Titel:
Fehlerhaftes Auswahlverfahren, hier wegen Verneinung der gesundheitlichen Eignung
Normenketten:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 1
GG Art. 19 Abs. 4, Art. 33 Abs. 2
Leitsätze:
1. Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung für einen Dienstposten müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden (stRspr BVerwG BeckRS 2007, 25462). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei Verneinung der gesundheitlichen Eignung ist eine auf eine hinreichend fundierte Tatsachenbasis im Einzelfall gestützte Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung erforderlich (ebenso VGH München BeckRS 2022, 10652), wofür in der Regel besondere medizinische Sachkunde eines Arztes etwa aufgrund eines (amts-)ärztlichen Gutachtens erforderlich ist (ebenso BVerwG BeckRS 2007, 25462). (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Auswahlverfahren ist fehlerhaft, wenn der Dienstherr keine aktuellen Informationen – wie zB ein aktuelles Gesundheitszeugnis – eingeholt hat, um anhand dieser aktuellen Informationen die erforderliche Prognose vorzunehmen und fundiert beurteilen zu können, ob der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht (nicht) genügen wird. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Stellenbesetzung, Gesundheitliche Eignung, dienstliche Verwendungseinschränkungen, Gesundheitszeugnis, Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung, einstweilige Anordnung, gesundheitliche Eignung, Nachuntersuchung, Auswahlentscheidung, Bewerbungsverfahrensanspruch, Fürsorgepflicht
Fundstelle:
BeckRS 2023, 28664
Tenor
I. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Stelle Polizeifachlehrer 3. Qualifikationsebene Einsatz und Verkehr beim Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei A … (A 11/13) mit dem Beigeladenen zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 17.613,49 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen die Entscheidung des Antragsgegners, den Dienstposten Polizeifachlehrer 3. Qualifikationsebene Einsatz und Verkehr beim Fortbildungsinstitut der B. P. X. (A 11/13) mit dem Beigeladenen zu besetzen.
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Der 1973 geborene Antragsteller steht als Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 12) im Dienst des Antragsgegners. Aktuell wird er unter anderem als Sachbearbeiter für besondere Einsatzlagen verwendet.
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Der Antragsgegner hat am … Mai 2022 den streitgegenständlichen Dienstposten ausgeschrieben. In der Ausschreibung wurde angegeben, in welchen Themenbereichen die Bewerberin/der Bewerber schwerpunktmäßig eingesetzt werden soll.
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Im Jahr 2018 wurde beim Antragsteller ein neurologischer Eingriff (Entfernung eines Gehirntumors) vorgenommen. Mit Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom … Juli 2020 wurde unter Bezugnahme auf ein seitens des Ärztlichen Dienstes der Polizei eingeholtes externes medizinisches Gutachten des …Klinikums vom … Mai 2020 festgestellt, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der externen Begutachtung in der Lage sei, eine Dienstwaffe zu führen. Gleiches gelte für das Führen eines Dienst-Kfz auch unter Nutzung von Sonderrechten und die Anwendung von unmittelbarem Zwang. Allerdings bestehe nach der Behandlung der neurologischen Erkrankung im weiteren Verlauf grundsätzlich die Möglichkeit von gravierenden Komplikationen auch bei Patienten, die diese Komplikationen vor der Behandlung nicht gehabt hätten. Eine derartige Komplikation könne sich jederzeit ohne Vorwarnung ereignen. Diese Unsicherheit schränke den Einsatz für die zuvor genannten Gesichtspunkte erheblich ein. Bei der vorliegenden Erkrankung sei das erstmalige Auftreten dieser Komplikation bis zum Beweis des Gegenteils hochverdächtig für das Fortschreiten der Erkrankung. Beim Antragsteller würde im Laufe der nächsten Jahre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Fortschreiten der Erkrankung auftreten. Es sei nicht wahrscheinlich, dass der Antragsteller innerhalb von zwei Jahren weiterhin uneingeschränkt verwendbar sei.
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Das Polizeipräsidium O … … stellte daraufhin mit Schreiben an den Antragsteller vom … Juli 2020 fest, dass bei diesem dienstliche Verwendungseinschränkungen auf Dauer bestünden, weshalb er dem Grunde nach polizeidienstunfähig sei. Derzeit werde jedoch von der formellen Feststellung der Polizeidienstunfähigkeit abgesehen, da er in der bisherigen Tätigkeit weiter eingesetzt werden könne. Eine Nachuntersuchung würde nach Bedarf erfolgen.
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Der Antragsteller hat sich auf die oben genannte Stelle beworben. Seine Bewerbung wurde durch das Polizeipräsidium O … … mit Schreiben an das Bayerische Staatsministerium des ..., für ... vom … Mai 2022 befürwortet. In diesem Schreiben wurde zudem angegeben, dass beim Antragsteller gesundheitliche Einschränkungen vorliegen könnten, der Antragsteller die Tätigkeiten des ausgeschriebenen Dienstpostens jedoch ausüben könne, da die beim Antragsteller festgestellten Einschränkungen, keine Dienstwaffe und kein Kfz zu führen sowie keinen unmittelbaren Zwang auszuüben, der Wahrnehmung einer Lehrtätigkeit nicht widersprechen würden.
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Im weiteren Verlauf des Auswahlverfahrens wurde seitens des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sodann festgestellt, dass der Antragsteller in der Leistungsreihung an erster Position liege. Daraufhin wurde das Polizeipräsidium O … … aufgefordert, eine mit dem Präsidium der B. B. abgestimmte Prognose zur gesundheitlichen Eignung des Antragstellers im Hinblick auf den konkreten Dienstposten abzugeben.
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Daraufhin erstellte das Fortbildungsinstitut der B. B. in Zusammenarbeit mit dem Präsidium der B. B. ein Aufgabenprofil. In diesem Aufgabenprofil wurde unter anderem als erforderlich für die Ausübung der Tätigkeit angesehen: Uneingeschränkte Vollzugsdiensttauglichkeit bzw. zumindest eingeschränkte Vollzugsdiensttauglichkeit, Außendienstfähigkeit, Berechtigung zum Führen von Dienstkraftfahrzeugen (auch unter Einsatz von Sonderrechten), Berechtigung zum Führen von Dienstwaffen sowie körperliche Beweglichkeit und Belastbarkeit. Diese Anforderungen seien erforderlich, da zum Seminar „Verkehrsunfallaufnahme“ auch ein praktischer Unterrichtsteil gehöre, bei dem zwingend das Tragen von Uniform und Warnkleidung erforderlich sei.
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Mit Schreiben des Polizeipräsidiums O … … an das Bayerische Staatsministerium des ..., für ... vom … Oktober 2022 wurde festgestellt, dass der Antragsteller aufgrund der vorliegenden Verwendungseinschränkungen bei Zugrundelegung des Anforderungsprofils aus gesundheitlichen Gründen für den Dienstposten als nicht geeignet betrachtet werden müsse. Es wurde darauf hingewiesen, dass sich diese Einschätzung alleine auf das vom Präsidium der B. B. zuletzt vorgelegte Aufgabenprofil beziehe, dessen Richtigkeit zu bewerten der bestellenden Behörde obliege.
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Im Auswahlvermerk vom … Oktober 2022 wurde festgehalten, dass der Antragsteller die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Dienstpostens nicht besitze. Der Beigeladene erweise sich als leistungsstärkster Bewerber, der die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Stelle erfülle.
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Mit Schreiben vom … November 2022 stimmte der Hauptpersonalrat der beabsichtigten Besetzung zu.
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Mit Schreiben des Antragsgegners vom … November 2022 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er die gesundheitliche Eignung zur Ausübung des Dienstpostens nicht besitze und seine Bewerbung wegen der Nichterfüllung des Anforderungsprofils aufgrund der Verwendungseinschränkungen abgelehnt wurde. Weiter wurde ihm mitgeteilt, dass die Stelle mit einem anderen Bewerber besetzt werden solle. Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt, über welchen – soweit ersichtlich – noch nicht entschieden wurde.
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Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom … Dezember 2022 beantragt,
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Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Dienstposten Polizeifachlehrer 3. Qualifikationsebene Einsatz und Verkehr beim BPFI X. (A 11/13) zu besetzen, solange über die Bewerbung des Antragstellers keine neue Auswahlentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts getroffen worden ist.
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Die getroffene Auswahlentscheidung verletze den Antragsteller in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch. Das Anforderungsprofil sei nachträglich verändert worden. In der Stellenausschreibung seien die erst im Laufe des Auswahlverfahrens aufgestellten konstitutiven Anforderungsmerkmale der uneingeschränkten Vollzugsdiensttauglichkeit, d.h. Außendienstfähigkeit und der Berechtigung zum Führen von Dienst-Kfz, von Dienstwaffen und der Anwendung von unmittelbarem Zwang, aufgeführt worden. Welche Anforderungen von allen Bewerbern zwingend erwartet werden, müsse sich bereits aus der Stellenausschreibung ergeben. Ein „Nachschieben“ während des laufenden Auswahlverfahrens sei unzulässig.
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Weiter sei auch fraglich, ob die nachträglich ergänzten Anforderungsmerkmale für die Ausübung der Aufgaben des streitgegenständlichen Dienstpostens zwingend erforderlich seien. Polizeifachlehrer hätten im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Mehrheit aller anderen Dienststellen in der Regel keinen Bürgerkontakt. Soweit im Anforderungsprofil auf den praktischen Unterrichtsteil beim Seminar „Verkehrsunfallaufnahme“ abgestellt werde, sei dieser bisher nicht im Außendienst abgehalten worden, so dass hierfür eine uneingeschränkte Vollzugsdiensttauglichkeit nicht erforderlich sei.
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Auch habe der Antragsgegner nicht geklärt, ob die beim Antragsteller im Jahr 2020 angenommene Verwendungseinschränkung aktuell überhaupt noch vorliege. Die damalige Verwendungseinschränkung habe maßgeblich darauf beruht, dass nach den statistischen Werten mit gesundheitlichen Einschränkungen nach dem vorgenommenen Eingriff zu rechnen sei. Die Operation des Antragstellers sei sehr gut verlaufen und bis heute sei weder ein Rezidiv aufgetreten, noch bestünden sonstige gesundheitliche Einschränkungen. Der Antragsteller würde sich in einer engmaschigen medizinischen Kontrolle befinden, insbesondere werde auf seinen eigenen Wunsch hin alle vier Monate ein MRT erstellt. Die Feststellungen im Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom … Juli 2020 lägen über zwei Jahre zurück, ohne dass die vom externen Gutachter des …Klinikums M … bereits nach einem Jahr empfohlene Nachuntersuchung erfolgt sei.
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Unabhängig davon sei vorliegend eine sorgfältige Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf die unterstellten Verwendungseinschränkungen, bezogen auf den hier streitgegenständlichen Dienstposten, notwendig. Denn es erschließe sich nicht, inwiefern die hier gegenständliche Lehrtätigkeit ein höheres Risiko darstellen soll als die aktuell vom Antragsteller ausgeübte Tätigkeit bei der Einsatzplanung, die durchaus auch gelegentlich mit Tätigkeiten vor Ort verbunden sei und nicht nur „am Schreibtisch“ ausgeübt werde.
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Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hat für den Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Das Anforderungsprofil sei nicht nachgeschoben, sondern stelle eine Konkretisierung des spezifischen Dienstpostens dar. Zwar sei in der Ausschreibung kein besonderes konstitutives Anforderungsprofil definiert worden. Die einschlägigen Vorschriften in Art. 33 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG) und Art. 16 Leistungslaufbahngesetz (LlbG) würden aber ganz selbstverständlich davon ausgehen, dass bei der Vergabe von höherwertigen Dienstposten nicht nur die fachliche Leistung, sondern auch die grundsätzliche Eignung (und Befähigung) zur Ausübung des Dienstpostens vorliegen müsse. Darauf werde auch in Nr. 3 Satz 1 der Richtlinie über die Bestellung auf Dienstposten der B. Polizei (Bestellungsrichtlinie – RBestPol) ausdrücklich hingewiesen. Es gebe keinen Anlass, an dem von der B. vorgelegten Aufgabenprofil zu zweifeln. Die vom Polizeipräsidium O … … aufgeführten Verwendungseinschränkungen des Antragstellers „Kein Führen von Dienst-KFZ“, „Kein Führen von Dienstwaffen“ und „Keine Anwendung unmittelbaren Zwangs“ würden offensichtlich in nicht hinnehmbarer Weise die erforderliche Aufgabenerfüllung auf dem streitgegenständlichen Dienstposten beeinträchtigen.
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Der ausgewählte Bewerber wurde mit Beschluss vom 9. Januar 2023 beigeladen. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag ist begründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung – vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen – notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, das heißt ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, das heißt die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragspartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einstweiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung des Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als übergangener Bewerber lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.7.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95, juris Rn. 12).
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3. Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
28
a) Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat der Antragsteller grundsätzlich nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist.
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Der Antragsteller hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, das heißt einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG), Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Verfassung für den Freistaat Bayern (BV) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris Rn. 10 ff.; BVerwG, U.v. 17.8.2005 – 2 C 36.04 – juris Rn. 19).
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Die Ermittlung des – gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung – am besten geeigneten Bewerbers hat stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich ist insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen sind und anhand dessen die Auswahlentscheidung vorzunehmen ist (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris Rn. 6).
31
Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung, berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Kandidaten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Der Bewerber hat daher einen Anspruch auf rechtsfehlerfreie Auswahl (BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565, juris Rn. 28).
32
Aus der Verletzung dieses Anspruches folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Einstellung oder Beförderung. Vielmehr ist es im Hinblick auf den Beurteilungs- und Ermessensspielraum des Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2012 – 7 CE 11.1432 – juris Rn. 17).
33
Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746, juris Rn. 11). Aufgrund der Verfahrensabhängigkeit des sich aus Art. 33 Abs. 2 GG ergebenden subjektiven Rechts und der Garantie von Art. 19 Abs. 4 GG sind die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung und Anwendung des § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO in beamtenrechtlichen Konkurrentenstreitigkeiten gehalten, den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes im Eilverfahren besonders Rechnung zu tragen (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95, juris Rn. 12).
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b) Nach Art. 33 Abs. 2 GG dürfen öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des angestrebten Dienstpostens genügt und sich dort voraussichtlich bewähren wird. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt auch in körperlicher und psychischer Hinsicht gewachsen ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 12.11 – BVerwGE 147, 244, juris Rn. 10; B.v. 10.12.2008 – 2 BvR 2571.07 – NVwZ 2009, 389, juris Rn. 11; U.v. 21.7.2007 – 2 A 6.06 – DokBer 2007, 312, juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 6 CE 22.438 – juris Rn. 12). Bestehen im Hinblick auf einen Bewerber daran begründete Zweifel, ist der Dienstherr nicht berechtigt und kann er erst recht nicht verpflichtet sein, die in Rede stehende Beförderungsstelle diesem Bewerber unter Missachtung des öffentlichen Interesses an einer möglichst effektiven Aufgabenerfüllung und bestmöglicher Stellenbesetzung zu übertragen (vgl. OVG NW, B.v. 12.4.2017 – 6 A 794/16 – juris Rn. 15; B.v. 1.2.2013 – 6 B 1196/12 – juris Rn. 4 m.w.N.). Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung dieser Eignungsbeurteilung ist der Zeitpunkt der – hier im Oktober 2022 getroffenen – behördlichen Auswahlentscheidung (BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 6 CE 22.438 – juris Rn. 12).
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Die Voraussetzungen, denen ein Bewerber in gesundheitlicher Hinsicht genügen muss, ergeben sich aus den körperlichen Anforderungen, die der Beamte erfüllen muss, um die Ämter seiner Laufbahn wahrnehmen zu können. Der Dienstherr legt diese Anforderungen in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest. Dabei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der jeweiligen Dienstposten zu orientieren hat. Subjektive Rechte der Beamten werden hierdurch grundsätzlich nicht berührt. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist. Kein Beurteilungsspielraum ist dem Dienstherrn hingegen hinsichtlich der anschließenden Frage eröffnet, ob der einzelne Bewerber den laufbahnbezogen festgelegten Voraussetzungen in gesundheitlicher Hinsicht genügt. Darüber haben letztverantwortlich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Bewertungen des Dienstherrn gebunden zu sein (zum Ganzen: BverwG, U.v. 30.10.2013 – 2 C 16/12 – BVerwGE 148, 204, juris Rn. 18 f.; BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 6 ZB 15.1933 – juris Rn. 7 f.; B.v. 12.12.2016 – 6 CE 16.2250 – juris Rn. 13 f.).
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Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden (BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 2 A 6/06 – DokBer 2007, 312, juris Rn. 22). Dabei ist bei Verneinung der gesundheitlichen Eignung die auf eine hinreichend fundierte Tatsachenbasis im Einzelfall gestützte Prognose der künftigen gesundheitlichen Entwicklung erforderlich (BayVGH, B.v. 12.4.2022 – 6 CE 22.438 – juris Rn. 15). Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt (BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 2 A 6/06 – DokBer 2007, 312, juris Rn. 23).Tatsächliche Anhaltspunkte für die Prognose, dass der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht nicht genügen wird, können sich etwa aus (amts-)ärztlichen Gutachten ergeben (OVG NW, B.v. 23.10.2019 – 6 B 720/19 – NVwZ-RR 2020, 407, juris Rn. 19).
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c) Der Antragsgegner hat die fehlende gesundheitliche Eignung anhand der bisherigen polizeiärztlichen Befunde angenommen und ist zu dem Schluss gekommen, dass beim Antragsteller eine Verwendungseinschränkung „Kein Führen von Dienst-KfZ“, „Kein Führen von Dienstwaffen“ und „Keine Anwendung unmittelbaren Zwangs“ besteht.
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Grundlage dieser Einschätzung war ein Schreiben vom 29. Juli 2020, in welchem gegenüber dem Antragsteller festgestellt wurde, dass ein dienstliche Verwendungseinschränkungen auf Dauer bestehe sowie ein Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom … Juli 2020.
39
Dies stellt nach Auffassung des Gerichts keine hinreichend aktuelle und fundierte Tatsachenbasis für die im Einzelfall gestützte Prognoseentscheidung bei der Vergabe des verfahrensgegenständlichen Dienstpostens dar.
40
Das Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom … Juli 2020 war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Oktober 2022 nicht hinreichend aktuell. Das Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei vom … Juli 2020 stützt die Feststellung, dass aktuell keine Verwendungseinschränkungen bestehen, aber die Wahrscheinlichkeit bestehe, dass eine solche innerhalb von zwei Jahren eintreten könnte sowie dass im Laufe der nächsten Jahre mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein Fortschreiten der Erkrankung auftreten werde, auf statistische Erfahrungswerte. Der Antragsteller befindet sich in einer engmaschigen medizinischen Kontrolle, insbesondere wird auf seinen eigenen Wunsch hin alle vier Monate ein MRT erstellt. Entsprechend seines Vortrags ist weder ein Rezidiv aufgetreten, noch habe er sonstige gesundheitliche Einschränkungen. Die im Gesundheitszeugnis des Ärztlichen Dienstes der Polizei aufgestellte Prognose ist mehr als zwei Jahre nach Erstellung des Gutachtens – soweit entsprechend dem Vortrag sowie der Aktenlage für das Gericht erkennbar – nicht eingetreten. Es hätte vorliegend berücksichtigt werde müssen, dass der individuelle Krankheitsverlauf des Betroffenen Besonderheiten gegenüber den statistischen Erkenntnissen aufweist (BVerwG, B.v. 13.12.2013 – 2 B 37/13 – Buchholz 232.01 § 9 BeamtStG Nr. 2, juris Rn. 23).
41
Das Gesundheitszeugnis selbst stellt zudem fest, dass Nachuntersuchungen am zukünftigen Erkrankungsverlauf orientiert und bedarfsweise erwogen werden sollten. Das Gutachten des …Klinikums vom … Mai 2020 erachtet eine Nachuntersuchung nach einem Jahr als sinnvoll. Der Dienstherr selbst hat betreffend das Schreiben vom … Juli 2020, in welchem festgestellt wurde, dass eine dienstliche Verwendungseinschränkung vorliegt, intern verfügt, dass eine Nachuntersuchung entweder nach einer gegebenenfalls durchgeführten stationären Maßnahme oder in einem halben Jahr erfolgen soll (Personalakt Unterordner C, Teil II) und im Schreiben an den Kläger diesem mitgeteilt, dass eine Nachuntersuchung nach Bedarf zu erfolgen hat. Der Dienstherr selbst ist davon ausgegangen, dass die Verwendungseinschränkung im Laufe der Zeit überprüft werden muss.
42
Der Antragsgegner hat im Auswahlverfahren keine aktuellen Informationen eingeholt – wie zum Beispiel ein aktuelles Gesundheitszeugnis – um anhand dieser aktuellen Informationen die erforderliche Prognose vorzunehmen und fundiert beurteilen zu können, ob der Bewerber den Anforderungen des angestrebten Amtes in gesundheitlicher Hinsicht (nicht) genügen wird, weshalb bereits aus diesem Grund das Auswahlverfahren fehlerhaft ist.
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4. Der Antragsgegner hat als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Es entspricht der Billigkeit, dass der Beigeladene, der sich mangels eigener Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 Satz 1 VwGO), seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt, § 162 Abs. 3 VwGO.
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5. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Die Jahresbezüge des Antragstellers im angestrebten Amt A 13 belaufen sich auf 70.453,94 EUR, hiervon ein Viertel.