Inhalt

VG München, Beschluss v. 06.10.2023 – M 28 E 23.4212
Titel:

Untersagung der Beseitigung einer provisorischen Zufahrt

Normenketten:
VwGO § 123
BayStrWG Art. 17
Leitsätze:
1. Der öffentlich-rechtliche Unterlassungs- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen rechtswidrigen Eingriff in die geschützte Rechts- und Freiheitssphäre des Betroffenen durch hoheitliches Handeln voraus. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auf den Fortbestand einer einmal bestehenden zweiten bzw. zusätzlichen Zuwegung hat ein Anlieger keinen Anspruch. Es ist im Gegenteil aus der Regelung des Art. 17 Abs. 2 S. 3 BayStrWG zu folgern, dass der Gesetzgeber den Anliegern zumutet, zunächst die Betriebs- bzw. Nutzungsabläufe auf dem eigenen Grundstück erforderlichenfalls umzuorganisieren, bevor ihnen ein Anspruch gegen den Straßenbaulastträger eingeräumt wird. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der geschützte Anliegergebrauch erschöpft sich in der Möglichkeit, das Grundstück mit einem Lastkraftwagen anzufahren; ob Wende- oder Rangiermanöver ausführbar sind, ist rechtlich unerheblich. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
4. Durch die Nichtdurchführung eines Planfeststellungsverfahrens allein werden keine subjektiven Rechte Dritter verletzt, da ein betroffener Dritter grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens, sondern nur Abwehr-, Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche hat. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenrecht, Beseitigung einer Grundstückszufahrt zu einer Staatsstraße, öffentlich-rechtlicher Abwehranspruch, Recht auf Zweiterschließung, Anliegergebrauch, Nichtdurchführung eines Planfeststellungsverfahrens, Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, Vertrauensschutz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.11.2023 – 8 CE 23.1868
Fundstellen:
ZfIR 2023, 560
LSK 2023, 28658
BeckRS 2023, 28658

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes dem Antragsgegner die Beseitigung einer provisorischen Zufahrt zu ihrem Grundstück zu untersagen.
2
Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. 991, Gemarkung … Sie führen dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Das Grundstück liegt ca. 1 km nördlich der geschlossenen Ortslage von … Entlang der nördlichen Grundstücksgrenze fließt die Loisach; parallel zur Westgrenze des Grundstücks verläuft die Staats straße (St) … Im Nordwesten des Grundstücks bestand eine asphaltierte Zufahrt zur St … Nördlich der Zufahrt führt eine Brücke über die Loisach („…“). Das Grundstück ist zudem im Südosten (Kreisstraße … … mit Kraftfahrzeugen anzufahren.
3
Der Antragsgegner plante die Erneuerung der … im nichtförmlichen Verfahren; die diesbezüglichen Bauarbeiten sind aktuell im Gange. Die Planung sieht die Schließung der Grundstückszufahrt der Antragsteller zur St …vor. Ende 2022 wurden die Fundamente für die Widerlager ausgehoben und die Zufahrt zum Grundstück der Antragsteller faktisch geschlossen. Durch die vom Antragsgegner beauftragte Baufirma wurde am 1. Dezember 2022 auf Höhe der nördlichen Wand des auf dem Grundstück der Antragsteller befindlichen Stallgebäudes eine provisorische Ersatzzufahrt aufgeschüttet, die derzeit beidseitig für den Zu- und Abfahrtsverkehr zum Grundstück der Antragsteller genutzt wird. Aktuell ist beabsichtigt, diese Anfang November 2023 zu schließen.
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Nachdem sich die Beteiligten im Verwaltungsverfahren nicht über zwischenzeitlich diskutierte alternative Zufahrtsvarianten an der Westseite des Grundstücks zur St … einigen konnten, suchten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht München um vorläufigen Rechtsschutz nach, den sie im Kern damit begründeten, dass Liefer- und Abholfahrzeuge die Hofstelle nicht mehr anfahren könnten und sie selbst keine neue Zufahrt auf die Staats straße anlegen dürften. Damit sei ihr Anliegergebrauch beeinträchtigt und ihr landwirtschaftlicher Betrieb in seinem Bestand gefährdet. Dies hätte der Antragsgegner im Rahmen der Abwägung nicht oder jedenfalls nicht ausreichend gewürdigt.
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Die mit dem Ziel der vorläufigen Einstellung der Bauarbeiten erhobenen Eilanträge wurden mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 (M 2 E 21.5421) abgelehnt. Das Verwaltungsgericht begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der Hauptantrag erfolglos bleibe, weil das Grundstück der Antragsteller nicht in Anspruch genommen werde. Den Antragstellern stehe auch kein Anspruch auf vorläufige Beibehaltung ihrer Zufahrt zur St … zu (Hilfsantrag). Die Baugenehmigungen enthielten keine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis. Ein Anspruch auf Beibehaltung der Zufahrt sei auch aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht gegeben. Das Grundstück sei über die Kreisstraße … erschlossen. Als Straßenanlieger seien die Antragsteller nicht auf die Zufahrt zur St … angewiesen. Die Zufahrt zur Kreisstraße … reiche auch für den Lieferverkehr aus; betriebliche Abläufe innerhalb des Grundstücks seien ggf. anzupassen. Das Straßenbauamt habe die Interessen der Antragsteller auf Beibehaltung der Zufahrt hinreichend abgewogen, den für die Schließung sprechenden öffentlichen Belangen aber den Vorzug gegeben. Eine Alternativtrasse dränge sich nicht auf. Auch eine wesentliche Änderung der Lärmimmissionen sei nicht zu erwarten. Eine gegen den ablehnenden Eilbeschluss gerichtete Beschwerde der Antragsteller wies der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 29. September 2022 (8 CE 22.1865) unanfechtbar zurück.
6
Mit Schriftsatz vom 6. August 2022 erhoben die Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht auf Unterlassung der Brückenbaumaßnahmen. Über die Klage (M 28 K 22.3959) wurde bislang noch nicht entschieden.
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Am 20. Oktober 2022 beantragten die Antragsteller die Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 13. Juli 2022 und begründeten dies im Wesentlichen (erneut) damit, dass die für diverse Vorhaben auf dem Grundstück FlNr. 991 der Gemarkung … erteilten Baugenehmigungen den Bestand der Zufahrt zur St … schützten, die Richtlinie für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme (RPS) 2009 Ausnahmen vom Erfordernis der Einrichtung von Schutzplanken vorsehe sowie mit dem Bekanntwerden von Unterlagen, die im ersten Eil- bzw. Beschwerdeverfahren nicht vorgelegt wurden. Hinsichtlich der Begründetheit des Antrags wiederholten und vertieften die Antragsteller ihre bereits in den vorangegangenen Eil- und Beschwerdeverfahren geäußerten Bedenken und Rechtsansichten.
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Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag vom 20. Oktober 2022 mit Beschluss vom 8. November 2022 (M 28 S7 22.5201) ab. Neue oder veränderte Umstände lägen nicht vor. Aus den von den Antragstellern vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine neuen entscheidungserheblichen Erkenntnisse, dass diese einen Anspruch auf unveränderten Fortbestand und weitere Nutzung der bisherigen Zufahrt hätten oder dass deren Schließung abwägungsfehlerhaft wäre. Die Behauptung der Antragsteller, ihr Grundstück sei über die Zufahrt zur Kreisstraße … nicht hinreichend erschlossen, sei nicht hinreichend substantiiert. Eine gegen den ablehnenden Eilbeschluss gerichtete Beschwerde der Antragsteller, in welcher zuletzt beantragt wurde, die Zufahrt nach Wegfall der provisorischen Ersatzzufahrt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter nutzen zu dürfen, wies der Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 27. Januar 2023 (8 CS 22.2500) unanfechtbar zurück.
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Mit Schriftsatz vom 19. Mai 2023 begründeten die Antragsteller ihre Klage vom 6. August 2022 weiter und beantragten, den Antragsgegner zu verurteilen, die im November 2022 geschlossene Zufahrt in vollem Umfang wiederherzustellen.
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Nachdem in den außergerichtlichen Verhandlungen bezüglich einer Ersatzzufahrt auf die St … wiederum keine Einigung erzielt werden konnte – eine Einigung scheiterte insbesondere an dem Aspekt, dass der Antragsgegner aus Gründen der Verkehrssicherheit lediglich eine Zufahrt von der St … auf das Grundstück der Antragsteller von Süden kommend als vertretbar erachtet, die Antragsteller aber zusätzlich auch die Möglichkeit einer Ausfahrt von ihrer Hofstelle auf die St … als unverzichtbar erachten – und der Antragsgegner mit Schreiben vom 20. Juli 2023 darauf hinwies, dass die provisorische Zufahrt wegen der anstehenden Straßenbauarbeiten nur noch bis Mitte September aufrechterhalten werden könne, haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 24. August 2023 einstweiligen Rechtsschutz beantragt, um die Beseitigung der provisorischen Zufahrt zu verhindern.
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Zur Begründung ihres Antrags tragen sie in den Schriftsätzen vom 24. August 2023, 29. August 2023, 1. September 2023, 4. September 2023, 5. September 2023 und 29. September unter Bezugnahme auf die Ausführungen in den vorangegangenen Gerichtsverfahren im Wesentlichen Folgendes vor:
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Den Antragstellern stehe ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch zu, da sie in ihren subjektiven Rechten verletzt seien. Der Landwirtschaftsbetrieb sei für den Zulieferungs- und Abholungsverkehr auf eine Durchfahrt angewiesen, da auf dem Grundstück der Antragsteller keine Wendemöglichkeit bestehe. Zudem sei die Ausfahrt auf die Kreisstraße mit dem 14 Meter langen Güllefahrzeug der Antragsteller nicht in verkehrssicherer Weise möglich. Hiermit habe sich der Antragsgegner im Rahmen seiner Abwägung nicht ausreichend auseinandergesetzt und verletze dadurch seine Schutzpflicht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Auch müsse für die Ausfahrt zur Kreisstraße eine Brücke über den auf dem Grundstück verlaufenden Bach überquert werden, die der Belastung auf Dauer nicht standhalte. Weiter sei die ursprüngliche Ausfahrt zur St … bestandsgeschützt gewesen und deren Beseitigung ohne das erforderliche Planfeststellungsverfahren im Rahmen des Ersatzneubaus der … erfolgt. Dieser formelle Fehler allein, begründe bereits einen Anspruch auf Folgenbeseitigung. Darüber hinaus habe der Antragsgegner im Schriftsatz vom 4. November 2022 angegeben, es sei mit einer Bauzeit/Vorhaltezeit bis März 2024 zu rechnen, sodass die Antragsteller davon ausgegangen seien, dass die provisorische Zufahrt erst zu diesem Zeitpunkt geschlossen werde. Auch sei vor Fortsetzung der Bauarbeiten eine Entscheidung des Antragsgegners über eine eventuelle Ersatz- bzw. Entschädigungspflicht sowie über das Schicksal der für die Vorhaben auf dem Grundstück der Antragsteller erteilten Baugenehmigungen erforderlich.
13
Die Antragsteller beantragen,
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den Antragsgegner zu verpflichten, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, die derzeit bestehende provisorische Zufahrt vom Grundstück Fl. Nr. 991, Gemarkung …, zur Staats straße St … zu schließen,
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hilfsweise,
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vorläufig festzustellen, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte ersatzlose Schließung der derzeit bestehenden provisorischen Zufahrt von Grundstück Fl.Nr. 991, Gemarkung …, zur Staats straße St … rechtswidrig ist.
17
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
19
Aufgrund der vorangegangenen gerichtlichen Verfahren, in denen eine Rechtsverletzung der Antragsteller stets verneint wurde, bestünden bereits Zweifel hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags. Die streitgegenständliche provisorische Zufahrt liege außerhalb der zur Erschließung bestimmten Teile der Ortsdurchfahrt, sodass es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung handele. Ein Anspruch auf optimalen Zugang zum Grundstück der Antragsteller bestehe nicht, sondern lediglich auf eine nach den jeweiligen Umständen zumutbare Erreichbarkeit. Die Zuwegung zur Kreisstraße … sei sowohl für den Zufahrtsverkehr als auch für den Abfahrtsverkehr ohne Gefährdung nutzbar. Die Verkehrsbelastung auf der Staats straße sei 2,8-fach so hoch wie auf der Kreisstraße, sodass sich allein daraus ein höheres Unfallgefahrenpotential für die Zufahrt auf die Staats straße ergebe. Die von den Antragstellern begehrte Zufahrt liege zudem auf „freier Strecke“, sodass dort oftmals Geschwindigkeiten von über 100 km/h festgestellt würden. Es sei offenkundig, dass Fahrzeuge von bis zu 13 Metern Länge beim Ausfahren auf die Staats straße aufgrund der „Schleppkurve“ regelmäßig die westliche, gegenläufige Fahrbahn mitbenutzen müssten. Bei längeren Fahrzeugen müsste zudem auch das gegenüberliegende Bankett und der Geh- und Fahrweg in Anspruch genommen werden. Die provisorische Zufahrt habe nur deshalb eingerichtet und in beide Richtungen genutzt werden können, weil wegen der Behelfsstraßenführung derzeit eine Freifläche existiere. Diese Baustelleneinrichtungsfläche liege jedoch auf der Trasse der St … Die Zufahrt zur Kreisstraße befinde sich hingegen im Einmündungsbereich zur St … In diesem Bereich seien Fahrzeuge deutlich langsamer, da sie die Geschwindigkeit entweder reduzierten, um auf die Staats straße einzubiegen, oder nach Einbiegen auf die Kreisstraße erst begönnen zu beschleunigen. In nord-östlicher Richtung bestünde bei Ausfahrt aus dem Grundstück der Antragsteller zudem ein freies Sichtfeld auf ca. 350 Meter und in Richtung Südwest bis zur Einmündung auf die Staats straße. Mit Blick auf die Wendemöglichkeiten auf dem Grundstück der Antragsteller sei nicht nachvollziehbar, warum hierfür nicht der nördliche Bereich des Grundstücks genutzt werden könne, in dem sich die Hofzufahrt trompetenartig aufweite.
20
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten, auch in den Verfahren M 2 E 21.5421, M 28 S7 22.5201 und M 28 K 22.3959, sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
21
Der zulässige Antrag ist sowohl im Haupt- (A.) als auch Hilfsantrag (B.) unbegründet.
22
A. Der Antrag ist darauf gerichtet, dem Antragsgegner die Schließung der derzeit bestehenden, provisorischen Zufahrt vom Grundstück Fl. Nr. 991, Gemarkung …, zur Staats straße St … zu untersagen.
23
I. Der Antrag ist zulässig, da sich die Antragsteller vorliegend gegen die Schließung der aktuell genutzten provisorischen Zufahrt zu ihrem Grundstück wenden. Die Rechtskraft der bisherigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren steht dem nicht entgegen, weil der Streitgegenstand insoweit abweicht, als dort die Rechtmäßigkeit der Schließung bzw. die fortgesetzte Nutzung der ursprünglichen, weiter nördlich befindlichen Grundstückszufahrt in Streit stand.
24
II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
25
Nach § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts der Antragspartei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.
26
Dabei hat die Antragspartei sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO). Maßgebend sind dabei die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
27
Hier fehlt es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs.
28
Die Antragsteller berufen sich auf einen öffentlich-rechtlichen Unterlassungs- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch gegen den Antragsgegner. Grundlage eines solchen Anspruchs können §§ 1004, 906 BGB analog sowie grundrechtliche Abwehransprüche – etwa aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG – sein. Dass die Voraussetzungen für solchen Anspruch vorliegen, wurde jedoch nicht glaubhaft gemacht.
29
Der öffentlich-rechtliche Unterlassungs- bzw. Folgenbeseitigungsanspruch setzt einen rechtswidrigen Eingriff in die geschützte Rechts- und Freiheitssphäre des Betroffenen durch hoheitliches Handeln voraus (vgl. BayVGH, B.v. 27.5.2021 – 8 CE 21.1289 – juris Rn. 10; BVerwG, B.v. 29.4.1985 – 1 B 149.84 – juris Rn. 9; U.v. 22.10.2014 – 6 C 7.13 – NVwZ 2015, 906 = juris Rn. 20). Der Bürger kann, wenn ihm ein rechtswidriger Eingriff in subjektive Rechte durch schlichtes Verwaltungshandeln droht, Unterlassen bzw. Folgenbeseitigung verlangen (vgl. BVerwG, U.v. 21.5.2008 – 6 C 13.07 – BVerwGE 131, 171 = juris Rn. 13).
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Die Antragsteller haben nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Schließung der provisorischen Zufahrt sie in subjektiven Rechten verletzt. Da bereits kein genereller Anspruch auf eine Zweiterschließung des Grundstücks der Antragsteller über die St … besteht (1.), kann auch die Einrichtung bzw. Beibehaltung der provisorischen Zufahrt nicht verlangt werden (2.).
31
1. Ein Anspruch auf Zweiterschließung ist nicht glaubhaft gemacht.
32
Unter keinem der von den Antragstellern (erneut) geltend gemachten Gesichtspunkte ergibt sich ein Anspruch auf Zweiterschließung des Grundstücks der Antragsteller, welcher im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, wie von den Antragstellern beantragt, eine Sicherungs- bzw. Regelungsanordnung erforderlich erscheinen lassen würde.
33
Insoweit schließt sich die Kammer den bisher ergangenen Entscheidungen (VG München, B.v. 13.7.2022 – M 2 E 21.5421 – juris; BayVGH, B.v. 29.9.2022 – 8 CE 22.1865 – juris; VG München, B.v. 8.11.2022 – M 28 S7 22.5201 – juris; BayVGH, B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris) vollumfänglich an und verweist auf die dortigen Ausführungen. Andere Gründe, die im Rahmen des hiesigen Eilverfahrens, eine abweichende Bewertung rechtfertigten würden, wurden seitens der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht.
34
Der von den Antragstellern geltend gemachte Anspruch ergibt sich nach summarischer Prüfung weder aus baurechtlichem Bestandsschutz an der ursprünglichen Zufahrt (a), aus dem Anliegergebrauch (b), aus einer fehlenden Entscheidung über Entschädigungsansprüche (c) noch aus dem Umstand, dass kein Planfeststellungsverfahren bzw. keine Abwägung durchgeführt worden sei (d).
35
a) Aus dem baurechtlichen Bestandsschutz der auf dem Grundstück der Antragsteller befindlichen Zufahrtswege folgt nicht, dass das Grundstück unverändert an die St … angeschlossen bleiben müsste (VG München, B.v. 13.7.2022 – M 2 E 21.5421 – juris Rn. 25 ff.; BayVGH, B.v. 29.9.2022 – 8 CE 22.1865 – juris Rn. 20 ff.; BayVGH, B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris Rn. 26 ff.).
36
b) Nach der im Eilverfahren einzig möglichen, aber auch hinreichenden, summarischen Prüfung, stellt die Zufahrt zur Kreisstraße … auch eine ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz dar, vgl. Art. 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 Bayerisches Straßen- und Wegegesetz (BayStrWG), sodass sich der Anspruch auf Zweiterschließung nicht aus Art. 17 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG ergibt.
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Gemäß Art. 17 Abs. 2 Satz 1 BayStrWG hat der Träger der Straßenbaulast angemessenen Ersatz zu schaffen, wenn Zufahrten oder Zugänge durch die Änderung oder die Einziehung von Straßen unterbrochen oder wird ihre Benutzung erheblich erschwert wird. Die Staats straße St … wurde vorliegend durch die Baumaßnahmen an der … und die Installation entsprechender Fahrzeug-Rückhaltesysteme tatsächlich so geändert, dass die ursprünglich im Nord-Westen befindliche Zufahrt zum Grundstück der Antragsteller faktisch geschlossen wurde.
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Eine daraus resultierende Verpflichtung zum Ersatz bzw. zur Entschädigung besteht jedoch nicht, wenn die Grundstücke eine anderweitige ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Wegenetz besitzen, Art. 17 Abs. 2 Satz 3 Alt. 1 BayStrWG.
39
Die Zufahrt auf das Grundstück der Antragsteller über die Kreisstraße … stellt eine solche Verbindung zum öffentlich Wegenetz dar, da sie zur Bewirtschaftung des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks der Antragsteller ausreichend ist (aa) und ihre Eignung entgegen der Auffassung der Antragsteller auch nicht durch eine besondere Gefährdungslage aufgehoben ist (bb).
40
aa) Dass die alleinige Zufahrt über die Kreisstraße … im konkreten Einzelfall nicht ausreicht, um das Grundstück der Antragsteller zu bewirtschaften, wurde nicht glaubhaft gemacht.
41
Auf den Fortbestand einer einmal bestehenden zweiten bzw. zusätzlichen Zuwegung hat ein Anlieger keinen Anspruch. Es ist im Gegenteil aus der Regelung des Art. 17 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG zu folgern, dass der Gesetzgeber den Anliegern zumutet, zunächst die Betriebs- bzw. Nutzungsabläufe auf dem eigenen Grundstück erforderlichenfalls umzuorganisieren, bevor ihnen ein Anspruch gegen den Straßenbaulastträger eingeräumt wird (VG Ansbach, U.v. 8.10.2009 – AN 10 K 09.00992 – juris Rn. 18; VG Würzburg, U.v. 21.1.2003- W 4 K 01.806 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 11.4.2005 – 8 CE 05.451 – juris Rn. 13 ff.; BayVGH, B.v. 23.6.2015 – 8 CE 15.1023 – juris Rn. 11).
42
Ob eine anderweitige Verbindung zum öffentlichen Wegenetz – unter Berücksichtigung von gegebenenfalls erforderlichen Anpassungen der Betriebsabläufe – ausreichend ist, lässt sich nur nach Maßgabe der Nutzung oder Nutzbarkeit des konkreten Grundstücks und damit nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Januar 2023, Art. 17 Rn. 28). In besonders gelagerten Einzelfällen kann dabei zur ausreichenden Erschließung und Bewirtschaftung auch eine zweifache Erschließung notwendig sein, so dass bei Unterbrechung der einen trotz Fortbestands der anderen insgesamt keine ausreichende Erschließung verbleibt (Wiget in Zeitler, Bayerisches Straßen- und Wegegesetz, Stand Januar 2023, Art. 17 Rn. 29). Maßgebend ist insoweit, ob die verbleibende Zufahrt die Erschließungsfunktion der weggefallenen besitzt oder mitübernehmen kann (BayVGH, B.v. 23.3.1995 – 8 CE 94.4066 – BayVBl 1995, 597).
43
Der Umstand, dass Lastkraftwagen bei ausschließlicher Benutzung der Zufahrt zur Kreisstraße eine auf dem Grundstück der Antragsteller befindliche Brücke queren müssen, die dieser Belastung auf Dauer nicht standhalte, sowie die vermeintlich fehlende Wendemöglichkeit wurden bereits in den vorangegangen Verfahren (VG München, B.v. 8.11.2022 – M 28 S7 22.5201 – juris; BayVGH, B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris) ausführlich gewürdigt und führen mangels neuen Tatsachenvortrags auch im hiesigen Verfahren nicht zu einer anderen Bewertung.
44
Denn zum einen wurde die Brücke nach dem eigenen Vortrag der Antragsteller auch bisher schon von Lastkraftwagen überfahren (VG München, B.v. 8.11.2022 – M 28 S7 22.5201 – juris Rn. 27). In diesem Zusammenhang haben die Antragsteller auch weder substantiiert vorgetragen, welchen Belastungen die Brücke tatsächlich ausgesetzt ist und wo deren Belastungsgrenze liegt, noch, dass zur gegebenenfalls erforderlichen baulichen Ertüchtigung unverhältnismäßige Aufwendungen entstehen würden.
45
Zum anderen obliegt es den Antragstellern, die betrieblichen Abläufe und Gegebenheiten nötigenfalls anzupassen. Der geschützte Anliegergebrauch erschöpft sich insoweit in der Möglichkeit, das Grundstück mit einem Lastkraftwagen anzufahren; ob Wende- oder Rangiermanöver ausführbar sind, ist rechtlich unerheblich (BayVGH, B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris Rn. 31). Der Kammer erschließt sich aber schon tatsächlich – nach wie vor – nicht, dass die Antragsteller auf eine Durchfahrtsmöglichkeit für den Betrieb ihrer Hofstelle angewiesen wären. Die Antragsschrift enthält hierzu keine Umstände, die zum jetzigen Zeitpunkt zu einer anderen Bewertung führen würden. Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass die Wendemöglichkeit auch wegen der auf dem Grundstück befindlichen baulichen Anlagen, dem Obstgarten und der Kläranlage nicht bestehe, so verkennen sie, dass das aus Art. 14, 17 BayStrWG fließende Recht am Anliegergebrauch nur einen Anspruch auf eine nach den jeweiligen Umständen zumutbare Erreichbarkeit gewährleistet. Der Vortrag der Antragsteller bezieht sich hingegen auf Umstände innerhalb des landwirtschaftlich genutzten Grundstücks, die im Verantwortungsbereich der Antragsteller liegen, sodass ihnen auch zumutbar ist, die Nutzung ihres Grundstücks ggf. umzuorganisieren (BayVGH, B.v. 27.1.2023 – 8 CS 22.2500 – juris Rn. 31). Vor allem aber weist der Antragsgegner zutreffend darauf hin, dass unter Zugrundelegung der zur Verfügung stehenden Luftbilder und des in den Akten befindlichen Kartenmaterials nicht ersichtlich ist, warum Wendemanöver auf der Hofstelle auch für größere Ver- und Entsorgungs-Lkw nicht möglich sein sollen. Davon, dass (wie in der Antragsschrift vom 24. August 2023 mehrfach behauptet wird) „unstreitig“ keine Wendemöglichkeit bestehe, kann aus Sicht der Kammer nicht die Rede sein.
46
Es ist daher – nach wie vor – nicht ersichtlich, dass aufgrund der Lage oder der Art der Bewirtschaftung der Hofstelle der Antragsteller oder aus sonstigen Gründen ein Fall gegeben sein könnte, bei dem eine Zweiterschließung, die einen Durchgangsverkehr ermöglichte, zwingend erforderlich wäre.
47
bb) Auch die von den Antragstellern behauptete Gefahrenlage im Bereich der Zufahrt zur Kreisstraße … ist – wie schon in den vorangegangenen Verfahren – nicht ersichtlich.
48
Wie die Antragsteller in den vorangegangenen gerichtlichen Verfahren selbst ausgeführt haben (vgl. etwa im Schriftsatz vom 7. November 2022), fuhren bis zur Schließung der Zufahrt zur St …, „bis auf eine Ausnahme alle schweren Lkw […] auf die Kreisstraße aus.“ Dass es hierdurch in der Vergangenheit zu Unfällen oder Gefahrensituationen gekommen wäre, ist weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
49
Ganz im Gegenteil sprechen die vom Antragsgegner vorgelegten Berechnungen bei summarischer Prüfung eher dafür, dass die Zufahrt über die Kreisstraße … weniger Gefahrenpotenziale birgt als eine Zufahrt zur St … Danach liegt die Verkehrsbelastung auf der St … um ein 2,8-faches höher als auf der Kreisstraße …. Weiter liegt die verbleibende Zufahrt in räumlicher Nähe zur Einmündung der Kreisstraße … auf die St …, sodass die dort erreichte Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer jedenfalls mit der im Eilverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit deutlich geringer sein dürfte als auf dem relativ geraden Streckenverlauf der St …
50
Auch die von den Antragstellern unter Vorlage von Lichtbildern (Anlagen A 12, A 13) gerügten Sichtverhältnisse im Einfahrtsbereich der Zufahrt zur Kreisstraße … führen zu keiner anderen Bewertung. Angesichts des auf den Lichtbildern in beiden Richtungen erkennbaren Blickfeldes sowie unter Berücksichtigung der im Einmündungsbereich zur Staats straße reduzierten Geschwindigkeiten, erscheint es der Kammer nicht glaubhaft, dass die Schließung der provisorischen Zufahrt mit einer erhöhten Unfallgefahr einherginge. Die Beseitigung etwaiger Sichthindernisse, wie etwa des von den Antragstellern angesprochenen, auf ihrem Grundstück stehenden Baumes, liegt in der Verantwortung der Antragsteller. Hinzu kommt, dass das von den Antragstellern als Anlage A 13 vorgelegte Lichtbild aus dem Blickwinkel eines in einem Pkw sitzenden Fahrers aufgenommen wurde. Nach dem Vortrag der Antragsteller geht die Gefahr jedoch von ausfahrenden Lkw und Traktoren aus, deren Fahrer im Vergleich dazu deutlich erhöht sitzen. Daher gibt das vom Antragsgegner vorgelegte Lichtbild „Ausfahrt Anwesen … Blickrichtung Nordost“ – gerade weil es im Stehen aufgenommen wurde – die Sichtverhältnisse mit Blick auf die streitgegenständliche Gefahrenlage deutlich besser wieder.
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Das mit Schriftsatz vom 29. September 2023 vorgelegte Sachverständigengutachten führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung der Gefährdungslage, da es zur Substantiierung des geltend gemachten Anspruchs ungeeignet ist. Mit Blick auf die Zufahrt zur Kreisstraße … werden die örtlichen Verhältnisse in Ziffer 5.3. im Wesentlichen in Übereinstimmung mit den Angaben des Antragsgegners dargestellt. Zusätzlich wird auf Grundlage des durch den Sachverständigen durchgeführten Ortstermins darauf hingewiesen, dass die aus Richtung Osten kommenden Fahrzeuge erst durch eine „Senke“ und dann mit „einer relativ hohen Geschwindigkeit“ auf die Einmündung zur St … zufahren würden. Weiter werde die Sicht durch einen „Erdwall“ und den auf Abbildung 9 erkennbaren Vorwegweiser behindert. Messungen oder Berechnungen hinsichtlich des Höhenprofils, der erreichten Geschwindigkeiten, der Sichtweite oder der Bremswege lassen sich dem Gutachten indes nicht entnehmen. So bleibt es insoweit bei der schlichten Behauptung des Gutachters, dass es „somit immer zu gefährlichen Situationen kommen“ kann. Wenn diese Feststellung in ihrer Allgemeinheit auch richtig sein mag, so genügt sie – zumal im einstweiligen Rechtsschutzverfahren – nicht zur Glaubhaftmachung des Anspruchs auf Beibehaltung der provisorischen Zufahrt zur St … Dies vor allem deshalb, weil eben jene Zufahrt auch bislang schon ohne Zwischenfälle für den Zu- und Abfahrtsverkehr genutzt wurde. Weiter erachtet die Kammer den Vortrag des Antragsgegners als glaubhaft und jedenfalls im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ausreichend, dass die aus Richtung Osten kommenden Fahrzeuge ihre Geschwindigkeit gerade nach etwaiger Durchfahrt durch eine Senke und mit Blick auf die Einmündung in die St … im wohlverstandenen Eigeninteresse entsprechend reduzieren, sodass eine Zufahrt zum Grundstück der Antragsteller sicher möglich ist. Weiter verhält sich das Gutachten nicht zu den vom Antragsgegner vorgelegten Berechnungen zu dem niedrigeren Verkehrsaufkommen auf der Kreisstraße ….
52
Da nicht glaubhaft gemacht wurde, dass auf dem Grundstück keine Wendemöglichkeiten bestehen bzw. dass diese nicht in zumutbarer Weise geschaffen werden können, besteht entgegen der Ansicht der Antragsteller auch kein Zwang zum rückwärtigen Ausfahren der Liefer- und Abholfahrzeuge auf die Kreisstraße.
53
c) Da es sich bei der Zufahrt zur Kreisstraße … nach den vorhergehenden Ausführungen also um eine ausreichende Verbindung zu dem öffentlichen Wegenetz im Sinne des Art. 17 Abs. 2 Satz 3 BayStrWG handelt (VG München, B.v. 13.7.2022 – M 2 E 21.5421 – juris Rn. 29), musste der Beklagte entgegen der Auffassung der Antragsteller vor Durchführung der Brückenbauarbeiten auch nicht nach dieser Vorschrift über etwaige Ersatz- oder Entschädigungsansprüche entscheiden. Der von den Antragstellern in Bezug genommene Beschluss des BayVGH (vom 23. März 1995 – 8 CE 94.4066) steht dem nicht entgegen. Denn zum einen wurde dort für den Fall der Planfeststellungspflichtigkeit des Vorhabens unterstellt, dass keine ausreichende Verbindung zum öffentlichen Wegenetz verbliebe, was hier nicht der Fall ist. Zum anderen stützt sich der Beschluss für den Fall, dass keine Planfeststellung erforderlich ist, darauf, dass nach der damaligen Rechtslage eine Entscheidung der obersten Landesstraßenbaubehörde erforderlich war, im Rahmen derer über etwaige Entschädigungsansprüche hätte entschieden werden können. Einer solchen Entscheidung bedarf es mit Blick auf die hier in Rede stehende Staats straße nach Art. 36 Abs. 1 – 6 BayStrWG nicht.
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d) Weder die Nichtdurchführung eines Planfeststellungsverfahrens (aa) noch die Abwägungsentscheidung des Antragsgegners (bb) verletzen die Antragsteller in ihren Rechten.
55
aa) Durch die Nichtdurchführung eines Planfeststellungsverfahrens allein werden keine subjektiven Rechte der Antragsteller verletzt (VG München, B.v. 13.7.2022 – M 2 E 21.5421 – juris 40 ff.), da ein betroffener Dritter grundsätzlich keinen Anspruch auf Durchführung des Verfahrens, sondern nur Abwehr-, Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche hat (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2003 – 8 AE 03.40047 – juris 17; vgl. auch BVerwG, B.v. 7.7.2004 – 9 VR 14.04 – juris Rn. 4 m.w.N.).
56
bb) Zwar unterliegen auch örtliche Straßenplanungen, die keines förmlichen Planungsverfahrens bedürfen (vgl. Art. 35 ff. BayStrWG), dem im Rechtsstaatsgebot begründeten Abwägungsgebot (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 – IV C 79.76 – juris Rn. 59; BVerfG, B.v. 11.11.2002 – 1 BvR 218/99 – juris Rn. 19; HessVGH, B.v. 26.2.2021 – 2 B 2698/20 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 27.5.2021 – 8 CE 21.1289 – juris Rn. 11), relevante Abwägungsfehler sind jedoch – wie schon in den vorangegangenen Verfahren – nicht ersichtlich.
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Insbesondere führt die Schließung der streitgegenständlichen provisorischen Zufahrt nach Aktenlage nicht zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sodass entgegen der Auffassung der Antragsteller auch kein Verstoß gegen die aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht ersichtlich ist. Ungeachtet der Frage, ob und gegebenenfalls für welche Fallgruppen sich die Antragsteller subjektiv überhaupt auf etwaige Beeinträchtigungen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und daraus resultierende Gefahren für Leib und Leben berufen können, weist der Gesetzgeber die Verantwortung dafür, die Voraussetzungen für die zweckmäßige Nutzung des Grundstücks zu schaffen, den jeweiligen Eigentümern zu. Die staatliche Verantwortungssphäre endet damit zunächst an der Grundstücksgrenze und erfordert – wie bereits ausgeführt – lediglich eine Anfahrtsmöglichkeit. Es ist daher zunächst an den Antragstellern, etwaigen von der Nutzung ihres Grundstücks ausgehende Gefahren durch Maßnahmen innerhalb ihres Grundstücks zu begegnen. Die staatliche Schutzpflicht beginnt aufgrund des auch vom Bundesverfassungsgerichts zugebilligten Gestaltungsspielraums erst, wenn die jeweiligen Eigentümer den aus ihrem Eigentum fließenden Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommen und die öffentliche Gewalt Vorkehrungen zum Schutz des Grundrechts trifft, die völlig ungeeignet oder völlig unzulänglich sind (Lang in BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, Stand 15.8.2023, Art. 2 Rn. 256 m.w.N.). Dass dies hier der Fall wäre, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere besteht jedenfalls nach summarischer Prüfung der von den Antragstellern behauptete Zwang zum Rückwärtsfahren gerade nicht, da Wendemöglichkeiten bestehen.
58
Auch stellt sich die Schließung der provisorischen Zufahrt im Rahmen des Fortgangs der Bauarbeiten und der damit einhergehenden der Rückverlegung der Straßenführung auf die ursprüngliche Trasse nicht als abwägungsfehlerhaft dar. Der Antragsgegner hat die von der Zufahrt zur St … ausgehenden Gefahrenpotentiale hinreichend gewürdigt und ist mit Blick auf die mit der erhöhten Verkehrsbelastung einhergehende Unfallgefahr nachvollziehbar zu dem Ergebnis gekommen, dass die Zweiterschließung über die St … weder notwendig noch – jedenfalls im Hinblick auf das von den Antragstellern als unverzichtbar angegebene Einfahren von der Hofstelle auf die St … – verkehrssicher möglich ist.
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2. Ein Anspruch auf eine provisorische Ersatzzufahrt wurde ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.
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Dies ergibt sich bereits daraus, dass – wie dargestellt – schon kein genereller Anspruch auf eine Zweiterschließung des Grundstücks der Antragsteller über die St … besteht. Erst recht können sie daher keine provisorische Zufahrt bis zum Abschluss der Brückenbauarbeiten verlangen.
61
Etwas Anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes. Nach dem auch im Verwaltungsrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben entsprechend § 242 BGB kann das Verhalten einer Behörde einen Vertrauenstatbestand begründen, wenn der andere Teil im Hinblick hierauf Dispositionen getroffen hat und treffen durfte (vgl. BayVGH, U.v. 15.2.2021 – 8 B 20.2352 – juris Rn. 42; U.v. 30.6.2021 – 8 B 20.1833 – juris Rn. 31).
62
Angesichts der bisherigen Dauer der Planungs- und Baumaßnahmen sowie der Ergebnisse der vorangegangenen verwaltungsgerichtlichen Verfahren mussten die Antragsteller damit rechnen und konnten sich darauf einstellen, die Erschließung ihres Grundstücks über die Zufahrt zur St … durch den Fortgang der Bauarbeiten zu verlieren. Der Einrichtung der provisorischen Ersatzzufahrt durch die von dem Antragsgegner beauftragte Baufirma kann schon mangels Schriftlichkeit (Art. 38 BayVwVfG) nicht entnommen werden, dass hiermit gleichzeitig zugesichert worden wäre, dass diese bis März 2024 zur Verfügung stünde. Auch das von den Antragstellern in Bezug genommene Schreiben vom 4. November 2022 des Antragsgegners führt nicht zu einer anderen Bewertung. In dem Schreiben wurden lediglich die dem Vergabeverfahren bzw. den jeweiligen Losen für die Bauausführung zugrundgelegten Zeiträume wiedergegeben, jedoch weder eine Aussage und erst recht keine Zusicherung hinsichtlich der Einrichtung einer provisorischen Ersatzzufahrt getroffen.
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B. Auch der zulässige Hilfsantrag (I.) ist unbegründet (II.).
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Mit ihrem Hilfsantrag begehren die Antragsteller die Feststellung, dass die vom Antragsgegner beabsichtigte Schließung der derzeit bestehenden provisorischen Zufahrt von Grundstück Fl. Nr. 991, Gemarkung …, zur St … rechtswidrig ist.
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I. Beim Übergang von der im Hauptantrag begehrten Unterlassung, also einer Leistungsklage, vgl. § 43 Abs. 2 VwGO, zu einer Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO handelt es sich um eine nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Klageänderung. Die Privilegierung kommt aus prozessökonomischen Gründen auch bei Hilfsanträgen zum Tragen, wenn – wie hier – der gleiche Streitgegenstand wie im Hauptantrag betroffen ist (Wolff/Decker in BeckOK VwGO, Posser/Wolff/Decker, Stand 1.7.2023, § 91 Rn. 10).
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Die Subsidiaritätsklausel des § 43 Abs. 2 VwGO steht der Erhebung der Feststellungsklage nach überwiegender Auffassung nicht entgegen, wenn hierdurch – wie vorliegend – keine Frist- oder Vorverfahrenserfordernisse umgangen werden (Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 43 VwGO Rn. 42 ff.).
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II. Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet.
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Jedenfalls nach der im einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen summarischen Prüfung stellt sich die Schließung der provisorischen Zufahrt zum Grundstück der Kläger – wie unter A. ausgeführt – als rechtmäßig dar.
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C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. Nummern 1.1.4, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 31. Mai bzw. 1. Juni 2012 und am 18. Juli 2013 beschlossenen Änderungen.