Titel:
Erfolgreiches Eilverfahren gegen Sofortvollzug einer Aussetzung der Erteilung eines Vorbescheides bzgl. Windenergieanlage
Normenketten:
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 3a, § 80 Abs. 5 S. 1, § 80a Abs. 3
BauGB § 15 Abs. 3, § 35 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, Nr. 5, Nr. 6, § 245e Abs. 1, § 249 Abs. 1
Leitsätze:
1. § 15 Abs. 3 BauGB ist im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, sowohl bei Erteilung einer Vollgenehmigung oder als auch nur eines Vorbescheids, aufgrund derselben städtebaulichen Interessenlage wie im Baurecht entsprechend anwendbar. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Gesetzgeber hat das Institut der Zurückstellung für den Fall geschaffen, dass an sich das Vorhaben bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist, andernfalls ist eine Zurückstellung nicht erforderlich und damit rechtswidrig. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gemäß den Erfordernissen bzgl. der Abwägung bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen mit der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 S. 3 BauGB in Bezug auf Windenergieanlagen muss ein schlüssiges Gesamtkonzept entwickelt werden, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt und das nicht nur Auskunft darüber gibt, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich macht, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das Sicherungsinteresse der planenden Gemeinde und damit ihr Interesse am Sofortvollzug der Zurückstellungsentscheidung kann aufgrund besonderer Umstände nach Erlass des Zurückstellungsbescheides entfallen, wenn zB die Zurückstellung zur Sicherung der Planung aufgrund von Umständen nicht mehr erforderlich ist, die nach Erlass des Zurückstellungsbescheides eingetreten sind, etwa weil die Gemeinde die begonnene Planung erkennbar nicht mehr weiterverfolgt. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Erteilung eines immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids zur Errichtung von Windenergieanlagen, Flächennutzungsplan, sachlicher Teilflächennutzungsplan, Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, Zurückstellung der Entscheidung über die Erteilung des Vorbescheids, Eilrechtsschutz, Sofortvollzug, aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, gmeindliches Sicherungsinteresse, Vorbescheid, Windenergieanlage, Zurückstellung
Fundstellen:
BauR 2024, 102
BayVBl 2024, 337
BeckRS 2023, 15637
LSK 2023, 15637
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung der Klage 22 A 23.40000 der Antragstellerin gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2022 (Az. 45 – 170 – 356.H) wird wiederhergestellt.
II. Der Antragsgegner und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 625.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Antragsgegners, mit dem die Entscheidung über ihren Vorbescheidsantrag bezüglich der Errichtung von sechs Windenergieanlagen auf Antrag des Beigeladenen zurückgestellt wurde.
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Die Antragstellerin stellte erstmals unter dem 27. Mai 2022, eingegangen am 31. Mai 2022, beim Beigeladenen einen Antrag auf Erteilung eines Vorbescheids zur Genehmigung eines Windparks im Grafenbucher Forst ohne nähere Angaben. Unter dem 27. Juni 2022, beim Beigeladenen am 28. Juni 2022 eingegangen, stellte sie den Antrag erneut unter Beifügung eines ausgefüllten Antragsformulars des Landratsamts N. … (im Folgenden: Landratsamt), der Angabe der Koordinaten der geplanten sechs Windenergieanlagen, von zwei Karten, denen die geplanten Standorte der Windenergieanlagen zu entnehmen waren, sowie eines Schreibens der Bayerischen Staatsforsten. Geplant seien Anlagen mit einer Leistung von ca. 6 MW mit modernster Ausführung und einer Nabenhöhe von ca. 164 m.
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In einer Sitzung des Marktgemeinderates des Beigeladenen am 7. Juli 2022 wurde beschlossen, die Mitglieder hätten Kenntnis von der Antragstellung nach § 9 BImSchG für die Planung einer Windenergieanlage im Grafenbucher Forst. Das gemeindliche Einvernehmen werde aktuell nicht erteilt. Die Verwaltung solle die Zurückstellung des Antrags beantragen.
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In der Sitzung des Marktgemeinderates des Beigeladenen vom 14. Juli 2022 wurde ein Vorentwurf zur Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans vom 13. Juli 2022 vorgestellt, in dem sechs Sonderbauflächen als Konzentrationszonen für die Nutzung der Windenergie vorgesehen waren (Gesamtfläche: 99,34 ha). Der Marktgemeinderat beschloss die Kenntnisnahme der Entwürfe zur Änderung des Flächennutzungsplans zur Ausweisung von Konzentrationsflächen für die Windenergie entlang der BAB 6 und die Billigung der aufgeführten Standorte.
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Der Vorbescheidsantrag der Antragstellerin wurde dem Landratsamt am 3. August 2022 durch den Beigeladenen zugeleitet. Am gleichen Tag ging dem Landratsamt ein Antrag des Beigeladenen auf Aussetzung der Entscheidung nach § 15 Abs. 3 BauGB zu.
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Mit Schreiben vom 11. August 2022 teilte das Landratsamt der Antragstellerin mit, der Gegenstand des Vorbescheides sei nicht eindeutig bestimmt. Sie werde gebeten, die zu klärenden Fragen aufzugliedern. Mit Schreiben vom 23. August 2022 antwortete die Antragstellerin, sie beantrage eine allgemeine Vorprüfung für die in den Antragsheften benannten sechs Standorte im Grafenbucher Forst dahin, ob vorab grundsätzliche öffentliche Interessen gegen das Vorhaben bestünden. Da eine Vorabgenehmigung des Luftamtes Nord für die Aufstellung von Luftfahrthindernissen oder deren Einstufung in Bezug auf die Beeinträchtigung von Luftsicherheitseinrichtungen benötigt werde, werde gebeten, von Amts wegen eine Überprüfung der örtlichen Situation anhand der Aufstellungszeichnung einzuleiten. Die geplanten Anlagen hätten eine Gesamthöhe von 200 m. Weitere Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
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In seiner Sitzung vom 15. September 2022 beschloss der Marktgemeinderat des Beigeladenen die Änderung und Fortschreibung des bestehenden Flächennutzungsplanes; der Beschluss wurde am 16. September 2022 öffentlich bekannt gemacht.
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Mit Bescheid vom 8. Dezember 2022, der Antragstellerin am 9. Dezember 2022 zugestellt, setzte das Landratsamt nach Anhörung der Antragstellerin die Entscheidung über ihren Antrag auf Erteilung eines Vorbescheides für den Zeitraum von zwölf Monaten ab Zustellung des Bescheides aus. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung wurde ausgeführt, die auf dem Planaufstellungsbeschluss vom 15. September 2022 beruhenden Planungsabsichten des Beigeladenen seien hinreichend konkretisiert. Die Planung sei darauf gerichtet, Konzentrationsflächen für Windkraftanlagen im Außenbereich zu schaffen. Gleichzeitig würden die Errichtung und der Betrieb von Windenergieanlagen an anderen Standorten im Außenbereich nahezu ausgeschlossen. Die Planung der Kommune beinhalte eine Positiv-Ausweisung von Flächen für die Windenergie, nämlich sechs Teilflächen mit einer Gesamtgröße von 99,34 ha. Zusammen mit den bereits bestehenden Windenergieanlagen werde damit der Windkraft substantieller Raum im Gemeindegebiet zur Verfügung gestellt. Die von der Antragstellerin geplanten Windenergieanlagen befänden sich überwiegend nicht in den im Änderungsentwurf des Flächennutzungsplanes für Windkraft ausgewiesenen Konzentrationsflächen. Lediglich die Anlage 1 liege in einer im vorläufigen Flächennutzungsplan ausgewiesenen Konzentrationsfläche. Da die Fortschreibung und Neuaufstellung des Flächennutzungsplanes aufgrund der Flächengröße einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme, sei die Zurückstellung für den maximal möglichen Zeitraum von zwölf Monaten sachgerecht. Es bestehe ein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, da die Gemeinde die Planungshoheit über ihr Gebiet besitze und das Aufstellungsverfahren einen längeren Zeitraum in Anspruch nehme. Aufgrund der Änderung der BayBO vom 16. November 2022 seien die nicht in den vorgesehenen Konzentrationsflächen liegenden Standorte grundsätzlich privilegiert. Daher bedürfe es mit Blick auf die u.U. bestehenden Genehmigungsvoraussetzungen der sofortigen Vollziehung.
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Am 19. Januar 2023 beschloss der Beigeladene die Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplanes „Windenergie“ gemäß § 5 Abs. 2b BauGB für den gesamten Außenbereich des Gemeindegebiets mit dem Ziel, für die Windenergienutzung gut geeignete Flächen im Marktgebiet als Sonderbauflächen „Windenergie“ auszuweisen und für den übrigen Außenbereich des Marktgebietes die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu begründen. Der Beschluss wurde am 9. Februar 2023 öffentlich bekannt gemacht. In einer Sitzung des Marktgemeinderates vom 20. April 2023 wurde ein Vorentwurf für den sachlichen Teilflächennutzungsplan „Windenergie“ vom 13. April 2023 vorgestellt, der zehn neue Flächen als Konzentrationszonen für die Windenergie (Gesamtgröße: ca. 320,2 ha) vorsieht, die sich von den nach der bisherigen Planung (Vorentwurf vom 13. Juli 2022 zur Änderung des bestehenden Flächennutzungsplans) vorgesehenen Sonderbauflächen erheblich unterscheiden, und die Kenntnisnahme und Billigung der Planungsunterlagen sowie die Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange beschlossen.
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Die Antragstellerin erhob am 9. Januar 2023 Klage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 8. Dezember 2022 zum Verwaltungsgericht Regensburg (Az. RO 7 K 23.34) und begründete diese mit Schriftsatz vom 1. Februar 2023. Die Klage wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 25. Januar 2023 an den Verwaltungsgerichtshof verwiesen (Az. 22 A 23.40000).
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Die Antragstellerin beantragte zudem am 10. Februar 2023 beim Verwaltungsgerichtshof,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage wiederherzustellen.
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Zur Begründung trägt die Antragstellerin vor, der streitgegenständliche Bescheid sei rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 15 Abs. 3 BauGB nicht vorlägen. Der Beigeladene beabsichtige keine Ausschlussplanung für Windenergie nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB, denn der Planaufstellungsbeschluss verhalte sich nicht zum Thema Windenergie und zu einer Ausschlussfunktion nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Auch in der Begründung zum Vorentwurf, der zeichnerischen Darstellung im Vorentwurf und dem Umweltbericht zum Vorentwurf des Flächennutzungsplans fehle es an einer ausdrücklichen Anordnung, dass außerhalb der vorgesehenen Flächen keine Windenergieanlagen errichtet werden dürften. Die Bezeichnung als Konzentrationsfläche in der Begründung genüge insoweit nicht. In dem Planentwurf seien diverse Sondergebiete für verschiedene Zwecke, nicht nur Windenergie, vorgesehen und so auch in der Legende zum Plan ausgewiesen. Erst in dem Planaufstellungsbeschluss vom 19. Januar 2023 werde auf § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB hingewiesen. Zudem fehle es dem Planentwurf vom Juli 2022 an einem gesamträumlichen Planungskonzept unter Heranziehung harter und weicher Tabukriterien, das nach der Rechtsprechung für Flächennutzungspläne gefordert werde, die eine Planung mit Ausschlussfunktion für privilegierte Außenbereichsvorhaben vorsähen. Das der Auswahl der für die Windenergie vorgesehenen Flächen zugrundeliegende Gutachten sei nicht öffentlich bekannt und habe offenbar sieben Teilflächen herausgearbeitet, wovon der Planungsträger nur sechs übernommen habe. Selbst wenn man unterstelle, dass das Gutachten ein gesamträumliches Planungskonzept beinhalten würde, halte sich die Gemeinde nicht an das Ergebnis des Gutachtens. Schließlich seien die ins Auge gefassten Teilflächen für die Nutzung der Windenergie noch nicht letztabgewogen. Aus der Beschreibung der Sonderbauflächen SO 3, 4, 5 und 6 gehe hervor, dass der Beigeladene offenkundig selbst Konflikte im Bereich Artenschutz und Denkmalschutz erwarte. Die Begründung hebe hervor, diese Belange seien im weiteren Verfahren noch zu prüfen; für SO 5 werde sogar auf ein bedeutendes Fledermauswinterquartier hingewiesen. Es sei völlig offen, ob sich auf den Flächen überhaupt Windenergieanlagen realisieren ließen, und damit unklar, ob der Nutzung der Windenergie in substantieller Weise Raum gegeben werden könne. Insofern fehle es an einem Mindestmaß der absehbaren Planung. Im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zurückstellungsentscheidung habe es auch an einer Fortsetzung des Abwägungsprozesses gefehlt, die die anfänglichen Fehler hätte beheben können.
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Zudem führe § 245e Abs. 1 BauGB mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu, dass eine Ausschlusswirkung der Planung des Beigeladenen nicht mehr zum Tragen komme, weil der Flächennutzungsplan aufgrund der Erforderlichkeit zeitaufwendiger artenschutzrechtlicher Prüfungen nicht bis zum 1. Februar 2024 in Kraft treten könne. Ausweislich der Begründung zum Vorentwurf fehle es auf Seiten des Beigeladenen an einer aktuellen und belastbaren Erhebung hinsichtlich der Belange des Artenschutzes. Es seien bezüglich der Verfahrensdauer auch die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Aufstellung von Flächennutzungsplänen (U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11) zu berücksichtigen.
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Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen.
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Er trägt vor, der Bescheid des Landratsamts sei offensichtlich rechtmäßig. Es bedürfe zwar für die Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB eines Mindestmaßes an Konkretisierung der Planungsabsichten, doch sei ein Mindestinhalt der Planung gesetzlich nicht vorgegeben. Aus dem Beschluss des Marktgemeinderates vom 14. Juli 2022 über den Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan im Vorentwurf sei ohne weiteres ein Mindestmaß an Planung erkennbar. Diese sei darauf gerichtet, Flächen im Außenbereich für Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB auszuweisen, um sie gleichzeitig an anderer Stelle im Außenbereich auszuschließen, denn es solle eine Konzentrationszone für Windenergie geschaffen werden. Mit der Bezeichnung als Konzentrationszonen werde zum Ausdruck gebracht, dass die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB beabsichtigt sei. Die Ausschlusswirkung selbst trete kraft Gesetzes ein. Die Antragstellerin überspanne die Anforderungen an die erforderliche Konkretisierung der Planung. Ein Konzept, das auf harte und weiche Tabukriterien abstelle, sei im vorliegenden Planungsstadium noch nicht erforderlich. Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Normenkontrolle eines sachlichen Teilflächennutzungsplans (U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 – juris) sei nicht auf die Zurückstellung von Baugesuchen nach § 15 Abs. 3 BauGB übertragbar. Das geforderte Mindestmaß an Konkretheit sei nicht gleichzusetzen mit einer fertigen Konzentrationszonenplanung; es sei vielmehr ausreichend, dass ein Aufstellungsbeschluss im Wesentlichen das Ziel enthalte, überhaupt Konzentrationszonen darzustellen. Konkrete Fragen der Standorteignung als Konzentrationszone müssten dem Planungsverfahren vorbehalten bleiben. Es handele sich auch nicht um eine Verhinderungsplanung. Es sei absehbar, dass die Konzentrationszonenplanung dem Substanzgebot genügen werde, weil die angedachte Fläche für Windenergie 1,2% des Gemeindegebietes ausmache (99,34 ha Konzentrationsfläche bei einer Gemeindefläche von 8.297 ha), wobei nach Anlage 1 Spalte 1 WindBG der bis zum 31. Dezember 2027 zu erreichende Anteil der Landesfläche bei 1,1% liege. Angesichts dieses Flächenverhältnisses komme es auch nicht darauf an, ob bereits in diesem Verfahrensstadium erkennbar sein müsse, dass der Windenergie substantieller Raum eingeräumt werde. Es sei zudem nichts dafür ersichtlich, dass die Planung von vornherein nicht vollzugsfähig wäre. Die Einwände der Antragstellerin bezüglich der Eignung der angedachten Standorte seien nicht ausreichend substantiiert; aus ihnen ergäben sich keine unüberwindbaren Hindernisse im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Auch seien für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen mit dem Vierten Änderungsgesetz zum Bundesnaturschutzgesetz (BGBl 2022 I, S. 1362) und der EU-Dringlichkeitsverordnung vom 22. Dezember 2022 (VO (EU) 2022/2577) erhebliche Erleichterungen geschaffen worden. Im Bereich des Denkmalschutzes seien Erleichterungen geplant (vgl. Art. 6 Abs. 5 des Gesetzentwurfs der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes). Auf Bundesebene seien weitere Gesetzgebungsvorhaben vorgesehen (vgl. BT-Drs. 20/4823, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Raumordnungsgesetzes und anderer Vorschriften). Soweit die Antragstellerin vortrage, der Flächennutzungsplan hätte ohnehin nicht mehr bis zum 1. Februar 2024 wirksam werden können, sei dies im Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung des Landratsamts nicht absehbar gewesen.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls, den Antrag abzulehnen.
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Über den Vortrag des Antragsgegners hinaus bringt er vor, nach der zwischenzeitlich durch das beauftragte Planungsbüro überarbeiteten Potenzialanalyse werde sich eine Ausweisung von über 1,8% der Gemeindefläche realisieren lassen. Auf diese Potenzialanalyse und das daraus resultierende Konzept (Planbeilage zum jüngsten Gutachten zur Windenergienutzung vom Februar 2023) sei auch in Bezug auf das von der Antragstellerin geforderte gesamträumliche Planungskonzept zu verweisen. Die Planung sei offenkundig schlüssig, weil eine Konzentrationszone an einem Standort erwogen werde, an dem bereits Windenergieanlagen errichtet worden seien.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten des Landratsamts und des Beigeladenen verwiesen.
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Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid des Landratsamts vom 8. Dezember 2022 hat Erfolg.
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1. Der Verwaltungsgerichtshof ist für die Entscheidung über das Hauptsacheverfahren schon wegen der bindenden Verweisung durch das Verwaltungsgericht Regensburg zuständig (§ 83 VwGO, § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG); nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO folgt daraus auch die Zuständigkeit über den vorliegenden Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Unabhängig davon besteht die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs – wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat – gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a VwGO, wonach das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten entscheidet, die die Errichtung, den Betrieb und die Änderung von Anlagen zur Nutzung von Windenergie an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 m betreffen. Darunter sind im Sinne einer hier gebotenen weiten Auslegung des Anwendungsbereichs der Norm auch Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Klagen gegen eine Zurückstellungsentscheidung nach § 15 Abs. 3 BauGB in Bezug auf Anträge auf Erteilung immissionsschutzrechtlicher Vorbescheide für die genannten Vorhaben zu fassen (vgl. OVG NW, B.v. 20.7.2021 – 8 B 1088/21.AK – juris Ls. 1 und Rn. 4 ff.; VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Ls. 1 und Rn. 15 ff.; NdsOVG, B.v. 30.1.2023 – 12 MS 134.22 – juris Rn. 14).
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2. Der gemäß § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO statthafte und auch sonst zulässige Antrag ist begründet.
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Das Gericht kann gemäß § 80a Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs auf Antrag wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers am vorläufigen Aufschub der Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts das Interesse des begünstigten Dritten an seiner sofortigen Vollziehung überwiegt. Die in diesem Rahmen gebotene Interessenabwägung führt hier zu einem überwiegenden Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung vorerst verschont zu bleiben. Im Rahmen der im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung erweist sich der Bescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2022, mit dem die Entscheidung über den Vorbescheidsantrag der Antragstellerin bis zum 9. Dezember 2023 ausgesetzt worden ist, voraussichtlich als rechtswidrig. Unabhängig davon fehlt es jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den vorliegenden Antrag an dem erforderlichen Sicherungsinteresse auf Seiten des Beigeladenen.
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2.1 Nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB hat die Baugenehmigungsbehörde die Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 35 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 BauGB auf Antrag der Gemeinde für einen Zeitraum bis zu längstens einem Jahr nach Zustellung der Zurückstellung des Baugesuchs auszusetzen, wenn die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, zu ändern oder zu ergänzen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, und zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde.
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Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs und der Oberverwaltungsgerichte ist § 15 Abs. 3 BauGB im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, sei es auf die Erteilung einer Vollgenehmigung oder auch nur eines Vorbescheids gerichtet, aufgrund derselben städtebaulichen Interessenlage wie im Baurecht entsprechend anwendbar (vgl. zum immissionsschutzrechtlichen Vorbescheid nach § 9 BImSchG BayVGH, B.v. 24.10.2013 – 22 CS 13.1775 – juris Rn. 18; NdsOVG, B.v. 14.2.2022 – 12 MS 172.21 – juris Rn. 15, B.v. 30.1.2023 – 12 MS 134.22 – juris Rn. 16; VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris).
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2.2 Mit Eingang beim Landratsamt am 3. August 2022 hat der Beigeladene den Antrag auf Zurückstellung innerhalb der Frist des § 15 Abs. 3 Satz 3 BauGB gestellt. Danach ist der Antrag nur innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Gemeinde in einem Verwaltungsverfahren von dem Bauvorhaben förmlich Kenntnis erhalten hat, zulässig.
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2.3 Es bestehen bereits Zweifel, ob der Planaufstellungsbeschluss des Beigeladenen vom 15. September 2022 als Beschluss zur Änderung eines Flächennutzungsplans, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, im Sinne von § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB angesehen werden kann.
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2.3.1 Grundsätzlich werden zwar an den Planaufstellungsbeschluss im Rahmen von § 15 Abs. 3 BauGB selbst keine hohen inhaltlichen Anforderungen gestellt. Inhaltliche Aussagen zu der Richtung der Planung müssen erst im Zeitpunkt der Entscheidung über den Zurückstellungsantrag vorliegen (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 15 Rn. 79). Im Rahmen einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB verlangt die Rechtsprechung gerade nicht, dass der Aufstellungsbeschluss das Planungsziel ausdrücklich benennt (vgl. BayVGH, B.v. 17.12.2009 – 15 N 09.1132 – juris Rn. 21; BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – juris Ls. 1, Rn. 28). Im Unterschied zu § 14 BauGB (vgl. insoweit gerade BVerwG, U.v. 10.9.1976 – IV C 39.74 – juris Rn. 28) setzt § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB jedoch nach seinem Wortlaut ausdrücklich voraus, dass die Gemeinde beschlossen hat, einen Flächennutzungsplan aufzustellen, mit dem die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden sollen. Damit ließe es sich nur schwer vereinbaren, wenn dieses Ziel dem Planaufstellungsbeschluss in keiner Weise zu entnehmen wäre (vgl. auch Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 15 Rn. 14; a.A. wohl Sennekamp in Brügelmann, BauGB, Stand Januar 2023, § 15 Rn. 76).
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2.3.2 Vorliegend bezieht sich der Planaufstellungsbeschluss des Beigeladenen vom 15. September 2022 allein auf die Änderung und Fortschreibung des bisherigen Flächennutzungsplanes des Beigeladenen. Ein Hinweis darauf, dass mit der Änderung die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB erreicht werden sollen, fehlt. Auch in der Bekanntmachung des Aufstellungsbeschlusses vom 16. September 2022 wird nur unspezifisch formuliert, Ziel der Planung sei es, die Darstellungen des wirksamen Flächennutzungsplanes komplett zu überarbeiten und auch die geplanten Bauflächen zu überprüfen und zu ergänzen. Zudem wird in dem Aufstellungsbeschluss nicht auf die Beschlüsse des Marktgemeinderates vom 14. Juli 2022 Bezug genommen, mit denen der Vorentwurf für die Änderung des Flächennutzungsplanes gebilligt wurde, der sechs Sonderbauflächen als Konzentrationszonen für die Windenergie vorsah. Erst in der Bekanntmachung des Vorentwurfs des Flächennutzungsplans zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung vom 19. Oktober 2022 wird gleichermaßen auf den Planaufstellungsbeschluss vom 15. September 2022 und die Beschlüsse zur Billigung des Vorentwurfs vom 14. Juli 2022 verwiesen und damit ein Zusammenhang zwischen den Beschlüssen hergestellt.
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Nur wenn man die Beschlüsse des Marktgemeinderates vom 14. Juli 2022 zur Konkretisierung des Planaufstellungsbeschlusses vom 15. September 2022 heranzieht, ließen sich die Anforderungen an einen Planaufstellungsbeschluss im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB erfüllen. Soweit die Begründung des Vorentwurfs zur Änderung des Flächennutzungsplans auf S. 63 und S. 74 Ausführungen zu „Sonderbauflächen als Konzentrationszonen für die Nutzung der Windenergie“ macht, dürfte dies entgegen dem Vortrag der Antragstellerin genügen, um die gemeindliche Absicht deutlich werden zu lassen, mit der Änderung des Flächennutzungsplans die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB zu erzielen, auch wenn der Planentwurf neben Sonderbauflächen für Windenergie weitere Sonderbauflächen für andere Zwecke enthält.
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2.4 Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen bestehen bei summarischer Prüfung bezogen auf den grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung (2.4.1) erhebliche Zweifel daran, dass im Sinne des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB zu befürchten war, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben der Antragstellerin unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde. Zwar stand dem Sicherungsbedürfnis des Beigeladenen nicht die Auslegungsbedürftigkeit und mangelnde Entscheidungsreife des Vorbescheidsantrags entgegen (2.4.2). Jedoch genügte die gemeindliche Planung im Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung wohl nicht den Anforderungen, die für eine Zurückstellung gelten (2.4.3).
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2.4.1 Maßgeblich für die Rechtmäßigkeit der Zurückstellungsentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 33; B.v. 5.12.2013 – 22 CS 13.1757 – juris Rn. 18; VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 26; OVG NW, B.v. 17.12.2020 – 8 B 1317.20 – juris Rn. 12).
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2.4.2 Dem Sicherungsbedürfnis des Beigeladenen stand im Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung nicht entgegen, dass der Vorbescheidsantrag der Antragstellerin auslegungsbedürftig und nach dem Stand der dem Verwaltungsgerichtshof vorliegenden Akten nicht entscheidungsreif ist.
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2.4.2.1 Der Gesetzgeber hat das Institut der Zurückstellung für den Fall geschaffen, dass an sich das Vorhaben bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist. Andernfalls ist eine Zurückstellung nicht erforderlich und damit rechtswidrig (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 – 4 C 21.80 – juris Rn. 38; OVG NW, B.v. 6.5.2001 – juris Rn. 6 ff; VG Düsseldorf, B.v. 6.4.2018 – 9 L 471.18 – juris Rn. 6; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 15 Rn. 84; Hornmann in BeckOK BauGB Spannowsky/Uechtritz, Stand 1.12.2022, § 15 Rn. 22). Auch wenn das Baugesuch nach bauordnungsrechtlichen oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren bzw. hier im immissionsschutzrechtlichen Verfahren zu prüfen sind, unzulässig ist, kommt eine Zurückstellung nicht in Betracht, sondern muss das Baugesuch abgelehnt werden (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 15 Rn. 43 sowie allgemein zu ersichtlich entgegenstehenden materiellen Gesichtspunkten OVG NW, U.v. 10.2.2022 – 7 D 81/21.AK – juris Rn. 46; NdsOVG, B.v. 30.1.2023 – 12 MS 134.22 – juris Rn. 39). Sind dagegen öffentlich-rechtliche Hindernisse ausräumbar, bleibt eine Zurückstellung zulässig (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1985 – 4 C 21.80 – juris Rn. 38; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 15 Rn. 43).
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2.4.2.2 Vorliegend könnte angesichts der Offenheit der Vorbescheidsfrage, wie sie in dem Schreiben der Antragstellerin vom 23. August 2022 formuliert wurde, schon in Zweifel gezogen werden, ob die Antragstellerin mit der Fragestellung in ihrem Vorbescheidsantrag überhaupt die Feststellung erreichen kann, dass das Vorhaben bauplanungsrechtlich genehmigungsfähig ist. Allein der Verweis auf eine „allgemeine Vorprüfung“ der Standorte und die Frage nach entgegenstehenden grundsätzlichen öffentlichen Interessen genügen insoweit kaum. Nachdem das Landratsamt den Vorbescheidsantrag ausweislich der Begründung des Zurückstellungsbescheids aber offenbar so ausgelegt hat, dass dieser auf die verbindliche Klärung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens gerichtet ist, und darüber hinaus der Vorbescheidsantrag im weiteren Verfahren noch entsprechend präzisiert werden könnte, kann dem Beigeladenen das Sicherungsbedürfnis nicht aus diesem Grund abgesprochen werden.
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Ebenso wenig kann dem Beigeladenen das Sicherungsbedürfnis deshalb abgesprochen werden, weil die Antragstellerin ihrem Antrag im Wesentlichen lediglich zwei Pläne mit den Standorten der geplanten Anlagen sowie die Angabe von deren Koordinaten beigefügt hat. Der Antrag dürfte zwar mit Blick auf das für die Erteilung des Vorbescheids erforderliche vorläufige positive Gesamturteil (ausreichende Beurteilung der Auswirkungen der Anlage im Sinne von § 9 Abs. 1 BImSchG) mangels ausreichender Unterlagen nicht entscheidungsreif sein (s. zu den vorzulegenden Unterlagen § 23 Abs. 4 i.V.m. § 22 Abs. 1 Satz 2 der 9. BImSchV sowie BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 C 3.19 – juris Rn. 25 f.; zu berücksichtigen ist dabei auch eine mögliche UVP-Vorprüfungspflicht nach Nr. 1.6.2 der Anlage 1 zum UVPG, s. hierzu im Rahmen des Vorbescheidsverfahrens § 23 Abs. 4 i.V.m. § 22 Abs. 3 Satz 1 der 9. BImSchV). Insoweit handelt es sich jedoch um ein Hindernis, das im weiteren Verfahren durch die Nachreichung von Unterlagen beim Landratsamt ausgeräumt werden kann.
37
2.4.3 Der mit dem Planaufstellungsbeschluss vom 15. September 2022 eingeleitete Planungsprozess des Beigeladenen befand sich bei summarischer Prüfung im Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung nicht in einem Stadium, das die Zurückstellung der Entscheidung über den Vorbescheidsantrag rechtfertigen würde.
38
2.4.3.1 Aus der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte zu § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB ergeben sich die nachfolgendend beschriebenen Anforderungen an die begonnene Planung der Gemeinde, die erfüllt sein müssen, um das Sicherungsbedürfnis der Gemeinde zu begründen.
39
2.4.3.1.1 Ausgangspunkt ist insoweit die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Erfordernissen der Abwägung bei der Aufstellung von Flächennutzungsplänen mit der Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Bezug auf Windenergieanlagen. Danach muss ein schlüssiges Gesamtkonzept entwickelt werden, das sich auf den gesamten Außenbereich erstreckt und das nicht nur Auskunft darüber gibt, von welchen Erwägungen die positive Standortzuweisung getragen wird, sondern auch deutlich macht, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten (zuletzt BVerwG, U.v. 24.1.2023 – 4 CN 6.21 – juris Rn. 13 m.w.N.). In der abschnittsweise durchzuführenden Planung sind in einem ersten Arbeitsschritt diejenigen Bereiche als Tabuzone zu ermitteln, die für die Nutzung der Windenergie nicht zur Verfügung stehen. Diese lassen sich in harte und weiche Tabuzonen untergliedern. Harte Tabuzonen sind für die Windenergienutzung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen schlechthin ungeeignet. In weichen Tabuzonen soll aus unterschiedlichen Gründen die Errichtung von Windenergieanlagen nach dem Willen der Gemeinde von vornherein ausgeschlossen werden, wobei insoweit der Plangeber die Entscheidung im Wege einer Abwägung rechtfertigen muss. Die Potenzialflächen, die nach Abzug der harten und weichen Tabuzonen übrig bleiben, sind in einem weiteren Arbeitsschritt zu den mit ihnen konkurrierenden Nutzungen in Beziehung zu setzen. Im Ergebnis muss die Ausweisung von Flächen für die Windenergienutzung der privilegierten Zulässigkeit nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB Rechnung tragen; daher muss der Nutzung in substantieller Weise Raum geschaffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 – 4 CN 1.11 – juris Rn. 9 ff., 18 m.w.N.; U.v. 21.10.2004 – 4 C 2.04 – juris Rn. 13; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 5 Rn. 18c).
40
2.4.3.1.2 Die vorgenannten Kriterien werden von der Rechtsprechung im Rahmen von Normenkontrollverfahren bei der Überprüfung der Wirksamkeit von abgeschlossenen Flächennutzungsplänen angewendet. Im Rahmen einer Zurückstellungsentscheidung nach § 15 Abs. 3 BauGB kann jedoch der in der Aufstellung befindliche Flächennutzungsplan nicht vollständig an den gleichen Maßstäben gemessen werden, weil es sich nicht um eine abgeschlossene Planung handelt (so auch VGH BW, B.v. 11.10.2018 – 5 S 1398.18 – juris Rn. 42; B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 44). Jedoch dürfen, schon soweit es um die Rechtfertigung einer Zurückstellungsentscheidung geht, eventuelle Mängel der Planung nicht so gravierend sein, dass sie nach dem Planungskonzept im Abwägungsprozess nicht mehr behoben werden können (BayVGH, B.v. 24.10.2013 – 22 CS 13.1775 – juris Rn. 19 ff.; B.v. 5.12.2013 – 22 CS 13.1757 – juris Rn. 21; ebenso VGH BW, B.v. 11.10.2018 – 5 S 1398.18 – juris Rn. 43; B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 45).
41
2.4.3.1.3 Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats, an der dieser festhält, setzt die nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorgesehene Beurteilung, ob zu befürchten ist, dass die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, voraus, dass die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht völlig offen sind, sondern ein Mindestmaß dessen erkennen lassen, was Inhalt des zu erwartenden Flächennutzungsplans sein soll (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u.a. – juris Rn. 10). Dem Schutz der Planungshoheit der Gemeinde nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG steht insoweit das Recht, ein Grundstück im Rahmen der Gesetze baulich zu nutzen, als Bestandteil der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gegenüber (BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 36; dazu auch OVG NW, B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 25). Ein Planaufstellungsbeschluss verbunden mit der bloßen Absicht zu prüfen, ob Darstellungen zu Windkraftanlagen im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Betracht kommen, reicht vor diesem Hintergrund nicht aus, um eine Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 BauGB zu begründen (BayVGH, B.v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u.a. – juris Rn. 10). Dies bedeutet zum einen, dass nur ein schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept sicherungsfähig ist, das auch das Kriterium der Windhöffigkeit einbezieht (BayVGH, B.v. 20.4.2012 – 22 CS 12.310 – juris Rn. 22). Auch muss absehbar sein, dass der Windenergienutzung mit der Flächennutzungsplanung in substantieller Weise Raum gegeben werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u.a. – juris Rn. 10; B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 37). Zum anderen genügt es nicht, wenn nicht einmal eine entfernte Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Verwirklichung des Vorhabens in Widerspruch zu einer künftigen gemeindlichen Planung geraten kann (BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 36; zum Erfordernis einer räumlichen Konkretisierung auch Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 15 Rn. 85). Dieser Rechtsprechung im Wesentlichen gefolgt sind das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (B.v. 1.2.2017 – OVG 11 S 31.16 – juris Rn. 14 ff., inbes. 19 f.) sowie der Hessische Verwaltungsgerichtshof (B.v. 3.11.2015 – 9 B 1051.15 u.a. – juris Rn. 20 ff.).
42
Insbesondere hinsichtlich der Frage, welchen Grad der Konkretisierung die gemeindliche Planung in räumlicher Hinsicht erreicht haben muss, vertreten der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg und das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen demgegenüber die Auffassung, es genüge für die Rechtmäßigkeit der Zurückstellungsentscheidung, wenn es nach dem jeweiligen Stand der Planung aufgrund objektiver Anhaltspunkte möglich erscheine, dass das Vorhabengrundstück außerhalb der Konzentrationsflächen liegen werde (OVG NW, B.v. 17.12.2020 – 8 B 1317.20 – juris Rn. 10; B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 24; VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 36, 38). Wegen der in der Regel umfangreichen Ermittlungserfordernisse und der besonderen Offenheit der Planung könnten in einem frühen Abschnitt der Planung kaum verlässliche Aussagen dazu getroffen werden, ob der Standort einer geplanten Anlage inner- oder außerhalb einer solchen künftigen Konzentrationsfläche liege (VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 38; OVG NW, B.v. 17.12.2020 – 8 B 1317.20 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 21 ff.; s. auch NdsOVG, B.v. 14.2.2022 – 12 MS 172.21 – juris Rn. 24 ff.). Zudem dürfe für eine sicherungsfähige Planung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerade noch nicht verlangt werden, dass der Windenergienutzung im Rahmen der Flächennutzungsplanung – im Sinne der o.g. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – in substantieller Weise Raum gegeben wird (VGH BW, B.v. 11.10.2018 – 5 S 1398.18 – juris Rn. 42; B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 44).
43
2.4.3.2 Unabhängig von dem Erfordernis einer räumlichen Konkretisierung der Planung (s. dazu 2.5.3.3) bestehen vorliegend im Rahmen der summarischen Prüfung erhebliche Zweifel daran, dass die gemeindliche Planung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zurückstellungsentscheidung sicherungsfähig war, weil sie nicht erkennen ließ, dass sie von einem schlüssigen gesamträumlichen Planungskonzept ausging, mit dem der Windenergie im Gemeindegebiet substantieller Raum eingeräumt werden sollte.
44
Bezüglich des Planungsstandes ist auf den Vorentwurf für einen geänderten Flächennutzungsplan des Beigeladenen mit Stand 13. Juli 2022 abzustellen, der Gegenstand der Marktgemeinderatssitzung vom 14. Juli 2022 war; es ist nicht erkennbar, dass sich dieser Stand bis zur Bekanntgabe der Zurückstellungsentscheidung verändert hätte. In der Begründung des Vorentwurfs wird auf S. 63 unter Ziffer 5.5.12 ausgeführt, dass als Sondergebiete zur Nutzung der Windenergie im Flächennutzungsplan sechs Teilflächen dargestellt seien, und zwar auf der Basis eines Gutachtens aus dem Jahr 2011. Die Flächen konzentrierten sich entlang der Autobahn A6 im Norden und befänden sich deshalb innerhalb von Flächen mit erheblicher landschaftlicher Vorbelastung, auch durch bestehende Windkraftanlagen auf den Nachbargemeinden. Die sechs vorgesehenen Sondergebiete sind dort im einzelnen beschrieben. SO 1 und SO 2 befinden sich nach der Beschreibung nördlich der A6; sie seien gut geeignet, weil es dort bereits mehrere Windkraftanlagen und insofern eine erhebliche Vorbelastung gebe. Bezüglich SO 3 und 4 (südlich der A6 im Grafenbucher Forst) heißt es, aufgrund der Lage inmitten eines großflächig zusammenhängenden Waldgebietes seien insbesondere die Belange des Artenschutzes zu prüfen. Dies gelte auch für SO 5 (nördlich der A6), nachdem sich 300 m westlich der Fläche ein bedeutendes Fledermauswinterquartier befinde. Bei SO 6 (am Rabenberg südlich von Engelsberg) seien neben den Belangen des Artenschutzes insbesondere die Belange des Denkmalschutzes zu beachten (Nähe der Wallfahrtskirche am Habsberg) (s. zum Ganzen auch Ziffer 9.7 (S. 74) der Begründung des Vorentwurfs sowie den Umweltbericht, Ziffer 5.16 (S. 68 ff.)).
45
Der vom Marktgemeinderat gebilligte Vorentwurf des Flächennutzungsplans lässt damit in keiner Weise erkennen, dass bei der Auswahl der vorgesehenen möglichen Konzentrationszonen zunächst der gesamte Außenbereich der Gemeinde in den Blick genommen worden wäre und anschließend unter Anwendung harter und weicher Tabukriterien Potenzialflächen für die Windenergie ermittelt worden wären. Auch macht der Vorentwurf nicht deutlich, welche Gründe es rechtfertigen, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten. Das in der Begründung des Vorentwurfs benannte Gutachten aus dem Jahr 2011 ist nicht Bestandteil der vom Senat angeforderten gemeindlichen Planaufstellungsakten und war nach dem Wortlaut der Bekanntmachung zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung vom 19. Oktober 2022 auch nicht Gegenstand der Auslegung. Aus dem Vorentwurf selbst ist nicht ersichtlich, wie bei der Erstellung des Gutachtens vorgegangen wurde. Es bestehen auch insoweit Zweifel an der Verwendbarkeit des genannten Gutachtens im vorliegenden Verfahren, als dieses aus dem Jahr 2011 stammt und unklar ist, insbesondere auch aus der Begründung des Vorentwurfs nicht hervorgeht, ob sich zwischenzeitlich die Datengrundlage geändert hat.
46
An dieser Stelle geht es nicht darum, die Planung an den Anforderungen zu messen, die für eine abgeschlossene Planung gelten. Jedoch hält der Senat an seiner schon bisher vertretenen Auffassung fest, dass es für eine nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB sicherungsfähige Planung nicht genügt, wenn die Gemeinde lediglich einen Planaufstellungsbeschluss fasst verbunden mit der Absicht zu prüfen, ob Konzentrationsflächen für die Windenergie mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB ausgewiesen werden können (s. BayVGH, B.v. 22.3.2012 – 22 CS 12.349 u.a. – juris Rn. 10). Voraussetzung für die Sicherungsfähigkeit der Planung ist es nach Auffassung des Senats vielmehr, dass diese jedenfalls die Betrachtung des gesamten Außenbereichs zum Ausgangspunkt hat (schlüssiges gesamträumliches Planungskonzept, s. insoweit BayVGH, B.v. 20.4.2012 – 22 CS 12.310 – juris Rn. 22; vgl. auch OVG NW, U.v. 6.9.2022 – 22 D 53/22.AK – juris Rn. 28, dort jedoch ohne unmittelbaren Bezug zur Sicherungsfähigkeit). Vorliegend müsste angesichts des Planungsstandes jedenfalls erkennbar werden, dass unter Anwendung bestimmter sachlicher Kriterien – ohne dass hierbei zu hohe Anforderungen an die Begründung und die Differenzierung harter und weicher Ausschlusskriterien zu stellen sowie ohne dass eine vollständige Abwägung bezüglich weicher Ausschlusskriterien zu fordern wären – bestimmte Bereiche des Außenbereichs bewusst als mögliche Konzentrationszonen für die Windenergie ausgeschieden wurden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Voraussetzung für eine wirksame Flächennutzungsplanung mit der Wirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gerade auch die Angabe der Gründe dafür, den übrigen Planungsraum von Windenergieanlagen freizuhalten (BVerwG, U.v. 24.1.2023 – 4 CN 6.21 – juris Rn. 13 m.w.N.). Gleichzeitig müsste aus der Planung erkennbar werden, dass der Windenergie mit der Planung substanzieller Raum gegeben werden soll. Daran bestehen hier zum einen deshalb Zweifel, weil nicht ersichtlich ist, dass bei der Auswahl der für die Konzentrationszonen vorgesehenen Flächen die jeweilige Windhöffigkeit – einschließlich der Konkurrenz zu bestehenden Windenergieanlagen – berücksichtigt wurde, und deshalb unklar ist, inwieweit sich die vorgesehenen Flächen im weiteren Verlauf der Planung schon aus diesem Grund verringern würden (vgl. zum Erfordernis der Berücksichtigung der Windhöffigkeit für eine sicherungsfähige Planung BayVGH, B.v. 20.4.2012 – 22 CS 12.310 – juris Rn. 22). Zum anderen weist die Begründung des Vorentwurfs bei vier von sechs vorgesehenen Sonderbauflächen auf mögliche Konflikte mit dem Artenschutz, in einem Fall auch mit dem Denkmalschutz, hin. Auch vor diesem Hintergrund könnten sich die ausgewählten Flächen deutlich verringern.
47
2.4.3.3 Angesichts dessen kann offen bleiben, ob der Antragsgegner mit Blick auf § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB von der Zurückstellung des Vorbescheidsantrags hätte absehen müssen.
48
Nach § 249 Abs. 1 BauGB in der Fassung des Gesetzes zur Erhöhung und Beschleunigung des Ausbaus von Windenergieanlagen an Land vom 20. Juli 2022 (BGBl I S. 1353) ist die Ausschlusswirkung des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB von Flächennutzungsplänen für Windenergieanlagen nicht mehr vorgesehen. Gemäß § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB gelten diese Rechtswirkungen für Windenergieanlagen vorbehaltlich des § 249 Abs. 5 Satz 2 BauGB nur dann fort, wenn der Plan bis zum 1. Februar 2024 wirksam geworden ist.
49
Soweit die Antragstellerin meint, es fehle der Planung des Beigeladenen schon deshalb an der Sicherungsfähigkeit, weil diese bis zum 1. Februar 2024 nicht abgeschlossen werden könne, käme es zunächst darauf an, ob die erst am 1. Februar 2023 in Kraft getretenen § 249 Abs. 1, § 245e Abs. 1 Satz 1 BauGB bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 8. Dezember 2022 zu berücksichtigen sind. Selbst wenn dies mit Blick darauf bejaht würde, dass das Änderungsgesetz bereits am 28. Juli 2022 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, spricht dennoch gegen die Auffassung der Antragstellerin, dass über den weiteren Verlauf der Planung keine sicheren Voraussagen gemacht werden können und das Sicherungsbedürfnis der planenden Gemeinde nicht aufgrund bloßer Vermutungen verneint werden könnte.
50
2.4.3.4 Offen bleiben kann schließlich auch, welche Auswirkungen es auf die Rechtmäßigkeit der Zurückstellungsentscheidung hatte, dass die WEA 1 nach dem Planungsstand zum Zeitpunkt der Zurückstellungsentscheidung innerhalb einer vorgesehenen Konzentrationszone gelegen hätte.
51
2.5 Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen überwiegt jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage das Interesse am Vollzug des Zurückstellungsbescheids, weil es nach aktuellem Stand an einem Sicherungsbedürfnis des Beigeladenen fehlt.
52
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass das auf der verfassungsrechtlich geschützten gemeindlichen Planungshoheit beruhende Sicherungsinteresse der planenden Gemeinde und damit ihr Interesse am sofortigen Vollzug der Zurückstellungsentscheidung aufgrund besonderer Umstände nach Erlass des Zurückstellungsbescheides entfallen kann. Dies kann der Fall sein, wenn die Zurückstellung zur Sicherung der Planung aufgrund von Umständen nicht mehr erforderlich ist, die nach Erlass des Zurückstellungsbescheides eingetreten sind, etwa weil die Gemeinde die begonnene Planung erkennbar nicht mehr weiterverfolgt (vgl. OVG NW, B.v. 21.2.2023 – 8 B 642/22.AK – juris Rn. 9 f.; B.v. 8.12.2022 – 8 B 660/22.AK – juris Rn. 6; B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 50 ff.).
53
Vergleichbar liegt der Fall hier. Unabhängig davon, ob im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Zurückstellungsentscheidung ein die Interessen der Antragstellerin überwiegendes Sicherungsinteresse des Beigeladenen gegeben war, besteht ein solches jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht (mehr). Die dem Zurückstellungsbescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2022 zugrunde liegende Planung des Beigeladenen ist im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung als überholt anzusehen, weil der Marktgemeinderat des Beigeladenen zwischenzeitlich einen neuen Planaufstellungsbeschluss – in Bezug auf einen sachlichen Teilflächennutzungsplan für die Windenergie – gefasst und durch die Beschlüsse vom 20. April 2023 diesbezüglich einen Planungsstand in seinen Willen aufgenommen hat, der sich von demjenigen nach dem Vorentwurf vom 13. Juli 2022 so grundlegend unterscheidet, dass eine Sicherung der ursprünglichen Planung nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
54
2.5.1 Mit einem sachlichen Teilflächennutzungsplan im Sinne des § 5 Abs. 2b BauGB, dessen Aufstellung der Beigeladene nunmehr beschlossen hat, können gezielt die Rechtswirkungen des § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB herbeigeführt werden. Der sachliche Teilflächennutzungsplan unterscheidet sich dadurch von dem allgemeinen oder Gesamt-Flächennutzungsplan im Sinne des § 5 Abs. 1 BauGB, dass er räumlich nicht das gesamte Gemeindegebiet umfasst und zudem in sachlicher Hinsicht die Steuerungsfunktion des Flächennutzungsplans nur für bestimmte Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB übernimmt. Er ist als eigenständiger Bauleitplan rechtlich unabhängig vom allgemeinen Flächennutzungsplan, d.h. er kann unabhängig davon aufgestellt werden, ob ein solcher Flächennutzungsplan vorliegt oder wirksam ist (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 5 Rn. 62a ff.). Darstellungen im sachlichen Teilflächennutzungsplan dürfen allerdings solchen im allgemeinen Flächennutzungsplan nicht widersprechen und umgekehrt; anderenfalls entsteht eine widersprüchliche Planung, die mit § 1 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 7 BauGB nicht vereinbar sein kann (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Oktober 2022, § 5 Rn. 62k; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Aufl. 2022, § 5 Rn. 35e).
55
2.5.2 Es kann vorliegend offenbleiben, ob die Planung des Beigeladenen hinsichtlich der Einrichtung von Konzentrationszonen für die Windenergie aus dem Jahr 2022 schon deshalb überholt ist, weil der Beigeladene im Januar 2023 die Aufstellung eines sachlichen Teilflächennutzungsplans in Bezug auf die Windenergie beschlossen hat, der auf einer anderen Rechtsgrundlage beruht (§ 5 Abs. 2b BauGB anstelle von § 5 Abs. 1 BauGB), sich – wie unter 2.5.1 ausgeführt – von dem allgemeinen Flächennutzungsplan in wesentlicher Hinsicht unterscheidet und unabhängig davon aufgestellt werden kann.
56
2.5.3 Jedenfalls aber unterscheidet sich der Vorentwurf des sachlichen Teilflächennutzungsplans mit Stand 13. April 2023 so stark von dem der Zurückstellungsentscheidung zugrunde liegenden Planungsstand, dass es der auf den früheren Planungsstand gestützten Zurückstellung nunmehr an einer Grundlage fehlt.
57
2.5.3.1 Der Vorentwurf des sachlichen Teilflächennutzungsplans mit Stand 13. April 2023 basiert auf einem Gutachten zur Windenergienutzung im M. … vom Februar 2023. In der Begründung wird ausgeführt, im Vorentwurf der Fortschreibung des Gesamtflächennutzungsplans (gemeint offenbar: vom 14.7.2022) seien bereits Sondergebietsflächen für die Nutzung der Windenergie vorgesehen gewesen. Diese hätten auf einer Planung aus dem Jahr 2015 basiert. Aufgrund geänderter Rahmenbedingungen seien die zur Nutzung der Windenergie geeigneten Flächen im Rahmen der Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplans erneut überprüft worden. Dabei hätten sich deutliche Änderungen geeigneter Flächen gegenüber dem früheren Gutachten ergeben. Aufgrund des Zeitdrucks – der Plan müsse bis zum 1. Februar 2024 wirksam werden – würden die Planungen zur Lenkung der Windenergienutzung aus der Gesamtfortschreibung des Flächennutzungsplanes ausgekoppelt und als sachlicher Teilflächennutzungsplan eigenständig durchgeführt. Basierend auf einer Potenzialanalyse (gemeint wohl: Gutachten zur Windenergienutzung vom Februar 2023) seien derzeit zehn Flächen als Konzentrationszonen für die Windenergie mit einer Gesamtgröße von ca. 320,2 ha vorgesehen. Die Flächen seien anhand im Einzelnen benannter harter Ausschlusskriterien und Restriktionskriterien ausgewählt worden und werden auf S. 8 ff. der Begründung im Einzelnen beschrieben. Sie hätten zusammengerechnet einen Anteil von 3,9% des Marktgebietes. Sie seien teils als Alternative zu sehen; es solle auf Einwände und Stellungnahmen im Verfahren reagiert werden können. Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass 1,8% (Flächenbeitragswert für Bayern für die Windenergie, s. § 245e BauGB) des Marktgebietes als Konzentrationszonen ausgewiesen werden könnten.
58
2.5.3.2 Aus den vorstehend genannten Ausführungen in der Begründung des Vorentwurfs des sachlichen Teilflächennutzungsplans ergibt sich, dass der Beigeladene für die Planung der Konzentrationsflächen nunmehr von einem neuen Konzept ausgeht. Zunächst wurde – ohne dass dies in entsprechender Weise dem Vorentwurf vom Juli 2022 zu entnehmen wäre – offenbar der gesamte Außenbereich des Gemeindegebiets zur Ermittlung von Potentialflächen in den Blick genommen. Auch wurden ausweislich des Gutachtens zur Windenergienutzung vom Februar 2023 Untersuchungen zur Windhöffigkeit sowie – jedenfalls in gewissem Umfang – zum Artenschutz angestellt (vgl. die in den Planaufstellungsakten des Beigeladenen enthaltenen Pläne der Potenzialflächen und Standortgüte). Maßgeblich ist insoweit vor allem, dass sich die vorgesehenen Flächen aus der Planung des Gesamt-Flächennutzungsplans mit Stand 14. Juli 2022 (SO 1 – 6) und des sachlichen Teilflächennutzungsplans mit Stand 13. April 2023 (W 1 – 10) nur in sehr geringem Umfang decken. Im Wesentlichen handelt es sich bei der nunmehrigen Planung um neue Flächen, die nach dem früheren Planungsstand nicht als Konzentrationszonen vorgesehen waren.
59
2.5.3.3 Zwar ist zu berücksichtigen, dass der Beigeladene mit der Aufstellung des sachlichen Teilflächennutzungsplans das gleiche Ziel verfolgt, das er – jedenfalls ausweislich der Beschlüsse des Marktgemeinderates vom 14. Juli 2022 – auch mit der im September 2022 beschlossenen Überarbeitung des allgemeinen Flächennutzungsplans erreichen wollte, nämlich die Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergie verbunden mit der Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in Bezug auf den übrigen Außenbereich des Gemeindegebiets. Allein damit kann jedoch das Fortbestehen des Sicherungsbedürfnisses des Beigeladenen nicht begründet werden. Insoweit ist auf die bisherige Rechtsprechung des Senats zu den Anforderungen an die Konkretisierung der Planung als Voraussetzung für die Zurückstellung nach § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB zurückzukommen (s.o. 2.4.3.1.3). Das Sicherungsbedürfnis setzt danach voraus, dass die planerischen Vorstellungen der Gemeinde ein Mindestmaß an Konkretheit aufweisen, das eine Beurteilung der Frage ermöglicht, ob die Durchführung der Planung durch das Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde (§ 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB; BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 32); bei der Beurteilung des erforderlichen Mindestmaßes an Konkretheit ist ein einzelfallbezogener Maßstab anzuwenden (BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 37; B.v. 5.12.2013 – 22 CS 13.1757 – juris Rn. 20; ebenso OVG NW, B.v. 17.12.2020 – 8 B 1317.20 – juris Rn. 18; B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 25). Vorliegend hat sich die Planung des Beigeladenen in räumlicher Hinsicht so stark geändert – die neuerdings für Konzentrationszonen vorgesehenen Flächen weichen so deutlich von den ursprünglich vorgesehenen Flächen ab –, dass eine hinreichende räumliche Konkretisierung der Planung bezogen auf die Zurückstellungsentscheidung nicht mehr angenommen werden kann. Die aktuelle Planung kann damit die auf die frühere Planung bezogene Zurückstellungsentscheidung nicht rechtfertigen. Der Wortlaut des § 15 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wonach zu befürchten sein muss, dass die Durchführung der Planung durch das (zurückzustellende) Vorhaben unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert werden würde, steht einem Verständnis entgegen, wonach eine Gemeinde – wie vorliegend – eine Planung zur Ausweisung von Konzentrationszonen für die Windenergie nach Ergehen eines Zurückstellungsbescheides auf völlig neue Füße stellen und ungeachtet dessen durch die Zurückstellung weiterhin den Fortgang des betroffenen Genehmigungsverfahrens ganz unabhängig davon verhindern könnte, ob zu erwarten ist, dass die Standorte der geplanten Windenergieanlagen innerhalb oder außerhalb geplanter Konzentrationszonen liegen werden. Mit Blick auf die vorliegende Konstellation kann daher nicht angenommen werden, ein Vorhaben gefährde das negative Planungsziel erst dann nicht mehr, wenn es hinreichend verlässlich innerhalb einer Konzentrationsfläche liegen werde (so aber – bezogen auf Veränderungen innerhalb desselben Planungsprozesses – OVG NW, B.v. 1.12.2021 – 8 B 1541/21.AK – juris Rn. 24; NdsOVG, B.v. 14.2.2022 – 12 MS 172.21 – juris Rn. 27), zumal hier durch den Beigeladenen nicht nur Veränderungen innerhalb eines laufenden Planungsprozesses vorgenommen wurden, sondern ein neuer Planaufstellungsbeschluss, gestützt auf eine andere Rechtsgrundlage, gefasst und ein inhaltlich gänzlich neuer Vorentwurf für die Planung erstellt wurde.
60
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, Abs. 3, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Da der Beigeladene mit Schriftsatz vom 14. April 2023 einen Antrag gestellt hat, können ihm Kosten auferlegt werden. Außer dem Antragsgegner gehört auch der Beigeladene, der die Zurückstellung beantragt hatte, zum unterliegenden Teil; er hat zudem durch sein Verhalten nach Ergehen des Zurückstellungsbescheids (neuer Planaufstellungsbeschluss) zum Erfolg des Antrags beigetragen.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 19.1.2, 19.1.4, 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Der Senat bezieht sich insoweit auf seine bisherige Rechtsprechung, wonach der in Nr. 19.1.2 des Streitwertkatalogs vorgesehene Streitwert von 10% der geschätzten Herstellungskosten für Klagen des Betreibers auf Genehmigung von Windkraftanlagen im Fall einer Klage des Betreibers gegen die Zurückstellung eines (Voll-)Genehmigungsantrages wegen der geringeren wirtschaftlichen Bedeutung auf 5% der geschätzten Herstellungskosten zu reduzieren ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2015 – 22 CS 15.58 – juris Rn. 47; in der Sache ebenso B.v. 13.8.2014 – 22 CS 14.1224 – juris Rn. 40 unter Bezugnahme auf die Vorinstanz, VG Augsburg, B.v. 19.5.2014 – Au 4 S 14.242 – juris Rn. 96; a.A. VGH BW, B.v. 13.9.2022 – 14 S 3566.21 – juris Rn. 61; OVG NW, B.v. 21.2.2023 – 8 B 642/22.AK – juris Rn. 74; B.v. 8.12.2022 – 8 B 660/22.AK – juris Rn. 20, wonach bei Klagen gegen Zurückstellungsentscheidungen unabhängig davon, ob eine Vollgenehmigung oder ein Vorbescheid für eine Windenergieanlage beantragt ist, 1% der geschätzten Herstellungskosten anzusetzen sind). Die Antragstellerin hat in ihrem Antragsformular geschätzte Herstellungskosten von 50 Mio. Euro angegeben; 5% davon betragen 2,5 Mio. Euro. Da es sich vorliegend nicht um einen Vollgenehmigungs-, sondern um einen Vorbescheidsantrag handelt, ist der Betrag entsprechend Nr. 19.1.4 des Streitwertkatalogs zu halbieren. Im Rahmen des vorliegenden Eilverfahrens ergibt sich aus Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs eine nochmalige Halbierung.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).