend den Schulbedarf gemäß § 28 Abs. 3 SGB II, dass neben der pauschalen Geldleistung auch die Mehrbedarfs- bzw. Härtefallregelungen gemäß §§ 21 Abs. 6, 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind, beispielsweise hinsichtlich der Anschaffung von Laptops und „iPads“ im schulischen Kontext (vgl. Bl. 339 ff. d. A.); der Einwand des Beklagten, hinsichtlich des Schulbedarfs sei lediglich über eine Pauschale in Höhe von € 150,00 zu entscheiden, verfängt zumindest bei Mehrbedarfen und/oder Härtefällen nicht. Die Anforderung an die Tätigkeit der Klägerin liegt auch darin begründet, diese Fälle zu identifizieren und ggf. rechtlich zutreffend zu bearbeiten.
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Ebenfalls geht der Vortrag des Beklagten hinsichtlich der Rechtsfolge zu § 28 Abs. 7 SGB II (Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft), unzutreffend davon aus, es sei lediglich über eine monatliche Pauschale in Höhe von € 15,00 von der Klägerin zu entscheiden. Bezüglich darüber hinausgehender Aufwendungen wird gem. § 28 Abs. 7 Satz 2 SGB II darauf abgestellt, ob dem bzw. der Leistungsberechtigten „im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese (weiteren Aufwendungen) aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten“. In diesen Fällen ist eine Zumutbarkeitsprüfung mit entsprechender Sachverhaltsermittlung für den Einzelfall durch die Klägerin erforderlich. Hierunter kann die Anschaffung von Ausrüstungsgegenständen zur Ausübung einer Sportart oder eines Musikinstrumentes für den Musikunterricht fallen. Ebenso sind möglicherweise anfallende Fahrkosten zur Teilnahme nicht zumutbar von dem Regelbedarf zu decken. Insofern sind weitere Ermittlungen ggf. durchzuführen und es ist jeweils zu prüfen, ob Anteile aus dem Regelbedarf anzusetzen sind.
52
Aus alledem und unter Berücksichtigung der weiteren Regelungen in §§ 28, 29 SGB II ergibt sich für die Kammer, dass ein hinreichender Ermessens-, Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum bei der Erarbeitung von Arbeitsergebnissen besteht. Insbesondere sind von der Klägerin vorliegende Informationen im Hinblick auf die Rechtsbegriffe auszuwerten und ggf. sind eigenständige Nachforschungen anzustellen.
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cc) Der Tätigkeits- und Beurteilungsspielraum der Klägerin ist nicht aufgrund von Vollzugshinweisen, Arbeitsanweisungen und Informationen derart eingeschränkt, dass lediglich eine Umsetzung dessen erforderlich ist und keine „selbständigen Leistungen“ im Tarifsinne mehr vorliegen würden. Insoweit ist zwar anerkannt, dass detaillierte Handlungsanweisungen für den Vollzug, die Beurteilungs- und Ermessensspielräume maßgebend einschränken und die erforderlichen Abwägungsprozesse im Wesentlichen vorwegnehmen, rechtserheblich sind. Eine derartige Fallgestaltung ist hier aber nicht gegeben, weil die vorliegenden Vollzugshinweise vielmehr deutlich machen, dass eine Vielzahl rechtlicher und tatsächlicher Erwägungen und Gesichtspunkte von der Klägerin zu berücksichtigen sind. Es liegen gerade nicht durchgehend einfache und anschauliche Sachverhalte vor, die sich unter Anwendung von Vollzugshinweisen nach dem Schema: „wenn…dann“ bearbeiten ließen (vgl. zu einer instruktiven Fallgestaltung BAG, Urt. v. 16.10.2019 – 4 AZR 284/18, Rn. 35 f.).
54
dd) Schließlich führt die Erwägung des Beklagten, wonach ein erheblicher Anteil der Anträge auf einfach gelagerte und „standartisiert“ zu bearbeitende Leistungsarten entfallen würden, zu keinem anderen Ergebnis. Es mag sein, dass bei einzelnen Anträgen und Verfahren keine „selbständigen Leistungen“ im tariflichen Sinne anfallen. Das zu berücksichtigende Aufspaltungsverbot gestattet es aber nicht, einen Arbeitsvorgang nach Teiltätigkeiten unterschiedlicher Wertigkeit aufzuspalten. Eine Gewichtung findet an dieser Stelle nicht statt, die Bewertung erfolgt einheitlich. Es Bedarf an dieser Stelle weder eines Überwiegens noch eines „Gepräges“ des Arbeitsvorgangs durch die für die Bewertung maßgebende Teiltätigkeit. Es genügt, wenn innerhalb eines Arbeitsvorgangs überhaupt konkrete Tätigkeiten verrichtet werden, die die Anforderungen des höheren Tätigkeitsmerkmals erfüllen. Dann ist der Arbeitsvorgang in seinem gesamten zeitlichen Umfang dem höheren Tätigkeitsmerkmal zuzuordnen. Lediglich dann, wenn die höher bewerteten Anteile der Arbeit kein „rechtserhebliches Ausmaß“ erlangen, können sie außer Acht gelassen werden. Als rechtserheblich wurde jedoch bereits ein zeitlicher Anteil von 7 Prozent selbstständiger Leistungen in einem Arbeitsvorgang angesehen, der insgesamt 35 Prozent der Gesamtarbeitszeit ausgemacht hat (vgl. BAG, Urt. v. 18.05.1994 – 4 AZR 461/93, unter B., II., 4., c) der Gründe). Der Vortrag des Beklagten lässt hier nicht den Schluss zu, es würde im rechtserheblichen Umfang an „selbständigen Leistungen“ im tariflichen Sinne bei der Tätigkeit der Klägerin mangeln. Der Verweis auf die Bearbeitung einer bestimmten Anzahl von Anträgen ist bereits nicht behelflich, weil der Vortrag keinen Rückschluss auf den Arbeitszeitanteil zulässt. Der Sachvortrag schließt nicht aus, dass eine „geringe“ Anzahl an aufwändigen Antragsverfahren in zeitlicher Hinsicht bereits zu „selbständigen Leistungen“ in rechtserheblichem Ausmaß führen. Der Sachvortrag des Beklagten lässt insoweit keinen Rückschluss zu.
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ee) Im Ergebnis enthalten damit Arbeitsvorgänge mit einem Zeitanteil von zumin-dest 75 Prozent der Gesamttätigkeit der Klägerin „selbstständige Leistungen“ im Sinne der Entgeltgruppe 9a der EntgO -VKA, sodass die Klägerin gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 TVÖD-VKA in die Entgeltgruppe 9a eingruppiert ist.
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d) Es ist daher gemäß des Klageantrags der Klägerin festzustellen, dass sie seit 01.01.2017 in diese Entgeltgruppe eingruppiert ist. Dem Hauptantrag konnte indes nicht stattgegeben werden, weil die geltend gemachten Zahlungsansprüche wegen Differenzvergütung gemäß § 37 Abs. 1 TVÖD-VKA teilweise verfallen sind.
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2. Der Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a EntgO- VKA ist indes für den Zeitraum vor dem Kalendermonat Juli 2021 gemäß § 37 Abs. 1 TVÖD -VKA verfallen.
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a) Nach § 37 Abs. 1 Satz 1 TVÖD-VKA verfallen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit von den Beschäftigten schriftlich geltend gemacht werden. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 TVÖDVKA reicht für denselben Sachverhalt die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später verlegt werdenden Leistungen aus.
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Tarifliche Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Die Anspruchsgegnerin soll sich auf die aus Sicht des Anspruchstellers noch offenen Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und gegebenenfalls Rückklagen bilden können. Sie soll vor der Verfolgung von Ansprüchen mit deren Geltendmachung sie nicht rechnet und auch nicht rechnen muss, geschützt werden. Ausgehend von diesem Sinn und Zweck ist die Ausschlussfrist nur gewahrt, wenn der Anspruchssteller unmissverständlich zum Ausdruck bringt, dass er Inhaber einer nach Grund und Höhe spezifizierten Forderung ist und auf der Erfüllung dieser Forderung besteht. Einer ausdrücklichen Zahlungsaufforderung hingegen nicht. Die Ausschlussfrist des § 37 Abs. 1 TVÖDVKA wird für Ansprüche, die im Zusammenhang mit einer Überleitung die neue Entgeltordnung nach § 29b TVÜ-VKA stehen, nicht von der in § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜVKA genannten Ausschlussfrist als einer Spezialregelung verdrängt. Die Wirkung der Ausschlussfrist nach § 29b Abs. 1 Satz 2 TVÜ- VKA ist vielmehr auf das Antragsrecht nach § 29b Abs. 1 Satz 1 TVÜ -VKA beschränkt. Ob ein Antrag nach § 29b Abs. 1 Satz TVÜ- VKA zugleich eine – ausreichende – Geltendmachung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVÖD-VKA enthält, hängt von dessen Inhalt ab und ist deshalb in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen (vgl. BAG, Urt. v. 18.09.2019 – 4 AZR 42/19, Rn 32).
60
Darüber hinaus gilt, dass eine Geltendmachung verbraucht ist, wenn im Anschluss an die Geltendmachung eine deren Ziel (teilweise) entsprechende Neuvereinbarung geschlossen wird. Hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Vergütung nach einer höheren Entgeltgruppe geltend gemacht und wurde mit ihm daraufhin ein Arbeitsvertrag abgeschlossen, der ihm Vergütung nach einer höheren, wenn auch nicht der begehrten Entgeltgruppe zuspricht, dann handelt der Arbeitnehmer grundsätzlich arglistig, wenn er den neuen Arbeitsvertrag abschließt und bei dieser Gelegenheit zu bekunden unterlässt, dass er trotz der durch den neuen Arbeitsvertrag herbeigeführten Verbesserung seiner Vergütung auf den Anspruch nach noch höherer Vergütung weiterhin bestehen will. In solchen Fällen ist bei Schweigen des Arbeitnehmers nämlich davon auszugehen, dass er von der bisherigen vergeblichen Geltendmachung eines tarifvertraglichen Anspruchs auf noch höhere als die vertraglich als tarifgerecht zuerkannte Vergütung Abstand nimmt (vgl. dazu BAG, Urt. v. 13.02.1974 – 4 AZR 192/73, unter II., 3. der Gründe).
61
b) Vorliegend machte die Klägerin ihre Höhergruppierungsverlangen in zwei Schreiben vom 25.10.2017 gegenüber dem Beklagten geltend. Zum einen berief sie sich auf den Gesichtspunkt der Überleitung gemäß §§ 29a, b TVÜ-VKA und machte die rückwirkende Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 zum 01.01.2017 geltend, was sich aus dem Betreff des Schreibens („Antrag auf Überleitung in EGO TVÖD 2017“) deutlich ergibt. Mit Schreiben vom gleichen Tag machte die Klägerin gegenüber dem Beklagten die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9a der EntgO-VKA gemäß der §§ 12, 13 TVÖD-VKA geltend, was aus dem Betreff „Antrag auf Höhergruppierung“ deutlich wird.
62
Nachfolgend schlossen die Parteien unter dem 17.04.2018 einen Änderungsvertrag mit dem Inhalt, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe 7 eingruppiert ist und dementsprechende Vergütung erhält. Damit war für die Klägerin erkennbar im Anschluss an ihre Schreiben vom 25.10.2017 eine neue Vereinbarung mit dem Beklagten geschlossen worden, die den in ihren Schreiben formulierten Zielen – nämlich die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 bzw. Entgeltgruppe 9a – teilweise entsprach. Die Klägerin hat den Änderungsvertrag vom 17.04.2018 auch vorbehaltlos angenommen und somit gegenüber dem Beklagten nicht zu erkennen gegeben, dass an den Geltendmachungen vom 25.10.2017 weiter festgehalten werde.
63
Für die Kammer ist nicht von Bedeutung, ob vor Abschluss des Änderungsvertrags vom 17.04.2018 Gespräche oder Verhandlungen stattgefunden haben oder die Klägerin (irrig) davon ausging, dass der Änderungsvertrag nicht im Zusammenhang mit den Anträgen vom 25.10.2017 stehen würde. Die Klägerin war ab dem 18.02.2014 in die Entgeltgruppe 6 des TVöD -VKA eingruppiert; obgleich das tarifliche Merkmal „20% selbständige Leistungen“ mit der neuen Entgeltordnung aus der früheren Entgeltgruppe 6 in die Entgeltgruppe 7 übernommen worden ist, erfolgte die Überleitung gemäß § 29a Abs. 1 Satz 1 TVÜ- VKA unter Beibehaltung der bisherigen Entgeltgruppe für die Dauer der unverändert auszuübenden Tätigkeit. Erst der Antrag der Klägerin vom 25.10.2017 führte gem. § 29b Abs. 1 TVÜ-VKA dazu, dass nach der Tarifautomatik eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 7 erfolgte. Wenngleich die Klägerin die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 8 bzw. 9a der EntgO-VKA in den Schreiben geltend gemacht hatte, lag – für sie erkennbar im Hinblick auf ihre Schreiben – eine teilweise Entsprechung der Höhergruppierungsbegehren durch den Abschluss des Änderungsvertrags vom 17.04.2018 vor, weil andernfalls – weiterhin – eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 6 erfolgt wäre. Durch den vorbehaltslosen Abschluss des Änderungsvertrags kann sich die Klägerin nicht mehr mit Erfolg gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 TVöD-VKA auf die Geltendmachung der Vergütungsdifferenzen berufen.
64
Dahinstehen kann daher, ob die Geltendmachung der Differenzansprüche im Schreiben vom 25.10.2017 betreffend die Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9a TVÖD – VKA hinreichend konkret war.
65
c) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Geschäftsführerin des Jobcenters mit Schreiben vom 09.03.2020 eine Überprüfung der Eingruppierung der Klägerin gegenüber dem Beklagten anregte. Die Geschäftsführerin des Jobcenters handelte insoweit in dieser Funktion und nicht als Vertreterin oder Bevollmächtigte der Klägerin. Eine Geltendmachung „von der/dem Beschäftigten“ gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 TVÖD- VKA liegt somit nicht vor.
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d) Eine wirksame Geltendmachung der Vergütungsansprüche ist mit Zustellung der Klageschrift bei dem Beklagten am 04.01.2022 erfolgt. Damit konnte die Verfallfrist bis einschließlich Juni 2021 nicht gewahrt werden. Der Anspruch für Juni 2021 ist gemäß § 24 Abs. 1 Satz 2 TVÖD -VKA am 30.06.2021 fällig geworden und somit mit Ablauf des 31.12.2021 verfallen.
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Der Eingang der Klage bei Gericht am 29.12.2021 führt nicht dazu, dass die Geltendmachung für Ansprüche betreffend den Monat Juni 2021 fristwahrend erfolgt wäre, weil § 167 ZPO auf die außergerichtliche Geltendmachung eines Anspruchs zur Wahrung einer tariflichen Ausschlussfrist anzuwenden ist (vgl. BAG, Urt. v. 16.03.2016 – 4 AZR 421/15).
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e) Die Vergütungsansprüche der Klägerin ergeben sich aus der seit 01.04.2021 jeweils gültigen Entgelttabelle und den maßgeblichen Tabellen entgelten (§ 15 Abs. 2 Satz 2 TVÖD-VKA in Verbindung mit der Anlagen A). Der Zinsausspruch folgt aus dem §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB, 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD-VKA. Durch die Geltendmachung eines Entgeltanspruchs wird die tarifliche Ausschlussfrist auch für Ansprüche auf Zahlung von Verzugszinsen gewahrt. Bei diesen handelt es sich um Nebenforderungen, die von der Hauptforderung abhängig sind. Es widerspricht dem Zweck der Ausschlussfrist für diese eine gesonderte Geltendmachung zu verlangen, zumal die Höhe von Verzugszinsen gesetzlich in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB festgelegt und somit anhand der Hauptforderung hinreichend berechenbar ist.
69
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Der gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG festzusetzende Streitwert beruht auf § 42 Abs. 2 Satz 2 GKG unter Berücksichtigung von § 42 Abs. 3 S. 1 2. HS GKG ausgehend von einer monatlichen Vergütungsdifferenz in Höhe von € 532,09. Gründe für eine gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG liegen nicht vor.