Titel:
Ausschluss der Einbürgerung, Unterstützung der PKK, der TKP-ML und der MLKP, Kein Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Tun
Normenketten:
StAG § 8
StAG § 11
Schlagworte:
Ausschluss der Einbürgerung, Unterstützung der PKK, der TKP-ML und der MLKP, Kein Abstandnehmen von sicherheitsgefährdendem Tun
Fundstelle:
BeckRS 2023, 41980
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger, ein am ... geborener türkischer Staatsangehöriger, begehrt mit seiner Klage die Verpflichtung des Beklagten zu seiner Einbürgerung.
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Der Kläger reiste erstmals am ... in das Bundesgebiet ein. Sein am ... gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 3. November 1994 abgelehnt. Zur Begründung seines Asylantrags hatte der Kläger angegeben, in der Türkei wegen seiner politischen Tätigkeit für seine Partei, die „GKH“, die Jugendorganisation der „TKP-ML“, staatlich verfolgt worden zu sein. Seine politischen Aktivitäten werde er im Bundesgebiet fortsetzen, wenn es die Gesetze erlaubten. Die Organisation „TKP-ML h...“ habe ihm bei der Ausreise aus der Türkei und der Einreise nach Deutschland mit einem gefälschten Reisepass geholfen. Den Reisepass und das Flugticket habe er drei Personen der „TKP-ML h...“ ausgehändigt bzw. zurückgegeben.
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Das Verwaltungsgericht Mainz wies die gegen den Ablehnungsbescheid von dem Kläger erhobene Klage mit Urteil vom 19. Juni 1997 ab (...). Im Rahmen der dortigen mündlichen Verhandlung hatte der Kläger angegeben, dass er auf Rat der Organisation ausgereist sei. Die Polizei habe eine Videoaufnahme einer von ihm gehaltenen Rede beschlagnahmt. Wenn man in der Türkei eine Rede im Namen der „GKH“ halte, bedeute dies, dass man aus deren höchsten Reihen oder deren Zentralkomitee komme. Die Organisation habe es ihm jedoch verboten, die gerichtlich gestellte Frage nach seiner Zugehörigkeit zu deren Zentralkomitee zu beantworten. In Deutschland habe er bislang an mehr als acht Demonstrationen teilgenommen.
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Ausweislich eines Berichts des Polizeipräsidiums … vom … … … hatte der Kläger am … … … an einer angemeldeten Demonstration in … teilgenommen. Unmittelbar nach Beginn des Aufzuges hatte sich ein in sich geschlossener Block von ca. 200 PKK-Anhängern formiert, der optisch und thematisch vom übrigen Aufzug getrennt war. Diese Personen zeigten alle – bis auf einen verschwindend geringen Anteil – die verbotenen Symbole der PKK und ERNK. Der Kläger habe sich innerhalb dieses Blocks befunden.
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Ausweislich eines weiteren Berichts des Polizeipräsidiums … vom … … … hatte der Kläger am … … … an einer Demonstration auf dem Gelände des Flughafens … teilgenommen. Von den Versammlungsteilnehmern sei ein Transparent mit dem Schriftzug „DHK-C“ sowie vereinzelt auch Fahnen mit dem Symbol dieser verbotenen Organisation gezeigt worden. Durch den Leiter der Flughafensicherheit sei ein Hausverbot gegen alle Teilnehmer ausgesprochen worden, dem diese jedoch nicht nachgekommen seien. Das Amtsgericht Bingen verurteilte den Kläger in diesem Zusammenhang mit Strafbefehl vom 12. Juni 1997 zu einer Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen zu je 15 DM.
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Einen von dem Kläger am 16. Juni 1999 gestellten Folgeantrag lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 28. Juni 1999 ebenfalls ab. Der Kläger tauchte in der Folge unter und wurde am 27. April 2001 in die Türkei abgeschoben. Mit Bescheid vom 3. Mai 2001 lehnte das Bundesamt einen zuvor gestellten weiteren Folgeantrag des Klägers ab. Im Rahmen dieses weiteren Folgeverfahrens hatte der Kläger angegeben, bereits im Juli 1999 freiwillig in die Türkei zurückgekehrt zu sein. Dort habe er im Untergrund für die „MLKP“ arbeiten müssen und habe parallel dazu in Zeitschriften, welche politische Inhalte gehabt hätten, regimekritische Artikel veröffentlicht. Deshalb sei ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden.
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Am ... reiste der Kläger mit einem Visum zum Familiennachzug zu seiner in M. lebenden deutschen Ehefrau erneut in das Bundesgebiet ein und erhielt von der … … am 4. April 2014 eine bis zum 3. Oktober 2015 befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG, welche zuletzt eine Gültigkeit bis zum 16. September 2018 hatte. Seit dem 15. Mai 2017 ist der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis.
8
Am 26. Januar 2018 beantragte der Kläger bei der … … seine Einbürgerung und kreuzte hierbei im Rahmen einer „Erklärung zum Eintritt von Änderungen in den einbürgerungsrelevanten Tatsachen“ die Rubrik „im Rahmen von Einbürgerungen nach § 9 StAG – wegen deutschen Ehegatten bzw. Lebenspartnern“ an. In dem Fragebogen zum Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung gab er unter anderem an, weder Mitglied der „TKP-ML“, der „DHKP-C“ und der „PKK“ zu sein, noch diese Organisationen zu unterstützen.
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Am 3. August 2018 legte die … … der Regierung von Oberbayern (Regierung) die Einbürgerungsakte zur Entscheidung vor mit dem Hinweis „Die Einbürgerung wird befürwortet“.
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Mit Schreiben vom 1. Februar 2018 und vom 9. August 2018 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz der Regierung mit, dass in Bezug auf den Kläger keine Erkenntnisse vorlägen.
11
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2018 nahm das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zum Einbürgerungsantrag des Klägers nochmals Stellung und bat darum, den Kläger anzuhören. Hierbei seien seine aktuelle Gesinnung zu hinterfragen, seine Einstellung zur Gewaltanwendung zur Lösung politischer Konflikte abzufragen und insbesondere auf seine Haltung zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland einzugehen.
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Die einbürgerungsrechtliche Kurzbefragung durch die … … erfolgte am … … … Hierbei gab der Kläger ausweislich des in den Akten befindlichen und vom Kläger unterschriebenen Protokolls unter anderem an, kein Mitglied der „TKP-ML“, der „DHKP-C“ oder der „PKK“ zu sein oder gewesen zu sein. Die Demonstrationen vom … … … und vom … … … seien nicht illegal gewesen, es seien lediglich illegale Gruppen hinzugekommen. Er habe keinen Kontakt mit illegalen Organisationen, „vor allem seit 12-13 Jahren nicht“. Die „TKP-ML“ kenne er seit seiner Jugend noch, heute könne er nicht viel dazu sagen, da er diese Partei nicht kenne. Heute habe er keinen Kontakt mehr. Über die „DHKP-C“ wisse er überhaupt nichts. Die „PKK“ kämpfe für ein freies Kurdistan. Es sei eine linke Arbeiterpartei. Er habe vor dem Willen der Kurden Respekt, sei aber gegen den Einsatz von Waffen und gegen Terrorismus. Er sei gegen die „PKK“.
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Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration nahm mit Schreiben vom … … … Stellung. Die Angaben des Klägers seien nicht geeignet, sich glaubhaft von den belegten Unterstützungshandlungen zu distanzieren, selbst wenn diese bereits viele Jahre zurücklägen. Vor dem Hintergrund zahlreicher widersprüchlicher Angaben bei Behörden und der Vorlage falscher Unterlagen seien im Falle des Klägers an eine glaubhafte Distanzierung erhöhte Maßstäbe anzulegen. In Gesamtschau lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 StAG unterstützt habe. Eine glaubhafte Distanzierung liege nicht vor. Der Antrag sei zeitnah abzulehnen.
14
Mit Schreiben vom … … … hörte die Regierung den Kläger zu der beabsichtigten Ablehnung seines Antrags an.
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Mit Schreiben vom … … … bestellte sich der Klägerbevollmächtigte für den Kläger und nahm mit Schreiben vom … … … Stellung. Er brachte vor, dass die letzte Demonstration mit Berührungspunkten zu den in Rede stehenden Organisationen vor 24 Jahren stattgefunden habe. Eine glaubhafte Distanzierung liege vor.
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Mit Bescheid vom 3. September 2020 lehnte die Regierung den Einbürgerungsantrag des Klägers nach den §§ 8 und 9 StAG ab. Als Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG erfüllt sei. Hierzu wurden insbesondere die Mitgliedschaft des Klägers in der GKH die Teilnahme an den Demonstrationen … … … … … … … … … und die nach eigenen Angaben des Klägers zwischen Juli 1999 und Januar 2001 geleistete Untergrundarbeit für die MLKP angeführt. Damit lägen tatsächliche Anhaltspunkte vor, dass der Kläger Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt habe. Eine glaubhafte Distanzierung liege insbesondere unter Berücksichtigung des einbürgerungsrechtlichen Gespräches vom … … … nicht vor. Ferner erfülle der Kläger nicht die Grundvoraussetzung der Gewährleistung der Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse. Auf die weitere Begründung des Bescheids wird verwiesen.
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Gegen diesen Bescheid ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten am 6. Oktober 2020 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erheben mit dem sinngemäßen Antrag,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. September 2020 zu verpflichten, den Kläger einzubürgern.
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Die Regierung von Oberbayern – Prozessvertretung – zeigte mit Schreiben vom 5. November 2020 die Vertretung des Beklagten an und legte am 15. Juli 2021 die Behördenakten vor.
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Mit Schreiben vom 3. November 2023 wurde die Klage begründet. Der Klägerbevollmächtigte führte im Wesentlichen aus, dass der Kläger einen Anspruch auf Einbürgerung habe. Zum Zeitpunkt der Stellung seines Einbürgerungsantrages habe der Kläger keinerlei Verbindungen zu der „TKP-ML“, der „DKHP-C“ und der „PKK“ gehabt. Er habe sich bereits im Jahr 2018 substantiiert vom Engagement für diese Organisationen distanziert.
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Der Beklagte beantragt,
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Die Verwaltungsstreitsache wurde am 16. November 2023 mündlich verhandelt. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger unter anderem, dass er sich im Zeitraum von 1999 bis 2001 lediglich kulturell betätigt habe. Er habe zwar auch zu aktuellen politischen Ereignissen Zeitungsartikel verfasst, allerdings ohne Bezug zur „MLKP“. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2001 habe er ebenfalls kulturelle Aktivitäten in Kontakt mit der „MLKP“ gehabt. Eigentlich habe er schon seit seinem Fortgang aus Deutschland und seiner Rückkehr in die Türkei im Jahr 2001 keinen Kontakt zu illegalen Organisationen mehr gehabt. Die entsprechende Frage in der Befragung … … … … habe er möglicherweise falsch verstanden. Hinsichtlich des weiteren Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll vom selben Tag verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 3. September 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragte Einbürgerung in den deutschen Staatsverband nach § 8 Abs. 1 StAG (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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1. Maßgeblich für die von dem Kläger beantragte Einbürgerung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 2.14 – juris Rn. 10). Abzustellen ist mithin auf das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) vom 22. Juli 1913 i.d.F. d. Bek. vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1124), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 16. August 2023 (BGBl. I Nr. 217).
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2. Der Einbürgerung des Klägers steht der Ausschlussgrund des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entgegen.
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a) Nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG ist die Einbürgerung ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind, oder eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden, es sei denn, der Ausländer macht glaubhaft, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat. „Unterstützen“ ist dabei jede Handlung des Ausländers, die für Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG objektiv vorteilhaft ist, d. h. sich in irgendeiner Weise für diese positiv auswirkt. Dies muss für den Ausländer erkennbar sein. Er muss zudem zum Vorteil der genannten Bestrebung handeln wollen. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme der Unterstützung von Bestrebungen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG können sich nicht nur aus entsprechenden Handlungen des Ausländers ergeben, sondern auch aus dessen Zugehörigkeit zu einer Organisation und/oder aktiven Betätigung für eine Organisation, die ihrerseits Ziele i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG verfolgt. (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 15 ff.).
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Der Ausschlussgrund der Unterstützung von Bestrebungen nach § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG führt zu einer Vorverlagerung des Sicherheitsschutzes. Es genügt der durch konkrete Tatsachen begründete Verdacht einer solchen Unterstützung. Eines Nachweises, dass es zu einer Unterstützung derartiger Bestrebungen gekommen ist, bedarf es nicht. Ebenso wenig ist erforderlich, dass das Verhalten des Ausländers tatsächlich Erfolg hatte oder für einen Erfolg ursächlich war. Das Verhalten, dessen der Ausländer verdächtig ist, muss für den Fall, dass sich der Verdacht bestätigt, ein Unterstützen i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG darstellen. Einzelne Unterstützungshandlungen hindern als tatsächliche Anhaltspunkte die Einbürgerung zudem nur und erst dann, wenn sie nach Art und Gewicht geeignet sind, eine dauernde Identifikation des Ausländers mit diesen Bestrebungen zu indizieren. Ob nach diesen Grundsätzen eine tatbestandsmäßige Unterstützung gemäß § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG vorliegt, ist auf Grund einer wertenden Betrachtung der gesamten Begleitumstände einschließlich vergangener Handlungen oder Erklärungen zu beurteilen (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – juris Rn. 20 m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.10.2015 – 5 ZB 15.808 – juris Rn. 14).
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Bei der Beurteilung, ob die Anknüpfungstatsachen je für sich oder in ihrer Gesamtschau nach Inhalt, Art und Gewicht für die Annahme ausreichen, dass der Ausländer Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt oder unterstützt hat, steht der Einbürgerungsbehörde kein Beurteilungsspielraum zu. Das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes, einschließlich der Frage der glaubhaften Abwendung von verfassungsfeindlichen Bestrebungen, unterliegt vielmehr in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (BVerwG, U.v. 2.12.2009 – 5 C 24.08 – juris Rn. 17).
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b) Gemessen hieran hat der Kläger bei wertender Gesamtbetrachtung in der Vergangenheit zur Überzeugung des Gerichts auf Grund verschiedener Aktivitäten für die „Arbeiterpartei Kurdistans“ (PKK), die „Türkische Kommunistische Partei/Marxisten-Leninisten“ (TKP-ML) und die „Marxistische Leninistische Kommunistische Partei“(MLKP) Bestrebungen im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt.
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aa) Bei der PKK und deren Nachfolgeorganisationen handelt es sich um terroristische bzw. den Terrorismus unterstützende Vereinigungen (BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12.16 – juris Rn 37). Die PKK verfolgt gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Ziele i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 StAG und gefährdet die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 StAG.
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Die TKP-ML vertritt die Lehre des Marxismus-Leninismus, ergänzt um die Ideen Mao Tse-Tungs, befürwortet den bewaffneten Kampf als Grundform ihres Handelns und propagiert den bewaffneten Bürgerkrieg mit anschließender Bildung einer Volksregierung. Die TKP-ML erfüllt damit alle Voraussetzungen, die nach ständiger Rechtsprechung an eine terroristische Vereinigung im Ausland zu stellen sind (BGH, B.v. 12.11.2015 – AK 36/15 – juris Rn. 15). Aufgrund dessen ist die Annahme gerechtfertigt, dass die TKP-ML verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, indem sie – auch mit den Mitteln der Gewalt – eine marxistisch-leninistisch geprägte staatliche Ordnung anstrebt (HessVGH, B.v. 6.1.2006 – 12 ZU 3731/04 – juris Rn. 5). Dass die Aktivitäten dieser Partei vorrangig auf eine Änderung der Verhältnisse in der Türkei gerichtet sind, ist für die Bewertung im Rahmen des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StAG unbeachtlich. Denn für den Ausschluss des Einbürgerungsanspruchs genügt es, dass die verfolgten Bestrebungen ihrer Wesensart nach mit denen einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung unvereinbar sind (vgl. VG Darmstadt, U.v. 24.8.2007 – 5 E 47/07 (3) – juris Rn. 35).
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Die MLKP wurde 1994 in der Türkei durch einen Zusammenschluss der „Kommunistischen Partei der Türkei/Marxistisch-Leninistische Bewegung“ (TKP/ML-H) und der „Türkischen Kommunistischen Arbeiterbewegung“ (TKIH) gegründet. Ihr Ziel ist die gewaltsame Zerschlagung der staatlichen Ordnung in der Türkei sowie nach einer Übergangsphase der Diktatur des Proletariats die Errichtung eines kommunistischen Gesellschaftssystems. Die MLKP legitimiert Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ziele. So bekannte sich die Organisation in den letzten Jahren zu diversen Bombenanschlägen im Heimatland Türkei. Die Aktivitäten der MLKP und ihrer Umfeldorganisationen beschränken sich hierzulande auf die Rekrutierung neuer Mitglieder, die Sammlung von Spendengeldern für den Kampf in der Türkei und die propagandistische Kommentierung aktueller politischer Themen (Bundesamt für Verfassungsschutz, Türkische Linksextremisten und ihre Organisationen in Deutschland, S. 25 ff.). Wie die TKP-ML ist auch die MLKP als Organisation zu anzusehen, welche zumindest in der Vergangenheit sicherheitsgefährdende Bestrebungen verfolgt hat (vgl. VGH BW, B.v. 12.12.2005 – 13 S 2948/04 – juris Rn. 7). Dass auch die Aktivitäten dieser Partei vorrangig auf eine Änderung der Verhältnisse in der Türkei gerichtet sind, ist für die Bewertung unter Bezugnahme auf obige Ausführungen unbeachtlich.
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bb) Unter Zugrundelegung der vorliegenden Erkenntnisse hat der Kläger zur Überzeugung des Gerichts jedenfalls in der Vergangenheit politische Aktivitäten im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG entfaltet.
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Dies ergibt sich bereits aus dem eigenen Vorbringen des Klägers. So gab der Kläger im Rahmen des von ihm betriebenen Asylerstverfahrens unter anderem an, in der Türkei in den 90er Jahren für die GKH, die Jugendorganisation der TKP-ML, politisch tätig gewesen zu sein. Er habe unerlaubte Veranstaltungen besucht, Flugblätter verteilt und Transparente getragen. Die TKP-ML habe ihn bei der Ausreise aus der Türkei unterstützt; er plane, seine politische Tätigkeit in Deutschland fortzusetzen und habe bereits an acht Demonstrationen teilgenommen. In den von ihm geführten Asylfolgeverfahren erklärte der Kläger zudem, während seines Aufenthalts in der Türkei in den Jahren 1999 bis 2001 Untergrundarbeit für die MLKP geleistet zu haben.
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Im Rahmen der sicherheitsrechtlichen Befragung vom … … … verneinte der Kläger zwar eine gegenwärtige oder frühere Mitgliedschaft in der TKP-ML, DHKP-C und PKK, bestätigte durch seine weitere Aussage, „vor allem“ seit 12 bis 13 Jahren keinen Kontakt mehr zu illegalen Organisationen zu haben und die TKP-ML aus seiner Jugendzeit zu kennen, jedoch gleichzeitig vorangegangene Kontakte.
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Ferner hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, in den Jahren 1994 bis 2001 Demonstrationen besucht zu haben. Zudem hat er erklärt, während seines Aufenthalts in der Türkei in den Jahren 1999 bis 2001 Untergrundarbeit geleistet zu haben und auch nach seiner Rückkehr nach Deutschland im Jahr 2001 in Kontakt mit der MLKP in Form kultureller Aktivitäten gestanden zu sein.
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Bereits aus diesen Angaben geht hervor, dass der Kläger nicht nur während seiner Aufenthalte in der Türkei, sondern auch während seiner Aufenthalte in Deutschland die genannten Organisationen aktiv im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt hat.
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Dies wird bestätigt durch die vorliegenden polizeilichen Erkenntnisse, wonach der Kläger jedenfalls bis zum Jahr 1996 mehrfach an Kundgebungen und Demonstrationen teilgenommen hat, auf welchen unter anderem Symbole der PKK und der DHK-C sowie der MLKP gezeigt wurden.
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c) Der Umstand, dass die von dem Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen bereits längere Zeit zurückliegen, führt nicht zu einem Verwertungsverbot der entsprechenden Erkenntnisse.
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Allein der Zeitablauf führt zu keinem Verwertungsverbot. Anwendbar ist hingegen § 51 Abs. 1 BZRG. Dies gilt allerdings nicht für Taten, die nicht zu einer strafrechtlichen Verurteilung geführt haben (vgl. BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – juris Rn. 37 ff.).
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Auch bei Annahme eines Verwertungsverbots bezogen auf die Feststellungen in dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bingen vom 12. Juni 1997 (Demonstration vom 8. Januar 1996) ergeben sich aus den weiteren unter bb) genannten Handlungen des Klägers und insbesondere aus dessen oben aufgeführten eigenen Angaben in ausreichendem Umfang verwertbare Erkenntnisse zu in der Vergangenheit durch den Kläger geleisteten Unterstützungshandlungen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG.
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Diese verwertbaren Erkenntnisse rechtfertigen in ihrer Gesamtschau die Annahme, dass der Kläger zumindest in der Vergangenheit die genannten Organisationen im Sinne von § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt hat.
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3. Schließlich hat der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung auch nicht vollumfänglich und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdendem Handeln Abstand genommen. Ein Abstandnehmen in diesem Sinne setzt einen individuellen Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass mit hinreichender Gewissheit zukünftig ein sicherheitsgefährdendes Handeln des Betreffenden auszuschließen ist. Hierzu bedarf es eindeutiger Erklärungen und Verhaltensweisen, die zeigen, dass sich der Kläger nunmehr von zurückliegenden Aktivitäten erkennbar und aus innerer Überzeugung distanziert. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und daher künftig eine Verfolgung oder Unterstützung von sicherheitsgefährdenden Bestrebungen durch ihn auszuschließen ist. Der Ausländer muss in jedem Fall einräumen oder zumindest nicht bestreiten, in der Vergangenheit eine Bestrebung im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 1 StAG unterstützt zu haben. Er muss aber nicht seine in der Vergangenheit liegenden Handlungen bedauern, als falsch bzw. irrig verurteilen oder ihnen abschwören (BVerwG, U.v. 20.3.2012 – 5 C 1.11 – BVerwGE 142, 132-145, juris Rn. 47; VG München, U.v. 28.7.2021 – M 25 K 19.3159 – juris Rn. 37).
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Unter Heranziehung dieses Maßstabs ist vorliegend nicht von einem glaubhaften Abwenden des Klägers auszugehen. Das diesbezügliche klägerische Vorbringen in der mündlichen Verhandlung war widersprüchlich und erschöpfte sich in der Relativierung seiner Unterstützungshandlungen. So hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung seine Tätigkeiten als bloße kulturelle Aktivitäten dargestellt und sich damit in Widerspruch zu seinem Vorbringen gegenüber dem Bundesamt gesetzt. Seine Behauptung, die politischen Ziele der genannten Organisationen seien ihm nicht bekannt gewesen, ist angesichts der in der mündlichen Verhandlung zuvor getätigten Aussage, es sei für einen Menschen in der Türkei im Zeitraum 1999 bis 2001 nicht leicht gewesen, linke Auffassungen zu haben, sowie der Tatsache, dass der Kläger die von ihm geführten Asylverfahren sämtlich mit staatlicher Verfolgung aufgrund politischer Betätigung begründet hat, nicht glaubhaft. Zusammenfassend ist festzustellen, dass weder eine kritische Auseinandersetzung des Klägers mit den Zielen der genannten Organisationen und seiner bisherigen Einstellung, noch eine aus innerer Überzeugung erfolgte Distanzierung von seinen zurückliegenden Aktivitäten erkennbar ist.
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Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO