Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.08.2023 – 10 ZB 22.2657
Titel:

Speicherung personenbezogener Daten durch die Polizei bei Heranwachsenden

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4
BayPAG Art. 54 Abs. 2
Leitsätze:
1. An die Prognose einer Wiederholungsgefahr bei der Speicherung von Daten nach Art. 54 Abs. 2 BayPAG sind bei Heranwachsenden nicht andere Anforderungen als bei Erwachsenen zu stellen, wenn es sich nicht um eine vorübergehende Heranwachsendendelinquenz handelt. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Aus der Nichtübertragung einer Rechtssache durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Polizeiliche Speicherung, Personenbezogene Daten, Löschung, Regelmäßige zehnjährige Speicherfrist, Heranwachsender, Berufungszulassung, Speicherung personenbezogener Daten, Wiederholungsgefahr, Heranwachsendendelinquenz, Einzelrichter, Nichtübertragung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 16.11.2022 – W 9 K 22.259
Fundstelle:
BeckRS 2023, 24459

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine vor dem Verwaltungsgericht erfolglose Klage weiter, den Beklagten unter Aufhebung von dessen Bescheid vom 8. November 2021 zu verpflichten, die im Bayerischen Kriminalaktennachweis (KAN) und im Integrationsverfahren Polizei (IGVP) gespeicherten beziehungsweise hinterlegten, ihn betreffenden personenbezogenen Daten und Unterlagen bezüglich des Zeitraums vom 15. Januar 2010 bis zum 28. Dezember 2013 sowie die erkennungsdienstlichen Daten und Unterlagen vom 18. April 2012 zu löschen beziehungsweise zu vernichten.
2
Im Übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO auf den Tatbestand in dem angegriffenen Urteil des Verwaltungsgerichts sowie auf die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
3
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus dem Zulassungsvorbringen, auf das sich die Prüfung des Senats nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO zu beschränken hat, ergeben sich die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO sowie der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht.
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a) Dies betrifft insbesondere den geltend gemachten Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16).
6
Dabei sind gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Das Darlegungsgebot verlangt, dass der Rechtsschutzsuchende die geltend gemachten Zulassungsgründe substantiiert erörtert und den Streitstoff sichtet und rechtlich durchdringt. Die Zulassungsbegründung muss sich mit dem angefochtenen Urteil und den tragenden Erwägungen konkret, fallbezogen und substantiiert auseinandersetzen (vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2022 – 10 ZB 22.879 – juris Rn. 8 m.w.N.).
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bb) Gemessen daran zeigt das Zulassungsvorbringen keine derartigen Zweifel auf. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen entsprechend § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils. Ergänzend gilt lediglich Folgendes:
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(1) Im Wesentlichen wiederholt die Klägerseite in der Zulassungsschrift die im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragenen Gesichtspunkte (vgl. UA S. 13 ff.), ohne sich mit den Feststellungen und Erwägungen des Verwaltungsgerichts substantiiert auseinanderzusetzen. Dies genügt den soeben geschilderten Darlegungsanforderungen erkennbar nicht (s.o.).
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(2) Eine hinreichende Substantiierung ist insbesondere nicht dadurch erfolgt, dass die Klägerseite erneut rügt, auf den am 2. April 1990 geborenen Kläger könne nicht die zehnjährige Speicherungsfrist für Erwachsene gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG Anwendung finden, sondern müsse die fünfjährige Speicherungsfrist für Jugendliche gelten, weil er als Heranwachsender zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und nicht nach Erwachsenenstrafrecht behandelt worden sei. Das Verwaltungsgericht habe insofern pauschal auf den Gesetzeswortlaut der Norm sowie die unterschiedlichen Gesetzeszwecke von straf- und sicherheitsrechtlichen Vorschriften abgestellt, obwohl Strafrecht und Sicherheitsrecht − durch die ausführenden Behörden und durch die Tatbestandsmäßigkeit − untrennbar miteinander verbunden seien und der besondere Schutz heranwachsender Straftäter aufgrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht durch unterschiedliche Gesetzeszwecke unterlaufen werden könne.
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Das Verwaltungsgericht hat bei seiner Prüfung die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zur Anwendung gebracht, namentlich Wortlautauslegung und die teleologische Auslegung. Die Klägerseite setzt der Anwendung der Auslegungsmethoden also solcher und der daraus jeweils folgenden Ergebnisse nichts an Substanz entgegen.
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Das Argument der Klägerseite von einer untrennbaren Verbindung zwischen Strafrecht und Polizeirecht entbehrt jeglicher Grundlage. Strafrecht und Polizeirecht verfolgen unterschiedliche Ziele und haben jeweils andere Regelungsgegenstände. Im Strafrecht spricht der Staat gegen eine Person wegen deren in der Vergangenheit liegenden Verhaltens ein sozialethisches Unwerturteil aus und verhängt dafür eine Strafe. Dagegen geht es im Polizeirecht um Eingriffe zur Abwehr von zukünftigen Gefahren für die Allgemeinheit (vgl. allgemein Art. 2 Abs. 1 PAG: „Aufgabe, allgemein oder im Einzelfall bestehenden Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“ sowie speziell: Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG: „zur Gefahrenabwehr, insbesondere zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten“). Insofern fehlt es schon an der Vergleichbarkeit der Rechtsgebiete und damit erkennbar an einem Widerspruch und einer Ungleichbehandlung. Dass dasselbe Exekutivorgan, nämlich die „Polizei“, je nach Sachlage präventiv oder repressiv tätig werden kann, ändert daran nichts, ebenso wenig wie der Umstand, dass Art. 54 Abs. 2 Satz 1 PAG im Hinblick auf die Herkunft der zu speichernden und anderweitig zu verarbeitenden Daten an strafrechtliche Ermittlungsverfahren anknüpft. Die Klägerseite hätte angesichts des klaren Wortlauts der Norm darlegen müssen, dass im vorliegenden polizeirechtlichen Kontext eine weitere altermäßige Differenzierung für Heranwachsende über die Volljährigkeit hinaus − auch unter Berücksichtigung des Gebots der Effektivität der Gefahrenabwehr − verfassungsrechtlich zwingend geboten ist. Soweit die Klägerseite schließlich vorträgt, der Gesetzgeber habe in Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG die vorliegende Fallkonstellation „offensichtlich nicht bedacht“, geschieht dies ins Blaue hinein. Die Zulassungsbegründung lässt jegliche Ausführungen und Belege zu der Gesetzgebungsgenese vermissen.
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(3) Auch das gegen die Erforderlichkeit beziehungsweise Verhältnismäßigkeit der Ausschöpfung der zehnjährigen Speicherungsfrist gerichtete Vorbringen der Klägerseite ist nicht geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils aufkommen zu lassen.
13
Nach Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG betragen die nach Art. 53 Abs. 5 PAG festzulegenden Prüfungstermine oder Aufbewahrungsfristen in der Regel bei Erwachsenen zehn Jahre. Der Einwand der Klägerseite, gegen den Kläger habe seit der Eintragung vom 28. Dezember 2013 bis zu der Eintragung vom 14. Oktober 2021 kein weiterer eine Speicherung rechtfertigender Tatverdacht vorgelegen, was indiziere, dass er sich nach der unstreitig schweren Jugendverfehlung gefangen habe, ist nicht dazu angetan, von der regelhaften zehnjährigen Speicherungsfrist abzusehen. Dass und inwieweit dieser Umstand einen atypischen Sonderfall begründen soll, legt die Klägerseite nicht dar. Abgesehen davon ist das Argument auch unplausibel, weil der eintragungsfreie Zeitraum nach dem eigenen Vorbringen der Klägerseite mit der unstreitigen Eintragung aus dem Jahr 2021 ein Ende gefunden hat. Im Übrigen hat sich der Kläger bis zum 30. Juni 2015 in Haft befunden, die Speicherungsfrist hat daher erst ab der Haftentlassung zu laufen begonnen (vgl. UA S. 25). Auch mit diesem Aspekt setzt sich die Klägerseite nicht substantiiert auseinander.
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Dass, wie die Klägerseite vorträgt, der Kläger die abgeurteilten Straftaten im Zusammenhang mit seinem damaligen Beruf begangen habe und einen Beruf mit ähnlichem Verantwortungspotential aktuell nicht ausübe, reicht hierfür ebenfalls nicht aus. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kommt es bei der Erforderlichkeit der Speicherung nicht darauf an, dass (sicher) zu prognostizieren sei, der Kläger werde zukünftig gerade Straftaten begehen, derentwegen er bereits in der Vergangenheit aufgefallen sei, also Diebstahl in einem besonders schweren Fall in/aus Dienst-/Büro-/Lagerräumen oder aus einem Betrieb, Fälschung beweiserheblicher Daten, Verletzung des Post- und Fernmeldegeheimnisses, Betrug/Warenbetrug, Urkundenfälschung oder Leistungserschleichung. Das Verwaltungsgericht hat für die Prognose die Gefahr der Begehung von weiteren Straftaten ausreichen lassen und eine solche auch aufgrund der Erkenntnisse zu der Person, der Persönlichkeit und dem persönlichen Umfeld des Klägers sowie aufgrund des Umstandes, dass er wiederholt zu polizeilichen Ermittlungen, insbesondere aufgrund von Diebstahlsdelikten, Anlass gegeben habe, bejaht (vgl. UA S. 23 i.V.m. UA S. 3 bis UA S. 10). Mit all dem setzt sich die Zulassungsschrift nicht auseinander. Das Vorbringen der Klägerseite, die heutige Lebenssituation und Einstellung des Klägers sei mit der damaligen nicht vergleichbar, er mache eine gute Entwicklung durch, sei familiär und bürgerlich situiert und bestreite seinen Lebensunterhalt zufriedenstellend, ist vage und pauschal und rechtfertigt in der Sache im Übrigen ein Abweichen von der regelhaften zehnjährigen Aufbewahrungsfrist ebenfalls nicht.
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Der Einwand der Klägerseite, soweit nunmehr ein aktuelles Ermittlungsverfahren gegen den Kläger geführt werde, vermöge dies die Erforderlichkeit der Speicherung ebenfalls nicht zu begründen, weil die Ermittlungen erst eingeleitet worden seien, als diese längst hätten gelöscht werden müssen, fußt auf der unzutreffenden Prämisse, dass die zehnjährige Aufbewahrungsfrist, die im vorliegenden Fall ab der Haftentlassung am 30. Juni 2015 zu laufen begonnen hat, nicht ausgeschöpft werden darf (s.o.). Als eine pauschale Vermutung ist der von Klägerseite nicht näher erläuterte Einwand anzusehen, das aktuelle Ermittlungsverfahren wäre schon gar nicht eingeleitet worden, wenn die personenbezogenen Daten, wie von Klägerseite gefordert, bereits gelöscht worden wären. Ausführungen zu „dem aktuellen Ermittlungsverfahren“ fehlen gänzlich. Auch den Einwand der Klägerseite, es sei nicht bekannt, „ob die neuen Daten nicht noch wegen des fehlenden Tatverdachts zwingend zu löschen“ seien, kann der Senat nicht nachvollziehen. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen Urteil berücksichtigt, dass gegen den Kläger jüngst wieder ein Ermittlungsverfahren wegen Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz geführt worden sei, das gemäß § 31a Abs. 1 BtMG eingestellt worden sei, und daher in der Zusammenschau eine Fortführung der Speicherung der Vorfälle aus den Jahren 2010 bis 2013 als verhältnismäßig erachtet (vgl. UA S. 25 u. UA S. 11: „Kokain“ sowie „Cannabis“). In welchem Verhältnis der Einwand der Klägerseite zu den Erwägungen des Verwaltungsgerichts steht, erläutert sie nicht. Bei einer vollzogenen Einstellung nach § 31a Abs. 1 BtMG ist eine Einstellung wegen fehlenden Tatverdachts nicht mehr möglich.
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Auch der Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht an die Prognose einer Wiederholungsgefahr bei Jugendlichen und auch Heranwachsenden nicht andere Anforderungen als bei Erwachsenen gestellt, insbesondere keine Abwägung zwischen dem Bedürfnis der Allgemeinheit an einer vorbeugenden Verbrechensbekämpfung und Gefahren für die störungsfreie Entwicklung des Heranwachsenden vorgenommen, ist unsubstantiiert. Mit den einschlägigen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu der Wiederholungsgefahr (vgl. UA S. 23 ff.) setzt sich die Klägerseite nicht auseinander. Dies gilt insbesondere für die Erwägung des Verwaltungsgerichts, wonach der Kläger (geb. am 2.4.1990) zur jeweiligen Tatzeit (15.1.2010 bis 28.12.2013) bereits zwischen 19 und 23 Jahre alt gewesen sei. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht berücksichtigt, dass der Kläger speziell zum Zeitpunkt der nicht von dem Sammelverfahren erfassten Straftaten am 24. Juni 2013 und am 28. Dezember 2013 bereits 23 Jahre alt gewesen sei. Das Verwaltungsgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Kläger zu einem Großteil des Zeitraums, für den die Klägerseite eine Löschung der gespeicherten Daten begehre, schon nicht mehr Heranwachsender gewesen sei (vgl. UA S. 24). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht auch, wie bereits erörtert, das „jüngste Ermittlungsverfahren“ verwertet (s.o.). Dem klägerischen Einwand einer lediglich vorübergehenden Heranwachsendendelinquenz ist damit der Boden entzogen. Die Klägerseite hat nicht dargelegt, dass und inwieweit angesichts aller Umstände im vorliegenden Fall Raum für die geforderte Abwägung ist und diese zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Die Klägerseite hätte die geltend gemachte „Möglichkeit lediglich vorübergehenden delinquentes Verhaltens bei Jugendlichen und Heranwachsenden“ in das Verhältnis setzen müssen zu den Erwägungen des Verwaltungsgerichts hinsichtlich der mehrere Jahre währenden Dauer der Straftaten, der Anzahl der Straftaten und des Alters des Klägers zur jeweiligen Tatzeit sowie einer weiteren Eintragung im Erwachsenenalter (s.o., vgl. UA S. 3 bis 10 sowie UA S. 24).
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Etwas anderes kann die Klägerseite auch nicht aus der zitierten Einzelrichterentscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zu § 48 Abs. 2 ASOG herleiten (vgl. VG Berlin, U.v. 4.11.2013 – VG 1 K 410 – BeckRS 2013, 59669). Dass und inwieweit die dort getroffenen Aussagen zu einer Berliner Landesvorschrift, die − im Gegensatz zu Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG – in Bezug auf das Alter der betroffenen Person keinerlei Differenzierung vornimmt, überhaupt auf den vorliegenden Fall übertragbar sein können, erläutert die Klägerseite nicht. Im Übrigen war Ausgangspunkt der genannten Entscheidung ein gänzlich anderer Sachverhalt, da in jenem Fall der Speicherung der Daten der betroffenen Person, die hinsichtlich der relevanten Tatzeitpunkte teilweise erst siebzehn Jahre alt gewesen war, lediglich (wegen § 170 Abs. 2 StPO und § 153 StPO eingestellte) Ermittlungsverfahren zugrunde lagen, nicht jedoch, wie hier im Fall des Klägers, eine Verurteilung zu einer Jugendstrafe in Form einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Die übrige von Klägerseite angeführte Rechtsprechung lässt sich entweder mit den Angaben nicht eruieren (vgl. Senatsakte, 29 Rückseite: Bl. 29: „OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19. Juni 2007 − OVG 1 S 37.07“ u. „Urteil der erkennenden Kammer vom 31. März 2011 – VG 1 K 70.10“) oder ist der Sache nach nicht einschlägig, so dass sie im vorliegenden Verfahren nicht als Erkenntnisquelle herangezogen werden kann (vgl. zur Anordnung einer Körperzellenentnahme und molekulargenetischen Untersuchung bei Jugendlichen nach § 81g StPO: „BVerfG, Beschluss vom 18. September 2007 – 2 BvR 2577/06“). Die geltend gemachte Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bleibt damit insgesamt unsubstantiiert.
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Soweit die Klägerseite hilfsweise grundrechtliche Bedenken gegen die „Mitziehklausel“ des Art. 54 Abs. 2 Satz 6 PAG äußert, geht der Einwand ins Leere. Das Verwaltungsgericht hat hierauf nicht tragend abgestellt, weil zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die anwendbare regelhafte zehnjährige Speicherungsfrist noch nicht abgelaufen war (vgl. UA S. 25). Abgesehen davon ist das Zulassungsvorbringen insoweit auch als unsubstantiiert anzusehen, da es Ausführungen zu dem Normkontext, darunter auch zu Fällen von geringerer Bedeutung gemäß Art. 54 Abs. 2 Satz 4 PAG, sowie zu den gesetzgeberischen Zielen (vgl. LT-Drs. 14/1583) vermissen lässt und sich im Übrigen auf eine Stellungnahme des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz vom 21. Dezember 2017 zum PAG-Neuordnungsgesetz bezieht, ohne aufzuzeigen, dass und inwieweit diese angesichts der Änderungen des Art. 54 PAG in der Fassung vom 18. Mai 2018 noch Aktualität beanspruchen kann.
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b) Auch der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor beziehungsweise ist nicht hinreichend dargelegt.
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aa) Eine Rechtssache weist besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf, wenn das Zulassungsvorbringen gegen das erstinstanzliche Urteil Fragen von solcher Schwierigkeit aufwirft, dass sie sich wegen der Komplexität nicht im Zulassungsverfahren klären lassen. Auch hier muss sich der die Zulassung beantragende Beteiligte substantiiert mit dem angefochtenen Urteil auseinandersetzen. Insbesondere soweit die Schwierigkeiten darin gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf bestimmte tatsächliche Aspekte nicht eingegangen ist oder notwendige Rechtsfragen nicht oder unzutreffend beantwortet hat, sind diese Gesichtspunkte in nachvollziehbarer Weise darzustellen und ihr Schwierigkeitsgrad plausibel zu machen (vgl. BVerfG, B.v. 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 – juris Rn. 17).
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bb) Gemessen daran zeigt das Zulassungsvorbringen keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf.
22
Zur Begründung hat die Klägerseite lediglich angeführt, dass aus ihrer Sicht die im Strafrecht häufig vorkommende Personengruppe der Heranwachsenden vom Gesetzgeber in Art. 54 Abs. 2 Satz 3 PAG schlicht „übersehen“ worden sei, und es wegen der Einheitlichkeit der Rechtsordnung unerträglich erscheine, diese spezielle Personengruppe sicherheitsrechtlich einfach wie Erwachsene zu behandeln. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten sind damit indes nicht dargelegt. Der Senat verweist hierzu auf seine vorstehenden Erwägungen (s.o.).
23
An der Sache vorbei geht schließlich auch das Vorbringen, die besondere Schwierigkeit der Rechtssache ergebe sich schon daraus, dass diese nicht auf den Einzelrichter übertragen worden sei. Weise eine Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf, so solle sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO in der Regel einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen werden. Dabei blendet die Klägerseite aus, dass die Kammer bei der Übertragung des Rechtsstreits nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ein Ermessen hat, das unter anderem von Faktoren wie der Gewährleistung einer Kammerlinie und der Belastung, der Kenntnisse und speziellen Fähigkeiten der Kammermitglieder bestimmt wird (vgl. Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 6 Rn. 10 ff. m.w.N.). Aus der Nichtübertragung einer Rechtssache durch die Kammer auf den Einzelrichter kann nicht auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geschlossen werden (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2014 – 10 ZB 12.1926 – juris Rn. 17; B.v. 16.10.2014 -10 ZB 13.2620 – juris Rn. 18 m.w.N.).
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c) Zuletzt liegt auch der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht vor beziehungsweise ist nicht hinreichend dargelegt.
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aa) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer erstens eine konkrete und gleichzeitig verallgemeinerungsfähige Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, zweitens ausführt, aus welchen Gründen diese klärungsfähig ist, also für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich war, und drittens erläutert, aus welchen Gründen sie klärungsbedürftig ist, mithin aus welchen Gründen die ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72; Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 43. EL, August 2022, § 124a Rn. 102 ff.).
26
bb) Die Klägerseite sieht als klärungsbedürftig an „die Auslegung des Wortlauts des Art. 54 Abs. 2 S. 3 PAG“. Diese sei letztinstanzlich noch nicht entschieden und habe über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe, weil bei Jugendlichen und Heranwachsenden häufig entwicklungsbedingt vorübergehend delinquentes Verhalten auftrete.
27
cc) Das Zulassungsvorbringen genügt den geschilderten Anforderungen nicht. Die Klägerseite hat bereits keine Grundsatzfrage im vorgenannten Sinne formuliert. Abgesehen davon, dass die Klägerseite selbst auch in diesem Zusammenhang eine Auslegung anhand der anerkannten Auslegungsmethoden nicht vornimmt, fehlt es an der Darlegung der Prämisse eines entwicklungsbedingt vorübergehend delinquenten Verhaltens im Heranwachsendenalter, diese ist auch nicht anderweitig zugrunde zu legen (s.o.). Auch im Übrigen gelten die vorstehenden Erwägungen entsprechend (s.o.).
28
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
29
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nr. 35.1. des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit entsprechend.
30
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts gemäß rechtskräftig.