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AG München, Endurteil v. 03.11.2023 – 264 C 17870/23
Titel:

Berechnung der Reisepreisminderung bei Unterbringung in einem anderen als dem gebuchten Hotel

Normenketten:
ZPO § 495a
BGB § 651i Abs. 3 Nr. 6, § 651m
Leitsätze:
1. Bei einer Pauschalreise stellt die Leistungsänderung in Form einer Unterbringung in einem anderen als dem gebuchten Hotel einen Reisemangel dar, denn der Reisende entscheidet sich in der Regel für ein bestimmtes Hotel. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Pauschalreise handelt es sich um ein Gesamtpaket von Leistungen, sodass für die Berechnung des Tagesreisepreises und einer etwaigen Minderung nicht die Anzahl der Übernachtungen ausschlaggebend ist, sondern die Anzahl der Tage, an denen Reiseleistungen vom Reiseveranstalter zu erbringen sind. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Minderung, Reisepreis, Unterbringung, Ersatzunterkunft, Pauschalreise, Tagesreisepreis
Fundstelle:
BeckRS 2023, 48016

Tenor

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 400,86 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Das Gericht geht von folgendem Sachverhalt aus: Die Klägerin buchte für sich und ihre Mitreisende ... bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Sizilien vom 15.05.2023 bis 22.05.2023 zum Reisepreis von 740,00 € pro Person, d.h. insgesamt 1.480,00 €. Die Reise wurde vollständig durchgeführt.
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Nach dem – bestrittenen – klägerischen Vortrag, soll das gebuchte Hotel ... überbucht gewesen sein, weshalb die Klägerin und ihre Mitreisende am 15.05.2023 zunächst ein Zimmer im Alternativhotel ... besichtigt hätten, das jedoch unzumutbar gewesen sei, und sodann für eine Übernachtung im Alternativhotel ... 208,00 € hätten bezahlen müssen. Am 16.05.2023 sei ihnen sodann ein Zimmer im ca. 100 m entfernt gelegenen ... Hotel zur Verfügung gestellt worden, das statt Meerblick ein Fenster zum Hinterhof mit lauten und stinkenden Gänsen gehabt habe. Erst ab dem 17.03.2023 hätten sie ein akzeptables Hotelzimmer im ... Hotel beziehen können.
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Unstreitig erstattete die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 230,00 € an die Klägerin.
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Selbst unter Zugrundelegung des klägerischen Vortrags ergibt sich kein weitergehender Anspruch der Klägerin. Eine Beweisaufnahme, insbesondere durch Vernehmung der von beiden Seiten benannten Zeuginnen, konnte deshalb unterbleiben.
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Der Tagesreisepreis beläuft sich auf 740,00 € Gesamtpreis : 8 Reisetage = 92,50 € Tagesreisepreis pro Person. Da es sich bei einer Pauschalreise um ein Gesamtpaket von Leistungen handelt, ist nicht die Anzahl der Übernachtungen ausschlaggebend, sondern die Anzahl der Tage, an denen Reiseleistungen vom Reiseveranstalter zu erbringen sind.
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2. Eine Minderung des Reisepreises kommt nur in Höhe von 115,62 € in Betracht. Gemäß § 651i Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 651m BGB mindert sich beim Pauschalreisevertrag der Reisepreis, wenn die Reise mangelhaft ist. Die Leistungsänderung durch Unterbringung in einem anderen als dem vom Reisenden gebuchten Hotel stellt einen solchen Reisemangel dar. Der Reisende, der vor der Reisebuchung regelmäßig verschiedene Angebote vergleicht, entscheidet sich gezielt für ein bestimmtes Hotel und bucht nicht lediglich irgendein Hotel einer bestimmten Kategorie an einem bestimmten Ort. Entscheidungskriterien können dabei die Lage, der Renovierungszustand, die Zimmergröße, die Ausstattung, die Verpflegung, der Service und noch weitere Faktoren sein. Wenn man davon ausgeht, dass das Hotel ... tatsächlich überbucht war und deshalb der zweimalige Umzug der Klägerin und ihrer Mitreisenden erforderlich war, so erachtet das Gericht für den ersten Reisetag eine Minderung in Höhe von 50% des Tagesreisepreises, also 46,25 €, und für den zweiten Reisetag eine Minderung in Höhe von 75% des Tagesreisepreises, also 69,37 € als angemessen. Der Umzug war für die Klägerin jeweils mit Unannehmlichkeiten verbunden. Die Hotels lagen nahe beieinander. Sonstige Qualitätsunterschiede sind nicht vorgetragen. Die gerichtlich vorgenommene Differenzierung zwischen den beiden Tagen beruht auf der Erwägung, dass nur am zweiten Tag Reisegepäck aus- und wiedereingepackt werden musste und dass nur am zweiten Tag – ausgehend vom klägerischen Vortrag – eine Belästigung durch Gänse auf dem Hinterhof gegeben war. Dass ein Zimmer mit Meerblick gebucht worden wäre, ergibt sich aus den vorgelegten Reiseunterlagen nicht. Das Nichtvorhandensein des Meerblicks fließt somit nicht in die Bewertung des Mangels ein. Die vorgerichtliche Zahlung der Beklagten in Höhe von 230,00 € übersteigt diesen Minderungsanspruch, sodass dieser bereits erfüllt und damit erloschen ist.
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3. Auch den Anspruch auf Schadensersatz aus § 651i Abs. 3 Nr. 7 i.V.m. § 651n Abs. 1 BGB wegen der Aufwendungen für die Übernachtung im Hotel ... hat die Beklagte bereits durch die vorgerichtliche Zahlung erfüllt. Ein Anspruch auf Schadensersatz besteht nur in Höhe der hälftigen Aufwendungen der Klägerin für das Ersatzhotel, also maximal 104,00 €, weil auch insoweit von einer Vertretungssituation hinsichtlich der Mitreisenden auszugehen ist.
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Ein weitergehender Anspruch auf Schadensersatz nach § 651i Abs. 3 Nr. 7 i.V.m. § 651n Abs. 2 BGB wegen entgangener Urlaubsfreude ist nicht geltend gemacht und scheitert ohnehin daran, dass der Reisemangel, der die ersten beiden Reisetage betraft, nicht die gesamte Reise erheblich beeinträchtigt hat. Ab dem dritten Reisetag konnten die Klägerin und ihre Mitreisende die Reise unbeschwert genießen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine relativ günstige Pauschalreise handelte. Die berechtigten Erwartungen an eine Reise sind auch in Relation zum Reisepreis zu sehen.
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4. Soweit die Klägerin Ansprüche der Mitreisenden ... geltend macht, fehlt es an ihrer Aktivlegitimation. Die Klägerin nahm die Buchung vor, wegen der Namensverschiedenheit der beiden Reisenden ist jedoch nicht von einer Familienreise auszugehen, sondern von zwei eigenständigen Reiseverträgen, die die Klägerin für sich und als Vertreterin ihrer Mitreisenden für diese abschloss. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Buchung eines Doppelzimmers, weil regelmäßig auch Freunde oder bloße Bekannte aus Kostengründen ein Zimmer teilen, ohne dass eine familiäre Verbindung besteht. Eine Abtretung von Ansprüchen durch ... an die Klägerin ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
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5. Da der Hauptanspruch nicht besteht, sind auch die Nebenansprüche (Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nicht begründet.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 3 ZPO.