Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 10.02.2023 – Au 9 S 22.2452
Titel:

Einstweiliger Rechtschutz, wasserrechtliche Anordnung, Gewässerausbau, wesentliche Umgestaltung, Legalisierungsmöglichkeit, Verhältnis Wasserrecht, Naturschutz

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WHG § 100
WHG § 67
WHG § 68
BayWG Art. 58
Leitsatz:
Eine ausschließlich naturschutzfachlich begründete Maßnahme kann nicht auf die wasserrechtliche Generalklausel des § 100 WHG gestützt werden.
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtschutz, wasserrechtliche Anordnung, Gewässerausbau, wesentliche Umgestaltung, Legalisierungsmöglichkeit, Verhältnis Wasserrecht, Naturschutz
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14806

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Au 9 K 22.1790) wird mit Ausnahme der in Ziffern I. 1. und Ziffer I. 2. Satz 1 Halbsatz 1 getroffenen Anordnungen wiederhergestellt.
Die aufschiebende Wirkung der Klage wird bezüglich der in den Ziffern III., IV. und V. angedrohten Zwangsgelder angeordnet mit Ausnahme der Zwangsgeldandrohung, die sich auf die Verpflichtung des Antragsstellers aus Ziffer I. 1. bezieht.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen für sofort vollziehbar erklärte wasserrechtliche Anordnungen und damit verbundene Zwangsgeldandrohungen.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer der Grundstücke Fl. Nr.,,, ... und ... der Gemarkung .... Die Grundstücke werden landwirtschaftlich genutzt und grenzen an die S., einem Gewässer III. Ordnung. Rechtsseitig der S. ist auf unbebauten Grundstücken mit dem Regionalplan der Region A. ein Vorranggebiet für Hochwasserabfluss und -rückhalt H 21 ausgewiesen.
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Am 30. Juni 2021 stellte die Technische Gewässeraufsicht des Wasserwirtschaftsamtes D. fest, dass die S. auf der Höhe der Grundstücke Fl. Nr.,,, ... und ... über ca. 150 Meter aufgeweitet und das entnommene Material an der Böschungskante abgelagert wurde (vgl. Bl. 9 bis 12 der Behördenakte).
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Im Rahmen des daraufhin eingeleiteten Verwaltungsverfahrens wurden das Wasserwirtschaftsamt D., die Fachberatung für Fischereiwesen des Bezirks ... und die untere Naturschutzbehörde zu Stellungnahmen aufgefordert.
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In seiner Stellungnahme vom 20. Juli 2021 führte das Wasserwirtschaftsamt unter anderem aus, dass das Gewässerbett der S. durch die vorgenommene Maßnahme auf die 1,5 bis teilweise 2-fache Breite und somit wesentlich aufgeweitet worden sei. Es sei ein eintöniger geradliniger Gewässerlauf mit gleicher Breite, Tiefe und Strömung hergestellt worden. Es handele sich um eine wesentliche Gewässerveränderung und somit um einen ungestatteten Gewässerausbau. Das neben dem Ufer abgelegte Baggergut bilde einen Uferwall, durch den bei Hochwasser ein frühes Ausufern der S. verhinderte werde. Eine Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung und Auswirkungen auf die Nachbarschaft könne nicht ausgeschlossen werden. Ferner sei aus der Sohle des Gewässers Kiesmaterial ausgebaggert worden. Insgesamt hätten die Maßnahmen den ökologischen Zustand der S. in dem betroffenen Abschnitt wesentlich verschlechtert.
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Die Fachberatung für Fischereiwesen schloss sich den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes an und forderte zusätzlich, in den Bach an drei Stellen circa 2 t ungewaschenen Kies als Laichplatz einzubringen.
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Die untere Naturschutzbehörde führte ergänzend aus, dass die S. in dem betroffenen Abschnitt zu den nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BNatSchG gesetzlich festgelegten Biotopen zähle, weshalb auch ein Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften vorliege. Zur Wiederherstellung bzw. Regeneration sei eine vollständige Beseitigung des abgelagerten Räumguts und das Belassen eines 1,5 Meter breiten Uferstreifens auf beiden Seiten nötig. Der Uferstreifen sei von der Grünlandbewirtschaftung auszunehmen und der natürlichen Entwicklung zu überlassen. Des Weiteren sei ein Verzicht auf jegliche Düngung und auf chemischen Pflanzenschutz nötig.
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Mit Schreiben vom 12. August 2021 forderte das Landratsamt den Antragsteller zu im Einzelnen aufgeführten Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen auf. Für den Fall, dass die Maßnahmen nicht bis spätestens 30. Oktober 2021 vorgenommen werden, wurde der Erlass einer wasserrechtlichen Anordnung angekündigt.
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Die Bevollmächtigte des Antragstellers nahm mit Schreiben vom 3. November 2021 zu den Forderungen Stellung und machte geltend, dass nach den Hochwasserereignissen im Juni 2021 in der S. erheblich Treibgut und Unrat angeschwemmt worden sei und sich das Gewässer angestaut habe. Der Verlauf habe sich bedrohlich verändert, so dass dringender Handlungsbedarf bestanden habe, um weitere Schäden an Gewässer und Äcker zu verhindern. Weil die unterhaltspflichtige Gemeinde ihren Unterhaltspflichten seit Jahren nicht nachkomme, sei umgehend eine Bachsäuberung veranlasst gewesen. Die S. verlaufe seit dem Jahr 1905 im maßgeblichen Bereich schon immer gerade. Die durchgeführten Maßnahmen würden weder eine Gewässeraufweitung noch eine Begradigung darstellen, weshalb kein Gewässerausbau vorliege. Es seien lediglich überhängender Pflanzenbewuchs und Einbrüche entnommen und somit der frühere Zustand wiederhergestellt worden. Die von der Gemeinde eingebauten Flussbausteine würden die korrekte Dimension der S. belegen. Ein Abtransport des Baggerguts sei erst nach einer längeren Trockenphase und Räumung der Ackerfrucht möglich.
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Zu dem Vorbringen des Antragstellers nahmen die Fischereifachberatung, das Wasserwirtschaftsamt und die untere Naturschutzbehörde nochmals Stellung. Die Fischereifachberatung führte insbesondere aus, dass die S. eine stabile Population selbstreproduzierender Bachforellen beherberge, die besonders wertvoll sei. Eine Verschlechterung der Gewässerökologie sei unbedingt zu vermeiden. Das Gewässerbett sei aus fischereibiologischer und gewässerökologischer Sicht stark degradiert worden. Der Gewässerunterhalt liege bei der Gemeinde .... Die subjektive Einschätzung eines angrenzenden Grundstückseigentümers zur Notwendigkeit von Gewässermaßnahmen sei unerheblich. Die Naturschutzbehörde wies nochmals darauf hin, dass der betroffene Abschnitt ein gesetzlich geschütztes Biotop sei. Durch die Maßnahme seien die Unterwasservegetation und die naturnahe Ufervegetation zerstört worden. Der Biotopverlust müsse ausgeglichen und die Regeneration zugelassen werden. Sowohl die Fischereifachberatung als auch das Wasserwirtschaftsamt wiesen darauf hin, dass im Juni 2021 aus fachlicher Sicht kein dringender Handlungsbedarf bestanden habe. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die ausführlichen Stellungnahmen auf Bl. 123, 129 und 135 der Behördenakte verwiesen.
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Mit Schreiben vom 6. Mai 2022 teilte das Landratsamt der Bevollmächtigten nochmals mit, dass es sich bei der gegenständlichen Gewässerumgestaltung um einen unsachgemäßen, ökologisch schädlichen und widerrechtlichen Gewässerausbau handele und forderte die Vornahme der im einzelnen aufgeführten Verbesserungsmaßnahmen, andernfalls werde eine förmliche wasserrechtliche Anordnung verbunden mit der Androhung von Verwaltungszwangsmaßnahmen erlassen.
12
Nachdem der Antragsteller den Forderungen nicht nachgekommen war, verpflichtete das Landratsamt diesen mit Bescheid vom 3. August 2022, Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen vorzunehmen sowie Bewirtschaftungsmaßnahmen zu erfüllen. Der Antragsteller wurde verpflichtet,
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- den am Ufer zwischengelagerten Aushub vollständig abzufahren und sachgemäß zu verwerten/entsorgen (Ziffer I. 1. des Bescheids),
14
- das Bachbett durch Einbringung von Wandkies, gewaschenem Kies (als Laichsubstrat) und Totholz wieder auf natürliche Breite wie oberhalb und unterhalb des betroffenen Abschnitts zu remodellieren; zudem eine Etablierung eines lückigen Gehölzsaumes zu erbringen. Der Antragsteller hat die Maßnahmen mit der Fischereifachberatung beim Bezirk ... und dem Zweckverband für Gewässer III. Ordnung abzustimmen (Ziffer I. 2.);
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- auf beiden Seiten der S. auf gesamter Länge der durchgeführten Aufweitung mindestens 1,5 Meter breite Uferstreifen zu belassen. Ein Uferstreifen von mindestens 1,5 Meter ist von der Grünlandbewirtschaftung auszunehmen und der natürlichen Entwicklung zu überlassen (Ziffer I. 3.).
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- Ein Verzicht auf jegliche Düngung und chemischen Pflanzenschutz auf beiden Uferstreifen der Flurstücke,,, ... und ... der Gemarkung ... hat zu erfolgen (Ziffer I. 4.).
17
- Die Ausführung der in Ziffer I. 1. und 2. beschriebenen Maßnahmen sind dem Landratsamt binnen 2 Wochen nach Ausführung durch Vorlage einer Fotodokumentation zu belegen (Ziffer I. 5.).
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In Ziffer II. wurde die sofortige Vollziehung der Ziffer I. angeordnet. Für den Fall, dass der Antragsteller den in Ziffer I. 1. und I. 2. angeordneten Verpflichtungen bis spätestens 25. November 2022 nicht nachkommt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR für Ziffer I. 1. und in Höhe von 900,00 EUR für Ziffer I. 2. angedroht (Ziffer III. des Bescheids). Für den Fall, dass der Antragsteller die in den Ziffern I. 3. und I. 4. angeordneten Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht mindestens 5 Wirtschaftsjahre erfüllt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 300,00 EUR für Ziffer I. 3. und in Höhe von 150,00 EUR für Ziffer I. 4. angedroht (Ziffer IV. des Bescheids). In Ziffer V. wurde dem Antragsteller ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR angedroht für den Fall, dass er den in Ziffer I. 5. angeordneten Nachweis nicht fristgerecht vorlegt. In Ziffer VI. wurde eine Gebühr von 310,30 EUR festgesetzt.
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Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, die Verpflichtung habe ihre Rechtsgrundlage in Art. 58 Abs. 1 BayWG i.V.m. § 100 WHG. Das Gewässerbett sei wesentlich auf die 1,5-fache bis teilweise 2-fache Breite aufgeweitet worden. Es handele sich deswegen um einen Gewässerausbau nach § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG. Ein Planfeststellungsbeschluss oder eine Plangenehmigung nach § 68 WHG läge nicht vor und sei aufgrund der unsachgemäßen Ausführung auch nicht nachholbar. Durch das neben dem Ufer abgelegte Baggergut werde ein frühes Ausufern der S. verhindert. Rechtsseitig der S. sei auf unbebauten Grundstücken mit dem Regionalplan der Region ... ein Vorranggebiet für Hochwasserabfluss und -rückhalt H 21 ausgewiesen. In diesem Gebiet komme dem vorbeugenden Hochwasserschutz gegenüber anderen raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen Vorrang zu. Da der Regionalplan für verbindlich erklärt sei, greife die wasserrechtliche Gesetzeslage wie bei vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten (Art. 47 Abs. 2 Satz 3 BayWG). Nach § 78 Abs. 6 mit Abs. 1 Nr. 5 WHG sei in Vorranggebieten die Erhöhung der Erdoberfläche untersagt. Eine Zulassung nach § 78a Abs. 2 WHG sei nicht bekannt. Die Maßnahme sei auch nicht legalisierbar. Die im Rahmen der vorgenommenen Veränderungen erfolgte Entnahme von Kiesmaterial sei nach Art. 69 Abs. 1 BayFiG a.F. (jetzt Art. 58 Abs. 1 BayFiG) ohne behördliche Erlaubnis nur in der Zeit von 15. August bis 31. Oktober zulässig. Die S. mit Ufervegetation gehöre in dem widerrechtlich ausgebauten Abschnitt zu den nach § 30 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 BNatSchG gesetzlich geschützten Biotopen, weshalb ein Verstoß gegen naturschutzrechtliche Vorschriften gegeben sei. Ein dringender Handlungsbedarf im Juni 2021 aufgrund größerer Hochwasserereignisse werde als unwahrscheinlich bis nicht gegeben erachtet. Jedenfalls liege der Gewässerunterhalt bei der Gemeinde ... bzw. des beauftragten Zweckverbandes mit Sitz in ... und könne nicht eigenmächtig durch Dritte ausgeübt werden. Die Entnahme von „überhängendem Pflanzenbewuchs“ stelle einen Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG dar. Die vorhandenen Steil- und Flachufer, die Unterwasservegetation und die naturnahe Ufervegetation auf der Ostseite seien zerstört worden. Durch die Maßnahmen sei das betroffene Biotop zerstört und der geschützte Zustand beseitigt worden. Die Anordnung hätte erlassen werden können, da eine nachteilige Veränderung des Wasserstandes und des Abflusses, eine Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung und nachteilige Auswirkungen auf die Nachbarschaft nicht ausgeschlossen werden könnten. Die angeordneten Maßnahmen seien geeignet, um die erheblichen Verschlechterungen des ökologischen Zustandes zu mildern, damit sich längerfristig wieder ein naturnäherer Gewässerabschnitt bilden könne. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung sei durch die nicht ausgeschlossene nachteilige Veränderung des Wasserstandes und des Abflusses bzw. die damit einhergehende Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung und etwaigen nachteiligen Auswirkungen auf die Nachbarschaft begründet. Es solle einer Verfestigung des unzureichenden ökologischen Zustandes, der mutmaßlich durch den Antragsteller verursacht worden sei, entgegengewirkt werden. Die ausgesprochene Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erfolge im öffentlichen Interesse zur Gewährung des Gewässerschutzes und zur Wahrung der Belange der Fischlaichplätze bzw. der geschützten Biotope. Nach Abwägung der widerstreitenden Interessen sei insbesondere zur Vermeidung nachteiliger Veränderungen des Abflusses der S. und der drittschützenden Wiederherstellung der Hochwasserrückhaltung dem öffentlichen Interesse an der zeitnahen Erbringung der Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen einzuräumen.
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Mit Schriftsatz vom 5. September 2022 hat der Antragsteller gegen den Bescheid vom 3. August 2022 Klage zum Verwaltungsgericht Augsburg (Az. Au 9 K 22.1790) erhoben und beantragt, den Bescheid aufzuheben. Über die Klage ist noch nicht entschieden worden.
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Ein mit Schreiben vom 25. November 2022 an das Landratsamt ... gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom 7. Dezember 2022 abgelehnt.
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Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 hat der Antragsteller im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage vom 5. September 2022 (Au 9 K 22.1790) wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei rechtswidrig, da kein besonderes Interesse erkennbar sei, welches über das Erlassinteresse hinausginge. Eine Eilbedürftigkeit bzw. Dinglichkeit für die sofortige Verwirklichung des Verwaltungsaktes sei nicht gegeben. Dies zeige schon der Umstand, dass die erste Feststellung des Wasserwirtschaftsamtes am 30. Juni 2021 getroffen worden sei. Der streitgegenständliche Bescheid sei erst am 5. September 2022 ergangen und setze eine Handlungsfrist bis zum 25. November 2022. Unabhängig davon liege kein Gewässerausbau vor. Es handele sich lediglich um Unterhaltsmaßnahmen. Die Bachräumung sei lediglich erfolgt um zu vermeiden, dass Ackerboden und der darin gebundene Dünger und Saatgut in das Gewässer gelangen. Außerdem sei die S. im betroffenen Bereich als geradlinig anzusehen. Die breiteste Stelle würde genau 2 Meter betragen. Mit den Ablagerungen sei außerdem kein Biotop zerstört worden, da der Gewässerrandstreifen die letzten Jahre immer gepflügt und ackerbaulich genutzt worden sei. Es sei auch kein Material in das Gewässerbett eingebracht worden, weshalb keine Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung vorliege. Die Maßnahmen seien lediglich darauf gerichtet gewesen, das Ufer zu schützen und die vom Hochwasser ausgehenden Gefährdungen zu unterbinden, weshalb es sich lediglich um nicht planfeststellungsbedürftige Unterhaltungsmaßnahmen handele. Des Weiteren bestünden erhebliche Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anordnung, die zudem ermessensfehlerhaft erfolgt sei. Die Einwendungen des Antragstellers seien nicht hinreichend berücksichtig worden, da insbesondere keine Nachforschungen zum tatsächlichen Verlauf der S. im Bereich der Grundstücke des Antragstellers getroffen worden seien. Es seien keine weiteren Erkundigungen zu den Hochwasserereignissen im Juli 2021 veranlasst worden.
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Mit Schriftsatz vom 10. Januar 2023 ist der Antragsgegner dem Antrag entgegengetreten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
27
In der Begründung des Bescheids setze sich das Landratsamt mit konkret im Fall vorliegenden besonderen Belangen auseinander. Es sei hinreichend klar dargelegt worden, dass aufgrund der gegebenen Umstände mit der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der wasserrechtlichen Anordnung gewartet werden könne.
28
Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
29
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (Az. Au 9 K 22.1790) hat teilweise Erfolg.
30
1. Der Antrag ist zulässig.
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Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 5. September 2022 erhobenen Klage (Az. Au 9 22.1790) hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärten Ziffer I. des Bescheides vom 3. August 2022 (Anordnung verschiedener Abhilfe- und Verbesserungsmaßnahmen sowie Bewirtschaftungsmaßnahmen) und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohungen in den Ziffern II. bis V. des mit der Klage angegriffenen Bescheids.
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2. Der Antrag ist in der Sache teilweise begründet.
33
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts angeordnet ist, die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen den zugrundeliegenden Bescheid ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. in den Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes entfällt, die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs anordnen. Das Gericht prüft bei ersterem, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind, und trifft im Übrigen jeweils eine eigene Abwägungsentscheidung. Bei der im Rahmen dieser Entscheidung gebotenen Interessenabwägung kommt vor allem den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache besondere Bedeutung zu. Bleibt das Hauptsacheverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos, so wird die Abwägung in der Regel zum Nachteil des Betroffenen ausfallen. Hat der Rechtsbehelf in der Hauptsache hingegen voraussichtlich Erfolg, so ist dessen aufschiebende Wirkung wiederherzustellen bzw. anzuordnen. Wenn sich bei der im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens allein möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage dagegen weder die offensichtliche Rechtswidrigkeit noch die offensichtliche Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung feststellen lässt, hängt der Ausgang des Verfahrens vom Ergebnis einer vom Gericht vorzunehmenden weiteren Interessenabwägung ab (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 10 CS 14.2244 – juris).
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a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer I. des Bescheids vom 3. August 2022 ist formell rechtmäßig.
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aa) Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich angeordnet hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend erweist; ist das nicht der Fall, hat das Gericht die Vollziehungsanordnung ohne weitere Sachprüfung aufzuheben, nicht jedoch die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs in der Hauptsache wiederherzustellen (vgl. BayVGH, B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris).
36
Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Dabei reicht jede schriftliche Begründung, die zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, die die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen (vgl. BayVGH, B.v. 16.2.2000 – 10 CS 99.3290 – juris Rn. 16). Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind.
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bb) Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Begründung des Sofortvollzugs gerade noch gerecht. Eine besondere Dringlichkeit für die Zeit eines möglichen Rechtsbehelfsverfahrens hat der Antragsgegner dargelegt, indem er auf die infolge des Uferwalls nicht ausgeschlossene nachteilige Veränderung des Wasserstandes und des Abflusses der S. bzw. die damit einhergehende Beeinträchtigung der Hochwasserrückhaltung und etwaiger nachteiliger Auswirkungen auf die Nachbarschaft verwiesen hat. Ebenso solle einer Verfestigung des unzureichenden ökologischen Zustands entgegengewirkt werden. Die sofortige Vollziehung erfolge im öffentlichen Interesse zur Gewährung des Gewässerschutzes und zur Wahrung der Belange der Fischlaichplätze bzw. der geschützten Biotope. Zwar deckt sich die recht knapp gehaltene Begründung teilweise mit den für den Erlass des Verwaltungsakts selbst herangezogenen Gründen, sie stellt jedoch auf den vorliegenden Einzelfall ab und lässt erkennen, was den Antragsgegner zum Erlass der Anordnung bewogen hat. Damit werden die formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erfüllt. Ob die vom Antragsgegner angeführten Gründe inhaltlich tragen, ist hingegen keine Frage des Begründungserfordernisses des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern im Rahmen der besonderen Dringlichkeit der Vollziehung des Verwaltungsaktes und damit beim Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses zu würdigen.
38
b) Der Bescheid vom 3. August 2022 ist nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich teilweise rechtswidrig und verletzt den Antragsteller somit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das öffentliche Interesse und das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seiner Anordnung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nur teilweise. Die vom Beklagten herangezogene Rechtsgrundlage aus § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG i.V.m. § 67, § 68 WHG vermag lediglich die unter Ziffer I. 1 und 2 erster Halbsatz getroffenen Anordnungen zu stützen.
39
aa) Formelle Fehler des streitgegenständlichen Bescheids wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
40
bb) Der Antragsgegner stützt die im streitgegenständlichen Bescheid vom 3. August 2022 getroffenen Anordnungen auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i.V.m. Art. 58 BayWG i.V.m. § 67, § 68 WHG.
41
Nach § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG ist es Aufgabe der Gewässeraufsicht, die Gewässer sowie die Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen zu überwachen, die nach oder aufgrund von Vorschriften dieses Gesetzes, nach auf dieses Gesetz gestützten Rechtsverordnungen oder nach landesrechtlichen Vorschriften bestehen. Nach Satz 2 ordnet die zuständige Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen die Maßnahmen an, die im Einzelfall notwendig sind, um Beeinträchtigungen des Wasserhaushalts zu vermeiden oder zu beseitigen oder die Erfüllung von Verpflichtungen nach Satz 1 sicherzustellen. Voraussetzung für ein Einschreiten der zuständigen Wasserbehörde auf der Grundlage des § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG ist entweder das Erfordernis der Vermeidung oder Beseitigung einer Beeinträchtigung des Wasserhaushalts (Alt. 1) oder die Erforderlichkeit zur Sicherstellung der Verpflichtungen nach Satz 1 (Alt. 2). Anerkannt ist, dass nach § 100 Abs. 1 Satz 2 Alternative 3 WHG – unabhängig von einer tatsächlichen Beeinträchtigung des Wasserhaushalts – bereits der formelle Verstoß gegen eine wasserrechtliche Verpflichtung seitens des Verantwortlichen, wie etwa die Benutzung oder den Ausbau eines Gewässers ohne die dafür erforderliche Erlaubnis oder Genehmigung, genügt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 100 Rn. 40 ff.). Ob und unter welchen Voraussetzungen die zuständige Behörde eine wasserrechtliche Ordnungsverfügung auf die bloße formelle Illegalität eines Zustandes stützen kann, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt und von einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall abhängig (BVerwG, B.v. 21.12.1993 – 7 B 119.93 – juris). Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann sich im Einzelfall ergeben, dass eine auf die bloße formelle Illegalität der Gewässerbenutzung gestützte Anordnung nur ausnahmsweise dann rechtmäßig ist, wenn eine Beeinträchtigung des Wasserhaushalts konkret zu erwarten ist und die Behörde zuvor die Möglichkeit einer Legalisierung der Gewässerbenutzung geprüft und verneint hat (BayVGH, B.v. 19.3.2012 – 8 ZB 10.2343 – juris Rn. 14).
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cc) Nach den voranstehenden Maßgaben erweisen sich die auf § 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG i.V.m. § 67, § 68 WHG gestützten Anordnungen nach summarischer Prüfung nur hinsichtlich Ziffer I. 1 und 2 Satz 1 erster Halbsatz des Bescheides vom 3. August 2022 als rechtmäßig.
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(1) Die unter Ziffer I. 1. des Bescheids erfolgte Anordnung des vollständigen Abfahrens des Räumguts/Aushubs und dessen sachgemäße Verwertung/Entsorgung ist rechtmäßig.
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(a) Sowohl die in der Behördenakte enthaltenen Fotos als auch die vom Antragsteller selbst vorgelegten Bilder vom streitgegenständlichen Gewässerabschnitt an der S. belegen, dass der Antragsteller wesentliche Veränderungen vorgenommen hat. Zwar lässt das historische Luftbild von 2018 den grundsätzlich etwas geradlinigeren Verlauf der S. an der streitgegenständlichen Stelle im Vergleich zu den Abschnitten davor und danach erkennen. Die Aufnahme aus 2016 zeigt jedoch, dass vor den im Juni 2021 vorgenommenen Veränderungen kleine Steil- und Flachuferbereiche und Strukturelemente vorhanden waren, die zu einer abwechselnden Gewässerbreite beigetragen hatten. Durch die vorgenommenen Maßnahmen wurde ein sehr geradliniger und eintöniger Gewässerlauf mit gleicher Gewässerbreite von mindestens 2 Metern geschaffen. Dies stellt im Vergleich zu der in diesem Abschnitt auftretenden durchschnittlichen Breite von 1 bis 1,5 Metern eine Aufweitung dar. Das rechtsseitig der S. abgelagerte Baggergut, welches einen Uferwall bildet, zeugt ebenso von einer erheblichen Menge an entferntem Erdmaterial, was gegen eine bloße Entnahme von überhängendem Pflanzenbewuchs und Einbrüchen spricht. Den Bildern ist eindeutig zu entnehmen, dass hauptsächlich Erd- und Kiesmaterial entfernt wurde.
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(b) Die im Juni 2021 vorgenommenen Veränderungen stellen einen genehmigungspflichtigen Gewässerausbau im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG dar und können nicht mehr als Gewässerunterhaltungsmaßnahme angesehen werden, für die im Übrigen der Antragsteller auch nicht zuständig wäre.
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Nach § 68 Abs. 1 WHG bedarf der Gewässerausbau der Planfeststellung durch die zuständige Behörde, wobei für Vorhaben, für die keine Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht, an die Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung treten kann. Nach § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG fällt unter den Begriff Gewässerausbau die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer, so dass auch die im vorliegenden Fall vorgenommenen Veränderungen an der S. der Genehmigungspflicht unterliegen.
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Auch wenn der betroffene Gewässerabschnitt nur 150 Meter beträgt und eine Aufweitung von circa 50 Zentimetern erfolgt ist, so liegt dennoch eine wesentliche Umgestaltung im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 1 WHG vor. Eine Umgestaltung ist dann wesentlich, wenn sie den Zustand des Gewässers oder seiner Ufer auf Dauer in einer für den Wasserhaushalt bedeutsamen Weise ändert. Die Verwendung des Begriffs „wesentlich“ bedeutet lediglich, dass unwesentliche und offensichtlich nicht ins Gewicht fallende Maßnahmen keinen Gewässerausbau darstellen. Dies korrespondiert mit der Erlaubnis- und Bewilligungspflicht in §§ 8, 9 WHG. Auch dort werden insoweit keine besonders gewichtigen Benutzungstatbestände verlangt (Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 67 Rn. 30). Gewässerunterhalt hingegen umfasst nach § 39 Abs. 1 WHG die Pflege und Entwicklung als öffentlich-rechtliche Verpflichtung.
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Nach Bewertung des Wasserwirtschaftsamtes, dessen Einschätzungen und Gutachten eine besondere Bedeutung zukommt, da diesen die fachliche Erfahrung aus einer jahrelangen Bearbeitung wasserrechtlicher Sachverhalte in einem bestimmten Gebiet zugrunde liegt (st. Rspr, vgl. nur BayVGH, B.v. 2.1.2020 – 8 ZB 19.47 – juris Rn. 11; B.v. 9.3.2011 – 8 ZB 10.165 – BayVBl 2011, 728 – juris Rn. 12), wurde ein geradliniger Gewässerlauf mit gleichförmiger Gewässerbreite, Gewässertiefe und Strömung hergestellt. Wie die in der Behördenakte enthaltenen Bilder zeigen (vgl. Bl. 37 und 38 der Akte) hat der Antragssteller das vormals in der Breite variierende, bewachsene Ufer, das zum Gewässer gehört, beseitigt und einen geraden, monotonen Gewässerlauf hergestellt. Die Maßnahme stellt sich als massiver Vegetationsabtrag dar. Das Ufer wurde abgestochen und strömungslenkende Elemente endgültig beseitigt. Die Behauptung des Antragstellers, es hätten lediglich Unterhaltungsmaßnahmen zum Schutz des Ufers und zur Unterbindung der von Hochwasser ausgehenden Gefahren stattgefunden, kann zu keiner anderen rechtlichen Bewertung der von ihm vorgenommenen Maßnahmen führen. Diese verlassen den Rahmen einer bloßen Gewässerpflege und sind deshalb als gewässerumgestaltender Ausbau zu qualifizieren. Deshalb kommt es auf die Frage, wer Träger der Unterhaltslast ist, nicht an. Überdies wäre eine Übertragung der Unterhaltslast zwar dem Grundsatz nach möglich, würde aber nach § 40 Abs. 2 WHG eines besonderen, zustimmungsbedürftigen Übertragungsakts bedürfen, an dem es hier offensichtlich fehlt.
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(c) Die für die Aufweitung der S. erforderliche wasserrechtliche Genehmigung wurde nicht erteilt. Die Maßnahme erweist sich damit als formell illegal, so dass die Tatbestandsvoraussetzungen für die Anordnung des Abfahrens und sachgemäßen Verwertens/Entsorgens dem Gewässer entnommenen des Baggerguts nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG erfüllt sind.
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(d) Die Anordnung unterliegt auch keinen Ermessensfehlern. Der Antragsgegner hat von dem ihm eingeräumten Ermessen unter sachgerechter Abwägung der insoweit zu berücksichtigenden Umstände zweckentsprechend Gebrauch gemacht. Die angeordnete Maßnahme ist geeignet, der wasserwirtschaftlichen Zielsetzung, der Entstehung von nachteiligen Hochwasserfolgen vorzubeugen, ausreichend Rechnung zu tragen, vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 WHG. Die angegriffene Maßnahme ist insoweit auch erforderlich. Auch hinsichtlich Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten unterliegt die Anordnung keiner Bedenken, da ein den Antragsteller weniger belastendes geeignetes Mittel nicht ersichtlich ist. Insbesondere ist die streitgegenständliche Aufweitung der S. und die damit verbundene Ablagerung des Baggerguts am Ufer nicht offensichtlich genehmigungsfähig, weshalb auch eine nachträgliche Legalisierung der Maßnahme als weniger belastendes Mittel nicht in Betracht kommt. Da rechtsseitig der S. auf unbebauten Grundstücken mit dem Regionalplan der Region ... ein Vorranggebiet für Hochwasserabfluss und -rückhalt H 21 ausgewiesen ist, stünde einer wasserrechtlichen Genehmigung insbesondere § 78a Abs. 6 mit Abs. 1 Nr. 5 WHG i.V.m. Art. 47 Abs. 2 Satz 3 BayWG entgegen, wonach in Vorranggebieten die Erhöhung der Erdoberfläche untersagt ist. Eine ausnahmsweise Zulassung der Maßnahme nach § 78a Abs. 2 WHG liegt nach Aktenlage nicht vor und wird vom Antragsteller auch nicht behauptet.
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(2) Auch die unter Ziffer I. 2 Satz 1 Hs. 1 angeordnete Maßnahme, das Bachbett durch Einbringung von Wandkies, gewaschenem Kies und Totholz zu remodellieren ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Dagegen ist die in Ziffer I. 2 Satz 1 Hs. 2 angeordnete Etablierung eines lückigen Gehölzsaumes ist hingegen voraussichtlich rechtswidrig, da die dort getroffene Anordnung nicht auf § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG gestützt werden kann.
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(a) Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Überprüfung bestehen bezüglich der Anordnung in Ziffer I. 2 Satz 1 Hs. 1 keine rechtlichen Bedenken.
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Wie oben bereits ausgeführt liegt ein nicht genehmigter und auch nicht genehmigungsfähiger Gewässerausbau vor. Der Antragsgegner konnte deshalb Maßnahmen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes gestützt auf § 100 Abs. 1 Satz 1 WHG anordnen. Die Anordnung der Remodellierung des Bachbetts durch Einbringung verschiedener Materialien unter Abstimmung mit der Fischereifachbehörde und dem Zweckverband unterliegt diesbezüglich auch keinen Ermessensfehlern und ist verhältnismäßig. Die Maßnahme ist geeignet, den ursprünglichen Zustand der S. wiederherzustellen. Er ist auch erforderlich, da nur durch die Wiedereinbringung von Material und einer Remodellierung des ursprünglichen Gewässerverlaufs der natürliche Zustand wiederhergestellt werden kann. Durch die Abstimmung mit den oben aufgeführten Behörden ist für den Antragsteller auch eine angemessene Maßnahme gegeben, da er hierdurch ohne weiteres Rücksprache zur genauen Ausführung der Remodellierung halten kann, weshalb keinerlei unzumutbare Maßnahmen vom Antragsteller verlangt werden.
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(b) Die Anordnung in Ziffer I. 2. Satz 1 Hs. 2 des Bescheids (Etablierung eines lückigen Gehölzsaumes) ist aber nicht von der Rechtsgrundlage des § 100 WHG gedeckt, sondern geht über dessen zulässigen Inhalt hinaus. Bei illegal vorgenommenen Gewässerveränderungen findet diese Vorschrift nämlich ihre Grenze in dem, was zur Wiederherstellung des beeinträchtigten Gewässerzustands erforderlich ist. Naturschutzfachlich wünschenswerte Optimierungsmaßnahmen (hier: in Gestalt eines bislang am streitgegenständlichen Gewässerabschnitt bislang nicht vorhandenen Gehölzsaums) sind hingegen von § 100 WHG nicht umfasst, da sich die Anordnungsbefugnis nach dieser Vorschrift in einer Kompensation der Beeinträchtigung erschöpft. Bei ungenehmigten Gewässerveränderungen findet die wasserrechtliche Generalklausel ihre Grenze im Wiederherstellungsgedanken. Die Behörde darf nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht mehr verlangen als erforderlich ist, um den öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen widersprechenden Zustand zu beheben (vgl. Gößl in Sieder-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 100 WHG Rn. 70).
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Aus den in der Behördenakte enthaltenen Bildern ist nicht erkennbar, dass vor der Gewässerumgestaltung ein lückiger Gehölzsaum entlang des streitgegenständlichen Gewässerabschnitts vorhanden war. Die vereinzelt auf den Bildern erkennbaren größeren Gewächse erfüllen dieses Kriterium nicht. Für die Erforderlichkeit eines solchen Gehölzsaumes zur Wiederherstellung des ursprünglichen natürlichen Zustandes ist somit nichts ersichtlich. Vielmehr hat der Antragsgegner diesen Teil der Anordnung aus der fischereifachlichen Stellungnahme vom 22. November 2021 in den Bescheid aufgenommen, ohne jedoch dessen Notwendigkeit darzulegen. Der Antragsgegner kann nicht ohne Weiteres die Forderung der Fischereifachberatung zur Etablierung eines lückigen Gehölzsaumes dem Antragsteller als Maßnahme nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG auferlegen, ohne zu prüfen, ob dies zur Behebung des widerrechtlichen Zustands erforderlich ist.
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(3) Die Anordnungen in den Ziffern I. 3. bis 5. des Bescheids erweisen sich nach summarischer Prüfung voraussichtlich ebenfalls als rechtswidrig, da die dort getroffenen Anordnungen nicht auf die von dem Antragsgegner genannte Rechtsgrundalge zu stützen sind. Der Antragsgegner beruft sich diesbezüglich auf § 100 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 58 Abs. 1 BayWG. Diese Vorschrift stellt die Erfüllung der Verpflichtungen sicher, die unmittelbar nach dem WHG oder der Wassergesetze der Länder (hier dem BayWG) sowie nach Rechtsvorschriften bestehen, die aufgrund des Wassergesetzes erlassen sind (vgl. Gößl in Sieder-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz und Abwasserabgabengesetz, § 100 WHG Rn.24f.). Vorliegend fehlt es an einer wasserrechtlichen Regelung, auf die sich die in den Ziffern I.3 bis 5. getroffenen Anordnungen stützen können.
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Unter Ziffer I. 3 und 4 des Bescheids wird dem Antragsteller aufgegeben, im Bereich der Aufweitung einen mindestens 1,5 m breiten Uferstreifen auf beiden Seiten der S. zu belassen, von der Grünlandbewirtschaftung auszunehmen, der natürlichen Entwicklung zu überlassen und auf im einzelnen aufgeführten Flächen auf jegliche Düngung zu verzichten. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 WHG ist im Außenbereich ein Gewässerrandstreifen von 5 Metern vorgesehen. Eine abweichende länderrechtliche Regelung, die nach § 38 Abs. 3 Satz 3 WHG möglich ist und die einen solchen Gewässerrandstreifen von der Grünlandbewirtschaftung und jeglicher Nutzung von Dünger und Pflanzenschutzmitteln ausnimmt, ist nicht ersichtlich. Insbesondere trifft Art. 21 BayWG hierzu keine Regelung. Zwar mag diese Maßnahme aus naturschutzfachlicher Sicht möglicherweise wünschenswert sein. Eine Anordnung auf der Grundlage der wasserrechtlichen Generalklausel nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG kommt jedoch nicht in Betracht, wenn sie nur auf naturschutzfachliche Gründe zu stützen ist (vgl. BayVGH, U.v. 31.5.1990 – 22 B 89.1582 – ZfW 1991, 180).
58
Dem Bescheid fehlt es diesbezüglich auch an jeglicher inhaltlichen Begründung. Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 1 und 2 BayVwVfG ist ein schriftlicher Verwaltungsakt mit einer Begründung zu versehen. Dabei hat die Behörde die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen. Der Antragsgegner geht in den Gründen des Bescheids an keiner Stelle auf die Notwendigkeit der in den Ziffern I. 3 bis 5. getroffenen Anordnungen ein. Der Bescheid lässt somit auch jegliche Subsumtion vermissen.
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(4) Die in Ziffer III. ausgesprochene Zwangsgeldandrohung im Falle der Nichterfüllung der Anordnung aus Ziffer I. 1. begegnet voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 1, Abs. 2, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Höhe des Zwangsgeldes hält sich im gesetzlich eröffneten Rahmen von Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wonach das Zwangsgeld mindestens 15,00 EUR und höchstens 50.000,00 EUR beträgt. Mit der für sofort vollziehbar erklärten Ziffer I. 1. des Bescheids vom 3. August 2022 liegt auch ein nach Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG vollstreckbarer Verwaltungsakt vor. Die Bestimmtheit der Zwangsgeldandrohung ist ebenfalls gewahrt, da hinsichtlich der jeweiligen Pflichten des Antragstellers Zwangsgelder in unterschiedlicher Höhe angedroht wurden. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Dringlichkeit der zu erfüllenden Pflichten als angemessen zu betrachten.
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(5) Die Klage gegen Ziffer III. des Bescheids hat voraussichtlich insoweit Aussicht auf Erfolg, als sie sich gegen die Androhung von Zwangsgeld im Falle der Nichterfüllung der Ziffer I. 2. des Bescheids richtet.
62
Gemäß Art. 36 Abs. 1 Satz 1 VwZVG müssen Zwangsmittel unbeschadet des Art. 34 Satz 2 VwZVG bzw. Art. 35 VwZVG schriftlich angedroht werden. Art. 36 Abs. 5 VwZVG verlangt weiter, dass das Zwangsgeld in einer bestimmten Höhe anzudrohen ist. Dies dient dem Zweck, dem Vollstreckungsschuldner zu erkennen zu geben, für welchen Fall der Nichterfüllung einer Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungspflicht ihm ein Zwangsgeld in welcher Höhe droht. Diesen Bestimmtheitsanforderungen genügt die Zwangsgeldandrohung in Ziffer III. in Bezug auf Ziffer I. 2. nicht. Für den Antragsteller ist nicht zu entnehmen, bei Zuwiderhandlung welcher Pflicht aus Ziffer I. 2. ihn ein Zwangsgeld trifft und in welcher Höhe. Es wird nicht erkennbar, ob die Androhung sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder lediglich auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen aus Ziffer I. 2. zugleich.
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(6) Da mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Ziffer I. 3. bis 5. des streitgegenständlichen Bescheids kein vollziehbarer Grundverwaltungsakt mehr vorliegt, ist auch die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der unter Ziffer III. bis V. ausgesprochenen Zwangsgeldandrohung anzuordnen.
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c) Neben der summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, bedarf es in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einer weiteren Kontrollüberlegung. Die Vorschrift fordert für die behördliche Anordnung bei sofortiger Vollziehung ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung, das über das Interesse an der Vollziehung des Verwaltungsakts selbst hinausgeht. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse ist grundsätzlich nicht mit dem öffentlichen Interesse am Erlass eines Verwaltungsakts identisch. Daher vermag selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen (vgl. NdsOVG, B.v. 17.4.2014 – 7 ME 8/19 – juris Rn. 26). Das Gericht kann die behördliche Anordnung des Sofortvollzugs daher nur bestehen lassen, wenn nach seiner Beurteilung ein öffentliches Interesse daran besteht, einen offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsakt vor Eintritt seiner Bestandskraft zu vollziehen.
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Angesichts des hohen öffentlichen Interesses an einem unbeeinträchtigten Hochwasserabfluss und somit am Hochwasserschutz muss das private Interesse des Antragstellers, bis zur rechtskräftigen Entscheidung die geforderte Maßnahme in Ziffer I. 1. und 2 Hs. 1 nicht umsetzen zu müssen, im Einzelfall zurückstehen. Im Hinblick auf die Ziffern I. 2 Satz 1 Hs. 2. bis Ziffer I. 5. des Bescheides ist jedoch von einem überwiegenden Wiederherstellungsinteresse auszugehen, da Bedenken hinsichtlich der Erforderlichkeit der Maßnahmen bestehen und eine ausreichende Rechtsgrundlage als nicht gegeben erscheint.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Antragsteller nur teilweise unterliegt, waren die Verfahrenskosten gemäß § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO verhältnismäßig zu teilen. Im Hinblick auf die Bedeutung der einzelnen Anteile des Unterliegens bzw. des Obsiegens hält das Gericht es für sachgerecht, die Kosten des Verfahren den Beteiligten je zur Hälfte aufzuerlegen.
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Die Festsetzung des Streitwerts richtet sich nach §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.