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OLG München, Hinweisbeschluss v. 19.06.2023 – 28 U 1119/23 Bau
Titel:

Anspruch auf Bauhandwerkersicherung auch noch nach Kündigung durch den Unternehmer; Zulässigkeit eines Teilurteils

Normenketten:
BGB § 631 Abs. 1, § 650f Abs. 1, Abs. 5, § 650q
ZPO § 301
Leitsätze:
1. Über eine Klage auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung kann durch Teilurteil entschieden werden, auch wenn der Besteller im Wege der Widerklage Mängelansprüche geltend macht, deren Volumen das Sicherungsbegehren erheblich übersteigt. (Rn. 10 – 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch auf Stellung einer Sicherheit für den Vergütungsanspruch des Unternehmers geht auch dann nicht unter, wenn der Unternehmer den Vertrag wegen nicht geleisteter Sicherheit kündigt. (Rn. 15 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergütung, Architekt, Sicherheit, Teilurteil, Bauhandwerkersicherung, Kündigung, wichtiger Grund, Sicherungsverlangen, Widerklage, Sicherungsinteresse
Vorinstanz:
LG München I, Teilurteil vom 28.02.2023 – 24 O 7467/22
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 03.08.2023 – 28 U 1119/23 Bau
BGH Karlsruhe vom -- – VII ZR 158/23
Fundstellen:
ZfIR 2024, 46
BeckRS 2023, 21260
LSK 2023, 21260

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 28.02.2023, Az. 24 O 7467/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Tatbestand

I. Urteil des Landgerichts
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Die Parteien streiten über die Gewährung einer Sicherheit nach § 650f BGB.
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Das Landgericht hat im Wege des Teilurteils die Beklagte verurteilt, der Klägerin für Vergütungsansprüche Sicherheit zu leisten, für Ansprüche aus einem Architektenvertrag für das Bauvorhaben … eine Sicherheit in Höhe von 95.000 € und für Vergütungsansprüche aus dem Architektenvertrag … eine weitere Sicherheit in Höhe von 80.000 €.
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Beide Architektenverträge wurden am 21.12.2018 geschlossen, mit Schreiben vom 30.3.2022 hatte die Klägerin für offene Zahlungsansprüche Sicherheit nach § 650f BGB verlangt. Es wurde eine Frist für die Erbringung der Sicherheit bis zum 12.4.2022 gesetzt. Das Sicherheitsverlangen wurde durch die Beklagten zurückgewiesen am 14.4.2022, am 19.4.2022 kündigte die Klägerin wegen verweigerter Stellung einer Sicherheit beide Architektenverträge und wies darauf hin, dass weiterhin die Sicherheit trotz Kündigung verlangt werde.
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Im Übrigen wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
II. Berufung der Beklagten
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Die Berufung der Beklagten rügt zunächst die Entscheidung durch Teilurteil. Es bestehe die Gefahr widersprechender Entscheidungen, außerdem sei auch hier zu berücksichtigen, dass es sich eben um eine Unternehmerkündigung handelt. Auch sei der Klageantrag zu unbestimmt.
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Ferner habe das Landgericht nicht dem Umstand ausreichend Rechnung getragen, dass es sich hier um eine Kündigung der Klägerin gehandelt habe, da deswegen das Sicherheitsbedürfnis entfalle. Ein Anspruch auf Sicherheitsleistung bestehe nicht, wenn es sich um eine Kündigung durch den Unternehmer handele. Die Klägerin habe im Übrigen ihren Sicherheitsanspruch fehlerhaft berechnet, die Vergütung sei jedenfalls nicht schlüssig dargelegt.
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Mit der Widerklage macht die Beklagte Mangelansprüche gegen die Klägerin geltend.
III. Gegenwärtige Einschätzung des Senats
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Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen und in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug. Die Berufungsbegründung vom 2.6.2023, Bl. 10 der Berufungsakten vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, aus folgenden Gründen:
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1. Das Landgericht konnte hier durch Teilurteil entscheiden, § 301 Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Ein Teilurteil über die Klage kann ergehen, wenn diese zur Endentscheidung reif und von der Entscheidung über die Widerklage unabhängig ist. Eine Gefahr widersprechender Entscheidungen besteht bei der Entscheidung über die Sicherheit im Verhältnis zu geltend gemachten Mängelansprüchen nicht. Der Gesetzgeber wollte mit der Vorschrift des § 650f BGB dem Unternehmer die Möglichkeit eröffnen, möglichst schnell und effektiv vom Besteller Sicherheit für den Fall zu erhalten, dass dieser ihn nicht bezahlt (vgl. BGH Urteil v. 20.5.2021, VII ZR 14/20, Rn. 23). Ein Teilurteil über eine (Wider)-klage, mit der ein Anspruch auf Sicherheitsleistung gem. § 648 a BGB aF geltend gemacht wird, ist nicht deshalb unzulässig, weil die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen in Bezug auf den Gegenstand der Klage besteht. Zur Erreichung des Gesetzeszwecks ist wegen der Eilbedürftigkeit des Sicherungsanspruchs ein Ausnahmefall von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anzunehmen, der es rechtfertigt, einen etwaigen Widerspruch zwischen Teilurteil und Endurteil hinzunehmen (BGH a.a.O.)
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Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Mit der Klage hat die Klägerin einen Anspruch auf Sicherheit geltend gemacht. Gegen diesen Anspruch bringt die Beklagte im Wege der Widerklage Mängelansprüche vor, deren Volumen das Sicherungsbegehren erheblich übersteigt, vor. Das Risiko widersprechender Entscheidung besteht bereits deswegen nicht, weil der Gegenstand der Klage lediglich die Sicherheit für vertraglich vereinbarte Vergütungsansprüche ist, nicht aber die Entscheidung über den tatsächlichen Vergütungsanspruch und damit dessen Erfüllung darstellt. Eine abschließende Entscheidung über die Höhe des Vergütungsanspruchs wird nicht getroffen. Vielmehr wird mit dem Teilurteil eine vorläufige Absicherung der Klägerin in Bezug auf ihren Vergütungsanspruch bewirkt. Zudem ist der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu entnehmen, dass die zügige Absicherung des Unternehmers entscheidendes Ziel des § 650f BGB ist. Das berechtigte Anliegen der Beklagten, die behauptete Mangelhaftigkeit der Werkleistung bei der abschließenden Ermittlung des Vergütungsanspruchs berücksichtigt zu wissen, hat im Verhältnis zum Sicherungsanspruch zurückzutreten und muss im Zweifel gesondert entschieden werden.
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2. Der Klageantrag und dem folgend der Tenor des Ersturteils ist ausreichend bestimmt und folgt den gesetzlichen Anforderungen, §§ 253 Abs. 2 ZPO, 650f BGB. Der Klageantrag muss darauf gerichtet sein, dass der Besteller zu einem genau zu bezeichnenden Bauvertrag eine Sicherheit gemäß § 650f BGB iVm §§ 232 ff. BGB in einer präzise angegebenen Höhe zu stellen hat (vgl. OLG Köln, Urt. v. 17.6.2020 – 11 U 186/19; vgl. auch die Tenorierung in BGH, Urt. v. 6.3.2014 – VII ZR 349/12). Der Klageantrag ist im vorliegenden Fall beziffert und bezeichnet zudem den Vertrag, aus dem sich der zu sichernde Vergütungsanspruch herleitet. Gleichzeitig wird – wie gesetzlich vorgegeben – die Wahl des Sicherungsmittels in das Ermessen des Bestellers, also der Beklagten gegeben.
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3. Der Berechtigung des Sicherungsverlangens der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Klägerin die in Frage stehenden Architektenverträge nach Fristablauf in Bezug auf die begehrte Sicherheitsleistung gekündigt hat. Folge der Nichterfüllung eines berechtigten Sicherungsverlangens ist gem. § 650f Abs. 5 S. 1 BGB ein Kündigungsrecht in Bezug auf den geschlossenen Werkvertrag. Dabei handelt es sich um einen Sonderfall einer Kündigung aus wichtigem Grund, die Kündigung beendet den Vertrag mit ex-nunc Wirkung (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 29.5.2023, Rn. 182). Folge ist auch ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 650f Abs. 5 S. 2 BGB für den gekündigten Teil des Vertrages.
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a) Die Klägerin durfte Sicherheit gemäß § 650 f BGB verlangen. Zwischen den Parteien wurden zwei Architektenverträge abgeschlossen. Die Klägerin ist sicherungsberechtigt, die Beklagte zur Sicherung verpflichtet gemäß §§ 650 f, 650q Abs. 1 BGB. Gesichert sind Vergütungsansprüche und Ansprüche, die anstelle von Vergütungsansprüche treten. Anhaltspunkte für ein treuwidriges Sicherungsverlangen ergeben sich nach Auffassung des Senats nicht.
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b) Durch die Kündigung des Vertrages nach § 650f Abs. 5 S. 2 BGB erlischt der Anspruch auf Sicherheitsleistung nicht. Die Kündigung des Vertrags beschränkt den Umfang der vom Auftragnehmer geschuldeten Werkleistung auf den bis zur Kündigung erbrachten Teil und seinen Vergütungsanspruch auf diesen Leistungsteil der ursprünglich geschuldeten Leistung (BGH, Urteil v. 19.12.2002, VII ZR 103/00).
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Die Kündigung teilt den Vertrag in zwei Vertragsteile auf, für die bereits erbrachten Leistungen besteht weiterhin ein Vergütungsanspruch nach §§ 650q, 631 BGB, für die Ansprüche nach Kündigung in Bezug auf nicht erbrachte Leistungen orientiert sich der Vergütungsanspruch an §§ 650q, 650f Abs. 5 S. 2 BGB. Eine Vorleistungspflicht des Auftragnehmers ist nicht Voraussetzung für einen Anspruch auf Sicherheit nach § 650f BGB.
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aa) Bis zur Gesetzesänderung vom 1.1.2009 konnte das Sicherungsinteresse entfallen, wenn feststand, dass die abzusichernde Leistung nicht mehr erbracht werden würde (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 29.5.2023, Rn. 101). Seit der Rechtsänderung vom 1.1.2009 ist dies nicht Voraussetzung, so dass auch im Fall der Kündigung des Vertrages das Sicherungsbedürfnis der Klägerin nicht entfällt.
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bb) Auch nach einer Kündigung des Bauvertrags kann der Unternehmer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB a.F (jetzt § 650f BGB) verlangen (BGH Urteil v. 6.3.2014, VII ZR 349/12). Zwar ist der Berufung insoweit zuzugeben, dass in dieser Entscheidung der Fall anders gelagert war, da der BGH ein Sicherungsinteresse im Falle einer Bestellerkündigung und nicht für den Fall der Unternehmerkündigung bejahte.
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cc) Die Berechtigung, weiterhin Sicherheit zu verlangen, auch wenn der Vertrag gekündigt ist, ergibt sich aus § 650f Abs. 1 BGB, wie das Landgericht zutreffend feststellt. Ein Anspruch auf Leistung einer Sicherheit ist im Vertrag als verhaltener Anspruch angelegt und wird mit dem Verlangen der Sicherheit fällig (BGH Urteil v. 25.3.2021, VII ZR 94/20). Seine Geltendmachung steht – wie der Wortlaut der Vorschrift zeigt – im Belieben des Unternehmers. Dieser kann eine Sicherheit für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte noch nicht gezahlte Vergütung (§ 648 a Abs. 1 S. 1 BGB aF) oder an deren Stelle tretende Ansprüche (§ 648 a Abs. 1 S. 2 BGB aF) bis zum Wegfall seines Sicherungsbedürfnisses (vgl. BGH Urteil v. 6.3.2014, VII ZR 349/12) grundsätzlich jederzeit und unabhängig von einer etwaig erfolgten Abnahme seiner Leistungen oder bestehenden (Nach-)Erfüllungsansprüchen des Bestellers verlangen (vgl. BGH a.a.O).
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dd) Der Anspruch erlischt auch nicht durch die Kündigung des Unternehmers, da dies nicht eine Wirkung der Kündigung ist.
21
Aus dem Gesetzeswortlaut des § 650f Abs. 5 BGB lässt sich eine solche Folge nicht entnehmen. Hier werden, wie auch im § 648 BGB die Auswirkungen der Kündigung auf den Vergütungsanspruch beschrieben. Auch würde dies dem Gesetzeszweck vollständig zuwiderlaufen. Das Recht und die Möglichkeit auf eine unterbliebene Sicherheitsleistung durch den Besteller zu reagieren, würde ausgehöhlt, wenn als Konsequenz der Unternehmerkündigung, die der Gesetzgeber ausdrücklich als Reaktionsmöglichkeit neben dem Leistungsverweigerungsrecht vorsieht, der Sicherungsanspruch entfiele. Ein Unternehmer würde auf diese Weise von der Ausübung des Kündigungsrechts abgehalten.
22
c) Der Anspruch der Kläger ist schlüssig vorgetragen. Das Gesetz gewährt dem Unternehmer einen Anspruch in Höhe der vereinbarten und noch nicht gezahlten Vergütung. Begehrt der Unternehmer eine Sicherheit für die vereinbarte Vergütung, muss er diese schlüssig darlegen. Das gilt auch für die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung. Auch diese ergibt sich aus der dem Vertrag zu Grunde liegenden Vereinbarung und ist deshalb die vereinbarte Vergütung iSd § 648 a Abs. 1 BGB (BGH Urteil v. 6.3.2014, VII ZR 349/12).
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Diesen Anforderungen wird die Klage der Kläger nach Maßgabe der Einschränkungen, die durch das Landgericht zutreffend vorgenommen wurden, gerecht. Nachvollziehbar hat das Landgericht die Stundenhonorarforderungen herausgenommen. Im übrigen kann die Höhe der Vergütungsforderung der vorgelegten Schlussrechnung plausibel entnommen werden. Die vom Unternehmer im Hinblick auf eine Sicherheitenklage u. U. beschleunigt zu erstellende Schlussrechnung ist eine taugliche Grundlage für die Feststellung der abzusichernden Forderung, sofern darin der Unternehmer den von ihm beanspruchten Vergütungsanspruch als Grundlage seines Sicherungsverlangens schlüssig abrechnet (vgl. Kniffka/Jurgeleit/Schmitz, ibr-online Kommentar Bauvertragsrecht, Stand 29.5.2023, Rn. 73).
24
d) Mit Einwendungen gegen die Höhe des Sicherungsanspruchs wird die Beklagte nicht gehört. Ohne Einfluss auf die Höhe der Sicherheit ist der Umstand, dass – wie durch die Beklagte zum Ausdruck gebracht – der Unternehmer ggf. die Leistung nicht vertragsgemäß oder mangelhaft erbracht hat, § 650f Abs. 1 S. 3 BGB.
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Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil, § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht die Rücknahme der Berufung nahe.
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 04.7.2023.