Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 31.05.2023 – AN 9 K 22.01633
Titel:

Beseitigungsanordnung für Gartenhütte und Einfriedung

Normenketten:
BayBO Art. 76
BauGB § 34
BauNVO § 14 Abs. 1 S. 1, § 23
VwGO § 114
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die planungsrechtlichen Instrumente der Baugrenze, Baulinie und Bebauungstiefe (§ 23 BauNVO) werden auch iRv § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB zur näheren Bestimmung des Einfügens hinsichtlich der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“, herangezogen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine bauliche Anlage ist dann eine untergeordnete Nebenanlage (§ 14 Abs. 1 S. 1 BauNVO), wenn sie funktional und räumlich–gegenständlich dem primären Nutzungszweck der Hauptanlage oder des Baugebiets zugeordnet ist und in diesem Verhältnis eine nachrangige, sinnvoll ergänzende Rolle einnimmt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verpflichtet eine Behörde zu einem Vorgehen, dem eine gewisse Systematik innewohnt. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigungsanordnung, Innenbereich, faktische Baugrenze, Einfügen, Eigenart der näheren Umgebung, Gartenhütte, Einfriedung/Zaun, Nebenanlage, Ermessen der Behörde, Gleichheitsgrundsatz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16909

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2022 (...) und der Änderungsbescheid der Beklagten vom 8. Dezember 2022 (...) werden aufgehoben.
2.    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3.    Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Beseitigungsanordnung hinsichtlich einer Gartenhütte und einer Einfriedung auf dem Grundstück des Klägers mit der FlNr. … der Gemarkung … im Hoheitsbereich der Beklagten.
2
Ausweislich eines Aktenvermerks der Bauordnungsbehörde der Beklagten vom 25. März 2021 wurde dort im Rahmen einer Ortseinsicht am 22. März 2021 festgestellt, dass an dem Anwesen des Klägers diverse Arbeiten erfolgten: So werde an das Wohnhaus eine Stahlkonstruktion in südwestlicher Richtung angebaut. Hier solle nach Auskunft des Klägers eine Garage für Autos und ein Wohnmobil errichtet werden (mit einer Höhe von 3,50 m (Traufe) bis 4,50 m (First) und einer Grundfläche von 7,90 m x 12,70 m zuzüglich eines Vordachs von ca. 2,30 m). Die Bodenplatte sei bereits verlegt und eine Stahlkonstruktion ohne Dacheindeckung aufgestellt. Im Firstbereich sei eine Einfriedung mit waagrecht verlegten Lärchenbrettern mit einer Höhe von ca. 2,15 m errichtet worden. Am Grenzverlauf entlang der Stahlkonstruktion seien H-Pfostenträger für die Erweiterung der Einfriedung gesetzt worden. Vor dem Wohnhaus werde eine Nebenanlage in südöstlicher Richtung mit einer Grundfläche von 3 m x 3 m errichtet. Die Höhe betrage ca. 2,15 m (Traufe) und ca. 2,40 m (First). Hier sei bereits die Bodenplatte verlegt und die Holzkonstruktion ohne Dacheindeckung aufgestellt. An dieser Nebenanlage sei eine Einfriedung mit waagrecht verlegten Lärchenbrettern mit einer Höhe von ca. 1,90 m errichtet worden. Auf dem angrenzenden Grundstück mit der FlNr. … seien in nordwestlicher Richtung ebenfalls Einfriedungen mit waagrecht verlegten Lärchenbrettern mit einer Höhe von ca. 2,10 m bis 2,30 m aufgestellt worden. An der nördlichen Grundstücksecke sei eine Bodenplatte verlegt worden. Am 25. März 2021 sei die Baustelle gegenüber dem Kläger fernmündlich eingestellt worden, da der Bauordnungsbehörde keine Baugenehmigung vorliege. Auf den in der Behördenakte (* …*) unter Blatt 2 enthaltenen Aktenvermerk sowie auf die unter Blatt 4 ff. befindlichen Skizzen, Pläne und Lichtbilder wird Bezug genommen. Unter Blatt 19 ff. der Behördenakte befindet sich die schriftliche Baueinstellung der Bauordnungsbehörde vom 31. März 2021.
3
Mit Schreiben der Beklagten an den Kläger vom 26. Mai 2021 (Blatt 56 ff. der Behördenakte …*) wurde dem Kläger rechtliches Gehör gewährt und dieser aufgefordert, die baulichen Anlagen „Garage“ sowie „Nebenanlage/Gartenhütte“ vollständig zu beseitigen bzw. die Anlage „Nebenanlagen/Grundstückseinfriedungen“ auf das genehmigungsfähige Maß (halbhohe Grundstückseinfriedung) zurückzubauen. Für beide Maßnahmen wurde dem Kläger eine Frist bis zum 23. Juli 2021 eingeräumt.
4
Mit bei der Bauordnungsbehörde der Beklagten am 9. Juli 2021 eingegangenem Bauantrag beantragte der Kläger die Erteilung einer Baugenehmigung für den „Bau einer Kleingarage mit integriertem Gartenhaus für Fahrräder und Motorräder (auf Änderungswunsch von …*)“ sowie eine „Hauseingangsüberdachung zwischen Haus und Garage“ und die „Begrünung durch Hecke an der Grundstücksgrenze“ auf dem Grundstück mit der FlNr. … der Gemarkung … Mit Bescheid vom 26. August 2021 wurde unter dem Aktenzeichen … die Baugenehmigung für die „Errichtung einer Garage mit integriertem Gartenhaus und Hauseingangsüberdachung“ erteilt.
5
Ausweislich eines Aktenvermerks der Bauordnungsbehörde der Beklagten vom 18. Mai 2022 (Blatt 67 der Behördenakte …*) wurde im Rahmen einer am 9. Mai 2022 erfolgten Ortseinsicht festgestellt, dass die Beseitigung der Nebenanlage/Gartenhütte entlang der … und der Grundstückseinfriedungen auf eine Höhe von 2 m gemäß dem Schreiben vom 26. Mai 2021 nicht erledigt worden sei.
6
Unter dem Datum 9. Juni 2022 erließ die Beklagte folgenden Bescheid:
„1. Die auf dem oben genannten Grundstück südöstlich vor dem Wohnhaus errichtete Nebenanlage/Gartenhütte ist innerhalb von einer Frist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheids zu beseitigen.
2. Die auf dem oben genannten Grundstück errichteten Einfriedungen sind innerhalb einer Frist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheides auf ein halbhohes Maß zurückzubauen.
3. Für den Fall der Nichteinhaltung dieser Fristen wird ein Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 1.000,00 EUR angedroht.
Der Betrag teilt sich wie folgt auf:
- für die Beseitigung der Nebenanlage/Gartenhütte: 500,00 EUR
- für den Rückbau der Einfriedungen: 500,00 EUR.
Diese Beträge werden nach ungenutztem Ablauf der in Nrn. 1 und 2 gestellten Fristen zur Zahlung fällig, ohne dass es eines weiteren Verwaltungsaktes bedarf. Zur Zahlung ist Herr … verpflichtet.“
7
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die inmitten stehenden baulichen Anlagen städtebaulichem Planungsrecht widersprächen. Die planungsrechtliche Zulässigkeit beurteile sich nach § 34 BauGB. Demgemäß sei ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden solle, in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge und die Erschließung gesichert sei. Zur Nebenanlage/Gartenhütte führte die Beklagte aus, dass die maßgebliche Bezugsumgebung entlang der … überwiegend durch eine straßenbegleitende Wohnbebauung mit begrünter Vorgartenzone geprägt sei. Im Bereich der Zugänge und Zufahrten seien hier nur deutlich untergeordnete Nebenanlagen in Form von kleineren Müllboxen errichtet worden. Eine Nebenanlage mit einer Grundfläche von ca. 9 qm und einer Höhe von 2,15 m (Traufe) bzw. 2,40 m (First) füge sich aufgrund ihrer Größe nicht in die nähere Umgebung ein. Um ein Einfügen in die nähere Umgebung zu erreichen, sei der Vorgartenbereich von einer über dieses Maß hinausgehenden Bebauung freizuhalten. Hinsichtlich der Grundstückseinfriedungen wurde ausgeführt, dass die maßgebliche Bezugsumgebung entlang der … durch meist halbhohe Grundstückseinfriedungen geprägt sei, teilweise mit Heckenhinterpflanzung als Sichtschutz. Die vom Bauherrn ausgeführten Einfriedungen hätten hingegen ein geschlossenes Erscheinungsbild (Bretterschalung) und fügten sich mit Höhen von 1,90 m bis 2,15 m nicht mehr in die Umgebungsbebauung ein. Dass zumindest Teile der Einfriedungen aus bauordnungsrechtlicher Sicht nach Art. 57 Abs. 1 BayBO verfahrensfrei seien, entbinde nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Bauplanungsrechtlich zulässig wären halbhohe Einfriedungen, wie sie in der näheren Umgebung vorhanden seien. Die Einfriedungen seien daher so zurückzubauen, dass sie der halbhohen Ausführung der Einfriedungen in der näheren Umgebung entsprächen. Die getroffene Anordnung auf Beseitigung bzw. Teilbeseitigung sei in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geboten, weil die Beseitigungsanordnung das einzige Mittel sei, durch das wieder rechtmäßige Zustände im Sinne des Art. 76 Satz 1 BayBO geschaffen werden könnten. Insbesondere seien die genannten baulichen Anlagen nicht genehmigungsfähig. Adressat dieses Anordnungsbescheides sei der Bauherr, der Kläger als Handlungsstörer im Sinne des Art. 9 LStVG.
8
Mit bei Gericht am 8. Juli 2022 eingegangenen Schriftsatz ließ der Kläger gegen den Bescheid vom 9. Juni 2022 Klage erheben und ausführen, dass die Voraussetzungen für eine Beseitigungsanordnung, nämlich die formelle und materielle Rechtswidrigkeit des Bauvorhabens, vorliegend nicht erfüllt seien. Sowohl die streitgegenständliche Gartenhütte als auch die Grundstückseinfriedungen entsprächen dem materiellen Baurecht. Bei der Gartenhütte handele es sich um eine bauliche Anlage mit einer Bodenplatte auf einer Fläche von ca. 3 x 3 m und einer Höhe von 2,15 m (Traufe) bzw. 2,40 m (First) in Holzkonstruktion. Derartige Hütten könnten in jedem Baumarkt erworben werden, und im Stadtgebiet der Beklagten fänden sich wohl nahezu auf jedem Grundstück, welches mit einem Einfamilienhaus bebaut sei, derartige Nebenanlagen zum Unterstellen von Fahrrädern bzw. von Gartengeräten. Das Gartenhäuschen sei nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO verfahrensfrei. Insofern stelle sich die Frage der formellen Illegalität von vornherein nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten entspreche die Gartenhütte auch dem materiellen Baurecht. Die Nebenanlage sei insbesondere bauplanungsrechtlich zulässig. Nach der Art der baulichen Nutzung sei das Gartenhäuschen in einem faktischen WA-Gebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO generell zulässig. Dies werde wohl auch von der Beklagten so gesehen. Offenbar störe sich die Beklagte allein an der Situierung der Gartenhütte im Vorgartenbereich. Nach Auffassung der Beklagten sei die maßgebliche Bezugsumgebung entlang der … überwiegend geprägt durch eine straßenbegleitende Wohnbebauung mit begrünter Vorgartenzone. Diese tatsächlichen Feststellungen der Beklagten zur maßgeblichen Bezugsumgebung könnten jedoch nicht bestätigt werden. In unmittelbarer Nachbarschaft zum klägerischen Anwesen fänden sich zahlreiche Nebenanlagen in den Vorgartenbereichen in Form von Carports, Garagen und Müllboxen. Die Beklagte vertrete offenbar die Auffassung, es sei vorliegend eine Art von faktischer Baugrenze zu beachten. Aufgrund der heterogene Bebauung in den straßenseitigen Vorgartenbereichen sei die Annahme einer faktischen Baugrenze allerdings verfehlt. Die Beklagte habe sich im Übrigen bewusst gegen die Aufstellung eines qualifizierten Bebauungsplans mit entsprechenden Festsetzungen entschieden. Eine nachträgliche Steuerung von Nebenanlagen in Vorgartenbereichen mit dem Instrument des Einfügens sei vor diesem Hintergrund ungeeignet. Die von der Beklagten beanstandeten Grundstückseinfriedungen seien nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 Buchst. a BayBO ebenfalls verfahrensfrei. Im Mittel betrage die Höhe der Grundstückseinfriedungen nicht mehr als 2 m. Die Einfriedungen seien im Übrigen im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsprüfung ohne Relevanz. Als Merkmale für die Frage, ob sich ein Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge, bezeichne § 34 Abs. 1 BauGB allein die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die Bauweise sowie die Grundstücksfläche, die überbaut werden solle. Nicht maßgeblich seien hingegen die sonstigen Zulassungsmerkmale, die eher dem Bauordnungsrecht zugeordnet seien, wie z. B. dem Gestaltungsrecht zuzuordnende Merkmale. Dies entspreche allgemeiner Auffassung und werde so auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof vertreten (unter Hinweis auf Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 34 Rn. 38 m.w.N.). Auch hier hätte es die Beklagte in der Hand gehabt, durch entsprechende Festsetzungen in einem Bebauungsplan Höhenbegrenzungen für Grundstückseinfriedungen festzulegen. Die Beklagte habe dies jedoch nicht getan. Der für das Bauordnungsrecht zuständige Landesgesetzgeber habe dadurch, dass Einfriedungen bis zu einer Höhe von 2 m verfahrensfrei seien, deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er derartige bauliche Anlagen nicht für bauplanungsrechtlich relevant halte. Im Übrigen fänden sich in der näheren Umgebung ähnliche bauliche Anlagen und Einfriedungen, auch in den rückwärtigen Gartenbereichen der Anwesen. Die Beseitigungsanordnung sei jedenfalls auch ermessensfehlerhaft. Nach Art. 40 BayVwVfG sei das hier gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO eröffnete Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben, und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens seien einzuhalten. Die Ermessenserwägungen der Beklagten im angefochtenen Bescheid beschränkten sich im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestextes. Mit keiner Silbe gehe die Beklagte auf die vom Kläger im Rahmen der gewährten Anhörung vorgebrachten Bezugsfälle ein. Insofern bleibe offen, weshalb z. B. ein Carport im Vorgartenbereich unbeanstandet bleibe, die streitgegenständliche Gartenhütte hingegen nicht. Auf die Frage der nachträglichen Genehmigungsfähigkeit der baulichen Anlagen komme es im Übrigen nicht an, da sowohl die Gartenhütte als auch die Grundstückseinfriedungen verfahrensfrei seien.
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Mit Datum vom 8. Dezember 2022 erließ die Beklagte unter dem behördlichen Aktenzeichen … folgenden Änderungsbescheid:
„1. Der Tenor Punkt 2 des Anordnungsbescheides vom 9. Juni 2022 (...) wird abgeändert und erhält folgende Fassung:
‚Die auf dem oben genannten Grundstück errichteten Einfriedungen sind innerhalb einer Frist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit dieses Bescheids auf eine Höhe von maximal 1,30 m zurückzubauen.'“
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Zur Begründung wurde ausführt, dass der Tenorpunkt 2 im Hinblick auf die maßgebliche Bezugsumgebung entlang der … mit halbhohen Grundstückseinfriedungen dahingehend konkretisiert werde, dass mit dem Begriff „halbhoch/halbhohe“ eine Höhe von maximal 1,30 m gemeint sei und die Einfriedungen auf dem Grundstück des Bescheidsadressaten deshalb auf maximal diese Höhe zurückzubauen seien. Im Übrigen bleibe der Bescheid vom 9. Juni 2022 vollumfänglich aufrechterhalten.
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Mit Schriftsatz vom 9. Januar 2023 ließ der Kläger mitteilen, dass der Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2022 in die Klage mit einbezogen werde. Der Kläger ließ zuletzt beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 2022 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 8. Dezember 2022 wird aufgehoben.
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Die Beklagte beantragte
Klageabweisung und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die Gartenhütte entgegen den Ausführungen des Klägerbevollmächtigten gerade nicht verfahrensfrei sei, da sie im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der genehmigungspflichtigen Garage errichtet worden sei.
13
Als Teil des Gesamtbauvorhabens sei sie damit ebenfalls genehmigungspflichtig. Um bauliche Anlagen als selbstständige Einzelbauvorhaben betrachten zu können, müssten die Bauarbeiten des anderen Vorhabens – hier der Garage und der Einfriedungen über 2 m Höhe – bereits abgeschlossen gewesen sein (unter Hinweis auf Lechner/Busse, in Busse/Kraus, BayBO, Stand 156. Ergänzungslieferung Mai 2022, Art. 57 Rn. 12 ff.). Dies sei aber nicht der Fall gewesen (vgl. Bl. 2 bis 11 der Aufgriffsakte). Die Aufspaltung einer einheitlichen Baumaßnahme in einen genehmigungspflichtigen und einen genehmigungsfreien Teil sei unzulässig (Lechner/Busse, a.a.O, Rn. 13). Die Behauptung, dass die maßgebliche Bezugsbebauung zahlreiche Nebenanlagen in den Vorgartenbereichen aufweise und infolge der heterogenen Bebauung auch die Gartenhütte mit einer Grundfläche von 9 qm und einer Höhe von 2,15 m bis 2,40 m bauplanungsrechtlich zulässig sei, sei ebenfalls unzutreffend. Eine erneute Ortseinsicht durch den Außendienst der Bauordnungsbehörde am 22. Oktober 2022 habe auch weiterhin ergeben, dass die Vorgartenzone entlang der … weitestgehend ohne Gartenhäuser, Mülltonnenhäuser und ähnliche Anlagen angelegt sei und sich das Gartenhaus des Klägers nicht in die nähere Umgebung einfüge. Auf die von der Beklagten vorgelegten Fotodokumentation wird Bezug genommen (Bl. 40 ff. der Gerichtsakte). Die streitgegenständlichen Einfriedungen seien ebenfalls formell wie materiell rechtswidrig errichtet worden. Die Einfriedungen im hinteren Teil des Anwesens seien allein aufgrund ihrer Höhe von deutlich über 2 m genehmigungspflichtig. Die Höhe sei dabei korrekterweise von der natürlichen Geländeoberfläche aus gemessen worden. Die Genehmigungspflichtigkeit der 1,90 m hohen Einfriedung im Vorgartenbereich ergebe sich aus dem unmittelbaren Zusammenhang zum genehmigungspflichtigen Gesamtvorhaben. Die Höhe aller Einfriedungen füge sich nicht in die nähere Umgebung ein, sie seien damit allesamt bauplanungsrechtlich unzulässig. Bei der Ortseinsicht des Außendienstes am 20. Oktober 2022 habe festgestellt werden können, dass eine vergleichbare Einfriedung wie auf dem Grundstück des Klägers nicht existiere. Als Einfriedungen fänden sich halbhohe offene Bretterzäune sowie Maschendrahtzäune, keine fast bzw. über 2 m hohe blickdichte Einfriedungen aus Holzpanelen. Die Höhe von Einfriedungen sei dabei nach richterlicher Rechtsprechung sehr wohl für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeitsprüfung nach § 34 BauGB relevant (unter Hinweis auf VG Augsburg, U.v. 22.11.2012 – AU 5 K 11.1049 – juris, Rn. 21-23). Die Behauptung des Bevollmächtigten des Klägers, dass nach Ansicht des BayVGH die Art und Weise der Ausführung der Einfriedung gänzlich unerheblich sei, sei für die Beurteilung deren Zulässigkeit nach § 34 BauGB unzutreffend. So habe der BayVGH in seinem Beschluss vom 2. März 2015 festgestellt, dass eine geschlossene (wie eine Mauer) wirkende Einfriedung sich nicht in eine offene Struktur einfüge (unter Hinweis auf BayVGH, B.v. 2.3.2015 – 1 ZB 13.1336 – juris, Rn. 2). Darauf weise auch Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krauzberger, BauGB, Stand 146. Ergänzungslieferung April 2022, § 34 Rn. 38 hin. Die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung werde aber ohnehin nur auf das Nichteinfügen bezüglich der Höhe der Einfriedungen gestützt. Die Anordnungen seien auch nicht ermessensfehlerhaft. So habe der Kläger umfangreiches rechtliches Gehör erhalten. Seine Einwendungen seien im erforderlichen Maße bei der Ermessensausübung der Behörde berücksichtigt worden. Der Kläger habe keinerlei Gründe vorgetragen, denen Vorrang vor dem Erfordernis der Wiederherstellung baurechtlich zulässiger Umstände einzuräumen wäre. Auch eine Hecke an der Grundstücksgrenze könne den gewünschten Schutz vor Sturmschäden bieten. Die damals zuständige Mitarbeiterin habe sich mit den diesbezüglichen Einwänden des Klägers in ihrer E-Mail vom 17. Mai 2021 befasst (Bl. 26-30 der Aufgriffsakte). Diese habe hier auch ausführlich erörtert, warum die Einfriedungen des Klägers gerade nicht mit denen der Nachbargrundstücke zu vergleichen seien, und sei dabei auf die vom Kläger übermittelten Fotos eingegangen (a.a.O). Ohnehin sei das Ermessen im Rahmen des Art. 76 BayBO ein sogenanntes intendiertes Ermessen (unter Hinweis auf Decker in Busse/Kraus BayBO Stand 145. EL. Januar 2022 Art. 76 Rn. 301 und 310). Aufgrund der gebotenen Pflicht zum Einschreiten reiche es unter Berücksichtigung des insoweit nach § 114 Satz 1 VwGO eingeschränkten Prüfungsumfanges des Gerichtes aus, dass die Behörde zum Ausdruck bringe, dass der beanstandete Zustand wegen seiner Rechtswidrigkeit nicht hingenommen werden könne. Eine weitergehende Begründung der Ermessenserwägungen sei entbehrlich, da Art. 76 Satz 1 BayBO für den Regelfall von einer Ermessensausübung hin zur Beseitigungsanordnung ausgehe und besondere Gründe vorliegen müssten, um ausnahmsweise eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liege ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, verstehe sich das Ergebnis der Abwägung von selbst, weshalb es auch keiner weitergehenden Begründung bedürfe (unter Hinweis auf VG Augsburg, U.v. 22.11.2012 – AU 5 K 11.1049 – juris Rn. 24; Decker a.a.O. m.w.N.). Ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt liege hier gerade nicht vor. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt besondere Gründe vorgetragen, wonach die Vorhaben nicht zu beseitigen wären. In der Begründung der streitgegenständlichen Beseitigungsanordnung sei ausführlich darauf eingegangen worden, dass und warum die Vorhaben des Klägers bauplanungsrechtlich nicht zulässig seien. Diese Gründe seien dem Kläger zudem auch schon aus dem vorherigen intensiven Schriftverkehr mit der Behörde und dem rechtlichen Gehör von 26. Mai 2021 bekannt gewesen. In der hier streitgegenständlichen Beseitigungsanordnung werde ferner darauf hingewiesen, dass die getroffenen Anordnungen auf Beseitigung bzw. Teilbeseitigung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geboten seien, weil die Beseitigungsanordnung das einzige Mittel sei, durch das wieder rechtmäßige Zustände im Sinne des Art. 76 Satz 1 BayBO geschaffen werden könnten.
14
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie hinsichtlich des Verlaufs und der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2023 auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet, weil die Bescheide vom 9. Juni 2022 (I.) und vom 8. Dezember 2022 (II.) rechtswidrig sind und den Kläger in eigenen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
16
I. Der angefochtene Bescheid vom 9. Juni 2022 ist, soweit er nicht bereits durch den Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2022 hinsichtlich der Einfriedung aufgehoben wurde, rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für die ergangene Beseitigungsanordnung hinsichtlich des bereits teilweise errichteten Gartenhäuschens nicht vorliegen.
17
Gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde die teilweise oder vollständige Beseitigung einer im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichteten oder geänderten Anlage anordnen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.
18
Auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage der Genehmigungsfreiheit der hier streitgegenständlichen Gartenhütte gemäß Art. 57 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO kommt es vorliegend nicht entscheidungserheblich an. So weist die Beklagte zu Recht auf Art. 55 Abs. 2 BayBO hin, wonach eine etwaige Genehmigungsfreiheit nach Art. 57 BayBO nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, entbindet. Allerdings hält die streitgegenständliche Gartenhütte die öffentlich-rechtlichen Vorschriften ein und fügt sich insbesondere nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung gemäß § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung ein (siehe dazu im Folgenden: 1.) bzw. erweist sich die erlassene Beseitigungsverfügung als ermessensfehlerhaft (siehe dazu im Folgenden: 2.).
19
1. Vorliegend richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der baulichen Anlage nach § 34 BauGB. Die für den Bereich des klägerischen Grundstücks gültige „Abrundungssatzung Nr. 1 für einen Bereich westlich der … in …“ der Beklagten vom 10. Dezember 1993 verweist für die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit auf § 34 BauGB (§ 2 Satz 2 der Satzung). Danach ist ein Vorhaben innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
20
Maßgeblich bei der Beantwortung der Frage, ob sich ein Vorhaben in diesem Sinne „einfügt“, ist zunächst die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung und der daraus folgende Rahmen, der nämlich durch die in der Umgebung tatsächlich vorhandene Bebauung gebildet wird (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Auflage 2022 – beck-online Rn. 25 unter Hinweis auf BVerwG U.v. 26.5.1978 – E 55, 369/380). Die nähere Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist diejenige Bebauung in der Nachbarschaft des Baugrundstücks, auf die sich das geplante Vorhaben in städtebaulicher Hinsicht auswirken kann und die ihrerseits das Baugrundstück prägt. Der insoweit maßgebliche Bereich ist bei der überbaubaren Grundstücksfläche, um die es vorliegend streiterheblich geht, regelmäßig enger zu begrenzen als bei der Art der baulichen Nutzung (VGH Baden-Württemberg, B.v. 23.9.1993 – 8 S 1281/93 – juris Rn. 22).
21
Die bereits teilweise errichtete Gartenhütte auf einer Fläche von ca. 3 m x 3 m und einer Höhe von 2,15 m (Traufe) bzw. 2,40 m (First) in Holzkonstruktion fügt sich nach Überzeugung des Gerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO) in die Eigenart der hier maßgeblichen näheren Umgebung ein.
22
Die Beklagte stützt die streitgegenständliche Beseitigungsanordnung allein darauf, dass sich das Gartenhäuschen nicht in diesem Sinne einfüge, weil es sich ihrer Auffassung nach in einem von Bebauung freizuhaltendem Bereich („begrünter Vorgartenbereich“) befindet. Das damit in Bezug genommene einfügungsrelevante Merkmal der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“ regelt in erster Linie die räumliche Lage innerhalb der vorhandenen Bebauung im Sinne von § 23 BauNVO. Die darin geregelten planungsrechtlichen Instrumente der Baugrenze, Baulinie und Bebauungstiefe werden auch im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zur näheren Bestimmung des Einfügens hinsichtlich der „Grundstücksfläche, die überbaut werden soll“, herangezogen (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2020 – 15 ZB 20.280, BeckRS 2020, 28961 – beck-online unter Hinweis u.a. auf BVerwG, B.v. 28.9.1988 – 4 B 175.88 – NVwZ 1989, 354 = juris Rn. 4; B.v. 16.6.2009 – 4 B 50.08 – ZfBR 2009, 693 = juris Rn. 4; B.v. 13.5.2014 – 4 B 38.13 – ZfBR 2014, 574 = juris Rn. 8).
23
Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO gilt im Falle einer festgesetzten bzw. im Rahmen von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB im Falle einer faktischen Baugrenze, dass Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten dürfen.
24
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat zum Verhältnis von § 34 BauGB und § 23 BauNVO in seinem Beschluss vom 19. Oktober 2020 (15 ZB 20.280, BeckRS 2020, 28961 – beck-online Rn. 8) folgendes grundsätzlich ausgeführt:
„Für die Annahme einer faktischen Baugrenze, als eine sich durch die tatsächliche Bebauung faktisch herausgebildete Linie, die entsprechend § 23 Abs. 3 BauNVO von Gebäuden und Gebäudeteilen im rückwärtigen oder vorderen (straßenseitigen) Bereich nicht überschritten werden darf, muss aus der Lage der in der vorhandenen Umgebungsbebauung befindlichen Hauptgebäude (s.u.) eine Regel ableitbar - d. h. erkennbar und formulierbar – sein, wie aus der Flucht der straßenseitigen Vorderfassaden eine gemeinsame Grenze gebildet wird. Hierfür bedarf es unter Berücksichtigung grundrechtlicher Wertungen aus Art. 14 Abs. 1 GG wegen der einschränkenden Wirkung auf das Grundeigentum hinreichender Anhaltspunkte für eine städtebaulich verfestigte Situation; die tatsächlich vorhandene Bebauung darf kein bloßes ‚Zufallsprodukt‘ ohne eigenen städtebaulichen Aussagewert sein (vgl. BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 12; OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.3.2013 – OVG 10 B 4.12 – juris Rn. 45; U.v. 24.5.2018 – OVG 2 B 3.17 – juris Rn. 30; OVG SH, U.v. 19.2.2015 – 1 LB 5/14 – juris Rn. 31; vgl. auch BVerwG, B.v. 22.9.2016 – 4 B 23.16 – BRS 84 Nr. 74 = juris Rn. 7). (…) Den nach § 34 Abs. 1 BauGB maßgeblichen ‚Rahmen‘ bilden in Bezug auf die überbaubare Grundstücksfläche nur die in der näheren Umgebung vorhandenen Hauptgebäude, weil das Bauplanungsrecht in § 23 Abs. 5 BauNVO für die räumliche Lage von Nebenanlagen im Sinne des § 14 BauNVO sowie von (sonstigen) in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen gewisse Erleichterungen vorsieht (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.1997 -4 B 172.97 – NVwZ-RR 1998, 539 = juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 3.3.2016 – 15 ZB 14.1542 – juris Rn. 12, 18; OVG Berlin-Bbg, U.v. 13.3.2013 – OVG 10 B 4.12 – juris Rn. 51; U.v. 24.5.2018 – OVG 2 B 3.17 – juris Rn. 30; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 41). Nebenanlagen i.S. von § 23 Abs. 5 Satz 1 i.V. mit § 14 Abs. 1 BauNVO (zum Begriff vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2017 – 4 C 9.16 – NVwZ 2018, 1231 = juris Rn. 10 m.w.N.) sind bei der Beurteilung, ob eine (vordere oder rückwärtige) faktische Baugrenze besteht, mithin ebenso auszublenden wie sonstige bauliche Anlagen, die (wie z.B. kleinere Garagen) in den landesrechtlich geregelten Abstandsflächen zulässig sind (entspr. § 12, § 23 Abs. 5 Satz 2 BauNVO, in Bayern i.V. mit Art. 6 Abs. 9 BayBO).
Ist nach diesen Maßstäben aufgrund der Rahmensetzung durch die Hauptgebäude in der im Einzelfall prägenden Umgebungsbebauung von einer faktischen vorderen (straßenseitigen) oder hinteren (rückwärtigen) faktischen Baugrenze auszugehen (zur einzelfallbezogenen Annahme einer vorderen / straßenseitigen faktischen Baugrenze vgl. z.B. OVG NW, U.v. 25.4.2018 – 7 A 165/16 – juris Rn. 40; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 – 1 KO 347/14 – BauR 2018, 485 = juris Rn. 42), gilt nach der auch bei der Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB entsprechend heranzuziehenden Bestimmung des § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO, dass Gebäude oder Gebäudeteile diese grundsätzlich nicht überschreiten dürfen (ThürOVG, U.v. 26.4.2017 a.a.O. juris Rn. 43). Bei Nebenanlagen gem. § 14 BauNVO sowie (sonstigen) in den Abstandsflächen zulässigen baulichen Anlagen – und damit auch bei einem Carport, wie ihn die Kläger errichten wollen – ist für die Prüfung, ob ein in Bezug auf die überbaubare Fläche an sich den Rahmen überschreitendes Vorhaben sich ausnahmsweise dennoch einfügt, weil es keine städtebaulichen Spannungen herbeiführt (s.o.), § 23 Abs. 5 BauNVO entsprechend anzuwenden. Weil nach § 34 Abs. 1 BauGB eine gebundene Entscheidung zu treffen ist, scheidet im unbeplanten Innenbereich eine Ermessensentscheidung wie im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 23 Abs. 5 BauNVO aus. Allerdings sind die materiellen Maßstäbe des § 23 Abs. 5 BauNVO, nach denen bei der Ermessensentscheidung vor allem die städtebaulichen Folgen einer Zulassung von Nebenanlagen nach Satz 1 sowie von (sonstigen) baulichen Anlagen nach Satz 2 außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen zu beachten sind, bei der Entscheidung nach § 34 Abs. 1 BauGB von Bedeutung. Sprechen städtebauliche Gründe gegen die Zulässigkeit eines bestimmten Vorhabens i.S. von § 23 Abs. 5 Satz 1 oder Satz 2 BauNVO außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen, die im Geltungsbereich eines Bebauungsplans eine ablehnende Entscheidung der zuständigen Behörde nach § 23 Abs. 5 BauNVO rechtfertigen könnten, lässt sich bei einer Beurteilung nach § 34 Abs. 1 BauGB feststellen, dass solche Vorhaben sich hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche nicht im Sinne dieser Bestimmung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen und daher bauplanungsrechtlich unzulässig sind (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2005 – 1 CS 04.3461 – juris Rn. 16 ff., 24; OVG NW, U.v. 19.6.2008 – 7 A 2053/07 – ZfBR 2009, 165 = juris Rn. 27 ff.; ThürOVG, U.v. 26.4.2017 a.a.O. juris Rn. 44 ff.).“
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Unter Berücksichtigung der darin aufgezeigten Grundsätze ergibt sich für das vorliegende Verfahren Folgendes:
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Zwischen den Beteiligten ist vorliegend streitig, ob in der näheren Umgebung eine faktische Baugrenze im straßenseitigen Bereich besteht und ob diese dazu führt, dass der sog. Vorgartenbereich von der streitgegenständlichen Bebauung mit einem Gartenhäuschen freizuhalten wäre. Die Kammer ist – insbesondere nach den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung – zu der Überzeugung gelangt, dass die streitgegenständliche Gartenhütte den Rahmen einhält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gebildet wird. Eine vorliegend etwa vorhandene faktische Baugrenze führt nicht dazu, dass dieser Rahmen überschritten wäre oder trotz Einhaltung dieses Rahmens bodenrechtliche Spannungen erzeugt würden.
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Nach Überzeugung der Kammer bildet die vorhandene Bebauung jedenfalls im westlichen Teil der …, in dem sich auch das Baugrundstück befindet, zwischen der Hausnummer * und maximal der Hausnummer … die Eigenart der näheren Umgebung. Die insoweit getroffenen Feststellungen waren Gegenstand der Erörterung mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2023. Weder der Umkreis noch die hierauf bezogenen Feststellungen in der mündlichen Verhandlung waren zwischen den Beteiligten streitig, so dass es insbesondere keines gerichtlichen Augenscheines bedurfte.
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Aus dem G.-Maps-Lageplan, der mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde und der eine Draufsicht auf die … von der … an bis zu ihrem Ende (Sackgasse) ermöglicht, ergibt sich, dass die Hauptgebäude sowohl im westlichen Bereich der … bis zur Hausnummer … als auch im östlichen Bereich bis zur Hausnummer … sämtlich von der straßenseitigen Grundstücksgrenze her gesehen nach hinten abgerückt sind und die straßenseitigen Vorderfassaden somit eine einheitliche Flucht bilden. Dadurch ergibt sich augenscheinlich der von der Beklagten als Vorgartenbereich bezeichnete von Hauptgebäuden freigehaltene Bereich.
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Bei der vom Kläger teilweise errichteten und hier streitgegenständlichen Gartenhütte handelt es sich um eine Nebenanlage im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Eine bauliche Anlage ist dann eine untergeordnete Nebenanlage, wenn sie funktional und räumlich – gegenständlich dem primären Nutzungszweck der Hauptanlage oder des Baugebiets zugeordnet ist und in diesem Verhältnis eine nachrangige, sinnvoll ergänzende Rolle einnimmt (BeckOK, BauNVO/Henkel, 32. Edition, 15.1.2023, BauNVO, § 14 – beck-online Rn. 22 unter Hinweis auf u.a. BVerwG, NJW 1983, 2713 f.; BayVGH, BeckRS 2022, 31333). Bei der Frage, ob nach den Maßstäben des § 23 Abs. 5 BauNVO, der in Ermangelung eines Bebauungsplanes nicht unmittelbar anwendbar ist, städtebauliche Gründe gegen die Zulässigkeit des Vorhabens außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen sprechen, ist zu berücksichtigen, dass innerhalb des durch die Eigenart der näheren Umgebung gebildeten Rahmens bereits mehrere Nebengebäude verwirklicht sind. Gemäß den Feststellungen in der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2023 befinden sich allein im westlichen Teil der …, in dem auch das klägerische Grundstück gelegen ist, mehrere Nebenanlagen im sog. Vorgartenbereich, welche nicht nur auf Grund ihrer Häufung und Nähe die Eigenart der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Grundstücks hinsichtlich der überbaubaren Grundstücksfläche prägen: So existieren im Vorgartenbereich der … ein Gartenhäuschen und in der … ein Carport. Des Weiteren hat der Kläger auf zwei nebeneinanderliegende, ca. 3 m x 5 m große, aufgeständerte und mit Geländer versehene Terrassenkonstruktionen im Vorgartenbereich des Anwesens … hingewiesen und hierzu entsprechende Lichtbilder zu den Akten des Gerichts vorgelegt. Zur Genehmigungssituation konnte die Beklagtenvertreterin jeweils keine Angaben machen. Allein diese drei Anlagen können auf Grund ihrer Häufung, ihrer Dimension und (jedenfalls bei dem Gartenhäuschen und dem Carport) auf Grund ihrer Exponiertheit nicht mehr als sog. „Ausreißer“ angesehen werden, welche die nähere Umgebung zum klägerischen Grundstück nicht prägen würden und daher bei der Frage, ob Nebenanlagen auf den nicht überbaubaren Grundstücksflächen zugelassen werden müssen, außer Betracht bleiben müssten. Vielmehr sieht das Gericht die genannten Anlagen als derart prägend für das Baugrundstück des Klägers an, dass von der streitgegenständlichen Gartenhütte, welche als Nebenanlage ebenfalls außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche zu liegen kommen soll, ersichtlich keine bodenrechtlichen Spannungen ausgehen. So handelt es sich auf Grund der bereits vorhandenen Nebenanlagen in den benachbarten Vorgartenbereichen weder um einen Präzedenzfall, dessen Vorbildwirkung verhindert werden müsste, noch ist das Vorhaben bezogen auf seine Dimensionierung geeignet, einen städtebaulichen Missstand hervorzurufen. Selbst wenn man den maßgeblichen Rahmen hier weiter fassen und den östlichen Teil der … bis zur Hausnummer … einbeziehen müsste, ergibt sich nichts Anderes. Denn auch im Bereich der östlichen …, also in dem Teil, der dem klägerischen Grundstück gegenüberliegt, befinden sich mehrere Nebenanlagen im Bereich der nichtüberbaubaren Grundstücksfläche. Nach den Feststellungen des Gerichts befindet sich vor dem Anwesen mit der Hausnummer …, ebenfalls im Vorgartenbereich, ein Nebengebäude. In der … wurden drei Garagen sowie ein Trafohäuschen außerhalb der faktischen Baugrenze errichtet.
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Demnach fügt sich die streitgegenständliche Gartenhütte des Klägers in die Eigenart der näheren Umgebung ein, so dass die maßgebliche Begründung der Beklagten für die angefochtene Beseitigungsanordnung durch Bescheid vom 9. Juni 2022 in ihrer Ziffer 1 nicht tragfähig ist. Etwaige bauordnungsrechtliche Gesichtspunkte, welche die Gartenhütte materiell-rechtlich im Sinne von Art. 55 Abs. 2 BayBO rechtswidrig machen würden, wurden weder vorgetragen, noch sind sie für das Gericht ersichtlich.
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2. Hinzu kommt, dass die Beklagte jedenfalls die gemäß § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nachprüfbaren Ermessensgrenzen nicht eingehalten hat. So hat die Beklagte wohl zwar erkannt, dass ihr im Rahmen von Art. 76 Satz 1 BayBO ein Ermessen zukommt (vgl. Seite 4 des Bescheids vom 9.6.2022, 2. Absatz: „In Ausübung pflichtgemäßen Ermessens“). Allerdings hat sich die Behörde nicht an die Grenzen der Rechtsgrundlage gehalten, da sie den im Rahmen der Beseitigungsanordnung zu wahrenden Gleichheitsgrundsatz gemäß Art. 3 Abs. 1 GG missachtet hat. Dieser verpflichtet die Behörde zwar grundsätzlich nicht, sämtliche baurechtswidrige Zustände, welche sie in einem Bereich möglicherweise festgestellt hat, zeitgleich aufzugreifen. Sie darf sich vielmehr – schon auf Grund personeller und sonstiger sachlicher Zwänge – auf ein Vorgehen gegen einzelne Störer beschränken. Allerdings muss dem Vorgehen der Behörde eine gewisse Systematik innewohnen, mithin sachlich gerechtfertigt sein, damit das Vorgehen nicht willkürlich und damit gleichheitssatzwidrig erscheint (Busse/Kraus/Decker, 149. Ergänzungslieferung, Januar 2023, BayBO Art. 76 – beck-online Rn. 231 bis 235).
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Die Beklagte, welche bezogen auf das Vorliegen der Voraussetzungen der Eingriffsbefugnisnorm im Falle der Unaufklärbarkeit darlegungs- und beweispflichtig ist (Schübel-Pfister in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 86 – beck-online Rn. 5), konnte jedoch im gesamten gerichtlichen Verfahren und insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung am 31. Mai 2023 keine Angaben dazu machen, ob die jeweils im Vorgartenbereich unstreitig vorhandenen Nebenanlagen in der … genehmigt sind. Hinsichtlich des Carports in der … erklärte die Beklagtenvertreterin hingegen, dass hier ein bauaufsichtliches Einschreiten aus ihrer Sicht durchaus angezeigt wäre. Der Kläger hatte die Bauaufsichtsbehörde der Beklagten jedoch bereits mit E-Mail vom 18. Mai 2021 (Bl. 26 f. der Behördenakte (P1-2021-22)) u.a. auf den Carport aufmerksam gemacht. Eine weitere Befassung der Behörde mit diesem Carport ist ausweislich der vorgelegten Behördenakten jedoch nicht ersichtlich und ist erklärtermaßen auch nicht erfolgt. In dem angefochtenen Bescheid finden sich diesbezüglich jedenfalls keine Ausführungen.
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Nach alledem erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig und war daher durch das Gericht, soweit er nicht durch den Bescheid vom 8. Dezember 2022 aufgehoben worden ist, in seinen Ziffern 1, 3, 4 und 5 aufzuheben.
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II. Der Bescheid vom 8. Dezember 2022, mit dem Ziffer 2 des Bescheids vom 9. Juni 2022 dahingehend abgeändert wurde, dass die auf dem Grundstück des Klägers errichteten Einfriedungen innerhalb einer Frist von einem Monat ab Unanfechtbarkeit auf eine Höhe von maximal 1,30 m zurückzubauen sind, ist ebenfalls rechtswidrig.
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Trotz der beabsichtigten Konkretisierung von Ziffer 2 des Bescheids vom 9. Juni 2022, der einen Rückbau der Einfriedungen auf ein „halbhohes Maß“ angeordnet hatte, erweist sich der Änderungsbescheid als nicht hinreichend bestimmt. Zwar führte die Beklagte im angegriffenen Änderungsbescheid aus, dass mit dem Begriff „halbhoch“ eine Höhe von maximal 1,30 m gemeint sei, und ordnete daher explizit einen Rückbau der Einfriedungen auf dem Grundstück des Klägers auf eine Höhe von maximal 1,30 m an. Allerdings ergibt sich weder aus dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 8. Dezember 2022 noch aus den vorgelegten Behördenakten, ab welchem Punkt die Höhe der Einfriedung aus Sicht der Beklagten zu bemessen ist, wie dies eigentlich – auch gemäß § 18 Abs. 1 BauNVO – erforderlich gewesen wäre. Ohne Bezugspunkt ist die Anordnung für den Kläger nicht umsetzbar und für die Beklagte – gerade auch im Hinblick auf das angedrohte Zwangsgeld – nicht vollziehbar, zumal es sich um ein zur Straßenseite hin fallendes und im Vergleich zur natürlichen Oberfläche wohl geänderten Gelände handelt.
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Auf die Frage, ob sich die streitgegenständliche Einfriedung in die Eigenart der näheren Umgebung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB einfügt, kommt es mithin nicht mehr entscheidungserheblich an. Allerdings sei an dieser Stelle vorsorglich darauf hingewiesen, dass die Steuerungswirkung, wie sie von der Beklagten möglicherweise gewünscht wird, jedenfalls hinsichtlich des verwendeten Materials oder auch der Farbe der Einfriedung im Rahmen des Einfügungsgebots des § 34 BauGB begrenzt ist. Zwar muss sich die Einfriedung, was ihre Höhe betrifft, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen, § 16 Abs. 2 Nr. 4 BauNVO. Dafür wären aber auch entsprechende Feststellungen der Behörde über die tatsächlichen Höhen der in der näheren Umgebung des Vorhabengrundstücks vorhandenen Einfriedungen erforderlich. Hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung der Einfriedung unterliegt diese hingegen nicht dem Einfügungsgebot. Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung des Ortsbildes durch die streitgegenständliche Einfriedung wurden nicht einmal ansatzweise geltend gemacht und sind für das Gericht nicht ersichtlich. Die seitens der Beklagten angeführte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. März 2015 (1 ZB 13.1336, BeckRS 2015, 43042 – beck-online) betraf einen – hier nicht vorliegenden – Sonderfall einer 35 m langen und knapp 2 m hohen Mauer, welche aus einer mit Steinen gefüllten Metallkonstruktion bestanden hat und sich nach Auffassung des BayVGH und der Vorinstanz bereits nach der Art der baulichen Nutzung nicht in die Eigenart der näheren Umgebung eingefügt hat. Die dort inmitten stehende Einfriedung stellte bereits keine mehr nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BauNVO zulässige Nebenanlage dar. Davon kann bei der hier streitgegenständlichen Einfriedung bestehend aus waagrecht verlegten Lärchenbrettern hingegen nicht die Rede sein.
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Nach alledem erweist sich auch der Änderungsbescheid vom 18. Dezember 2022 als rechtswidrig und war daher aufzuheben.
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III. Der Klage war somit in vollem Umfang mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO, der Streitwertbeschluss auf § 52 Abs. 2 GKG.