Titel:
materielle Beweislast für Verstöße von Nebenbestimmungen, Verpflichtungen und Auflagen obliegt dem Beklagten
Normenketten:
Art. 35 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1305/2013
Merkblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 30.12.2019 „Agrar- und Klimaschutzmaßnahmen (AUM)“ für den Förderzeitraum 2020 bis 2024
Schlagwort:
materielle Beweislast für Verstöße von Nebenbestimmungen, Verpflichtungen und Auflagen obliegt dem Beklagten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42231
Tenor
1. Der Beklagte wird in Abänderung des Bescheides des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 10.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 15.11.2021 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Förderung in Höhe von 4.152,96 EUR zu gewähren.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung in Höhe von 4.152,96 EUR der von ihm begehrten landwirtschaftlichen Förderung im Rahmen des Bayerischen Kulturlandschaftsprogramms (KULAP), die laut Auszahlungsmitteilung im Rahmen von Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) vorgenommen worden ist. Er begehrt die Auszahlung der einbehaltenen Förderung.
2
Mit Antrag (Mehrfachantrag) vom 15.05.2020 (Bl. 74 ff. Beiakte) beantragte der Kläger beim Beklagten eine Auszahlung für Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) nach KULAP und dem Vertragsnaturschutzprogramm (VNP) unter anderem für die Maßnahme H11 „Extensive Ackernutzung für Feldbrüter und Ackerwildkräuter“ bezüglich der Feldstücke 5, 6, 7 und 10.
3
Grundlage hierfür ist der Grundbescheid des Beklagten vom 01.07.2020 (Bl. 180 Gerichtsakte), der in Verbindung mit der jährlichen Auszahlungsmitteilung den Bewilligungsbescheid für das jeweilige Verpflichtungsjahr darstellt. Nach der Nebenbestimmung Nr. 4 dieses Grundbescheides ist der Kläger verpflichtet, die im Merkblatt „Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM)“ aufgeführten Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen einzuhalten, soweit die entsprechenden Maßnahmen Bestandteil dieses Bewilligungsbescheids sind.
4
In diesem Merkblatt des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz vom 30.12.2019 „Agrarumwelt- und Klimaschutzmaßnahmen (AUM) für den Förderzeitraum 2020 bis 2024“ (im Folgenden Merkblatt AUM) ist unter E Nr. 1.1 „Maßnahmen und Bewirtschaftungsauflagen (einzelflächenbezogen) nach VNP“, für die Maßnahme H11 „Extensive Ackernutzung für Feldbrüter und Ackerwildkräuter“ als Nebenbestimmung u.a. bestimmt, dass auf eine Untersaat zu verzichten ist und nach Ende der Bewirtschaftungsruhe (Anm. bis 30.06. eines Jahres) ein Mulchen der Fläche erst nach dem 31.08. erlaubt ist.
5
Im o.g. Mehrfachantrag erklärte der Kläger, sich am 01.01.2020 zum ersten Mal in einem landwirtschaftlichen Betrieb als Betriebsleiter niedergelassen zu haben (Bl. 79 Beiakte). Er versicherte unter Nr. 6 (Bl. 84 Beiakte) auch, „die mit den Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUM) verbundenen Förderkriterien, Verpflichtungen und sonstigen Auflagen (vgl. Bewilligungsbescheid, maßgebliche Merkblätter) für alle einbezogenen Flächen (einschließlich Flächenzugänge) im Verpflichtungsjahr 2020 einzuhalten“.
6
Im Rahmen einer Vor-Ort-Kontrolle am 25.08.2020, die dem Kläger vorab nicht mitgeteilt worden war, stellte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) … einige Abweichungen bzw. Verstöße fest (vgl. Bl. 87 ff. Beiakte). Für die Feldstücke 5, 6, 7 und 10 wurden Verstöße gegen Nebenbestimmungen festgestellt: Bei den Feldstücken 5, 6 und 7 sei eine Untersaat mit Rotklee (Bl. 88 Beiakte) und beim Feldstück 10 sei die Fläche gemulcht vorgefunden worden.
7
Über die Ergebnisse der Vor-Ort-Kontrolle wurde der Kläger zunächst telefonisch am 23.11.2020 (vgl. Bl. 176 Gerichtsakte) und später mit Schreiben vom 14.01.2021 (Bl. 90 ff. Beiakte) mitsamt diversen Anlagen, davon zwei Fotos mit einem erkennbar dichten Rotkleebestand, informiert.
8
Mit Bescheid vom 10.12.2020 (Bl. 16 ff. Beiakte) bewilligte der Beklagte dem Kläger – nach Kürzung in Höhe von 4.152,96 EUR – eine Auszahlung von noch insgesamt 9.690,24 EUR für die Maßnahme H11 auf den Flurstücken 5, 6, 7 und 10. Die Kürzung erfolge gemäß Art. 35 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 aufgrund einer Vor-Ort-Kontrolle. Es sei die Nichteinhaltung von Verpflichtungen oder sonstigen Auflagen festgestellt worden. Im Falle eines Verstoßes obliege es dem AELF die förderrechtlichen Konsequenzen zu bestimmen. Dabei seien gemäß Art. 35 Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 Schwere, Ausmaß, Dauer und Häufigkeit des festgestellten Verstoßes Rechnung zu tragen.
9
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 14.03.2021 (Bl. 10 f. Beiakte), eingegangen beim Beklagten am 15.03.2021, Widerspruch ein. Er führte aus, dass im Jahr 2014 u.a. auf den Feldstücken 5, 6 und 7 Klee angebaut worden sei. Bei diesem sei im Mai ein Schröpfschnitt und dann im Juli der 2. Schnitt (Bild 1) vorgenommen worden. Durch die späte Nutzung sei ein nicht unerheblicher Teil der Samen bereits keimfähig (Bild 2) gewesen und sorge seitdem jedes Jahr für mehr oder weniger starken Durchwuchs. Eine Untersaat sei auf den H11-Flächen nicht durchgeführt worden.
10
Der angebaute Sommerdinkel auf dem Feldstück 10 sei gemäht und mit dem Kreiselheuer verteilt (Bilder 3 und 4) worden. Das Ergebnis dieser Bearbeitung ähnele wegen des niedriggewachsenen und lichten Bestands durchaus dem Arbeitsergebnis eines Mulchganges. Aus Kostengründen und zur Schonung der Ackerfauna setze er für solche Arbeiten eine Scheibenmähwerkskombination und einen Kreiselheuer ein. Die Fläche sei demnach nicht vor dem 01.09.2020 gemulcht worden.
11
Mit Schreiben vom 17.03.2021 (Bl. 8 f. Beiakte) legte das AELF … den Widerspruch der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Landshut (FüAk) zur Entscheidung vor. Eine vollständige Abhilfe sei nicht möglich.
12
Die FüAk hörte den Kläger mit Schreiben vom 28.09.2021 (Bl. 115 ff. und Bl. 121 ff. und Bl. 250 ff. Beiakte) unter Bezugnahme auf die festgestellten Verstöße im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 25.08.2020 zur voraussichtlichen Erfolglosigkeit an. Die von dem Prüfer, Herrn …, getroffenen Feststellungen für die Feldstücke 5, 6, 7 und 10 seien aus Sicht des Prüfdienstes eindeutig und deshalb auch aus ihrer Sicht unstrittig. Betreffend den Kleebestand wurde ausgeführt, dass für einen Anbau von Winterroggen eine Bodenbearbeitung durchzuführen sei und damit eine Gras- oder Kleenarbe zerstört werde und in der Folge ein so dichter Bewuchs ohne Untersaat – wie am 25.08.2020 vorgefunden – ausgeschlossen sei. Der Prüfdienst habe am 24.09.2021 Bilder von der VOK vom 25.08.2020 zur Verfügung gestellt. Ausgehend hiervon sei klar gegen die Verpflichtungen und Auflagen unter E Nr. 1.1 des Merkblatts AUM des Jahres 2020 verstoßen worden. Die vom AELF errechnete Kürzung in Höhe von 4.152,96 € sei zutreffend ermittelt worden.
13
Aus einem Aktenvermerk des Beklagten vom 08.10.2021 (Bl. 132 Beiakte) ergibt sich, dass im Rahmen eines Telefonats der Kläger in der Vergangenheit von der FüAk die Definition des Begriffes „Untersaat“ erbeten haben soll und deshalb möglicherweise eine „Aufsaat“ (oben aufstreuen) durchgeführt habe.
14
Auf die erneute „Ergebnis Flächenkontrolle“ vom 08.10.2021 (Bl. 135 ff. Beiakte) mit den im Wesentlichen gleichen Feststellungen wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 11.10.2021 (Bl. 140 Beiakte) teilte das AELF … der FüAk mit, dass bei Kontrollen anderer Betriebe durch die Obere Naturschutzbehörde (Regierung von …) im Landkreis … 2020 Beanstandungen bezüglich durchgeführter Untersaaten festgestellt worden seien. Vielen Betrieben sei das Untersaatverbot gemäß dem Merkblatt nicht bewusst gewesen. Es sei fachliche Praxis, dass in vielen Biobetrieben eine Untersaat durchgeführt werde, v.a. mit Klee, um die Bodenfruchtbarkeit zur verbessern und eine Ertragssteigerung zu erzielen. Dies entspreche allerdings nicht der VNP-Maßnahme H11. Aus diesem Grund hätten viele Betriebe Anträge für die Maßnahme H11 zurückgezogen.
15
Dem Schriftsatz beigefügt war ein Aktenvermerk von Herrn … vom AELF … vom 11.10.2021 (Bl. 141 Beiakte). Darin ist Folgendes ausgeführt:
„Als einzige Grundlage zur nachträglichen Beurteilung des Sachverhalts bzw. zur Beantwortung der Frage, ob es sich bei den Rotkleebeständen auf o.g. Feldstücken um Ansaaten handelt, liegen zwei Aufnahmen des Prüfdienstes vor. Auf den Bildern des Prüfdienstes sind jeweils flächendeckende Rotkleebestände zu erkennen.
Aus ackerbaulicher Sicht ist nicht davon auszugehen, dass sich noch im Jahr 2020 derart lückenlose flächendeckende Bestände nach einem Kleeanbau, der letztmals im Jahr 2014 erfolgt sein soll, allein aus dem im Boden vorhandenen Samenpotential entwickeln konnten. Die Wahrscheinlichkeit wäre, würde es sich um Weißklee handeln, noch um einiges höher.
Eine abschließende Beurteilung der Situation, allein auf Grundlage der beiden Aufnahmen, ist im Nachhinein nicht mehr möglich.“
16
Den Akten lassen sich zwei Bilder mit starkem Kleeaufwuchs entnehmen (Bl. 145 Beiakte), die laut Bildunterschrift von Herrn …, Prüfdienst der Außenstelle …, mit dessen Handy am 25.08.2020 um 10.39 Uhr vor Ort von den Feldstücken 5, 6 und 7 aufgenommen worden seien. Darunter ist Folgendes vermerkt:
„Hier ist der Kleebestand eindeutig zuerkennen, die Bestandsdichte ist sehr stark, so dass man nicht von einem Durchwuchs ausgehen kann. Vermutlich handelt es sich hier um eine Untersaat.“
17
Der Kläger bestritt die Beobachtungen des Prüfteams am 23.08.2020 nicht; Kleeaufwuchs sei vorhanden gewesen (E-Mail vom 14.10.2021; Bl. 147 ff. Beiakte). Die Herkunft des Klees entspreche jedoch nicht den Ausführungen. Am 15.02.2020 habe er über die untere Naturschutzbehörde (uNB) … eine Anfrage an die FüAk gestellt, wie denn „Untersaat“ definiert sei. Die Antwort „Untersaaten – welcher Art auch immer – seien grundsätzlich nicht erlaubt“, zeuge nicht gerade von fachlicher Kompetenz des Autors und sei für ihn mehr als dürftig. Wenn man bei dem vorgefundenen Kleeaufwuchs von einer „Untersaat“ spreche, wie würden die Sachverhalte auf den angehängten Bildern beurteilt werden? Zähle ein gut entwickelter Unkrautbestand in „Reinkultur“ dann auch als Untersaat? Die beigefügten Bilder 2-1, 2-2, 3 und 4 stammten von konventionellen Flächen, auf denen Herbizidmaßnahmen durchgeführt worden seien. Wie solle er als biologisch wirtschaftender Betrieb mit dem Verzicht von mechanischer Unkrautbekämpfung (H11) eine Ackerbegleitflora verhindern? Und das Argument, dass der Klee sich auf Grund herbstlicher Bodenbearbeitung nicht so gut etablieren hätte können, sei fachlich schlichtweg falsch. Wie komme dann jeglicher Unkrautbewuchs zustande? Ungewollter Kleedurchwuchs sei auf den Bildern 1-1, 1-2 und 1- 3 zu erkennen.
18
Laut Sachverständigenmeinung seien Kleesamen bis zu 15 Jahre im Boden problemlos keimfähig. Bei einem geschätzten Ertragspotential von 200 kg/ha Rotklee (TKG 1,9 g) und 100 kg/ha Weißklee (TKG 0,6 g) entspreche das Samenpotential dem eines Rapsbestandes mit einem Ertrag von ca. 16 dt/ha. Wenn man solch einen Bestand nach der Abreife einpflügen würde, erhalte man ungefähr eine Vorstellung davon, wie sich die Durchwuchsproblematik in den Folgejahren verhalte. Dass der Klee hierzulande mittlerweile zum „Unkraut“ geworden sei, sei auf den beigefügten Bildern 1-4 und 1-5 ersichtlich.
19
Als Ackerbauer würde er auf seinem Standort keinen Rotklee in einen Getreidebestand als Untersaat säen, da dieser wie erkennbar, die Gefahr berge, dem Getreide zu schaden.
20
Schlussendlich sei die Herleitung der Behauptung einer gezielten Untersaatausbringung fachlich unrichtig.
21
Die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL), Pflanzenbau, erklärte mit Schreiben vom 15.10.2021 (Bl. 269 f. Beiakte), dass 2014 laut INVEKOS und den Angaben des Landwirtes eine Grünbrache mit Rotklee angebaut worden sei, der wegen einer zu späten Mahd abgesamt haben soll (Angabe Landwirt). Anhand der verfügbaren/zugänglichen Landsat-Bilder (unvollständig für die gesamte Vegetation) aus 2014 für diese Flächen, ließen sich keine Mäh- oder Mulchvorgänge, zeitlich so in der Vegetation detektieren, dass diese eine folgende Samenbildung ausgeschlossen hätten. Damit sei eine Samenbildung und -absamen in Höhe von ca. 200 kg/ha grundsätzlich möglich. Auch sei durch so einen Sachverhalt ein Anteil sogenannter „hartschaliger‘, also Samen mit höherer Keimruhe und deutlich verzögerter Keimung, möglich.
22
Die Daten aus INVEKOS ließen folgende Nutzung erkennen:
Tabelle 1: Nutzung der Feldstücke 5 bis 7 nach INVEKOS sowie für 2020 der reale Anbau
FS
|
2014
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2015
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2016
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2017
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2018
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2019
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2020
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2021
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5
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Grün-brache
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Sommertriticale
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Garten-kresse
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Gemenge
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Gemenge
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Sommerhafer
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Winterroggen
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Sommerdinkel
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6
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Grün-brache
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Sommertriticale
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Garten-kresse
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Gemenge
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Gemenge
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Sommerhafer
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Winterroggen
|
Sommerdinkel
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7
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Grün-brache
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Sommertriticale
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Garten-kresse
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Gemenge
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Gemenge
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Sommerhafer
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Winterroggen
|
Sommerdinkel
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23
Im Übrigen äußerte es sich wie folgt:
„Für eine klare Abschätzung des real vorhandenen Samenpotentials aus 2014 in der Vegetation 2020 wäre die Kenntnis der Abfolge der Pflug- und Hackvorgänge im Zeitraum 2014 – 2020 und damit deren üblichen Reduktionseffekte auf das in 2020 noch vorhandene Samenpotenzial wichtig. Diese sei jedoch IPZ 4b nicht bekannt. Eine Keimung von Rotkleesaatgut nach 15 Jahren ist möglich, jedoch ist von einer steten Abnahme des Ausgangssaatgutpotentials durch (a) schwindende Keimfähigkeit und (b) der jeweiligen Keimung von keimfähigen Anteilen während der zwischenliegenden Fruchtfolgegliedern, besonders nach der Saatbeetbereitung für diese auszugehen.
Hingegen kann eine ungenügende Bekämpfung in Getreide zu einer weiteren neuen Samenbildung führen.
Was nicht zur vorgebrachten Argumentation des Landwirtes passt, ist der zumindest im Bild erfasste, sehr gleichmäßige und einheitliche Kulturzustand der Aufwüchse. Zu erwarten wäre eine zumindest angedeutete lnselbildung für den Rotklee oder auch ein lokales verstärktes Auftreten von anderen ebenfalls unerwünschten Arten in diesen Aufwüchsen, nach immerhin sechs Jahren der Bodenbearbeitung ohne gezielt einheitlicher Saatgutausbringung von Rotklee.
Anhand der vorliegenden Daten ist die vorgebrachte Argumentation des Landwirtes grundsätzlich nicht auszuschließen, jedoch bei Einhaltung guter fachlicher Praxis nach einem Zeitraum von 6 Jahren unwahrscheinlich.“
24
Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz beantwortete mit E-Mail vom 21.10.2021 (Bl. 272 Beiakte) eine E-Mail-Anfrage der FüAk wie folgt:
„1. Mulchen eines Getreidebestands
Eine Ernteverpflichtung besteht bei der Maßnahme H11 nicht. Das Mähen und Liegenlassen des schlechtwüchsigen Getreidebestands ist für Feldbrüter kaum abträglich, ein Mulchen wäre wegen der flächigen Wirkung und dem vollständigen Schlegeln der Vegetation für späte Bruten der Feldlerche hingegen problematischer und ist deshalb erst nach dem 31.8. (also nach der Brut- und Aufzuchtzeit) erlaubt.
Maßgeblich erscheint uns, ob im Jahr der Feststellung aktiv eine Untersaat eingebracht wurde oder ob der Kleeaufwuchs aus Ausfallsamen der Vorjahre stammen. Das Verbot der Untersaat bei H11 zielt insbesondere auf den Schutz von Ackerwildkräutern ab, die durch eine Untersaat unterdrückt werden. Für Feldbrüter ist das Verbot fachlich oft nicht vorrangig, v.a. wenn sich aufgrund der VNP-Vorgaben (z.B. meist Kombination H11 mit Düngeverzicht) nur ein vergleichsweise lückiger Getreidebestand ergibt, der u.U. doch günstige Brutbedingungen ermöglicht. Anhand der Fotodokumentation (siehe Ihr Schreiben FüAk- …) können wir den Sachverhalt allerdings wegen der schlechten Bildqualität nicht zweifelsfrei einschätzen.“
25
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2021 (Bl. 292 ff. Beiakte) wies die FüAk den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle (VOK) vom 25.08.2020 von der Abteilung … des AELF … (jetzt zuständig AELF …) festgestellt worden sei, dass auf den Feldstücken 5, 6, 7 eine Untersaat erfolgt sei, da vor Ort ein dichter Rotkleebestand vorgefunden worden sei. Dazu wird auf die in den Bescheid eingefügten Fotos von Herrn … Bezug genommen. Weiterhin sei am 25.08.2020 festgestellt worden, dass das Feldstück 10 vor dem 01.09.2020 gemulcht worden sei. Im Rahmen der Widerspruchsbearbeitung sei Herr …, Prüfer des AELF … und Prüfer der VOK vom 25.08.2020, kontaktiert worden. Die von ihm am 25.08.2020 getroffenen Feststellungen für die Feldstücke 5, 6, 7 und 10 seien aus Sicht des Prüfdienstes eindeutig.
26
Betreffend den Kleebestand wurde ausgeführt, dass für einen Anbau von Winterroggen eine Bodenbearbeitung durchzuführen sei und damit eine Gras- oder Kleenarbe zerstört werde und in der Folge ein so dichter Bewuchs ohne Untersaat – wie am 25.08.2020 vorgefunden – ausgeschlossen sei. Da von drei Stellen bestätigt worden sei, dass aufgrund der vorliegenden Aufnahmen des Prüfdienstes und dem vorgefundenen dichten Bestand des Rotklees eine Untersaat vorgenommen worden sei, sei eine Erwiderung auf die in der E-Mail des Klägers vom 14.10.2021 vorgebrachten Argumente betreffend des Kleedurchwuchses entbehrlich. Bei den vom Kläger im Rahmen seines Widerspruchs beigebrachten Bildern vom 14.03.2021 und seiner E-Mail vom 14.10.2021 handele es sich zudem nur um Beispiel-Bilder, welche seine Argumentation entsprechend unterstreichen sollten. Ob und inwieweit es sich bei den Aufnahmen zum Kleedurchwuchs um Aufnahmen der maßgeblichen Feldstücke oder fremder Feldstücke handelt, erschließe sich nicht. Dass eine Untersaat stattgefunden habe, sei ausreichend nachgewiesen und könne vom Kläger nicht widerlegt werden.
27
Zum Vorwurf des Mulchens auf Feldstück 10 ist ausgeführt, dass der Kläger zwar angegeben habe, dass der angebaute Sommerdinkel gemäht und verteilt worden sei und dies dem Ergebnis eines Mulchgangs ähnele. Im Rahmen des Widerspruchsschreibens vom 14.03.2021 seien vom Kläger jedoch unter Bild 3 und 4 „Mähen und Wenden von Getreidebeständen als günstigere und naturschutzfachlich sinnvollere Maßnahme als Mulchen“ wiederum lediglich Beispielbilder übersandt worden, welche die Argumentation unterstreichen sollen und nicht die Situation zum Prüfzeitpunkt am 25.08.2020 widerspiegelten, zumal Angaben zum fotografierten Feldstück und Aufnahmedatum fehlten. Die Feststellung des Prüfdienstes vom 25.08.2020, dass auf dem FS 10 gemulcht worden sei, könne damit nicht widerlegt werden. Nach Klärung mit der unteren Naturschutzbehörde durch den Prüfdienst habe auch keine Erlaubnis für eine vorzeitige Zerstörung des Aufwuchses vor dem 31.08.2020 vorgelegen.
28
Auf die Ausführungen zur Sanktionierung und Kürzung der Auszahlung für das Jahr 2020 im Rahmen der Auszahlungsmitteilung vom 10.12.2020 wird Bezug genommen.
29
Ausweislich der als einfacher Scan vorliegenden Postzustellungsurkunde erfolgte die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 16.11.2021.
30
Gegen den Bescheid vom 10.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.11.2021 erhob der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.12.2021, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 16.12.2021, Klage.
Die Beklagte wird in Abänderung des Bescheides des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … vom 10.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 15.11.2021 verpflichtet, dem Kläger für das Jahr 2020 eine weitere Förderung in Höhe von 4.152,96 € zu gewähren.
32
Zur Begründung wiederholte der Kläger im Schriftsatz vom 07.02.2022 im Wesentlichen seine bisherigen Argumente. Bei den von ihm vorgelegten Beispielbildern aus vergangenen Jahren, die verschiedene, üppig entwickelte Unkrauttatbestand erkennen ließen, handele es sich um gut entwickelte Unkrautbestände auf konventionell bewirtschafteten Flächen, welche auch mit HerbizidMaßnahmen bearbeitet worden seien. Selbst bei diesen Flächen wäre demnach eine „Untersaat“ nach Auffassung des Beklagten gegeben. Hierbei stelle sich die Frage, ob insbesondere bei biologisch wirtschaftenden Betrieben, welche auf mechanische Unkrautbekämpfung verzichteten, eine Ackerbegleitflora überhaupt verhindert werden könne. Unzutreffend seien auch die Ausführungen der Beklagtenseite, dass sich im Zuge der herbstlichen Bodenbearbeitung ein Kleebewuchs nicht so gut etablieren hätte können, da auch ungewollter Unkrautbewuchs, insbesondere auch Kleebewuchs, zustande kommen könne. Dies habe er mit den vorgelegten Beispielsbildern deutlich gemacht. Ferner bleibe Kleesamen insgesamt bis zu 15 Jahre im Boden problemlos keimfähig. Bei einem geschätzten Ertragspotential von 200 kg/ha Rotklee (TKG 1,9 g) und 100 kg je ha Weißklee (TKG 0,6 g) entspreche das Samenpotential dem eines Rapsbestandes mit dem Ertrag von ca. 16 dt/ha.
33
Das AELF nehme hinsichtlich des Kleedurchwuchs nur eine isolierte Betrachtung der Anbaujahre 2014 und 2020 vor. Allerdings stelle dieser nicht ein einmaliges Phänomen des Jahres 2020 dar; der unerwünschte Kleedurchwuchs sei vielmehr auf den klägerischen Ackerflächen mittlerweile ein sich „jährlich wiederholendes Problem“. Der regelmäßig abreifende Klee (im Getreidebestand) hinterlasse ein sich steigerndes Samenpotential im Boden, das zum vom Prüfer festgestellten Ergebnis führe. Eine “Inselbildung” könne hierbei nicht als Indikator dienen, denn die Natur reichere alljährlich gleichmäßig auf der gesamten Fläche das Samenpotential an (Schriftsatz vom 28.04.2022).
34
Die Fotos des Prüfers beträfen zudem nur das Feldstück 43 und seien deshalb unbehelflich, da hierfür die streitigen Fördermaßnahmen gar nicht beantragt worden seien. Unzutreffend sei auch, dass die Feldstücke 5, 6 und 7 in gleicher Weise wie Feldstück 43 bewirtschaftet worden seien. In diesem Fall wäre nicht verständlich, warum der Kläger nicht auch für dieses Feldstück die Maßnahme H 11 beantragt habe.
35
Der Klägerbevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom 01.08.2022 die jeweilige Schlagkartei aus dem Jahr 2020 vor. Diese enthalte eine chronologische Aufzeichnung der vom Kläger auf den jeweiligen Flurstücken durchgeführten landwirtschaftlichen Maßnahmen für den Ackerbau. Hierbei sei zu erkennen, dass er die vom Beklagten behaupteten Maßnahmen nicht durchgeführt habe. In einer Schlagkartei würden ausschließlich solche Maßnahmen verbucht (Schriftsatz vom 13.10.2022), welche der Kläger oder seine Mitarbeiter selbst durchführen oder von ihnen in Auftrag gegeben würden. Dies erkläre, warum in der Schlagkartei des Klägers lediglich das Mähen am 09.07.2020 und das Schwaden vom 10.07.2020 berücksichtigt worden sei, nicht aber die Erntearbeiten, welche vom Kunden in Eigenregie durchgeführt worden seien. Die Ernte des gemähten und zu Schwaden geformten GPS-Roggens (Ganzpflanzensilage) sei im sog. Rundballenverfahren mit anschließender luftdichter Verpackung erfolgt. Eine Beerntung direkt mit einem Häcksler, auf welchen die Beklagtenseite verweise, sei nur eines von vielen möglichen Verfahren. Ein Unterlassen der Erntegut-Abfuhr, wie vom Beklagten behauptet, hätte sowohl dem Prüfer als auch der Zweitprüferin sofort auffallen müssen.
36
Zudem lasse die Analyse der von dem Beklagten vorgelegten Sentinel-Satellitendaten für die Feldstücke 5, 6, 7 und 43 aufgrund der Kurvenverläufe erkennen, dass eine Ernte stattgefunden haben müsse.
37
Der Unterstellung des Beklagten, er habe eine gezielte Untersaat im März 2020 vorgenommen, müsse entgegengehalten werden, dass für eine sinnvolle und erfolgreiche Etablierung von Untersaaten nur lichte Bestände in Frage kommen, welche eine gute Entwicklung des flach eingesäten Klees ermöglichen. Dies ergebe sich schon allein aus der Tatsache, dass hierbei hohe Kosten und damit ein finanzielles Risiko entstünden (7,00 € bis 11,00 € pro kg bei einer Aussaatmenge von 8 bis 14 kg/ha). Die Sentinel-Daten im Zeitraum von April bis Juli 2020 wiesen aber gerade einen Seitwärtstrend auf. Dies sei bis zur Ernte zu erkennen, dann sei der Bodenbedeckungsgrad unter den Wert von Mitte November (Vegetationsruhe nach der Aussaat) gefallen. Eine gut entwickelte Untersaat werde hier in keiner Weise dokumentiert. Ganz im Gegenteil: Vielmehr träfen die Aussagen des Klägers zu, da sich ein konkurrenz-starker Rotkleebestand etabliert habe, bei dem der ausgefallene Samen zwar in tieferen Schichten keime, dann aber bis zur Belichtung nach der Ernte in „Lauerstellung“ verharre.
38
Im Übrigen trage der Beklagte die materielle Beweislast dafür, dass die bereits bewilligte Förderung gekürzt werden müsse (Schriftsatz vom 01.08.2022).
39
Der Kläger übermittelte mit Schriftsatz vom 05.05.2023 die „Kurzfassung des Flächen- und Nutzungsnachweises für die Jahre 2014 bis 2020 für die Feldstücke 5, 6 und 7.
40
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 17.01.2022,
41
Mit Schriftsatz vom 22.03.2022 erklärte er im Wesentlichen, dass es sich bei den am 25.08.2020 erstellten Bilder um solche des unmittelbar an die Feldstücke 5 und 7 angrenzenden Nachbarfeldstücks 43 handele, das vom Kläger – wie die Feldstücke 5, 6 und 7 – ebenfalls mit Nutzungscode 121 „Winterroggen GPS“ beantragt und in gleicher Weise durchgehend bewirtschaftet worden sei. Dieses eine Referenzbild sei auch wegen der unmittelbar angrenzenden Feldstücke ausreichend. Die Bildqualität sei nicht zu beanstanden und die Bilder ließen deutlich einen dichten, gleichmäßigen und einheitlichen Rotkleebestand erkennen. Für das Feldstück 43 seien jedoch nicht die Maßnahmen H11, N21 und W02 beantragt gewesen, weshalb dieses Feldstück betreffend VNP bisher keine Erwähnung gefunden habe. Es sei im Übrigen nicht relevant (Schriftsatz vom 16.05.2022), ob und inwieweit das Feldstück 43 ebenfalls mit der Maßnahme H11 belegt gewesen sei oder nicht, da allein maßgeblich der vom Prüfer vorgefundene Aufwuchs sei. Auf die beigelegten Fotos vom 25.08.2020 und 18.03.2022 zum Feldstück 43 (Bl. 56 Gerichtsakte) sowie auf das Luftbild vom 25.08.2020 (Bl. 57 Gerichtsakte) zur einheitlichen Bewirtschaftung der Feldstücke 5, 6 und 7 wird Bezug genommen.
42
Der vom Prüfer am 25.08.2020 festgestellte Mulchgang bei Feldstück 10 sei vom Kläger nicht in ausreichender Weise widerlegt worden. Aus Beklagtensicht handele es sich auch hier um eine Schutzbehauptung. Zu den vom Kläger vorgelegten Beispielbildern seien weder Herkunft noch Aufnahmedatum bekannt.
43
Dabei gehe die Nichtbeweisbarkeit einer Tatsache grundsätzlich zu Lasten desjenigen, der aus dieser Tatsache einen Vorteil ziehen will (materielle Beweislast). Demnach müsse der Kläger nachweisen, dass er alle anspruchsbegründenden Tatsachen erfüllt, wenn er Fördergelder erhalten wolle.
44
Auch sei nicht nur Herr … bei der Vor-Ort-Kontrolle zugegen gewesen. Er sei von der Zweitprüferin, Frau … begleitet worden, welche den gleichen Aufwuchs der Feldstücke 43, 5, 6 und 7 bestätigen könne. Im Prüfprotokoll sei versehentlich die Zweitprüferin nicht aufgenommen worden.
45
Mit Schriftsatz vom 31.08.2022 bekräftigte der Beklagte, dass eine Klee-Untersaat vorgenommen sei, weil
- der Prüfer ohne Anlass keine Feststellungen treffen würde,
- die Zweitprüferin die Feststellungen bestätigen könne,
- der Prüfer von dem sehr auffälligen dichten Kleebewuchs ein Referenzbild des Feldstücks 43 mit gleicher Nutzung (Nutzungscode 121 Winterrogen GPS – hier ohne AUM) in unmittelbarer Nähe zu den Feldstücken 5, 6 und 7 aufgenommen habe, welche den gleichen dichten Kleebewuchs aufwiesen,
- das Sachgebiet Pflanzenbau des AELF … und das Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft – IPZ 4b: Züchtungsforschung Klee, Luzerne und Gräser, Pflanzenbausysteme bei Grünland und Feldfutterbau unabhängig voneinander bestätigt hätten, dass derart lückenlose flächendeckende Kleebestände sich nicht aufgrund eines sich seit dem Jahr 2014 in der Erde befindlichen Samenpotential entwickeln könnten,
- keine Mischverunkrautung bzw. sonstige Verunkrautung (z. B. Disteln, Ampfer etc.) auf den Bildern erkennbar sei und deshalb ebenfalls von einer Untersaat auszugehen sei und nicht von einem Aufwuchs, welcher das im Boden befindliche Samenpotenzial nutze.
46
Die vom Kläger übersandten Nachweise aus der Schlagkartei könnten dies nicht entkräften:
- Die Schlagkarteien würden auf freiwilliger Basis geführt und seien jederzeit abänderbar.
- Bei dem Schlagkarteiprogramm „ProFlura“ handele es sich nicht von ein vom Freistaat Bayern zur Verfügung gestelltes Programm.
- Es könne nicht nachgewiesen werden, zu welchem Zeitpunkt die Angaben in der Schlagkartei aufgenommen worden seien (Zeitstempel? Wurde die Schlagkartei nachträglich erstellt?).
- Die Feldstücke 5, 6, 7 und 10 würden in der Schlagkartei unter 21, 22, 24 und 179 geführt, das Feldstück 43 (Referenzbild des Prüfers) in der Schlagkartei unter Feldstück 23. Nach Saat des Winterroggens Ende September / Anfang Oktober 2019 sei eine weitere Bearbeitung der Feldstücke 5, 6 und 7 erst wieder am 09.07.2020 lt. Schlagkartei aufgenommen worden. Bei Winterroggen GPS (Ganzpflanzensilage) mit dem Nutzungscode 121 werde die ganze Pflanze in der Regel gehäckselt und abgefahren. Da für die Feldstücke 5, 6 und 7 die Nutzung 121 Winterrogen GPS beantragt worden sei, hätten die Feldstücke auch demnach zumindest geerntet, gehäckselt und abgefahren werden müssen. Diese Schritte seien jedoch in der Schlagkartei weder bei den Feldstücken 5, 6, 7 noch bei dem Feldstück 43 aufgeführt, weshalb damit keine landwirtschaftliche Nutzung vorliege. Sofern der Aufwuchs liegen gelassen worden sei, sei dies eher einem Mulchgang gleichzusetzen, welcher vor dem 01.09.2022 verboten sei.
47
Er sei nach wie vor der Überzeugung, dass das Feldstück 43 nicht nur im Jahr 2020, sondern auch in den Vorjahren in gleicher Wiese wie die Feldstücke 5, 6 und 7 bewirtschaftet worden sei, da auch in den Vorjahren für die Feldstücke 5, 6, 7, 10 und 43 immer die gleiche Nutzung angegeben worden sei. Die gleiche Bewirtschaftung sei bis in das Jahr 2022 fortgesetzt worden. Dies werde durch die Luftaufnahmen der Feldstücke aus den vergangenen Jahren und aus dem aktuellen Jahr 2022 bestätigt.
48
Darüber hinaus habe die Analyse des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten – Referat P2 – zu den Feldstücken 5, 6, 7 und 43 zum August 2020 ergeben (vgl. Schriftsatz vom 14.09.2022), dass im Juli 2020 aufgrund der Kurvenverläufe der Sentinel-Daten eine Ernte stattgefunden haben müsse. Bei den Sentinel-Daten handele es sich um Satelliten-Aufnahmen des Satelliten ESA Sentinel-2. Im Juli sei nämlich eine deutliche Absenkung sämtlicher Kurven nach unten festzustellen. Dies stellt die Ernte dar. Der darauffolgende Wiederanstieg könne entweder eine Winterung oder wahrscheinlich eine Gründecke sein. Anhand der vom Kläger übersandten Schlagkartei habe keine Ernte und damit keine Nutzung des Aufwuchses stattgefunden. Eine Ernte bzw. die Abfuhr des Aufwuchses sei nicht dokumentiert. Deshalb werde die Schlagkartei weiterhin als unzureichendes Beweismittel angesehen, da diese unvollständig sei. Auf die vorgelegten Ausdrucke wird Bezug genommen.
49
Der Seitwärtstrend in den Sentinel-Daten beruhe auf dem aufgewachsenen Winterroggen, welcher höher gewachsen sei als der untergesäte Rotklee (Schriftsatz vom 10.11.2022). Der Sommerroggen habe das Wachstum des Rotklees aufgrund verringertem Lichteinfalls bis zur Ernte des Roggens unterdrückt. Deswegen werde im Regelfall die Untersaat erst zu einem späteren Zeitpunkt des Roggenwachstums (der Roggenbestand liege zum Zeitpunkt der Untersaat in etwa der Höhe einer Handbreite vor) vorgenommen, um sicherzustellen, dass die Untersaat das Wachstum der Deckfrucht (Winterroggen) nicht hemme. Der Klee keime an der Bodenoberfläche und entwickele sich zunächst spärlich. Das Massenwachstum beginne erst bei ausreichendem Lichteinfall. Dies sei ab dem Zeitpunkt der Deckfruchternte der Fall. Nach der Ernte des Winterroggens komme es aufgrund des dann vorhandenen höheren Lichteinfalls zu dem „explosiven“ Wachstum des untergesäten Rotklees, welcher dicht und lückenlos auf den Fotografien des Prüfdienstes zu sehen sei. Es stehe für die Beklagtenseite auch fest, dass wegen des Ausschlags der Graphen nach unten eine Ernte erfolgt sei. Zusammenfassend sei aus Beklagtensicht durch
- das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle zweier Prüfer,
- deren gefertigten Referenzbilder,
- die Bestätigung des Ergebnisses der Vor-Ort-Kontrolle von zwei weiteren Stellen (Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft bzw. Sachgebiet Pflanzenbau des AELF …) als sehr wahrscheinlich, und anhand der
- vorgelegten Sentinel-Daten
ausreichend belegt, dass eine förderrechtlich nicht zulässige Untersaat vorgenommen worden sei.
50
Mit Schriftsatz vom 11.07.2022 hat das Gericht die Beteiligten auf die jeweilige materielle Beweislast hingewiesen.
51
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
Entscheidungsgründe
52
Die zulässige Klage in Form einer Versagungsgegenklage hat Erfolg.
53
1. Der streitgegenständliche Bescheid des AELF … vom 10.12.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der FüAk vom 14.03.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger hat Anspruch auf eine Zahlung von weiteren 4.152,96 EUR (§ 113 Abs. 5 VwGO). Die ausgesprochene Kürzung in Höhe von 4.152,96 EUR wegen Auflagenverstößen erfolgte rechtswidrig. Denn das Gericht vermochte auch nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht die erforderliche Gewissheit zu gewinnen, dass dem Kläger die ihm vorgeworfenen Auflagenverstöße tatsächlich vorzuwerfen sind.
54
1.1 Die formelle Rechtmäßigkeit des Bescheids begegnet keinen Bedenken. Insbesondere hat das zuständige AELF … gehandelt (vgl. Buchst. E der Gemeinsamen Richtlinie vom 30.12.2019 in der Fassung vom 01.08.2020 der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) und für Umwelt und Verbraucherschutz (StMUV) zur Förderung von Agrarumwelt-, Klima- und Tierschutzmaßnahmen (AUM) in Bayern (- Gemeinsame Richtlinie –) i.V.m § 2 Abs. 1 Nr. 1 a) Ämterverordnung-LM (AELFV) vom 16.06.2005 (GVBl. S. 199, BayRS 7801-2-L), die zuletzt durch § 2 der Verordnung vom 28.07.2021 (GVBl. S. 505) geändert worden ist).
55
Die erforderliche Anhörung (Art. 28 BayVwVfG) erfolgte telefonisch am 23.11.2020 und der Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides enthält eine ausreichende Begründung (Art. 39 BayVwVfG).
56
1.2 Der Bescheid ist jedoch materiell-rechtlich zu beanstanden.
57
a. Rechtsgrundlage für die beantragte Förderung ist im Wesentlichen der Mehrfachantrag vom 15.05.2020 in Verbindung mit dem Grundbescheid, dem die verschiedenen Rechte und Pflichten des Klägers zu entnehmen sind.
58
Bei mehrjährigen Förderprogrammen vollzieht sich die Förderung in zwei Stufen. Zunächst wird dem Grunde nach für einen bestimmten – meist 5-jährigen – Zeitraum eine Förderung (hier u.a. ökologischer Landbau mit verschiedenen Einzelmaßnahmen) bewilligt. Sodann wird für jedes Antragsjahr eine Auszahlung dieser dem Grunde nach bereits bewilligten Förderung im Rahmen eines Auszahlungsbescheides festgelegt. Der Grundbescheid ist dann für den Betriebsinhaber Anspruchsgrundlage für die jährliche Auszahlung. Der Inhalt der Förderkriterien, Verpflichtungen und Auflagen ergibt sich aus diesem Grundbescheid (hier u.a. Ziffer 4 des Grundbescheids vom 01.07.2020: vgl. Düsing/Martinez/Schulze/Schulte im Busch, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 20).
59
Auf unionsrechtlicher Ebene sind Rechtsgrundlagen die Verordnungen (EU) Nr. 1305/2013, Nr. 1306/2013 und Nr. 1307/2013, deren spezifische Voraussetzungen der Kläger erfüllt. Die genannten europarechtlichen Bestimmungen setzen den rechtlichen und strategischen Rahmen, dessen Ausfüllung den Mitgliedsstaaten, konkret in Deutschland dem jeweiligen Bundesland, überlassen bleibt. Dabei verbleibt den Mitgliedsstaaten hinsichtlich der Modalitäten der vorgesehenen Förderung ein Gestaltungsspielraum (EuGH, U.v. 01.12.2022 – C-409/21 – juris Rn. 27, 30, 33); hier das in der Bundesrepublik Deutschland geltende Merkblatt AUM.
60
Die streitgegenständliche „Kürzung“ beruht auf Art. 35 Delegierte Verordnung (EU) der Kommission Nr. 640/2014 (die wiederum auf der Ermächtigungsnorm Art. 63 Absätze 1 und 4 VO (EU) 1306/2013 des europäischen Parlaments beruht). Auch in der o.g. Gemeinsamen Richtlinie ist unter Ziffer 6.7.2 „Nichteinhaltung von Förderkriterien, Verpflichtungen oder sonstigen Auflagen“ bei Nichteinhaltung von Förderkriterien, Verpflichtungen oder sonstigen Auflagen auf die Anwendung der Regelungen des Art. 35 der Delegierten Verordnung (EU) der Kommission Nr. 640/2014 auf der Ebene der jeweiligen Maßnahme hingewiesen. Die Anwendbarkeit des Art. 35 Delegierte Verordnung (EU) der Kommission Nr. 640/2014 verdrängt insoweit das nationale Verwaltungsverfahrensrecht (Düsing/Martinez/ Schulze/Schulte im Busch, 2. Aufl. 2022, VO (EU) Nr. 640/2014 Art. 35 Rn. 10).
61
Art. 35 Abs. 1 und Abs. 2 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014 lauten wie folgt:
„(1) Die beantragte Förderung wird ganz abgelehnt oder zurückgenommen, wenn die Förderkriterien nicht erfüllt sind.
(2) Die beantragte Förderung wird ganz oder teilweise abgelehnt oder ganz oder teilweise zurückgenommen, wenn folgende Verpflichtungen oder sonstige Auflagen nicht eingehalten werden:
a) im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegte Verpflichtungen oder
b) gegebenenfalls sonstige für das Vorhaben geltende Auflagen, die in Unionsvorschriften oder einzelstaatlichen Vorschriften oder im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum festgelegt sind, insbesondere die Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe, für staatliche Beihilfen sowie sonstige verbindliche Standards und Anforderungen.“
62
Eine Ermessensausübung des Fördergebers hinsichtlich einer (teilweisen) Ablehnung der Auszahlung ist darin nicht vorgesehen. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 a) Delegierte VO Nr. 640/2014 ist ein Verstoß „jede Nichtbeachtung dieser Beihilfekriterien, Verpflichtungen oder anderer Auflagen“.
63
Die hier maßgeblichen Nebenbestimmungen (Verpflichtungen und Auflagen; vgl. zur Begrifflichkeit Ziffer 3.2 und 3.3 der Gemeinsamen Richtlinie) finden sich nach Nr. 4 des Grundbescheids vom 01.07.2020 im Merkblatt AUM. Sie lauten wie folgt:
Die für die Einstufung als Ackerfläche maßgeblichen NC ergeben sich aus den Angaben im Betriebsdatenblatt des FNN unter dem Überbegriff „Kulturlandschaftsprogramm“ in der Zeile „Ackerfläche“.
1.1 Extensive Ackernutzung für Feldbrüter und Ackerwildkräuter – H11
- (...) Extensive Ackerbewirtschaftung unter Verzicht auf den Anbau von Mais, Zuckerrüben, Kartoffeln, Klee und Ackergras (NC 171, 411, 412, 421, 424, 601-603, 912, 921, 922); mit mind. 2 Winterungen (Getreide) innerhalb des Verpflichtungszeitraums.
- (...) Verzicht auf den Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel (nach Zustimmung der uNB ist eine Einzelpflanzenbekämpfung mit chemischen Pflanzenschutzmitteln möglich.)
- (...) Verzicht auf mechanische und thermische Unkrautbekämpfung.
- Verzicht auf Untersaat.
- Der Anbau von Körnerleguminosen (NC 210-292, 330), Kleegras, Luzerne oder Klee-Luzerne-Gemisch (NC 422, 423, 425) sowie eine Brachlegung (z. B. NC 590, 591, 941) gemäß jährliche Definition im Flächen- und Nutzungsnachweis des Mehrfachantrags ist jeweils nur in einem Jahr während des fünfjährigen Verpflichtungszeitraums zulässig. Im Brachejahr ist ein Mulchen der Fläche nach dem 31.08. erlaubt; die Zusatzleistungen für Düngeverzicht (N11 und N12) sowie reduzierte Ansaatdichte (W01) und Stoppelbrache (W05) werden im Jahr der Brachlegung sowie bei NC 422, 423, 425 nicht ausbezahlt (Nulljahr). Bei NC 422, 423, 425 erfolgt zudem keine Auszahlung der Hauptmaßnahme H11.
- Sofern unmittelbar nachfolgend keine weitere fünfjährige Verpflichtung eingegangen wird, ist im letzten Verpflichtungsjahr die Herbsteinsaat der folgenden Winterung zulässig.
- Der NC 560 „Stillgelegte Ackerfläche i. R. von AUM (KULAP/VNP)“ ist nicht zulässig.
- (...) Bewirtschaftungsruhe nach der Saat im Frühjahr bis einschl. 30.06. eines Jahres. Bei akuter Verunkrautungsgefahr ist mit vorheriger Zustimmung der uNB eine Unkrautbekämpfung auch während der Zeit der Bewirtschaftungsruhe möglich.
- Nach Ende der Bewirtschaftungsruhe ist ein Mulchen der Fläche erst nach dem 31.08. erlaubt (Ausnahme bei akuter Verunkrautungsgefahr; s.o.). Hat sich kein erntefähiger Aufwuchs entwickelt, muss die Fläche mindestens gemulcht werden.“
64
Der vorliegend streitgegenständlichen Maßnahmen „Verzicht auf Untersaat“ sowie das „Mulchverbot“ vor dem 01.09. eines Jahres fallen darunter.
65
b. Es ist für das Gericht allerdings nicht erwiesen, dass der Kläger gegen diese Verpflichtungen oder sonstige Auflagen verstoßen hat. Das Gericht erlangte aufgrund der vorliegenden schriftlichen Unterlagen und der mündlichen Verhandlung in Würdigung und Abwägung aller Argumente und fachkundigen Stellungnahmen nicht die erforderliche Überzeugung (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass dem Kläger entsprechende Verstöße vorzuwerfen sind. Dies geht zu Lasten des Beklagten.
66
Denn dieser trägt die materielle Beweislast, wenn er sich auf den Verstoß gegen Verpflichtungen und Auflagen aus dem Grundbescheid beruft und ihm dieser Nachweis – wie im vorliegenden Fall – nicht gelingt (vgl. dazu Düsing/Martinez/Schulze/Schulte im Busch, Agrarrecht, 2. Auflage 2022, Rn. 35 zu Art. 35 Delegierte VO (EU) Nr. 640/2014). Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gilt – wenn es keine speziellen Regelungen zur Feststellungs- oder Beweislast gibt – der Grundsatz, dass jeder Beteiligte regelmäßig die Beweislast für das Vorhandensein aller Voraussetzungen der ihm günstigen Rechtsnormen trägt (U.v. 19.09.1969 – IV C 18.67 – VerwRspr 1970, 202/210). Regelmäßig trägt deswegen beispielsweise die Behörde die Feststellungslast oder Beweislast für das Bestehen der Voraussetzungen ihres Eingriffsaktes, hier der Verstoß gegen Verpflichtungen und Auflagen. Der Bürger hat demgegenüber die ihm nachteiligen Folgen dafür zu tragen hat, wenn ihm der Nachweis für das Vorliegen der Voraussetzungen eines ihn begünstigenden Verwaltungsaktes nicht gelingt.
67
Diese Grundsätze gelten nur dann nicht, wenn die Nichterweislichkeit auf Umständen beruht, die in den Verantwortungsbereich des Zuwendungsempfängers fallen, (vgl. Sächsisches OVG, U.v. 16.02.2012 – 1 A 677/13 – Rn. 58, juris) und die andere Partei deshalb vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten stehen würde, wenn sie für diese Vorgänge die Beweislast trüge (BVerwG, U.v. 26.01.1979 – IV C 52.76 – Rn. 12, juris).
68
Vorliegend beruft sich der Beklagte auf einen Verstoß gegen das Verbot einer Untersaat und des Mulchens vor dem 01.09.2020, weshalb er entgegen seiner Rechtsmeinung nach den obigen Grundsätzen die materielle Beweislast trägt. Insbesondere ist nach der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 (z.B. Art. 63 Abs. 1) und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission für die Gewährung von Maßnahmen nach dem Merkblatt AUM gerade nicht Voraussetzung, dass keine Kürzungstatbestände erfüllt sind.
69
Das Gericht konnte sich aus folgenden Erwägungen nicht die notwendige Überzeugung bilden, dass der Kläger auf den Feldstücken 5 bis 7 eine Untersaat ausgebracht bzw. das Feldstück 10 gemulcht hat.
70
aa. Hinsichtlich des Vorwurfs der Untersaat ist Folgendes auszuführen:
71
So existiert nach den Angaben des Beklagten kein einziges Bild von den im Streit stehenden Flächen. Die beiden vorliegenden Handybilder des Prüfdienstes vom August 2020 (vgl. Bl. 124 und 143 bis 145 Beiakte) zeigen ausnahmslos das Feldstück 43, für das – ausweislich des Mehrfachantrags – nicht die Maßnahme H11 beantragt worden war; sie zeigen gerade nicht die streitgegenständlichen Feldstücke 6, 7 und 8. Auch die vom Kläger im Widerspruchsverfahren vorgelegten Vergleichsbilder (ohne Datumsangabe) anderer, unbekannter Feldstücke lassen keinen belastbaren Rückschluss auf den Zustand der allein streitigen Feldstücke im Jahr 2020 zu.
72
Auch wenn den Bewertungen der vorgefundenen Sachlage durch die tätig gewordenen, fachkundigen Prüfer eine gewichtige Bedeutung zukommt, ist eine gerichtliche Überzeugung allein auf Grundlage ihrer Feststellungen in Ermangelung weiterer nachvollziehbarer Kriterien (z.B. eindeutige Fotos und belastbare Feststellungen fachkundiger Dritter) rechtlich nicht hinreichend darstellbar. Auch eine fachkundige Stellungnahme entbindet das Gericht nämlich nicht von der freien Würdigung des gesamten Vorbringens im Sinne von § 86 Abs. 1, § 108 Abs. 1 VwGO, zumal wenn konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die auch einen anderen als den dargestellten Sachverhalt für möglich erscheinen lassen.
73
Die eingeholten fachlichen Stellungnahmen Dritter beziehen sich allerdings nur auf die Fotos von Feldstück 43 und nicht auf Fotos der streitigen Feldstücke. Selbst unter Hintanstellung dieser Unzulänglichkeit lassen die Stellungnahmen aber gerade keine Gewissheit hinsichtlich der dem Kläger vorgeworfenen Verstöße erkennen; vielmehr erschöpfen sie sich in vagen Wahrscheinlichkeitsangaben.
o So ist der Stellungnahme von … vom 11.10.2021 zu entnehmen, dass keine abschließende Beurteilung im Jahr 2021 möglich sei. Er sei „vermutlich“ eine Untersaat. Eine abschließende Beurteilung der Situation – allein auf Grundlage der beiden Aufnahmen – sei im Nachhinein nicht mehr möglich (Bl. 141 Beiakte).
o Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz, Referat 64, Naturschutzförderung und Landschaftspflege, vom 21.10.2021, erklärte auf Nachfrage, dass anhand der Fotodokumentation (siehe Schreiben FüAk- …) der Sachverhalt wegen der schlechten Bildqualität nicht zweifelsfrei einzuschätzen sei (Bl. 272 Beiakte).
o Auch die ausführliche Stellungnahme der Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL, vom 15.10.2021, Bl. 269 f. Beiakte) lässt keine zweifelsfreie Einschätzung zu. Sie stützt zunächst vielmehr die Argumentation des Klägers. Denn darin ist ausgeführt, dass sich anhand der verfügbaren/zugänglichen Landsat-Bilder (unvollständig für die gesamte Vegetation) aus 2014 für diese Flächen keine Mäh- oder Mulchvorgänge zeitlich so in der Vegetation detektieren ließen, dass diese eine folgende Samenbildung ausschließen würden. Damit sei eine Samenbildung und -absamen in der im E-Mail vom 14.10.2021 genannten Höhe von ca. 200 kg/ha grundsätzlich möglich (genannte Sachverständigenmeinung). Auch sei durch so einen Sachverhalt ein Anteil sogenannter „hartschaliger“, also Samen mit höherer Keimruhe und deutlich verzögerter Keimung möglich. Bei einer biologisch bewirtschafteten Fläche wurde eine für den starken Durchwuchs hinreichend hohe Restsaatgutmenge für grundsätzlich möglich gehalten. Als Resümee ist in Folge dessen angegeben, dass anhand der vorliegenden Daten die vorgebrachte Argumentation des Landwirtes nicht grundsätzlich auszuschließen sei, jedoch bei Einhaltung guter fachlicher Praxis nach einem Zeitraum von sechs Jahren und angesichts des gleichmäßigen und einheitlichen Kulturzustandes des Kleeaufwuchses (Anm. Bild des Feldstücks 43) unwahrscheinlich sei.
74
Gleichzeitig wird diese Wahrscheinlichkeitsangabe noch durch den Hinweis eingeschränkt, dass für eine klare Abschätzung des real vorhandenen Samenpotentials aus 2014 in der Vegetation 2020 die Kenntnis der Abfolge der Pflug- und Hackvorgänge im Zeitraum 2014-2020 – und damit deren übliche Reduktionseffekte auf das in 2020 noch vorhandene Samenpotenzial – wichtig sei. Diese sei jedoch dem IPZ 4b nicht bekannt (Bl. 270 Beiakte). Es liegt in der Verantwortungssphäre des Beklagte, dass er die Bodenbearbeitung in den Jahren vorher nicht selbst in Erfahrung gebracht und der LfL zur Stellungnahme übermittelt hat.
75
Damit ist diese eingeschränkte Wahrscheinlichkeitsangabe der LfL nicht ausreichend, um eine hinreichende Gewissheit zur konkreten Handlungen des Klägers zu erlangen.
76
Soweit der Beklagte argumentiert, dass davon ausgegangen werde, dass die Feldstücke 5 bis 7 sowie das Feldstück 43 wegen der zusammenhängenden Lage und der gleichen Anbaufrüchte auch gleich bewirtschaftet worden seien (vgl. Schriftsatz vom 28.04.2023, Bl. 200 ff. Gerichtsakte), so ist diese Schlussfolgerung keinesfalls zwingend. Ihr wurde zudem in der mündlichen Verhandlung durch den Kläger dezidiert widersprochen, als er erklärte, (nur) das Feldstück 43 gedüngt zu haben, während er solches bei den Feldstücken 5 bis 7 gerade nicht getan habe.
77
Aus diesem Grund vermag auch die Einlassung des Klägers (im Schreiben vom 14.10.2021 und in der mündlichen Verhandlung), dass das Erscheinungsbild auf den Feldstücken 5 bis 7 „zum großen Teil“ mit den Fotos von Feldstück 43 übereinstimme, nichts an der gerichtlichen Bewertung zu ändern. Da er (nur) das abgebildete Feldstück 43 im Frühjahr 2020 mit Kalzium und Schwefel gedüngt haben will, die das Wachstum gerade auch von Klee fördere, ist nicht auszuschließen, dass dies den festgestellten gleichmäßigen und dichten Aufwuchs von Rotklee (ohne Inselbildung) auf diesem Feldstück 43 erklärt, den auch die LfL kritisch sah. Deshalb ergibt sich daraus nicht zwingend ein belastbarer Rückschluss auf eine erfolgte Untersaat auf den Feldstücken 5, 6 und 7.
78
Auch das Pflügen in den Jahren 2015 und 2017 auf den Feldstücken 5 bis 7, wobei nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung in 2017 der Kleesamen wieder an die Oberfläche befördert worden sei und der Boden seitdem nur oberflächennah bearbeitet worden sei, kann auch seit 2017 wegen eines regelmäßig abreifenden Kleesamens zu einem steigenden Samenpotential führen, was das Erscheinungsbild des Fotos von Feldstück 43 nicht unmöglich erscheinen lässt. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung in den Folgejahren nach 2017 benannten Bodenbearbeitungen lassen das von den Prüfern vorgefundene Erscheinungsbild nach den Auskünften der fachkundigen Stellen jedenfalls nicht unmöglich erscheinen.
79
Die von allen fachkundigen Personen angegebene, sehr lange Keimfähigkeit von Rotkleesamen stützt im Übrigen die Argumentation des Klägers. Auch wenn der Beklagte der Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich entgegengetreten ist und erklärte, dass die angegebenen „massiven“ ackerbaulichen Maßnahmen einen derart dichten und gleichmäßigen Aufwuchs mit Fehlen anderer Unkräuter nicht zu erklären vermocht hätten, so entkräftet dies zumindest die Einlassung des Klägers, dass durch das zweite Pflügen die Rotkleesamen wieder nach oben befördert worden seien, nicht grundsätzlich und lässt die angegebene, nur oberflächennahe Bodenbearbeitung seit 2017 im Übrigen unberührt.
80
Zudem ist ausweislich der Sentinel-Daten (vgl. Bl. 124 f. Gerichtsakte) offenbar eine frühzeitige Ernte des Roggen GPS im Juli 2020 (entsprechend der Angaben des Klägers) erfolgt, was – auch den Einlassungen des Beklagten zufolge – durch mehr Lichteinfall bis zur Vor-Ort-Kontrolle am 25.08.2020 den vollständigen Aufwuchs des Rotkleebewuchses beförderte.
81
Den Erwägungen des Gerichts steht nicht entgegen, dass der Kläger im Frühjahr 2020 mit seiner Anfrage an die LfL tatsächlich nach einem möglichen „Schlupfloch“ für das Untersaatverbot gesucht haben könnte; denn dies ließe noch keinen zwingenden Schluss auf eine dann auch erfolgte Aufsaat zu. Auch der Verweis des Beklagten auf mehrfach in Unkenntnis des Verbots erfolgte Untersaaten anderer Betriebe lässt keinen Rückschluss auf das konkrete Verhalten des Klägers zu. Denn diesem war dieses Verbot, wie sich der Nachfrage entnehmen lässt, sehr wohl bekannt. Im Übrigen kann dahingestellt bleiben, ob die Auflage „Verzicht auf Untersaat“ sich auch auf eine Aufsaat erstreckt, weil sich die naturschutzfachlichen Folgen womöglich nicht unterscheiden.
82
Gleichermaßen sind die weiteren Einlassungen des Klägers, dass eine Untersaat von Klee bei der von ihm zunächst geplanten Roggeneinsaat mit der Absicht einer Körnerernte wenig sinnvoll gewesen wäre und eine erst kurzfristig erfolgte Abänderung in Roggen GPS, der früher abgeerntet wird, sowie dass auch auf konventionell bewirtschafteten Feldstücken Rotkleebestände vorherrschen sollen, nicht mehr entscheidungsrelevant.
83
bb. Hinsichtlich des Vorwurfs des Mulchens auf Feldstück 10 beruht die Nichterweislichkeit zunächst im Wesentlichen ebenfalls auf einer fehlenden bildlichen Dokumentation, die Gericht in der Lage versetzt hätte, die Bewertung der Prüfer (Mulchen) selbst nachvollziehen zu können. Darüber hinaus ist die eingeholte weitere fachliche Stellungnahme keineswegs aussagekräftig und lässt keinen Schluss auf die tatsächliche landwirtschaftliche Bearbeitung des Feldstücks zu.
84
Der eingeholten fachkundigen Stellungnahme des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, Referat 64, Naturschutzförderung und Landschaftspflege, vom 21.10.2021 (Bl. 269 f. Beiakte) lässt sich nichts Konkretes zu Feldstück 10 entnehmen. Vielmehr beschränkt sich die Auskunft allgemein darauf, dass – im Gegensatz zu einem Mulchvorgang – ein Mähen und Liegenlassen aus naturschutzfachlicher Sicht dem Schutz der Feldbrüter kaum abträglich sei.
85
Allein die zweifellos vorliegende Fachkenntnis der Prüfer vermag die Nachprüfbarkeit und die belastbare Darlegung der von ihnen vorgenommenen Bewertungen nicht grundsätzlich zu ersetzen. Dem Gericht ist mangels objektiver Kriterien eine Erlangung einer eigenen notwendigen Gewissheit (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht möglich, zumal wenn den Bewertungen der Prüfer – wie hier – substantiiert entgegengetreten wird.
86
So vermochte der Kläger in der mündlichen Verhandlung das von den Prüfern vorgefundene Erscheinungsbild mit kurzen Halmen und fehlenden Schwaden zu erklären; der geringe Aufwuchs habe schon zu verhältnismäßig kurzen Halmen geführt, die zudem wegen der Sprödheit der Halme (durch die Verpilzung) durch den Einsatz eines Kreiselheuers noch zusätzlich zerkleinert worden seien. Dieser Einlassung setzte der Beklagte nichts Substantiiertes entgegen.
87
Auch das Fehlen von Mähschwaden erklärte der Kläger in der mündlichen Verhandlung mit dieser Verwendung des Kreiselheuers, der das Mähgut entsprechend auf der Fläche verteilt habe. Diese Erklärung erscheint auch deshalb plausibel, da der Aufwand für einen Mulchvorgang größer und damit kostenintensiver ist. Auch erscheint es durchaus nachvollziehbar, wenn der Kläger angibt, wenn er hätte Mulchen wollen, hätte er die noch wenigen fehlenden Tage bis zum 01.09. abgewartet.
88
Da nach den Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung und der Stellungnahme des Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, Referat 64, Naturschutzförderung und Landschaftspflege, vom 21.10.2021 offensichtlich ein Unterschied zwischen „gemäht und liegen gelassen“ und „gemulcht“ besteht, kann dem Kläger die Handlung eines Mähens mit Verteilen und Liegenlassen des Mähguts schwerlich vorgeworfen werden.
89
cc. Die Unerweislichkeit der dem Kläger vorgeworfenen Verstöße ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass die entscheidenden Umstände etwa in die Sphäre des Klägers fallen, so dass der Beklagte vor unzumutbaren Beweisschwierigkeiten steht, sondern folgt vielmehr aus der – wie oben ausgeführt – unzureichenden Dokumentationen des vermeintlichen Verstoßes, auf die die „Kürzung“ der AUM-Zahlungen gestützt wurden.
90
Darüber hinaus ist dem Kläger keinesfalls vorzuwerfen, dass er die Sachverhaltsaufklärung erschwert hätte. Soweit ersichtlich hat er vielmehr die in seinem Verantwortungsbereich verfügbaren Unterlagen und Informationen dem Beklagten und dem Gericht zur Verfügung gestellt, so z.B. seine Schlagkartei, wobei er auch erklärt hat, in welchen Bereichen diese unvollständig ist. Darüber hinaus hat er in der mündlichen Verhandlung zur Bodenbearbeitung der drei vom Vorwurf der Kleeuntersaat betroffenen Feldstücke 5 bis 7 ausgeführt. Der Beklagte hat diese Angaben in der mündlichen Verhandlung nicht angezweifelt. Dass die fehlende Ermittlung der ackerbaulichen Tätigkeiten des Klägers in den Vorjahren durch den Beklagten dazu geführt hatte, dass die die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) deshalb keine genauere Einschätzung angegeben konnte, ist im Übrigen der Sphäre des Beklagten zuzuordnen.
91
Aus den oben genannten Gründen ist die Kürzung wegen Verstößen gegen Verpflichtungen und sonstigen Auflagen wegen Nichterweislichkeit rechtswidrig. Der Kläger hat infolgedessen Anspruch auf die beantragte Leistung. Die diesem Ergebnis entgegenstehende Entscheidung im streitgegenständlichen Bescheid ist deshalb aufzuheben.
92
2. Die Kostentragung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.