Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.02.2023 – M 27 S 23.81
Titel:

Erfolgloser Eilantrag gegen ausländerrechtliche Ausweisungsentscheidung eines Straftäters

Normenketten:
AufenthG § 11, § 53
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 4
BayVwVfG Art. 45 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz:
Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller innerhalb von etwa fünf Jahren in Freiheit in der Bundesrepublik bereits mehrmals, auch einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller erneut Straftaten begehen wird und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Anordnung des sofortigen Vollzugs, Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Nigerianischer Staatsangehöriger, Verurteilung zu Freiheitstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten wegen banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs u.a., Erfolglos abgeschlossene Asylverfahren, Lebensgefährtin/Ehefrau und zwei/drei Kinder im Bundesgebiet, keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, nigerianischer Staatsangehöriger, banden- und gewerbsmäßiger Computerbetrug, erfolglos abgeschlossenes Asylverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2023, 2624

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich einer ausländerrechtlichen Ausweisungsentscheidung sowie Prozesskostenhilfe.
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Der 34 Jahre alte Antragsteller ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er verließ sein Herkunftsland im April 2014 und reiste am … … 2015 gemeinsam mit seiner seit 2011 oder 2012 jedenfalls traditionell verheirateten Lebensgefährtin, … …, geb. am … … …, auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein. Im ablehnenden, erfolglos beklagten Asylbescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom … … … wurde die Abschiebung nach Nigeria angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate befristet. Die ablehnende Entscheidung über einen Asylfolgeantrag ist seit 22. Juli 2021 bestandskräftig.
3
Der Antragsteller hat im Bundesgebiet befindliche Kinder, eine Tochter, … … … … … … … … im Bundesgebiet, und einen Sohn, … … … … … … … im Bundesgebiet. Es existiert ein weiteres Kind, … … … … … … … im Bundesgebiet. Für dieses während der Haft des Antragstellers geborene Kind liegt nach Aktenlage keine Vaterschaftsanerkennung und keine Sorgeerklärung des Antragstellers vor.
4
Im Zeitraum zwischen dem … … … und dem … … … verfügte der Antragsteller über verschiedene Arbeitserlaubnisse, so wiederholt als Lagerhelfer, als Erntehelfer und als Reinigungskraft.
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Strafrechtlich ist der Antragsteller wie folgt in Erscheinung getreten:
6
- Erschleichen von Leistungen am 5. März 2017, abgeurteilt mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 11. September 2017 (Az. Cs 247 Js 160860/17), verurteilt zu einer Geldstrafe i.H.v. 10 Tagessätzen zu je 10,00 EUR;
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- Erschleichen von Leistungen am 2. Dezember 2017, abgeurteilt mit Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 17. Oktober 2018 (Az. Cs 241 Js 191622/18), verurteilt zu einer Geldstrafe i.H.v. 10 Tagessätzen zu je 15,00 EUR;
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- Erschleichen von Leistungen am 2. Juli 2019, abgeurteilt mit Strafbefehl des Amtsgerichts Rosenheim vom 16. September 2019 (Az. Cs 470 Js 31345/19), verurteilt zu einer Geldstrafe i.H.v. 40 Tagessätzen zu je 15,00 EUR;
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- 27 tatmehrheitliche Fälle des banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs, jeweils in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Fälschung beweiserheblicher Daten, davon in 24 Fällen in Tateinheit mit banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung, in Tatmehrheit mit 12 tatmehrheitlichen Fällen des Computerbetrugs, davon 11 in Tateinheit mit Urkundenfälschung, in Tatmehrheit mit 10 tatmehrheitlichen Fällen des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen im Zeitraum ab einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen Anfang 2019 und Februar 2019 bis … … …, abgeurteilt mit Urteil des Landgerichts München I vom 22. September 2021 (Az. 8 KLs 246 Js 144565/20), rechtskräftig hinsichtlich des Antragstellers seit 6. Juli 2022, mit einer Verurteilung des Antragstellers zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten (im Folgenden „Anlasstat“).
10
Im Übrigen wurden mehrere staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren eingestellt, darunter BtmG-Verfahren. Vor seiner Festnahme aufgrund der Anlasstat am … … … lebte der Antragsteller in … in einer Flüchtlingsunterkunft. Derzeit befindet er sich bis voraussichtlich … … … in Haft.
11
Der Antragsteller sowie die Kindsmutter wurden mit Schreiben der Regierung von Oberbayern – Zentrale Ausländerbehörde – vom … … … unter Darlegung der drei zu diesem Zeitpunkt rechtskräftigen Verurteilungen sowie dem zu diesem Zeitpunkt laufenden Strafverfahren zu einer beabsichtigten Ausweisung und zum Erlass und der Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots angehört.
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Dazu ließ der Antragsteller durch seinen bereits im Verwaltungsverfahren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 29. Dezember 2021 Stellung nehmen.
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Mit am 7. Dezember 2022 zugegangenem Bescheid der Regierung von Oberbayern – Zentrale Ausländerbehörde – vom 2. Dezember 2022 wurde der Antragsteller ausgewiesen (Ziff. 1). Es wurde eine Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen und auf die Dauer von 5 Jahren ab dem Tag der Abschiebung bzw. Ausreise befristet (Ziff. 2). Die sofortige Vollziehung von Ziff. 1 und 2 Satz 1 wurde angeordnet (Ziff. 3). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der strafrechtlichen Verurteilungen ein besonders schwerwiegendes sowie schwerwiegende Ausweisungsinteressen vorlägen. Nach den Gesamtumständen sei mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass durch den Antragsteller weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung drohe, die eine spezialpräventive Ausweisung zu begründen vermöge. Unabhängig davon gefährde der Aufenthalt des Antragstellers die öffentliche Sicherheit und Ordnung auch aus generalpräventiven Erwägungen. Als schwerwiegendes Bleibeinteresse seien die beiden vom Antragsteller anerkannten Kinder zu berücksichtigen. Hinsichtlich des jüngsten Kindes lägen keine Eintragung als Vater in der Geburtsurkunde, keine Vaterschaftsanerkennung und keine Sorgeerklärung vor. Auch ein Kontakt zu diesem Kind sei nicht vorgebracht. Nur das letzte Kind sei gestattet, die anderen Kinder sowie die Kindsmutter seien ausreisepflichtig. Zudem sei nach Aktenlage die häusliche Gemeinschaft durch innerfamiliäre Streitigkeiten beendet, aufgrund Ablehnung seitens der Kindsmutter auch nicht wiederhergestellt worden und ein Erziehungsbeitrag des Antragstellers seit seiner Inhaftierung am … … … nicht nachgewiesen, weshalb von einem Zurücktreten des schwerwiegenden Bleibeinteresses hinter das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse auszugehen sei. Die Ausweisung sei nach den konkreten Einzelfallumständen auch verhältnismäßig. Die vorübergehende, aufgrund der Inhaftierung bereits bestehende Trennung von der Familie sei zumutbar. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf fünf Jahre sei nach den konkreten Einzelfallumständen geboten. Dabei werde auch der illegale Konsum diverser Betäubungsmittel – in der Vergangenheit und während der Haft – ohne therapeutische Aufarbeitung einbezogen; die Dauer sei auch vor dem familiären Hintergrund gerechtfertigt. Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit fuße darauf, dass die aufschiebende Wirkung einer Klage die Abschiebung aus der Haft verzögern würde bzw. eine Wiedereinreise vor Rechtskraft möglich wäre, obwohl vom Antragsteller weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Die Befristung gehe auch über die Befristung seitens des Bundesamts hinaus. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiege auch die Privat-, insbesondere die Familieninteressen des Antragstellers.
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Dagegen hat der Antragsteller am 9. Januar 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (M … * …*) und beantragen lassen, den Bescheid aufzuheben.
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Zugleich beantragt er,
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die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Ziff. 1 und 2 des Bescheids vom 2. Dezember 2022 wiederherzustellen.
sowie
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Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten.
18
Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass ein Anhörungs- und Ermittlungsmangel sowie eine Verletzung prozessualer Rechte vorliege, da der Antragsteller inzwischen in der … … untergebracht worden sei und vom Bevollmächtigten habe „gesucht“ werden müssen. Der Antragsteller sei nicht nur traditionell, sondern ausweislich einer vorgelegten Heiratsurkunde auch in staatlicher Form verheiratet. Somit bestehe auch eine gesetzliche Vaterschaft sowie ein Sorgerecht für alle Kinder. Die familiäre Situation und deren Entwicklung sei eine völlig andere als vom Antragsgegner angenommen, sodass der Antragsteller und dessen Frau noch einmal anzuhören seien. Zudem überwiege das Ausweisungsinteresse das Bleibeinteresse nicht. Hinsichtlich der Anlasstat spiegele die Beihilfe oder Mittäterschaft mit eher geringem Tatbeitrag in vielen Fällen den Tatbeitrag des Antragstellers nicht wieder und auch die Verführbarkeit des Antragstellers wegen des bestehenden Drogenkonsums müsse Beachtung finden. Der Antragsteller könne zu seiner Familie zurückkehren und sei nur ein fremdgelenktes Rädchen gewesen. Er könne nicht als „Schwerkrimineller“ dargestellt werden und habe zu den „Mittätern“ keinen Kontakt mehr. Es werde einseitig zulasten des Antragstellers abgewogen und Haltung, Familienzusammenhalt sowie Wille zur Straffreiheit nicht berücksichtigt.
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Der Antragsgegner beantragt
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Antragsablehnung.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass die Anhörung des Antragstellers und seiner Lebensgefährtin ordnungsgemäß erfolgt und die Stellungnahme gewürdigt worden sowie eine Nachholbarkeit und damit Heilung möglich sei. Im Übrigen werde auf den Bescheid verwiesen, in dem die familiäre Situation hinreichend gewürdigt worden sei. Die vorgelegte Kopie eigne sich nicht zum Nachweis einer formalen Eheschließung, worauf es letztlich nicht ankomme, da der Antragsteller eine Familienzusammenführung lediglich einseitig begehre. Die Trennung der Familie sei jedenfalls vorübergehend zumutbar. Nähere Angaben zu einer positiven Entwicklung des Familienverhältnisses lägen nicht vor.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren sowie im Klageverfahren (M … * …*) und auf die vorgelegten Behördenakten.
II.
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1. Der aufgrund der Sofortvollzugsanordnung gem. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Regierung von Oberbayern vom 2. Dezember 2022 hat in der Sache keinen Erfolg.
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Im Rahmen der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist bei einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Vollzugsinteresse und dem privaten Suspensivinteresse vorzunehmen. Dabei nimmt das Gericht eine eigene, originäre Interessensabwägung vor, für die in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich sind. Im Falle einer voraussichtlich aussichtslosen Klage besteht dabei kein überwiegendes Interesse an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Wird dagegen der Rechtsbehelf in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein, so wird regelmäßig nur die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Bei offenen Erfolgsaussichten ist eine Interessensabwägung vorzunehmen, etwa nach den durch § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO getroffenen Grundsatzregeln, nach der Gewichtung und Beeinträchtigungsintensität der betroffenen Rechtsgüter sowie der Reversibilität im Falle von Fehlentscheidungen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genügt den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache überwiegt das Vollzugsinteresse das Suspensivinteresse. Denn nach summarischer Prüfung wird sich der Bescheid voraussichtlich nicht als rechtswidrig und rechtsverletzend (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erweisen.
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Insbesondere führt das längere Zurückliegen der Anhörung aufgrund der Äußerungsmöglichkeit des Antragstellers und der inhaltlichen Auseinandersetzung des Antragsgegners damit bereits im Eilverfahren sowie der weiteren Nachholbarkeit im Klageverfahren nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 BayVwVfG nicht zu einer formellen Rechtswidrigkeit. Gleiches gilt für etwaige Mängel bezüglich der Stellungnahmemöglichkeiten aufgrund der gerügten Verletzung prozessualer Rechte.
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Die Voraussetzungen für eine Ausweisung sind gegeben. Nach § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – nach Abs. 2 insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder einem anderen aufnahmebereiten Staat, die Folgen seiner Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat – vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise (insbesondere nach den vertypten Ausweisungsinteressen gem. § 54 AufenthG) mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet (insbesondere nach den vertypten Bleibeinteressen gem. § 55 AufenthG) ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei einer spezialpräventiven Ausweisungsentscheidung und ihrer gerichtlichen Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (vgl. BVerwG, U. v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob die Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. BayVGH, U. v. 28.6.2016 – 10 B 13.1982 – juris Rn. 32 m.w.N.; B. v. 2.11.2016 – 10 ZB 15.2656 – juris Rn. 10 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U. v. 4.10.2012 – 1 C 13.11 – juris Rn. 18; BayVGH, U. v. 8.3.2016 – 10 B 15.180 – juris Rn. 31).
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Bei summarischer Prüfung ergibt sich im konkreten Einzelfall des Antragstellers unter Berücksichtigung aller Umstände das Vorliegen der von § 53 Abs. 1 AufenthG vorausgesetzte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie ein Ausweisungsinteresse, das die Bleibeinteressen überwiegt.
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Die Kammer folgt in entsprechender Anwendung des § 117 Abs. 5 VwGO den umfangreichen, nicht zu beanstandenden Rechtsausführungen und Begründungen im Bescheid und macht sich diese zu eigen. Lediglich ergänzend wird ausgeführt:
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Ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 53 Abs. 3a und 3b AufenthG liegt nicht vor. Asylsowie Asylfolgeverfahren des Antragstellers wurden gem. § 53 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ohne Zuerkennung internationalen Schutzes unanfechtbar abgeschlossen. An der zutreffenden Bewertung der Regierung von Oberbayern im Bescheid, dass jeweils selbstständig tragend hinreichende spezial- als auch generalpräventive Gründe für die Ausweisung vorliegen, ändert zur Überzeugung der Kammer der Vortrag der Antragstellerseite nichts. Aufgrund der Tatsache, dass der Antragsteller innerhalb von etwa fünf Jahren in Freiheit in der Bundesrepublik bereits mehrmals, auch einschlägig strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Antragsteller erneut Straftaten begehen wird und damit eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt. Dabei ist neben der Schwere sowie Vielzahl der im Urteil des Landgerichts München I vom 22. September 2021 abgeurteilten tatmehrheitlichen Taten auch zu berücksichtigen, dass die Wiederholung bzw. Fortsetzung von Straftaten – auch wenn die Begehungen des Erschleichens von Leistung auch nach der Verurteilungshöhe verhältnismäßig gering wiegen – trotz vorheriger strafrechtlicher Belangung begangen wurde. Stichhaltige Anhaltspunkte für die antragstellerseitig vorgebrachte Besserungsabsicht sind nicht ersichtlich, zumal sich der Antragsteller nach der letzten Tatbegehung auch noch nicht in Freiheit bewährt hat. Den Ausführungen zur Generalprävention im Bescheid, dass die Taten des Antragstellers aufgrund des Hintergrunds von – bei vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern mit Erwerbstätigkeitsverboten oder beschränkten Asylbewerberleistungen häufig wiederzufindenden – begrenzten finanziellen Mitteln begangen wurden und grundsätzlich geeignet seien, auf Dritte verhaltenslenkend zu wirken, wird weder substantiiert entgegengetreten, noch sind sie sonst zu beanstanden. Die Kammer geht auch unter Berücksichtigung des antragstellerseitigen Vortrags bei einer Gesamtabwägung von einem die Bleibeinteressen überwiegenden Ausweisungsinteresse aus. Insbesondere liegt wie im Bescheid zutreffend dargestellt aufgrund der letzten Verurteilung ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gem. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Unabhängig davon, ob aufgrund der vorgelegten Heiratsurkunde und der Gestattung des Kindes … bzw. aufgrund eines geltend gemachten verbesserten familiären Umgangs auch insoweit schwerwiegende Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 5 AufenthG tatsächlich vorliegen, überwiegt im konkreten Fall dennoch das Ausweisungsinteresse. Im Hinblick auf die Schwere der Anlasstat, die nicht nur vereinzelten und vor der letzten Tat abgeurteilten Vorstrafen des Antragstellers und unter Berücksichtigung des jedenfalls während des Gefängnisaufenthalts zwischen der Festnahme am … … … und dem Urteil zur Anlasstat nach den Feststellungen im Urteil nicht mehr vorhandenen Kontakts mit der Familie ist eine vorübergehende Trennung zumutbar. Dass sich die familiäre Bindung nach dem Urteil am 22. September 2021 tatsächlich entscheidend gebessert hat, ist zudem nicht substantiiert vorgetragen und aufgrund des Befindens in Haft auch sonst nicht anzunehmen.
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Damit wird sich der Bescheid voraussichtlich auch als verhältnismäßig und ermessensfehlerfrei erweisen. Nach der konkreten familiären Situation ist gleichlaufend zur Abwägung zwischen Ausweisungsinteressen und Bleibeinteressen kein Verstoß gegen höherrangiges Recht, insbesondere bzgl. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK, zu befürchten. Ein vorgebrachter Ermessensausfall hinsichtlich antragstellergünstiger Umstände ist nicht ersichtlich. Im Bescheid wurde antragstellergünstig sowohl im Rahmen der Beurteilung einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (unter Gliederungspunkt 3.3.1, dort S. 9 des Bescheids) neben umfangreichen Ausführungen zur sicherheitsrechtlichen Bewertung der Anlasstat das Geständnis im Strafverfahren einbezogen, als auch im Rahmen der Interessenabwägung (unter Gliederungspunkt 3.4, S. 12 des Bescheids), der Verhältnismäßigkeit und Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht (unter Gliederungspunkt 3.5, S. 14) auf die sozialen Bindungen und Erwerbstätigkeiten des Antragstellers im Bundesgebiet eingegangen.
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Damit wird sich auch die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als rechtmäßig erweisen. Ermessensfehler hinsichtlich der Befristung gem. § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich.
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2. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 8.2 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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4. Mangels Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist gem. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO auch keine Prozesskostenhilfe zu gewähren.