Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 22.05.2023 – Au 9 K 22.1919
Titel:

Altrecht, Änderung der Benutzungsanlage, Genehmigungserfordernis, Drittanfechtungsklage, keine Verletzung drittschützender Rechte, wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot

Normenketten:
WHG § 20
WHG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
WHG § 13 Abs. 1
Schlagworte:
Altrecht, Änderung der Benutzungsanlage, Genehmigungserfordernis, Drittanfechtungsklage, keine Verletzung drittschützender Rechte, wasserrechtliches Rücksichtnahmegebot
Fundstelle:
BeckRS 2023, 16637

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen haben die Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger begehren die Aufhebung einer der Beigeladenen erteilten wasserrechtlichen Genehmigung zur Errichtung einer automatischen Rechenanlage.
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Die Beigeladene betreibt auf Grundlage eines wasserrechtlichen Altrechts ein Wasserkraftwerk an der M. in ... . Die Kläger betreiben seit dem Jahr 2005 ebenfalls aufgrund eines Altrechts eine Wasserkraftanlage mit zugehörigem Stauwehr („...“), die im Unterwasser der Anlage der Beigeladenen liegt.
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Im Oktober 2016 baute die Beigeladene bei ihrer Wasserkraftanlage eine automatische Rechenreinigungsanlage mit Spülrinne ein. Ein am 31. Mai 2017 nachträglich gestellter Antrag auf Genehmigung dieser Änderung wurde seitens des Beklagten abgelehnt. Die von der Beigeladenen hiergegen erhobene Klage (Au 9 K 17.1591) wurde mit Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 6. Mai 2019 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Beigeladene legte daraufhin beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Berufung gegen das Urteil ein (Az. 8 BV 22.2392). Nach Abgabe übereinstimmender Erledigungserklärungen wurde das Berufungsverfahren mit Beschluss vom 22. Dezember 2022 eingestellt.
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Am 16. März 2021 reichte die Beigeladene beim Beklagten einen neuen Antrag auf wasserrechtliche Genehmigung eines Umbaus der Rechenanlage (neuer stationärer Vertikalrechen samt automatisierter Rechenreinigungsmaschine) ein. Das Rechengut sollte hierbei nicht mehr dem Wasser entnommen, sondern über den vorhandenen Spülkanal stromabwärts mit der fließenden Welle weitergegeben werden. Nach Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes, in der Bedenken hinsichtlich noch bestehender Lücken und Unklarheiten geäußert wurden, reichte die Beigeladene am 3. Juni 2021 ergänzende Unterlagen nach. Den Unterlagen zufolge soll das angeschwemmte Schwemmgut sowie mit dem Rechen geförderter Zivilisationsmüll zurückgehalten, separiert und entsorgt werden. Sichergestellt werde dies durch ein Siebmaß von 100 mm, wodurch Rechengut ab einer Größe von 100 mm zurückgehalten und auf ein Podium geleert werde, von wo es manuell oder anderweitig gesammelt und entsorgt werde.
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Am 2. Mai 2022 erhob der Kläger zu 2 bei dem Beklagten schriftliche Einwendungen gegen das Vorhaben. Der Erläuterungsbericht widerspreche sich, da einerseits von einem vertikalen und andererseits von einem horizontalen Rechen die Rede sei. Außerdem dürfe nach § 8 Abs. 3 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) das Einbringen von Stoffen in Gewässer nicht genehmigt werden. Es sei zweifelhaft, dass der ökologische Nutzen eines Verbleibs organischen Treibgutes im Gewässer angesichts seiner Entnahme durch die Unterlieger gegeben sei. Bereits jetzt käme es zu einer unzulässigen Belastung der Unterlieger, da das entnommene Rechengut händisch wieder in das Unterwasser eingebracht werde. Der Umbau der Rechenanlage verstoße gegen die mit Bescheid vom 2. November 1951 erteilte Genehmigung. Das Vorhaben verstoße außerdem gegen § 5 und § 6 Abs. 1 WHG. Generell sei eine erhebliche Betroffenheit der Unterlieger gegeben, da die Kläger das organische Material von mindestens 5 Flusskilometern bekommen würden und es normalerweise nur 650 Meter seien. Des Weiteren sei das Siebmaß von 100 mm viel zu groß, da eine 1,5 l Flasche einen Durchmesser von 80 mm und kleinere einen Durchmesser von 50-60 mm hätten. Es gäbe außerdem sehr viel kleineren Müll, der durch die Stäbe durchfalle.
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Am 18. Juli 2022 fand eine Erörterungsversammlung statt, bei der auch der Kläger zu 2 anwesend war. Dieser ergänzte seine schriftlichen Einwendungen dahingehend, dass im Bereich der von der Beigeladenen betriebenen Stauanlage vor einigen Jahren die M.ufer ausgebaggert und die Ufermauern neu errichtet worden seien. In diesem Zuge sei der Staupunkt neu eingemessen worden. Die Stauhöhen der Anlage „...“ und der von der Beigeladenen betriebenen Anlage seien laut Wasserbuch identisch, was nicht plausibel sei und einer Korrektur bedürfe. Des Weiteren sei die Verwendung des Begriffs „fließende Welle“ im Zusammenhang mit der Beschreibung des Spülvorgangs nicht adäquat, da dieser nahelege, dass von einem kontinuierlichen Ablauf auszugehen sei. Das geplante Vorhaben stelle jedoch eine diskontinuierliche Rechenreinigung dar.
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Mit Bescheid vom 22. September 2022 wurde den Beigeladenen in Ziffer I.1. die Genehmigung zur Errichtung einer automatischen Rechenanlage mit Spülrinne bei der bestehenden Wasserkraftanlage an der M. in ... erteilt. In den Inhalts- und Nebenbestimmungen in der Ziffer II. ist unter anderem folgendes ausgeführt:
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Ziffer II.1.9: Das aus dem Wasser entnommene Rechengut ist unmittelbar nach Entnahme in geeigneten Behältern oder baulichen Vorrichtungen zu sammeln und zu lagern. Eine versehentliche Wiedereinbringung (z.B. durch Wind) ist durch geeignete Vorkehrungen zu verhindern.
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Ziffer II.1.10: Das Material ist nach den Bestimmungen des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) einer geeigneten Entsorgung bzw. Verwertung zuzuführen.
10
Ziffer II.1.11: In der Periode erhöhten Treibgutanfalls (…) sind zur Reduktion der Belastung der Unterlieger die Zeitintervalle zwischen den einzelnen Rechenreinigungsvorgängen auf jeweils maximal eine Stunde einzustellen. Eine nachträgliche Anpassung dieser Bestimmung bleibt vorbehalten.
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Ziffer II.1.12: Die Trennung und Entfernung des Zivilisationsmülls ist für einen Probebetrieb von einem Jahr ab Eingang der Bauvollendungsanzeige durch Führung eines Betriebstagebuches zu dokumentieren. Das Betriebstagebuch ist dem Landratsamt ... umgehend nach Ende der Probephase vorzulegen (…).
12
Ziffer II.1.13: Falls eine vollumfängliche Entnahme des anthropogenen Materials nicht gewährleistet werden kann, sind in Rücksprache mit dem WWA ... bauliche Änderungen (Lage der Gitterstruktur, Abstände der Gitterstäbe, etc.) vorzunehmen.
13
Ziffer II.1.14: Sollte es auch mittels nachträglicher Optimierungsversuche nicht gelingen, eine vollständige Entnahme des anthropogenen Materials sicherzustellen, hat umgehend ein vollständiger Rückbau der Spülrinne sowie ab dem Zeitpunkt des Rückbaus die vollständige Entnahme und Entsorgung des gesamten Rechenguts zu erfolgen.
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In der Begründung des Bescheids wird ausgeführt, dass für die Wasserkraftanlage der beigeladenen ein wasserrechtliches Altrecht vorliege und durch die Baumaßnahme die Anlage eine wesentliche Änderung erfahre, weshalb eine Anpassung des Altrechts erforderlich sei. Der Umbau der Rechenanlage erfülle keinen eigenständigen Benutzungstatbestand nach § 9 WHG, der gem. § 10 WHG durch Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung zu gestatten wäre. Die Genehmigungsbedürftigkeit der Änderungen resultiere jedoch aus der Klärungsbedürftigkeit der Auswirkungen des Vorhabens auf wasserwirtschaftliche Belange sowie die rechtliche Betroffenheit der Unterlieger. Eine rechtliche Betroffenheit Dritter hätte im Zuge des Verfahrens nicht abschließend beantwortet werden können. Nach der Prognose des amtlichen Sachverständigen sei die Funktionalität des vorgelegten Entnahmekonzepts zumindest nicht als negativ zu beurteilen. Für die Beurteilung einer tatsächlichen und rechtlichen Betroffenheit der Unterlieger infolge einer möglicherweise zu ihren Lasten verlagerten Rechengutentnahme sei eine Erprobung der Praxistauglichkeit nötig. Die im Bescheid getroffene Nebenbestimmung zur Durchführung eines Probebetriebs diene deshalb auch dem Zweck, das Ob und gegebenenfalls Art und Maß der nachteiligen Auswirkungen zu ermitteln. Die diesbezüglich erlassenen Nebenbestimmungen würden sicherstellen, dass den Unterliegern keine unzumutbaren Beeinträchtigungen auf Dauer entstehen würden. Bei der rechtlichen Beurteilung der ursprünglichen Pläne sei von einer nicht zumutbaren Belastung der Unterlieger auszugehen gewesen. Da nach der aktuellen Planung hingegen das Rechengut, welches das Siebmaß von 100 mm überschreitet, durch die Müllfalle separiert und entsorgt werde, werde die Belastung der Unterlieger aller Voraussicht nach sinken.
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Für den näheren Inhalt des Bescheides wird auf die Behördenakte (Bl. 310 ff.) verwiesen.
16
Mit Schriftsatz vom 30. September 2022 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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den Bescheid des Landratsamts, Nr. ... Az. ... vom 22. September 2022 aufzuheben
18
Eine Begründung der Klage erfolgte zunächst nicht. Mit Schreiben vom 23. März 2023 bestellte sich eine weitere Bevollmächtigte für die Kläger und erhielt am 30. März 2023 Einsicht in die Gerichts- und Behördenakten.
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Mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023 führte die Klägerbevollmächtigte aus, dass sich das bei den Klägern ankommende Rechengut seit Betrieb der Spülrinne um die 2,5-fache Menge gesteigert habe. Das Rechengut werde nicht mit der fließenden Welle weitergegeben, sondern komme „haufenweise“ bei den Klägern an. Dies führe dazu, dass der Rechenreiniger der Kläger verstopft, was zu einem beträchtlichen Leistungsausfall bzw. einem kompletten Ausfall der Anlage der Kläger führe. Die Kläger hätten, nachdem auch die Oberlieger des Beigeladenen sämtliches Rechengut weiterschicken würden, Rechengut von über 5 Flusskm M. wegzuräumen. Zuletzt seien am 17. April 2023 trotz offener Schützen über 4m3 schweres, altes Grundlaub und eine Unmenge an Ästen bei den Klägern angekommen, weshalb die Anlage komplett stillgestanden hätte. Derzeit betrage der jährliche Leistungsausfall seit Oktober 2016 ca. 10.000,00 EUR. Der jährliche Mehraufwand an Arbeitsleistung betrage zusätzlich ca. 2.000,00 bis 3.000,00 EUR. In rechtlicher Hinsicht sei der Bescheid bereits unbestimmt i.S.d. Art. 37 BayVwVfG. Aus den Gründen des Bescheids gehe hervor, dass der Probebetrieb auch dazu diene, das Ob sowie ggf. Art und Maß der nachteiligen Auswirkungen des Vorhabens zu ermitteln. Dadurch solle sichergestellt werden, dass den Unterliegern durch das Vorhaben auf Dauer keine unzumutbaren Beeinträchtigungen entstehen. Dies sei jedoch den Nebenbestimmungen nicht zu entnehmen. In diesem Zusammenhang werde nicht auf die möglichen Beeinträchtigungen oder Schäden abgestellt, die den Unterliegern entstehen. Ferner sei nicht erkennbar, wann und wie kontrolliert werde, ob eine Entnahme des anthropogenen Materials gewährleistet werde. Es hätte der Passus aufgenommen werden müssen, dass bei den Unterliegern kein Unrat ankommen dürfe und dies in regelmäßigen, festgelegten Abständen zu kontrollieren und dokumentieren sei. Der Behörde sei es noch nicht möglich gewesen, die Frage der rechtlichen Betroffenheit Dritter im Zuge des Verfahrens abschließend zu beantworten. In den Auflagen sei gerade nicht sichergestellt, dass diverse Müllarten aus dem Gewässer entnommen und abfallrechtlich ordnungsgemäß entsorgt werden und nur gewässerunschädliches organisches Material in das Unterwasser durchgeschleust wird.
20
Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2023 ergänzt die Bevollmächtigte ihr Vorbringen dahingehend, dass die genehmigte Stauhöhe bei der Anlage der Beigeladenen nicht eingehalten werde. Hierzu nimmt sie Bezug auf ein Gutachten zur Anlage der Beigeladenen aus dem Jahr 1997. Für Einzelheiten wird auf den Schriftsatz Bezug genommen.
21
Der Beklagte und die Beigeladene haben sich nicht zur Sache geäußert.
22
Am 22. Mai 2023 fand die mündliche Verhandlung statt. Sowohl der Beklagte als auch der Bevollmächtigte der Beigeladenen weisen darauf hin, dass ein Umbau und Betrieb der Spülrinne samt Rechen im Sinne des Bescheids vom 22. September 2022 bisher nicht erfolgt sei, da aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Klage von der Genehmigung noch kein Gebrauch gemacht werden konnte. Momentan werde der Zivilisationsmüll händisch aus dem Wasser entnommen.
23
Der Beklagte stellte in der mündlichen Verhandlung den Antrag,
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die Klage abzuweisen.
25
Der Bevollmächtigte der Beigeladenen hat ebenfalls beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Für den weiteren Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen. Ebenfalls beigezogen wurde die Gerichtsakte des Verfahrens Au 9 K 17.1591.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg. Die Kläger können sich nicht darauf berufen, dass sie durch die der Beigeladenen erteilte Genehmigung in drittschützenden Rechten verletzt sind.
30
I. Die Klage ist zulässig. Sie ist als Drittanfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft, da sich die Kläger mit ihrer Klage gegen die einem Dritten erteilte wasserrechtliche Genehmigung wenden und die Aufhebung des Bescheids vom 22. September 2022 erreichen wollen. Die Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben, wenn die Kläger geltend machen, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Dabei dürfen die Anforderungen an diese Sachurteilsvoraussetzung nicht überspannt werden. Die Klagebefugnis kann jedoch verneint werden, wenn es offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise möglich erscheint, dass die streitgegenständliche Genehmigung die Kläger in einem subjektiven Recht verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 27.10.1998 – 11 A 10.98 – juris Rn. 14).
31
Da die Kläger im Hinblick auf die angegriffene wasserrechtliche Gestattung nicht Adressaten des Bescheids sind, müssen sie geltend machen können, durch den an die Beigeladene gerichteten Verwaltungsakt möglicherweise in eigenen subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt zu sein oder dass der Bescheid gegen Normen verstößt, die auch dem Schutz ihrer Rechte zu dienen bestimmt sind. Denn öffentlich-rechtlicher Nachbarschutz lässt sich für den Bereich des Wasserrechts – nicht anders als für andere Gebiete des öffentlichen Rechts – grundsätzlich nur aus Rechtsvorschriften ableiten, die das individuell geschützte private Interesse Dritter und die Art der Verletzung dieser Interessen hinreichend deutlich erkennen lassen (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56.83 – juris Rn. 9).
32
Die Klagebefugnis der Kläger ist vorliegend gegeben. Die Kläger haben vorgetragen, durch die neue Funktionalität des Entnahmekonzepts an der Anlage der Beigeladenen aufgrund einer möglicherweise hieraus folgenden, zu ihren Lasten verlagerten Rechengutentnahme betroffen zu sein. Eine Verletzung des sich aus § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 13 Abs. 1 WHG ergebenden Rücksichtnahmegebots, das Drittschutz vermittelt, ist daher zumindest möglich. Ob tatsächlich ein Verstoß vorliegt, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
33
II. Die Klage ist unbegründet.
34
1. Ob die Klage bereits deswegen keinen Erfolg hat, weil die Kläger mit ihrem Klagevortrag nach § 6 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) präkludiert waren oder ob nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V. m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO die Präklusionswirkungen im Hinblick auf die Bestellung einer weiteren Bevollmächtigten nicht eingetreten sind, muss nicht abschließend beurteilt werden, da der angegriffene Bescheid auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags die Kläger nicht in drittschützenden Rechten verletzt.
35
Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat eine Person innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung ihrer Klage gegen eine Entscheidung im Sinn von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind grundsätzlich nur zuzulassen, wenn die Verspätung genügend entschuldigt ist (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Die Frist kann nach § 6 Satz 4 UmwRG (nur) dann auf Antrag verlängert werden, wenn die Person in dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren keine Möglichkeit der Beteiligung hatte. Dahin gestellt kann bleiben, ob sich die Anwendbarkeit bereits aus § 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwRG i.V.m. Anlage 1 Nr. 13.14 Spalte 2 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) ergibt, weil es sich bei der streitgegenständlichen Maßnahme lediglich um eine technische Anpassung des auf einem Altrecht beruhenden Betriebs einer Wasserkraftanlage und nicht um eine Zulassungsentscheidung handelt. Jedenfalls folgt die Anwendbarkeit des Umweltrechtsbehelfsgesetzes aus § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG.
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Stellt man auf die Erhebung der Klage am 30. September 2022 ab, so ist die Begründung der Klage mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023 eindeutig nach Ablauf der 10-wöchigen Frist erfolgt. Würde man auf den Zeitpunkt der Akteneinsicht der weiteren Klägerbevollmächtigten am 30. März 2023 abstellen, so wäre die Frist eingehalten. Ob letzteres möglich ist, erscheint jedoch fraglich, da mit Bestellung eines neuen oder weiteren Bevollmächtigten die Frist des § 6 Satz 1 UmwRG grundsätzlich unterlaufen werden könnte. Dies muss jedoch nicht abschließend entschieden werden, da die Klage ohnehin ohne Erfolg bleibt. Gleiches gilt im Hinblick auf § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO, dem zu Folge eine Präklusion nicht eintritt, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.
37
2. Die Klage bleibt schon deshalb ohne Erfolg, weil bei bescheidsmäßiger Ausführung des Vorhabens eine Verletzung der Kläger in drittschützenden Rechten nicht ersichtlich ist. Der Beklagte hat die Belange der Kläger in seiner Ermessenentscheidung im Rahmen des Genehmigungsverfahrens ausreichend berücksichtigt.
38
Notwendige Voraussetzung für den Erfolg einer Drittanfechtungsklage ist, dass die Kläger durch die mit Bescheid vom 22. September 2022 genehmigten Änderungen der Anlage der Beigeladenen in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt sind. Solche Rechte können sich für Drittbetroffene aus einfach gesetzlichen Vorschriften herleiten lassen, wenn diese dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Das bedeutet, dass sich die Prüfungskompetenz des Gerichts allein auf die Verletzung subjektivöffentlicher Rechte beschränken muss.
39
a) Der Einbau des neuen stationären Vertikalrechens samt automatisierter Rechenreinigungsmaschine stellt eine genehmigungspflichtige Änderung der Triebwerksanlage der Beigeladenen dar.
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Nach § 20 Abs. 1 WHG können Benutzungen, die aufgrund eines sogenannten Altrechts genehmigt oder aufrechterhalten wurden, nach Inkrafttreten des Wasserhaushaltsgesetzes unter den dort genannten Voraussetzungen fortgesetzt werden. Änderungen sind nur dann genehmigungspflichtig, wenn sie von Inhalt und Umfang des Altrechts nicht mehr umfasst sind. Einer Genehmigung bedarf es somit nicht, wenn die Änderungen technischen Bedürfnissen oder Fortschritten entsprechen und weder das Wohl der Allgemeinheit, noch Rechte Dritter berührt werden. Bestehen jedoch Zweifel daran, ob Auswirkungen für die Allgemeinheit oder Dritte bestehen, muss eine Erlaubnis beantragt werden, damit diese Frage im wasserrechtlichen Verfahren geklärt werden kann (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 10 Rn. 50, 52). Da nicht völlig auszuschließen war, dass die Kläger als Unterlieger durch die neue Funktionsweise der Rechenanlage in schutzwürdigen subjektiven Rechten verletzt sein könnten, war diese Frage in einem Verwaltungsverfahren zu klären und ein Genehmigungsverfahren durchzuführen (vgl. VG Augsburg, U.v. 10.5.2019 – Au 9 K 17.1591 – UA Rn. 21-24).
41
b) Die Verletzung des subjektiven Rechts eines Dritten kann sich bei einer wasserrechtlichen Genehmigung aus dem in § 6 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. §§ 13 Abs. 1 WHG verankerten wasserrechtlichen Gebot der Rücksichtnahme ergeben.
42
Dieses ist Anknüpfungspunkt für Drittschutz gegen alle Arten wasserrechtlicher Gestattungen. Die Wasserbehörde ist bei ihrer Ermessensentscheidung über einen Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Gestattung für eine bestimmte Gewässerbenutzung einem Entscheidungsprogramm unterworfen, das ihr – wie insbesondere § 6 Abs. 1 Nr. 3, § 13 Abs. 1 WHG belegen – auch aufgibt, die Interessen Dritter, die von der angestrebten Gewässerbenutzung berührt werden, zu berücksichtigen. Dies entspricht der Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Gewässerbewirtschaftung, verschiedene, gegebenenfalls miteinander in Widerstreit stehende Interessen an einer Nutzung des Gewässers zum Wohl der Allgemeinheit und auch im Interesse Einzelner zu koordinieren und einen haushalterischen Umgang mit Wasser und Gewässern zu gewährleisten (HessVGH, U.v. 1.9.2011 – 7 A 1736/10 – juris Rn. 97). Der objektiven Pflicht, im Rahmen der die Zuteilung betreffenden Ermessensentscheidung auf die Belange Dritter Rücksicht zu nehmen, korrespondiert ein subjektiv-öffentliches Recht auf Rücksichtnahme allerdings erst bei individualisierter und qualifizierter Betroffenheit des Dritten. Eine solche individualisierte und qualifizierte Betroffenheit des Dritten ist gegeben, wenn der Dritte zu einem von der Allgemeinheit abgrenzbaren Personenkreis zählt und seine Belange durch die Gewässerbenutzung, für die die Gestattung begehrt wird, in gravierender Weise betroffen sein wird. Gegenüber wasserrechtlichen Gestattungen ergibt sich sonach ein Abwehrrecht aus dem Gebot der Rücksichtnahme, wenn sich die erteilte Gestattung als Ermessensentscheidung im Hinblick auf Belange des Dritten nicht nur als objektiv defizitär, sondern darüber hinaus als rücksichtslos darstellt (vgl. BVerwG, U.v. 15.7.1987 – 4 C 56.83 – juris und B.v. 28.7.2004 – 7 B 61/04 – juris; BayVGH, U.v. 30.10.2007 – 22 B 06.3236 – juris Rn. 29; Reinhardt, DÖV 2011, 135, 138 f). Der erweiterte Maßstab des § 14 Abs. 3 WHG findet hingegen bei der Drittanfechtung einer Genehmigung, anders als bei einer Bewilligung und einer gehobenen Erlaubnis (vgl. § 15 Abs. 2 WHG) keine Anwendung.
43
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien bleibt die Klage ohne Erfolg, weil durch die der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Genehmigung zur Errichtung einer automatischen Rechenanlage keine rechtlich geschützten Interessen der Kläger in individualisierter und zugleich qualifizierter Weise erheblich betroffen sind, bzw. jedenfalls einem etwaigen Anspruch der Kläger auf Beachtung und Würdigung ihrer Belange mit demjenigen Gewicht, das ihnen unter den konkreten Umständen objektiv zukommt, genüge getan ist.
44
aa) Mit dem streitgegenständlichen Bescheid wurde der Beigeladenen der Einbau einer Spülrinne samt stationären Vertikalrechen mit automatisierter Rechenreinigungsmaschine genehmigt. Bei deren Betrieb soll Rechengut und Zivilisationsmüll, welches das Siebmaß von 100 mm übersteigt, abgefangen, auf ein Podest gehoben und bei der Beigeladenen entsorgt werden. Kleineres Schwemmgut wird hingegen mit der fließenden Welle über die Spülrinne in den Fluss weitergegeben.
45
Eine individualisierte und qualifizierte Betroffenheit wäre somit allenfalls durch eine erhebliche Erhöhung des Treibgutanfalls bei den Klägern in Betracht gekommen, wenn sich diese als unzumutbare Beeinträchtigung darstellen würde. Es ist jedoch bereits fraglich, ob die Kläger als Unterlieger einen Anspruch darauf haben, dass lediglich eine bestimmte Menge und Art von Treibgut bei ihnen angelangt. Nach § 10 Abs. 2 WHG geben Erlaubnis und Bewilligung i.S.d. § 8 WHG keinen Anspruch auf Zufluss von Wasser in einer bestimmten Menge und Beschaffenheit. Die Vorschrift schließt demnach aus, dass der Inhaber einer Bewilligung nachteilige Veränderungen des Wasserzuflusses und der Beschaffenheit in einem späteren Bewilligungsverfahren als Rechtsbeeinträchtigung abwehren kann (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, § 10 WHG Rn. 37). Alle Wasserbenutzer stehen durch ihre Beziehung zum Wasser in einer Art Gemeinschaft. In dieser haben sie darauf Rücksicht zu nehmen, dass das Wasser vielseitig und zum allgemeinen Vorteil benutzt werden kann, was grundsätzlich zur Duldungspflicht gegenüber Nachteilen, die durch die Wasserbenutzung eines anderen entstehen, führt. Eine Versagung der Bewilligung kommt lediglich bei einer schweren und unerträglichen Betroffenheit des Unterliegers in Betracht (vgl. Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, § 10 WHG Rn. 40).
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bb) Eine schwere und unerträgliche Betroffenheit der Kläger durch eine vermeintliche Erhöhung des Treibgutanfalls ist nicht gegeben. Durch das Siebmaß von 100 mm wird bei Betrieb des Rechens ausreichend sichergestellt, dass ein erheblicher Teil des angeschwemmten Schwemmguts und Zivilisationsmülls zurückgehalten und bei der Beigeladenen entsorgt wird. Außerdem werden in den Nebenbestimmungen unter Ziffer II. des Bescheids ausreichende Anordnungen getroffen, um eine möglicherweise nachteilige Verlagerung des Treibgutanfalls zu verhindern. Für Perioden erhöhten Treibgutanfalls wird ausdrücklich ein verkürztes Zeitintervall der Rechenreinigungsvorgänge geregelt, damit die Unterlieger zu keiner Zeit mit einer zu großen Menge Treibgut konfrontiert werden (Ziffer II.1.11). Eine drastische Erhöhung des bei den Klägern ankommenden Treibguts, welches zu einer unzumutbaren nachteiligen Belastung der Kläger führt, ist somit nicht zu erwarten.
47
Die Kläger können sich dabei auch – wie im vorliegenden Verfahren geschehen – nicht auf die momentan bei ihrer Anlage angelangende Menge an Treibgut berufen, da aktuell noch kein automatisierter Betrieb entsprechend der Genehmigung erfolgt. Rückschlüsse aus der derzeitigen Treibgutmenge können somit für die Situation der Kläger bei einem bescheidskonformen Betrieb der automatisierten Spülrinne nicht gezogen werden. Ebenso muss Beachtung finden, dass auch im Bereich der Strecke zwischen der Anlage der Beigeladenen und der Anlage der Kläger neues Material in den Fluss gelangen kann. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass ein Teil des bei den Klägern angespülten Treibguts nicht über die Anlage der Beigeladenen weitergeleitet wird. Dieses Treibgut kann der Beigeladenen somit nicht zugerechnet werden.
48
Nicht durchdringen können die Kläger mit ihrem Einwand, durch den genehmigten Betrieb der streitgegenständlichen Rechenreinigungsanlage zur Räumung einer etwa 5 km – langen Gewässerstrecke verpflichtet zu sein. Der Umfang des angeschwemmten Treibguts ist abhängig von der Lage am Gewässer und Ausdruck der wasserrechtlichen Situationsgebundenheit. Bei Nichtvorhandensein der Anlage der Beigeladenen wären die Kläger in gleicher Weise verpflichtet, das bei ihnen anlandende Treibgut zu entfernen bzw. technische Vorkehrungen zur Beseitigung zu treffen. Durch die nunmehr genehmigte Anlage der Beigeladenen kommt es nicht zu einer Erhöhung des im Gewässer vorhandenen Treibguts an sich. Die Anlage verändert die Situation für die Kläger als Unterlieger nicht.
49
Ob sich eine individualisierte und qualifizierte Betroffenheit der Kläger aus der von ihnen behaupteten nicht eingehaltenen Stauhöhe bei der Anlage der Beigeladenen ergibt, kann dahingestellt bleiben. Nach den glaubhaften Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes hat eine Nachmessung des Messpfahls stattgefunden, die den Verdacht von Manipulationen widerlegen konnte.
50
cc) Der Beklagte hat unabhängig davon die Belange der Kläger ausreichend in seiner Ermessensentscheidung berücksichtigt. Der Beklagte hat die ursprüngliche Planung ohne Müllfalle nicht genehmigt und sich auch nach Vorlage der überarbeiteten Pläne der Beigeladenen kritisch mit diesen auseinandergesetzt. Erst das nun hier streitgegenständliche Konzept samt Müllfalle wurde seitens der Beklagten genehmigt und in diesem Zuge zahlreiche Nebenbestimmungen zum Betrieb der geänderten Anlage erlassen. Zum einen wurden Regelungen getroffen, die zunächst einen erhöhten Treibgutanfall bei den Klägern verhindern soll (Ziffern II.1.9.-1.11.). Zum anderen hat der Beklagte Anordnungen für den Fall getroffen, dass die Entnahme des anthropogenen Materials nicht gewährleistet werden kann (Ziffern II.1.12.-1.14.). Der Beklagte hat sich somit erkennbar mit den Belangen der Kläger auseinandergesetzt, hat diese gewürdigt und ihnen entsprechend ihrem Gewicht durch die Fassung der Nebenbestimmungen Genüge getan. Die Genehmigung stellt sich somit nicht als rücksichtslos dar.
51
c) Nicht durchzudringen vermag der Vortrag der Bevollmächtigten der Kläger, der Bescheid sei zu unbestimmt gefasst und deshalb aufzuheben.
52
Ob eine wasserrechtliche Genehmigung Rechte des Dritten verletzten kann, wenn sie hinsichtlich Fragen, die für die Rechte Dritter relevant sind, unbestimmt ist und daher eine Verletzung von drittschützenden Rechten nicht auszuschließen ist (so der Fall bei Baugenehmigungen vgl. VG Würzburg, U.v. 3.12.2020 – W 5 K 19.1469 – BeckRS 2020, 39882 Rn. 21 f.), kann dahingestellt bleiben, da die Änderungsbewilligung des Landratsamts ... jedenfalls i.S.d. Art. 37 BayVwVfG bestimmt genug gefasst ist.
53
Ein Verwaltungsakt ist bestimmt, wenn der Inhalt der von der Behörde getroffenen Regelung unzweideutig erkennbar ist. Hierbei ist nicht nur der Tenor, sondern auch die Begründung des Bescheids heranzuziehen.
54
Die Beigeladene hat umfassende Unterlagen zum Betrieb der geänderten Anlage eingereicht und mehrmals an die gestellten Anforderungen des Landratsamts angepasst. Hinzu kommt, dass in Ziffer II. des Bescheids zahlreiche Nebenbestimmungen enthalten sind, die Maßgaben zur Art und Weise des Betriebs der geänderten Anlage und zum Schutz der Kläger als Unterlieger regeln. In Zusammenschau mit den Antragsunterlagen lässt sich der Genehmigung klar entnehmen, welches Material bei der Beigeladenen abgefangen und entsorgt wird. Zur Kontrolle ist die Entfernung und Trennung des angespülten Mülls in einem Betriebstagebuch zu dokumentieren. Für die Kläger lässt sich somit in erkennbarer Weise abschätzen, ob bzw. in welchem Maße sie aufgrund der vorgesehenen Änderung in eigenen Rechten betroffen werden können. Somit ist im Ergebnis auch hier eine Verletzung drittschützender Rechte nicht festzustellen.
55
III. Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO abzuweisen. Da die Beigeladene einen Antrag gestellt und sich damit kostenrechtlich in die gleiche Situation begeben hat wie die Hauptpartei, entspricht es der Billigkeit, den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen.
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IV. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).