Titel:
Widerruf einer Erledigungserklärung, Verstoß gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG durch Aufhebung einer früheren und Erlass einer neuen Zwangsgeldandrohung (verneint), Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, Verhältnismäßigkeit der Erfüllungsfrist
Normenketten:
KG Art. 3 Abs. 1 Nr. 2
Kostenverzeichnisses Nr. 1.I.8 des
BayVwVfG Art. 39 Abs. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 6 S. 2
BayVwVfG Art. 49 Abs. 1
VwZVG Art. 36 Abs. 1 S. 2
Leitsätze:
1. Zu der Frage der Rechtmäßigkeit der Kostenentscheidung bei einer isolierten Zwangsgeldandrohung.
2. Zu der Frage des Gebührenrahmens bei einer isolierten Zwangsgeldandrohung.
Schlagworte:
Widerruf einer Erledigungserklärung, Verstoß gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG durch Aufhebung einer früheren und Erlass einer neuen Zwangsgeldandrohung (verneint), Höhe des angedrohten Zwangsgeldes, Verhältnismäßigkeit der Erfüllungsfrist
Fundstelle:
BeckRS 2023, 42226
Tenor
1. Die Nummern 3. und 4. des Bescheides vom 13.12.2022 (Az. …) werden aufgehoben.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Kläger trägt 4/5, der Beklagte 1/5 der Kosten des Verfahrens.
4. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides, mit dem der Beklagte einen Bescheid vom 30.12.2016 abgeändert, ein Zwangsgeld angedroht und dem Kläger hierfür eine Gebühr in Höhe von 350,00 EUR auferlegt hat.
2
1. Mit Bescheid vom 30.12.2016 verpflichtete der Beklagte den Kläger (in der Nr. 1 des Bescheides), die am …bach entlang des Grundstücks FlNr. … Gemarkung … errichtete Ufermauer (Uferbefestigung) bis spätestens 28.02.2017 – im Falle einer Klageerhebung gegen diesen Bescheid binnen zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit – zurückzubauen. Das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche sind wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. Der ursprüngliche Zustand ist, auch hinsichtlich der Gewässerbreite, wiederherzustellen. Für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Beklagte (in der Nr. 2 des Bescheides) ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR angedroht.
3
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth (Az.: B 7 K 17.59) kamen die Beteiligten überein, dass der Kläger bis zum 01.10.2018 ordnungsgemäße, vollständige und prüffähige Planunterlagen beim Landratsamt … für einen Gewässerausbau vorlegt. Im Gegenzug sicherte der Beklagte zu, die Beseitigungsanordnung vom 30.12.2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Planfeststellungsbzw. Plangenehmigungsverfahrens nicht zu vollstrecken. Daraufhin erklärten die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt; das Gericht hat mit Beschluss vom 09.07.2018 das Verfahren eingestellt. Ein Antrag auf Fortführung des eingestellten Verfahrens blieb erfolglos (vgl. VG Bayreuth, Gb.v. 1.8.2023 – B 7 K 23.238).
4
Mit Bescheid vom 11.02.2019 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewässerausbau ab. Die Klage vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth und der Antrag auf Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.12.2020 – B 7 K 19.230; BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 8 ZB 21.668).
5
Der Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit Schreiben vom 16.05.2022 mit, dass nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens über den Gewässerausbau dieser nunmehr die von ihm errichtete Ufermauer entlang der FlNr. … zurückzubauen habe. Das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche seien wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. Der ursprüngliche Zustand sei auch hinsichtlich der Gewässerbreite wiederherzustellen. Der Ausführung sehe das Landratsamt bis spätestens 31.08.2022 entgegen. Nach Fertigstellung sei das Landratsamt …, Fachbereich Wasserrecht, zu informieren. Erforderlichenfalls könne auf Kosten des Pflichtigen eine Ersatzvornahme angeordnet werden.
6
Gegen dieses Schreiben hat der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 29.08.2022 Klage erhoben und einen Eilantrag (Az. B 7 E 22.820) gestellt. Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag des Klägers, mit dem er die vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 verfolgt hat, mit Beschluss vom 15.09.2022 abgelehnt. Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 26.09.2022 Beschwerde erhoben (Az. 8 CE 22.2113). Mit Beschluss vom 17.02.2023 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde des Klägers zurückgewiesen.
7
Der Beklagte hat am 01.12.2022 einen Bescheid folgenden Inhalts erlassen:
1. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 30.12.2016, Az. …, wird unter Nr. 1 wie folgt geändert:
Nr. 1 enthält folgende neue Fassung
Herr … wird verpflichtet, die am …bach entlang der FlNr. …, Gemarkung …, errichtete Ufermauer (Uferbefestigung) bis spätestens 28.02.2023 zurückzubauen. Das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche sind wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. Der ursprüngliche Zustand ist, auch hinsichtlich der Gewässerbreite, wiederherzustellen.
2. Falls die Verpflichtung unter Nr. 1 nicht fristgerecht erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 Euro zur Zahlung fällig.
3. Das mit Bescheid des Landratsamtes … vom 30.12.2016, Az. …, unter Nr. 2. festgesetzte Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro wird aufgehoben.
8
Der Beklagte hat mit Bescheid vom 02.12.2022 den Bescheid vom 01.12.2022, Az. …, aufgehoben. Das Landratsamt … habe Anlass gesehen, die genaue Formulierung des Regelungsgegenstands und die Begründung des Bescheides vom 01.12.2022, Az. …, zu überprüfen.
9
Der Beklagte hat folgenden Bescheid vom 13.12.2022 erlassen:
1. Der Bescheid des Landratsamtes … vom 30.12.2016, Az. …, wird wie folgt geändert:
1.1 In Nr. 1 wird der Satzteil … „bis spätestens 28. Februar 2017 – im Falle einer Klageerhebung gegen diesen Bescheid binnen zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit – “ … ersatzlos gestrichen.
1.2 Nr. 2 wird aufgehoben.
2. Falls die in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes … vom 30.12.2016, Az. …, festgelegte Pflicht nicht bis zum 31.03.2023 erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR zur Zahlung fällig.
3. Herr … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
4. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 350,00 EUR festgesetzt.
10
Das Landratsamt hat diesen Bescheid im Wesentlichen damit begründet, dass der Kläger aufgrund der Zusicherung im Verfahren B 7 K 17.59 hinsichtlich des Bescheides vom 30.12.2016 habe erwarten können, dass ihm bei rechtskräftigem Unterliegen in letztgenanntem Klageverfahren (nochmals) eine angemessene Umsetzungsfrist gesetzt werde bzw. eine Fristverlängerung erfolge, nicht aber, dass gleichzeitig mit der Rechtskraft der Klageabweisung die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes eintrete. Denn in diesem Fall hätte das angedrohte Zwangsgeld mangels tatsächlich noch zur Verfügung stehender Erfüllungsfrist gar keine Beugefunktion haben können. Der Kläger habe trotz Hinweisschreibens vom 16.05.2022 die Rückbauverpflichtung nicht umgesetzt. Vor diesem Hintergrund würden zur Klarstellung für den Kläger die o.g. Fristsetzung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 sowie die damalige Zwangsgeldandrohung aufgehoben und als Basis für nunmehr ggf. nötige Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eine neue Erfüllungsfrist im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG im Rahmen einer neuen Zwangsgeldandrohung (mit zudem geänderter Höhe) festgesetzt. Eine gleichzeitige und gleichlaufende Verlängerung der (Befolgungs-)Frist in Nr. 1 des Bescheides vom 30.12.2016 bzw. deren gleichlaufende Neufestsetzung sei entbehrlich. Bei der Zwangsgeldandrohung handle es sich rechtstechnisch um eine erstmalige Zwangsgeldandrohung, nicht aber um eine erneute Zwangsgeldandrohung, weil eine vorherige Androhung ohne Erfolg geblieben wäre. Die bisherige Zwangsgeldandrohung habe bislang ihre Beugefunktion nicht erfüllen können, da diese durch die o.g. Zusicherung außer Funktion gesetzt gewesen sei. Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG sperre die hier verfügte Androhung also gerade nicht. Die Höhe des Zwangsgeldes sei angemessen.
11
2. Der Kläger hat durch seinen Prozessbevollmächtigten mit Schriftsatz vom 16.01.2023 Klage erhoben und beantragt,
Der Bescheid vom 13.12.2022, Az. … wird aufgehoben.
12
Er begründet die Klage im Wesentlichen wie folgt: Es sei unklar, was nun gelten solle. Den Beteiligten bleibe nur, den ursprünglichen Bescheid vom 30.12.2016 mit dem Bescheid vom 13.12.2022 zu vergleichen und dadurch den Gegenstand der aus Sicht des Landratsamts geltend gemachten Verfügung zu ersehen. Hinsichtlich der Kostenentscheidung in der Nr. 3 des angegriffenen Bescheides sei unklar, was das Landratsamt wolle. Der Bescheid sei deswegen rechtswidrig, weil der Kläger keinen Anlass für den Erlass des Bescheides gegeben habe. Das Landratsamt begründe die Abänderung in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides nicht. Der Beklagte versuche erneut das Schreiben vom 16.05.2022 als Hinweisschreiben „durchzubringen“. Das Landratsamt befasse sich im Änderungsbescheid nicht mit der Unbestimmtheit der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung aus dem Bescheid vom 30.12.2016. Die rechtliche Begründung der Nr. 1 des angegriffenen Bescheides sei widersprüchlich, da das Landratsamt seinerzeit das Zwangsgeld von 1.000,00 EUR nicht festgesetzt habe. Durch das jetzige Vorgehen umgehe das Landratsamt den vollstreckungsrechtlichen Grundsatz, dass Zwangsgelder mehrfach angewendet werden können, indem es das Zwangsgeld von 1.000,00 EUR mit einem neuerlichen Zwangsgeld von 2.500,00 EUR austausche, wofür es keine Rechtsgrundlage gebe. Rechtswidrig sei auch, dass bereits in Nr. 2 des angegriffenen Bescheides ein Zwangsgeld festgesetzt und nicht nur angekündigt bzw. angedroht worden sei. Der Beklagte habe den Bereich der Zwangsgeldfestsetzung verbösert, was gegen das Verböserungsverbot in Form der „reformatio in peius“ verstoße. Der Beklagte habe einen Verwaltungsakt in gleicher Form erlassen, was nach Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG unzulässig sei. Mangels einschlägiger Rechtsgrundlage sei der Bescheid rechtswidrig. Die Belastung des Klägers sei darin zu sehen, dass „durch die Hintertüre“ das Zwangsgeld von 1,000,00 EUR auf 2.500,00 EUR erhöht werde, ohne dass die entsprechende Reihenfolge nach den vollstreckungsrechtlichen Bestimmungen eingehalten worden sei. Zudem sei es in Wintermonaten aus Sicht des Klägers nicht möglich, im dortigen Bereich – ohne große Schäden anzurichten – innerhalb kurzer Zeit die hiermit verbundene Baumaßnahme durchzuführen. Die Frist sei deshalb schon wegen den Witterungsverhältnissen unangemessen. Begründet sei dies im Übrigen nicht worden. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat dem Gericht den angefochtenen Bescheid mit einem Eingangsstempel vom 19.12.2022 als Anlage zur Klageschrift übermittelt.
13
Das Landratsamt … hat mit Schriftsatz vom 08.02.2023 Stellung zur Klage genommen. Die Rückbauanordnung vom 30.12.2016 sei bestandskräftig und könne deshalb nicht neuerlich angegriffen werden. Die neue verlängerte Frist bis 31.03.2023 wirke zugunsten des Klägers, insofern sei keine Beschwer gegeben. Sollte der Kläger zur Ausgestaltung des Rückbaus Fragen haben, bestehe stets die Möglichkeit, sich an die (Fach-)Behörden mit einem Beratungsgesuch zu wenden. Es bestätige sich jedoch immer der Eindruck, dass der Kläger den Rückbau mit allen Mitteln verhindern bzw. verzögern wolle. Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes sei im streitgegenständlichen Bescheid ausreichend begründet.
14
Mit Schriftsatz vom 16.02.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Rechtsmeinung vertieft. Hinsichtlich der Beschwer sei der Vortrag unzutreffend, weil das festgesetzte Zwangsgeld deutlich erhöht worden sei. Der Beklagte wolle am Kläger ein Exempel statuieren, weil der Beklagte das Grundstück des Nachbarn des Klägers durch eine Privatfirma unter Beauftragung des Beklagten reinigen und säubern lasse. Der Kläger rüge das Beratungsangebot durch den Beklagten.
15
Mit Schriftsatz vom 27.02.2023 hat das Landratsamt mitgeteilt, dass die Maßnahmen auf dem angesprochenen Nachbargrundstück zum Rückbau und zur Wiederherstellung des natürlichen Uferbereiches mittlerweile abgeschlossen seien. Eine Beauftragung der ausführenden Firma sei keineswegs durch das Landratsamt … vorgenommen worden, sondern durch den Verursacher selbst.
16
Mit Schriftsatz vom 14.03.2023 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers seine Rechtsmeinung weiter vertieft. Der Kläger habe die Quader-Mauer auf seinem Grundstück zu dessen Schutz errichtet, das immer wieder durch Maßnahmen und Eingriffe seines Grundstücksnachbarn abgespült worden sei. Das jüngste Hochwasserereignis habe gezeigt, dass der Schutz notwendig sei und es um die Grundstückssicherung gehe. Dem Schriftsatz hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Stellungnahme zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs beigefügt (BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 8 CE 22.2113). Der Kläger habe beim Landratsamt … einen Aussetzungsantrag vom 14.03.2023 im Hinblick auf die erfolgte Modifizierung des Bescheides vom 30.12.2016 gestellt. Der Kläger könne in der Vegetationszeit nicht in die Ufersituation mit der Gefahr der Störung von Brutvögeln u.a. eingreifen, da er sich ansonsten ordnungswidrig verhalten würde, was nicht verlangt werden könne. Der Kläger befürchte, dass man ihm vorhalten werde, er hätte dies oder jenes doch anders machen müssen. Wenn dies alles so klar sei, wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hier (gemeint ist im o.g. Beschluss mit dem Az. 8 CE 22.2113) eingeschätzt habe, so hätte nicht nur die Behörde in der angegriffenen Entscheidung genau dies so umsetzen oder formulieren können, sondern dann wisse der Beklagte selbst am besten, was zu tun sei.
17
Das Gericht hat versucht, den Verwaltungsstreit einer einvernehmlichen Lösung zuzuführen. Hierzu hat es den Beteiligten mit gerichtlichem Schreiben vom 27.03.2023 einen Vorschlag unterbreitet. Der Einigungsversuch ist in der Umsetzung gescheitert. Der Beklagte hatte zuletzt erklärt, das fällig gewordene Zwangsgeld aus dem Bescheid vom 13.12.2022 bis vorerst 01.09.2023 nicht beizutreiben. Sollte bis 01.09.2023 ein Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis beim Landratsamt … eingegangen sein, werde von einer Beitreibung des Zwangsgeldes bis zum Abschluss des Genehmigungsverfahrens abgesehen werden.
18
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 14.06.2023 die Erledigung des Verwaltungsstreits erklärt. Mit Schriftsatz vom 11.07.2023 hat der Kläger seine Prozesserklärung „angefochten“, nachdem der Beklagte der Erledigungserklärung nicht zugestimmt hatte. Aus einem Schriftsatz vom 19.10.2023 in einem anderen Verfahren (Az. B 7 K 22.821) geht hervor, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 19.10.2023 beim Landratsamt … den Antrag auf wasserrechtliche Erlaubnis gestellt und Planunterlagen eingereicht hat. Das Landratsamt hat dem Gericht mit Schreiben vom 29.11.2023 die Stellungnahme des WWA … zu den eingereichten Planunterlagen vorgelegt, in der das WWA … zu den eingereichten Planunterlagen keine positive Stellungnahme abgeben konnte.
19
Gem. § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO verweist das Gericht wegen der Einzelheiten auf die Gerichtsakte sowie die Behördenakten und auf die Gerichtsakten in den Verfahren B 7 K 22.821 und B 7 E 22.820.
Entscheidungsgründe
20
Das Gericht hat über die Klage, dessen Streitgegenstand die begehrte Aufhebung des Bescheides vom 13.12.2022 ist, zu entscheiden, nachdem der Kläger seine Erledigungserklärung in seinem Schriftsatz vom 11.07.2023 „angefochten“ hat. Die Erledigungserklärung ist nicht anfechtbar und grundsätzlich bedingungsfeindlich, sie kann jedoch bis zum Eingang der Zustimmung des anderen Verfahrensbeteiligten widerrufen werden, da erst mit diesem Zeitpunkt die gestaltende Wirkung der Prozessbeendigung eintritt (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 161 Rn. 9 m.w.N.). Nachdem ersichtlich ist, dass der Prozessbevollmächtigte die Erledigungserklärung „aus der Welt schaffen“ möchte, legt das Gericht die vorgenannte Anfechtungserklärung als Widerruf der Erledigungserklärung aus. Dies hat zur Folge, dass über die vorliegende Klage zu entscheiden ist.
21
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Bescheid vom 13.12.2022 und begehrt dessen Aufhebung. Der Bescheid vom 13.12.2022 hat folgende Regelungen zum Gegenstand:
22
1. Unter dessen Nr. 1 hat das Landratsamt … den Bescheid vom 30.12.2016 (Az. …) geändert und den Satzteil „bis spätestens 28. Februar 2017 – im Falle einer Klageerhebung gegen diesen Bescheid binnen zwei Monaten nach Unanfechtbarkeit -“ ersatzlos gestrichen sowie unter dessen Nr. 2 die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 30.12.2016 aufgehoben. Die Nr. 1 des Bescheides vom 30.12.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13.12.2022 hat nun folgende Regelung zum Gegenstand:
23
Herr … wird verpflichtet, die am …bach entlang der FlNr. …, Gemarkung …, errichtete Ufermauer (Uferbefestigung) zurückzubauen. Das Gewässer sowie die betroffenen Uferbereiche sind wieder in einen naturnahen Zustand zu bringen. Der ursprüngliche Zustand ist, auch hinsichtlich der Gewässerbreite, wiederherzustellen.
24
2. In der Nr. 2 des Bescheides vom 13.12.2022 hat das Landratsamt eine neue und eigenständige – d.h. vom Grundverwaltungsakt isoliert erlassene – Zwangsgeldandrohung formuliert. Diese hat folgende Regelung zum Gegenstand:
25
Falls die in Nr. 1 des Bescheides des Landratsamtes … vom 30.12.2016, Az. …, festgelegte Pflicht nicht bis zum 31.03.2023 erfüllt wird, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 2.500,00 EUR zur Zahlung fällig.
26
3. Die Nr. 3 des Bescheides vom 13.12.2022 enthält die Kostenentscheidung und die Nr. 4 die Festsetzung von Gebühren in Höhe von 350,00 EUR.
27
Soweit der Kläger die Aufhebung der Nr. 1 des Bescheides vom 13.12.2022 begehrt, ist die Klage bereits unzulässig. Nachdem das Landratsamt in der Nr. 1 des angefochtenen Bescheides die Erfüllungsfrist und die Zwangsgeldandrohung hinsichtlich der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung aus dem Bescheid vom 30.12.2016 aufgehoben hat, ist der Kläger augenscheinlich nicht beschwert im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, sodass ihm die Klagebefugnis fehlt.
28
Die im Übrigen zulässige Klage hat im tenorierten Umfang Erfolg.
29
1. Die Kostenentscheidung in der Nr. 3 sowie die Gebührenfestsetzung in der Nr. 4 des Bescheides vom 13.12.2022 sind aufzuheben, weil sie rechtswidrig sind und den Kläger gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in seinen Rechten verletzen.
30
Der Beklagte hat die Zwangsgeldandrohung im Bescheid vom 30.12.2016 aufgehoben und in Nr. 2 des Bescheides vom 13.12.2022 erstmals eine neue, isolierte Zwangsgeldandrohung erlassen. Diese Amtshandlung, die das Landratsamt … überwiegend im öffentlichen Interesse von Amts wegen vorgenommen hat, ist gem. Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 KG kostenfrei und wurde auch nicht vom Kläger veranlasst. Das Landratsamt … hat sich veranlasst gesehen, im Wesentlichen aus Klarstellungsgründen im Hinblick auf den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zum Gewässerausbau (vgl. VG Bayreuth, U.v. 21.12.2020 – B 7 K 19.230; BayVGH, B.v. 15.12.2021 – 8 ZB 21.668) den vorliegenden Bescheid zu erlassen, da der Kläger habe erwarten dürfen, dass ihm bei rechtskräftigem Unterliegen (nochmals) eine angemessene Umsetzungsfrist gesetzt werde bzw. eine Fristverlängerung erfolge, nicht aber, dass gleichzeitig mit der Rechtskraft der Klageabweisung die Fälligkeit des angedrohten Zwangsgeldes eintrete. Denn in diesem Fall – so das Landratsamt … – hätte das angedrohte Zwangsgeld mangels tatsächlich noch zur Verfügung stehender Erfüllungsfrist keine Beugewirkung entfalten können. Es ist daher offensichtlich davon auszugehen, dass das Landratsamt … den Bescheid im öffentlichen Interesse aus eigenem Anlass erlassen hat, sodass er kostenfrei hätte ergehen müssen. Nr. 3 des angefochtenen Bescheides ist daher aufzuheben.
31
Gleichzeitig ist die Gebührenfestsetzung in der Nr. 4 des angefochtenen Bescheides aufzuheben. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass es die Rechtmäßigkeit der in Nr. 4 des angefochtenen Bescheides festgesetzten Gebühr auch deshalb nicht bestätigen kann, weil sie außerhalb des Gebührenrahmens liegt. Da es sich vorliegend um eine isolierte Zwangsgeldandrohung handelt, ist Nr. 1.I.8 des Kostenverzeichnisses einschlägig. Die festgesetzte Gebühr in Höhe von 350,00 EUR verstößt gegen den Gebührenrahmen von 12,50 bis 150,00 EUR, zumal der Bescheid jegliche Ermessenserwägungen hinsichtlich der festgesetzten Gebühr vermissen lässt.
32
2. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil der angegriffene Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzt, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Zwangsgeldandrohung ist formell rechtmäßig und die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen im Zeitpunkt der Entscheidung vor (vgl. VG Bayreuth, Gb. v. 4.9.2022 – B 7 K 20.1409 – juris Rn. 37).
33
Rechtsgrundlage der Zwangsgeldandrohung ist Art. 29 Abs. 1 i.V.m. Art. 31 Abs. 1 i. V.m. Art. 36 Abs. 1 VwZVG.
34
a. Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Nr. 2 des angegriffenen Bescheides ist hinreichend begründet im Sinne des Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG. In der Begründung sind gem. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung des Bescheides genügt diesen Anforderungen, da das Landratsamt klar und deutlich den Sachverhalt und die tragenden rechtlichen Gründe dargelegt hat, warum es den Bescheid vom 30.12.2016 teilweise widerrufen und eine neue Erfüllungsfrist sowie Zwangsmittelandrohung erlassen hat.
35
b. Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor. Gem. Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG können Verwaltungsakte vollstreckt werden, wenn sie nicht mehr mit einem förmlichen Rechtsbehelf angefochten werden können. Der Grundverwaltungsakt vom 30.12.2016 ist unanfechtbar und nicht nichtig. Die verfügte Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung ist hinreichend bestimmt (vgl. hierzu vollumfänglich VG Bayreuth, B.v. 15.9.2022 – B 7 E 22.820; BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 8 CE 22.2113). Vor dem Hintergrund des Inhalts der soeben zitierten Entscheidungen kann die Kritik des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Schriftsatz vom 14.03.2023 an den Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht durchdringen.
36
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers das Angebot des Landratsamts, ihm beratend zur Seite zu stehen, rügt, ändert dies nichts an der Bestimmtheit der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung. Denn durch das Beratungsangebot kommt das Landratsamt – wie der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten Beschluss (BayVGH, B.v. 17.2.2023 – 8 CE 22.2113 – juris Rn. 39) bereits ausgeführt hat – seinem Beratungsauftrag aus Art. 25 BayVwVfG nach. Der Verwaltungsakt vom 30.12.2016 ist auch nicht durch den ergangenen Änderungsbescheid vom 13.12.2022 widersprüchlich und damit unbestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Aus dem Vergleich des Ausgangsbescheides mit dem Änderungsbescheid ergibt sich eindeutig, welche Pflichten der Kläger zu erfüllen hat (siehe auch in den Entscheidungsgründen unter Nr. II. 1).
37
c. Auch sind die besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen erfüllt. Die Zwangsgeldandrohung widerspricht nicht Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Ferner erweist sich die Erfüllungsfrist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG als verhältnismäßig.
38
aa. Die angegriffene Zwangsgeldandrohung verstößt nicht gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG, wonach eine erneute Androhung nur zulässig ist, wenn die vorangegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist.
39
Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Landratsamt die Zwangsgeldandrohung und Erfüllungsfrist in Nr. 1 des Bescheides vom 30.12.2016 gem. Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG aufgehoben (die Nr. 1 des Bescheides vom 31.12.2016 stellt einen nicht begünstigenden Verwaltungsakt dar) und die angefochtene Zwangsmittelandrohung mit Erfüllungsfrist erlassen, so dass es an einer vorausgegangenen Zwangsmittelandrohung, die erfolglos geblieben sein könnte, fehlt.
40
Ein Verstoß gegen Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG, wonach der Widerruf unzulässig ist, wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder ein Widerruf aus anderen Gründen unzulässig ist, liegt nicht vor.
41
Das Landratsamt hat nicht – wie der Prozessbevollmächtigte des Klägers meint – erneut einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG erlassen, da es im Bescheid vom 13.12.2022 eine neue Erfüllungsfrist (31.03.2023 statt 28.02.2017) und ein neues Zwangsgeld (2.500,00 EUR statt 1.000,00 EUR) angedroht hat, sodass sich zwischen dem aufgehobenen und neu erlassenen Bescheid qualitative Unterschiede ergeben. Daraus folgt, dass der Widerruf nicht aus diesem Grund unzulässig ist.
42
Der Widerruf ist auch nicht gem. Art. 49 Abs. 1 BayVwVfG aus anderen Gründen unzulässig, weil der Bescheid vom 13.12.2022 eine höhere Zwangsgeldandrohung zum Gegenstand hat als der insoweit aufgehobene Bescheid vom 30.12.2016. Das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angesprochene Verböserungsverbot (reformatio in peius) bezieht sich nur auf den Widerspruchsführer, der mit seinem Widerspruch eine für ihn günstigere Entscheidung anstrebt (vgl. Weber in: Brandt/Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 5. Aufl. 2023, Der Ablauf des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens, Rn. 184). Eine reformatio in peius kommt vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der Kläger nicht in einem Widerspruchsverfahren, sondern in einem Widerrufsverfahren – mit völlig anderen Voraussetzungen und Rechtsfolgen – befand bzw. befindet.
43
bb. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Gem. Art. 36 Abs. 5 VwZVG ist der Betrag des Zwangsgeldes in bestimmter Höhe anzudrohen. Gem. Art. 31 Abs. 2 Satz 1 und 2 VwZVG beträgt das Zwangsgeld mindestens fünfzehn und höchstens fünfzigtausend Euro. Das Zwangsgeld soll das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen.
44
Gemessen daran kann die Höhe angedrohten Zwangsgeldes – es trifft offensichtlich nicht zu, dass ein Zwangsgeld „festgesetzt“ worden wäre – durch das Gericht nicht beanstandet werden, zumal davon auszugehen ist, dass die Kosten für die Entfernung und ggf. Entsorgung des Materials im Vergleich zu 2016 bzw. 2017 deutlich gestiegen sind, so dass sich auch ein erhöhtes Interesse an der unveränderten Beibehaltung der vom Kläger vorgenommenen Gewässerumgestaltung ergibt. Der Betrag von 2.500,00 EUR entspricht dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der Umsetzung der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung. Von diesem Betrag ist eine Beugewirkung und damit eine Befolgung der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung zu erwarten.
45
cc. Auch erweist sich die Erfüllungsfrist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG als verhältnismäßig. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG gibt vor, dass für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen ist, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann.
46
Eine Frist ist angemessen und zumutbar, wenn sie einerseits das behördliche Interesse an der Dringlichkeit der Ausführung berücksichtigt und andererseits dem Betroffenen die nach der allgemeinen Lebenserfahrung erforderliche Zeit gibt, seiner Pflicht nachzukommen (vgl. BayVGH, B.v. 20.5.2020 – 8 CS 20.772 – juris Rn. 23). Maßgeblich ist, ob es dem Adressaten des Bescheides in der vorgegebenen Frist möglich ist, die konkrete Verpflichtung umzusetzen.
47
Gemessen daran ist die in dem dem Prozessbevollmächtigten am 19.12.2022 zugegangenen Bescheid enthaltene Erfüllungsfrist angemessen und zumutbar. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der Kläger besondere Vorkehrungen für den Umbau treffen müsste oder dass aufgrund von Art und Umfang der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung (ganz) besondere Umstände vorliegen, die eine längere Frist als bis zum 31.03.2023 erfordern würden. Ausgehend von dem Zeitpunkt des Zugangs des Bescheides vom 13.12.2022 beim Bevollmächtigten am 19.12.2022 und diesbezüglich für den Fall, dass ganz besondere Umstände des Einzelfalls es dem Kläger unmöglich machen sollten, der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung nachzukommen (z.B. besonders ungünstige Witterungsverhältnisse), kann dem das Landratsamt … im Rahmen des ihm zustehenden Anwendungsermessens, bei der Beitreibung des Zwangsgeldes, Rechnung tragen.
48
dd. Am Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen ändert auch der Einwand nichts, dass durch die Umsetzung der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung Brutvögel gestört werden könnten. Dieser Einwand ist substanzlos geblieben. Darüber hinaus ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass der Umsetzung bzw. Vollstreckung der Rückbau- und Wiederherstellungsverpflichtung naturschutzrechtliche Vorschriften entgegenstehen.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt dem § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V.m. § 708 ff. ZPO.