Titel:
Keine Überbrückungshilfe III bei Zweitantrag eines verbundenen Unternehmens
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BayVwVfG Art. 48, Art. 49a Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BGB § 818 Abs. 3
VwGO § 113 Abs. 5
Leitsatz:
Betreibt der Kläger als Einzelunternehmer eine Grundstücksbesitzgesellschaft, auf deren Grundstücken die Liftanlage durch eine GmbH betrieben wird, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers ist, wobei der GmbH die Grundstücke verpachtet sind, so liegen verbundene Unternehmen vor, für die nur ein gemeinsamer Antrag auf Überbrückungshilfe III gestellt werden kann. (Rn. 27 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überbrückungshilfe III, Grundstückseigentümer mit Verpachtung der Grundstücke an eine Liftbetreiberin deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Grundstückseigentümers ist, Antragsablehnung wegen Zweitantrag im Rahmen verbundener Unternehmen, Überbrückungshilfe, verbundenes Unternehmen, unrichtige Angabe, Entreicherung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 12.09.2024 – 22 ZB 23.1462
Fundstelle:
BeckRS 2023, 22622
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den ablehnenden Bescheid über die Gewährung einer Billigkeitsleistung des Bundes als Corona-Überbrückungshilfe, eine Rücknahme und eine Rückforderung von 47.800,03 EUR.
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Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer eine Grundstücksbesitzgesellschaft, auf deren Grundstücken die Liftanlage durch eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betrieben wird, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers ist. Dieser GmbH hat er die Grundstücke verpachtet. Mit seinem auf den 6. April 2021 datierten und mit Eingangsbestätigung vom 19. Mai 2021 gekennzeichneten Antrag begehrte der Kläger die Gewährung einer Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 – des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 (im Folgenden „Überbrückungshilfe III“) in Höhe von insgesamt 95.600,07 EUR (Behördenakte Teil I Bl. 1 ff.).
3
Mit Bescheid vom 22. Mai 2021 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Abschlagszahlung auf eine Billigkeitsleistung in Höhe von 47.800,03 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid (Behördenakte Teil I Bl. 34 ff.).
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Im Rahmen der Nachprüfung hörte die Beklagte den Steuerberater des Klägers am 14. Juni 2021 an und teilte mit (Behördenakte Teil I Bl. 61), bei der Prüfung des Antrags sei aufgefallen, dass der Antrag für die GmbH denselben Nachnamen und die Adresse des Klägers aufweise. Sie fragte, ob es sich um einen Unternehmensverbund handele und falls ja, warum die Antragstellung nicht für den Unternehmensverbund erfolgt sei bzw. welchen Tätigkeitsschwerpunkt die Unternehmen hätten. Dieser antwortete, bei den Unternehmen handele es sich nach Lektüre der / Recherche in den FAQ nicht um einen Unternehmensverbund. Der Kläger betreibe in der Form eines Einzelunternehmens einen gewerblichen Verpachtungsbetrieb mit Liftanlagen, Gastronomiebetrieb etc., die er an die GmbH überlasse, welche sie betreibe. Die GmbH werde durch die Ehefrau als Geschäftsführerin geführt. Sie halte auch ausschließlich die Anteile an der GmbH als Alleineigentümerin (100%).
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Darauf fragte die Beklagte am 15. Dezember 2021 (Behördenakte Teil I Bl. 60 f.) erneut nach. Es handele sich um einen Unternehmensverbund mit dem Unternehmen der Ehefrau (GmbH). Beide Unternehmen seien in benachbarten Märkten / eng verbundenen Märkten tätig, denn deren Waren und / oder Dienstleistungen ergänzten einander (siehe Ziffer 5.2 und Fußnote 24 der FAQ des Bundes) und die Unternehmen seien durch eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen (hier: familiäre Bindung qua Ehe) miteinander verflochten. Es könne nur ein Antrag für den Verbund gestellt werden. Die Beklagte werde daher den noch offenen Antrag des Klägers ablehnen und erfolgte Abschlagszahlungen zurückfordern. Er möge für den bereits bewilligten Antrag [der GmbH] einen Änderungsantrag stellen und die übrigen Unternehmen des Verbunds dem Antrag hinzufügen. Am 25.Dezember 2021 stellte die Beklagte fest, die Frage sei nicht innerhalb der Frist beantwortet worden.
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Zwecks unionsrechtlicher Fristwahrung erließ die Beklagte einen vorläufigen Bescheid vom 14. Juni 2022 über eine Billigkeitsleistung dem Grunde nach zur Sicherung der beihilferechtlichen Zulässigkeit einer etwaigen späteren Auszahlung angesichts des Auslaufens des befristeten Beihilferahmens am 30. Juni 2022 und unter dem Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags (Behördenakte Teil I Bl. 67).
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. September 2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überbrückungshilfe III ab (Nr. 1 des Bescheids), ersetzte durch diesen Bescheid vollständig den vorläufigen Bescheid vom 14. Juni 2022 (Nr. 2), nahm den unter dem Vorbehalt der vollständigen Antragsprüfung und endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergangenen Bescheid vom 19. Mai 2021 über eine Abschlagszahlung für die Überbrückungshilfe zurück (Nr. 3), setzte den zu erstattenden Betrag auf 47.800,03 EUR und die Erstattungsfrist bis zum 22. Oktober 2022 fest (Nr. 4) und verzichtete bis dahin auf dessen Verzinsung (Nr. 5).
Zur Begründung wurde ausgeführt, gemäß Ziffer 2 der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe III seien die Antragsberechtigten abschließend aufgeführt. Bei Verbundunternehmen dürfe gemäß Ziffer 2.4 Satz 3 nur ein Antrag für alle verbundenen Unternehmen insgesamt gestellt werden. Nach Ziffer 5.2 der FAQ des Bundes in Verbindung mit Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO 651/2014/EU liege ein verbundenes Unternehmen insbesondere vor, wenn ein beherrschender Einfluss auf andere Unternehmen ausgeübt werden könne. Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in Beziehung stünden, gälten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise auf demselben Markt oder auf benachbarten Märkten tätig seien. Familiäre Verbindungen gälten nach Ziffer 5.2 der FAQ des Bundes als ausreichend für die Schlussfolgerung, dass natürliche Personen gemeinsam handelten. Als benachbarter Markt gelte gemäß Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO 651/2014/EU der Markt für eine Ware oder eine Dienstleistung, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet sei. Nach Ziffer 5.2 Fußnote 24 der FAQ seien benachbarte Märkte oder eng miteinander verbundene benachbarte Märkte solche, deren jeweilige Waren oder Dienstleistungen einander ergänzten oder deren Waren zu einer Produktpalette gehörten, die in der Regel von der gleichen Kundengruppe für dieselbe Endverwendung gekauft würden. Vertikale Beziehungen in einer Wertschöpfungskette sollten ebenfalls berücksichtigt werden.
Da es sich bei den Gesellschaftern der Unternehmen um Eheleute handelte, liege eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen vor. Die Dienstleistungen der Unternehmen ergänzten sich und seien voneinander abhängig, da ein Unternehmen den Liftbetrieb und das andere die Vermietung der Lifte anbiete. Sie agierten daher auf benachbarten Märkten, die eng miteinander verbunden seien, ohne dass es auf den Kundenstamm oder die vertragliche Grundlage ankomme. Die Antragsberechtigung sei wegen des Vorliegens eines Unternehmensverbundes daher nicht gegeben. Es entspreche daher der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag insoweit abzulehnen und den überzahlten Betrag aus der Abschlagszahlung in Höhe von 47.800,03 EUR zurückzufordern.
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Der Bescheid wurde am 22. September 2022 zum Abruf im digitalen Antragssystem bereitgestellt und dies dem Kläger digital mit dem Hinweis mitgeteilt, der Bescheid und weitere Verwaltungsakte im Bewilligungsverfahren gälten unabhängig von dem tatsächlichen Abruf am dritten Tag nach dem Absenden dieser Benachrichtigungsemail als bekannt gegeben (Art. 6 Abs. 4 S. 3 BayEGovG).
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Mit am 21. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz vom 21. Oktober 2022 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
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Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2022 wird aufgehoben.
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Zur Begründung vertiefte der Kläger das Vorbringen aus dem Antragsverfahren und berief sich darauf, dass kein Unternehmensverbund vorliege sondern eine steuerrechtlich einwandfreie Gestaltung nach dem „Wiesbadener Modell“. Eine wie auch immer geartete Verbindung oder ein Verbundunternehmen liege nicht vor und könne auch nicht über die steuerrechtlichen Maßstäbe hinaus angenommen werden. Die einzige Verbindung seien der Trauschein und der Pachtvertrag. Die FAQ seien daher mit dem Schutz der Ehe nicht vereinbar und fehlerhaft. Der Kläger sei lediglich Eigentümer der Flächen, die er, einem Fremdvergleich standhaltend, an die GmbH verpachtet habe und hierfür jährliche Pachteinnahmen beziehe. Diese Pachteinnahmen seien während der Corona-Schließungszeiten von Skiliftbetrieben nicht bezahlt worden, d.h. die GmbH habe selbst keine Einnahmen gehabt und die entsprechenden Pachtzahlungen für die verpachteten Grundstücke nicht leisten können und auch nicht geleistet. Hätte der Kläger den Betrieb der Skilifte an fremde Dritte verpachtet, würde ihm eine Coronahilfe zustehen. Hätte die GmbH die Pachtzahlungen geleistet, hätte diese wiederum einen erhöhten Anspruch auf entsprechende Überbrückungshilfe III gehabt. Da sie diese nicht geleistet und auch nicht als Ausgaben für die Überbrückungshilfe geltend gemacht habe, sei keine Doppelförderung zu befürchten und habe der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungshilfe.
Ein Änderungsantrag sei nach Nr. 3.16 der FAQ zur Überbrückungshilfe III wegen Fristablaufs (Fristende 31.10.2021) und mangels (Teil-)Bewilligung nicht mehr möglich.
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Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,
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Die Klage wird abgewiesen.
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Sie verwies auf die Bescheidsbegründung und erläuterte, die GmbH habe mit Bescheid vom 17. Juni 2021 (Behördenakte der GmbH Teil I Bl. 63 ff.) eine Förderung in Höhe von 135.350,95 EUR bewilligt erhalten, was eine weitere Förderung damit verbundener Unternehmen wie jenes des Klägers ausschließe. Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten gälten familiäre Verbindungen als ausreichend für die Schlussfolgerung, dass natürliche Personen gemeinsam handelten. Eine bestimmte Beteiligung am Stammkapital des jeweils anderen Unternehmens sei dabei nicht erforderlich. Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten reiche die Abhängigkeit der von den beiden Unternehmen angebotenen Dienstleistungen voneinander aus, um eine Tätigkeit in benachbarten Märkten und einen Unternehmensverbund anzunehmen. Es verstoße weder gegen das Willkürverbot noch gegen den in Art. 6 Abs. 1 GG garantierten Schutz, wenn die Beklagte sich für die Annahme des Unternehmensverbundes auf die familiäre Verbindung stütze. Denn der Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit ihnen die mit der Funktion der Zuwendungsbehörde beliehene Beklagte seien nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger für begrenzt zur Verfügung stehende Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden sachgerechten Abgrenzung auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken. Dies sei bei der Anknüpfung an die familiäre Verbundenheit der Fall. Die Entscheidung beruhe auf der Erwägung, die nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel so zu verteilen, dass es nicht infolge bestimmter und gewillkürter gesellschaftsrechtlicher Konstrukte bei verbundenen Unternehmen und in Familienverbünden zu ungerechtfertigten Besserstellungen komme. Der Fördergeber und die Beklagte gingen bei Familienunternehmen pauschalierend in ständiger Verwaltungspraxis davon aus, dass infolge der besonderen familiären Verbundenheit Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen innerhalb des Familienverbunds überwiegend wahrscheinlich seien. In dieser Erwartung liege ein einleuchtender Sachgrund, denn aus der Gründung einer Familie ergäben sich Solidaritätspflichten, die der Staat zu seiner Entlastung einfordern dürfe.
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Einen Antrag auf Beiladung des prüfenden Dritten (Steuerberaters) des Klägers zur Wahrung etwaiger Regressansprüche mangels rechtzeitiger Stellung eines Änderungsantrags lehnte das Verwaltungsgericht ab (VG Augsburg, B.v. 28.2.2023 – Au 6 K 22.2060). Einen Antrag auf Aussetzung des Klageverfahrens analog § 94 VwGO bis zur Entscheidung der Beklagten über den Schlussabrechnungsantrag des Unternehmensverbunds im Förderverfahren der GmbH der Ehefrau lehnte das Verwaltungsgericht ab (VG Augsburg, B.v. 5.7.2023 – Au 6 K 22.2060). Auf die in den Beschlüssen genannten Gründe wird wegen der Einzelheiten verwiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage erweist sich als zulässig, aber unbegründet.
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I. Die Klage ist zulässig.
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1. Die Klage ist statthaft als Anfechtungsklage gegen die Rücknahme und Rückforderung im Bescheid der Beklagten vom 22. September 2022. Eine weiterreichende Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Form der Teil-Versagungsgegenklage ist nicht erhoben und daher auch nicht streitwerterhöhend (s.u.).
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2. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, weil eine mögliche Rechtsverletzung als Adressat der Rücknahme und Rückforderung nicht von vornherein auszuschließen sind.
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3. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt. Gegen den Bescheid vom 22. September 2022 hat der Kläger am 21. Oktober 2022 – und damit vor Ablauf der Klagefrist am 25. Oktober 2022 um 24 Uhr – Klage erhoben.
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II. Die Klage ist unbegründet, weil die Ablehnung einer Förderung nicht rechtswidrig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 VwGO) und die hierauf gestützte Rücknahme der gewährten Förderung und Rückforderung nicht rechtswidrig sind und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Maßgeblicher Zeitpunkt für die hier begehrte Ermessensentscheidung ist nach der geübten und gerichtsbekannten Verwaltungspraxis der Beklagten der Zeitpunkt des Bescheidserlasses. Die gerichtliche Prüfung erstreckt sich demnach nur auf Ermessensfehler, die dem Bescheid zu entnehmen sein müssen (§ 114 VwGO). Über bloße Erläuterungen des bisherigen Vorbringens hinausgehender Vortrag neuer Tatsachen und die Vorlage neuer, nicht bis zum Bescheidserlass vorgelegter Unterlagen sind daher unbeachtlich (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.12.2022 – Au 6 K 22.955 – Rn. 41 mit Verweis auf VG Würzburg, U.v. 29.11.2021 -
W 8 K 21.982 – BeckRS 2021, 42720 Rn. 16 m.w.N.).
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1. Die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Überbrückungshilfe richtet sich allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Maßgeblich dafür sind insbesondere die Richtlinien für die Gewährung von Hilfen sowie die FAQ (dazu VG Würzburg, U.v. 24.10.2022 – W 8 K 21.1263 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
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a) Die Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6).
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Zur Feststellung der tatsächlich ausgeübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den Förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben (VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 32 m.w.N.). Relevant sind die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten FAQs zur „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ – Dritte Phase von November 2020 bis Juni 2021 (https://www.ueberbrueckungshilfe-unternehmen.de/UBH/Navigation/DE/Dokumente/FAQ/Ueberbrueckungshilfe-III/ueberbrueckungshilfe-lll.html).
27
c) Die Beklagte hat zu Ihrer Förderpraxis entsprechend ihrer internen Vorgaben plausibel ausgeführt, dass Unternehmen in einem Verbund nur einen Antrag stellen könnten und weitere Anträge nicht förderfähig seien.
28
Diese Sichtweise ist mit Blick auf die Richtlinie für die Überbrückungshilfe III nicht zu beanstanden, weil nach Ziffer 2.4 Satz 1 und Fußnote 14 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe III ein verbundenes Unternehmen vorliegt, wenn alternativ eine der dort genannten Voraussetzungen erfüllt werde. Danach gelten Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer der genannten Beziehungen – bei steuerrechtlichen Betriebsaufspaltungen werden Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaften nach Ziffer 2.4 Satz 2 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe III und nach Ziffer 5.2 der FAQ des Bundes in Verbindung mit Anhang I Art. 3 Abs. 3 VO 651/2014/EU als verbundene Unternehmen behandelt – stehen, gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind. Dies ist hier der Fall:
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Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke und nach § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB auch der fest mit dem Boden verbundenen Sachen, also der Gebäude und Liftanlagen. Diese hat er zum Betrieb an die GmbH seiner Ehefrau verpachtet. Damit sind Besitz und Betrieb auf zwei verschiedene Unternehmen aufgeteilt, so dass es sich um eine – wohl aus güter- oder steuerrechtlichen Gründen durchgeführte – Betriebsaufspaltung handelt. Beide Eheleute lenken jeweils ihr Unternehmen zwar für sich getrennt, aber doch insoweit gemeinsam, als der Betrieb der GmbH von der Zurverfügungstellung der Grundstücke mit ihren Anlagen durch den Kläger ebenso abhängt wie umgekehrt deren Nutzung durch den Betrieb der GmbH als alleiniger Pächterin.
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Beide Unternehmen sind auch ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig. Als benachbarter Markt gilt nach Ziffer 5.2 der FAQ des Bundes auch, wenn der Markt eines Unternehmens dem des anderen unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist. Da hier der Betriebszweck des Klägers die Zurverfügungstellung der Liftanlagen und Gastronomiegebäude etc. für den Liftbetrieb und Gastronomiebetrieb sind, den wiederum die GmbH leistet oder leisten lässt ist die Leistung des einen Unternehmens jener des anderen unmittelbar vor- oder nachgeschaltet: Beide Leistungen bauen aufeinander vertikal auf, denn ohne die Zurverfügungstellung durch den Kläger fehlten der GmbH wesentliche Betriebsmittel und Betriebsstätten sowie umgekehrt ohne die GmbH dem Kläger die Betreiberin.
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Daher darf nach Ziffer 2.4 Satz 3 der Richtlinie für die Überbrückungshilfe III für verbundene Unternehmen nur ein Antrag für alle verbundenen Unternehmen insgesamt gestellt werden. Der Antrag des Klägers musste daher nach der Bewilligung der Förderung für die GmbH als späterer und damit zweiter Antrag abgelehnt werden.
32
d) Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen den Schutz von Ehe und Familie. Dem Richtliniengeber steht es gerade bei Billigkeitsleistungen, auf die kein Anspruch besteht, frei, den Kreis der zu fördernden Personen oder Unternehmen sachgerecht zu begrenzen. Er ist auch nicht verpflichtet, steuerrechtliche Maßstäbe oder Privilegierungen auf die Fördervorgaben und die Förderpraxis zu übertragen. Die Verbindung zweier Unternehmen durch die persönliche Verbundenheit ihrer Unternehmensinhaber ist eine Besonderheit, welche der Richtliniengeber berücksichtigen kann. Ob diese Verbundenheit – wie hier – auf einer ehelichen oder auf einer verwandtschaftlichen oder anderweitigen Verbindung beruht, ist nicht entscheidungserheblich.
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Diese Gründe sind sachgerecht und vertretbar, ein Überschreiten der Willkürgrenze durch die Beklagte ist nicht ersichtlich.
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3. Die Rücknahme des Bescheids vom 19. Mai 2021 in Nr. 3 und die Rückforderung des überzahlten Betrags von 47.800,03 Euro in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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a) Rechtsgrundlage für die in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids vom 22. September 2022 enthaltene Rücknahme des Bescheids vom 19. Mai 2021 ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid vom 19. Mai 2021 zum Zeitpunkt seines Erlasses teilweise rechtswidrig war. Der Kläger durfte nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand des Verwaltungsaktes, der eine einmalige Geldleistung gewährte, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG).
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Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis Abs. 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis Nr. 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
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Die Rücknahmevorschrift des Art. 48 BayVwVfG ist die korrekte Rechtsgrundlage, da der aufzuhebende Zuwendungsbescheid mangels Vorliegens der Fördervoraussetzungen für den überzahlten Betrag nach der einschlägigen Verwaltungspraxis – wie ausgeführt – rechtswidrig war. Denn eine Förderentscheidung unter Verstoß gegen die richtliniengeleitete Verwaltungspraxis ist rechtswidrig (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 21 ff.).
38
b) Der rechtswidrige Zuwendungsbescheid konnte auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG) zurückgenommen werden.
39
Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die insoweit in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass die Angaben, mit Hilfe derer der Begünstigte den Verwaltungsakt erwirkt hat, objektiv unrichtig oder unvollständig waren; ob der Begünstigte dies wusste, ist unerheblich. Ebenso kommt es nicht auf ein Verschulden an (vgl. Müller in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 48 Rn. 78 m.w.N.). In Abgrenzung zu Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG ist zudem keine Täuschungsabsicht erforderlich. Im Onlineantrag erläuterte der Kläger über seinen Steuerberater seinen Betrieb, teilte aber nichts zum o.g. Unternehmensverbund mit der von seiner Ehefrau geleiteten GmbH mit, obwohl ihm unter Zugrundelegung der Richtlinien kein eigener Förderanspruch zugestanden hätte. Es ist anzunehmen, dass die Beklagte bei richtiger Angabe zur Antragsberechtigung den Bescheid über die Abschlagszahlung nicht in der genannten Höhe erlassen hätte. Die Beklagte hat dies im streitgegenständlichen Bescheid nachvollziehbar ausgeführt; hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 117 Abs. 5 VwGO Bezug genommen.
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Die erforderliche Kausalität der Angaben ist gegeben. Denn ursächlich sind die unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben, wenn anzunehmen ist, dass die Behörde bei vollständiger bzw. richtiger Angabe den Fehler – hier die Gewährung der Abschlagszahlung unter Annahme einer eigenen Förderfähigkeit des Betriebs des Klägers – nicht gemacht und den Verwaltungsakt nicht mit der erlassenen oder nur mit einer ungünstigeren Regelung erlassen hätte (Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Werkstand: 2. EL April 2022, § 48 Rn. 172; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 154). Angesichts des Massenverfahrens der Corona-Hilfen ist es nachvollziehbar, dass die Beklagte auf die Angaben der Antragsteller insbesondere für die vorläufige Gewährung von Hilfen vertraut hat, die sie in aller Breite und Tiefe nicht hätte prüfen können, ohne die Hilfegewährung erheblich zu verzögern. Es war jedoch der politische Wille, damals betroffenen Branchen schnell und vorläufig Mittel zur Existenzsicherung in der Pandemie zur Verfügung zu stellen, statt nach einer länger dauernden abschließenden Prüfung vielleicht zu spät. Deswegen ist der Kläger darauf zu verweisen, dass der Bescheid vom 19. Mai 2021 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erging, mithin die gewährte Förderung in Höhe von 47.800,03 Euro nur vorläufig bewilligt war, so dass kein Vertrauen in das endgültige Behaltendürfen entstehen konnte.
41
c) Die Beklagte hat des Weiteren auch ermessensfehlerfrei von ihrer Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht.
42
Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit ihrer Verwaltungspraxis. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
43
Im vorliegenden Fall des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es erfolgt zudem in der Regel eine Reduzierung des Rücknahmeermessens. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 48 Rn. 127b u. 127c). Gründe, die ein Abweichen von dem gesetzlich normierten Regelfall rechtfertigen würden, sind indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies erfordert der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris Rn. 16; auch HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44). Dies gilt auch bei einer Bewilligung einer Coronabeihilfe (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.). Demnach ist in der Fallkonstellation auch bei einer Coronabeihilfe von einem intendierten Ermessen infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 32 f. m.w.N.) auszugehen. Infolgedessen ist ein Vertrauensschutz im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass substantiierte Angaben hätte machen müssen, soweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch unrichtige Angaben mitverursacht wurde (vgl. SächsOVG, U.v. 14.7.2020 – 6 A 565/18 – juris Rn. 34 ff.).
44
Die Beklagte hat im Bescheid vom 22. September 2022 nachvollziehbar ausgeführt, dass Art. 7 BayHO bei haushaltsrechtlich relevanten Ermessensentscheidungen zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel verpflichte und dies den Ermessensspielraum einschränke. Gründe, die gegen diese Entscheidung sprechen würden oder eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründen würden, seien nicht ersichtlich.
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In der Klageerwiderung hat die Beklagte in zulässiger Weise ihre Ermessensentscheidung ergänzend erläutert: Der Bescheid über die Abschlagszahlung sei zu Recht zurückgenommen und die Abschlagssumme zurückgefordert worden. Der Kläger könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen. Der Bescheid sei ausdrücklich unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags und der endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergangen. Die klägerische Erwartung, der Verwaltungsakt werde Bestand haben, sei objektiv nicht schutzwürdig, weil aufgrund des Vorbehalts der Nachprüfung schon nicht von Dauerhaftigkeit und Endgültigkeit ausgegangen werden könnte.
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d) Die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der gewährten Überbrückungshilfe ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Rückforderung der Abschlagszahlung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG) bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Die Erstattung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Wie dargestellt wurde der Bescheid vom 13. Oktober 2021 mit Wirkung für die Vergangenheit teilweise zurückgenommen, weshalb die Voraussetzungen für die Rückforderung des bereits überzahlten Betrags vorliegen. Die Behörde hat kein Ermessen bezüglich des „Ob“ der Rückforderung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49a Rn. 37; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 23 m.w.N.). Vielmehr besteht eine Pflicht zur Rückerstattung bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 36). Der Rückerstattungsanspruch kann mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 19, 28; OVG NRW, B.v. 16.4.2021 – 4 A 3435/20 – juris Rn. 24).
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e) Der Kläger kann sich hinsichtlich der Rückforderung nicht auf einen eventuellen Wegfall der Bereicherung berufen.
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Für den Umfang der Erstattung gelten mit Ausnahme der Verzinsung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, weshalb grundsätzlich auch eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB in Frage kommt. Danach ist grundsätzlich nur noch eine im Vermögen vorhandene Bereicherung herauszugeben. Die Feststellung der Entreicherung erfolgt nach wirtschaftlichen Kriterien durch einen Vergleich des Vermögensstands beim Empfang der Leistung mit dem Vermögensstand im Zeitpunkt der Rückforderung der empfangenen Leistung (sog. Saldotheorie). Eine Entreicherung ist danach nicht eingetreten, wenn die rechtsgrundlos erlangte Leistung im Vermögen des Empfängers noch vorhanden ist. Vermögensdispositionen wirken sich nur dann bereicherungsmindernd aus, wenn der Empfänger den Bereicherungsgegenstand zu Ausgaben verwendet hat, die er sonst nicht geleistet hätte (sog. Luxusausgaben); das Empfangene muss für außergewöhnliche Zwecke verwendet worden sein und hierzu trifft den Schuldner die Darlegungs- und Beweislast (vgl. BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 30 ff.).
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Gemessen hieran hat der Kläger nichts vorgebracht, geschweige denn substantiiert, weshalb eine Entreicherung im obigen Sinne vorliegen sollte.
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Des Weiteren scheitert eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung bei dem Kläger, für sich selbstständig tragend, auch an Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte danach nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben, insbesondere wenn er die zurückgeforderte Zuwendung durch in wesentlichen Punkten unzutreffende oder unvollständige Angaben erwirkt hat (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – juris Rn. 68). Dies ist hier – wie bereits ausgeführt – wegen der fehlenden Angaben zum Unternehmensverbund der Fall.
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f) Die Verzinsung des Rückforderungsbetrages (Nr. 5 des Bescheides) ist in Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG vorgesehen und ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Zwar ist nach der gesetzlichen Vorgabe der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an zu verzinsen, wobei für den Fall der – wie hier – rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts der Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Zuwendungsbescheids bzw. der Zeitpunkt der Leistung anzusetzen wäre, so dass der Erstattungsbetrag in der Regel rückwirkend zu verzinsen wäre (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 49a Rn. 20 f.). Die Regelung in Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheides, wonach eine Verzinsung erst bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist erfolgt, weicht hiervon zugunsten des Klägers ab und begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.