Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 26.07.2023 – W 6 K 23.17
Titel:

Straßenverkehrsrechtliche Anordnung, Beschränkung der Parkberechtigung auf PKW und Krafträder, Zusatzzeichen 1010-58 und 1010-62 StVO

Normenketten:
StVO § 45 Abs. 1 S. 1
StVO § 45 Abs. 9
Leitsatz:
Gründe der Verkehrssicherheit rechtfertigen verkehrsregelnde Maßnahmen, mit denen Gefahren für den Straßenverkehr entgegengewirkt werden soll. Dafür bedarf es nicht des Nachweises, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat; es genügt vielmehr, dass irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten können. Dies beurteilt sich danach, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke einer Straße die Befürchtung nahelegt, dass die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt; die Annahme einer die Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO rechtfertigenden konkreten Gefahr ist mithin nicht ausgeschlossen, wenn zu bestimmten Zeiten der Eintritt eines Schadens unwahrscheinlich sein mag. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenverkehrsrechtliche Anordnung, Beschränkung der Parkberechtigung auf PKW und Krafträder, Zusatzzeichen 1010-58 und 1010-62 StVO, Verkehrszeichen
Fundstellen:
BeckRS 2023, 21849
LSK 2023, 21849
DAR 2024, 229

Tenor

I. Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 8. September 2022 (Parken innerhalb der Halteverbotszone H. … nur noch zulässig für PKW und Krafträder, Zusatzzeichen 1010-58 und 1010-62 StVO) wird aufgehoben.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten (Parkverbot für alle Fahrzeuge außer PKW und Krafträder) und begehrt hilfsweise die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Parken seines Wohnmobils in der Halteverbotszone.
2
Am 19. November 2019 beschloss der Haupt- und Finanzausschuss der Beklagten die Umsetzung eines Parkraumgutachtens für den … Stadtteil H. … im Umfeld des …Krankenhauses. Das von der Verwaltung erarbeitete Parkraumbewirtschaftungskonzept wurde am 20. Oktober 2020 vom Ausschuss beschlossen und die Verwaltung mit der entsprechenden Markierungs- und Beschilderungsplanung, die im Wesentlichen die Einrichtung einer Halteverbotszone beinhaltete und das Parken nur noch in gekennzeichneten Flächen erlaubte, beauftragt. Die entsprechenden verkehrsrechtlichen Anordnungen wurden im Zeitraum vom 20. September bis 27. Dezember 2021 erlassen.
3
Nach Ortsbegehungen und Beschwerden über dauerhaft abgestellte Anhänger, Wohnanhänger und Wohnmobile fasste der Stadtrat der Beklagten am 26. Juli 2022 den Beschluss, in dem gesamten Areal nur noch das Parken von PKW und Motorrädern zuzulassen.
4
Mit verkehrsrechtlicher Anordnung vom 8. September 2022 wurde ein Parkverbot für alle Fahrzeuge außer PKW und Krafträdern angeordnet. Am 29. September 2022 wurden durch die Beklagte die Zusatzzeichen 1010-58 und 1010-62 StVO angebracht.
5
Der Kläger wohnt innerhalb der Halteverbotszone, an deren nordöstlichen Rand. Er ist Halter eines Fahrzeugs (. … ….), das als Wohnmobil zugelassen ist. Am 4. Oktober 2022 wurde der Kläger erstmals kostenpflichtig verwarnt.
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Am gleichen Tag beantragte er die Erteilung einer kostenfreien Ausnahmegenehmigung bei der Beklagten. Zur Begründung wurde vorgetragen, er nutze das Wohnmobil als Privat-PKW. Mit E-Mail vom 13. Oktober 2022 wurden dem Kläger die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung mitgeteilt und sein Antrag am 7. Dezember 2022 schließlich per E-Mail abgelehnt.
7
Mit Schreiben vom 2. Januar 2023, bei Gericht eingegangen am 3. Januar 2023, erhob der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg. Er beantragte zuletzt (vgl. Protokoll vom 26.7.2023),
die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 8. September 2022 (Parkverbot für alle Fahrzeuge außer PKW und Motorräder im Umfeld des …Krankenhauses im Stadtteil H. ….) aufzuheben,
hilfsweise, dem Kläger eine verkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Parken seines Wohnmobils in der Halteverbotszone H. … innerhalb der markierten Flächen zu erteilen.
8
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Parkregelung sei offensichtlich rechtswidrig, da sie völlig unverhältnismäßig sei und gegen Art. 3 und gegen Art. 14 GG verstoße. Die Regelung treffe einige wenige Anwohner persönlich empfindlich und absolut diskriminierend. Den entsprechenden Personen, die nur ein einziges Fahrzeug besitzen und dieses auch als PKW benutzten, hätte eine Ausnahmegenehmigung offeriert werden müssen. Er wohne zusammen mit seinem Vater und dessen Ehefrau in einer großen Wohnung am H. …, führe aber einen getrennten Haushalt. Anders als die Beklagte unterstellen wolle, habe er auch keinen Zugriff auf den PKW seines Vaters und dessen Ehefrau. Er fahre seinen selbst zum Camper ausgebauten Transporter mit 4,96 m Länge, der also nicht länger sei als viele Limousinen oder „SUVs“ und daher auch nicht mehr Parkraum benötige, überwiegend als Alltagsfahrzeug. Es sei rechtlich nicht möglich, ihn als PKW zuzulassen. Er könne das Fahrzeug auch finanziell nicht gegen einen adäquaten PKW eintauschen.
9
Es stelle sich zudem die Frage nach der Wirkung der Parkregelegung. Für die Anwohner schaffe sie nur unzureichend neuen Parkraum, der bisher schon stark überlastet gewesen sei und durch Einbringungen von Markierungen vor ca. einem Jahr noch weiter faktisch reduziert worden sei, denn fremde Pkws aus anderen Stadtteilen oder sogar anderen Städten dürften weiterhin uneingeschränkt parken, der Kläger als Anwohner hingegen nicht mehr. Diese fremden PKW machten aber einen großen Teil der parkenden Fahrzeuge aus. So parkten im Bereich der …-Straße, wo der Kläger wohne, und den Seitenstraßen viele Krankenhausmitarbeiter des …Krankenhauses oder Krankenhausbesucher. Für diese existierten aber zwei Parkhäuser, wobei eines in Laufnähe sei, nahezu leer stehe und äußerst billiges Parken ermögliche. Eine Anwohnerparkregelung wäre also in diesem Fall das geeignetere und verhältnismäßigere Mittel gewesen. Sollte die Parksituation generell verbessert werden, indem selten genutzte Zwei- oder Drittfahrzeuge wie Wohnmobile oder sonstige Freizeitfahrzeuge bzw. Wohnwägen oder andere länger abgestellte Anhänger verbannt werden, so könnte man dies noch nachvollziehen. Dann müsse es aber auch entsprechende Ausnahmeregelungen für Fälle wie den des Klägers geben; alles andere wäre ein verfassungswidriger Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und zumindest eine verfassungswidrige Teilenteignung. Er müsse derzeit mehrere 100 Meter zu seinem Fahrzeug laufen und es drohe zudem in Zukunft auch eine Erweiterung der Parkzone, denn die Parksituation werde auch in Richtung des anschließenden Stadtteils, wo er derzeit parke, sicher immer prekärer werden. Unter Umständen werde er demnächst, ohne einen Mietparkplatz zu besitzen, überhaupt nicht mehr in Laufweite parken können.
10
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
11
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die verkehrsrechtliche Anordnung der Zeichen 1010-58 und 1010-62 StVO sei § 45 Abs. 9 StVO. Danach seien Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sei. Ein Ermessen stehe der Verkehrsbehörde hier nur in eingeschränktem Umfang zu. Die Erforderlichkeit der Anordnung ergebe sich zum einen aus dem im Jahr 2019 erstellten Parkraumgutachten, zum anderen aus den in den Ortsbegehungen gewonnenen Erkenntnissen aus den Gesprächen mit Anwohnern. Die Beschränkung der Ausnahme vom angeordneten Zonenparkverbot nur auf PKW und Motorräder sei ein geeignetes und gleichermaßen zweckmäßiges Mittel, um die vorherrschende, durch gutachterliche Untersuchung nachgewiesene Parkplatzknappheit im Stadtteil H. … zu entschärfen. Denn andere Fahrzeuge wie z.B. Wohnmobile oder Wohnanhänger würden regelmäßig zusätzlich zu den ohnehin in einem Haushalt vorhandenen PKW gehalten. Der meist zusätzlich hinzukommende Bedarf für ein gegenüber einem PKW regelmäßig größeres Wohnmobil bzw. Wohnanhänger führe zu einer vermeidbaren Belastung des öffentlichen Verkehrsraums. Für die betroffenen Anwohner seien Ausnahmegenehmigungen zum Parken des Wohnmobils/Hängers etc. vor der eigenen Grundstückszufahrt zum Be- und Entladen für den Urlaub vorgesehen.
12
In absoluten Ausnahmefällen seien unter strengen Voraussetzungen auch Ausnahmegenehmigungen für Anwohner vorgesehen, die einen Nicht-PKW als alleiniges Alltagsfahrzeug nutzten. Weiterhin würden über die städtische S.- und W. GmbH Flächen zum Anmieten angeboten. Nach Ansicht der Beklagten seien damit die Interessen auch dieser Haltergruppe ausreichend berücksichtigt und in die Entscheidungsfindung einbezogen worden. Von einer Enteignung könne daher nicht die Rede sein. Der Kläger habe keinen Rechtsanspruch darauf, sein Fahrzeug im öffentlichen Verkehrsraum in unmittelbarer Nähe seiner Wohnung abzustellen. Grundsätzlich seien nach Art. 47 Abs. 1 BayBO für Bauvorhaben Stellplätze in ausreichender Zahl und Größe sowie Beschaffenheit auf dem Baugrundstück herzustellen. Die Beklagte behandle gleiche Sachverhalte auch nicht ungleich; so sei ein PKW rechtlich etwas anderes als ein Wohnmobil oder Anhänger. Die StVO unterscheide schon deshalb zwischen diesen Fahrzeugtypen. Die verkehrsrechtliche Anordnung bezwecke die Reduzierung der Konflikte zwischen Anwohnern einerseits und Bediensteten und Besuchern des Krankenhauses andererseits. Anhand der Reaktionen auf die Beschilderung habe zudem festgestellt werden können, dass nicht nur Anwohner ihre Wohnmobile dort abgestellt hätten, sondern auch Bedienstete des Krankenhauses damit zur Arbeit führen und dort parkten. Auch Firmenfahrzeuge, die von den Mitarbeitern verschiedener Firmen mit nach Hause genommen wurden, seien reduziert worden. Die Maßnahme habe daher insgesamt zur Schaffung von Parkraum für Anwohner und Bedienstete/Besucher des Krankenhauses geführt. Die Beschränkung des Parkens innerhalb der Halteverbotszone auf PKW und Motorräder sei geeignet, erforderlich und angemessen. Eine zumutbare Härte oder gar eine Diskriminierung liege nicht vor. Der Kläger wohne am Rand der Halteverbotszone und habe in fußläufiger Entfernung Parkmöglichkeiten. Durch die Anbringung der Markierungen sei der gesetzlich zulässige Parkraum definiert worden. Hintergrund sei gewesen, dass durch das wilde Parken im engeren Umkreis um das Krankenhaus eine Durchfahrt für Rettungsfahrzeuge und Müllabfuhr teilweise nicht mehr möglich gewesen sei und Grundstückszufahrten zugeparkt worden seien. Der Parkraum sei durch das Parkraumkonzept also nicht reduziert, sondern nur im gesetzlich zulässigen Rahmen gekennzeichnet worden. Fremde PKW aus anderen Stadtteilen oder Städten dürften auch nicht innerhalb der Markierungen parken. Die Krankenhausmitarbeiter könnten genauso wenig wie die Anwohner gezwungen werden, das Parkhaus in der … Straße zu nutzen. Eine Diskriminierung sei nicht erkennbar.
13
Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zum Parken innerhalb der markierten Flächen sei § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO. Ausnahmegenehmigungen könnten nur in atypischen Fallkonstellationen in Betrag gezogen werden. Ansonsten bestünde die Gefahr, dass die Ausnahme zur Regel und das Ziel der verkehrsrechtlichen Anordnung insgesamt gefährdet werde. Die diesbezüglich geübte Verwaltungspraxis berücksichtige dies. Nach der festgelegten Verwaltungspraxis der Beklagten könne die Ausnahme im Einzelfall erweitert werden, wenn bestimmte Voraussetzungen vorlägen. Ausnahmegenehmigungen kämen grundsätzlich nur für Anwohner aus dem Areal in Frage bzw. für Fahrzeuge, die von Anwohnern zwingend am Wohnort gebraucht würden. Das betreffende Fahrzeug müsse als Alltagsfahrzeug genutzt werden, ein weiteres Fahrzeug dürfe im Haushalt nicht vorhanden sein. Eine Abstellfläche auf Privatgrund dürfe nicht vorhanden sein und auch nicht geschaffen werden können. Würden diese Voraussetzungen erfüllt, werde eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Diese Praxis sei sachgerecht und stelle sich auch nicht als willkürlich dar. Nach den vom Kläger gemachten Angaben wohne er zusammen mit seiner Stiefmutter und seinem Vater in einer Wohnung. Die Eltern verfügten über einen PKW. Damit sei ein weiteres Fahrzeug im Haushalt vorhanden, weshalb nach der geübten Verwaltungspraxis eine Ausnahmegenehmigung nicht in Betracht komme. Es sei vom Kläger auch nicht vorgetragen worden, dass dieses Fahrzeug ihm gar nicht zur Verfügung stünde, sondern vielmehr, dass er dieses Fahrzeug nur in Ausnahmefällen auf Bitte benutzten könne. Einer solchen Absprache bedürfe es aber immer, wenn in einem Haushalt nur ein Fahrzeug vorhanden sei und mehrere Haushaltsmitglieder eine Fahrerlaubnis besäßen und das Fahrzeug verwenden wollten. Würde auf dieses Kriterium verzichtet, entstünde ein Bezugsfall für jeden Haushalt, in dem volljährige Personen lebten. Weiterhin wohne der Kläger im Randbereich der Halteverbotszone und es stünden ihm außerhalb in fußläufiger Entfernung Parkflächen ohne die Beschränkung auf Pkw zur Verfügung. Eine Eingabe, dass eine Gehbehinderung vorliege; oder eine sonstige stichhaltige Begründung, die für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sprechen könnte, sei trotz mehrmaliger Nachfragen nicht geltend gemacht worden. Zudem gebe es auch an dem Anwesen des Klägers zugeordnete Garagen. Der Vater und die Stiefmutter des Klägers verfügten dort an zwei Flurstücken über Teileigentum, d.h. es stünden auch Garagen im Eigentum von Haushaltsmitgliedern tatsächlich zur Verfügung. Dass die Garagen möglicherweise aufgrund der Höhe nicht durch das Wohnmobil genutzt werden könnten und der Kläger auch woanders keinen Stellplatz anmieten wolle, könne nicht zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung der Beklagten führen. Ob ein Parken auf der Hoffläche möglich wäre, könne von der Beklagten nicht beurteilt werden, da die Lage des Teileigentums und auch dessen Nutzung nicht bekannt seien. Eine Diskriminierung durch die Regelung liege nicht vor, da sowohl Anwohner als auch Pendler durch sie in gleichem Maße betroffen seien. Die gewünschte Anwohnerzone mit reservierten Parkplätzen für alle Anwohner sei nicht möglich, weil die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Fast alle Grundstücke in dem Areal verfügten über Abstellflächen und Garagen auf Privatgrund. Die Erteilung einer kostenfreien Ausnahmegenehmigung wie vom Kläger gewünscht, sei in der Gebührenordnung nicht vorgesehen und rechtlich auch nicht möglich.
14
In der Folge wurden zahlreiche Schriftsätze gewechselt, auf deren Inhalt verwiesen wird. Der Kläger trug insbesondere vor, sein Wohnmobil weise ein zulässiges Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 t auf und sei deswegen als PKW einzuordnen.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen. Wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf Protokoll vom 26. Juli 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

16
Die zulässige Klage ist begründet.
17
Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 8. September 2022 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
18
Die Klage ist zulässig.
19
Gegen die verkehrsrechtliche Anordnung vom 8. September 2022 ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alternative 1 VwGO) statthaft. Durch die Anbringung der Zusatzzeichen 1010-58 und 1010-62 StVO, die die Parkberechtigung innerhalb der markierten Flächen im Umfeld des …Krankenhauses im Stadtteil H. … auf PKW und Krafträder beschränkt, hat die Beklagte für den maßgeblichen Bereich eine örtliche Anordnung durch Verkehrszeichen getroffen. Die durch Aufstellen des Verkehrszeichens gemäß § 45 Abs. 2 Satz 4 und Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 StVO bekannt gegebene schriftlich niedergelegte verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 23. Dezember 2021 stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Form der Allgemeinverfügung gemäß Art. 35 Satz 2 BayVwVfG dar (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92 – BVerwGE 92, 32). Hiergegen kann die Anfechtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO erhoben werden.
20
Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte sind gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO grundsätzlich innerhalb eines Monats nach deren Bekanntgabe zu erheben, wenn die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens – wie hier nach Art. 12 Abs. 1 und 2 AGVwGO i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO – nicht erforderlich ist. Da Verkehrszeichen nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehen sind, beträgt die Klagefrist gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr ab dem Zeitpunkt, in dem sich der betreffende Verkehrsteilnehmer der Regelung des Verkehrszeichens erstmals gegenübersieht (st.Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 37/09 – NJW 2011, 246 Rn. 14 ff.). Der Kläger traf als Bewohner der …-Straße in S. … frühestens zum Zeitpunkt der Anbringung der Verkehrszeichen am 29. September 2022 erstmalig auf die Verkehrszeichen und erhob seine am 3. Januar 2023 bei Gericht eingegangene Klage damit fristgerecht.
21
Der Kläger ist auch klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
22
Die streitgegenständliche straßenverkehrsrechtliche Anordnung ist für den Kläger als Verkehrsteilnehmer verbindlich. Er ist Anwohner einer der von der streitgegenständlichen Anoordnung betroffenen Straßen und Halter eines Wohnmobils. Für ihn als Adressaten der belastenden Allgemeinverfügung bedeutet dies die Bejahung der Klagebefugnis, weil zumindest eine Verletzung des Klägers in der ihm als natürliche Person höchstpersönlich zustehenden allgemeinen Freiheitsgewährleistung nach Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.2003 – 3 C 15/03 – NJW 2004, 698). Als Verkehrsteilnehmer kann er die Verletzung seiner Rechte insoweit geltend machen, als die rechtssatzmäßigen Voraussetzungen für die auch ihn treffende Verkehrsbeschränkung nach § 45 StVO nicht gegeben seien. Was die behördliche Ermessensausübung betrifft, kann ein Verkehrsteilnehmer allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Einführung der Verkehrsbeschränkung sprechen, abgewogen werden. Abwägungserheblich sind dabei nur qualifizierte Interessen des Klägers, also solche, die über das Interesse jedes Verkehrsteilnehmers, in seiner Freiheit möglichst wenig beschränkt zu werden, hinausgehen (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92 – juris Rn. 23; VG Koblenz, U.v. 23. 10.2013 – 6 K 569/13.KO – juris Rn. 20).
23
Die Klagebefugnis des Klägers ist auch nicht etwa deshalb ausgeschlossen, weil das auf ihn zugelassene Fahrzeug als PKW einzuordnen wäre und ihn die angefochtene Regelung daher nicht in seinen Rechten verletzen könnte. Denn entgegen der Ansicht des Klägers handelt es sich bei seinem zum Camper umgebauten … … mit dem amtlichen Kennzeichen … … um ein Wohnmobil. Maßgeblich hierfür ist allein die Eintragung in der Zulassungsbescheinigung Teil 1 (§ 11 FZV); im Fall des Klägers ist das Fahrzeug als Wohnmobil zugelassen (Bl. 136ff. der Behördenakte). Anhaltspunkte dafür, dass diese Zulassung fehlerhaft erfolgt sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
24
Unerheblich ist hingegen, dass das Fahrzeug nur ein Gewicht von 2,8 t aufweist. Zwar kommt im Fahrerlaubnisrecht dem Gewicht hinsichtlich der Fahrerlaubnisklassen Bedeutung zu; hierfür kann für das Zulassungsrecht jedoch nichts abgeleitet werden. Wohnmobile sind Kraftfahrzeuge i.S. des § 1 Abs. 2 StVG, sie sind aber weder PKW noch LKW. „Kraftfahrzeuge“ ist ein Überbegriff, der sowohl PKW, LKW als auch Wohnmobile (sowie weitere Fahrzeuge) umfasst. Es trifft zweifelsohne zu, dass in verschiedenen Vorschriften von „Kraftfahrzeugen“ (nicht: PKW) die Rede ist, so z.B. in der vom Kläger genannten Vorschrift des § 12 Abs. 3a StVO. Dies stellt aber gerade eine bewusste Regelung seitens des Gesetzgebers dar, aus der keineswegs abgeleitet werden kann, dass grundsätzlich bei Fahrzeugen nach dem Gewicht oder der Größe zu differenzieren wäre. Dies gilt gerade nur, wenn die entsprechende Vorschrift es vorsieht (vgl. zum Ganzen Scheidler: Das Wohnmobil aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht, SVR 215, 411). Auch aus der vom Kläger vorgelegten Rechtsprechung zum Recht der Ordnungswidrigkeiten kann kein anderer Schluss gezogen werden, da diese das hier maßgebliche Zulassungsrecht nicht betrifft. Der Kläger ist somit als Halter eines Wohnmobils klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
2.
25
Die zulässige Klage ist auch begründet.
26
Die streitgegenständliche durch Verkehrszeichen bekannt gegebene verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 8. September 2022 ist rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
27
Maßgeblich für die Beurteilung ist dabei aufgrund des Charakters der Verkehrsregelung als Dauerverwaltungsakt die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2010 – 3 C 32/09 – juris Rn. 17).
28
Zwar bestehen keine formellen Bedenken gegen die Anordnung, es fehlt ihr jedoch in materieller Hinsicht die erforderliche Rechtsgrundlage. Der neben der Generalklausel des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO allein in Betracht kommende § 45 Abs. 1b Satz 1 Nr. 5 2. Alternative StVO ist nicht einschlägig, da nichts dafür ersichtlich ist, dass die hier allein streitgegenständliche Anordnung der Beschränkung des Parkens auf PKW und Krafträder einer geordneten städtebaulichen Entwicklung dienen soll; anders mag es sich gegebenenfalls mit der Einrichtung einer Halteverbotszone und weiteren verkehrsrechtlichen Anordnungen, die im Zeitraum von September bis Dezember 2021 aufgrund des am 20. Oktober 2020 beschlossenen Parkraumbewirtschaftskonzeptes verhalten. Diese sind hier jedoch nicht Streitgegenstand.
29
Als maßgebliche Rechtsgrundlage für die getroffene Anordnung kommt damit allein § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO i.V.m. § 45 Abs. 9 StVO in Betracht.
30
Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.
31
Ob die in Absatz 1 genannten Gründe vorliegen, unterliegt in vollem Umfang verwaltungsgerichtlicher Nachprüfung (vgl. König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 Rn. 28d).
32
Gründe der Verkehrssicherheit rechtfertigen verkehrsregelnde Maßnahmen, mit denen Gefahren für den Straßenverkehr entgegengewirkt werden soll. Dafür bedarf es nicht des Nachweises, dass sich ein Schadensfall bereits realisiert hat; es genügt vielmehr, dass irgendwann in überschaubarer Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Schadensfälle eintreten können. Dies beurteilt sich danach, ob die konkrete Situation an einer bestimmten Stelle oder Strecke einer Straße die Befürchtung nahelegt, dass die zu bekämpfende Gefahrenlage eintritt; die Annahme einer die Anordnung nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO rechtfertigenden konkreten Gefahr ist mithin nicht ausgeschlossen, wenn zu bestimmten Zeiten der Eintritt eines Schadens unwahrscheinlich sein mag (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1979 – 7 C 46.78 – juris, Rn. 18; OVG NW, B.v. 1.2.2023 – 8 A 3251/21 – juris, Rn. 5, und vom 28.3.2018 – 8 A 1247/16 – juris, Rn. 9 f.).
33
Hierfür ist nichts ersichtlich. Ausweislich der Begründung der verkehrsrechtlichen Anordnung (Bl. 121, 122 der Behördenakte) wurde in (mehreren) Ortsbegehungen festgestellt, dass viele Wohnmobile, Anhänger, Wohnwagen etc. in dem Areal dauerhaft abgestellt werden und damit den dringend benötigten Parkraum dauerhaft blockieren. Um dem hohen Parkdruck entgegenzuwirken, werde in der gesamten Zone nur noch das Parken von Personenkraftwagen und Krafträdern zugelassen.
34
Grund der Anordnung sind damit – ausgehend von Anwohnerbeschwerden – (vgl. S. 107 der Behördenakte) nicht etwaige Gefahren für den Straßenverkehr, sondern allein die Tatsache, dass Wohnmobile und Wohnanhänger viel Parkraum benötigen und diesen oft über lange Zeiträume in Anspruch nehmen. Aspekten wie ein Versperren der Sicht an unübersichtlichen Stellen wurde bereits mit der (hier nicht streitgegenständlichen) Regelung des Parkens innerhalb der gekennzeichneten Flächen Rechnung getragen.
35
Zudem ist aus der vorgelegten Behördenakte nicht ersichtlich und konnte auch in der mündlichen Verhandlung nicht näher aufgeklärt werden, an welchen Stellen die beanstandeten Fahrzeuge abgestellt sind bzw. um wie viele es sich handelt, so dass hieraus auch nicht der Schluss gezogen werden kann, es werde an einer bestimmten Stelle (welche?) oder gar innerhalb des gesamten überplanten Areals mit hinreichender Sicherheit zu Schadensfällen kommen. Aus der (unbestrittenen) Tatsache, dass Parkraum knapp ist, kann eine solche Gefahrensituation jedenfalls nicht abgeleitet werden.
36
Zwar können auch aus Gründen der Ordnung des Verkehrs verkehrsregelnde Maßnahmen bei erheblichen Störungen der Flüssigkeit und der Leichtigkeit des Verkehrs getroffen werden. Nur wenn die besonderen örtlichen Verhältnisse zu einer Steigerung des allgemeinen Risikos einer Beeinträchtigung führen, sind Verbote oder Beschränkungen zulässig.
37
Das Vorliegen solcher Gründe konnte von der Kammer jedoch nicht festgestellt werden. Hier gilt das bereits oben Gesagte: Da keine näheren Angaben zu Anzahl und Abstellort insbesondere von Wohnwägen und Wohnanhängern vorliegen, ist auch nicht nachvollziehbar, dass diese Fahrzeuge erhebliche Störungen der Flüssigkeit und Leichtigkeit des Verkehrs verursachen sollen. Die Tatsache, dass (auch solche) Fahrzeuge gegebenenfalls so geparkt wurden, dass ein Durchkommen für Rettungsfahrzeuge oder andere Fahrzeuge erschwert wurde, wurde bereits durch die Beschränkung des Parkens innerhalb der markierten Flächen, welche bereits Ende des Jahres 2021 angeordnet wurde, begegnet. Anhaltspunkte dafür, dass (geparkte) Fahrzeuge auch im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt zu erheblichen Störungen der Flüssigkeit und der Leichtigkeit des Verkehrs führen, sind jedenfalls nicht ersichtlich.
38
Nach Überzeugung der Kammer sind damit bereits die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht erfüllt.
39
Darüber hinaus sind auch die Anforderungen nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nicht gewahrt.
40
Gemäß § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dort anzuordnen, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Aus Wortlaut und Systematik der Vorschriften ergibt sich, dass § 45 Abs. 9 StVO die allgemeine Ermächtigungsgrundlage des § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO modifiziert und konkretisiert. Nach der Begründung zu dieser Vorschrift sollen die zuständigen Behörden bei der Anordnung von Verkehrszeichen restriktiv verfahren und stets nach pflichtgemäßem Ermessen prüfen, ob die vorgesehene Regelung durch Verkehrszeichen deshalb zwingend erforderlich ist, weil die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Verordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (BR-Drs. 374/97, S. 8; vgl. BVerwG, B.v. 1.9.2017 – 3 B 50/16 – NVwZ-RR 2018, 12 Rn. 6; BayVGH, B.v. 25.7.2011 – 11 B 11.921 – juris). Die Anordnung zur Gefahrenabwehr muss die unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme sein, wohingegen es an den Voraussetzungen fehlt, wenn die allgemeinen und besonderen Verkehrsregeln der StVO mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsverlauf gewährleisten (König, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 47. Auflage 2023, § 45 Rn. 49c).
41
Auch hieran fehlt es vorliegend. Zum einen ist auf die (allgemeine) Regelung des § 12 Abs. 3b Satz 1 StVO hinzuweisen, nach der mit Kraftfahrzeuganhängern ohne Zugfahrzeug nicht länger als zwei Wochen geparkt werden darf. Diese Vorschrift gilt für die Wohn- und Werbeanhänger, die zumindest einen Teil der beanstandeten Fahrzeuge darstellen (vgl. Bl. 107 der Behördenakte: „Punkt 1 – Ausschluss von Anhängern und Wohnmobilen“), so dass schon unter diesem Gesichtspunkt die zwingende Erforderlichkeit der Anordnung, die gerade (auch) die „Verbannung“ solcher Anhänger zum Ziel hat, fraglich ist.
42
Aus der eben genannten Beschlussvorlage vom 26. Juli 2022 geht zudem hervor, dass in nahezu allen Ortsterminen „mehr oder weniger“ deutliche Kritik an den im Gebiet abgestellten Anhängern und Wohnmobilen geäußert worden sei. Dies deutet dann aber gleichzeitig darauf hin, dass nicht das ganze Gebiet betroffen ist bzw. die Problematik zumindest nicht in allen Straßen des Areals gleichermaßen besteht, so dass sich allein unter diesem Gesichtspunkt die Ausdehnung der Anordnung auf das gesamte Gebiet als nicht zwingend erweist. Letztendlich fehlt auch hier jegliches konkrete Zahlen- und Datenmaterial. Zwar wurde vom Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass bei Einführung der Parkverbotszone ungefähr 400 Halter von „nicht mehr zulässigen“ Fahrzeugen angeschrieben worden seien. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass all diese Fahrzeuge nunmehr öffentlichen Parkraum in Anspruch nehmen, nachdem nach Aktenlage auf zahlreichen Privatgrundstücken Parkmöglichkeiten bestehen (vgl. z.B. Parkraum-Gutachten, S. 47 der Behördenakte).
43
Eine zwingende Erforderlichkeit der angefochtenen Anordnung im Sinne des § 45 Abs. 9 StVO liegt somit nicht vor.
44
Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 8. September 2022 erweist sich damit mangels Rechtsgrundlage als rechtswidrig und war dementsprechend aufzuheben.
45
Da die Klage schon im Hauptantrag Erfolg hat, war über den Hilfsantrag nicht mehr zu entscheiden.
46
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.