Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 17.04.2023 – B 8 K 21.946
Titel:

Förderung einer Teilzeit-Maßnahme zur Fortbildung zum Geprüften Industriemeister-Metall – Rückforderungsbescheid nach Abbruch der Fortbildung

Normenketten:
AFBG § 9a, § 16 Abs. 2, Abs. 3 (idF bis zum 1.4.2024)
BAföG § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Bei dem Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das AFBG aF definiert den Begriff „wichtigen Grund“ selbst nicht. Deshalb ist die Rechtsprechung zu dem Begriff „wichtiger Grund“ iSv § 7 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 Nr. 1 BAföG auch für die Auslegung des „wichtigen Grundes“ bei der Prüfung, ob eine Ausnahme von der Rückforderung nach § 16 Abs. 3 Hs 2 AFBG aF heranzuziehen. (Rn. 55 – 56) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dem Auszubildenden ist entsprechend seinem Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen zuzumuten, den Gründen, die einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen. Soweit der Teilnehmer infolge Krankheit nicht zielführend an der Maßnahme teilnehmen kann und Gefahr läuft, dem Förderzweck nicht Genüge zu tun, hat er die Möglichkeit, die Maßnahme nach § 7 AFBG aF zu unterbrechen. Besonderen Härten, die aus einer längeren Erkrankung, und damit aus wichtigem Grund entstehen können, wird gerade durch die Möglichkeit der Unterbrechung Rechnung getragen. (Rn. 61)  (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Bejahung eines wichtigen Grundes iSd § 7 Abs. 3 BAföG bzw. § 16 Abs. 3 AFBG aF ist es erforderlich, dass der Auszubildende unverzüglich, dh ohne schuldhaftes Zögern, die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung unterbrechen oder abbrechen muss (hier Annahme eines wichtigen Grundes verneint). (Rn. 64 – 65) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kein wichtiger Grund gemäß § 16 Abs. 3 AFBG, Förderung, Rückforderung, erhaltene Leistungen, Fortbildung zum Geprüften Industriemeister-Metall, Abbruch der Fortbildung, Unterbrechung, wichtiger Grund, Verschulden, Erkrankung, psychischer Zustand mit Leistungseinschränkung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 30247

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Einstellungs- und Rückforderungsbescheides des Beklagten vom 04.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von … vom 29.07.2021 in Höhe von 1.083,21 EUR.
2
Dem Kläger wurden auf seinen Formblattantrag mit Förderbescheid vom 20.09.2019 (Bl. 20 Beiakte) i.d.F. des Änderungsbescheids vom 04.07.2020 (Bl. 25 Beiakte) für die Teilzeit-Maßnahme zur Fortbildung zum Geprüften Industriemeister-Metall in der Zeit vom 15.11.2019 bis zum 12.05.2022 folgende Leistungen bewilligt:
3
Die Bewilligung erfolgte unter dem „Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen, dass Sie jeweils einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringen (§ 9a AFBG)“
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Der Bescheid enthielt zudem folgenden Hinweis: „Gem. § 9a Abs. 1 AFBG müssen die Leistungen des Teilnehmers erwarten lassen, dass die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen werden kann. Dies wird in der Regel angenommen, solange er regelmäßig an der Maßnahme teilnimmt, die Maßnahme zügig und ohne Unterbrechung absolviert und er sich um einen erfolgreichen Abschluss bemüht. Beachten Sie bitte, dass eine unregelmäßige Teilnahme – unabhängig vom Grund für die Fehlzeiten – zur Aufhebung des Bescheides und zur Rückforderung der Leistungen führen kann. Eine regelmäßige Teilnahme liegt vor, wenn die Teilnahme an 70 Prozent der Präsenzstunden und bei Fernunterricht (§ 4) oder bei mediengestütztem Unterricht (§ 4a) an 70 Prozent der Leistungskontrollen nachgewiesen wird. Die Förderung wird hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet. Die Unterbrechung der Maßnahme aus wichtigem Grund (u.a. Krankheit, Schwangerschaft) ist umgehend mitzuteilen und nachzuweisen. Es wird darauf hingewiesen, dass bei einem Abbruch, einer Unterbrechung der Maßnahme oder einem Wechsel des Maßnahmeziels, es zu einer Rückforderung der gesamten Förderung kommen kann, soweit dies jeweils ohne wichtigen Grund erfolgt ist.“
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Die erforderlichen Teilnahmenachweise legte der Kläger für die Zeit vom 15.11.2019 bis 13.03.2020 (Bl. 24 Beiakte = Bl. 41 pdf-Akte) mit einer Anwesenheitszeit von durchschnittlich 67,3 Prozent, vom 15.11.2019 bis 03.11.2020 (Bl. 29 Beiakte) mit einer durchschnittlichen Anwesenheitszeit von 78,1 Prozent sowie vom 15.11.2019 bis 28.01.2021 (Bl. 30 Beiakte) vor. Wegen des Nichterreichens der erforderlichen Teilnahmequote von 70 Prozent der Präsensstunden und bei Fernunterricht an 70 Prozent der Leistungskontrollen im ersten Maßnahmenabschnitt wies der Beklagten den Kläger mit Schreiben vom 13.05.2020 nochmals darauf hin, „dass der Bescheid vom 20.09.2019 unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung erlassen wurde und dass die Förderleistungen in voller Höhe zurückgefordert werden, sollten bis zum Ende der Maßnahme die erforderlichen 70 Prozent nicht erreicht werden.“
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Ausweislich eines Vermerkes des Beklagten vom 03.02.2021 (Bl. 31 Beiakte) hatte der Kläger offenbar am 28.01.2021 (vgl. Bl. 30 Beiakte) telefonisch mitgeteilt, dass er die Fortbildung abgebrochen habe.
7
Mit Bescheid vom 04.02.2021 (Bl. 32 Beiakte) hob der Beklagte frühere Bescheide insoweit auf, als in diesem Bescheid für gleiche Zeiträume Entscheidungen getroffen wurden. Seine bewilligten Maßnahmebeiträge seien den ausbezahlten Beträgen gegenübergestellt und eine Nachzahlung oder eine Rückforderung von Förderleistungen festgestellt worden. Es habe sich eine Rückforderung in Höhe von 1.083,21 EUR ergeben. Es wurde gebeten, den Betrag innerhalb eines Monats seit Bekanntgabe dieses Bescheids zu überweisen.
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Zur Begründung wurde auf den telefonisch mitgeteilten Abbruch der Fortbildung hingewiesen. Die Förderung werde daher eingestellt und die bereits ausgezahlten Leistungen zurückgefordert.
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Dagegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 08.02.2021 an den Beklagten. Es liege ein wichtiger Grund für seinen Abbruch der Fortbildung vor. Er befinde sich seit ca. 18 Monaten in Therapie; seine geistige Verfassung sei seit längerem angeschlagen. Durch Corona habe sich sein gesamtes gesellschaftliches Leben sowie die Lehre komplett verändert, so dass er psychisch der Situation nicht mehr gewachsen gewesen sei. Dies habe sich auch in seinen Zwischenprüfungen widergespiegelt; er sei durch jede Prüfung durchgefallen. Dieses Ergebnis habe seine Verfassung so zurückgeworfen, dass er sich psychisch nicht mehr in der Lage fühle, die Fortbildung weiterzuführen, und auch aufgrund dessen die Therapie benötige.
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Der Beklagte lehnte eine Abhilfe ab (Schreiben des Beklagten vom 10.02.2021). Der Kläger legte gegen den Bescheid vom 04.02.2021 mit Schreiben vom 28.02.2021 Widerspruch (Bl. 43 Beiakte) ein. Darin bezog er sich auf seine psychische Belastung. Zwar habe er sich bereits vor Maßnahmenbeginn in Therapie befunden, doch die psychische Belastung sei erst zu dem Zeitpunkt aufgekommen, als der komplette Unterricht aufgrund von Corona online abgehalten worden sei. Durch den Verlust von physischen, menschlichen Kontakten mit Klassenkameraden und Dozenten sowie aufgrund fehlender Erfahrung mit der online-Lehre sei es ihm immer schwerer gefallen, dem Unterricht zu folgen. Erschwerend sei noch die Umstellung des kompletten privaten Umfeldes zum Tragen gekommen: keine bzw. sehr eingeschränkte soziale Kontakte, keinerlei Ausgleich zum Arbeitsleben im Sinne einer Freizeitbeschäftigung, immer größer werdender Druck durch den Lernstoff im online-Unterricht. Trotz regelmäßiger Teilnahme an der Maßnahme sei er in den Zwischenprüfungen durch jede Prüfung gefallen. Dieses Ereignis habe ihn dann komplett aus der Bahn geworfen. Ab diesem Zeitpunkt habe er sich endgültig nicht mehr in der Lage gesehen, die Fortbildung weiterzuführen, geschweige denn erfolgreich zu beenden. Ihm sei klar gewesen, dass er aufgrund des psychischen Drucks die Fortbildung nicht mehr ohne weitere Beschädigung seiner Verfassung weiterführen könne.
11
Er legte mit seinem Widerspruchsschreiben einen Befundbericht der Praxis für Psychotherapie, Dipl. Psych. … und Dipl. Psych. … vom 25.02.2021 vor (Bl. 45 Beiakte). Darin wird bestätigt, dass sich der Kläger seit dem 02.10.2019 in ambulanter psychologischer Behandlung befinde. Zwischen Juni 2019 und März 2020 hätten drei Sprechstunden sowie zwei Probatorische Sitzungen stattgefunden. Seit März 2020 werde eine ambulante Psychotherapie durchgeführt (bislang elf Sitzungen). Unterschrieben ist der Befund von der psychologischen Psychotherapeutin Dipl.-Psych. … Als Diagnose wird eine rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradige Episode, ICD10: F33.1, genannt. Zum Befund ist ausgeführt, dass sich das Denken des Klägers stark auf Leistungsansprüche beziehe. Er äußere Lebensüberdrüssigkeit; der Affekt, die Konzentration und die Merkfähigkeit seien deutlich vermindert. Der zirkardiane Rhythmus sei gestört. Insgesamt sei eine nachvollziehbare, anhaltende emotionale und psychische Belastung durch biographische Ereignisse sowie die aktuelle Belastungssituation (Beruf, Fortbildung, Privatleben) eindeutig zu konstatieren. In den letzten Monaten habe sich die Symptomatik (mitbedingt durch die Pandemiesituation) verschlechtert und die genannten Symptome seien intensiver aufgetreten. Der Patient habe immense Erschöpfung geschildert.
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Zur Beurteilung ist ausgeführt, dass ein klinisch relevantes, ausgeprägtes depressives Syndrom mit psychotherapeutischer Behandlungsbedürftigkeit vorliege, welchem eindeutige Krankheitsäquivalenz zukomme. Es bestünden deutliche Rückzugstendenzen bei Antriebsminderung, Verminderung der Belastbarkeit, der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie der Leistungsfähigkeit. Insgesamt liege eine deutliche Einschränkung der Fähigkeiten zur Bewältigung von Alltags- und vor allem Leistungsanforderungen vor, die sich auch im Rahmen der ambulanten Psychotherapie nur kleinschrittig zurückbilden dürfte.
13
Diesen Widerspruch wies die Regierung von … mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2021 ab.
14
Zur Begründung wird im Wesentlichen auf den vorzeitigen Abbruch der Teilzeit-Maßnahme Bezug genommen. Nach § 25 i.V.m. § 7 Abs. 1 AFBG stehe dem Kläger ab März 2021 kein Förderanspruch mehr zu. Im Weiteren sei gemäß § 16 Abs. 2 AFBG der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und es seien erhaltene Leistungen zu erstatten, da die Leistungen unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt worden seien und der entsprechende Vorbehalt greife. Denn der Bewilligungsbescheid vom 20.09.2019 i.d.F.v. 04.07.2020 sei mit dem Vorbehalt über die regelmäßige, bis zum Ende der Maßnahme andauernde Teilnahme verbunden. Diesen Nachweis könne der Kläger nach seinem Abbruch nicht mehr erbringen. Nach § 16 Abs. 3 AFBG sei der Förderbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer habe erhaltene Leistungen zu erstatten, wenn er die regelmäßige Teilnahme bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreichen könne. Die Ausnahmeregelung in § 16 Abs. 3 AFBG greife nicht, da der Kläger bis zu seinem Abbruch zwar die regelmäßige Teilnahme nachgewiesen habe, aber kein wichtiger Grund für den Abbruch vorliege.
15
Der Begriff des „wichtigen Grundes“ sei unter dem Gesichtspunkt des sparsamen Umgangs mit öffentlichen Mitteln eng auszulegen. Grundsätzlich werde nur eine umsichtig geplante und zielstrebig betriebene Fortbildung gefördert. So wäre es dem Kläger möglich gewesen, die Maßnahme wegen seiner gesundheitlichen und pandemiebedingten Situation zu unterbrechen und zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Darüber hinaus sei er bereits vor Beginn der Ausbildung in psychotherapeutischer Behandlung gewesen. Die Pandemiesituation habe jeden Lehrgangsteilnehmer gleichermaßen betroffen und stelle somit keine höchstpersönliche Einschränkung für den Kläger dar.
16
Die erhaltenen Leistungen seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten.
17
Dieser Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde am 31.07.2021 zugestellt.
18
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schriftsatz vom 23.08.2021, der am 26.08.2021 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen ist, zur Fristwahrung Klage. Mit Schriftsatz vom 10.09.2021 zeigten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers an. Der Kläger beantragt mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.12.2021:
19
Der Bescheid des Landratsamtes … – Amt für Ausbildungsförderung – vom 04.02.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von … vom 29.07.2021 wird aufgehoben.
20
Zu Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass ausweislich des dem Klageschriftsatz beigelegten Attestes der Dipl. Psych. … vom 25.09.2021 ein wichtiger Grund im Sinne von § 16 Abs. 3 AFBG für den Abbruch der Ausbildungsförderungsmaßnahme vorliege. Es habe eine besondere Vulnerabilität gegenüber den Belastungsfaktoren, die die Pandemie und die entsprechenden Maßnahmen mit sich gebracht hätten, bestanden. Die massive Einschränkung sozialer Kontakte, der Verlust gewohnter Strukturen, Krankheitsängste und Unsicherheiten bezüglich der gesellschaftlichen, familiären und beruflichen Situation hätten sich gesamtgesellschaftlich und auf depressive Patienten wie den Kläger in besonderem Maße ausgewirkt. Da der Kläger bis heute unter der beschriebenen psycho-emotionalen Belastungsstörung unverändert leide und die pandemiebedingten Belastungsfaktoren unverändert fortbestünden, sei zum Zeitpunkt des Abbruchs der Ausbildung unabsehbar gewesen und sei bis heute unabsehbar, ob und gegebenenfalls wann eine grundlegende Verbesserung seines Gesundheitszustandes bzw. eine Wiederherstellung einer für die erfolgreiche Wiederaufnahme der Ausbildung ausreichenden psycho-emotionalen Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit erwartet werden könne. Eine Wiederaufnahme bzw. Fortsetzung der Ausbildung (gegebenenfalls nach einer Unterbrechung) sei deshalb zu keinem Zeitpunkt möglich und zumutbar gewesen und sei es auch weiterhin nicht.
21
Auf das dem Schriftsatz beigelegte Attest der Praxis für Psychotherapie vom 25.09.2021 wird Bezug genommen. Dort ist als Diagnose angeben: F33.1 rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode. Es hätten bislang nach Sprechstunden und Probatorik 20 Therapiesitzungen stattgefunden.
22
Beim Kläger bestünden Antriebsminderung, Freud- und Interessenlosigkeit, Verminderung der Belastbarkeit, der Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie der allgemeinen Leistungsfähigkeit. Eine depressive Symptomatik habe bereits vor der Pandemie bestanden, weshalb der Kläger die Praxis 2019 aufgesucht habe. Damit habe eine besondere Vulnerabilität gegenüber Belastungsfaktoren bestanden, die die Pandemie und die entsprechenden Maßnahmen mit sich gebracht hätten; auf vorerkrankte depressive Patienten hätten sie sich in einem besonderen Maße ausgewirkt. Die Symptomatik habe sich durch die Pandemie deutlich verschlechtert. Es sei ihm nicht mehr möglich gewesen, der Doppelbelastung von Anstellung und Meisterschule gerecht zu werden, die er zuvor noch gemeistert hätte. Aus psychotherapeutischer Sicht sei davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Corona-Pandemie sein Ausbildungsziel mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht hätte.
23
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 20.09.2021,
die Klage abzuweisen.
24
Zur Begründung wird auf den Bescheid vom 08.01.2021 (Anm.: gemeint wohl 04.02.2021), auf das Vorlageschreiben an die Widerspruchsbehörde sowie auf den Widerspruchsbescheid der Regierung von … (Anm.: gemeint wohl Regierung von …) vom 29.07.2021 verwiesen. Es sei ein Zuschussbetrag i.H.v. 1.083,31 Euro zu erstatten. Soweit auch der bewilligte Darlehensanteil durch die KfW in Anspruch genommen worden sei, würden von dort entsprechende Informationen zum bestehenden Darlehensverhältnis erfolgen. Im Wesentlichen wird darauf verwiesen, dass die psychischen Probleme des Klägers bereits vor Beginn der Ausbildung vorhanden und dem Kläger bekannt gewesen seien; sie seien nicht erst während der Fortbildung aufgetreten. Deshalb liege kein wichtiger Grund vor. Die zusätzlich geschilderten Probleme aufgrund der Pandemiesituation stellten zwar eine neue Herausforderung im Rahmen der Fortbildung dar; sie unterschieden sich aber kaum von den Rahmenbedingungen eines Fernunterrichtslehrgang bzw. eines mediengestützten Lehrgangs im Sinne des § 4 bzw. § 4a AFBG. Die Pandemiesituation habe im Übrigen alle Lehrgangsteilnehmer gleichermaßen getroffen und stelle somit keine höchstpersönliche Einschränkung für den Kläger dar, die als wichtiger Grund Berücksichtigung finden könne.
25
Zur mündlichen Verhandlung erschien der Kläger ohne Angabe von Gründen nicht. Sein Prozessbevollmächtigter legte das Prüfungszeugnis vom 15.01.2021 vor. Danach hat der Kläger keine der fünf Prüfungen bestanden.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

27
I. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet. Für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz ist gemäß § 26 Halbs. 1 des Gesetzes zur Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung – Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) – der Verwaltungsrechtsweg gegeben. § 26 Halbs. 1 AFBG schließt dabei – entsprechend zu den Vorschriften des Bundesgesetzes über individuelle Förderung der Ausbildung (Bundesausbildungsförderungsgesetz – BAföG) – den Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit aus (vgl. Schubert/Schaumberg, in PdK Bund, AFBG, Dez. 2018, § 26, Ziff. 1) und verweist somit konstitutiv auf den Verwaltungsrechtsweg (vgl. Eyermann/Rennert, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 40 Rn. 170).
28
Gleiches gilt hinsichtlich der Aufhebung der Bewilligung der Förderung insgesamt auf Grundlage des § 16 AFBG. Öffentlich-rechtlich sind als „Kehrseite des Leistungsanspruchs“ auch Klagen gegen die Aufhebung der Bewilligung (bzw. Rückforderung von Leistungen), wenn auch das Leistungsverhältnis öffentlich-rechtlich war (vgl. Kopp/Schenke/Ruthig, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 40 Abs. 13a). Die streitgegenständliche Rückforderung von bereits geleisteten (Zuschuss-)Beiträgen ist ebenfalls als öffentlich-rechtliche Streitigkeit einzuordnen. Die Rückforderung des Beklagten beschränkt sich vorliegend auf den Zuschuss zum Maßnahmebeitrag i.S.v. § 10 Abs. 1 AFBG i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 2 AFBG. Aus diesem Grund kommt die Spezialzuweisung des § 26 Halbs. 2 AFBG zu den ordentlichen Gerichten bei Streitigkeiten aus dem Darlehensvertrags nicht zur Anwendung. Vom streitgegenständlichen Bescheid ist nicht die Abwicklung (das „Wie“ der Rückforderung) des privatrechtlich ausgestalteten Darlehensverhältnisses zwischen dem Antragsteller und der KfW betroffen.
29
Die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth ergibt sich aus § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO.
30
Das Gericht konnte trotz Abwesenheit des Klägers in der mündlichen Verhandlung verhandeln, denn die Ladung vom 09.02.2023 zum Termin enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt werden kann.
31
II. Die Klage ist zulässig; insbesondere ging sie gemäß § 74 Abs. 1 VwGO fristgerecht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheids bei Gericht ein. Sie ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft.
32
III. Die Klage hat allerdings keinen Erfolg.
33
1. Die angefochtene Entscheidung des Beklagten vom 04.02.2021 in Form des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 VwGO. Vorliegend besteht eine Rückzahlungspflicht des Klägers dem Grunde nach § 16 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 AFBG. Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides sowie die Rückforderung von überzahlten Leistungen liegen vor.
34
Für Maßnahmen der beruflichen Aufstiegsfortbildung, die – wie im vorliegenden Fall – vor dem 31.01.2020 begonnen, aber noch nicht abgeschlossen worden sind, sind die Vorschriften dieses Gesetzes in der bis zum Ablauf des 31.07.2020 geltenden Fassung (im folgenden AFBG a.F. genannt) mit Ausnahme der §§ 10, 12 und 17a weiterhin anzuwenden (vgl. § 30 Abs. 2 AFBG i.d.F. vom 12.08.2020, in der ab 01.08.2020 geltenden Fassung).
35
1.1 Die formelle Rechtmäßigkeit ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
36
Gemäß § 19a AFBG a.F. i.V.m. Art. 6 ZustG BY i.V.m. Art. 1 Abs. 1 BayAGBAföG hat die zuständige Kreisverwaltungsbehörde als Amt für Ausbildungsförderung gehandelt.
37
Zwar fehlt vor dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides vom 04.02.2021 die gemäß § 24 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 27a AFBG a.F. erforderliche Anhörung des Klägers; Gründe, die nach § 24 Abs. 2 SGB X ein Absehen von der Anhörung rechtfertigen hätten können, sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht vorgetragen. Jedoch wird nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X der Verfahrensfehler einer unterbliebenen Anhörung geheilt, sofern diese nachgeholt wird. Dies ist hier im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geschehen, in dem auf die Einlassungen des Klägers ausdrücklich eingegangen wurde. Aus diesem Grund kann die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides nicht allein wegen der fehlenden Anhörung beansprucht werden (§ 42 SGB X). Auch die gemäß § 35 SGB X erforderliche Begründung wurde im Widerspruchsbescheid vom 29.07.2021 nachgeholt.
38
1.2 Der Bescheid ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 16 Abs. 2 und 3 AFBG a.F. § 16 Abs. 1 AFBG a.F. ist nicht einschlägig, da er ausschließlich den „Unterhaltsbeitrag“ betrifft, der nicht Gegenstand des streitgegenständlichen Bescheides ist.
39
1.2.1 Zur Begründung wird zunächst auf den streitgegenständlichen Bescheid des Beklagten vom 04.02.2021 i.d.F. des Widerspruchsbescheids vom 29.07.2021 Bezug genommen. Im Übrigen ist hinsichtlich der Aufhebung des Bewilligungsbescheides noch Folgendes auszuführen:
40
Gemäß § 16 Abs. 2 AFBG a.F. „ist der Bewilligungsbescheid insoweit aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin hat die erhaltenen Leistungen insoweit zu erstatten“, „soweit Leistungen nach diesem Gesetz unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt wurden und der entsprechende Vorbehalt greift“.
41
Diese Voraussetzungen liegen vor: Die Leistungen wurden sowohl ausdrücklich im Bewilligungsbescheid vom 04.07.2020 (vgl. § 36 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG) als auch durch Gesetz, hier § 16 Abs. 2 i.V.m. § 9a AFBG a.F., unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewährt, § 16 Abs. 2 i.V.m. § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG a.F.
42
Der Bewilligungsbescheid enthielt u.a. folgenden, unmissverständlichen Hinweis (vgl. Bl. 25 d. Akten).:
„Dieser Bescheid ergeht unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung der Leistungen. dass Sie jeweils zu den folgenden Terminen einen Nachweis des Bildungsträgers über die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme erbringen (§ 9a AFBG):“
43
Dieser Wortlaut entspricht inhaltlich den Vorgaben des § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG a.F., wonach „die Förderung (…) hinsichtlich der regelmäßigen Teilnahme an der Maßnahme unter dem Vorbehalt der Einstellung und Rückforderung geleistet“ wird.
44
Nach § 9a Abs. 1 Satz 1 AFBG a.F. hat der Teilnehmer oder die Teilnehmerin „regelmäßig an der geförderten Maßnahme teilzunehmen“. Nach § 9a Abs. 1 Satz 4 AFBG a.F. liegt eine regelmäßige Teilnahme vor, „wenn die Teilnahme an 70 Prozent der Präsenzstunden und bei Fernunterrichtslehrgängen an 70 Prozent der Leistungskontrollen nachgewiesen wird.“ Hierdurch wird das Tatbestandsmerkmal der regelmäßigen Teilnahme im Rahmen einer Pauschalierung gesetzlich definiert (Schaumberg/Schubert in Pdk Bu-J-6a, AFBG, Stand November 2020, § 9a Ziff. 2.1).
45
Dieser gesetzliche Wortlaut war dem Kläger auch bekannt, da den vorgelegten Akten zufolge den jeweiligen Teilnahmenachweisen, die der Kläger vorzulegen hatte, jeweils ein Auszug des AFBG a.F. mit den Paragraphen § 9a, § 7, § 21 und § 29 AFBG a.F. beigefügt war (vgl. Bl. 29 Rückseite und Bl. 30 Rückseite der Beiakte).
46
Dieser in Bescheid und § 9a Abs. 1 Satz 5 AFBG a.F. enthaltene Einstellungs- und Rückforderungsvorbehalt greift auch, da der Kläger nach dem Abbruch der Fortbildungsmaßnahme Ende Januar 2021 die erforderlichen Teilnahmenachweise bis zum Ende Maßnahme, die noch bis April 2022 angedauert hätte, schlichtweg nicht mehr erbringen kann. Dabei ist auf die Dauer der Gesamtmaßnahme abzustellen (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 02.02.2021 – 4 L 116/20 – juris). Zudem wird als Ziel der Förderung hier die „regelmäßige Teilnahme an der gesamten Fortbildungsmaßnahme“ hervorgehoben (vgl. BTDrucks. 18/7055, S. 45; Hervorhebung nicht im Original).
47
Dem Beklagten steht dabei keinerlei Ermessen zu.
48
1.2.2 Nach § 16 Abs. 3 und Abs. 4 AFBG a.F. umfasst die Aufhebung den gesamten Bewilligungsbescheid und wirkt auch für die Vergangenheit. Die Absätze lauten wie folgt:
„(3) Weist der Teilnehmer oder die Teilnehmerin in einem Nachweis des Bildungsträgers nicht die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme nach und kann diese bis zum Ende der Maßnahme nicht mehr erreicht werden, so ist der Bewilligungsbescheid insgesamt aufzuheben und der Teilnehmer oder die Teilnehmerin hat die erhaltenen Leistungen zu erstatten, es sei denn, er oder sie hat die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen und bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen.
(4) Weist der Teilnehmer oder die Teilnehmerin nach sechs Monaten oder in einem weiteren Nachweis des Bildungsträgers nach § 9a Absatz 2 Satz 2 während der Maßnahme nicht die regelmäßige Teilnahme nach, kann diese aber bis zum Ende der Maßnahme noch erreicht werden, erfolgt die Aufhebung des Bewilligungsbescheides insgesamt erst, wenn auch in einem weiteren Teilnahmenachweis des Bildungsträgers die regelmäßige Teilnahme nicht erreicht wird. Die zuständige Behörde weist den Teilnehmer oder die Teilnehmerin in Textform auf den nächsten Vorlagezeitpunkt und die Folge eines erneut nicht erfolgreichen Teilnahmenachweises hin.“
49
Auch diese Voraussetzungen liegen vor.
50
Das Telefonat des Klägers mit dem Beklagten Ende Januar 2021, in dem der Kläger ausdrücklich den Abbruch der Maßnahme erklärt hat, wird vom Kläger nicht in Abrede gestellt.
51
a. Wie bereits angesprochen, kann der Kläger die erforderliche Teilnahmequote von 70 Prozent bis zum Ende der Maßnahme wegen seines Abbruches nicht mehr erreichen. Dabei ist es im Ergebnis unerheblich, dass der Kläger nach seinem ersten Warnhinweise gemäß § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG a.F. nach Unterschreiten der Teilnahmequote im ersten Maßnahmeabschnitt zumindest bis zu seinem Abbruch die Teilnahmequote noch erfüllt hat, denn § 16 Abs. 3 wie auch § 16 Abs. 4 AFBG a.F. stellen für die Aufhebung des Bewilligungsbescheids und die Erstattungspflicht des Teilnehmers oder der Teilnehmerin ausdrücklich darauf ab, ob die regelmäßige Teilnahme an der Maßnahme bis zu ihrem Ende noch erreicht werden kann (OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 02.02.2021 – 4 L 116/20 – juris Rn. 6).
52
Die Frage, ob auch bei einer Rückforderung nach § 16 Abs. 3 AFBG a.F. ein „Warnschuss“ i.S.v. § 16 Abs. 4 Satz 2 AFBG a.F. erforderlich ist (vgl. dazu OVG NW, U.v. 06.11.2019 – 12 A 2611/19 – juris; BVerwG, U.v. 08.04.2020 – 5 B 2/20 – juris), kann hier dahinstehen, da ein solcher vorliegend mit Schreiben vom 13.05.2020 nach dem Nichterreichen der Teilnahmequote im ersten Maßnahmeabschnitt erfolgt ist. Gemäß § 16 Abs. 4 AFBG a.F. war dann ein weiterer Warnhinweises entbehrlich (vgl. VG Bayreuth, U.v. 28.06.2021 – B 8 K 20. 402 – juris).
53
b. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme von der Rückforderung nach § 16 Abs. 3 Halbsatz 2 AFBG a.F. („[…], es sei denn, er oder sie hat die Maßnahme aus wichtigem Grund abgebrochen und bis zum Abbruch regelmäßig an der Maßnahme teilgenommen“) liegen nicht vor. Dabei ist auch hier nicht entscheidungserheblich, dass der Kläger die vorgesehene Teilnahmequote bis zu seinem Abbruch der Maßnahme noch erreicht hat.
54
Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
55
aa. Bei dem Tatbestandsmerkmal des wichtigen Grundes handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung im Einzelfall der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Das AFBG a.F. definiert den Begriff „wichtigen Grund“ selbst nicht, sondern verwendet diesen Begriff weiterhin in § 7 Abs. 2, Abs. 3a und Abs. 4a AFBG a.F.
56
Es ist deshalb naheliegend, die umfangreiche Rechtsprechung zu dem Begriff „wichtiger Grund“ im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1, Nr. 1 BAföG auch für die Auslegung des „wichtigen Grundes“ im Sinne des § 7 Abs. 3 AFBG a.F. heranzuziehen. Denn sowohl dem Bundesausbildungsförderungsgesetz als auch dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz liegt das öffentliche Interesse einer zweckentsprechenden Nutzung einer Förderung zugrunde, welche die Verpflichtung des Auszubildenden, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen, beinhaltet. Zudem verweisen die Verwaltungsvorschriften zum AFBG a.F. (vgl. Bl. 38 ff. Gerichtsakte) hinsichtlich des Vorliegens eines wichtigen Grundes auf die Ausführungen im „BAföGVwV“.
57
Gemäß Nr. 7.3.7 der BAföGVwV ist ein wichtiger Grund für einen Abbruch der Ausbildung oder Wechsel der Fachrichtung gegeben, wenn dem Auszubildenden die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung nach verständigem Urteil unter Berücksichtigung aller im Rahmen des Gesetzes erheblichen Umstände einschließlich der mit der Förderung verbundenen persönlichen und öffentlichen Interessen nicht mehr zugemutet werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 23.02.1994 – 11 C 10/93 – FamRZ 1994, 999 und U.v. 23.09.1999 – 5 C 19/98 – NVwZ 2000, 681). Nach Nr. 7.3.9 BAföGVwV ist ein wichtiger Grund für einen Abbruch oder Wechsel z.B. mangelnde intellektuelle, psychische oder körperliche Eignung für die Berufsausbildung oder -ausübung. Bei weltanschaulich gebundenen Berufen ist ein wichtiger Grund der Wandel der Weltanschauung oder Konfession. Ein wichtiger Grund ist ferner ein Neigungswandel so schwerwiegender und grundsätzlicher Art, dass die Fortsetzung der Ausbildung der auszubildenden Person nicht mehr zugemutet werden (vgl. BVerwG, U.v. 06.09.1979 – 5 C 12/78 – BVerwGE 58, 270 und U.v. 22.03.1995 – 11 C 18/94 – NVwZ 1995, 1109).
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bb. Selbst wenn beim Kläger die diagnostizierte psychischen Störung aus dem Formenkreis des ICD 10 F32.1 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode) vorliegen und zumindest mitursächlich für den Abbruch gewesen sind, wie in den Attesten der Psychologischen Psychotherapeutin vom 25.05.2021 und 25.09.2021 beschrieben wird [vgl. dazu § 2 „Seelische Krankheit“ Psychotherapie-Richtlinie in der Fassung vom 19.02.2009, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 58 vom 17.04.2009, zuletzt geändert am 20.11.2020 (BAnz AT 17.02.2021 B1 und § 1 Abs. 2 Satz 1 Psychotherapeutengesetz – PsychThG v. 15.11.2019 (BGBl. I S. 1604), zuletzt geändert durch Art. 17 Zweites Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.5.2020 (BGBl. I S. 1018) ], kann er sich darauf nicht berufen.
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Denn als eine nicht unwesentliche Voraussetzung für das Vorliegen bzw. die Geltendmachung eines wichtigen Grundes wird von dem Auszubildenden entsprechend seinem Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen verlangt, den Gründen, die einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen.
60
Diese Verpflichtung ergibt sich aus den Anforderungen selbst, die an das Vorliegen eines wichtigen Grundes im Sinne des § 16 Abs. 4a AFBG a.F. und § 7 Abs. 3 BAföG zu stellen sind; dazu gehört insbesondere auch die Pflicht des Auszubildenden, seine Ausbildung umsichtig zu planen und zielstrebig durchzuführen. Ob der Auszubildende seiner Verpflichtung zu unverzüglichem Handeln entsprochen hat, beurteilt sich dabei nicht allein nach objektiven Umständen. Es ist vielmehr auch in subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob ein etwaiges Unterlassen notwendiger Maßnahmen dem Auszubildenden vorwerfbar ist und ihn damit ein Verschulden trifft oder ob ein solches Unterlassen durch ausbildungsbezogene Umstände gerechtfertigt ist (OVG Saarland, B.v. 25.03.2014 – 1 A 444/13 – juris Rn. 11).
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Dem Auszubildenden ist entsprechend seinem Ausbildungsstand und Erkenntnisvermögen zuzumuten, den Gründen, die einer Fortsetzung der bisherigen Ausbildung entgegenstehen, rechtzeitig zu begegnen (vgl. BVerwG, U.v. 21.06.1990 – 5 C 45/87 – BVerwGE 85, 194).
62
Nicht anerkannt wird nach ständiger Rechtsprechung beispielsweise, wenn das endgültige Nichtbestehen einer Abschlussprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 26.01.1978 BVerwGE 55, S. 194) oder einer Vor- bzw. Zwischenprüfung (vgl. BVerwG, U.v.14.04.1983 BVerwGE 67, S. 104) – schon aus Gründen der Missbrauchsverhinderung – Hinderungsgrund für die Fortsetzung der bisherigen Ausbildung ist.
63
Soweit der Teilnehmer infolge Krankheit nicht zielführend an der Maßnahme teilnehmen kann und Gefahr läuft, dem Förderzweck nicht Genüge zu tun, hat er die Möglichkeit die Maßnahme nach § 7 AFBG a.F. zu unterbrechen. Besonderen Härten, die aus einer längeren Erkrankung, und damit aus wichtigem Grund entstehen können, wird gerade durch die Möglichkeit der Unterbrechung Rechnung getragen (s.a. Schubert/Schaumberg, in PdK Bund, AFBG a.F., § 9a, Ziff. 2.1.).
64
Zur Bejahung eines wichtigen Grundes im Sinne des § 7 Abs. 3 BAföG (hier § 16 Abs. 3 AFBG a.F.) ist daher erforderlich, dass der Auszubildende unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. dazu § 16 Abs. 4a AFBG a.F. und § 7 Abs. 4a S. 2 AFBG a.F.; § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB), die erforderlichen Konsequenzen ziehen und die bisherige Ausbildung unterbrechen oder abbrechen muss.
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Gemessen an den obigen Ausführungen liegt kein wichtiger Grund vor bzw. kann sich der Kläger nicht auf einen solchen berufen, denn er wäre verpflichtet gewesen, seine Erkrankung bzw. psychischen Zustand mit Leistungseinschränkung ohne schuldhaftes Zögern, d.h. zum frühestmöglichen Zeitpunkt, dem Fördergeber mitzuteilen und im Zweifel die Fortbildungsmaßnahme zumindest zu unterbrechen und nicht erst das Prüfungsergebnis abzuwarten, um notwendige Konsequenzen zu ziehen.
66
Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen, obwohl ihm dies nach den Ausführungen in den Attesten, den eigenen Einlassungen des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten möglich gewesen wäre. Danach ist davon auszugehen, dass dem Kläger bereits nach den ersten Auswirkungen der Pandemie (wie Lockdown, Beschränkung der sozialen Kontakte und Umstellung auf Fernunterricht) bekannt und bewusst gewesen ist, dass ihn dies – zusätzlich zu den Anforderungen in seinem beruflichen Alltag – in einem Umfang belastet, dass er den Ansprüchen der Maßnahme nicht mehr genügt. Trotzdem hat er das Prüfungsergebnis, das ihm mit Schreiben vom 15.01.2021 mitgeteilt worden war, abgewartet und erst im Anschluss daran, den Abbruch der Maßnahme erklärt. Dies stimmt auch mit seinen Einlassungen im Schreiben an die Beklagte vom 08.02.2021 und seinem Widerspruchsschreiben vom 28.02.2021 überein, worin er erklärt hat, dass er sich aufgrund des Prüfungsergebnisses nicht mehr in der Lage fühle, die Ausbildung weiterzuführen.
67
Dass ihm während der Fortbildungszeit die notwendige Einsicht gefehlt haben könnte, seine Situation, d.h. seine bereits bestehende depressive Störung, verstärkt durch die Auswirkungen der Pandemie, und seine dadurch verminderte Leistungs- und Fortbildungsfähigkeit zu erkennen, kann weder den Angaben des Klägers oder den Einlassungen seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung noch den Akten, insbesondere den vorliegenden Attesten, entnommen werden.
68
Ausweislich den Ausführungen im Attest vom 25.09.2021 hat sich der Kläger „bereits seit dem 13.06.2019“ „in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung“ befunden. Eine depressive Symptomatik hat ihn deshalb offensichtlich bereits vor Maßnahmenbeginn und lange vor der Pandemie bewogen, die Praxis aufzusuchen. Damit war ihm bereits zu diesem Zeitpunkt seine Problematik bekannt und bewusst. Dass ihn die Auswirkungen der Pandemie dann zusätzlich in seiner Leistungsfähigkeit einschränkten und die Fortbildungsmaßnahme als zusätzliche Belastung zum beruflichen Alltag ihn überforderte, kann ihm schwerlich entgangen sein und ist ihm nach den Ausführungen in den Attesten auch nicht entgangen. Immerhin hatte sich nach dem Attest (gerade) in den letzten Monaten die Symptomatik des Klägers (mitbedingt durch die Pandemiesituation) verschlechtert und der Kläger wird in beiden Attesten als „bewusstseinsklar“ und insbesondere „ohne formale und inhaltliche Denkstörungen“ beschrieben, die ihn daran hindern hätten können, seine Situation einzuschätzen.
69
Zwar ist in den Attesten auch angegeben, dass seine „Konzentrationsfähigkeit und Merkfähigkeit“ und die „allgemeine Leistungsfähigkeit“ „vermindert“ seien und die psycho-emotionale Belastbarkeit deutlich und anhaltend herabgesetzt sei und auch der „zirkardiane Rhythmus“ „gestört“ sei. Durch die Verschlechterung der Symptomatik sei es ihm nicht mehr möglich gewesen, der Doppelbelastung von Anstellung und Meisterschule gerecht zu werden, die er vorher noch gemeistert habe. Es sei psychotherapeutisch davon auszugehen, dass der Kläger ohne die Pandemie sein Ziel, die Meisterschule abzuschließen, mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht hätte.
70
Doch lässt sich den Ausführungen keinesfalls entnehmen, dass dem Kläger sein psychischer Zustand, der ihn durch die Auswirkungen der Pandemie zusätzlich belastete, nicht bewusst gewesen sein könnte. Gerade weil er sich bereits vor Maßnahmenbeginn in einer volatilen Lage befunden hatte, die sein Leistungsvermögen bereits beeinträchtigte, hatte er damals – bereits vor Beginn der Fortbildungsmaßnahme – und weit vor Pandemiebeginn psychotherapeutische Hilfe gesucht. Die daraufhin begonnene Behandlung, die insbesondere auch seine Leistungsgedanken zum Thema hatte, wurde bereits seit etwa 18 Monaten zum Zeitpunkt seines Abbruchs Ende Februar 2021 durchgeführt. Die Annahme, dass insbesondere die Einschränkungen der Pandemie ab März 2020 seine Krankheitseinsicht derart beeinträchtigt hat, sodass aufgrund dessen – trotz Therapie – von einer „unerkannten Fortbildungsunfähigkeit“ ausgegangen werde könnte, liegt deshalb eher fern.
71
Auch die Erklärungen seines Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung zu den Angaben des Klägers im Rahmen des Mandatsannahmegespräches geben für eine fehlende Einsichtsfähigkeit des Klägers keine Anhaltspunkte. Vielmehr habe sich danach der Kläger bereits zum Beginn der Pandemie von einem Tag auf den anderen „schlagartig“ und „innerhalb kurzer Zeit“ wie gelähmt gefühlt, was letztendlich zum Abbruch geführt habe. Eine von dem Prozessbevollmächtigten eigentlich erwartete „schleichende“ Entwicklung der Erkrankung sei nicht geschildert worden, weshalb ihm diese Angaben des Klägers noch gut erinnerlich seien. Soweit der Prozessbevollmächtigte weiterhin mutmaßt, dass der Kläger ausweislich des Prüfungszeugnisses nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gewesen sein könne, wird darauf hingewiesen, dass der Betroffene nach ständiger Rechtsprechung bei Geltendmachung einer unerkannten Prüfungsunfähigkeit hierfür ausreichende Nachweise in Form einer ärztlichen Bescheinigung erbringen muss, in der anhand konkreter Feststellungen nachvollziehbar dargelegt wird, dass er bis zum Abschluss der Prüfung nicht in der Lage war, die Beeinträchtigung seines Leistungsvermögens zu erkennen (vgl. BayVGH, B.v. 04.03.2013 – 7 CE 13.181 – juris Rn. 15).
72
Vorliegend fehlt es jedoch bereits an einem entsprechend substantiierten Vortrag und entsprechenden Nachweisen, inwiefern und zu welchen Zeiten der Kläger im betreffenden Maßnahmenabschnitt Teil I konkret arbeits- bzw. teilnahme- und evtl. prüfungsunfähig – ohne dies zu erkennen bzw. den Verlauf einschätzen zu können – erkrankt gewesen wäre. Die vorgelegten Atteste bleiben genau wie der schriftsätzliche Vortrag des Klägers dahingehend zu pauschal, um genau solche etwaigen Beeinträchtigungen zur Einsichtsfähigkeit in seine Krankheitsschwere belastbar rekonstruieren zu können.
73
Es ist auch sonst weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich geworden, weshalb ihm ein Vorgehen über § 7 AFBG a.F. im Einzelfall oder ein früherer Abbruch der Maßnahme nicht möglich oder unzumutbar gewesen sein soll. Nicht entscheidend ist, wenn sich der Kläger im Unklaren darüber gewesen sein sollte, ob er trotz seiner psychischen Beeinträchtigungen der Fortbildungsmaßnahme folgen und die Prüfungen bestehen könnte und sich trotzdem den Prüfungen unterzogen hat. Denn ein Wahlrecht zwischen Nichtantritt bzw. Abbruch der Prüfung wegen erkannter Prüfungsunfähigkeit und nachträglichem Abbruch der Maßnahme bzw. Rücktritt wegen unerkannter Prüfungsunfähigkeit steht dem Prüfungsteilnehmer nicht zu (BayVGH a.a.O. Rn. 18, juris).
74
Für das Verwaltungsgericht bestand aufgrund obiger Ausführungen kein Anlass, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Kläger im Prüfungszeitraum unerkannt prüfungsunfähig gewesen sein könnte und erst nach Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse seine Prüfungsunfähigkeit erkennen hätte können.
75
1.2.3 Die im Bescheid ausgesprochene Rückzahlungspflicht in Höhe von 1.083,21 EUR ist nicht zu beanstanden.
76
Gemäß § 16 Abs. 3 AFBG a.F. hat der Teilnehmer nach Aufhebung des Bewilligungsbescheides die erhaltenen Leistungen zu erstatten. Die §§ 16 Abs. 2-4 AFBG a.F. räumen insoweit kein Ermessen ein. Ein gerichtlich allenfalls überprüfbarer Ermessensspielraum (§ 114 VwGO) besteht daher nicht.
77
Auch hinsichtlich des – nicht angegriffenen – Umfanges der Erstattungspflicht bestehen keine Bedenken. Der bereits erhaltene Zuschussbetrag für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren ist insgesamt zu erstatten. Berechnungsfehler des Beklagten sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Die Höhe von 1.083,21 EUR ergibt sich aus der Summe der bewilligten und ausbezahlten Zuschüsse mit den Fälligkeitszeitpunkten 01.11.2019 (329,67 EUR), 01.04.2020 (376,77 EUR) und 01.10.2020 (376,77 EUR).
78
Die Klage ist daher insgesamt abzuweisen.
79
2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterlegener Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO in Angelegenheiten der Ausbildungsförderung gemäß § 188 Satz 1 VwGO nicht erhoben (vgl. BVerwG, B.v. 24.07.2014 – 5 B 17/14 – juris Rn. 21).
80
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11 i.V.m. § 711 ZPO.