Inhalt

VGH München, Urteil v. 31.07.2023 – 15 N 22.2509
Titel:

Erfolgloser Normenkontrollantrag gegen den Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan GE "Prombach IV"

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3
Leitsätze:
1. Zwar kann eine planbedingte Zunahme von Verkehrslärm abwägungserheblich sein, wenn diese über der Bagatellgrenze liegt. Der Vortrag der Antragstellerin zu einer Lärmbelastung aufgrund der Verkehrsführung durch das Dorf ist jedoch weder nachvollziehbar noch für den Antragsgegner erkennbar, zumal seitens der Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren insoweit auch keine Einwendungen erhoben wurden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die bloße Behauptung, rechtliche Vorgaben für den Biobetrieb könnten nicht mehr erfüllt werden und einem professionellen Planungsbüro müsse bewusst sein, dass die gewählten Festsetzungen zu einer direkten Existenzbedrohung des nachbarlichen Bauernhofs führten, genügt nicht. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle, Bebauungsplan, Antragsbefugnis, Bio-Streuobst-Betrieb, Existenzgefährdung, keine Antragsbefugnis, Verkehrslärm, keine Existenzbedrohung eines landwirtschaftlichen Biobetriebes
Fundstelle:
BeckRS 2023, 20770

Tenor

I.    Der Normenkontrollantrag wird abgelehnt.
II.    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den Bebauungsplan mit integriertem Grünordnungsplan GE „Prombach IV“ des Antragsgegners, bekannt gemacht am 2. Dezember 2021.
2
In der Verbandsversammlung vom 21. April 2020 beschloss der Antragsgegner, ein Zweckverband der Märkte Perlesreut und Röhrnbach für den interkommunalen Gewerbepark Prombach, die Aufstellung des Bebauungsplans GE „Prombach IV“. Ziel der Planung ist die Erweiterung des bestehenden Gewerbegebiets Prombach, um die Ansiedelung von Gewerbebetrieben zu ermöglichen.
3
Das Plangebiet liegt nördlich des Ortsteils Prombach im Gebiet des Marktes Perlesreut; unmittelbar östlich schließt das Gemeindegebiet des Marktes Röhrnbach an. Südlich und östlich des in mehreren Bauabschnitten eingeteilten Gewerbeparks verläuft die S3. straße FRG 1. Die Abschnitte I bis III sind bereits umgesetzt. Der Planbereich IV befindet sich nördlich des Abschnitts III und ist im Flächennutzungsplan als Gewerbefläche dargestellt. Im Westen grenzt ein Umspannwerk an, das sich nicht in einem beplanten Bereich befindet. Nordwestlich des Plangebiets befindet sich auf dem Grundstück FlNr. … Gemarkung P* … der bio-zertifizierte landwirtschaftliche Betrieb der Antragstellerin mit Streuobstanbau.
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Die Träger öffentlicher Belange sowie die Öffentlichkeit wurden frühzeitig im Zeitraum 27. Oktober 2020 bis 27. November 2020 sowie im Zeitraum 30. März 2021 bis 30. April 2021 und 10. August 2021 bis 10. September 2021 beteiligt. Mit Schriftsatz vom 9. September 2021 erhob die Antragstellerin Einwendungen bezüglich Lärmimmissionen, der Luftreinhaltung sowie der Dämpfung von Lichtverschmutzung.
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Am 23. September 2023 beschloss der Antragsgegner über die eingegangenen Stellungnahmen und fasste den Satzungsbeschluss. Hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung wurde ein Gewerbegebiet festgesetzt. Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter, Einzelhandel, Vergnügungsstätten und Tankstellen wurden ausgeschlossen. Der Bebauungsplan wurde am 2. Dezember 2021 ausgefertigt und am selben Tag durch Aushang an den Amtstafeln der Mitgliedsgemeinden bekannt gemacht.
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Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 übermittelte die Antragstellerin dem Antragsgegner ein Rügeschreiben per Telefax und erhob Normenkontrollantrag, den sie mit Schriftsätzen vom 30. Dezember 2022, vom 21. Februar 2023 und vom 9. Mai 2023 begründete. Sie macht eine Existenzbedrohung ihres landwirtschaftlichen Betriebes geltend, da ihr Betrieb aufgrund seiner Bio- und Demeter-Zertifizierung auf maximale Naturnähe ausgerichtet sei. Da sich ein Abfallverarbeitungsbetrieb im Plangebiet ansiedle, sei ihren Kunden diese maximale Naturnähe nicht mehr zu vermitteln. Zudem seien ihre für die Bestäubung der Obstbäume nötigen Bienenvölker einem Seuchenrisiko ausgesetzt und beeinträchtigt, da die EU-Öko-Verordnung erfordere, dass sich die Standorte der Bienenstöcke in ausreichender Entfernung von Verschmutzungsquellen befinden. Der Bebauungsplan verstoße gegen das Anpassungsgebot, da die Festsetzung einer Gewerbefläche nicht den Vorgaben des Regionalplans entspreche und sich nicht organisch einfüge. Die Planung leide an Abwägungsfehlern, da kein verhältnismäßiger Interessenausgleich gegenüber ihrem Betrieb erfolgt sei und eine Existenzgefährdung ihres Betriebes nicht gewürdigt worden sei. Der Bund Naturschutz und der Bayerische Bauernverband hätten inzwischen in Kenntnis der geplanten Ansiedelung eines Abfallverarbeitungsbetriebes ihre Stellungnahmen geändert; alle Beteiligten seien davon ausgegangen, dass sich die Struktur im Gebiet Prombach IV gegenüber Prombach I bis III nicht ändere. Die Planung enthalte keinerlei Einschränkungen, um die Existenz des Bio-Streuobsthofes, dessen Situation aus den Erweiterungsplanungen Prombach V und VI hinreichend bekannt sei, zu gewährleisten. Es habe die Erwartung bestanden, dass sich die Struktur der vorhandenen Gewerbegebiete in Prombach IV nicht ändern werde. Beim Straßenlärm bestehe ein Abwägungsausfall, da nicht erwähnt werde, dass eine Zu- und Abfahrtsmöglichkeit über die Gemeindestraße durch das Dorf Prombach führe. Die hierdurch erhebliche Lärmbelästigung betreffe auch den landwirtschaftlichen Betrieb der Antragstellerin. Schließlich werde das Szenario „Brand“ nicht konsequent und nicht umfassend betrachtet. Ein Brandereignis einer geplanten Abfallbehandlungsanlage im Gewerbegebiet Prombach IV würde die Existenz ihres Bio-Streuobsthofes gefährden; Brandvorbeugevorgaben zur Minimierung von Brandlasten seien in der Planung nicht getroffen worden. Fraglich sei auch, ob die Löschwassermenge bei Übergreifen eines Feuers auf andere Gewerbebetriebe ausreichend sei.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den Bebauungsplan im integriertem Grünordnungsplan GE „Prombach IV“ des Antragsgegners, bekannt gemacht am 2. Dezember 2021, für unwirksam zu erklären.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Eine Existenzbedrohung und eine Beeinträchtigung der Bienenvölker werde nicht substantiiert dargelegt, da der Bebauungsplan keinen Vorhabenbezug zu einem Abfallverarbeitungsbetrieb habe. Woraus die Antragstellerin eine Lärmbeeinträchtigung ihrer Betriebsstätte durch eine unterstellte Nutzung der Ortsdurchfahrt von Prombach durch Quellverkehre ableitet, bleibe unklar. Auch fehlende Brandlastvorgaben hätten keinen Bezug zur Planung.
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Der Bebauungsplan sei aber jedenfalls fehlerfrei. Das Anpassungsgebot sei nicht verletzt. Die beteiligten Fachstellen hätten insoweit keine Bedenken geäußert; das Plangebiet sei unmittelbar an bestehende Gewerbegebietsflächen angebunden. Abwägungsfehler lägen nicht vor, da alle vorgetragenen und erkannten Belange erfasst, bewertet und abgewogen worden seien. Im Verfahren habe allein das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Regen auf den Biobetrieb der Antragstellerin hingewiesen, seine Einwendungen aber im weiteren Verlauf nicht wiederholt. Die Antragstellerin selbst habe zu keinem Zeitpunkt auf eine mögliche Existenzgefährdung ihres Betriebes hingewiesen. Die Behauptung entbehre zudem jeglicher Substanz, da der Betrieb bereits im Nahbereich dreier rechtskräftig festgesetzter und aktiv genutzter Gewerbegebiete liege. Die Gewerbegebiete Prombach I bis III wiesen identische Festsetzungsinhalte auf. Nachträgliche Absichtsbekundungen eines Grundstückseigentümers betreffend die Bebauung nach Inkrafttreten des Bebauungsplans seien für die Abwägung nicht relevant. Die geltend gemachten Brandvorbeugevorgaben stünden in keinerlei Zusammenhang mit der Planung.
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Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat sich nicht am Verfahren beteiligt.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Planaufstellungsakten des Antragsgegners verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag, über den mit Einverständnis sämtlicher Beteiligter ohne mündliche Verhandlung entschieden wird (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Der Antragstellerin fehlt bereits die Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist die antragstellende Person – wie hier – nicht Eigentümer eines Grundstücks im Plangebiet, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung ihrer privaten Belange gemäß § 1 Abs. 7 BauGB folgen. Das dort normierte bauplanungsrechtliche Abwägungsgebot gewährt ein subjektives Recht. Der Betroffene kann verlangen, dass seine eigenen Belange in der Abwägung entsprechend ihrem Gewicht „abgearbeitet“ werden. Ein Antragsteller kann sich daher im Normenkontrollverfahren darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6).
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Der Antragsteller muss dabei hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in seinen Rechten verletzt wird. Sind keine oder nur nicht abwägungserhebliche Interessen des Antragstellers betroffen, scheidet eine Verletzung des Rechts auf fehlerfreie Abwägung von vorneherein aus. Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es grundsätzlich auf die Darlegungen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren an. Enthalten sie keine Tatsachen, die die Missachtung eines abwägungserheblichen Belangs als möglich erscheinen lassen, ist die Antragsbefugnis zu verneinen. Die bloße verbale Behauptung einer theoretischen Rechtsverletzung genügt im Einzelfall dann nicht zur Geltendmachung einer Rechtsverletzung i.S.v. § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wenn diese Behauptung nur vorgeschoben erscheint, das tatsächliche Vorliegen einer Rechtsverletzung aber offensichtlich ausscheidet (BayVGH, B.v. 30.6.2021 -15 N 20.2050 – juris Rn. 21).
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Abwägungserheblich sind nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An Letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2015 – 4 CN 5.14 – juris Rn. 14; B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 15.5.2023 – 15 N 22.1592 – juris Rn. 16 f.). Gemessen hieran fehlt der Antragstellerin die Antragsbefugnis.
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1. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die Zu- und Abfahrtsmöglichkeit über die Gemeindestraße, die direkt durch das Dorf Prombach führt und durch die auch der landwirtschaftliche Betrieb der Antragstellerin betroffen werde, hätte in die Abwägung eingebracht werden müssen, ergibt sich hieraus keine Antragsbefugnis.
20
Zwar kann eine planbedingte Zunahme von Verkehrslärm abwägungserheblich sein, wenn diese über der Bagatellgrenze liegt (vgl. BVerwG, B.v. 11.8.2015 – 4 BN 12.15 – juris Rn. 6; B.v. 1.7.2020 – 4 BN 49.19 – juris Rn. 8). Die Betriebsstätte der Antragstellerin ist allerdings über 500 m von der Ortseinfahrt des Dorfes Prombach entfernt. Hinzu kommt, dass das Dorf Prombach südwestlich des vorhandenen und geplanten Gewerbegebiets liegt, während sich die Betriebsstätte der Antragstellerin nordwestlich des Gewerbegebiets befindet. Die Kreisstraße FRG 1 verläuft in einem Bogen südlich um das Gewerbegebiet und führt weiter östlich über das Dorf Auggenthal in weniger als 2 km zu einem unmittelbaren Anschluss an die Bundesstraße B 12. Der Vortrag der Antragstellerin zu einer Lärmbelastung aufgrund der Verkehrsführung durch das Dorf Prombach ist insoweit weder nachvollziehbar noch für den Antragsgegner erkennbar, zumal seitens der Antragstellerin im Planaufstellungsverfahren insoweit auch keine Einwendungen erhoben wurden.
21
Die im Einwendungsschreiben der Antragstellerin vom 9. September 2021 geltend gemachte „Einhaltung der TA Lärm“ bezieht sich zum einen nicht auf den Verkehrslärm und begründet ihrerseits auch keine Antragsbefugnis im Hinblick auf Gewerbelärm. Denn der Einwand wurde im Normenkontrollverfahren weder wiederholt, noch ist ersichtlich oder geltend gemacht, dass im Hinblick auf die Antragstellerin Immissionswerte nicht eingehalten würden oder werden könnten.
22
Auch die angemahnten Vorgaben zur Dämpfung der Lichtverschmutzung zeigen keinen subjektiv-rechtlichen Bezug auf, da die Antragstellerin im Schreiben vom 9. September 2021 selbst ausschließlich auf die Abmilderung entsprechender Auswirkungen i.S.d. Bundesumweltpolitik abstellt. Zudem wird diese Einwendung im Normenkontrollverfahren auch nicht mehr wiederholt.
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2. Die Antragsbefugnis kann auch nicht auf Brandschadenlasten infolge eines mangelnden Schutzes vor Brandereignissen oder eine Verletzung von Brandvorbeugevorgaben gestützt werden.
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Substantiierte Einwendungen, insbesondere gegen die Löschwasserversorgung, lassen sich dem Normenkontrollantrag nicht entnehmen. Der Antragsgegner hat die Stellungnahme des Kreisbrandrats mit Beschluss vom 9. Juni 2021 behandelt (vgl. Billigungsbeschluss v. 9.6.2021, Planaufstellungsordner S. 221, 219). Inwieweit es über Nr. 0.12 der textlichen Festsetzungen des angefochtenen Bebauungsplans hinaus weitere Festsetzungen zum Brandschutz oder zur Minimierung von Brandlasten in dem angefochtenen Bebauungsplan bedarf, ob solche Festsetzungen zulässig und nicht vielmehr im Rahmen der Beurteilung des Einzelbauvorhabens im Vollzug des Bebauungsplans geregelt werden könnten, zeigt die Antragstellerin nicht auf. Soweit sie in diesem Zusammenhang auf die geplante Ansiedelung eines Abfallverarbeitungsbetriebes abstellt, bezieht sich die Antragstellerin auf ein konkretisiertes Einzelbauvorhaben und nicht auf den angefochtenen Bebauungsplan. Gleiches gilt für die geltend gemachten Einwendungen zur Luftreinhaltung, die im Normenkontrollverfahren nicht mehr vorgetragen wurden und für deren Einhaltung der Antragsgegner in der Abwägungsentscheidung vom 9. Juni 2021 auf das Einzelgenehmigungsverfahren verwiesen hat.
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3. Die Antragstellerin kann ihre Antragsbefugnis schließlich nicht auf eine Existenzgefährdung ihres landwirtschaftlichen Betriebs stützen.
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Zwar kann das Interesse, in der Nutzung seiner Grundstücke nicht durch heranrückendes Gewerbe gestört zu werden (vgl. OVG NW, U.v. 22.5.2000 – 10a D 139/98 – juris Rn. 6) und dadurch insbesondere eine Existenzgefährdung seines Betriebes zu verhindern (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2017 – 8 ZB 16.154 – juris Rn. 44; B.v. 9.9.2014 – 8 A 13.40047 – juris Rn. 16 – jeweils zur straßenrechtlichen Planfeststellung; U.v. 9.4.2003 – 26 N 01.312 – juris Rn. 24), ein abwägungserheblicher Belang sein. Die Antragstellerin macht eine solche Existenzgefährdung jedoch nicht planbezogen – im Hinblick auf die Festsetzungen des Bebauungsplans – geltend, sondern ausschließlich vorhabenbezogen im Hinblick auf die geplante Ansiedelung eines Abfallverarbeitungsbetriebes.
27
Darüber hinaus wurde eine Existenzgefährdung nicht ausreichend dargelegt. Weder aus den im Verfahren eingegangenen Stellungnahmen des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Regen vom 3. November 2020, vom 27. April 2021 und vom 30. August 2021 sowie der Stellungnahme des Bayerischen Bauernverbands vom 30. August 2021 lassen sich Anhaltspunkte für eine mögliche Existenzgefährdung des Betriebs der Antragstellerin im Falle der Ausweisung eines Gewerbegebiets im Plangebiet entnehmen. Einzig in der Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 27. April 2021 wird auf das Vorhandensein des Betriebs der Antragstellerin als Bio-Streuobstproduzent hingewiesen; substantiierte Angaben zu einer möglichen Existenzgefährdung fehlen jedoch auch hier. Die vom Bund Naturschutz in Bayern e.V. vom 9. März 2023 und vom Bayerischen Bauernverband vom 24. April 2023 übermittelten Stellungnahmen sind, ebenfalls nicht geeignet, eine Existenzgefährdung darzulegen. Weder die Schriftsätze der Antragstellerin noch die vorgenannten Stellungnahmen enthalten über die Zertifizierung hinaus substantiierte Angaben zum Betrieb der Antragstellerin, aus denen sich eine Existenzgefährdung bei Festsetzung eines Gewerbegebiets nach § 8 BauNVO im Plangebiet ableiten ließe. Die bloße Behauptung, rechtliche Vorgaben könnten nicht mehr erfüllt werden und einem professionellen Planungsbüro müsse bewusst sein, dass die gewählten Festsetzungen zu einer direkten Existenzbedrohung des nachbarlichen Bauernhofs führten, genügt nicht (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – juris Rn. 10).
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Unabhängig davon beziehen sich die Antragsbegründung der Antragstellerin sowie die Stellungnahmen des Bund Naturschutz in Bayern e.V. vom 9. März 2023 und des Bayerischen Bauernverbandes vom 24. April 2023 sämtlich auf die geplante Ansiedelung eines Abfallverarbeitungsbetriebes, mithin auf ein konkretes Bauvorhaben und nicht auf die Festsetzungen des Bebauungsplans. Auch im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung trug die Antragstellerin in ihrem Einwendungsschreiben vom 9. September 2021 nichts zu einer möglichen Existenzgefährdung vor. Die Bürgerbeteiligung dient jedoch auch dazu, der planenden Stelle Interessenbetroffenheiten sichtbar zu machen. Hat es ein Betroffener aber unterlassen, seine Betroffenheit im Zuge der Bürgerbeteiligung vorzutragen, dann ist – unabhängig von der Aufhebung der früheren Einwendungspräklusion gem. § 47 Abs. 2a BauGB a.F. – die Betroffenheit nur abwägungsbeachtlich, wenn sich der planenden Gemeinde die Tatsache dieser Betroffenheit aufdrängen musste (vgl. BayVGH, U.v. 13.12.2021 – 15 N 20.1649 – juris Rn. 43). Dies ist hier nicht der Fall, da – wie bereits ausgeführt – eine Existenzbedrohung im Laufe des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt dargelegt wurde. Eine solche war – worauf der Antragsgegner im Rahmen der Abwägungsentscheidung vom 9. Juni 2021 abstellt – im Hinblick darauf, dass der Flächennutzungsplan seit dem Jahr 2010 gültig ist und bereits drei Gewerbegebiete (Prombach I – III) vorhanden sind, nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass der angefochtene Bauabschnitt Gewerbegebiet Prombach IV nicht näher an den landwirtschaftlichen Betrieb der Antragstellerin heranrückt und sich ein bereits vorhandenes Umspannwerk zwischen dem neuen Gewerbegebiet und dem landwirtschaftlichen Betrieb der Antragstellerin befindet.
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Soweit die Antragstellerin vorträgt, im Rahmen einer möglichen Erweiterung der Gewerbegebiete auf Prombach V und VI westlich zu den vorhandenen Gewerbeflächen, die dann näher an den Betrieb der Antragstellerin heranrücken würden, sei auf die Existenzgefährdung ihres Betriebes hingewiesen worden, ist dies für den hier angefochtenen Bebauungsplan Prombach IV aufgrund der unterschiedlichen Lage und Situation nicht in gleichem Maße aussagekräftig. Unabhängig davon, legt die Antragstellerin auch in diesem Zusammenhang eine Existenzgefährdung nicht weiter dar.
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Das von der Antragstellerin angeführte Einverständnis mit der „gelebten Struktur“ in den Gewerbegebieten Prombach I – III lässt keine Rückschlüsse darauf zu, dass die Antragstellerin mit den festgesetzten zulässigen Nutzungen eines Gewerbegebiets insgesamt bzw. einzelnen zulässigen Nutzungen nicht einverstanden ist und bei Überschreiten dieser „gelebten Struktur“ eine Existenzgefährdung zu erwarten wäre. Die Erwartung, dass sich die vorhandene Struktur nicht ändert, ist rechtlich nicht relevant. Die tatsächlich vorhandenen und/oder genehmigten Nutzungen in den Gewerbegebieten Prombach I – III beurteilen sich nach den Festsetzungen der dort geltenden Bebauungspläne, die nach dem Vortrag des Antragsgegners ebenfalls ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO festsetzen. Eine Änderung der vorhandenen Nutzungen ist daher auch dort im Rahmen der nach § 8 BauNVO zulässigen Nutzungen möglich und bauplanungsrechtlich grundsätzlich zulässig. Eine irgendwie geartete Zustimmung des Antragsgegners, dass sich die vorhandene Struktur nicht ändere, lässt sich dem Abwägungs- und Satzungsbeschluss vom 23. September 2021 nicht entnehmen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).