Titel:
Bewertung des zweiten juristischen Staatsexamens
Normenkette:
JAPO § 30 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Schließt sich der Zweitkorrektor der Begründung des Erstkorrektors an, genügt eine kurze Bemerkung, einverstanden zu sein. Weicht der Zweitkorrektor in wesentlichen Punkten ab, muss er dies deutlich darstellen und die Konsequenzen für die Notenvergabe begründen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Wiedergabe des angegriffenen Urteils sowie die Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens genügt nicht den Darlegungsanforderungen an eine Berufungszulassung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweites Juristisches, Staatsexamen, Begründung von Prüfungsbewertungen, Abweichende Bewertung des Zweitprüfers, Darlegungsanforderungen an Berufungszulassung
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 05.12.2022 – B 3 K 21.506
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35973
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger nahm im Termin 2020/2 an der Zweiten Juristischen Staatsprüfung teil.
2
Mit Bescheid vom 6. April 2021 teilte ihm das Bayerische Staatsministerium der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – mit, er habe in der schriftlichen Prüfung einen Gesamtdurchschnitt von 3,63 Punkten (mangelhaft), damit nicht den erforderlichen Gesamtdurchschnitt von mindestens 3,72 Punkten erreicht und daher die Prüfung nicht bestanden. Die einzelnen Aufgaben wurden wie folgt bewertet:
3
Aufgabe
|
1
|
2
|
3
|
4
|
5
|
6
|
7
|
8
|
9
|
10
|
11
|
Punktzahl
|
4,5
|
2,0
|
4,0
|
4,0
|
2,5
|
2,0
|
2,0
|
4,0
|
2,0
|
6,0
|
7,0
|
4
Der Kläger wandte sich im Rahmen eines verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens gegen diesen Prüfungsbescheid und beantragte, den Beklagten zu verpflichten, ihm zu gestatten, die Zweite Juristische Staatsprüfung zu wiederholen, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, die Aufsichtsarbeiten 1, 2, 5, 6, 7 und 9 neu zu bewerten. Seine mit Schriftsatz an das Landesjustizprüfungsamt vom 12. Mai 2021 im Wege des Überdenkungsverfahrens erhobenen Einwendungen gegen die Bewertung dieser Prüfungsaufgaben gemäß § 14 Abs. 3 JAPO wies das Landesjustizprüfungsamt mit Schreiben vom 18. Mai 2021 als verfristet zurück. Einen Antrag des Klägers gemäß § 12 JAPO vom 14. Juni 2021 auf Neuanfertigung der Prüfungsaufgaben wegen Mängeln im Prüfungsverfahren lehnte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 19. Juli 2021 als verfristet ab. Gegen diesen erhob der Kläger ebenfalls Klage.
5
Mit Urteil vom 5. Dezember 2021 wies das Verwaltungsgericht die Klage vollumfänglich ab. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig, die behaupteten Verfahrens- und Bewertungsfehler lägen nicht vor. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf Wiederholung der Zweiten Juristischen Staatsprüfung noch einen Anspruch auf Neubewertung der Aufgaben Nr. 1, 2, 5, 6, 7 und 9.
6
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter, hinsichtlich der begehrten Neubewertung jedoch lediglich bezogen auf die Aufgaben Nr. 1, 2, 5 und 6.
7
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
8
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
9
Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 4 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
10
A. Der Kläger zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf.
11
Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
12
Durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
13
I. Der Kläger hatte erstinstanzlich beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 6. April 2021 und vom 19. Juli 2021 zu verpflichten, ihm die Wiederholung der Aufgaben Nr. 1, 2, 5, 6, 7 und 9 zu gestatten, hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, diese Klausuren unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und neu zu bescheiden. Gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts bezüglich der Abweisung seines Hauptantrags macht der Kläger im Zulassungsantrag ausdrücklich keine ernstlichen Zweifel i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend. Zum „Antrag auf Neuanfertigung“ verhält sich der Zulassungsantrag ausschließlich im Rahmen der Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124a Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
14
Sollte der Kläger mit dem dortigen Vorbringen der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der insoweit vom Verwaltungsgericht getroffenen Entscheidung geltend machen wollen, verhilft dies seinem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Denn das diesbezügliche Zulassungsvorbringen ist unzureichend. Es erstreckt sich über gut drei Seiten auf die wortgetreue Wiedergabe des angegriffenen Urteils sowie über weitere acht Seiten auf die Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens. Damit genügt der Kläger den sich aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ergebenden Darlegungsanforderungen nicht. Auch die weiteren zwar wortreichen, aber weitgehend inhaltslosen Ausführungen lassen eine vertiefte Auseinandersetzung mit den ausführlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zu § 12 JAPO vermissen. Zudem vermag der Kläger mit seinem Einwand, es sei nicht nachzuvollziehen, warum eine Rügepflicht auch für solche Fehler gelten solle, die der Prüfungsbehörde positiv bekannt oder von ihr sogar selbst zu verantworten seien, keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung aufzuzeigen. Denn dieser Einwand verkennt, dass die Prüfungsbehörde nur bei offenkundigen Störungen im Prüfungsablauf von Amts wegen die erforderlichen Maßnahmen der Abhilfe oder des Ausgleichs der Störung treffen muss (Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht 8. Aufl. 2022, Rn. 475, 478 m.w.N.). Soweit der Kläger meint, in anderen Bundesländern gebe es keine § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO entsprechenden Regelungen und hierin einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkennt, übersieht er, dass mit dem Gleichheitssatz nicht föderale Differenzierungen überwunden werden können. Ein einzelner Grundrechtsträger hat einen Anspruch auf Gleichbehandlung nur gegenüber dem nach der Kompetenzverteilung konkret zuständigen Träger öffentlicher Gewalt.
15
II. Auch soweit der Kläger die Aufhebung des Prüfungsbescheids vom 6. April 2021 und die Verpflichtung der Prüfungsbehörde begehrt, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgaben fortzusetzen, bleibt der Zulassungsantrag ohne Erfolg.
16
Prüfungsbewertungen sind wegen des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (seit BVerwG, U.v. 24.4.1959 – VII C 104.58 – juris Rn. 18; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – juris Rn. 55). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt die Frage, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verletzt haben oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben dabei aber der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2021 – 7 ZB 20.922 – juris Rn. 18; B.v. – 7 ZB 08.996 – juris Rn. 21).
17
Hieran gemessen hat das Verwaltungsgerichts richtig entschieden.
18
1. Gegen die Korrektur von Aufgabe Nr. 1 bringt der Kläger im Wesentlichen vor, der Zweitkorrektor begründe seine vom Erstvotum abweichende, schlechtere Bewertung nicht, weil er lediglich die vom Erstkorrektor aufgezeigten Mängel wiederhole. Eine Abwägung der negativen mit den positiven Gesichtspunkten als Voraussetzung einer fairen Bewertung durch den Zweitkorrektor habe nicht stattgefunden. Zudem stelle die Bewertung des Zweitkorrektors eine unzulässige Doppelverwertung dar. Der Zweitkorrektor habe nicht argumentiert, warum die Feststellung des Erstkorrektors in dessen Gutachten, wonach die Arbeit „aber im Gesamtvergleich noch den durchschnittlichen Anforderungen“ entspricht, nicht zutreffe.
19
a) Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist insoweit bereits deshalb ausgeschlossen, da dieses Zulassungsvorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Das Verwaltungsgericht hat zu den gerügten Punkten im angegriffenen Urteil umfassende Feststellungen getroffen. Mit diesen hätte sich der Kläger substantiiert auseinandersetzen und ihnen mit schlüssigen Argumenten entgegentreten müssen. Hieran fehlt es. Die Ausführungen des Klägers lassen jede Begründung vermissen, aus welchen Gründen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Die Zulassungsbegründung erschöpft sich in seitenlanger Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils und der ebenfalls wörtlichen Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens. Der Kläger benennt ohne weitere Begründung angebliche Mängel und beschränkt sich darauf, seine eigene Rechtsauffassung anstelle der des Verwaltungsgerichts zu setzen. Eine vertiefte, argumentative juristische Auseinandersetzung mit den ausführlichen gerichtlichen Feststellungen zu den angegriffenen Punkten unterbleibt. Damit wird er seiner Darlegungspflicht nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht im Ansatz gerecht.
20
b) Abgesehen davon bestehen bezüglich Aufgabe Nr. 1 keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Insbesondere hat der Zweitkorrektor seine um einen Punkt nach unten abweichende Korrekturentscheidung ausreichend begründet. Die Anforderungen an die Begründungspflicht einer Prüfungsbewertung (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 21.7.2021 – 7 ZB 20.922 – juris Rn. 24 m.w.N.) gelten auch für den Zweitkorrektor. Soweit dieser sich jedoch der Begründung des Erstkorrektors anschließt, muss er diese nicht in anderen Worten wiederholen, sondern es genügt eine kurze Bemerkung, einverstanden zu sein. Weicht der Zweitkorrektor in wesentlichen Punkten ab, muss er dies besonders deutlich darstellen und die Konsequenzen für die Notenvergabe begründen (vgl. Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, Rn. 711). Hieran gemessen ist die Begründung der Prüfungsbewertung des Zweitkorrektors nicht zu beanstanden. Er nimmt zunächst auf die Ausführungen in der Erstbewertung Bezug und macht sich damit auch deren Abwägung von positiven und negativen Aspekten der Prüfungsarbeit zu eigen. Sodann stellt er ausführlich dar, worin aus seiner Sicht zusätzliche Mängel bestehen und inwieweit diese eine Abwertung gegenüber der Erstbewertung rechtfertigen. Entgegen dem klägerischen Vorbringen liegt hierin kein Widerspruch der Prüfervoten. Erst- und Zweitkorrektor bewerten die Prüfungsarbeit selbständig (§ 30 Abs. 1 Satz 1 JAPO). Der Kläger verkennt zudem, dass in den „zusätzlichen“ Ausführungen des Zweitkorrektors keine unzulässige Doppelverwertung liegt, sondern dieser damit eine (weitere) Begründung seiner eigenen Prüfungsbewertung vornimmt. Dem Zweitprüfer ist unbenommen, in Ausschöpfung seines Bewertungsspielraums zu einer anderen Einschätzung der Leistung des Prüflings zu kommen.
21
Der Einwand des Klägers, der Zweitkorrektor habe kein Argument dafür angeführt, warum die Feststellung des Erstkorrektors, die Arbeit entspreche im Gesamtvergleich noch den durchschnittlichen Anforderungen, nicht zutreffend sei, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Eine derartige Begründung ist schon deshalb nicht erforderlich, weil die Arbeit auch nach der Bewertung des Zweitkorrektors trotz ihrer Mängel noch durchschnittlichen Anforderungen entspricht (§ 1 Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung v. 3.12.1981). Zudem ist es nicht Aufgabe der Zweitkorrektur, die Erstkorrektur zu bewerten.
22
2. Gegen die Bewertung von Aufgabe Nr. 2 bringt der Kläger im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Prüfer überzogene Anforderungen an das „Bestehen einer Leistung“ gestellt habe, zumindest fehle es an einer hinreichenden Bewertungsbegründung. Die Korrektur weise insgesamt 23 Haken auf, es sei nicht zu erkennen, dass die Vielzahl zutreffender Ergebnisse geeignet sein könnte, diese positiven Bewertungen auf die Note „mangelhaft“ abzuwerten.
23
a) Auch dieses Vorbringen genügt schon nicht den Anforderungen an die Darlegungspflicht gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Der Kläger referiert knapp seine eigene Rechtsauffassung, ohne sich überhaupt mit den ausführlichen Feststellungen der angegriffenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung zu Aufgabe Nr. 2 auseinanderzusetzen. Gründe, die zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils führen, legt der Kläger damit nicht dar.
24
b) Darüber hinaus bestehen keine Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung. Die angegriffene Erstkorrektur ist ausreichend begründet. Sie besteht aus einer vorangestellten zweiseitigen Lösungsskizze in Form einer Gliederung, in der der Inhalt der Bearbeitung der klägerischen Falllösung mit Bemerkungen und üblichen Korrekturzeichen vermerkt wurde, sowie einer zusammenfassenden Würdigung. Insbesondere wird aus der Lösungsskizze zweifellos deutlich, welchen Aufbau der Prüfer vorausgesetzt hat und welche Einzelfragen zu erörtern gewesen wären. Anhand der Vielzahl der auf der Lösungsskizze vermerkten (negativen) Prüferbemerkungen wird ersichtlich, dass der Kläger einen Großteil der Klausurprobleme nicht erkannt oder nicht zutreffend bearbeitet hat. Dass sich dies nachteilig auswirkt, liegt auf der Hand, zudem weist der Erstkorrektor in seiner zusammenfassenden Würdigung ausdrücklich auf diese „Auslassungen und Aufbaumängel“ hin. Die Bemerkungen in der Lösungsskizze sowie die Korrekturbemerkungen in der Prüfungsaufgabe sind hinreichend konkret und verständlich und ermöglichen daher dem Kläger eine Reflexion seiner Prüfungsleistung als unvollständig bzw. nur teilweise (zu) treffend.
25
Mit seinem knapp formulierten und nicht weiter begründeten Einwand, der Erstprüfer habe seinen Bewertungsspielraum überschritten, weil er positive Aspekte der Arbeit nicht hinreichend gewürdigt und überzogene Anforderungen an die Schwellennote „ausreichend“ gestellt habe, vermag der Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu wecken. Wie ausgeführt, kommt dem Prüfer ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zu. Dieser bezieht sich auf die Wertungen, wie der Prüfungsteilnehmer die Anforderungen der konkreten Aufgabe bewältigt hat, ob die von der Aufgabenstellung fachlich aufgeworfenen Fragen vollständig oder nur lückenhaft erkannt wurden sowie die Gewichtung der Schwere einzelner Fehler und einzelner positiver Ausführungen. Denn derartigen Wertungen liegt die Einschätzung des Prüfers zugrunde, welche Anforderungen die konkrete Aufgabenstellung an die Bearbeitung stellt. In Bezug auf diese prüfungsspezifischen Wertungen sind die Verwaltungsgerichte darauf beschränkt nachzuprüfen, ob der Prüfer die Prüfungsaufgabe und die Prüfungsleistung vollständig und richtig zur Kenntnis genommen hat, keine sachwidrigen Erwägungen in die Bewertung hat einfließen lassen, seine autonomen Bewertungsmaßstäbe einheitlich angewandt und allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet hat. Schließlich müssen die prüfungsspezifischen Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein; sie dürfen insbesondere keine inhaltlichen Widersprüche enthalten (vgl. BVerwG, B.v. 9.12.2020 – 6 B 35.20 – juris Rn. 13 m.w.N.; Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, Rn. 635). Eine Überschreitung dieses Bewertungsspielraums durch unzutreffende Gewichtung einzelner Aufgabenbestandteile ist vorliegend weder erkennbar noch bringt der Kläger allein mit dem Hinweis, die Korrektur weise 23 Haken auf, hierfür Substantiiertes vor. Die „Zusammenfassende Würdigung“ der Erstkorrektur berücksichtigt mehrfach auch positive Aspekte der Prüfungsarbeit und setzt sie zu den überwiegend negativen Aspekten ins Verhältnis. Dies ist nicht zu beanstanden. Welche Anforderungen für eine „ausreichende“ Prüfungsleistung erforderlich sind, gehört zum Kernbereich prüfungsspezifischer Bewertungsmaßstäbe und Bewertungsgrundsätze. Der Kläger hat keinerlei Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass der Prüfer bei der Korrektur und/oder der Einordnung der klägerischen Prüfungsarbeit diesen Bewertungsspielraum überschritten hätte.
26
3. Hinsichtlich der Bewertung von Aufgabe Nr. 5 rügt der Kläger das „unzureichend abweichende Zweitvotum“. Der Zweitkorrektor komme im Vergleich zum Erstkorrektor zu einer Abwertung um einen Punkt, ohne eine Abwägung mit den gelungenen Gesichtspunkten der Arbeit vorzunehmen.
27
Mit diesen Ausführungen kommt der Kläger auch bezüglich Aufgabe Nr. 5 den sich aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ergebenden Darlegungspflichten nicht nach. Gemessen an den unter 1b) dargestellten Grundsätzen ist die Begründung der Zweitkorrektur – hierauf zielen die klägerischen Ausführungen wohl ab – nicht zu beanstanden. Es ist dem Zweitkorrektor unbenommen und Ausdruck seines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums, zu einer insgesamt schlechteren Bewertung der Prüfungsarbeit zu kommen (§ 30 Abs. 1 Satz 1 JAPO). Ob er im Vergleich zur Erstkorrektur weitere oder andere Aspekte der Prüfungsarbeit rügt, ist entgegen der klägerischen Ansicht nicht relevant. Vorliegend „teilt“ der Zweitkorrektor zunächst die Feststellungen der Erstbewertung, gelangt aber zu einer um einen Punkt nach unten abweichenden Gesamtbewertung der Prüfungsleistung. Er begründet dies ausführlich unter Aufzählung „zahlreich[er] und tiefgreifend[er]“ Mängel. Indem sich der Zweitkorrektor der Erstkorrektur anschließt, macht er sich deren Inhalt zu eigen. Eine ausdrückliche Wiederholung der dort dokumentierten positiven und negativen Aspekte ist damit für den Zweitkorrektor nicht erforderlich. Soweit die Zulassungsbegründung pauschal und ohne weitere Begründung auf „dieselben Fehler wie bei der Begründung des Zweitvotanten bei der Klausuraufgabe 1“ Bezug nimmt, wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.
28
4. Gegen die Bewertung von Aufgabe Nr. 6 bringt der Kläger vor, sowohl Erst- als auch Zweitkorrektur ließen eine Abwägung von richtig Bearbeitetem und Fehlendem sowie Fehlerhaftem vermissen. Dies habe das Verwaltungsgericht verkannt.
29
Der Kläger beschränkt sich dabei auf lediglich formelhafte Rügen der Prüfungsbewertung, ohne sich mit dieser inhaltlich substantiiert auseinanderzusetzen. Ein Bewertungsfehler ergibt sich auch aus diesem Vorbringen nicht. Das ausführliche Erstvotum gibt zu erkennen, dass die Erstkorrektorin die Prüfungsleistung des Klägers umfassend zur Kenntnis genommen hat. Ihr Votum besteht aus einer zweiseitigen Lösungsskizze in Form einer Gliederung, auf der sie die positiven und negativen Aspekte der Bearbeitung der klägerischen Falllösung mit Bemerkungen und unter Verwendung der üblichen Korrekturzeichen ausdrücklich vermerkt hat, sowie einer halbseitigen zusammenfassenden Würdigung. Auch in dieser nimmt die Erstkorrektorin auf gelungene Bestandteile der Arbeit explizit Bezug. Gleichwohl gelangt sie innerhalb ihres Beurteilungsspielraums nicht zu einer besseren Bewertung der klägerischen Leistung. Dies ist nicht zu beanstanden. Aus diesen Gründen dringt der Kläger auch mit seiner stichwortartigen Rüge an der Zweitkorrektur, die sich mit der Erstkorrektur „einverstanden“ erklärte, nicht durch.
30
B. Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten scheidet bereits deshalb aus, weil der Kläger seiner Darlegungspflicht aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO auch insoweit nicht nachkommt. Auch die Darlegung besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten erfordert, dass der Rechtsmittelkläger sich mit dem verwaltungsgerichtlichen Urteil substanziell auseinandersetzt und deutlich macht, in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt das Urteil zu beanstanden ist. Hieran fehlt es vorliegend. Allein eine seitenlange wörtliche Wiedergabe der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils leistet dies nicht.
31
Zudem weist die Rechtssache weder besondere rechtliche noch tatsächliche Schwierigkeiten auf. Solche liegen vor, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt (vgl. Happ, a.a.O., § 124 Rn. 33). Allein die Bezugnahme auf den Begründungsaufwand der erstinstanzlichen Entscheidung genügt für die Annahme besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nicht. Dafür, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht besonders unübersichtlich oder besonders schwierig zu ermitteln ist, ist nicht ausreichend vorgetragen.
32
C. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nichtrevisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 4 ZB 19.1671 – juris Rn. 10 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung substantiiert darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
33
Diesen Darlegungsanforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht. Bezüglich beider aufgeworfener Themenkomplexe („Antrag auf Neuanfertigung“, „Bewertungen – Unzulässigkeit halber Punkte“) fehlt es bereits an der Formulierung einer konkreten Frage.
34
D. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO in Gestalt einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zuzulassen.
35
Der Kläger rügt vorliegend stichwortartig und ohne weitere juristische Argumentation die Versagung rechtlichen Gehörs mit dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe entscheidungserheblichen Sachverhalt „nicht gesehen“. Zur Begründung verweist er auf vorangegangene Ausführungen und die in der Zulassungsbegründung umfangreich wörtlich zitierten Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts sowie eigenes erstinstanzliches Vorbringen. Damit gelingt es ihm nicht, das Vorliegen eines Verfahrensmangels durch die Verletzung rechtlichen Gehörs hinreichend darzulegen.
36
Das Darlegungsgebot in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO hält den Rechtsmittelführer an, sorgfältig zu prüfen, ob er das Rechtsmittel überhaupt einlegen möchte und ob es dafür die in § 124 Abs. 2 VwGO gesetzlich vorgesehenen Gründe gibt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 54). Hierzu muss er sich vertieft mit der angegriffenen Entscheidung auseinandersetzen und den in Anspruch genommenen Zulassungsgrund substanziell erörtern. Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofs, durch eine Interpretation des Zulassungsvortrags dasjenige zu gewinnen, was möglicherweise zur Darlegung geeignet sein könnte (vgl. zu § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, BVerwG, B.v. 11.4.2017 – 4 B 11.17 – juris Rn. 4; Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 57 ff. m.w.N.).
37
Zudem liegt ein Gehörsverstoß nicht vor. Der Anspruch der Prozessbeteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gewährleistet das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (vgl. BVerfG, B.v. 15.4.1980 – 2 BvR 827/79 – juris Rn. 22; Kraft in Eyermann, VwGO, § 138 Rn. 32 m.w.N.). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, zumal es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.1998 – 8 B 132.08 – juris Rn. 6). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falls deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich. Auch der Kläger hat hierfür nichts von Substanz vorgebracht.
38
E. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO).
39
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).