Titel:
Erfolgloses Normenkontrollverfahren gegen Bebauungsplan (Vergnügungsstättenkonzept)
Normenketten:
VwGO § 47, § 91 Abs. 1
BauGB § 2 Abs. 3, § 13, § 214 Abs. 4
BauNVO § 1 Abs. 4, Abs. 10, § 7 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Von einer Verhinderungsplanung ist dann auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken, was aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der – ggf. anlässlich eines Bauantrags eingeleiteten – Bauleitplanung in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern, einschränken oder sogar aufheben, aber die Bestandsgarantie des Eigentums fordert, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
4. Unionsrecht als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren führt im Falle eines Verstoßes nicht zur Unwirksamkeit, sondern infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zum Ausspruch der Unanwendbarkeit der Norm. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Bebauungsplan, Vergnügungsstättenkonzept als städtebauliche Entwicklungsplanung, Ausschluss von Vergnügungsstätten mit Ausnahme von Bars und Diskotheken im Kerngebiet, ergänzendes Verfahren, Auslegung des B-Plans, Satzungsmängel, Planrechtfertigung, Erforderlichkeit, Planungswille, Planungsinhalt, Wettbüro, Verhinderungsplanung, Bestandsgarantie, Vergnügungsstättenkonzept
Fundstelle:
BeckRS 2023, 27948
Tenor
I. Der Normenkontrollantrag wird im Haupt- und Hilfsantrag abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ der Antragsgegnerin in der zweiten Fassung vom 18. August 2021.
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Das 2,5 ha umfassende Plangebiet liegt im Innenstadtrandbereich der Antragsgegnerin und ist nahezu abschließend bebaut; vorhandene Nutzungen sind u.a. mehrere Hotels, der Hauptsitz mit Filialbetrieb einer Bank, Verwaltungen von Versicherungen, der Bundespolizei, des Blindenbunds und des Job-Centers sowie Dienstwohnungen. Der Antragsteller ist Eigentümer eines überplanten Grundstücks (…, …), auf dem er ein Leihhaus betreibt, und Vermieter einer benachbarten Liegenschaft (…), in welcher im Erdgeschoss trotz bestandskräftiger Nutzungsuntersagung ein Wettbüro betrieben wird (vgl. Senatsbeschluss vom 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846).
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Mit dem im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB aufgestellten Bebauungsplan wird im Wesentlichen in Umsetzung eines von der Antragsgegnerin beschlossenen „Vergnügungsstättenkonzepts“ ein Kerngebiet unter Ausschluss von – u.a. – Vergnügungsstätten, mit Ausnahme von Bars und Diskotheken, festgesetzt. Planungsziel ist laut Planbegründung vor allem der Schutz der bestehenden Struktur und die Vermeidung eines Trading-Down-Effekts.
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Der Stadtplanungsausschuss der Antragsgegnerin beschloss am 30. März 2017 den Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ in der Entwurfsfassung vom 29. September 2016 als Satzung. Der Satzungsbeschluss wurde am 17. Mai 2017 ortsüblich bekanntgemacht.
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Mit Schriftsatz vom 26. April 2018 hat der Antragsteller gemäß § 47 VwGO einen Antrag auf Normenkontrolle gestellt und u.a. geltend gemacht, der Beschlusstext nehme auf die Planfassung vom 29. September 2016 Bezug, obwohl die textlichen Festsetzungen unter § 2 nachträglich und nicht nur redaktionell geändert worden seien. Die deshalb erforderliche erneute Auslegung habe nicht stattgefunden.
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Daraufhin beschloss der Stadtplanungsausschuss der Antragsgegnerin am 26. November 2020, ein ergänzendes Verfahren i.S.v. § 214 Abs. 4 BauGB durchzuführen. Der Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ in der zweiten Fassung vom 19. Oktober 2020 wurde nach erneuter Auslegung am 19. Mai 2021 als Satzung beschlossen, am 8. Juli 2021 ausgefertigt und mit dem Hinweis auf sein rückwirkendes Inkrafttreten zum 17. Mai 2017 am 18. August 2021 ortsüblich bekanntgemacht.
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Mit Schriftsatz vom 8. April 2022 hat sich der Antragsteller auch gegen die geänderte Fassung des Bebauungsplans gewandt. Er ist der Auffassung, die Voraussetzungen zur Durchführung eines ergänzenden Verfahrens hätten nicht vorgelegen. Außerdem habe die Antragsgegnerin das Vergnügungsstättenkonzept nicht zusammen mit dem Bebauungsplanentwurf ausgelegt, obwohl dieses der Kern ihrer Planung gewesen sei. Der Bebauungsplan sei als spezifische Verhinderungsplanung in Bezug auf Wettbüros entgegen § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich sowie zudem widersprüchlich und unbestimmt. So bleibe unklar, welche Betriebe tatsächlich ausnahmsweise zulässig seien und wie der Begriff der Vergnügungsstätte im Hinblick auf die Erfassung von Wettbetrieben zu verstehen sei. Er stehe nicht im Einklang mit der Baunutzungsverordnung, weil durch den Ausschluss nahezu aller für ein Kerngebiet im Unterschied zu anderen Gebietskategorien charakteristischen Nutzungen dessen Eigenheit soweit verloren gehe, dass das Gebiet eher den Charakter eines überwiegend durch gewerbliche Nutzung geprägten Mischgebiets erhalte. Der Bebauungsplan verstoße gegen höherrangiges Landesrecht und das Recht der Europäischen Union, indem er insbesondere die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags konterkariere, diskriminierend wirke und die Niederlassungs-, Dienstleistungs- und Wettbewerbsfreiheit beeinträchtige. Schließlich leide der Bebauungsplan an einem Ermittlungs- und Abwägungsdefizit. So seien weder das bestehende Eigentumsrecht des Antragstellers noch der Umstand berücksichtigt worden, dass es während der jahrelangen Nutzung des von ihm vermieteten Anwesens durch ein Wettbüro tatsächlich nicht zu dem seitens der Antragsgegnerin befürchteten Trading-Down-Effekt gekommen sei. Wettbüros erfüllten eine spielsuchtpräventive Funktion und seien nicht mit den in größerer Zahl vorhandenen Spielhallen gleichzusetzen, deren Suchtpotenzial ungleich höher sei. Auch erschließe sich nicht, aus welchem Grund emissionsträchtige Betriebe wie Diskotheken besser behandelt würden als Wettbüros.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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den Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ in der zweiten Fassung, die er mit Bekanntmachung am 18. August 2021 erfahren hat, für unwirksam zu erklären,
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hilfsweise, den Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ der Stadt … insoweit für unanwendbar zu erklären, als er in § 2 Nr. 1.1 Vergnügungsstätten aller Art als nicht zulässig regelt.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie verteidigt ihre Bauleitplanung sowie die zugrundeliegenden Erwägungen. Die weitere Ansiedlung von Wettbüros und Spielhallen werde in gleicher und nicht in diskriminierender Weise gesteuert. Ein eventuelles, zahlenmäßiges Überwiegen von Spielhallen im Stadtgebiet sei ausschließlich dem Umstand geschuldet, dass bereits vorhandene Spielhallen Bestandsschutz genössen.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Normaufstellungsakten der Antragsgegnerin verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Der Normenkontrollantrag bleibt ohne Erfolg.
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I. Die vorgenommene Antragsänderung, anstelle des Bebauungsplans in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Mai 2017 nunmehr den Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ in der zweiten Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 2021 für unwirksam zu erklären, ist sachdienlich im Sinn von § 91 Abs. 1 VwGO und daher zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 24.3.2010 – 4 CN 3.09 – juris Rn. 15; BayVGH, U.v. 7.10.2022 – 9 N 21.190 – juris Rn. 17 m.w.N.). Die Antragsänderung dient der endgültigen Ausräumung des sachlichen Streitstoffs zwischen den Parteien im laufenden Verfahren (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2022 – 9 N 20.1752 – juris Rn. 19).
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II. Der Hauptantrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Der Antragsteller ist insbesondere auch antragsbefugt, weil er Eigentümer im Plangebiet liegender Grundstücke ist und sich gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die seine Grundstücke unmittelbar betreffen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5 m.w.N.).
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III. Der Hauptantrag im Normenkontrollverfahren ist jedoch unbegründet. Der Bebauungsplan Nr. … „F.graben“ (zweite Fassung) leidet weder in formeller noch in materieller Hinsicht an beachtlichen Fehlern, die zu seiner Unwirksamkeit führen.
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1. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war die Antragsgegnerin nicht gehindert, im Wege des ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB den Bebauungsplan in der zweiten Fassung vom 19. Oktober 2020 mit einer ergänzten Begründung erneut auszulegen und als Satzung rückwirkend zu beschließen. Im ergänzenden Verfahrens sind grundsätzlich alle beachtlichen Satzungsmängel behebbar. Ausgenommen sind nur Nachbesserungen, die geeignet sind, das planerische Gesamtkonzept in Frage zu stellen, oder die die Grundzüge der Planung berühren (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.2003 – 4 CN 20.02 – juris Rn. 34; OVG LSH, B.v. 3.5.2023 – 1 MR 10/20 – juris Rn. 21 m.w.N.).
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Die vom Antragsteller angesprochene Divergenz zwischen der ursprünglichen und der am 19. Mai 2021 beschlossenen Fassung des § 2 des Satzungstextes betrifft selbst ungeachtet der Frage, ob die Änderung lediglich redaktioneller oder inhaltlicher Art ist, jedenfalls nicht die Grundzüge der Planung. Ohnehin unterscheidet sich die nunmehr beschlossene Fassung des § 2 Nr. 1 von der vorherigen nur hinsichtlich der Gliederung und dem Zusatz, dass die im Kerngebiet nicht zulässigen Nutzungen „auch nicht ausnahmsweise“ zulässig sind. Der genannte Zusatz ist nur klarstellender Natur, denn es werden damit keine weiteren Nutzungen ausgeschlossen oder umgekehrt (ausnahmsweise) für zulässig erklärt. Es kann auch nicht – wie der Antragsteller meint – aus dem Fehlen des Zusatzes in der Ausgangsfassung gefolgert werden, dass über die ausdrücklich normierte Ausnahme für Bars und Diskotheken ohne Darbietungen sexuellen Charakters hinaus die als unzulässig festgesetzten Nutzungen ursprünglich ebenfalls ausnahmsweise zulässig sein sollten. Gegen ein derartiges Verständnis spricht auch, dass § 31 Abs. 1 BauGB die ausdrückliche Normierung einer Ausnahme fordert.
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2. Der Bebauungsplan leidet an keinem Auslegungsmangel. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass das von der Antragsgegnerin am 26. Oktober 2016 beschlossene Vergnügungsstättenkonzept nicht zum Auslegungsmaterial gehörte. Nach § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB (i.d.F.v. 3.11.2017, vgl. § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB) sind die Entwürfe der Bauleitpläne mit der Begründung und den nach Einschätzung der Gemeinde wesentlichen, bereits vorliegenden umweltbezogenen Stellungnahmen für die Dauer eines Monats, mindestens jedoch für die Dauer von 30 Tagen, oder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Dauer einer angemessenen längeren Frist öffentlich auszulegen. Bei dem Vergnügungsstättenkonzept handelt es sich um ein städtebauliches Entwicklungskonzept gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB, nicht jedoch um eine umweltbezogene Stellungnahme im Sinne von § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Eine generelle Verpflichtung zur Auslegung weiterer als der in § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB genannten Unterlagen ergibt sich über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch nicht aus dem Zweck der Öffentlichkeitsbeteiligung, der planenden Stelle Interessenbetroffenheiten deutlich zu machen sowie den Gemeindeeinwohnern Teilhabe am Planungsverfahren zu ermöglichen (vgl. SächsOVG, U.v. 13.4.2022 – 1 C 39/20 – juris Rn. 54; Rixner/Biedermann/Charlier, Praxiskommentar BauGB/BauNVO, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 20).
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Vorliegend wird in der Begründung des Bebauungsplans auf das Vergnügungsstättenkonzept Bezug genommen und es werden bezogen auf das Plangebiet die jeweiligen Untersuchungsergebnisse detailliert dargestellt (vgl. Entwurfsbegründung Seite 6 ff.). Die Auslegung des Entwurfs nebst der die maßgeblichen Untersuchungsergebnisse des Vergnügungsstättenkonzepts widergebenden Begründung genügt somit dem Zweck der Gewährleistung der Teilhabe der Öffentlichkeit am Planungsverfahren und der Verdeutlichung von Planbetroffenheit. Im Übrigen wurde das Vergnügungsstättenkonzept in öffentlicher Sitzung beschlossen und ist unter dem Internet-Auftritt der Antragsgegnerin online abrufbar.
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3. Dem Bebauungsplan fehlt nicht die städtebauliche Erforderlichkeit bzw. Planrechtfertigung gemäß § 1 Abs. 3 BauGB.
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Dies gilt für die Planung insgesamt und für jede ihrer Festsetzungen. Was in diesem Sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3 m.w.N.; U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 = juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 30.7.2021 – 9 N 18.1995 – juris Rn. 18). Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, bei denen zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Sie betrifft die generelle Erforderlichkeit des Plans, nicht hingegen die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung, für die das Abwägungsgebot maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – juris Rn. 10 m.w.N.; BayVGH, U.v. 27.4.2023 – 9 N 19.303 – juris Rn. 19).
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Den vorstehenden Anforderungen entspricht der angegriffene Bebauungsplan. Zur Planrechtfertigung wird in seiner Begründung ausgeführt, der Erhalt des bereits bestehenden Kerngebiets mit Schwerpunkt Dienstleistung, Beherbergung und zentralen Einrichtungen von Wirtschaft und Verwaltung mache Regelungen zur Art der baulichen Nutzung erforderlich. Vermieden werden sollten insbesondere Störungen der bestehenden Gewerbebetriebe, Trading-Down-Effekte und Störungen des Bodenpreisgefüges. Diese Erwägungen lassen eine positive Planungskonzeption erkennen. Soweit der Antragsteller bereits den Planungsansatz für ungeeignet hält, weil Spielhallen und Wettbüros im Rahmen des Ausschlusses von Vergnügungsstätten ohne Berücksichtigung deren (angeblich) unterschiedlichen Suchtpotentials undifferenziert zusammengefasst worden seien, tangiert dies nicht die Erforderlichkeit der Planung nach § 1 Abs. 3 BauGB. Die Antragsgegnerin hat zu Recht auf städtebauliche Gründe und nicht auf suchtpräventive Motive abgestellt, für die die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 – BVerwGE 77, 308).
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Die Planungsziele stellen sich auch nicht als „Alibimotive“ dar. Von einer Verhinderungsplanung wäre nur auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der – ggf. anlässlich eines Bauantrags eingeleiteten – Bauleitplanung in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht (vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067 = juris Rn. 12; B.v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl 1991, 280; BayVGH, U.v. 11.10.2021 – 2 N 19.2383 – juris Rn. 32; U.v. 29.1.2015 – 9 N 15.213 – juris Rn. 39). Bei einem angestrebten Erhalt des Siedlungscharakters und der Vorbeugung städtebaulicher Fehlentwicklungen – wie hier – handelt es sich um erforderliche und gerechtfertigte Planungsziele (vgl. BayVGH, U.v. 12.12.2022 – 15 N 22.1064 – juris Rn. 18 ff.; U.v. 25.5.2021 – 1 N 17.384 – juris Rn. 21).
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Es entspricht einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz, dass sich Vergnügungsstätten negativ auf ihre Umgebung im Sinn eines Trading-Down-Effekts auswirken können (vgl. BVerwG, B.v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – BauR 2009, 76 = juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris Rn. 22). Derartige Beeinträchtigungen müssen für die Rechtfertigung einer Bauleitplanung auch noch nicht vorliegen. Vielmehr kann schon im Vorfeld vorsorgend ein Bebauungsplan aufgestellt werden, um den befürchteten negativen Entwicklungen zu begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 9 ZB 19.1612 – juris Rn. 11; B.v. 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 10; OVG NRW, U.v. 17.8.2020 – 2 A 691/17 – juris Rn. 81 ff.). In Anbetracht der im Vergnügungsstättenkonzept der Antragsgegnerin noch dazu konkret festgestellten Unverträglichkeit bestimmter Vergnügungsstättennutzungen im Bereich des Plangebiets bedurfte es demzufolge auch vorliegend nicht des Nachweises bereits eingetretener negativer Auswirkungen.
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Schließlich ist in Bezug auf die Planrechtfertigung die teilräumliche Umsetzung des Vergnügungsstättenkonzepts nicht zu beanstanden. Es ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannt, dass die Gemeinde ihre planerische Tätigkeit auf diejenigen Bereiche beschränken darf, in denen ein „akuter“ planerischer Handlungsbedarf besteht. Selbst eine planerische Konzeption, die sich auf größere Teile des Gemeindegebiets auswirkt, muss grundsätzlich nicht notwendig auf einen Schlag realisiert werden (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – juris Rn. 5 m.w.N.). Der Planungsträger ist zudem nicht gehindert, sich die rechtfertigende Wirkung eines Planungskonzeptes auch im Fall seiner nicht vollständigen Umsetzung zunutze zu machen, sofern die Festsetzungen des Bebauungsplans jedenfalls geeignet sind, einen Beitrag zur Förderung des Planungskonzepts zu leisten, und eine nur teilweise Umsetzung das Planungskonzept nicht konterkariert (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2013 – 4 CN 6.11 – juris Rn. 12). Dies ist hier der Fall. Es obliegt der Gemeinde im Rahmen ihrer Städtebaupolitik, die Bereiche mit vordringlichem Handlungsbedarf zu bestimmen; eine willkürliche Umsetzung des Vergnügungsstättenkonzepts ist darin nicht zu erkennen.
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4. Der angegriffene Bebauungsplan ist nicht unbestimmt. Es wird insbesondere hinreichend deutlich, dass Vergnügungsstätten mit Ausnahme der in § 2 Nr. 1.6 des Plantextes genannten Typen nicht zulässig sind. Auf die Ausführungen unter III. 1. wird verwiesen.
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Soweit der Antragsteller außerdem die fehlende Bestimmtheit des Begriffs „Wettbüro“ moniert, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieser Begriff in den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans keine Verwendung findet, sondern auf den gesetzlichen Terminus der „Vergnügungsstätte“ abgestellt wird. In der Begründung zum Bebaungsplan wird zwar erläuternd ausgeführt, dass zur Stärkung bestehender Kerngebietsnutzungen u.a. Wettbüros ausgeschlossen werden (vgl. Nr. I.4.1. der Planbegründung S. 7). Es besteht aber kein Zweifel, dass diese, ebenso wie etwa die gleichfalls in der Begründung erwähnten Spielhallen, als Beispiele für Vergnügungsstätten angesprochen sind und ladenmäßig betriebene Wettannahmestellen, die nicht dem Vergnügungstättenbegriff unterfallen, nicht von der Regelung erfasst sein sollen (vgl. auch BayVGH, B.v. 05.07.2021 – 9 ZB 19.1610 – juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 18.3.2019 – 15 ZB 18.690 – juris Rn. 22 f. m.w.N.). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vergnügungsstättenkonzept (vgl. Vergnügungsstättenkonzept, Bericht vom 24.6.2013, Langfassung S. 7).
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5. Die unter § 2 der textlichen Festsetzungen vorgenommenen Nutzungsausschlüsse sind gemäß § 1 Abs. 9 und 5 BauNVO zulässig.
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a) Gemäß § 1 Abs. 5 BauNVO können bestimmte Arten von Nutzungen, die nach den §§ 2 bis 9 sowie 13 und 13a allgemein zulässig sind, für nicht zulässig oder nur ausnahmsweise zulässig erklärt werden, sofern die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets gewahrt bleibt. Wenn besondere städtebauliche Gründe dies rechtfertigen, ermöglicht es § 1 Abs. 9 BauNVO zudem, dass nur bestimmte Arten der in den Baugebieten allgemein oder ausnahmsweise zulässigen baulichen oder sonstigen Anlagen zulässig oder nicht zulässig sind oder nur ausnahmsweise zugelassen werden können.
33
Macht die Gemeinde von den in § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO eröffneten Möglichkeiten der Feinsteuerung zulässiger Nutzungen Gebrauch, darf die allgemeine Zweckbestimmung des Baugebiets nicht verloren gehen, weil andernfalls die in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauNVO geregelte Pflicht verletzt wird, im Bebauungsplan ein in § 1 Abs. 2 BauNVO bezeichnetes Baugebiet festzusetzen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.2009 – 4 CN 5.07 – BVerwGE 133, 377 = juris Rn. 9). „Gewahrt“ i.S.v. § 1 Abs. 5 BauNVO bleibt die allgemeine Zweckbestimmung, wenn und soweit die für den jeweiligen Gebietstyp prägenden und damit unverzichtbaren Nutzungsarten hinreichend repräsentiert sind (vgl. Bönker/Bischopink, BauNVO, 2. Aufl. 2018, § 1 Rn. 137). Kerngebiete dienen gemäß § 7 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie der zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur. Vergnügungsstätten, die hier mit Ausnahme von Bars und Diskotheken ohne Darbietungen sexuellen Charakters ausgeschlossen wurden, sind somit nach der allgemeinen Zweckbestimmung nicht notwendiger Bestandteil eines Kerngebiets. Wenngleich sie nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig sind, machen sie als nicht ausschließlich ihm zugewiesene Nutzungsart nicht das Wesen dieses Gebietstyps aus (vgl. BVerwG, B.v. 22.5.1987 – 4 N 4.86 – juris Rn. 10; OVG Hamburg, U.v. 8.6.2016 – 2 E 6/15.N – juris Rn.59). Ihr (weitgehender) Ausschluss lässt die Kerngebietseigenart unberührt.
34
b) Die festgesetzten Nutzungsausschlüsse sind auch durch besondere städtebauliche Gründe im Sinne von § 1 Abs. 9 BauNVO gerechtfertigt. Hierfür werden nicht besonders gewichtige, sondern spezifische Gründe für die Feindifferenzierung gefordert (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2017 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137 = juris Rn. 10; U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133 = juris Rn. 13; VGH BW, U.v. 18.10.2017 – 3 S 642/16 – juris Rn. 38 m.w.N.).
35
In der Begründung des Bebauungsplans wird unter Verweis auf die Ergebnisse des Vergnügungsstättenkonzepts ausgeführt, es handle sich beim Plangebiet um eine durch Büro- und sonstige Dienstleistungsnutzung geprägte Innenstadtrandlage, in der Vergnügungsstätten regelmäßig zu städtebaulich-funktionalen Unverträglichkeiten führten und die Gefahr von Änderungen des Bodenpreisgefüges drohe. Der Ausschluss von Vergnügungsstätten diene dem Schutz der bestehenden Nutzungen (vgl. Planbegründung S. 3, 6). Demgegenüber solle durch die ausnahmsweise Zulassung von Bars und Diskotheken eine Belebung nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Die beliebten Clubs in Form von kleineren und mittleren Gaststätten mit tageweiser DJ-Musik könnten als Diskothek ausnahmsweise zugelassen werden, wenn der Mikrostandort geeignet erscheine (vgl. Planbegründung S. 7). Damit werden auf Grundlage der konkreten städtebaulichen Situation, insbesondere der vorhandenen bzw. sich abzeichnenden Konfliktlagen und fußend auf plausiblen planerischen Überlegungen standortspezifische Gründe für den gewählten, differenzierten Nutzungsausschluss aufgezeigt.
36
6. Der Bebauungsplan leidet nicht an einem beachtlichen Abwägungsmangel.
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Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange in wesentlichen Punkten (zutreffend) zu ermitteln und zu bewerten sind. Zu ermitteln und zu bewerten sowie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen. Nicht abwägungsbeachtlich sind mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – juris Rn. 5 m. w. N.).
38
Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Dabei differenziert das Gesetz in Bezug auf die Fehlerfolgenregelungen zwischen Abwägungsvorgang und Abwägungsergebnis. Das Abwägungsgebot erlaubt bei einer Planungsentscheidung einen besonders flexiblen und dem Einzelfall gerecht werdenden Interessenausgleich unter maßgeblicher Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (vgl. BVerfG‚ B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – UPR 2003‚ 143). Das der Bauleitplanung zugrunde liegende Konzept muss folgerichtig und widerspruchsfrei umgesetzt werden (vgl. BayVGH‚ U.v. 18.7.2014 – 1 N 13.2501 – juris Rn. 31; U.v. 22.3.2011 – 1 N 09.2888 – juris). Für die Abwägung ist nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bebauungsplan maßgebend (vgl. BayVGH, U.v. 7.10.2022 – 9 N 21.190 – juris Rn. 43).
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Nach diesen Maßgaben sind weder Ermittlungs- und Bewertungs- noch materielle Abwägungsfehler dargelegt oder ersichtlich.
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a) Der Ausschluss von Vergnügungsstätten unter ausnahmsweiser Zulassung von Bars und Diskotheken ohne Darbietungen sexuellen Charakters ist nicht zu beanstanden.
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aa) In der Planbegründung wird unter Verweis auf städtebaulich-funktionale Unverträglichkeiten von Vergnügungsstätten in Innenstadtrandlagen ausgeführt, dass es gelte, Nutzungskonflikte zu vermeiden, das Bodenpreisgefüge zu schützen und einem Trading-Down-Effekt entgegenzuwirken (vgl. Planbegründung S. 3, 6 und 8). Unter einem „Trading-Down-Effekt“ lässt sich ein Qualitätsverlust der Nutzungsvielfalt durch Verdrängung von herkömmlichen Kerngebietsnutzungen aufgrund der Konkurrenzsituation zwischen Betrieben mit typischerweise geringem Investitionsbedarf und vergleichsweise hoher Ertragsstärke gegenüber Nutzungen mit deutlich höherem Investitionsbedarf und geringerer Ertragsstärke verstehen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 9; OVG NRW, U.v. 6.4.2017 – 2 D 77/15.NE – juris Rn. 100). Das entspricht für Vergnügungsstätten einem allgemeinen städtebaulichen Erfahrungssatz, auf den auch die Begründung des Bebauungsplans ausdrücklich abstellt. Dass eine Vergnügungsstätte, wie beispielsweise ein Wettbüro, im Einzelfall auch gehoben ausgestattet sein kann, wie der Antragsteller einwendet, ist bei der gebotenen typisierenden Betrachtung nicht von Belang und war daher von der Antragsgegnerin auch nicht zu erwägen.
42
Für die ausnahmsweise Zulässigkeit von Bars und Diskotheken ohne Darbietungen sexuellen Charakters werden differenzierte städtebauliche Gründe, vor allem das Interesse, bei Geeignetheit des „Mikrostandorts“ eine „Belebung“ des Gebiets nicht gänzlich auszuschließen, angeführt (s.o., I. 5. b). Die Antragsgegnerin verkennt insoweit nicht das von Bars und Diskotheken ausgehende Störpotential. Sie hält aber eine einzelfallbezogene Beurteilung in Anbetracht der konkreten Bau- und Nutzungsstruktur des urbanen Bereichs (insbesondere hinsichtlich bestehender Beherbergungsbetriebe) und daraus resultierender Entwicklungsbedürfnisse entsprechend den Einschätzungen im Vergnügungsstättenkonzept (vgl. Bericht vom 24.6.2013, Langfassung S. 8, Kurzfassung, S. 4) für vertretbar, zumal sie damit auch dessen Vorgabe umsetzt, hinsichtlich Diskotheken und Tanzlokalen geeignete Gebiete (u.a. publikumsorientierte Kerngebiete) zu identifizieren (s. Planbegründung S. 6, 8 f.).
43
bb) Der Antragsteller macht ohne Erfolg geltend, die „Gebietsunruhe“ durch die Hauptbahnhofnähe sowie die Befriedigung des Spieltriebs hätten für eine Zulassung von Wettbüros sprechen müssen. Als Ausdruck der der Gemeinde zukommenden elementaren planerischen Gewichtung hat die Antragsgegnerin die Bahnhofnähe als wichtigen Grund dafür angesehen, Vergnügungsstätten wegen ihrer negativen städtebaulichen Auswirkungen weitgehend auszuschließen. Dem Schutz des bestehenden Gewerbes und der Vermeidung einer „Beeinträchtigung des schützenswerten Stadteingangs im Bahnhofsbereich“ hat sie als Planungsziel überragende Bedeutung beigemessen (s. Planbegründung S. 3), während die Befriedigung des Spieltriebs in der planerischen Abwägung – ungeachtet der Frage, ob dieser einen Belang im Sinne von § 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB darstellt – dementsprechend keine maßgebende Berücksichtigung im Plangebiet gefunden hat. Dies ist nicht zu beanstanden.
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cc) Ein Abwägungsmangel ist auch nicht darin zu sehen, dass Spielhallen und Wettbüros gleichermaßen ausgeschlossen wurden.
45
Wie bereits ausgeführt, ist die vom Antragsteller insoweit angeführte Suchtproblematik, die jeweils unterschiedlich zu bewerten sei, kein städtebaulicher Belang (vgl. III. 3.). Ausgehend von den im Vergnügungsstättenkonzept entwickelten Untersuchungsergebnissen, wonach Wettbüros eine ähnliche städtebauliche Wirkung wie Spielhallen haben (vgl. Bericht vom 24.6.2013, Kurzfassung S. 4, 19), stellt die Planung einheitlich auf die negativen Auswirkungen von Vergnügungsstätten ab (vgl. Planbegründung S. 8). Ein Trading-down-Effekt kann von Spielhallen ebenso wie von Wettbüros ausgelöst oder verstärkt werden. In beiden Fällen besteht wegen der hohen Mietzahlungsfähigkeit die Gefahr einer Verdrängung anderer kerngebietstypischer Nutzungen (vgl. OVG Hamburg, U.v. 8.6.2016 – 2 E 6/15.N – juris Rn. 72).
46
Es ist diesbezüglich auch nicht fehlerhaft, dass die Antragsgegnerin dem Umstand eines illegal im Plangebiet betriebenen Wettbüros hinsichtlich seiner städtebaulichen Auswirkungen keine Bedeutung beigemessen hat. Zum einen handelt es sich schon nicht um einen zu ermittelnden schutzwürdigen Belang. Die Antragsgegnerin hat zu keinem Zeitpunkt einen Vertrauenstatbestand in das Fortbestehen des Wettbüros begründet, sondern ist gegen die illegal betriebene Wettbüronutzung vorgegangen (vgl. Senatsbeschluss vom 18.4.2017 – 9 ZB 15.1846 – juris Rn. 10 ff.). Zum anderen ist weder substantiiert dargelegt noch ersichtlich, dass sich aus dem illegalen Betrieb eines Wettbüros wesentliche Erkenntnisse über die städtebaulichen Folgen der Zulassung solcher Nutzungen gewinnen lassen könnten. Die Antragsgegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass ein (vermeintlich) fehlender Trading-Down-Effekt trotz des Betriebs des Wettbüros gerade dem bauordnungsrechtlichen Vorgehen gegen diese illegale Nutzung sowie dem Bebauungsplanverfahren geschuldet sein kann.
47
Soweit der Antragsteller wegen des faktischen Übergewichts der Anzahl vorhandener Spielhallenkonzessionen im gesamten Stadtgebiet eine Öffnung des Plangebiets für Wettbüros fordert, lässt sich daraus ebenso wenig eine fehlerhafte Abwägung ableiten. Abgesehen davon, dass im Plangebiet selbst kein Ungleichgewicht zwischen vorhandenen Spielhallen und Wettbüros ersichtlich ist, folgt aus der Anzahl bestandsgeschützter Spielhallen im gesamten Stadtbereich kein Anspruch auf Zulassung von Wettbüros (im Plangebiet). Ein derartiger Anspruch ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans gültigen Glückspielstaatsvertrag (GlüStV i.d.F. vom 30.6.2012). Dieser hinderte nicht, den erkannten negativen Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung durch eine entsprechende Bauleitplanung zu begegnen (für Spielhallen vgl. LT-Drs. 16/12192 S. 1). Der Landesgesetzgeber hat im Glückspielstaatsvertrag 2012 mit einer Experimentierklausel für sieben Jahre das bisherige Veranstaltungsmonopol durch ein Konzessionsmodell ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 5 GlüStV 2012 wurde in Art. 7 Abs. 1 AGGlüStV (i.d.F. vom 1.7.2012) die Zahl der Wettvermittlungsstellen bei den Konzessionsnehmern für den Freistaat Bayern auf eine Höchstzahl von 400 begrenzt. Laut der Gesetzesbegründung sollte hierdurch eine Beschränkung auf das zur Kanalisierung und Spielsuchtsowie Schwarzmarktbekämpfung erforderliche Maß erreicht werden (vgl. LT-Drs. 16/12192, S. 12 f.). Mit ihm wurde also eine Obergrenze geregelt. Es ging dagegen nicht um die Gewährleistung einer bestimmten Anzahl von Wettbüros, erst recht nicht ungeachtet deren städtebaulicher Auswirkungen.
48
b) Der Bebauungsplan ist nicht abwägungsfehlerhaft, weil das Vergnügungsstättenkonzept mit ihm nicht vollständig umgesetzt wird. Wie sich aus § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB ergibt, sind derartige Planungskonzepte als Belang im Rahmen der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Es besteht deshalb aber keine Bindung der Gemeinde und es kann aufgrund einer ordnungsgemäßen Abwägung geboten sein, das Planungskonzept im Rahmen einer konkreten Bauleitplanung nicht, nur teilräumlich oder nur mit Abstrichen zu verfolgen (vgl. BVerwG U.v. 27.3.2013 – 4 CN 7.11 – juris Rn. 12; U.v. 27.3.2013 – 4 CN 6.11 – juris Rn. 12; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – juris). Hier hat die Antragsgegnerin die Empfehlungen des Vergnügungsstättenkonzepts ohne Abweichungen im Plangebiet umgesetzt. Eine einseitige oder willkürliche Handhabung des Konzepts ist darin nicht zu erkennen. Im Übrigen hat sie auf eine sukzessive stadtweite Umsetzung sowie eine Öffnung ausgewiesener Zulässigkeitsbereiche im Rahmen der Änderung des Bebauungsplans Nr. … verwiesen, was in diesem Verfahren aber nicht näher zu untersuchen ist.
49
c) Die mit den planerischen Festsetzungen einhergehende Beschränkung der Privatnützigkeit des Eigentums des Antragstellers ist abwägungsgerecht.
50
Zu den regelmäßig abwägungsbeachtlichen privaten Belangen gehört das durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Grundeigentum (vgl. BVerwG, U.v. 1.11.1974 – IV C 38.71 – BVerwGE 47, 144). Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern, einschränken oder sogar aufheben. Die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG fordert aber, dass Vorkehrungen getroffen werden müssen, die eine unverhältnismäßige Belastung des Eigentümers real vermeiden und die Privatnützigkeit des Eigentums so weit wie möglich erhalten (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727; BayVGH, U.v. 30.4.2015 – 2 N 13.2425 – juris Rn. 15).
51
Nach diesen Maßgaben hat die Antragsgegnerin die Eigentumsbelange des Antragstellers fehlerfrei abgewogen. Insbesondere wurden auch die sich durch den Nutzungsausschluss von Vergnügungsstätten ergebenden Einschränkungen der Privatnützigkeit von der Antragsgegnerin erkannt. Sie hat den von ihr verfolgten städtebaulichen Interessen aber Vorrang einräumen dürfen, weil den Eigentümerinnen und Eigentümern in der innenstadtnahen Lage weiterhin ein großes Spektrum der innerhalb des Kerngebiets zulässigen Nutzungen verbleibt (vgl. Begründung zur Entwurfsergänzung S. 4).
52
IV. Der Normenkontrollantrag bleibt auch in seinem Hilfsantrag, den in § 2 Nr. 1.1 der Bebauungsplansatzung getroffenen Ausschluss von Vergnügungsstätten aller Art wegen Verstoßes gegen die unionsrechtlichen Gewährleistungen, insbesondere der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) für unanwendbar zu erklären, ohne Erfolg.
53
Unionsrecht als Prüfungsmaßstab im Normenkontrollverfahren führt im Falle eines Verstoßes nicht zur Unwirksamkeit, sondern infolge des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts zum Ausspruch der Unanwendbarkeit der Norm (vgl. BVerwG, B.v. 21.9.2010 – 4 BN 23.10 – juris Rn. 5; Ziekow in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 353; Panzer in Schoch/Schneider, VerwR, Stand August 2022, § 47 VwGO Rn. 89; Giesberts in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, Stand April 2023, § 47 Rn. 69; differenzierend Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 47 Rn. 31 m.w.N.). Vorliegend erscheint bereits fraglich, ob überhaupt ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, eine Unionsrechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Bebauungsplans ist jedenfalls nicht ersichtlich.
54
Die Geltendmachung einer Verletzung der Grundfreiheiten aus Art. 49 und Art. 56 AEUV setzt einen grenzüberschreitenden Sachverhalt voraus (vgl. Korte in Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 6. Aufl. 2022, Art. 49 AEUV Rn. 22 m.w.N. zur Rechtsprechung des EuGH), an dem es hier fehlen dürfte. Der Antragsteller ist ein Beteiligter aus dem Inland; es erscheint zweifelhaft, ob er sich als Vermieter einer Immobilie mittelbar auf die unionsrechtlichen Gewährleistungen seines möglicherweise grenzüberschreitend als Wettvermittler tätigen Mieters berufen kann. Da aufgrund des Anwendungsvorrangs von EU-Recht eine Unvereinbarkeit der Bebauungsplanung mit diesem nicht zur Unwirksamkeit, sondern lediglich zur Unanwendbarkeit der Planung führen würde, steht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Frage der Verletzung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) durch die Festsetzung eines Nutzungsausschlusses in einem Bebauungsplan nur dann zur Entscheidung an, wenn sich der Antragsteller selbst auf die Niederlassungsfreiheit berufen kann (vgl. BVerwG, B.v. 21.9.2010 – 4 BN 23.10 – juris Rn. 5; Hoppe in Eyermann, § 47 Rn. 31 unter Verweis auf Schwierigkeiten der Tenorierung in Fallgestaltungen, bei denen die Unanwendbarkeit nur in bestimmten, grenzüberschreitenden Fallkonstellationen auftritt, während die Norm außerhalb des Anwendungsbereichs des Unionsrechts anwendbar bleibt).
55
Ungeachtet dessen ist die Unvereinbarkeit des vorliegenden Nutzungsausschlusses für Vergnügungsstätten mit unionsrechtlichen Gewährleistungen nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes können städtebauliche Gründe für den Ausschluss einer bestimmten Nutzung zwingende Gründe des Allgemeininteresses sein, die eine territoriale Beschränkung rechtfertigen (vgl. EuGH, U.v. 30.1.2018 – C-360/15 und C-31/16 – juris Rn. 134 f.). Auch das Bundesverwaltungsgericht sieht planungsrechtlich bewirkte Beschränkungen von Standorten bzw. Ausschlüsse aus Gründen der Stadtentwicklung als grundsätzlich zulässig und nicht im Widerspruch zu Unionsrecht stehend an (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – ZfBR 2014, 147). Nicht diskriminierende, d.h. – wie hier jedermann treffende – unterschiedslos wirkende beeinträchtigende Maßnahmen können gerechtfertigt sein, wenn die damit verfolgten Ziele zwingende Gründe des Allgemeininteresses darstellen und der unionsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2010 – 4 C 8.10 – BVerwGE 138, 301= juris Rn. 22). Trotz eines mit einem Nutzungsausschluss möglicherweise verbundenen Eingriffs in die unionsrechtlich gewährleistete Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und den freien Wettbewerb steht der Ausschluss gewerblicher Nutzungen in Einklang mit dem Unionsrecht‚ wenn die planungsrechtlich bewirkten Standortbeschränkungen nicht der Marktregulierung dienen‚ sondern aus Gründen der städtebaulichen Entwicklung erfolgen (vgl. BVerwG‚ B.v. 30.5.2013 – 4 B 3.13 – NVwZ 2013‚ 1085 = juris Rn 4; B.v. 10.10.2013 – 4 BN 36.13 – ZfBR 2014‚ 147 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 16.9.2014 – 1 N 10.1932 – juris Rn. 23). Die Niederlassungsfreiheit vermittelt einem Unternehmen kein Recht auf freie Standortwahl unabhängig von raumordnerischen Vorgaben (vgl. VGH BW, U.v. 4.7.2012 – 3 S 351/11 – juris Rn. 47 m.w.N.).
56
Der in der Satzung angeordnete Ausschluss bestimmter Vergnügungsstätten im Plangebiet ist – wie ausgeführt – durch besondere städtebauliche Gründe gerechtfertigt. Er dient somit dem Allgemeininteresse. Dass der Ausschluss im Hinblick auf unionsrechtliche Gewährleistungen unverhältnismäßig sein könnte, ist angesichts der sorgfältig abgewogenen Planung nicht ersichtlich.
57
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
58
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).