Inhalt

VGH München, Beschluss v. 24.05.2023 – 12 CS 21.2182
Titel:

Bestimmung des verantwortlichen Deponiebetreibers

Normenketten:
KrWG § 15, § 36, § 39, § 40
BBodSchG § 3, § 4
Leitsätze:
1. Für die Bestimmung des Deponiebetreibers sind nicht formalrechtliche Gesichtspunkte heranzuziehen, sondern die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände. Als Betriebsführung gilt danach ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Verhältnis mehrerer, zeitlich aufeinanderfolgender Betreiber ist ein Ausnahmefall von der Inanspruchnahme des „letzten“ Betreibers anerkannt, wenn nach der Stilllegung der Deponie auf ihrem Gelände nunmehr eine neue Deponie betrieben wird. Insoweit ist für Maßnahmen, die ursächlich auf die Verhältnisse der stillgelegten Deponie zurückzuführen sind, deren früherer (damaliger) Betreiber verantwortlich. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bis zum Abschluss der sog. Nachsorgephase durch eine Feststellung nach § 40 Abs. 5 KrWG stellt das Kreislaufwirtschaftsgesetz die speziellere Norm dar und geht dem Bundesbodenschutzgesetz insoweit vor. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiges Rechtsschutzverfahren, Sofortvollzugsinteresse, Ehemalige Deponie, Betreiber, Stilllegung, Nachsorgephase, Überwachungs- und Sanierungsmaßnahmen, Konkurrenzverhältnis zum Bodenschutzrecht, Oberflächenabdeckung, konkludente Entlassung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 26.07.2021 – Au 9 S 21.1065
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13687

Tenor

I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 26. Juli 2021 (Az.: Au 9 S 21.1065) wird aufgehoben.
II. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin wird im Hinblick auf Ziffer I. des Bescheids des Antragsgegners vom 20. März 2021 wiederhergestellt, im Hinblick auf Ziffer III. des Bescheids angeordnet.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Antragsverfahrens in beiden Rechtszügen.
IV. Der Streitwert wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen auf 4.500,- € festgesetzt.

Gründe

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Die Antragstellerin, ein Bauunternehmen, verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr Begehren weiter, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30. März 2021 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, durch den ihr zwangsgeldbewehrt aufgegeben wurde, auf eigene Kosten eine von einem qualifizierten Sachverständigen erstellte Entwurfsplanung inklusive Plänen für die Oberflächenabdeckung bzw. Oberflächenabdichtung der ehemaligen Deponie D., Flurnr. … der Gemarkung D., bis zum 1. September 2021 der Regierung von S. vorzulegen.
I.
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1. Für die streitgegenständliche, auf der Flurnr. … der Gemarkung D. in einer vormaligen Kiesgrube gelegene Deponie D. zeigte am 10. Mai 1971 die Firma M.-S. GmbH beim zuständigen Landratsamt die Ablagerung von Industrie- und Gewerbemüll an. Ihr wurde am 11. August 1972 die Erlaubnis zum Verbrennen der im Betrieb anfallenden Industrieabfälle auf dem Deponiegelände erteilt. Dort lagerte sie in der Folgezeit bei ihr anfallende Industrieschaumabfälle ab. Teilweise wurden die Abfälle auch verbrannt. Diese Ablagerungen und Abfallverbrennungen beendete die Fa. M. im Laufe des Jahres 1977. Im Anschluss wurde der Fa. K. Industrie-Abfallverarbeitung mit Bescheiden der Regierung von S. vom 23. Dezember 1977 und 18. Mai 1978 die Ablagerung von zerkleinerten Altreifen und von Industriegummiabfällen, mit weiterem Bescheid vom 26. Juni 1978 der Betrieb einer Altreifenzerkleinerungsanlage auf dem Deponiegelände gestattet. Dergestalt führte die Fa. K. und N. GmbH & Co KG den Deponiebetrieb bis 1981 fort, wobei es wiederholt zu Beanstandungen bezüglich der Ablagerung von Altreifen und Gummiabfällen kam; zugleich wurden wohl auch weiterhin Abfälle der Fa. M. abgelagert. Nach Einstellung der Ablagerungen „entließ“ die Regierung von S. die Fa. K. und N. mit Schreiben vom 24. Juli 1981 aus der mit Bescheid vom 23. Dezember 1977 angeordneten Rekultivierungspflicht, sofern zugleich unabgedeckt abgelagerte Gummiabfälle eingeschoben und mit 30 cm Bodenaushub abgedeckt, Geräte und Maschinen entfernt, die Umzäunung belassen und der Schlüssel dem Landratsamt U. übergeben würde. Diesen Anforderungen kam die Fa. K. und N. in der Folge nicht nach. Mittlerweile besteht die Fa. K. und N. nicht mehr; sie wurde aus dem Handelsregister gelöscht.
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2. Am 18. März 1985 schlossen die Antragstellerin und der Eigentümer des Deponiegrundstücks, Herr H., eine Vereinbarung, wonach der Antragstellerin das Recht zur Auffüllung der Grube mit Bauschutt und Aushub bis zur Oberkante des jetzigen Geländes eingeräumt wurde. Des Weiteren verpflichtete sich die Antragstellerin, die Grube durch Auffüllung mit bindigem Erdreich und Überziehen mit einer Humusschicht zu rekultivieren und wieder landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Zugleich waren die Auflagen des Landratsamts hinsichtlich der Absperrung der Grube sowie des geregelten Kippbetriebs zu beachten. Nachdem im Zuge der Auffüllarbeiten durch die Antragstellerin auch die Anlieferung weiteren Abfalls (u.a. Hausmüll, Farbgebinde, Teppichböden etc.) festgestellt worden war, erging am 11. Oktober 1985 gegenüber der Antragstellerin ein sofortiges Ablagerungsverbot sowie das Verbot, anderen Firmen die Nutzung der Deponiefläche zu gestatten, verbunden mit dem ausdrücklichen Hinweis des Landratsamts, ansonsten liege ein Deponiebetreib vor (vgl. Telefax vom 11.10.1985 an Ast. Anlage AS7 der Verfahrensakte 1. Instanz Bl. 90 f.). In der Folge verpflichtete das Landratsamt U. die Antragstellerin mit Bescheid vom 15. Oktober 1985, auf der Deponie D. von Dritten abgelagerten Abfall (Hausmüll, Sperrmüll) zu beseitigen und fachgerecht zu entsorgen. Mit weiterem Bescheid vom 25. Oktober 1985 wurde die Antragstellerin zur Einrichtung von drei Grundwassermessstellen auf dem ehemaligen Deponiegelände und zur regelmäßigen Übermittlung bestimmter, im Einzelnen spezifizierter Messwerte verpflichtet. Schließlich wurde der Antragstellerin mit Bescheid vom 7. November 1985 zwangsgeldbewehrt jegliche Ablagerung von Abfall auf dem Deponiegelände untersagt, nachdem bislang mit der Beseitigung der im Oktober vorgefundenen Abfälle noch nicht begonnen worden und weiterer Haus- und Sperrmüll festgestellt worden war. In der Folge ließ die Antragstellerin die von Dritten abgelagerten Abfälle beseitigen und entsorgen. Zugleich setzte sie die Auffüllung des Deponiegeländes mit Bauschutt und Erdaushub fort. Die ferner von der Antragstellerin unregelmäßig beauftragten Grundwassermessungen ergaben zunächst keine relevanten Messwertüberschreitungen, sodass das zuständige Wasserwirtschaftsamt in der Folgezeit nur die Fortführung der Überwachungsmaßnahmen für erforderlich erachtete. In einer für den Landrat Dr. H. erstellten Chronologie der vormaligen Deponie D. (Bl. 153 ff. der Verfahrensakte 1. Instanz) findet sich der Vermerk über eine Ortseinsicht des Landratsamts vom 18. Juli 1991 wonach das Gelände rekultiviert und als funktionelle Biotopzone anzusehen sei. Maßnahmen seien im vorliegenden Fall nicht zu veranlassen. Nach Angaben der Antragsgegnerin liegen zu der Begehung durch das Landratsamt keine weiteren Akten/Unterlagen mehr vor. Die Antragstellerin trägt weiter vor, dass sie seit 1986 nicht mehr auf der Deponie tätig gewesen sei.
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3. Seit 1986 führte die Antragstellerin auf freiwilliger Basis und in Absprache mit den zuständigen Behörden des Antragsgegners auf dem seit 1984 als Altlastenverdachtsfläche eingestuften Gelände der Deponie D. unregelmäßig Grundwasseruntersuchungen durch. Eine Ortseinsicht im Jahr 2011 ergab, dass auf der vormaligen Deponiefläche Altreifen und weiterer Abfall z.T. offen zutage traten. Am 11. November 2014 schlossen die Regierung von S. und die Antragstellerin einen öffentlich-rechtliche Vereinbarung als Vergleichsvertrag nach Art. 55 BayVwVfG, wonach sich die Antragstellerin zur Untersuchung des Deponiegeländes verpflichtete, um die Verfüllbereiche der verschiedenen Deponiebetreiber sektoral abzugrenzen, sowie – für den Fall, dass eine sektorale Abgrenzung nicht vorgenommen werden könne – zur Einrichtung weiterer Grundwassermessstellen. Zuletzt mit der Detailerkundung des Sachverständigen Dr. L. vom 7. Dezember 2018 übermittelte die Antragstellerin dem Antragsgegner das Ergebnis der Luft- und Grundwassermessungen. In der Folge forderte die Regierung von S. die Antragstellerin auf, ein Konzept für eine für erforderlich erachtete Oberflächenabdichtung des Deponiegeländes zu erstellen. Eine daraufhin von der Antragstellerin vorgeschlagene „vereinfachte Variante“ wurde für fachlich nicht ausreichend angesehen.
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4. Nachdem sich die Antragstellerin in der Folgezeit zu keinen weitergehenden Maßnahmen bezüglich der Deponie D. bereit erklärte, gab die Regierung von S. ihr mit streitgegenständlichem Bescheid vom 30. März 2021 auf, für die Deponiefläche auf eigene Kosten eine Entwurfsplanung inklusive Plänen für eine Oberflächenabdeckung bzw. -abdichtung vorzulegen, die ein stimmiges und realisierbares Gesamtkonzept unter Beachtung bestimmter, im Einzelnen aufgelisteter Parameter, beinhalten und von einem nach § 18 VSU Boden und Altlasten für das SG 5 qualifizierten Sachverständigen erstellt werden muss (Ziffer I.). Weiter wurde die sofortige Vollziehung der angeordneten Maßnahme (Ziffer II.) sowie für den Fall der Nichterfüllung bis zum 1. September 2021 ein Zwangsgeld in Höhe von insgesamt 9.000,- € angedroht (Ziffer III.).
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4.1 Die Anordnung nach Ziffer I. beruhe auf § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG. Danach habe die Regierung von S. als zuständige Behörde den Betreiber einer Deponie zu verpflichten, auf seine Kosten alle sonstigen erforderlichen Vorkehrungen, einschließlich von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen während der Nachsorgephase, zu treffen, um die in § 36 Abs. 1 bis 3 KrWG genannten Anforderungen auch nach der Stilllegung der Deponie zu erfüllen, soweit entsprechende Regelungen noch nicht in einem Planfeststellungsbeschluss, einer Plangenehmigung oder sonstigen Auflagen getroffen wurden. Diese Vorschrift finde auch bei Altdeponien in der Nachsorgephase und auf Deponien Anwendung, die bislang von den zuständigen Behörden geduldet worden seien. Die ehemalige Deponie D. sei bis mindestens 1986 von der Antragstellerin verfüllt worden. Sie befinde sich heute in der abfallrechtlichen Nachsorgephase, die noch nicht abgeschlossen sei. Eine Entlassung aus der abfallrechtlichen Nachsorge habe bislang nicht stattgefunden, da eine gemeinwohlverträgliche Ablagerung nicht auf Dauer gesichert sei. Auch handele es sich bei der Antragstellerin um die Betreiberin der Deponie D. im Sinne von § 40 Abs. 2 KrWG. Betreiber sei die natürliche oder juristische Person, die bei Bekundung der Stilllegungsabsicht oder zum Zeitpunkt der endgültigen Betriebseinstellung die Verfügungsgewalt über die Anlage innegehabt und die Betriebsführung wahrgenommen habe, mithin also der letzte Betreiber bzw. Inhaber. Aus der Vereinbarung vom 18. März 1985 mit dem Grundstückseigentümer gehe hervor, dass die Antragstellerin letzte Betreiberin der Deponie gewesen sei. In dieser Vereinbarung werde ihr u.a. das alleinige Recht zur Auffüllung mit Bauschutt und Aushub eingeräumt. Weiter habe die Antragstellerin auch Haus- und Sperrmüll abgelagert und Dritten die Nutzung der Deponie eingeräumt. Die Deponie D. sei zwar nacheinander von verschiedenen Inhabern betrieben worden, jedoch ziele § 40 Abs. 2 KrWG auf den letzten Betreiber ab. Die Antragstellerin habe am 20. August 1986 angezeigt, dass die Auffüllung abgeschlossen sei. Sie sei gegenüber dem Landratsamt U. und im weiteren Verlauf auch gegenüber der Regierung von S. als Verfügungsberechtigte aufgetreten. Eine besondere Fallkonstellation, die in der Rechtsprechung den Rückgriff auf frühere Betreiber rechtfertigen könnte, liege nicht vor. Die Antragstellerin habe ferner im vorliegenden Fall im Zeitpunkt der faktischen Stilllegung die Verfügungsgewalt über die gesamte Deponieoberfläche besessen. Eine etwaige Trennung der Deponie in eindeutig abgeschlossene Deponieabschnitte habe nicht erfolgreich dargelegt werden können. Die Antragstellerin sei daher letzte Betreiberin der Deponie gewesen.
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4.2 Zu den Vorkehrungen, die § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG beinhalte, zählten alle im Einzelfall gebotenen Anordnungen. Eine Entwurfsplanung, in der ein stimmiges und realisierbares Gesamtkonzept, das alle planerischen und baurechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtige, stelle den nächsten Schritt zur Umsetzung der Oberflächenabdichtung dar. Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 Nr. 1 lit a und b KrWG zielten darauf ab, Beeinträchtigungen für das Wohl der Allgemeinheit, insbesondere für die Schutzgüter Gewässer und Böden im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 2 KrWG zu verhindern. Das Gutachten zur Detailerkundung der Deponiefläche von Dr. L. vom 7. Dezember 2018 zeige, dass bei den Grundwasseruntersuchungen in den Jahren 2017 und 2018 Überschreitungen des sog. Stufe-1-Wertes des Merkblatts des Landesamts für Umweltschutz 3.8/1 für Barium (300 µg/l) an der Messstelle BR 1und für LHKW (= Leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe, 10 µg/l) an der Messstelle BR 3, BR 4 und BR 6 nachgewiesen worden seien. Bei einer Überschreitung des Stufe-1-Werts liege eine erhebliche Gewässerverunreinigung vor. An der Messstelle BR 6 liege der Messwert bereits nahe des Stufe-2-Werts (40 µg/l), ab dem eine Grundwassersanierung in Betracht gezogen werde. Zudem sei an der Messstelle BR 6 mit 17,1 µg/l der Stufe-2-Wert (3 µg/l) für das kanzerogene Vinylchlorid und mit 10 µg/l der Stufe-1-Wert des Merkblatts für Chrom VI (8 µg/l) überschritten worden. Auch wenn die Untersuchungsergebnisse für Vinylchlorid an der Messstelle BR 6 noch verifiziert werden müssten, zeigten die Grundwasseruntersuchungen an den Messstellen BR 3, BR 4 und BR 6 erhebliche Grundwasserbelastungen durch LHKW über den Stufe-1- und Stufe-2-Werten des Merkblatts auf. Von einer stillgelegten Deponie dürften indes keine Gefahren für das Grundwasser und für die menschliche Gesundheit ausgehen. Um Beeinträchtigungen für das Wohl der Allgemeinheit zu verhindern, sei daher die Durchführung der angeordneten Maßnahmen erforderlich. Ferner erweise sich aus fachlicher und rechtlicher Sicht die Planung und Errichtung einer Oberflächenabdeckung der vormaligen Deponie als das erforderliche, aber zugleich auch mildeste geeignete Mittel, um den weiteren Eintrag von Schadstoffen über den Abfallkörper in das Grundwasser zu verhindern. Auch für eine spätere Entlassung aus der Nachsorgephase seien diese Maßnahmen erforderlich. Zunächst werde lediglich die Einreichung von Planungsunterlagen gefordert, um der Antragstellerin möglichst viel Auswahl- und Gestaltungsspielraum bei der Planung zu ermöglichen. Die Oberflächenabdeckung stelle zugleich eine sog. quellenorientierte Sanierungsmaßnahme dar, die erforderlich sei, um weiteren Schadstoffeintrag in das Grundwasser zu verhindern. Da bei den Messstellen BR 3, BR 4 und BR 6 der Stufe-1-Wert für LHKW und bei der Messstelle BR 6 zusätzlich der Stufe-2-Wert für Vinylchlorid erheblich überschritten worden sei, habe sich der Verdacht einer erheblichen Grundwasserverunreinigung im Bereich der Altdeponie abschließend bestätigt. Die Antragstellerin habe ferner stets um ihre Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abdeckung und Rekultivierung der Deponiefläche gewusst. Diese sei bereits Teil der Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer gewesen. Eine ausreichende Abdeckung habe die Antragstellerin aber nicht durchgeführt. Ihre Inanspruchnahme sei daher auch unter dem Gesichtspunkt der langen Verhandlungsdauer nicht unverhältnismäßig, zumal ihr bereits jahrelang bekannt gewesen sei, dass Maßnahmen ergriffen werden müssten. Weiter beruhe auch die Vorgabe der Beauftragung eines nach VSU Boden- und Altlasten zugelassenen Sachverständigen auf § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG.
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4.3 Weiter habe im vorliegenden Fall nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung von Ziffer I. des Bescheides angeordnet werden können, da nach Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Belange dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Vorrang vor dem Interesse der Antragstellerin an einem Vollzugsaufschub gebühre. Die Grundwasseruntersuchungen durch das Büro Dr. L. aus den Jahren 2017 und 2018 hätten neben auffälligen Gehalten bei den Leitparametern Barium und Chromat auch erhebliche Grundwasserbelastungen durch LHKW ergeben. Die Messergebnisse lägen zwischen den Stufe-1- und den Stufe-2-Werten des LfW-Merkblatts 3.8/1. Zudem sei an der Messstelle BR 6 bei der letzten bisher vorliegenden Grundwasseruntersuchung im September 2018 mit 17,1 µg/l Vinylchlorid eine deutliche Überschreitung des Stufe-2-Werts ermittelt worden. Neben der Belastung mit Vinylchlorid seien auch eine erhöhte LHKW-Summenkonzentration gemessen worden, sodass der Messwert für Vinylchlorid an der Messstelle BR 6 nicht grundsätzlich in Frage gestellt werden könne. Der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L., dass außer bei Vinylchlorid keine Prüfwertüberschreitungen vorliegen würden, könne nicht gefolgt werden Der Prüfwert für LHKW nach der BBodSchV von 10 µg/l sei bereits mehrfach überschritten worden. Für das weitere Vorgehen sei in Bayern das Merkblatt 3.8/1 des Landesamts für Wasserwirtschaft einschlägig und hier maßgeblich das Vorgehen bei Überschreiten der Stufenwerte. Bezüglich der Frage der Herkunft der festgestellten Belastungen sei zu beachten, dass sich die Messstelle BR 6 im Deponiezustrom in einem Bereich befinde, in dem der frühere Betreiber, die Fa. M., abgelagert habe und bei der Probenentnahme das Grundwasser im nahen Umfeld durch das Abpumpen der Messstelle erfasst werde. Außer der Deponie seien andere Quellen für die gemessene Belastung nicht erkennbar. Werde der Stufe-1-Wert im Grundwasser überschritten so seien in Anlehnung an das Merkblatt quellenorientierte Maßnahmen durchzuführen. Eine baldige Abdeckung der Deponiefläche als quellenorientierte Maßnahme sei daher von entscheidender Bedeutung für die Reduktion des Schadstoffeintrags in das Grundwasser. Das nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderliche besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung dieses Bescheides liege deshalb vor. Dabei spiele es keine entscheidende Rolle, dass seit der ersten Kenntnisnahme der Behörden von der Grundwassergefährdung, die von den Altablagerungen ausgehe, und dem Bescheiderlass Zeit mit weiteren notwendigen Untersuchungen und Verhandlungen mit der Antragstellerin vergangen sei. Denn aus der maßgeblichen Sicht zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung gerechtfertigt. Dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit gebühre daher der Vorrang vor den privaten Interessen der Antragstellerin an einem Zuwarten bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheids. Im Übrigen werde lediglich die Vorlage eines Konzepts zur Oberflächenabdichtung verlangt. Diese Verpflichtung stelle für die Antragstellerin hinsichtlich der damit verbundenen Kosten und des damit verbundenen Aufwands die geringstmögliche Beeinträchtigung dar, sodass das private Interesse dem öffentlichen Interesse an einem zügigen Fortgang der Planung der erforderlichen Maßnahme zurückzutreten habe.
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5. Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin Klage erheben und zugleich die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage beantragen. Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 26. Juli 2021 (Az.: Au 9 S 21.1065) hat das Verwaltungsgericht das vorläufige Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin als zulässig, aber der Sache nach unbegründet abgelehnt.
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5.1 So erweise sich die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer II. des angefochtenen Bescheids zunächst als formell rechtmäßig. Der Bescheid enthalte die bei Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwGO nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO erforderliche schriftliche Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung. Das besondere öffentliche Interesse im Sinne von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO liege jedenfalls dann vor, wenn eine konkrete Gefährdung der Wasserversorgung zu besorgen sei.
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5.2 Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweise sich die streitgegenständliche Verpflichtung der Antragstellerin zur Vorlage einer Entwurfsplanung inklusive Plänen für die Oberflächenabdichtung der Deponie D. durch einen nach § 18 VSU Boden und Altlasten für das SG 5 qualifizierten Sachverständigen gem. Ziffer I. des Bescheids vom 30. März 2021 voraussichtlich als rechtmäßig. Das öffentliche Interesse und das Interesse des Antragsgegners an der sofortigen Vollziehung seiner Anordnung überwiege folglich das Interesse der Antragstellerin an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
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5.2.1 Rechtsgrundlage der streitbefangenen Anordnung bilde § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG. Danach habe die zuständige Behörde, soweit entsprechende Regelungen noch nicht in einem Planfeststellungsbeschluss nach § 35 Abs. 2 KrWG, einer Plangenehmigung nach § 35 Abs. 3 KrWG, in Bedingungen und Auflagen nach § 39 KrWG oder den für Deponien geltenden umweltrechtlichen Vorschriften enthalten seien, den Betreiber der Deponie zu verpflichten, auf seine Kosten alle sonstigen Vorkehrungen, einschließlich von Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen während der Nachsorgephase zu treffen, um die in § 36 Abs. 1 bis 3 KrWG genannten Anforderungen auch nach der Stilllegung zu erfüllen. § 40 KrWG sei insoweit für alle nach dem Inkrafttreten des Abfallgesetzes 1972 betriebenen und stillgelegten Deponien bis zum Abschluss der sog. Nachsorgephase maßgeblich. Vorschriften des Bundesbodenschutzgesetzes träten insoweit hinsichtlich der spezielleren Regelung im Kreislaufwirtschaftsgesetz zurück. Bei der Bezugnahme in § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG handele es sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts um eine Rechtsfolgen-, nicht hingegen um eine Rechtsgrundverweisung.
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Auf dem vorliegend streitgegenständlichen Grundstück der Gemarkung D. befinde sich eine endgültig stillgelegte Deponie, die in den Anwendungsbereich von § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG falle und damit gemäß Art. 25 Abs. 1 BayAbfG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 6 Abfallzuständigkeitsverordnung dem Zuständigkeitsbereich der Regierung von S. als Abfallbehörde unterliege. Unter den Beteiligten sei insoweit unstreitig, dass sich die vormalige Mülldeponie D. nach wie vor in der Nachsorgephase befinde, die noch nicht abgeschlossen sei. Jedenfalls fehle es an der nach § 40 Abs. 5 KrWG hierfür erforderlichen förmlichen Feststellung des Abschlusses der abfallrechtlichen Nachsorgephase.
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5.2.2 Weiter habe die Antragstellerin als vormalige Betreiberin der Deponie D. zu Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG herangezogen werden können. Nach § 2 Nr. 12 Deponieverordnung (DepV) sei als Deponiebetreiber diejenige natürliche oder juristische Person anzusehen, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die Deponie innegehabt habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 36 Abs. 2 KrW-/AbfG a.F., die auf den Betreiberbegriff des § 40 Abs. 2 KrWG weiterhin Anwendung finde, sei derjenige als Inhaber (= Betreiber) anzusehen, der für die Deponie rechtlich und tatsächlich verantwortlich sei. An ihn richteten sich die zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Betriebs bestimmten gesetzlichen Pflichten. Der Betreiber habe die Verfügungsgewalt über die Abfallentsorgungsanlage inne, nehme die Betriebsführung wahr und trage damit die Verantwortung dafür, dass das Wohl der Allgemeinheit nicht gefährdet werde. Unter „Betriebsführung“ werde auch im abfallrechtlichen Kontext regelmäßig ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung verstanden. Ungeachtet dessen sei die Frage, wer im Einzelfall als Betreiber der Deponie anzusehen sei, nicht allein nach formalen rechtlichen Gesichtspunkten, sondern unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände zu beurteilen. Abfallrechtlich in Anspruch genommen werde dabei grundsätzlich der letzte Betreiber zum Zeitpunkt der Stilllegung der Deponie. Habe sich jemand gegenüber der zuständigen Behörde selbst als Betreiber bezeichnet oder entsprechend geriert, müsse er sich im Folgenden zumindest dann als Betreiber behandeln lassen, wenn auch weitere wichtige Umstände für seine Betreiberstellung sprächen.
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Vorliegend sprächen gewichtige Umstände dafür, dass die Antragstellerin spätestens seit dem Abschluss der Vereinbarung vom 18. März 1985 bis zur Stilllegung der Deponie im Jahr 1986 alleinige Betreiberin des gesamten Deponiegeländes gewesen sei. Gegenstand der Vereinbarung mit dem Grundstückseigentümer sei das alleinige Recht der Antragstellerin zur Auffüllung der Deponie mit Bauschutt und Erdaushub gewesen. Sie habe danach die gesamte Grube bis zur Geländeoberkante auffüllen können. Als Gegenleistung für die Berechtigung zur Auffüllung der Deponie habe sich die Antragstellerin verpflichtet, die Grube in ihrer Gesamtheit zu rekultivieren. Mit der Vereinbarung sei die Antragsgegnerin alleiniger Vertragspartner gegenüber dem Landratsamt und dem Grundstückseigentümer geworden. Neben dem Landratsamt und dem Grundstückseigentümer hätte lediglich die Antragstellerin über die Zugangsberechtigung sowie einen Schlüssel zur Deponie verfügt. Nach dem Inhalt der Behördenakte habe die Antragstellerin bis zur endgültigen Stilllegung der Deponie und deren Rekultivierung etwa 20% des verbliebenen Restvolumens der Grube mit Aushub und Abbruchmaterial verfüllt. Dass die Antragstellerin ab März 1985 bis zur endgültigen Stilllegung und Rekultivierung der alleinige Verfügungsberechtigte und ausschließliche Betreiber der Deponie gewesen sei, zeige sich auch daran, dass das Landratsamt seine Anordnungen in Bezug auf die unzulässige Ablagerung von Abfällen auf der Deponie vom 15. Oktober 1985 bzw. 7. November 1985 ausschließlich an die Antragstellerin gerichtet und die damaligen Grundstückseigentümer lediglich zur Duldung verpflichtet habe. Dieser Umstand spreche im Rahmen einer gebotenen Gesamtschau für die Betreibereigenschaft der Antragstellerin, jedenfalls für den Zeitraum vom 18. März 1985 bis zur endgültigen Stilllegung und Rekultivierung der Deponie im Jahr 1986 (Anzeige des Abschlusses der Verfüllung am 20. August 1986).
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Der Stellung als Betreiber könne nicht entgegengehalten werden, dass die Antragstellerin, anders als die vormaligen Deponiebetreiber, die Firmen M. und K. bzw. K. und N., nicht über eine formale Gestattung zur Deponienutzung bzw. Abfallablagerung verfügt habe. Unter Zugrundelegung des materiellen Betreiberbegriffs komme es auf die formale Inhaberschaft einer Zulassungsurkunde nicht an. Zwar handle ein Deponiebetreiber ohne eine entsprechende Zulassung rechtswidrig; jedoch sei auch der „illegale Betreiber“ Deponiebetreiber im Sinne von § 40 Abs. 2 KrWG.
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Weiter entfalle die Betreibereigenschaft der Antragstellerin auch nicht deshalb, weil sie im Vergleich zu den vormaligen Deponiebetreibern nur geringe und größtenteils unschädliche Abfallmengen gelagert habe und deshalb nicht zu Nachsorgemaßnahmen nach § 40 Abs. 2 KrWG herangezogen werden könnte. Indes knüpfe die „Verhaltenshaftung“ des § 40 KrWG allein an die letzte Inhaberschaft bzw. den letzten Betreiber der Deponie an, nicht aber an die Menge und Gefährlichkeit der abgelagerten Stoffe. Derartige Gesichtspunkte wären allenfalls im Rahmen der Auswahl zwischen mehreren verpflichteten Störern zu berücksichtigen.
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Einer Inanspruchnahme der Antragstellerin stehe ferner nicht entgegen, dass diese die Rekultivierung der Deponie im Jahr 1991 abgeschlossen habe und dass durch das Landratsamt der Abschluss der Rekultivierungsarbeiten festgestellt worden war. Der Abschluss der Rekultivierungsarbeiten sei indes nicht gleichbedeutend mit dem Abschluss der Nachsorgephase im Sinne von § 40 Abs. 5 KrWG. Weiter knüpfe die Verpflichtung der Antragstellerin nicht an den Abschluss der Rekultivierungsarbeiten, sondern an die noch andauernde Nachsorgephase der Deponie an.
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Schließlich lasse auch die von den Beteiligten am 11. November 2014 im Sinne eines Vergleichsvertrags nach Art. 55 BayVwVfG geschlossene Vereinbarung die Verantwortlichkeit der Antragstellerin nicht entfallen. Dies würde selbst dann gelten, wenn sich diese Vereinbarung im Sinne von Art. 59 BayVwVfG als nichtig erwiese. Denn die Nichtigkeit der Vereinbarung würde die vormalige Betreiberstellung der Antragstellerin nicht entfallen lassen, an die wiederum § 40 Abs. 2 KrWG anknüpfe.
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In der gebotenen Gesamtschau der Einzelfallumstände sei die Antragstellerin mit Abschluss der Vereinbarung vom 18. März 1985 alleinige Betreiberin der Deponie D. geworden und bis zur endgültigen Stilllegung auch geblieben. Durch die ihr eingeräumte Befugnis zur Restverfüllung der Deponie habe sie zugleich das Risiko übernommen, zu einem späteren Zeitpunkt in der Nachsorgephase zu Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen herangezogen zu werden.
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Dass im vorliegenden Fall ausschließlich die Antragstellerin nach § 40 Abs. 2 Satz 1 KrWG in Anspruch genommen wurde, sei nicht zu beanstanden. Zwar sei es denkbar, dass es für einzelne Deponieabschnitte auf einer Deponie unterschiedliche Betreiber gebe. Da vorliegend jedoch nach fachlicher Einschätzung eine sektorale Abgrenzung der Ablagerungen der verschiedenen Betreiberfirmen nicht möglich sei, begegne die alleinige Inanspruchnahme der Antragstellerin keinen Bedenken.
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5.2.3 Weiter könnten die vom Antragsgegner geforderten Maßnahmen auf § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG gestützt werden. § 40 Abs. 2 KrWG knüpfe dabei an die in § 15 Abs. 2 KrWG enthaltene Verpflichtung zur allgemeinwohlverträglichen Abfallbeseitigung an und räume den zuständigen Behörden zugleich eine Handlungsermächtigung wie auch eine Handlungsverpflichtung ein. Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 KrWG komme der zuständigen Behörde kein Entschließungsermessen zu. Zu den in § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG genannten „Vorkehrungen“ zählten alle im Einzelfall gebotenen Maßnahmen. Angesichts der fachlichen Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Umwelt vom 15. Januar 2019 sowie des Wasserwirtschaftsamts vom 21. Januar 2019 zu den durchgeführten Detailerkundungen des Ingenieurbüros Dr. L. vom 7. Dezember 2018 sei jedenfalls von einer erheblichen Grundwasserverunreinigung im Abstrombereich der Deponie durch LHKW festzustellen. Diese fachlich manifestierte Sachlage rechtfertige es, Anordnungen auf der Grundlage des § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG gegenüber der Antragstellerin zu erlassen.
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5.3 Nachdem auch die in Ziffer III. des Bescheids vom 30. März 2021 ausgesprochene Zwangsgeldandrohung keinen Bedenken begegne, sei nach summarischer Prüfung der Rechtslage ein Erfolg der Klage der Antragstellerin gegen abfallrechtliche Anordnungen des Antragsgegners als nicht hinreichend wahrscheinlich anzusehen. Aber auch bei voraussichtlicher Erfolglosigkeit des Hauptsacherechtsbehelfs bedürfe es in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO einer weiteren Kontrollüberlegung hinsichtlich des besonderen Vollzugsinteresses. Das besondere öffentliche Vollzugsinteresse sei grundsätzlich nicht mit dem Erlassinteresse eines Verwaltungsakts identisch. Daher könne selbst die offensichtliche Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts allein die sofortige Vollziehung regelmäßig nicht zu rechtfertigen. Angesichts des hohen Gewichts des öffentlichen Interesses am Schutz des Bodens und des Grundwassers als Bestandteil der natürlichen Lebensgrundlagen und der von der Trinkwasserqualität abhängenden Gesundheit der Bevölkerung müsse vorliegend das private Interesse der Antragstellerin, vorläufig keine Entwurfsplanung erstellen zu müssen, im Einzelfall zurückstehen. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass sie nicht substantiiert geltend mache, dass infolge der Verpflichtung zur Erstellung der Planung ihre wirtschaftliche Existenz ernsthaft gefährdet wäre. Das öffentliche Vollzugsinteresse werde vorliegend auch nicht durch den Zeitablauf seit Entstehung der Gefahr gemindert. Die ordnungsrechtlichen Pflichten des Abfallrechts knüpften nicht an den Zeitpunkt ihrer Entstehung, sondern an die Notwendigkeit der Gefahrenabwehr an. Im Hinblick auf die nach wie vor bestehende Gefährdung des Grundwassers im Einzugsbereich der ehemaligen Deponie lägen vorliegend überwiegende Gründe des Interesses des Antragsgegners und der Allgemeinheit vor, die die Interessen der Antragstellerin, vorläufig von der geforderten Entwurfsplanung verschont zu bleiben, überwögen.
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6. Gegen diesen Beschluss wendet sich nunmehr die Antragstellerin, die ihre Beschwerde maßgeblich darauf stützt, dass der Antragsgegner wie auch das Verwaltungsgericht sie zu Unrecht als (letzten) Betreiber der Deponie D. qualifiziert hätten. Aus den vom Verwaltungsgericht aufgegriffenen Gesichtspunkten lasse sich gerade nicht auf ihre Stellung als Betreiber der Deponie D. schließen. Unberücksichtigt lasse das Verwaltungsgericht ferner die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach Maßnahmen zur Abdeckung von Deponien als Verwertungsverfahren im Sinne der RL 2008/98/EG, nicht hingegen als Ablagerung von Abfällen einzustufen seien. Selbst wenn man davon ausginge, die Antragstellerin sei letzte Betreiberin der Deponie D. gewesen, erwiese sich ihre Inanspruchnahme für die geforderten Planungsmaßnahmen als fehlerhaft. Die Antragstellerin habe zu keinem Zeitpunkt Einfluss auf den Deponiebetrieb durch die Firmen M., K. und K. und N. besessen. Die erforderliche Berücksichtigung der rechtlichen, tatsächlichen und wirtschaftlichen Einzelfallumstände könne nicht zu ihrer Inanspruchnahme für Vorgänge führen, von denen sie keine Kenntnis besessen habe. Weiter verstoße die Inanspruchnahme der Antragstellerin gegen das in Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV verankerte Verursacherprinzip.
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7. Dem Beschwerdevorbringen tritt die Landesanwaltschaft Bayern entgegen. Das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Antragstellerin Betreiberin der Deponie gewesen sei. Der Umstand, dass auf der Deponie auch Dritte „wild“ Abfälle abgelagert hätten, die die Antragstellerin beseitigt habe, bestätige ihre Betreiberstellung. Durch Befolgung der Bescheide des Landratsamts U. vom 15. Oktober 1985 und 7. November 1985 habe sie sich insoweit als verantwortlicher Deponiebetreiber geriert. Anders als die Antragstellerin meine, enthalte das Schreiben der Regierung von S. vom 24. Juli 1981, das die Firma K. und N. zur Rekultivierung der Deponie auffordere, auch keine ausdrückliche Feststellung des Endes des Deponiebetriebs. Es hindere insbesondere nicht an der Annahme, später fortgesetzte Ablagerungen von Abfall als Weiterbetrieb der Deponie einzustufen. Auch die mit dem Grundstückseigentümer 1985 getroffene Vereinbarung der Antragstellerin wie auch der Vergleichsvertrag mit dem Antragsgegner aus dem Jahr 2011 sprächen für die Betreiberstellung der Antragstellerin. So stelle der Antragsgegner in der „Präambel“ des Vergleichsvertrags ausdrücklich klar, dass die Antragstellerin als letzter Deponiebetreiber nach § 40 Abs. 2 KrWG in Anspruch genommen werde. Soweit sich die Antragstellerin auf Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs berufe, wonach Maßnahmen zur Abdeckung von Deponien als Verwertungsverfahren einzustufen seien, könne dem nicht gefolgt werden, da der Begriff der Verwertung erstmals mit dem Abfallgesetz 1986 Eingang in das Abfallrecht gefunden habe. Auch der behauptete Verstoß gegen das Verursacherprinzip nach Art. 191 Abs. 2 Satz 2 AEUV trage die Beschwerde nicht.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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Die Beschwerde der Antragstellerin ist erfolgreich. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bestehen ernstliche Zweifel (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog) daran, dass die Antragstellerin als vormalige und letzte Betreiberin der Deponie D. für die auf § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG gestützten Maßnahmen in Anspruch genommen werden kann. Dies rechtfertigt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. März 2021 (1.). Darüber hinaus bestehen erhebliche Zweifel, ob angesichts der zugrunde gelegten Messwerte aus dem Jahr 2018 die Voraussetzungen für sog. „quellenorientierte Maßnahmen“ nach den Vorgaben des Merkblatts 3.8/1 des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft vorliegen (2.) und ob darüber hinaus der Bescheid des Antragsgegners vom 30. März 2021 überhaupt auf § 40 Abs. 2 KrWG als Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Angesichts der bereits 1991 erfolgten Feststellung des Abschlusses der Rekultivierung der ehemaligen Deponie D. und der fehlenden Notwendigkeit weiterer Nachsorgemaßnahmen, ist insoweit wohl von einer konkludenten Entlassung der Deponie aus der Nachsorgephase bereits 1991 und daran anknüpfend von der Anwendbarkeit des Bundesbodenschutzgesetzes für Altlastensanierungsmaßnahmen auszugehen (3.). Schließlich bestehen entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erhebliche Zweifel, dass die materiellen Voraussetzungen der Sofortvollzugsanordnung – ein über das Erlassinteresse hinausgehendes besonderes Vollzugsinteresse bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache – überhaupt vorliegen (4.).
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1. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG hat die zuständige Behörde den Betreiber einer Deponie, soweit entsprechende Regelungen noch nicht in einem Planfeststellungsbeschluss nach § 35 Abs. 2 KrWG, einer Plangenehmigung nach § 35 Abs. 3 KrWG, in Bedingungen und Auflagen nach § 39 KrWG oder den sonstigen für die Deponie geltenden umweltrechtlichen Vorschriften enthalten sind, zu verpflichten, auf seine Kosten alle erforderlichen Vorkehrungen, einschließlich der Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen während der Nachsorgephase zu treffen, um die in § 36 Abs. 1 bis 3 KrWG genannten Anforderungen zu erfüllen, dass von der stillgelegten Deponie keine Gefahren für die Schutzgüter Gewässer, Luft und Boden ausgehen. Diese Verhaltenshaftung trifft nach § 39 Abs. 1 KrWG auch den vormaligen Betreiber einer inzwischen stillgelegten, nach dem 11. Juni 1972 betriebenen Deponie. Sie endet erst mit der Feststellung des Abschlusses der Nachsorgephase nach § 40 Abs. 5 KrWG.
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1.1 Nach der Definition des § 2 Nr. 12 der Deponieverordnung (DepV) ist Deponiebetreiber jede natürliche oder juristische Person, die die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über eine Deponie innehat. Diese Legaldefinition umschreibt den für das Kreislaufwirtschaftsgesetz maßgeblichen, materiellen, nicht hingegen einen formellen Betreiberbegriff (vgl. Schomerus in Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 40 Rn. 4; Versmann in Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 40 Rn. 66). Der Betreiberbegriff des § 40 KrWG wird insoweit synonym mit dem Begriff des Deponieinhabers nach der Vorgängernorm des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes verwendet. Nach dem Gesetzeszweck ist als Deponiebetreiber danach derjenige anzusehen, der für die Deponie rechtlich und tatsächlich verantwortlich ist (vgl. hierzu und zum Weiteren Versmann in Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 40 Rn. 67 f.), mithin derjenige, der rechtlich und tatsächlich in der Lage ist, den Betrieb der Deponie entsprechend den gesetzlichen Anforderungen zu führen. Der Betreiber ist der Inhaber der Verfügungsgewalt über die Abfallentsorgungsanlage, er nimmt die Betriebsführung wahr und trägt damit die Verantwortung, dass von der Deponie keine Allgemeinwohlgefährdungen ausgehen. Für die Bestimmung des Deponiebetreibers sind indes nicht formalrechtliche Gesichtspunkte heranzuziehen, sondern die rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände. Als Betriebsführung gilt danach ein Tätigwerden im eigenen Namen, für eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung. Nicht erforderlich ist es, dass der Betrieb der Deponie den einzigen oder hauptsächlichen Gegenstand eines Unternehmens bildet. Die Verantwortlichkeit als Betreiber entsteht vielmehr auch dann, wenn auf einer Betriebsdeponie Produktionsabfälle der hauptsächlichen Betriebstätigkeit abgelagert werden. Anknüpfend an den materiellen Betreiberbegriff bedarf der Deponiebetreiber nicht zwingend der Deponiezulassung. Auch derjenige, der „illegal“ eine Deponie betreibt oder betrieben hat, ist verantwortlicher Betreiber im Sinne von § 40 KrWG (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 14.10.2022 – 12 B 21.2051 – BeckRS 2022, 31540 Rn. 23 ff.; OVG Lüneburg, B.v. 17.4.2019 – 7 ME 8/19 = BeckRS 2019, 8128 Rn. 8; dazu ferner Dippel, Auf der Suche nach dem Deponiebetreiber, AbfallR 2019, 219 ff.).
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1.2 Gemessen an diesen gesetzlichen Vorgaben bestehen an der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin sei jedenfalls zwischen 1985 und 1986 im vorgenannten Sinn Betreiberin der Deponie D. gewesen, erhebliche Zweifel (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog). Denn unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Einzelfallumstände, insbesondere der Deponiehistorie, wie sie sich nach der Aktenlage darstellt, ist es nach Auffassung des Senats im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch nur möglichen summarischen Prüfung überaus zweifelhaft, der Antragstellerin eine Stellung als Deponiebetreiber zuzuweisen. Insgesamt ergeben die verschiedenen Zulassungen, Genehmigungen, Anordnungen, Vermerke etc. bestreffend die Deponie D. im Zeitraum bis 1991 ein im Hinblick auf die Betreiberstellung sehr intransparentes, verworrenes Bild (vgl. hierzu etwa den Aktenvermerk/Chronologie der Regierung von S. vom 16. November 1999, Bl. 1 ff. der Verfahrensakte IV. der Regierung von S.). In diesem Kontext gilt es weiter zu berücksichtigen, dass die tatsächlichen Vorgänge, aus denen der Antragsgegner die Betreiberstellung der Antragstellerin ableiten will, nahezu 40 Jahre zurückliegen und der Deponiebetrieb bzw. dessen Stilllegung im gesetzlichen Normkontext des Abfallgesetzes 1972 erfolgte, der das aktuelle Stufenmodell des § 40 KrWG bis hin zur Entlassung aus der Nachsorge nicht kannte. Eine genaue Analyse und Einordnung der Deponiehistorie ist insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten (vgl. zu einer vergleichbaren Konstellation OVG Lüneburg, B.v. 17.4.2019 – 7 ME 8/19 – BeckRS 2019, 8128 Rn. 9 ff.)
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1.2.1 Anders als das Verwaltungsgericht meint, sprechen gewichtige Umstände der Deponiehistorie, wie sie sich nach summarischer Prüfung der Verfahrensakten dem Senat darstellen, dagegen, dass die Antragstellerin zwischen 1985 und 1986 unter den Augen des Antragsgegners eine – von den zuständigen Behörden tolerierte – illegale Bauschuttdeponie betrieben haben soll. In den 70er bis zum Beginn der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurden, behördlich genehmigt, in D. in einer ehemaligen Kiesgrube durch die Fa. M. zunächst Industrieschäume bzw. Industrieschaumabfälle abgelagert oder verbrannt, in der Folge durch die Firmen K. bzw. K. und N. bis 1981 Altreifen und zerkleinerter Altgummi/Altreifen abgelagert. Bereits zu diesem Zeitpunkt war sich der Antragsgegner, wie die Antragstellerin vorträgt und wie der Antragsgegner bestätigt hat, einer möglichen Altlastenproblematik dieser Ablagerungen bewusst. Mit der faktischen Einstellung des Deponiebetriebs durch die Firma K. und N. 1981, der zusehends in eine wilde Deponie überging, „entließ“ der Antragsgegner mit Schreiben vom 24. Juli 1981 die Firma N. und K. aus der nach der Übernahme der Deponie von der Fa. M. angeordneten Rekultivierungspflicht für den Fall, dass die bestehenden Altreifenablagerungen mit einer 30cm-Bodenaushubschicht abgedeckt würden. Diesen Vorgaben kam die Fa. K. und N. indes nicht nach. Im Bereich der Deponie herrschten seit 1981 durch fehlende Sicherungsmaßnahmen des Grundstücks und wilde Ablagerungen ungeordnete Zustände, wie die Regierung von S. im Rahmen der Beschwerdeerwiderung selbst vorträgt. In dieser Situation hat die Antragstellerin u.a. mit dem Landratsamt U. über die Verbringung von Bauschutt und Erdaushub auf die vormalige Deponie verhandelt, was schließlich in die private Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und dem Grundstückseigentümer von 1985 mündete, wobei wiederum das Landratsamt „als alleiniger Vertragspartner“ einbezogen wurde. Angesichts dessen spricht aus Sicht des Senats erheblich mehr dafür, dass mit dem Landratsamt eine Auffüllung und anschließende Rekultivierung des Deponiegeländes vereinbart wurde, so wie es der ursprüngliche Bescheid aus dem Dezember 1979 dem vormaligen Betreiber der Deponie aufgegeben hatte, als dass staatliche Stellen auf einer bekanntermaßen altlastenverdächtigen Deponiefläche sehenden Auges den Betreib einer illegalen Bauschuttdeponie toleriert haben sollen, wovon vorliegend der Antragsgegner und auch das Verwaltungsgericht ausgehen.
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Auch der Umstand, dass gegen die Antragstellerin seitens des Landratsamts U. im Hinblick auf „illegalerweise“ auf dem Deponiegelände abgelagerten Hausmüll, Sperrmüll und weitere Abfälle im Oktober 1985 Beseitigungsanordnungen ergangen sind, denen die Antragstellerin nachgekommen ist, lässt anders als das Verwaltungsgericht und der Antragsgegner meinen, wohl eher den Schluss darauf zu, dass die Antragstellerin nicht als Deponiebetreiber agiert hat, sondern vielmehr eine bereits stillgelegte Deponie verfüllt und rekultiviert hat. Dafür spricht insbesondere der Hinweis des zuständigen Landratsamts im Telefax vom 11. Oktober 1985, dass für den Fall, dass der dort illegal abgelagerte Haus- und Sperrmüll nicht beseitigt und Dritten die Ablagerung untersagt würde, andernfalls ein Deponiebetrieb vorliegen würde. Offenkundig ist das Landratsamt also im Oktober 1985 davon ausgegangen, dass das Aufbringen von Bauschutt und Bodenaushub auf dem Deponiegelände gerade keinen „Deponiebetrieb“ darstellt.
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Die Deponiehistorie spricht demzufolge überwiegend für die Auffassung der Antragstellerin, zwischen 1985 und 1986 keine illegale Bauschuttdeponie betrieben, sondern stattdessen Bauschutt und Erdaushub zur Auffüllung der Deponie verwertet und diese anschließend rekultiviert zu haben, mithin nicht als Betreiber einer Deponie tätig geworden zu sein.
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1.2.2 Dem kann aus Sicht des Senats nicht entgegengehalten werden, dass das Abfallgesetz 1972 im Hinblick auf Bauschutt und Erdaushub die „Verwertung“ als Form der Abfallbeseitigung noch nicht kannte und dass diese Beseitigungsform erst in späteren Gesetzesfassungen ins Abfallrecht Eingang gefunden hat. Denn ungeachtet des Zeitpunktes der gesetzlichen Normierung liegt jedenfalls der Sache nach eine „Verwertung“ von Abfällen dann vor, wenn deren Nutzung den Einbau von Primärbaustoffen erspart. Gerade die Umstände des vorliegenden Einzelfalls legen nahe, dass die Antragstellerin hier keine Abfälle abgelagert, sondern Inertmaterialien für die Auffüllung und Rekultivierung einer Deponiefläche verwendet hat, ohne eine solche zu betreiben.
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1.2.3 Auch der vom Antragsgegner betonte Umstand, der Landkreis habe selbst die Absicht verfolgt, auf dem Gelände der vormaligen Deponie D. eine Kreisbauschuttdeponie zu errichten, vermag nicht zu begründen, weshalb der Landkreis stattdessen eine illegale Bauschuttdeponie der Antragstellerin toleriert und die Antragstellerin so zu einem Deponiebetreiber gemacht haben soll. Hinzu kommt, dass diese „Absicht“ des Landkreises sich offenkundig nicht realisiert hat.
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1.2.4 Entgegen der Auffassung des Antragsgegners und des Verwaltungsgerichts lässt sich die zwischen der Antragstellerin und dem Grundstückseigentümer des Deponiegeländes vom 18. März 1985 geschlossene Vereinbarung nicht zur Begründung für die Betreiberstellung einer Deponie heranziehen. Soweit in der Vereinbarung der Antragstellerin das „alleinige Recht zur Auffüllung mit Bauschutt und Aushub“ zuerkannt und ihr zugleich die Möglichkeit eröffnet wird, „diese Grube bis zur Oberkante jetziges Gelände aufzufüllen“ und sie sich als „Gegenleistung für diese Auffüllung“ verpflichtet, „die Grube in ihrer Gesamtheit zu rekultivieren, d.h. die Auffüllung mit bindigem Erdreich abzudecken sowie diese Abdeckung ganzflächig mit einer Humusschicht zu überziehen, so daß die Fläche der jetzigen Grube wieder landwirtschaftlich genutzt werden kann“, sind die vertraglichen Formulierungen nicht dergestalt eindeutig, dass sie den Betrieb einer Bauschuttdeponie nahelegen. Sie erweisen sich vielmehr als auslegungsbedürftig, auch soweit sich darin die Formulierung findet „Wie schon bereits gehabt und praktiziert ist die [Antragstellerin] der alleinige Vertragspartner gegenüber dem Landratsamt M. und Herrn H.“ Gleiches gilt insoweit, als die Vereinbarung nach der Schlussformulierung „eine Absicherung für beide Vertragspartner“ darstellen soll. Vor allem der bereits praktizierte und nunmehr erneut festgeschriebene Umstand, dass die Antragstellerin als „alleiniger Vertragspartner“ gegenüber dem Landratsamt M. fungiert, deutet aus Sicht des Senats darauf hin, dass die Antragstellerin die vormalige Deponie D. im Sinne der staatlichen Stellen aufgefüllt und rekultiviert hat, wie es gegenüber der Fa. K. und N. auch bereits angeordnet worden war. Die Festschreibung der Duldung einer illegalen Bauschuttdeponie durch staatliche Stellen erscheint demgegenüber mehr als fernliegend.
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1.2.5 Des Weiteren kann auch der Umstand, dass gegenüber der Antragstellerin im Oktober und November 1985 mehrere Anordnungen zur Beseitigung von auf der Deponie abgelagertem Müll (Hausmüll, Sperrmüll, etc.) ergangen sind, nicht schlüssig zur Begründung der Betreiberstellung herangezogen werden. Die Tatsache, dass die Antragstellerin diesen durch Dritte nach ihrer Aussage unrechtmäßig abgelagerten Abfall gemäß den Anordnungen beseitigt und ordnungsgemäß entsorgt hat, macht sie nicht automatisch zur Betreiberin der Deponie D.. Zwar trifft es zu, dass derjenige, der sich gegenüber den staatlichen Behörden wie ein Deponiebetreiber geriert, also typischerweise an einen Betreiber gerichtete Anordnungen erfüllt, sich in der Folge auch als Betreiber im Sinne von § 40 Abs. 2 KrWG behandeln lassen muss, es sei denn, es sprechen weitere gewichtige Umstände gerade gegen seine Betreiberstellung (Versmann in Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 40 Rn. 69). Wenn jedoch, wie bereits dargestellt, das Landratsamt im Telefax vom 11. Oktober 1985 ausdrücklich darauf hinweist, dass (erst) für den Fall der Nichtbeseitigung der abgelagerten Abfälle und der Gestattung von Ablagerungen durch Dritte von einem „Deponiebetrieb“ auszugehen sei, so lässt dies vielmehr im Gegenteil gerade den Schluss zu, dass jedenfalls das bisherige Verhalten der Antragstellerin vom Landratsamt eben nicht als Deponiebetrieb angesehen worden ist. Gleiches gilt für die Anordnung vom 7. November 1985, die das Landratsamt ebenfalls nicht zum Anlass genommen hat, gegen die weitere Verfüllung der Deponie mit Bauschutt und Bodenaushub einzuschreiten. Allein durch die Erfüllung der Beseitigungsanordnungen ist die Antragstellerin demzufolge nicht zur (letzten) Betreiberin der Deponie geworden. Dies gilt in gleicher Weise, soweit die Antragstellerin in der Folgezeit sich zu verschiedenen Erkundungs- und Überwachungsmaßnahmen auf freiwilliger Basis bereiterklärt hat.
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1.2.6 Auch aus dem Vergleichsvertrag nach Art. 55 BayVwVfG zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin aus dem Jahr 2014, der Untersuchungen zu einer sektoralen Abgrenzung verschiedener Verfüllabschnitte der Deponie D. und deren Zuordnung zu verschiedenen Betreibern, ersatzweise der Einrichtung von Grundwassermessstellen zum Gegenstand hatte, lässt sich kein „Anerkenntnis“ der Betreiberstellung durch die Antragstellerin ableiten. Zwar wird in der vorangestellten „Vorgeschichte“ dargelegt, dass die Regierung von S. bei einem Gespräch am 30. September 2014 „klargestellt“ habe, dass die Antragstellerin „weiterhin als letzte Betreiberin/Inhaberin für die weiteren Untersuchungen/Maßnahmen herangezogen wird (§ 40 Abs. 2 KrWG)“. Damit ist indes – zumal es sich nur um einen die Vorgeschichte beschreibenden Text als Präambel der Vereinbarung handelt – keine rechtsverbindliche Anerkennung der Betreiberstellung und damit der Verantwortlichkeit nach § 40 Abs. 2 KrWG verbunden. Insoweit gilt, wie vorstehend ausgeführt, dass die faktische Übernahme der Betreiberverantwortlichkeit in Form von Untersuchungen bzw. der Einrichtung von Grundwassermessstellen nur dann auch zur rechtlichen Qualifikation als Betreiber führt, wenn weitere gewichtige Anhaltspunkte hierfür vorliegen, was indes vorliegend nicht der Fall ist.
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1.3. Selbst wenn man aber davon ausginge, die Antragstellerin hätte zwischen 1985 und 1986 auf dem Gelände der Deponie D. tatsächlich eine illegale Bauschuttdeponie betrieben, würde dies, trotz der generellen Verpflichtung des letzten Betreibers im Zeitpunkt der Stilllegung zu Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 KrWG, nicht zwingend dazu führen, dass im vorliegenden Fall gerade die Antragstellerin zu Maßnahmen heranzuziehen wäre. Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 14.4.1986 – 7 B 18/86 – BeckRS 1986, 4187) ist im Verhältnis mehrerer, zeitlich aufeinanderfolgender Betreiber dann ein Ausnahmefall von der Inanspruchnahme des „letzten“ Betreibers anerkannt, wenn nach der Stilllegung der Deponie auf ihrem Gelände nunmehr eine neue Deponie betrieben wird. Insoweit ist für Maßnahmen, die ursächlich auf die Verhältnisse der stillgelegten Deponie zurückzuführen sind, deren früherer (damaliger) Betreiber verantwortlich. In diesem Fall soll die Inanspruchnahme „des früheren (aber: letzten) Betreibers einer stillgelegten Deponie systemkonform“ bleiben und „nicht durch den nachfolgenden, eher zufälligen Betrieb einer neuen Deponie überspielt“ werden (so Versmann in Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 40 Rn. 71). Obwohl im vorliegenden Fall die Verschiedenheit zweier zeitlich aufeinanderfolgender – nicht hingegen räumlich nach bestimmten Verfüllabschnitten getrennter – Deponien, die einerseits der Ablagerung von Industrieschaumabfällen und Altreifen, andererseits von Bauschutt und Erdaushub gedient haben sollen, offenkundig ist, hat die Regierung von S. im streitgegenständlichen Bescheid den vorstehend geschilderten Ausnahmefall zwar erwähnt, dann aber ohne Begründung abgelehnt (Bescheid S. 6: „Eine besondere Fallkonstellation, die in der Rechtsprechung einen Rückgriff auf frühere Betreiber rechtfertigen könnte, liegt hier nicht vor“.). Das Verwaltungsgericht hat sich in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss mit der Frage des Vorliegens eines Ausnahmefalls nicht befasst. Auch insoweit bestehen aus Sicht des Senats ernstliche Zweifel daran, dass die Antragstellerin richtiger Adressat der angefochtenen Anordnungen ist.
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Bereits dies zusammengenommen rechtfertigt es, angesichts der ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 30. März 2021 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Anordnung nach Ziffer I wiederherzustellen und gegenüber der Zwangsgeldandrohung in Ziffer III anzuordnen (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog). Ob die Antragstellerin tatsächlich als Betreiberin der Deponie nach § 40 Abs. 2 KrWG für die angeordneten Maßnahmen in Anspruch genommen werden kann, ist im Rahmen des Hauptsacheverfahrens, sofern es hierauf überhaupt entscheidungserheblich ankommt, zu klären.
41
2. Über die Frage der Betreiberstellung der Antragstellerin hinaus, erweist es sich nach der Aktenlage überdies als fraglich, ob angesichts der Ergebnisse der Grundwassermessung aus dem Jahr 2018 die verlangte „Entwurfsplanung“ als Vorstufe der für erforderlich erachteten Oberflächenabdeckung bzw. -abdichtung der Deponiefläche als „erforderliche Vorkehrung“ im Sinne von § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG angesehen und die Antragstellerin hierfür in Anspruch genommen werden kann.
42
Der Antragsgegner wie auch das Verwaltungsgericht in der erstinstanzlichen Entscheidung erachten aufgrund der Grundwasserbelastung im Abstrom des Deponiegeländes nach den Vorgaben des einschlägigen Merkblatts Nr. 3.8/1 des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft sog. „quellenorientierte Maßnahmen“ infolge einer erheblichen Grundwasserverunreinigung durch Überschreitung des sog. Stufe-1-Werts im Schadenszentrum bzw. im unmittelbaren Abstrom für erforderlich (vgl. hierzu Ziffer 3.2.2 des Merkblatts Nr. 3.8/1, Stand 31.10.01 des Bayerischen Landesamts für Wasserwirtschaft). Die Oberflächenabdeckung bzw. -abdichtung wird insoweit als „quellenorientierte Maßnahme“ begriffen, weil sie ein weiteres Eluieren der im Deponiekörper enthaltenen Schadstoffe durch Regenwasser verhindern soll.
43
Nach der in den Verfahrensakten der Antragsgegnerin befindlichen „Detailerkundung der Altablagerung D.“ des Sachverständigen Dr. L. vom 7. Dezember 2018 (Bl. 109 ff. der Akte V. des Antragsgegners) ergibt sich indes für die zeitlich aktuellste Messung vom 11. September 2018 für die Messpunkte BR 1, BR 3, BR 4 und BR 5 keine Überschreitung der sog. Stufe-1-Werte bei den untersuchten Leitparametern, insbesondere bei den LHKW (Leichtflüchtigen Halogenierten Kohlenwasserstoffe). Einen auffälligen Messwert liefert insoweit allein der Messpunkt BR 6 (auch als BR 6/17 bezeichnet), der allerdings im Zustrom der Deponiefläche verortet wird, für die Parameter LHKW und Vinylchlorid. Bezüglich dieses Messergebnisses kommt der Sachverständige zu dem Schluss, dass der hohe Messwert an Vinylchlorid im Pegel BR 6/17 nicht erklärt werden könne und einer messtechnischen Überprüfung bedürfe. Auch die Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts K. vom 21. Januar 2019 (Bl. 157 ff. Band V Verfahrensakten) schließt sich dieser Einschätzung für die „eigentliche Zustrommessstelle“ BR 6/17 ausdrücklich an und befürwortet eine messtechnische Belastungsüberprüfung im Rahmen der weiteren Monitoringmaßnahmen im Jahr 2019. Auch im Übrigen kommt das Wasserwirtschaftsamt zwar zu „auffälligen Konzentrationen“ bei LHKW, stellt aber keine Überschreitung des Stufe-1-Werts fest. Zum Teil wird stattdessen ein Rückgang etwa der Belastung mit Barium am Messpunkt BR 1 im Verhältnis zu vorausgegangenen Messungen konstatiert. Nachdem in den Verfahrensakten keine weiteren Ergebnisse eines Grundwassermonitorings enthalten sind und sich der streitgegenständliche Bescheid vom 30. März 2021 allein auf die Messergebnisse aus 2017 und 2018 stützt, ferner keine messtechnische Verifizierung der „auffälligen“ Messwerte an der Zustrommessstelle BR 6/17 stattgefunden hat, ist es – jedenfalls derzeit – nicht nachvollziehbar, auf welcher Grundlage der Antragsgegner durch eine Überschreitung (!) der Stufe-1-Werte im Grundwasser den Verdacht für das Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast gemäß des Merkblatt 3.8/1 für „abschließend bestätigt“ erachtet mit der Folge, dass „quellenorientierte Maßnahmen“ durchgeführt werden müssen. Aus Sicht des Senats hätten die vorliegenden Messwerte allenfalls Anlass für eine Fortsetzung des Grundwassermonitorings gegeben, weil von einer „abschließenden Bestätigung“ einer erheblichen Grundwasserverunreinigung ohne Klärung des Verlaufs der Grundwasserströme, der Positionierung der Messstelle BR6/17 tatsächlich im „Zustrom“ der Deponie und der Verifizierung der dortigen auffälligen sowie der unter den Stufe-1-Werten liegenden Messwerten an den restlichen Messpunkten – jedenfalls gegenwärtig – nicht ausgegangen werden kann. Mithin begegnet die Anordnung des Antragsgegners auch unter diesem Aspekt erheblichen Zweifeln.
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3. Ferner bestehen erhebliche Zweifel, ob im vorliegenden Fall die angeordneten Maßnahmen tatsächlich auf § 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KrWG als Rechtsgrundlage gestützt und die Antragstellerin als letzte „Betreiberin“ der Deponie in Anspruch genommen werden kann, oder ob nicht stattdessen das Bundesbodenschutzgesetz mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme auch der vormaligen Deponiebetreiber als Störer hierfür hätte herangezogen werden müssen. Im Hinblick auf das Konkurrenzverhältnis von Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 KrWG zum Bundesbodenschutzgesetz ist geklärt, dass bis zum Abschluss der sog. Nachsorgephase durch eine Feststellung nach § 40 Abs. 5 KrWG das Kreislaufwirtschaftsgesetz die speziellere Norm darstellt und dem Bundesbodenschutzgesetz insoweit vorgeht. Auch handelt es sich bei der Verweisung in § 40 Abs. 2 Satz 2 KrWG um eine Rechtsfolgen-, nicht um eine Rechtsgrundverweisung (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2018 – 7 C 18.18 – BeckRS 2018, 38647; dazu Schemmer, jurisPR-BVerwG 77/2019 Anm. 4).
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Im vorliegenden Verfahren geht das Verwaltungsgericht zwar davon aus, dass alle Verfahrensbeteiligten übereinstimmend der Auffassung seien, dass sich die vormalige Deponie D. noch in der sog. Nachsorgephase befinde, deren Abschluss durch die zuständige Behörde auch noch nicht gem. § 40 Abs. 5 KrWG festgestellt worden sei. Indes weist das Verwaltungsgericht in anderen abfallrechtlichen Verfahren zutreffend darauf hin, dass gerade bei in den 70er und 80er Jahren stillgelegten Altdeponien die aktuell im Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgesehene Stufenfolge einschließlich der Feststellung des Abschlusses der Nachsorgephase nach dem Abfallgesetz 1972 noch nicht vorgesehen war und daher geprüft werden müsse, ob durch behördliche Akte eine konkludente Entlassung aus der Nachsorgephase bereits erfolgt sei (vgl. VG Augsburg, U.v. 12.9.2022 – Au 9 K 21.1644 – BeckRS 2022, 35152 Rn. 37 ff., insb. 41 ff.; U.v. 29.3.2021 – Au 9 K 18.491 – BeckRS 2021, 12327 Rn. 33 ff.; vgl. ferner für die konkludente Entlassung aus der abfallrechtlichen Kontinuität der Verantwortung für eine Deponie durch bloße Hinnahme der Stilllegungsanzeige bei einer Ende der 70er Jahre stillgelegten Altdeponie VG Regensburg, U.v.2.8.2021 – RO 8 K 19.301 – BeckRS 2021, 32316 Rn. 38 ff.).
46
Wenn also im vorliegenden Fall das Protokoll über eine Ortsbegehung der vormaligen Deponie D. durch das Landratsamt U. aus dem Jahr 1991 den Abschluss der Rekultivierung der Deponie D. feststellt, vom Vorliegen eines „funktionellen Biotops“ ausgeht und keine weitere Maßnahmen für erforderlich erachtet, kann dies, zumal die zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Grundwasseruntersuchungen ebenfalls keine Auffälligkeiten ergaben („Trinkwasserqualität“), durchaus als „konkludente Entlassung“ aus der Nachsorgephase interpretiert werden mit der Folge, dass Maßnahmen aufgrund von Altlasten der Deponie richtigerweise auf das Bundesbodenschutzgesetz hätten gestützt werden müssen (vgl. hierzu VG Regensburg, U.v.2.8.2021 – RO 8 K 19.301 – BeckRS 2021, 32316 Rn. 38 ff.). Den Feststellungen der Ortseinsicht aus dem Jahr 1991 kann der Antragsgegner nicht entgegenhalten, dass am Landratsamt U. hierzu keine Unterlagen mehr vorhanden seien; insoweit trifft ihn die Beibringungslast. Ebenso wenig lässt sich mit dem im Jahr 2011 vorgefundenen Zustand der Deponie D. die Richtigkeit der Feststellungen aus dem Jahr 1991 widerlegen, da das „Schicksal“ der Deponie zwischen 1991 und 2011 insoweit nicht näher aufgeklärt worden ist. Die Frage einer konkludenten Entlassung der Deponie D. aus der Nachsorgephase im Jahr 1991 ist daher vom Verwaltungsgericht im Zuge des Hauptsachverfahrens zu überprüfen. Nach summarischer Prüfung auf der Grundlage der vorliegenden Akten bestehen indes auch unter dem Gesichtspunkt der möglichen Anwendbarkeit des Bundesbodenschutzgesetzes erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Bescheids vom 30. März 2021.
47
4. Schließlich liegen auch die Voraussetzungen für die Sofortvollzugsanordnung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO in Ziffer II. des Bescheids vom 30. März 2021 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht vor. Es fehlt insoweit an der Darlegung eines vom Erlassinteresse des Verwaltungsakts zu unterscheidenden, überwiegenden öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Anordnung in Ziffer I. des Bescheids vom 30. März 2021.
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Auf das Vorliegen des überwiegenden, öffentlichen Interesses am Sofortvollzug kann selbst bei offensichtlicher Erfolglosigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache nicht verzichtet werde, denn die behördliche Vollzugsanordnung stellt lediglich eine Ausnahme vom Regelfall des § 80 Abs. 1 VwGO dar (vgl. Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 157). Ein Abweichen vom Regelfall darf daher nur unter den im Gesetz festgelegten Voraussetzungen erfolgen. Es genügt daher nicht, wenn das Verwaltungsgericht lediglich festgestellt hat, dass die Behörde den formalen Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt habe, der zugrundeliegende Verwaltungsakt rechtmäßig sei, den Kläger nicht in seinen Rechten verletze und sein Rechtsbehelf voraussichtlich erfolglos bleiben werde. Daraus folgt nicht automatisch zugleich das Bestehen eines öffentlichen Vollzugsinteresses, dass das Aufschubinteresse des Betroffenen übersteigt. Das Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts ist stets ein qualitativ anderes als das Interesse am Erlass des Verwaltungsakts selbst (vgl. hierzu ausführlich BayVGH, B.v. 28.8.2020 – 12 CS 20.1750 – BeckRS 2020, 21961).
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Das Gesetz lässt die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts deshalb nur dann zu, wenn überwiegende öffentliche Belange es rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Betroffenen einstweilen zurücktreten zu lassen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls in die Wege zu leiten. Um dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG zu genügen, bedarf es daher stets einer Abwägung der konkurrierenden Interessen. Vor allem bei Eingriffen in Grundrechte, insbesondere in die Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb aus Art. 14 Abs. 1 GG, setzt die Annahme eines überwiegenden öffentlichen Interesses Gründe voraus, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Eingriffs stehen und ein Zuwarten bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens ausschließen. Ob ein solches Interesse vorliegt, ist durch Ermittlung und Abwägung aller für und gegen die sofortige Vollziehung streitenden Gründe zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 28.8.2020 – 12 CS 20.1750 – BeckRS 2020, 21961 Rn. 44).
50
Sowohl der Bescheid vom 30. März 2021 wie auch das Verwaltungsgericht in seiner „Kontrollüberlegung“ begründen im vorliegenden Fall das Sofortvollzugsinteresse mit dem Vorliegen einer erheblichen Grundwasserverunreinigung nach den Vorgaben des Merkblatts 3.8/1 des Landesamts für Wasserwirtschaft durch Überschreitung der Stufe-1-Werte an verschiedenen Messstellen und der daraus resultierenden Notwendigkeit von „quellenorientierten Maßnahmen“. Weshalb diese „quellenorientierten Maßnahmen“ allerdings bereits vor Eintritt der Bestandskraft des Bescheids vom 30. März 2021 durchgeführt werden müssen, bleibt offen und ist auch nicht dem Erlassinteresse des Bescheids inhärent. Hinzu kommt, dass – wie unter 2. dargestellt – die Messwerte aus dem Jahr 2018 die Notwendigkeit „quellenorientierter Maßnahmen“ gerade nicht indizieren, sodass die behauptete Grundwasserverunreinigung auch nicht zur Begründung des Sofortvollzugsinteresses herangezogen werden kann. Weiter ist auch nicht ersichtlich, wieso die sofortige Durchsetzung einer „Entwurfsplanung“ zur effektiven Abwehr von Gefahren für das Allgemeinwohl in Form einer drohenden Gewässerverunreinigung erforderlich sein soll, wenn sich die Gefahr selbst erst durch die tatsächliche Durchführung der Oberflächenabdeckung bzw. -abdichtung und eben nicht durch die bloße Vorlage einer „Entwurfsplanung“ beseitigen ließe. Vorliegend wäre daher die Sofortvollzugsanordnung auch mangels Vorliegens eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses aufzuheben gewesen.
51
5. Der Antragsgegner trägt nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Streitwert war unter Korrektur der Festsetzung des Verwaltungsgerichts nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 47 Abs. 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 4.500,- € zu bemessen, da der Antragsgegner im Bescheid vom 30. März 2021 die der Antragstellerin voraussichtlich entstehenden Kosten selbst mit 9.000,- € beziffert.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.