Inhalt

VGH München, Urteil v. 28.09.2023 – 24 B 22.2261
Titel:

Zur Kostenerstattung für eine freiwillige Rehabilitationsmaßnahme

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 33 Abs. 5
BeamtStG § 29 Abs. 4
BBG § 46 Abs. 4 S. 4
BeamtRVV Achter Absch. Nr. 4.2
Leitsatz:
Für die Erstattung von Kosten für eine freiwillig durchgeführte stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Vermeidung einer dauernden Dienstunfähigkeit bei einem noch aktiven Landesbeamten (über die private Krankenversicherung und die Beihilfestelle hinaus) gibt es keine Rechtsgrundlage. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beamter im Vollzugsdienst der Bayerischen, Polizei, Erstattungsfähigkeit von Kosten einer freiwillig durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme, Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, keine vorangegangene Anordnung durch den Dienstherrn, nicht feststehende Geeignetheit der Maßnahme zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit, Landesbeamter, Kostenerstattung, Rehabilitationsmaßnahme, freiwillig, Dienstfähigkeit, Wiederherstellung, Anordnung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 17.05.2022 – RN 12 K 20.608
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 13.05.2024 – 2 B 4.24
Fundstelle:
BeckRS 2023, 35962

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Gläubiger vorher Sicherheit leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.   

Tatbestand

1
Der 1961 geborene Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, soweit diese nicht bereits von seiner privaten Krankenversicherung und der Beihilfestelle des Beklagten erstattet wurden.
2
Der Kläger, Beamter im Vollzugsdienst der Bayerischen Polizei, war von September 2017 bis September 2019 dienstunfähig erkrankt. Im Rahmen seiner Behandlung und zum Zwecke der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit befand er sich vom 11. Juni 2019 bis 9. Juli 2019 in der … Fachklinik … zur stationären Behandlung. Von den hierfür entstandenen Kosten i.H.v. 5.511,22 EUR erstattete seine private Krankenversicherung 1.143,30 EUR und die Beihilfestelle 2.755,61 EUR. Mit Schreiben vom 11. November 2019 beantragte der Kläger beim Beklagten, die ausstehende Differenz i.H.v. 1.612,31 EUR zu erstatten.
3
Mit Schreiben vom 25. November 2019 lehnte das Polizeipräsidium N. den Antrag mit der Begründung ab, dass es sich bei der stationären Behandlung um eine vom Kläger selbst durchgeführte, nicht aber durch den Dienstherrn angeordnete Rehabilitationsmaßnahme gehandelt habe. Mit weiterem Schreiben vom 3. Januar 2020 hielt das Polizeipräsidium N. an der Ablehnung fest.
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Die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg mit Urteil vom 17. Mai 2022 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch aus § 29 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. den VV-BeamtR auf Erstattung der nicht gedeckten Kosten der durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme. Gemäß Nr. 4.3.1 Satz 1 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR sei eine Kostentragungspflicht des Dienstherrn nur für angeordnete Maßnahmen vorgesehen. Weder das polizeiärztliche Gesundheitszeugnis vom 19. März 2019 noch das polizeiärztliche Zeugnis zur stationären Rehabilitationsbehandlung vom 12. April 2019 enthielten eine solche Anordnung. Die Verwaltungsvorschriften seien hinreichend bestimmt und beschränkten keine gesetzlichen Ansprüche des Klägers, da § 29 Abs. 4 BeamtStG keinen Kostenerstattungsanspruchs der Beamten vorsehe. § 46 Abs. 4 Satz 4 BBG sei zwar mit der hiesigen Konstellation vergleichbar, aber wegen des abweichenden Regelungsgehalts nicht anwendbar. Ein Verstoß gegen die Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) sei nicht erkennbar. Ein Anspruch auf weitere Beihilfe scheide aus, da dem Kläger eine dem Beihilfebemessungssatz von 50 v.H. entsprechende Beihilfe i.H.v. 2.755,61 EUR gewährt worden sei. Weder aus Art. 128 BayBG noch aus § 45 BeamtStG ergebe sich ein Anspruch auf Kostenübernahme.
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Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Senat zugelassenen Berufung und macht geltend, er habe Anspruch auf Erstattung der ausstehenden Kosten. Die Erstattungsfähigkeit setze nur voraus, dass die Rehabilitationsmaßnahme medizinisch indiziert und zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit geeignet sei. Vorliegend habe der polizeiärztliche Dienst die betreffende Maßnahme befürwortet, sodass der Kläger zu deren Wahrnehmung dienstrechtlich verpflichtet gewesen sei und dies als verbindliche Handlungsanweisung habe verstehen dürfen. Die Pflicht des Beamten, seine Dienstfähigkeit wiederherzustellen, korrespondiere mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß Art. 33 Abs. 5 GG, die dafür notwendigen Maßnahmen zu ermöglichen. Das Abstellen des Beklagten auf eine ausdrückliche Anordnung gemäß den Verwaltungsvorschriften sei falsch und reiner Formalismus. Die Verwaltungsvorschriften wirkten lediglich nach innen und regelten das Verfahren und die Zuständigkeit, schlössen aber nicht aus, dass eine entsprechende Anordnung sich aus den Umständen des konkreten Einzelfalls aufgrund schlüssigem Verhalten ergeben könne.
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Der Kläger beantragt,
7
das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 17. Mai 2022 – RN 12 K 20.608 – aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, 1.612,31 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er trägt vor, weder sei die Rehabilitationsmaßnahme vom Dienstherrn angeordnet, noch sei von polizeiärztlicher Seite eine Indikation zur Behandlung gestellt worden. Für die vom Kläger begehrte Kostenerstattung fehle es an einer Rechtsgrundlage; eine solche folge auch nicht aus dem Gebot der Fürsorge. Die bloße polizeiärztliche Befürwortung einer vom Beamten selbst beabsichtigten Maßnahme sei nicht ausreichend. Zudem sei die inmitten stehende Maßnahme aus Sicht des Ärztlichen Dienstes des Polizeipräsidiums N. gerade nicht zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers notwendig gewesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung, die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die stationäre Rehabilitationsmaßnahme vom 11. Juni bis 9. Juli 2019, die nicht bereits von seiner privaten Krankenversicherung und der Beihilfestelle des Beklagten erstattet wurden.
I.
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Die zulässige Klage ist unbegründet, da weder eine einfachgesetzliche Rechtsgrundlage noch ein unmittelbarer Anspruch aus den Verwaltungsvorschriften für die inmitten stehende Kostenerstattung ersichtlich ist (1.). Auch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Art. 33 Abs. 5 GG ergibt sich kein Erstattungsanspruch (2.). Auch ein Anspruch aus Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. Art. 3 GG besteht nicht (3.).
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1. Der Kläger hat weder aus § 29 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG) – i.d.F. der Bek. vom 17. Juni 2008 (BGBl I S. 1010), zum Zeitpunkt der Leistungserbringung zuletzt geändert mit Gesetz vom 29. November 2018 (BGBl I S. 2232) (a.), noch aus § 46 Abs. 4 Satz 4 des Bundesbeamtengesetzes – BBG – i.d.F.d. Bek. vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Oktober 2016 (BGBl I S. 2362) (b), noch aus dem Bayerischen Beamtengesetz i.d.F. d. Bek. vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500) – BayBG – (c) einen Kostenerstattungsanspruch. Auch aus den in Bayern zu § 29 BeamtStG ergangenen Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (VV-BeamtR) gemäß Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen vom 13. Juli 2009 (FMBl S. 190) – dort Nr. 4.3 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR – ergibt sich kein unmittelbarer Erstattungsanspruch (d.)
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a) Aus § 29 BeamtStG ergibt sich keine Erstattungspflicht des Beklagten. Gemäß § 29 Abs. 4 BeamtStG sind wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzte Beamte verpflichtet, sich geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit zu unterziehen. § 29 BeamtStG regelt im Übrigen, welche Konsequenzen die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des dienstunfähigen, zwangspensionierten Beamten haben kann und trägt damit dem hergebrachten Grundsatz Rechnung, dass der Beamte stets seine gesamte Persönlichkeit und seine volle Arbeitskraft mit vollem Einsatz dem Dienstherrn zur Verfügung zu stellen hat (Heid in Brinktrine/Schollendorf, BeckOK Beamtenrecht Bund, Stand 15.7.2023, § 29 BeamtStG Rn. 1).
16
Vorliegend war der Kläger bereits nicht in den Ruhestand versetzt worden, sondern weiterhin im aktiven Dienst. Außerdem kennt § 29 BeamtStG keine Kostenübernahmepflicht für den Dienstherrn für die erforderlichen gesundheitlichen und beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen wie in § 46 Abs. 4 Satz 4 BBG vorgesehen.
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b) Ebenso wenig kann sich ein Anspruch des Klägers aus § 46 Abs. 4 Satz 4 BBG ergeben, da dieses Gesetz ausweislich § 1 BBG nur auf Beamte des Bundes Anwendung findet, während der Kläger ein Beamter des Freistaates Bayern ist. Eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung liegt hierin angesichts des bestehenden föderalen Systems nicht; dieses ermöglicht innerhalb des Kompetenzbereiches des Bundes und der Länder ausdrücklich unterschiedliche Regelungen (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2015 – 1 BvR 931/12 – juris Rn. 61)
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c) Ein Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Bayerischen Beamtengesetz. Dort ist keine Anspruchsgrundlage für die Erstattung von Kosten für eine freiwillig durchgeführte Maßnahme zur Vermeidung einer dauernden Dienstunfähigkeit bei einem (noch aktiven) Landesbeamten normiert (anders etwa § 48 Beamtengesetz des Landes Sachsen-Anhalt, das die Notwendigkeit einer vorherigen Genehmigung vorsieht).
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d) Der Kläger kann aus den Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht schon deshalb keinen Erstattungsanspruch für sich ableiten, weil dort die Erstattung von Kosten für eine freiwillige Durchführung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit nicht geregelt ist. Zwar hat der Beklagte für Landesbeamte die in § 29 Abs. 4 BeamtStG normierte Pflicht des in den vorzeitigen Ruhestand versetzten Beamten zur Teilnahme an geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit auf auch (vorübergehend) dienstunfähige aktive Beamte erweitert, sofern hierdurch eine Versetzung in den Ruhestand vermieden werden kann, vgl. Nr. 4.1 Satz 2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR. So sieht Nr. 4.2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR die Befugnis des Dienstherrn vor, den Beamten unter bestimmten Voraussetzungen zu verpflichten, sich einer konkreten Maßnahme zu unterziehen. Nachdem die vorgesehene Kostenerstattung ausdrücklich nur diejenigen Fälle erfasst, in denen zuvor eine entsprechende Maßnahme durch den Dienstherrn angeordnet worden ist, und vorliegend eine solche unstrittig nicht ergangen ist, kann der Kläger keinen Erstattungsanspruch aus § 29 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. Nr. 4.3.1 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR ableiten.
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2. Auch unmittelbar aus der verfassungsrechtlich verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn aus Art. 33 Abs. 5 GG kann der Kläger vorliegend keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten ableiten.
21
a) Die Verfassung garantiert das Berufsbeamtentum als eine Institution der öffentlich-rechtlich verfassten Staatsordnung in ihrem Bestand, ihren prägenden und funktionswesentlichen Elementen und ihrer Besonderheit gegenüber sonstigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Maßgeblich für Art und Inhalt des Beamtenverhältnisses sind die Eigenart und Funktion des Berufsbeamtentums zur Geltung bringenden hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), die als Direktiven dem Gesetzgeber die Verwirklichung und Sicherung der verfassungsrechtlichen Garantie aufgeben (Badura in Dürig/Herzog/Scholz, 101. EL Mai 2023, GG Art. 33 Rn. 50). Art. 33 Abs. 5 GG enthält einen Regelungsauftrag an den Gesetzgeber sowie eine institutionelle Garantie des Berufsbeamtentums und begründet darüber hinaus ein grundrechtsgleiches Recht der Beamten, soweit ein hergebrachter Grundsatz deren persönliche Rechtsstellung betrifft (Badura a.a.O. Rn. 53). Der in Art. 33 Abs. 5 GG normierte Grundsatz der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ist das Korrelat zu dem hergebrachten Grundsatz der Treuepflicht des Beamten. Die Fürsorgepflicht ergänzt die – ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete – Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie etwa bei Krankheit sicherstellt (BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 – juris Rn. 24). Ob der Dienstherr seine Fürsorgepflicht in Krankheitsfällen über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen aber seiner Entscheidung überlassen (BVerfG, B.v. 15.12.2009 – 2 BvR 1978/09 – juris Rn. 7).
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Aus der Fürsorgepflicht können sich ohne einfachgesetzliche Konkretisierung grundsätzlich keine Leistungsansprüche ergeben. Die Fürsorgepflicht in insbesondere Krankheitsfällen wird grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert. Zwar korrespondiert mit der Fürsorgepflicht ein grundrechtsgleiches Recht des Beamten, aus dem sich aber im Allgemeinen ebenso wenig wie aus Grundrechten finanzielle Leistungs- oder Versorgungsansprüche ergeben. Anders kann das ausnahmsweise nur sein, wenn die Fürsorgepflicht andernfalls in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Nach ständiger Rechtsprechung können den Wesenskern der Fürsorgepflicht allenfalls unzumutbare Belastungen des Beamten berühren (BVerwG, U.v. 10.10.2013 – 5 C 32.12 -juris Rn. 25 m.w.N.).
23
b) Alleine der Umstand, dass die vorliegende Fallkonstellation einer freiwilligen Rehabilitationsmaßnahme weder im Gesetz noch in den Verwaltungsvorschriften geregelt ist, begründet keine Wesenskernverletzung und zwingt nicht dazu, eine Kostenerstattungspflicht gleichsam einem Auffangtatbestand dem Grundsatz der Fürsorge zu entnehmen. Denn es ist zu berücksichtigen, dass der Beamte seinerseits aufgrund seiner Treuepflicht zur Gesunderhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit und damit Dienstfähigkeit originär verpflichtet ist, und seine (Be-)Handlungen insoweit grundsätzlich nicht von der Kostenerstattung der dafür erforderlichen Maßnahmen abhängig machen darf. Die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf umfasst das Bemühen, die Gesundheit so weit zu bewahren, dass die Fähigkeit zur Dienstleistung nicht schuldhaft eingeschränkt oder aufgehoben wird. Der gesunde Beamte ist danach verpflichtet, seine volle Dienstfähigkeit und damit seine Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nach Möglichkeit zu bewahren und, soweit sie eingeschränkt oder aufgehoben ist, nach Möglichkeit wiederzuerlangen (BayVGH, U.v. 25.10.2017 – 16a D 15.1110 – juris Rn. 40 m.w.N.). Auch wenn das Beamtenstatusgesetz eine ausdrückliche Regelung über die Gesunderhaltungspflicht und deren Grenzen nicht enthält, kann aus § 34 Satz 1 BeamtStG die Pflicht zum vollen Einsatz im Beruf und daraus eine grundsätzliche Pflicht zur Gesunderhaltung hergeleitet werden. Folglich besteht gemäß Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. § 34 BeamtStG eine Pflicht des Beamten, seine Dienstfähigkeit wiederherzustellen und sich infolgedessen auch einer entsprechenden Rehabilitationsmaßnahme zu unterziehen (in diesem Sinne BayVGH, B.v. 8.1.2013 – 3 CE 11.2345 – juris Rn. 24).
24
Das bloße Unterlassen einer Kostenerstattungspflicht bei freiwilliger Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme vermag damit keine Wesenskernverletzung der Fürsorgepflicht darzustellen. Darüber hinaus ist weder ersichtlich noch wurde dargelegt, dass der Kläger aufgrund der fehlenden Kostenerstattung derart in seiner amtsangemessenen Lebensführung beeinträchtigt wäre, dass dies zu für ihn unzumutbaren Zuständen geführt hätte. Dies gilt umso mehr, als seitens der Beihilfe dem Kläger die Kosten für die Behandlung voll erstattet wurden und es vorliegend nur noch um den Anteil geht, den die private Krankenversicherung nicht erstattet hat. Nachdem die Beihilfe selbst nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört (BVerfG, B.v. 7.11.2002 – 2 BvR 1053/98 – BVerfGE 106, 225/232), gebietet folglich die (übergeordnete) Fürsorgepflicht des Dienstherrn (erst recht) nicht eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen (BVerfG a.a.O. S. 233).
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3. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 33 Abs. 5 GG wegen der durch die Verwaltungsvorschriften geregelten Kostenerstattung bei der Anordnung entsprechender Maßnahmen durch den Dienstherrn. Dabei kann offenbleiben, ob angesichts der ausdifferenzierten Regelungen ein (weiterer) Erstattungsanspruch unmittelbar aus der Verfassung überhaupt abgeleitet werden könnte. Denn ein gleichheitsrechtlich fundierter Leistungsanspruch auf Erstattung der Kosten der freiwillig durchgeführten Behandlung käme allenfalls in Betracht, wenn der Dienstherr zumindest dem Grunde nach befugt gewesen wäre, den Kläger zur Wahrnehmung der Rehabilitationsmaßnahme mittels innerdienstlicher Weisung zu verpflichten. Nur wenn es bei einer unterstellten Weigerung des Klägers möglich gewesen wäre, ihm gegenüber eine entsprechende Weisung gemäß § 29 Abs. 4 BeamtStG i.Vm. Nr. 4.2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR auszusprechen, läge ein vergleichbarer Sachverhalt als Anwendungsvoraussetzung für einen verfassungsunmittelbaren, gleichheitsrechtlich begründeten Erstattungsanspruch vor.
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Dies ist nicht der Fall, denn die Voraussetzungen für eine solche Anordnung gemäß § 29 Abs. 4 BeamtStG i.Vm. Nr. 4.2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR lagen nicht vor.
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a) Eine solche Weisung seitens des Dienstherrn setzt voraus, dass der Betreffende zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit gemäß Art. 33 Abs. 5 GG i.V.m. § 34 BeamtStG verpflichtet ist, folglich feststeht, dass die konkrete Behandlung ausweislich einer Prognose unmittelbar der Beseitigung krankheitsbedingter Leistungsdefizite dient. Hierbei kommt es gemäß Nr. 4.2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR maßgeblich auf die Feststellung durch den Amtsarzt bzw. – wie hier – den Polizeiarzt an.
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(1) Die den Verwaltungsvorschriften zugrundeliegende Regelung des § 29 BeamtStG unterstreicht den Grundsatz, dass ein (wieder) dienstfähiger Beamter nicht (mehr) in den Genuss sachlich nicht berechtigter Versorgungsbezüge kommen soll (BVerwG, U.v. 25.6.2009 – 2 C 6808 – juris Rn. 9), was für einen noch aktiven, aber dienstunfähigen Beamten in Anbetracht seiner Gesunderhaltungspflicht erst Recht gelten muss (vgl. Nr. 4.1 Satz 2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR). Damit sich die allgemeine Gesunderhaltungspflicht aber in eine konkrete Handlungspflicht im Hinblick auf die Wahrnehmung einer bestimmten Rehabilitationsmaßnahme verdichten und so spiegelbildlich dem Dienstherrn die Weisungsbefugnis eröffnen kann, muss feststehen, dass die konkrete Rehabilitationsmaßnahme für die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beamten objektiv geeignet ist. Die Geeignetheit hängt im Einzelfall von der Art der Erkrankung und der medizinischen Begutachtung ab; sie ist auf Basis einer Prognose zu beurteilen, die nicht abstrakt erfolgen darf, sondern auf die betroffene Person bezogen sein muss (Reich, BeamtStG, 3. Aufl. 2018, § 29 Rn. 12). Folglich muss die medizinische Eignung und Notwendigkeit der konkret beabsichtigten Heil- oder Rehabilitierungsmaßnahme in Richtung auf das Reaktivierungsziel feststehen. Im Zusammenhang damit bedarf es ausdrücklich einer positiven Prognose, dass durch die beabsichtigte Maßnahme eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit auch aller Wahrscheinlichkeit nach erreicht wird (vgl. OVG NW, U.v. 2.7.1997 – 12 A 4369/95 – juris Rn. 20).
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(2) Zu beachten ist, dass die Zielsetzung von Anordnungen i.R.d. § 29 BeamtStG nicht vordergründig auf den (medizinischen) Behandlungserfolg ausgerichtet ist. Vielmehr ist das Ziel die Wiedererlangung der (zumindest teilweisen) Dienstfähigkeit des Beamten. Es genügt daher nicht, wenn bestimmte Heilbehandlungen zwar medizinisch indiziert sind, aber nicht zu erwarten ist, dass sie zur (vollständigen) Gesundung und damit zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit führen. Dies kann beispielsweise bei Multimorbidität der Fall sein, bei deren Behandlung es durchaus Heilungs- oder Linderungserfolge für einzelne Erkrankungen gibt, die dennoch zu keiner Gesundung insgesamt und damit nicht zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit führen. Infolgedessen ist gerade bei Feststellungen oder Empfehlungen seitens der behandelnden Ärzte des Beamten zu berücksichtigen, dass ihnen regelmäßig eine andere Blickrichtung hinsichtlich der Behandlungsbedürftigkeit und Behandlungsfähigkeit zugrunde liegt. Ferner ist zu beachten, dass bei der Eignungsbeurteilung die Einschätzung eines Amtsarztes grundsätzlich Vorrang gegenüber einer privatärztlichen Stellungnahme genießt. Denn der Amtsarzt steht aufgrund seiner Neutralität und Unabhängigkeit dem Beamten und der Dienststelle gleichermaßen fern; er ist im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig (vgl. BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 2 C 22.13 – juris Rn. 20; BVerwG, U.v. 11.10.2006 – 1 D 10.05 – juris Rn. 36 f.).
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b) Dem Kläger hätte nach den vorliegenden polizeiärztlichen Stellungnahmen (Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei der Medizinaldirektorin Dr. … vom 19.3.2019 – BA Bl. 5; Polizeiärztliches Zeugnis des Ärztlichen Dienstes der Bayerischen Polizei zur Stationären Rehabilitationsbehandlung vom 12.4.2019 – BA Bl. 6) keine Weisung i.S.v. § 29 Abs. 4 BeamtStG i.V.m. Nr. 4.2 des Achten Abschnitts der VV-BeamtR zur Teilnahme an der Rehabilitationsmaßnahme erteilt werden können. Es fehlt an konkreten Feststellungen seitens der Polizeiärztin dazu, ob die geplante Maßnahme objektiv zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Klägers geeignet gewesen ist. Dass die Maßnahme im Ergebnis erfolgreich war und der Kläger wieder dienstfähig wurde, ist vor dem Hintergrund des prognostischen Maßstabs sowie der Tatsache, dass der Behandlungserfolg nicht das Primärziel darstellt, von untergeordneter Bedeutung.
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Entgegen der klägerischen Auffassung ist dem Gesundheitszeugnis der Medizinaldirektorin Dr. … vom 19. März 2019 nicht zu entnehmen, dass die Behandlung zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit geeignet und erforderlich und der Kläger folglich zu deren Wahrnehmung dienstrechtlich verpflichtet gewesen wäre. Denn die Polizeiärztin stellt nur fest, dass „gutachterlicherseits keine Einwände“ gegen die vom Kläger geplante Rehabilitationsmaßnahme bestehen, was den oben dargestellten Anforderungen nicht entspricht. In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 13. Juli 2023 bestätigt die Polizeiärztin, dass sie in dem Gesundheitszeugnis vom 19. März 2019 nicht die Geeignetheit der Behandlung hinsichtlich der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit beurteilt hat. Die Indikation zu einer Rehabilitationsmaßnahme sei nicht von polizeiärztlicher Seite gestellt worden, zumal der Beamte erst Ende 2018 eine mehrwöchige psychosomatische Krankenhausbehandlung absolviert hatte. Die Erforderlichkeit einer zusätzlichen Behandlung sei von der behandelnden Ärztin des Klägers bestimmt und die Maßnahme vom Kläger „ausdrücklich gewünscht“ worden; hiergegen seien von ihr keine Einwände formuliert worden. Des Weiteren stellt die Polizeiärztin ausdrücklich fest, dass eine verbindliche positive Prognose bezüglich der Wiederherstellung der Dienstfähigkeit durch die Rehabilitationsmaßnahme in Anbetracht des bisherigen Verlaufs und dem damaligen Befund nicht gestellt werden konnte. In dem zusammen mit der Stellungnahme vom 13. Juli 2023 vorgelegten polizeiärztlichen Gutachten vom 19. März 2019, das dem Gesundheitszeugnis vom 19. März 2019 zugrunde liegt, ist entsprechend festgehalten, dass abzuwarten bleibe, inwieweit eine Behandlung noch eine nachhaltige Stabilisierung erbringe und es im Hinblick auf die Gesamtdynamik nicht sinnvoll erscheine, diese dem Beamten verweigern zu wollen. Die Stellungnahme der Polizeiärztin ist für den Senat inhaltlich nachvollziehbar und geht nicht von einer (unmittelbaren) Geeignetheit der hier inmitten stehenden Rehabilitationsmaßnahme zur Vermeidung einer drohenden Dienstunfähigkeit aus.
32
An dieser Beurteilung ändert auch der abschließende Hinweis im Gesundheitszeugnis vom 19. März 2019, wonach im Falle einer fortbestehenden Dienstunfähigkeit auch nach Abschluss der Behandlung das Vorliegen dauernder Dienstunfähigkeit zu prüfen wäre, nichts. Denn damit beschreibt die Polizeiärztin lediglich die vom Gesetzgeber vorgesehene Möglichkeit der Ruhestandsversetzung wegen dauernder Dienstunfähigkeit gemäß Art. 65 BayBG. Daraus folgt aber, dass für die Polizeiärztin zum Zeitpunkt der Begutachtung des Klägers der Erfolg der in Frage stehenden Maßnahme zumindest offen zu sein schien, was wiederum gegen die Feststellung der Geeignetheit der Rehabilitationsmaßnahme zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit spricht.
33
Die Auffassung des Klägers, ihm sei dadurch die Feststellung seiner Dienstunfähigkeit angedroht worden, sollte er sich nicht der inmitten stehenden Behandlung unterziehen, findet in dem Schreiben keine Stütze. Dies gilt umso mehr, als beim Kläger als Beamten im polizeilichen Vollzugsdienst nicht seine grundsätzliche Dienstfähigkeit in Frage stand, sondern es zum damaligen Zeitpunkt um seine Vollzugsdienstfähigkeit ging. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass ihm wichtig gewesen sei, weiterhin im Vollzugsdienst tätig zu sein und für ihn ein Innendienst nicht in Frage gekommen sei. Daraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss, dass eine dauernde und vollständige Dienstunfähigkeit des Klägers offenkundig und auch für ihn erkennbar nicht im Raum gestanden hat.
34
Zur Überzeugung des Senats geht aus den vorliegenden polizeiärztlichen Stellungnahmen hervor, dass aus fachlicher Sicht die vom Kläger geplante und eigeninitiativ durchgeführte Maßnahme nicht als geeignet zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit angesehen wurde. Eine weitere Aufklärung durch den Senat war folglich weder angezeigt noch erforderlich.
II.
35
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
II. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.