Titel:
Erfolgloser Eilantrag auf Schulplatzvergabe für ein bestimmtes Gymnasium
Normenketten:
VwGO § 123
BayEUG Art. 44 Abs. 3
BayGSO § 2 Abs. 6
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Über die Aufnahmekriterien muss keine Entscheidung der Lehrerkonferenz getroffen werden. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn eine Schule bei der Vergabe der verfügbaren Schulplätze den Schulweg zur gewünschten und zu den als Ersatz in Betracht kommenden Schulen gleicher Schulart und Ausbildungsrichtung sowie die Aufnahme von Geschwistern von bereits aufgenommenen Schülern berücksichtigt, nicht aber die bestehenden sozialen Bindungen zu anderen Bewerbern. (Rn. 40 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufnahme in ein bestimmtes Gymnasium, Aufnahmekriterien, Schulplatz, Vergabe, Gymnasium, Aufnahmekriterin, Schulweg, Geschwisterkinder, Lehrerkonferenz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 05.09.2023 – 7 CE 23.1459
Fundstelle:
BeckRS 2023, 21889
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin, wohnhaft unter der Anschrift L.-Str. 3, M., begehrt die Aufnahme in die Jahrgangsstufe 5 des Gymnasiums M. F. (im Folgenden: die Schule) zum Schuljahr 2023/24.
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Auf ihre Anmeldung zur Aufnahme in die Jahrgangsstufe 5 hin teilte die Schule ihren Eltern mit E-Mail vom 10. Mai 2023 mit, dass die Antragstellerin mangels hinreichender Raumkapazitäten nicht berücksichtigt werden könne. Der Antragstellerin könne ein Platz in einer Vorläuferklasse des neuen Gymnasiums M.-N. (im Folgenden: GMN) angeboten werden. Damit die Antragstellerin eine der Vorläuferklassen des GMN besuchen könne, sei eine Anmeldung am O.-Gymnasium erforderlich.
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Mit Schreiben vom 11. Mai 2023 legten die Eltern der Antragstellerin hiergegen Widerspruch bei der Schule ein und beantragten Akteneinsicht.
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Mit Schreiben vom 21. Juni 2023 forderten ihre Bevollmächtigten die Zusendung eines Bescheids. Weiter wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Notendurchschnitts von 1,0 geeignet für den Besuch eines Gymnasiums sei. Alle Mädchen der Grundschulklasse der Antragstellerin seien aufgenommen worden. Es bestünden gewachsene starke persönliche Bindungen zu diesen Kindern. Die Ablehnung sei daher bereits aus sozialen Gründen nicht nachvollziehbar. Die Antragstellerin habe zur Schule eine Fußwegentfernung von 1,9 km und somit 22 Minuten Fußweg. Zum zukünftigen GMN habe die Antragstellerin einen Weg von 5,4 km, was einer Fußwegdauer von einer Stunde und 5 Minuten entspreche. Das GMN sei voraussichtlich erst im 2. Quartal 2025 fertig. Bis dahin müsse die Antragstellerin das 8,7 km entfernte O.-Gymnasium besuchen; das sei nicht zumutbar. Es werde um Erläuterung gebeten, warum der Zweit- oder Drittwunsch der Antragstellerin (Gymnasium M.Nord oder Gymnasium M.) nicht berücksichtigt worden sei.
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Mit Schreiben vom 3. Juli 2023 an die Bevollmächtigten der Antragstellerin wies die Schule darauf hin, dass für die Antragstellerin eine Fahrradwegstrecke zur Schule von 2,1 km und eine Wegezeit bei Benutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (im Folgenden: ÖPNV) zum GMN (Standort H.-W.-B.) von 29 Minuten ermittelt worden sei. Die Strecken- und Zeitkalkulation sei mit Hilfe der G. M.-Plattform erfolgt. Aufgenommen worden seien Schüler, deren Fahrradweg zur Schule bis zu 1,8 km betrage, und Schüler, deren Anfahrt mit ÖPNV zum neuen Schulstandort des GMN mehr als 43 Minuten betrage; Verbindungen mit nur einem Umstieg seien fokussiert worden. Kinder, deren Geschwister die Schule bereits besuchten, seien ebenso aufgenommen worden. Auf Grundlage einer Empfehlung des Ministerialbeauftragen für die Gymnasien in M. sei abgelehnten Bewerbern im Sinne eines örtlichen Ausgleichs die Aufnahme in das GMN empfohlen worden. Der Zweit- und Drittwunsch der Antragstellerin habe mangels freier Kapazitäten in den jeweiligen Gymnasien nicht berücksichtigt werden können.
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Mit Schreiben vom 10. Juli 2023 machten die Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend, Art. 19 Abs. 4 GG erfordere die vollständige Dokumentation des Ergebnisses und der Sachverhaltsermittlung des Aufnahmeverfahrens. Die Akteneinsicht werde dem nicht gerecht, da die vorgelegte Auswahlliste vollständig anonymisiert sei und nur Angaben enthalte, die nicht zur Überprüfung der Entfernung gewertet und nicht zugeordnet werden könnten. Eine Überprüfung der Anwendung der Auswahlkriterien sei so nicht möglich. Datenschutzrechtliche Bedenken müssten zurückstehen. Es werde um Übersendung des Protokolls der Lehrerkonferenz zur Beschlussfassung der Auswahlkriterien, der Aufnahmeliste mit vollständigen Adressen zur Überprüfung der Entfernung Wohnort – Schule und der Unterlagen zur Überprüfung der Geschwisterkindregelung gebeten. Hinsichtlich des elektronischen Ablehnungsbescheids vom 10. Mai 2023 sei § 37 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 VwVfG zu beachten. Elektronische Kommunikation dürfe dem Adressaten nicht aufgedrängt werden. Vorliegend habe die Antragstellerin unverzüglich einen schriftlichen Bescheid verlangt.
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Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2023, bei Gericht eingegangen am 18. Juli 2023, beantragt die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigten,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Antragstellerin vorläufig in eine 5. Kasse des Gymnasiums M. F. zum Schuljahr 2023/24 aufzunehmen.
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Zur Begründung machen die Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend, die Antragstellerin habe nach Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Teilhabe an den öffentlichen Bildungseinrichtungen und damit einen Anspruch auf Zuweisung eines Schulplatzes der 5. Klasse an der Schule. Vorliegend bestünden Zweifel am Auswahlverfahren. Alle anderen Kinder der Grundschulklasse der Antragstellerin, auch diejenigen mit einem weiteren Schulweg, seien in die Schule aufgenommen worden. Art. 3 Abs. 1 GG sei verletzt, außerdem habe dies große soziale Auswirkungen auf die Antragstellerin. Der Fußweg der Antragstellerin betrage nur 1,9 km. Die Fahrradentfernung sei nicht relevant, da die Antragstellerin zu Fuß zur Schule gehe. Die gewährte Akteneinsicht durch die Schule sei unzureichend, da insbesondere die Überprüfung der Anwendung der Auswahlkriterien nicht möglich sei. Die Schule habe das Protokoll der Lehrerkonferenz über die Beschlussfassung über die Auswahlkriterien nicht übersandt. Der elektronische Ablehnungsbescheid vom 10. Mai 2023 entspreche nicht den Anforderungen des § 37 VwVfG und sei damit formell rechtswidrig. Mangels personalisierter Anrede sei der Verwaltungsakt hinsichtlich des Adressaten nicht hinreichend bestimmt. Die Antragstellerin habe durch ihre Eltern und Bevollmächtigten eine Bestätigung nach § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG verlangt. Der Antragstellerin sei ein weiteres Abwarten nicht zumutbar.
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Der Antragsgegner beantragt
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Zur Begründung wird vorgetragen, die Schule sei derzeit in einem provisorischen Gebäude in Containerbauweise untergebracht. Das vorläufige Gebäude sei dreizügig angelegt. Der Neubau des Schulgebäudes sei in unmittelbarer Nähe zum derzeitigen Standort und als sechszügiges Gymnasium geplant. Aus der vorgesehenen Dreizügigkeit des provisorischen Gebäudes resultiere die Anzahl der Klassen-, Inklusions-, Ausweich- und Fachräume. In den Schuljahren 2020/21 bis 2022/23 seien jeweils fünf Eingangsklassen gebildet worden, um in der Anlaufphase nicht Raumkapazität, die für höhere Jahrgangsstufen vorgesehen sei, ungenutzt zu lassen. Diese Vorgehensweise sei allerdings auf die Anfangsjahre beschränkt, nachdem die Schülerzahl, wegen Neuaufnahmen und des Vorrückens der vorhandenen Schüler, von Jahr zu Jahr zunehme. Um eine Aufnahme von Schülern auch in künftigen Schuljahren zu ermöglichen, würden im Schuljahr 2023/24 nur vier Eingangsklassen gebildet. Der Gesamtbedarf im Schuljahr 2023/24 liege bei 24 Klassenräumen für die regulären Jahrgangsstufen 5 bis 10, zwei Klassenräumen für Brückenklassen und den jeweiligen Fachräumen. Die verbleibende Reserve sei für die Aufnahme künftiger Eingangsklassen nötig. Nach der Einschreibung am 8. Mai 2023 habe der zuständige Ministerialbeauftragte der Schule als Empfehlung für Bewerber, die an der Schule nicht aufgenommen werden könnten, die Vorläuferklassen des GMN mitgeteilt. Das GMN befinde sich ebenfalls noch im Bau. Zum Schuljahr 2025/26 solle der reguläre Schulbetrieb des GMN auf dem Gelände der Bayernkaserne beginnen. Bis dahin seien die Schüler in einem Pavillongebäude auf dem Gelände des O.-Gymnasiums in der U.-Str. 191 untergebracht. Aufnahmebereit sei auch das S.-Gymnasium (nur für Mädchen) in der K.-Str. 92.
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Die von der Antragstellerin herangezogene Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) sei nicht einschlägig, da es bei Aufnahme in die Jahrgangsstufe 5 am Bezug zu einem konkreten Beruf fehle. Die Aufnahmekapazität der Schule sei erschöpft. An der Schule hätten sich für das Schuljahr 2023/24 153 Schüler für die Jahrgangsstufe 5 angemeldet, es könnten jedoch nur 122 Schüler aufgenommen werden. Schüler, deren Fahrradweg zur Schule bis zu 1,8 km betrage, habe die Schule aufgenommen, ebenso Schüler, deren Anfahrt zum neuen Schulstandort des GMN mehr als 43 Minuten betrage. Dabei seien Verbindungen mit nur einem Umstieg fokussiert worden. Kinder, deren Geschwister die Schule bereits besuchten, seien grundsätzlich berücksichtigt worden. Die Anwendung der Kriterien auf die Bewerber sei in einer Tabelle dargestellt; die Antragstellerin sei unter Ziffer 43 zu finden. Eine kartografische Darstellung mit den Wohnorten aller Bewerber zeige, dass keiner der Bewerber, die – wie die Antragstellerin – östlich der L.-Str. und südlich der W.-Str. wohnhaft seien, zum Zuge gekommen sei. Insgesamt 44 Geschwisterkinder seien aufgenommen worden. Über das Kriterium „Schulweg“ seien daher noch 78 Plätze zu vergeben gewesen. Unter Zuhilfenahme der G. M.-Plattform seien für die Antragstellerin eine Fahrradwegstrecke zur Schule von 2,1 km und eine Wegezeit bei ÖPNV-Nutzung zum GMN von 29 Minuten ermittelt worden. 99 der Bewerber (ohne Berücksichtigung der Geschwisterkinder) hätten eine kürzere Entfernung zur Schule bzw. eine längere Fahrt zum neuen Schulstandort des GMN. Demnach befänden sich (99 – 78 =) 21 Bewerber in der Reihung vor der Antragstellerin. Bei einem Bewerberüberhang habe der Bewerber nur Anspruch auf eine fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens, d.h. darauf, dass der Antragsgegner die Auswahlentscheidung nach sachlichen Kriterien und unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes zu treffen habe. Vorliegend sei die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft. Die Schule sei nicht verpflichtet, die Klassen in Anlehnung an die Regelung zur Vergabe von Studienplätzen bis zur Grenze der Funktionsfähigkeit aufzustocken. Das Schulverhältnis sei durch den Klassenverband geprägt und verlange, dass den Lehrkräften genug Raum bleibe, sich dem einzelnen Schüler zu widmen. Die Bildung von nur vier Eingangsklassen sei nicht zu beanstanden, da auch die Aufnahme von Schülern in den Folgejahren noch gewährleistet sein müsse. Die Auswahlkriterien seien nicht zu beanstanden. Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof halte das „Geschwisterprivileg“ für ein taugliches Auswahlkriterium; 44 Geschwisterkinder seien bei 122 Neuaufnahmen nicht überproportional viele. Gegen das Kriterium „Schulweg“ und die Anwendung durch die Schule sei nichts einzuwenden. Das Abstellen auf eine Fahrradnutzung sei sachgerecht, da dieses, wenn ein Schüler nicht direkt neben der Schule wohne, am praktikabelsten sei. Das Abstellen auf den Fußweg führe hier zu keinem anderen Ergebnis. Sofern die Antragstellerin eine ungeschwärzte Auswahlliste wünsche, sei ihr anhand der kartografischen Übersicht eine Nachprüfung des Vergabekriteriums „Schulweg“ ohne weiteres möglich. Konkrete Einwände in Bezug auf Mitbewerber seien nicht vorgetragen. Soweit die Antragstellerin einen Beschluss der Lehrerkonferenz verlange, fehle es an einer Zuweisung der Entscheidung an die Lehrerkonferenz (Art. 58 Abs. 4 Satz 1 BayEUG). Die Antragstellerin könne sich nicht auf eine Ermessensreduzierung auf Null berufen. Bei der Auswahl seien 21 Bewerber vorrangig zu berücksichtigen. Es wäre mit dem Recht auf Gleichbehandlung unvereinbar, wenn die Antragstellerin bevorzugt würde, nur weil sie ein Rechtsmittel eingelegt habe. Die formellen Einwände der Antragstellerin blieben ohne Erfolg, da in der Hauptsache eine Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage zu erheben sei und es dabei nicht darauf ankomme, ob der Ablehnungsbescheid formell ordnungsgemäß ergangen sei. Im Hinblick auf Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG sei das Schreiben der Schule vom 3. Juli 2023 jedenfalls eine schriftliche Bestätigung.
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Mit Schreiben vom 24. Juli 2023 hat das Gericht den Antragsgegner um Erläuterung gebeten, aus welchen Gründen die Schule in die Eingangsklassen nicht jeweils 32 Bewerber aufgenommen hat.
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Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 wiederholt und vertieft die Antragstellerin ihren Vortrag und weist darauf hin, dass die Entfernung zur Schule für den Antragsgegner den Vorteil habe, dass Kinder, die aus sozial schwächeren Vierteln kämen, nicht in diesen Bereich fielen. Nach den vorgelegten Unterlagen werde auch von Seiten des Sachaufwandsträgers empfohlen, bei der Aufnahme an die Grenzen des derzeit Umsetzbaren zu gehen, um die Zahl der Abweisungen und der damit verbundenen Enttäuschungen der Kinder möglichst gering zu halten. Der Antragsgegner habe die Möglichkeit der 32 Schüler pro Klasse nicht ausgeschöpft.
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Auf Nachfrage des Gerichts vom 24. Juli 2023 führt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023 aus, die Schule habe, ausgehend von einer Gesamtzahl von 128 Schülern in der Jahrgangsstufe 5 für das Schuljahr 2023/24 sechs Plätze für voraussichtliche Wiederholer freigehalten. Die Festlegung von sechs Plätzen sei im Hinblick darauf erfolgt, dass im Schuljahr 2022/23 152 Schüler die Jahrgangsstufe 5 besuchten; Anfang Mai 2023 sei bei 10 Schülern das Vorrücken gefährdet gewesen. Die Quote der Schüler, die keine Vorrückenserlaubnis erhalten hätten, habe im Schuljahr 2021/22 bei 5,6%, im Schuljahr 2022/23 bei 4% gelegen; bayernweit habe die Quote in den Jahren 2019/2020 bis 2021/22 bei 3,3 bis 3,8% gelegen. Mittlerweile stehe fest, dass drei Schüler der derzeitigen Jahrgangsstufe 5 nicht vorrückten und damit die Jahrgangstufe 5 wiederholen könnten. Weiter könnten Schüler nach Ende des ersten Halbjahres aus der Jahrgangsstufe 6 in die Jahrgangsstufe 5 zurücktreten. Im Hinblick auf die zweite Fremdsprache in der Jahrgangsstufe 6 komme ein freiwilliger Rücktritt durchaus in Betracht. Wegen der beengten Raumverhältnisse im provisorischen Schulgebäude würde eine zusätzliche Aufnahme von Schülern die Funktionsfähigkeit der Schule gefährden. So betrage die Raumgröße eines Klassenzimmers nur 63 m2, im geplanten neuen Schulgebäude dagegen 73 m2.
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Auf Nachfrage des Gerichts trägt der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 28. Juli 2023 vor, zu den ursprünglich 123 Bewerbern, die aufgenommen worden seien, zähle ein ukrainisches Kind, das am Probeunterricht teilgenommen und im Fach Mathematik gymnasiale Befähigung aufweise. Aufgrund von Defiziten in der deutschen Sprache werde das Kind einer Brückenklasse zugewiesen und besuche einzelne Fächer im Regelunterricht. Da die Entscheidung, das Kind nicht in eine Regelklasse, sondern in eine Brückenklasse aufzunehmen, erst nach der Vergabeentscheidung erfolgt sei, sei der Platz nicht neu vergeben worden. Der Platz sei auch nicht vollständig frei geworden. Zudem sei der Platz bereits außerhalb der Aufnahmekapazität von 128 Schülern.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
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1. Der Antrag auf Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Aufnahme der Antragstellerin in die Jahrgangsstufe 5 der Schule für das Schuljahr 2023/24 ist zulässig, jedoch unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung, glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde.
21
Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v.18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
22
Ein Anspruch auf eine bestimmte Ermessensentscheidung – wie sie die Antragstellerin mit ihrem Antrag begehrt – kann in Anbetracht des prinzipiellen Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 VwGO einerseits und der grundrechtlich verbürgten Gewährung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG andererseits nur dann als für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichend glaubhaft gemacht angesehen werden, wenn die ablehnende Entscheidung als ermessensfehlerhaft erscheint und wenn ermessensfehlerfrei vermutlich nur dem abgelehnten Antrag entsprochen werden könnte oder zumindest die Neubescheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit im Sinne der Antragstellerin erfolgen würde.
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Zu berücksichtigen ist hier, dass zwar das durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG bzw. Art. 2 Abs. 1 GG verbürgte Grundrecht des Schülers auf freie Wahl der Ausbildungsstätte und das vom Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Recht auf freie Wahl des von dem Kind einzuschlagenden Bildungswegs keinen Anspruch auf Aufnahme in eine konkret gewünschte Schule verleiht. Allerdings schließen die beschriebenen Grundrechte grundsätzlich das Recht ein, im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der bestehenden Kapazität die konkrete einzelne Schule auszuwählen, die das Kind besuchen soll (VGH Mannheim, B.v. 5.9.2018 – 9 S 1896/18 – juris Rn. 5; OVG NW, B.v. 30.11.2016 – 19 B 1066/16 – juris Rn. 9 ff.). Vor diesem Hintergrund und in Ansehung der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG kann die Verweisung der Antragstellerin auf den Rechtsweg in der Hauptsache nicht allein mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden, dass sie nur das Begehren auf Zugang zu einer bestimmten Schule derselben Schulart verfolge, ihr aber der Besuch eines anderen Gymnasiums zumutbar sei.
24
Nach diesen Maßgaben hat der zulässige Antrag der Antragstellerin in der Sache keinen Erfolg. Zwar liegt ein Anordnungsgrund im Hinblick auf den Beginn des Schuljahres 2023/24 und den nahenden Unterrichtsbeginn vor. Der Anordnungsanspruch ist jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn voraussichtlich war die Ablehnung der Aufnahme der Antragstellerin nicht rechtswidrig und verletzt sie nicht in ihren Rechten, da sie keinen Anspruch auf eine Neuverbescheidung, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in ihrem Sinne erfolgen würde, hat.
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Nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. März 2023 (GVBl. S. 102) in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 5. Juli 2022 (GVBl. S. 308), haben die Erziehungsberechtigten und die volljährigen Schüler das Recht, Schulart, Ausbildungsrichtung und Fachrichtung zu wählen. Für die Aufnahme sind Eignung und Leistung des Schülers maßgebend (Art. 44 Abs. 1 Satz 2 BayEUG). Ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in eine bestimmte Schule an einem bestimmten Ort besteht nicht (Art. 44 Abs. 3 BayEUG). Das Recht der freien Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 GG) steht dem nicht entgegen, da es sich nicht auf eine bestimmte Schule, sondern nur auf eine bestimmte Schulart bezieht (VG Regensburg, B.v. 11.9.2008 – RO 7 E 08.1376 – juris Rn. 24). Sind mehr Bewerber vorhanden, als im Hinblick auf die räumlichen und personellen Verhältnisse der Schule aufgenommen werden können, so bemühen sich die staatlichen und nichtstaatlichen Schulen um einen örtlichen Ausgleich (§ 2 Abs. 6 Satz 1 Gymnasialschulordnung – GSO – vom 23. Januar 2007, GVBl. S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K, zuletzt geändert durch Verordnung vom 6. April 2023, GVBl. S. 161). Gelingt dies nicht, so entscheidet der Ministerialbeauftragte mit Wirkung für die öffentlichen Schulen (§ 2 Abs. 6 Satz 2 GSO). Die Zulassung zu einer Ausbildungs- oder Fachrichtung einer Schulart darf im notwendigen Umfang nur dann beschränkt werden, wenn die Zahl der Bewerbungen die Zahl der Ausbildungsplätze erheblich übersteigt und ein geordneter Unterrichtsbetrieb nicht mehr sichergestellt werden kann (Art. 44 Abs. 4 Satz 1 BayEUG).
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a) Die von der Antragstellerin vorgebrachten formellen Einwände gegen die Ablehnung der Aufnahme führen jedenfalls nicht dazu, dass davon auszugehen wäre, dass eine erneute Aufnahmeentscheidung voraussichtlich zu ihren Gunsten ausgehen würde.
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Unabhängig davon dürften die Rügen ohne Erfolg bleiben. Soweit die Antragstellerin fehlende Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG) rügt, ergibt sich hinreichend bestimmt aus der Adressierung zusammen mit dem sachlichen Inhalt der E-Mail, an wen sich der Ablehnungsbescheid vom 10. Mai 2023 richtet. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass nach Art. 37 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG ein elektronischer Verwaltungsakt nach Maßgabe von Art. 37 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG schriftlich zu bestätigen sei, führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des elektronischen Verwaltungsakts. Ob vorliegend ein Zugang für die Übermittlung elektronischer Dokumente eröffnet wurde, kann offen bleiben; denn jedenfalls mit Schreiben der Schule vom 3. Juli 2023 ist die Nichtaufnahmeentscheidung der Schule der Antragstellerin zugegangen.
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b) Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass an der Schule weitere Plätze in der Jahrgangsstufe 5 vorhanden wären.
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Die Kapazitätsgrenze wird grundsätzlich unter Berücksichtigung der vorhandenen Raumausstattung, der Personalausstattung und der pädagogischen Zielsetzungen bestimmt. Bei der konkreten Bestimmung der Kapazitätsgrenzen an Schulen ist mit Blick auf die Frage der Funktionsfähigkeit zu berücksichtigen, dass das Schulverhältnis durch den Klassenverband geprägt ist, in dem der Schüler der besonderen Aufmerksamkeit und Zuwendung der Lehrkräfte bedarf; auch obliegt die Beobachtung und Kontrolle des Lernerfolgs den Lehrkräften. Der Zugangsanspruch des einzelnen Bewerbers findet daher seine Grenze darin, dass eine effektive Unterrichtsgestaltung unter Beachtung allgemeiner pädagogischer Grundsätze möglich bleiben muss (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 8.10.2003 – 13 ME 343/03 – juris Rn. 35f.; VG München, B.v. 20.8.2013 – M 3 E 13.3028 – juris; VG Regensburg, B.v. 11.9.2008 – RO 7 E 08.1376 – juris Rn. 26).
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Die Entscheidung der Schule, im Schuljahr 2023/24 vier Eingangsklassen zu bilden, ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. In dem vorgelegten Raumbelegungsplan sind lediglich sechs Klassenräume keiner konkreten Klasse zugeordnet; die Freihaltung einzelner Räume für künftige Eingangsklassen ist sachgerecht.
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Was die Schülerzahl pro Klasse anbelangt, sind nach dem Schreiben des Ministerialbeauftragten vom 8. März 2023 sämtliche Eingangsklassen grundsätzlich mit bis zu 32 Schülern aufzufüllen. Dies stimmt überein mit den Maßgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus zur Klassen- und Gruppenbildung in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 auf S. 10 der Anlage zum KMS Nr. V.7 – BS5400-1-6b.25760 vom 30.3.2023 (https://www.asv.bayern.de/doku/_media/ gy/up/planungsgrundlagen_23-24.pdf), wonach zur Vermeidung übergroßer Klassen keine Klassen mit 34 oder mehr Schülern einzurichten sind und nach Möglichkeit die Bildung von Klassen mit 33 Schülern zu vermeiden ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass bei einer höheren Schülerzahl der Bildungsauftrag noch effizient erfüllt und ein geordneter Unterrichtsablauf noch sichergestellt werden könnte.
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Die Entscheidung der Schule, von den danach möglichen 128 Schulplätzen in der Jahrgangsstufe 5 sechs Plätze für Wiederholer freizuhalten, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Schule hat dargelegt, dass die Festlegung von sechs Plätzen im Hinblick darauf erfolgte, dass im Mai 2023 bei 10 Schülern die Erlaubnis zum Vorrücken gefährdet gewesen sei; die Schule habe 4% der Schülerzahl der derzeitigen Jahrgangsstufe 5 als Quote der Wiederholungsschüler angesetzt und habe danach sechs Plätze für Wiederholungsschüler festgesetzt. Die angenommene Wiederholerquote ist im Hinblick auf den Anteil der Schüler ohne Vorrückenserlaubnis im Schuljahr 2021/22 und die Zahl der Schüler der Jahrgangsstufe 5 im Schuljahr 2022/23, deren Vorrücken gefährdet war, nachvollziehbar.
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Die Zahl der den Wiederholungsschülern vorbehaltenen Plätze ist auch nicht deswegen zu beanstanden, weil nunmehr feststeht, dass lediglich drei Schüler der derzeitigen Jahrgangsstufe 5 keine Vorrückenserlaubnis erhalten. Es kann vorliegend offenbleiben, wann der Stichtag, der für die Feststellung der Zahl der verfügbaren Plätze maßgeblich ist, anzusetzen ist. Denn selbst wenn Entwicklungen nach der Entscheidung der Schule über die Aufnahme im Mai 2023 noch zu berücksichtigen wären (vgl. OVG Hamburg, B.v. 11.10.2018 – 1 Bs 164/18 – juris Rn. 14), ist vorliegend jedenfalls die weitere Erwägung der Schule, dass die freigehaltenen sechs Plätze auch für Schüler, die am Ende des ersten Halbjahrs des Schuljahrs 2023/24 von der Jahrgangsstufe 6 freiwillig zurücktreten, zur Verfügung stehen sollen, rechtlich nicht zu beanstanden. Die Annahme der Schule, dass von den in die Jahrgangsstufe 6 vorrückenden Schülern einzelne sich (etwa im Hinblick auf die zweite Fremdsprache) für einen freiwilligen Rücktritt in die Jahrgangsstufe 5 entscheiden, beruht auf sachlichen Erwägungen. Angesichts der Zahl der Schüler, deren Vorrücken im Schuljahr 2022/23 gefährdet war, erscheint auch die Annahme, dass sich im Schuljahr 2023/24 bis zu drei Schüler aus insgesamt fünf Klassen der Jahrgangsstufe 6 für einen freiwilligen Rücktritt entscheiden könnten, begründet.
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Ein Anspruch auf Teilnahme an der Vergabe eines weiteren Schulplatzes ergibt sich vorliegend auch nicht daraus, dass laut der vorgelegten excel-Liste der Bewerber bei 123 Bewerbern ein Aufnahmekriterium vermerkt ist, aber nur 122 Bewerber in Jahrgangsstufe 5 (Regelklassen) aufgenommen wurden.
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Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Aufnahme besteht nur im Rahmen der Aufnahmekapazität der Schule. Die Ermessensausübung der Schule, einen nachträglich frei gewordenen Platz nicht durch ein Nachrückverfahren zu vergeben, solange die Aufnahmekapazität der Schule erschöpft ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken (vgl. HamburgOVG, B.v. 12.8.2019 – 1 Bs 189/19 – juris Rn. 23; VG Hamburg, B.v. 28.7.2022 – 5 E 2514/22 – juris Rn. 11).
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Nach den Erläuterungen des Antragsgegners war ein weiterer (129.) Platz zunächst für ein ukrainisches Kind vorgesehen, das jedoch nach Durchführung des Probeunterrichts nicht einer Regelklasse, sondern einer Brückenklasse zugewiesen wurde und im Schuljahr 2023/24 in einzelnen Fächern den Regelunterricht besuchen wird. Unabhängig davon, welche Klasse das ukrainische Kind besuchen wird, ist vorliegend jedenfalls die Aufnahmekapazität der Schule von 128 Plätzen (122 für Neuaufnahmen, 6 für Wiederholer und freiwilligen Rücktritt) erschöpft. Zudem ist nicht dargetan, dass dieser 129. S.platz vollständig frei geworden wäre, nachdem das ukrainische Kind jedenfalls teilweise den Regelunterricht besuchen wird.
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c) Die ablehnende Entscheidung der Schule über den Aufnahmeantrag der Antragstellerin ist voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.
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Übersteigt die Zahl der Bewerber für eine bestimmte Schule die Zahl der nach der vorhandenen Kapazität ermittelten Plätze, ist die Entscheidung, welche Bewerber aufgenommen werden und welche im Wege des örtlichen Ausgleichs oder durch Entscheidung des Ministerialbeauftragten einen Platz an einer anderen Schule erhalten, anhand sachgerechter Auswahlkriterien zu treffen (BayVGH, B.v. 15.11.2013 – 7 CE 13.1934 – juris Rn. 8 ff.; Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand Mai 2023, BayEUG Art. 44 Anm. 12). Der Spielraum der Schule bei der Auswahl und Kombination von Auswahlkriterien ist somit nicht unbeschränkt; insbesondere sind Art. 3 Abs. 1 GG und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Was sachgerecht ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
39
aa) Rechtsfehler ergeben sich nicht daraus, dass vorliegend keine Entscheidung der Lehrerkonferenz über die Aufnahmekriterien getroffen wurde. Nach Art. 58 Abs. 4 Satz 1 BayEUG beschließt die Lehrerkonferenz in den Angelegenheiten, die ihr durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zur Entscheidung zugewiesen sind, mit bindender Wirkung für den Schulleiter und die übrigen Mitglieder der Lehrerkonferenz. Die Vorschriften zur Aufnahme in eine bestimmte Schule und zur Auswahl unter den Bewerbern im Fall eines Bewerberüberhangs (Art. 44 Abs. 1 bis 3 BayEUG, § 2 Abs. 6 GSO) sehen keine Zuständigkeit der Lehrerkonferenz für die Festlegung der Aufnahmekriterien vor.
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bb) Die von der Schule gewählten Kriterien sind rechtlich nicht zu beanstanden.
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Die Berücksichtigung des Schulwegs zur Schule und zum GMN begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Der Schulweg zur gewünschten und zu den als Ersatz in Betracht kommenden Schulen gleicher Schulart und Ausbildungsrichtung ist ein maßgebliches Kriterium (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2013 – 7 CE 13.1934 – juris Rn. 15; VG München, B.v. 16.9.2016 – M 3 E 16.4060 – juris Rn. 39; VG Regensburg, B.v. 11.9.2008 – RO 7 E 08.1376 – juris Rn. 28; Lindner/Stahl, Das Schulrecht in Bayern, Stand Mai 2023, BayEUG Art. 44 Anm. 11). Bei Auswahl und Kombination verschiedener Kriterien darf die Anwendung nicht dazu führen, dass sich der Schulweg für einzelne Schüler zu einer „Odyssee“ entwickelt (vgl. VG Regensburg, B.v. 11.9.2008 – RO 7 E 08.1376 – juris Rn. 28). Insbesondere dann, wenn sich der alternativ angebotene Schulplatz nicht in der näheren Umgebung befindet, kommt der benötigten Zeit und etwaiger Erschwernisse bei Nutzung von ÖPNV zum Erreichen der alternativen Schule wesentliche Bedeutung zu. Hieraus ergibt sich unmittelbar, dass diese Faktoren realitätsnah zu ermitteln sind (vgl. hierzu VGH BW, B.v. 5.9.2018 – 9 S 1896/18 – juris Rn. 14 ff., 17 ff.).
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Soweit sich die Antragstellerin gegen die Berücksichtigung des Fahrradwegs von bis zu 1,8 km wendet, dringt sie damit nicht durch. Die Entfernung zur Schule ist ein sachgerechtes Kriterium. Es begegnet keinen Bedenken, dass die Schule auf Fahrradwege abgestellt hat, da ein Schulweg von bis zu 1,8 km von einer Vielzahl von Schülern mit dem Fahrrad bewältigt werden dürfte; zudem dürften im Regelfall Fußweg und Fahrradweg kaum voneinander abweichen. Da die Schule zugleich in einem weiteren Auswahlkriterium die Entfernung zur ersatzweise angebotenen Schule berücksichtigt, bestehen auch keine Bedenken dahingehend, dass einseitig nur die Interessen von Bewerbern berücksichtigt werden, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schule wohnen.
44
Auch die festgelegte Grenze, ab der die Länge bzw. Erschwernisse des Schulwegs zum GMN zur Aufnahme an der Schule führt, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
45
Die festgelegte Grenze von 43/44 Minuten trägt dem Rechnung, dass einerseits einem Schüler, der ein Gymnasium besucht, ein längerer Schulweg als einem Grundschulkind zugemutet werden kann, andererseits der Schulweg nach Dauer und Kompliziertheit auch für einen Schüler der Unterstufe zumutbar bleiben muss. Was die angesetzte Dauer von 43/44 Minuten anbelangt, ist zudem aus Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Schulwegkostenfreiheitsgesetzes (SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl. S. 452, BayRS 2230-5-1-K), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. März 2019 (GVBl. S. 98), ersichtlich, dass der Gesetzgeber für einen Schüler des Gymnasiums die Bewältigung eines Schulwegs von bis zu drei Kilometern zu Fuß grundsätzlich für zumutbar hält; dies entspricht in etwa der hier festgelegten Dauer von 43/44 Minuten.
46
Die Aufnahme von Geschwistern von bereits aufgenommenen Schülern ist im Hinblick auf die für die Eltern damit verbundene Erleichterung ein grundsätzlich sachgerechtes Kriterium; seine Anwendung begegnet solange keinen rechtlichen Bedenken, solange dies nicht dazu führt, dass einem anderen Bewerber der Zugang zu einem bestimmten Bildungsweg verwehrt oder unzumutbar erschwert wird (vgl. VG München, B.v. 20.8.2013 – M 3 E 13.3028 – juris). Da die Schule zugleich Dauer und Erschwernisse des Schulwegs zu der als Ausgleich angebotenen Schule als weiteres Aufnahmekriterium berücksichtigt, ist vorliegend diesem Aspekt Rechnung getragen.
47
Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass die Schule im Rahmen ihrer Aufnahmekriterien nicht berücksichtigt, ob und inwieweit Freundschaften und soziale Bindungen der Bewerber untereinander bestehen, die dadurch belastet werden, dass einzelne Bewerber nicht aufgenommen werden. Die von der Schule gewählten Aufnahmekriterien tragen Belangen der Bewerber Rechnung, die wesentlich sind. Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Schule diesen Belangen größeres Gewicht beimisst als bestehenden sozialen Bindungen zu anderen Bewerbern. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass für zahlreiche Kinder mit der Jahrgangsstufe 5 der Eintritt in eine weitgehend unbekannte Klassengemeinschaft verbunden ist und die Kinder in der Regel diesen Einschnitt bewältigen.
48
cc) Vorliegend ist für die Antragstellerin keines der festgelegten Kriterien erfüllt.
49
Die Schule hat, wie aus der vorgelegten excel-Liste ersichtlich, zunächst 44 Plätze an Geschwisterkinder unabhängig von der Wegstrecke zur Schule oder zum GMN vergeben. Weitere 38 Plätze wurden an Bewerber in „Fahrradentfernung“ (1,8 km) zur Schule vergeben. Als weiteres Kriterium hat die Schule eine Art Härtegrenze für den Schulweg zum GMN bei ÖPNV-Nutzung gesetzt bei einer Schulwegdauer von mehr als 43 Minuten oder der Notwendigkeit von mindestens zweimaligen Umsteigen; nach diesem Kriterium wurden weitere 41 Bewerber aufgenommen. Demnach ergibt sich (zuzüglich zu den 44 aufgenommenen Geschwisterkindern) für 79 von 153 Bewerbern das Vorliegen von einem Aufnahmekriterium; für 30 ist „Ausgleich“ vermerkt.
50
(1) Die Recherche bei G. M. ergibt eine Entfernung des Wohnorts der Antragstellerin zur Schule von 1,9 km und eine Fahrradstrecke von 2,1 km. Wie oben ausgeführt, begegnet ein Abstellen auf die Fahrradnutzung keinen Bedenken. Hinzu kommt, dass auch der Fußweg der Antragstellerin ist länger als 1,8 km.
51
(2) Für die Anwendung des Auswahlkriteriums „Schulweg zum GMN“ hat die Schule, da die für das Schuljahr 2023/24 aufzunehmenden Bewerber voraussichtlich ab dem Schuljahr 2025/26 und damit für den ganz überwiegenden Teil ihrer Schulzeit im Schulgebäude auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne beschult werden, für die Ermittlung der Schulwege zutreffend auf diesen Standort und nicht auf das Gelände des O.-Gymnasiums abgestellt.
52
Die Suche nach geeigneten ÖPNV-Verbindungen vom Wohnort der Antragstellerin zum GMN (Eingabe „Helene-Wessel-Bogen“) bei einer gewünschten Ankunft bis 7.49 Uhr am 13. September 2023 (zweiter Schultag) ergibt folgende Ergebnisse (der tatsächliche Schulstandort „F. N. Allee 48, M.“ ist weder in G. M. noch bei der MVG-Verbindungssuche recherchierbar und liegt noch etwas weiter entfernt von der durch G. M./MVG-Verbindungssuche ermittelten Ankunftsstelle, so dass die tatsächliche Schulwegdauer ein paar Minuten länger sein könnte).
54
- Weg 1: 7.17 Uhr ab Wohnort zu Fuß bis U-Bahnstation Feldmoching (ca. 500 m), 7.24 Uhr Fahrt mit U2 bis Frankfurter Ring, zu Fuß bis Frankfurter Ring (Bushaltestelle), 7.35 Uhr Fahrt mit Bus 178 bis Helene-Wessel-Bogen, Ankunft 7.46 Uhr (Dauer 29 Minuten);
55
- Weg 2: 7.14 Uhr ab Wohnort zu Fuß bis P1. straße (ca. 300 m), 7.18 Uhr Fahrt mit Bus 172 bis BMW-FIZ, zu Fuß bis K1. straße, 7.37 Uhr Fahrt mit Bus 178 bis Helene-Wessel-Bogen, Ankunft 7.46 Uhr (Dauer 32 Minuten);
56
- Weg 3: 7.11 Uhr ab Wohnort zu Fuß bis U-Bahnstation Feldmoching (ca. 500 m), 7.18 Uhr Fahrt mit U2 bis Am Hart, zu Fuß bis Am Hart (Bushaltestelle), 7.34 Uhr Fahrt mit Bus 295 bis K2. straße, Fußweg bis Helene-Wessel-Bogen (ca. 1 km), Ankunft 7.48 Uhr (Dauer 37 Minuten).
58
- Weg 1: 7.01 Uhr ab Wohnort zu Fuß bis U-Bahnstation Feldmoching (ca. 390 m), 7.08 Uhr Fahrt mit U2 bis Am Hart, 7.20 Uhr Fahrt mit Bus 180 bis Helene-Wessel-Bogen, Ankunft 7.36 Uhr (Dauer 35 Minuten);
59
- Weg 2: 7.07 Uhr ab Wohnort zu Fuß bis U-Bahnstation Feldmoching (ca. 390 m), 7.14 Uhr Fahrt mit U2 bis Am Hart, 7.24 Uhr Fahrt mit Bus 294 bis K2. straße, Fußweg bis Helene-Wessel-Bogen (ca. 750 m), Ankunft 7.39 Uhr (Dauer 32 Minuten);
60
- Weg 3: Start 7.17 Uhr, entspricht Weg 1 nach G. M.
61
Für den Rückweg vom GMN (als Schulstandort nur Eingabe „Helene-Wessel-Bogen“ möglich, vgl. oben) zum Wohnort der Antragstellerin bei einem angenommenen Unterrichtsende um 13 Uhr und einer Abfahrt ab 13.05 Uhr am 13. September 2023 ergibt sich Folgendes:
63
- Weg 1: 13.11 Uhr zu Fuß bis P2. straße (ca. 1 km), 13.24 Uhr Fahrt mit Bus 170 bis Feldmoching Bahnhof Ost, zu Fuß bis Wohnort (ca. 250 m), Ankunft 13.48 Uhr (Dauer 37 Minuten);
64
- Weg 2: 13.15 Uhr zu Fuß bis M2. Straße (ca. 450 m), 13.21 Uhr Fahrt mit Bus 178 bis Frankfurter Ring, 13.38 Uhr Fahrt mit U2 bis Feldmoching, zu Fuß bis Wohnort (ca. 500 m), Ankunft 13.51 Uhr (Dauer 36 Minuten);
65
- Weg 3: 13.11 Uhr zu Fuß bis K2. straße (ca. 1 km), 13.23 Uhr Fahrt mit Bus 180 bis Am Hart, 13.35 Uhr Fahrt mit U2 bis Feldmoching, zu Fuß bis Wohnort (ca. 500 m), Ankunft 13.46 Uhr (Dauer 35 Minuten);
66
- Weg 4: 13.23 Uhr zu Fuß bis K2. straße (ca. 1 km), 13.35 Uhr Fahrt mit Bus 141 bis C. straße, 13.53 Uhr Fahrt mit Bus 172 bis P1. straße, zu Fuß bis Wohnort (ca. 120 m), Ankunft 13.59 Uhr (Dauer 36 Minuten).
68
- Weg 1: 13.09 Uhr zu Fuß bis K2. straße (ca. 771 m), weiter wie Weg 3 bei G. M.
69
- Weg 2: 13.11 Uhr zu Fuß bis P2. straße (ca. 814 m), weiter wie Weg 1 bei G. M.;
70
- Weg 3: 13.16 Uhr zu Fuß bis K2. straße (ca. 771 m), 13.30 Uhr Fahrt mit Bus 294 bis Am Hart, 13.40 Uhr Fahrt mit U2 bis Feldmoching, zu Fuß bis Wohnort (ca. 387 m m), Ankunft 13.52 Uhr (Dauer 36 Minuten);
71
- Weg 4: Start 13.19 Uhr, weiter wie Weg 3 bei G. M.;
72
Danach stehen der Antragstellerin Verkehrsverbindungen zur Verfügung, mit denen sie das GMN bei nicht mehr als einmaligem Umsteigen in weniger als 44 Minuten erreichen kann.
73
Umstände, die für die Antragstellerin eine besondere Härte der Nichtaufnahme begründen und ausnahmsweise eine Aufnahme jenseits der festlegten Kriterien gebieten könnten, sind vorliegend weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass die Nichtaufnahme für sie große soziale Auswirkungen habe, da alle anderen Kinder ihrer Grundschulklasse aufgenommen worden seien, bedeutet die Trennung von ihren Freunden sicher eine Erschwernis für die Antragstellerin. Wie oben bereits ausgeführt, dürfte allerdings für zahlreiche Kinder der Eintritt in die Jahrgangsstufe 5 mit einer ähnlichen Situation verbunden sein. Dass bei der Antragstellerin besondere Umstände vorlägen, die gerade bei ihr diese Situation besonders belastend machen würden, ist vorliegend nicht ersichtlich.
74
Eine besondere Härte ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem (vorübergehenden) Schulweg der Antragstellerin zum GMN, Standort U.-Str. 191, M. Soweit die Antragstellerin auf die Entfernung von 8,7 km von ihrem Wohnort verweist, ist diese Strecke jedenfalls mit ÖPNV bewältigbar (die MVG-Verbindungssuche ergibt Verbindungen mit einmaligem Umstieg und einer Wegezeit von 32 Minuten).
75
c) Vorliegend sind keine Hinweise dafür ersichtlich, dass das Aufnahmeverfahren rechtsfehlerhaft durchgeführt worden wäre und ein S.platz nicht an einen bestimmten Bewerber hätte vergeben werden dürfen, so dass dieser S.platz so zu behandeln wäre, als sei er noch zu vergeben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 1.10.2015 – OVG 3 S 55.15 – juris Rn. 5 ff.). Vorliegend ist auch nicht deshalb von einer rechtsfehlerbehafteten Auswahl unter den Bewerbern auszugehen, weil die Schule keine ungeschwärzte Bewerberliste vorgelegt hat.
76
In der vorgelegten excel-Liste sind Name und Anschrift der Bewerber geschwärzt; ersichtlich sind Postleitzahl, ermittelte Fahrradentfernung zur Schule, ermittelte Dauer der ÖPNV-Fahrt zum GMN (Standort Helene-Wessel-Bogen), der jeweilige Aufnahmegrund oder der vorgesehene Ausgleich sowie Alternativschulen. Vorgelegt wurde außerdem eine Karte mit Markierungen der Wohnorte der Bewerber und der Kennzeichnung von Aufnahme oder Absage; aus der Karte lässt sich der Wohnort der Bewerber zumeist straßengenau erkennen. Sowohl die Fahrradentfernung zur Schule als auch ÖPNV-Verbindungen zum GMN sind anhand dieser Markierungen ermittelbar. Lediglich die Anwendung des Geschwisterkind-Kriteriums lässt sich anhand der vorgelegten Unterlagen nicht überprüfen.
77
Die vorgelegte excel-Liste und die ergänzend vorgelegte Karte mit den markierten Wohnorten bieten keinen Anhalt dafür, dass die Schule einen S.platz unter Missachtung ihrer Auswahlkriterien oder sonst zu Unrecht an Bewerber vergeben hätte. Das Vorbringen der Antragstellerin, es seien auch Kinder aufgenommen worden, deren Schulweg zur Schule weiter als der der Antragstellerin sei, begründet keine Zweifel an der Anwendung der Auswahlkriterien. Denn bei den Bewerbern, die nach dem Kriterium „Geschwisterkind“ aufgenommen wurden, kommt es auf die Entfernung zur Schule nicht an; bei all denjenigen Bewerber, die über das Härtekriterium „Schulweg zum GMN“ aufgenommen wurden, liegt der Wohnort außerhalb der „Fahrradentfernung“ von 1,8 km zur Schule. Über diesen Vortrag hinaus hat die Antragstellerin keine Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine gleichheitswidrige Anwendung der Aufnahmekriterien hindeuten könnten oder die an den Angaben der Schule zur Anwendung der Auswahlkriterien Zweifel aufwerfen; vielmehr beansprucht die Antragstellerin die Übermittlung der Liste mit ungeschwärzten Namen und Anschriften der anderen Bewerber lediglich mit dem Ziel, darin nach Anhaltspunkten für derartige Zweifel suchen zu können. Vor diesem Hintergrund sieht das Gericht keinen Anlass für die Anforderung einer ungeschwärzten Bewerberliste.
78
Da vorliegend nicht davon auszugehen ist, dass eine Neubescheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zugunsten der Antragstellerin erfolgen würde, ist der Antrag der Antragstellerin abzulehnen.
79
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 38.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.