Inhalt

VG München, Beschluss v. 03.05.2023 – M 9 SN 22.3495
Titel:

Einfügen eines gewerblichen Schulungs- bzw. Seminargebäudes im allgemeinen Wohngebiet

Normenketten:
VwGO § 80, § 80a
BauGB § 30
BauNVO § 4 Abs. 3 Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Der sog. Gebietserhaltungsanspruch gibt einem Grundstückseigentümer in einem durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unzulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Störgrad eines Betriebs ist grundsätzlich nicht anhand einer konkreten Betrachtung des Vorhabens, sondern durch eine (eingeschränkte) typisierende Betrachtung zu ermitteln. Zu prüfen ist, ob das Vorhaben generell geeignet ist, das Wohnen zu stören. Bedeutsam für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit insofern sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verpflichtung des Bauherrn, für eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen zu sorgen, entfaltet nur ganz ausnahmsweise drittschützende Wirkung, etwa, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtern könnte. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarantrag gegen Baugenehmigung, Seminarhaus mit Übernachtungsmöglichkeit, Gebietserhaltungsanspruch, Nicht störender Gewerbebetrieb, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Rücksichtnahmegebot, An- und Abfahrtsverkehr, Stellplätze
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 11.09.2023 – 2 CS 23.977
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11620

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt als Nachbar die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung des Landratsamts M. (nachfolgend: Landratsamt) vom … Dezember 2021 zur Errichtung eines Seminarhauses mit Tiefgarage auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung … (Anschrift: …weg 10, … … …; im Folgenden Baugrundstück). Ein bislang auf dem Baugrundstück stehendes Wohnhaus ist zwischenzeitlich abgebrochen worden.
2
Der Antragsteller ist Eigentümer des Grundstücks mit der FlNr. …, Gemarkung … (Anschrift: …weg 8, … ), das südlich bzw. südwestlich an das Baugrundstück angrenzt. Das Grundstück des Antragstellers ist mit einem Wohngebäude bebaut. Sowohl das Grundstück des Antragstellers als auch das Baugrundstück liegen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „U.S.- /Nördliche und Südliche …straße, R. - und S.weg“ der Gemeinde R. , bekanntgemacht am 14. Oktober 2021 (im Folgenden: Bebauungsplan). Für das Baugrundstück wie auch für das Grundstück des Antragstellers ist darin als Art der baulichen Nutzung ein allgemeines Wohngebiet gemäß § 4 BauNVO festgesetzt, wobei die nach § 4 Abs. 3 Nrn. 3 bis 5 BauNVO ausnahmsweise zulässigen Nutzungen nicht zulässig sind (Nr. A. 2.2 des Bebauungsplans). Mittlerweile ist die 1. Änderung des Bebauungsplans Nr. 25, bekanntgemacht am 18. Mai 2022, in Kraft getreten. Darin wird hinsichtlich der Abstandsflächenregelungen und der Anzahl der erforderlichen Stellplätze festgesetzt, dass die Vorschriften der Satzung über die Gestaltung von baulichen Anlagen der Gemeinde R. in der jeweils gültigen Fassung gelten. Die derzeit gültige Fassung der Gestaltungssatzung (ausgeschrieben: Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen und Einfriedungen, sowie über Abstandsflächen, Kfz.-Stellplätze und Abstellplätze für Fahrräder in der Gemeinde R. – Gestaltungssatzung/ GestS) ist seit 19. November 2020 in Kraft.
3
Mit am 15. Juni 2021 bei der Gemeinde R. eingegangenem Bauantrag beantragte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Seminarhauses mit Tiefgarage. Die Planung sieht ein zweistöckiges Seminarhaus mit einer Grundfläche von 384,05 m² vor. Das zu errichtende Seminargebäude soll eine 9,96 m breite, zum R. weg hin ausgerichtete Fassade haben, während die zum Antragsteller nach Süden gerichtete Gebäudewand eine Höhe von ca. 5,00 m (Firsthöhe: 7,12 m) und eine Länge von 39,70 m haben soll. Der Abstand zum Grundstück des Antragstellers beträgt 5 m. Im Erdgeschoss der geplanten Anlage sollen neben einem sogenannten Showroom und einem unbedachten Lichthof ein Behandlungsraum und ein Präsentationsraum mit einer 14,58 m2 großen Terrasse nach S. Platz finden. Im Obergeschoss sind neben einem Meeting- und einem Seminarraum zehn Beherbergungszimmer mit Balkon (Balkon je 0,96 m²) geplant, davon fünf in südlicher Richtung zum Antragsteller. Das Untergeschoss besteht aus einem Küchen- und Esszimmer sowie mehreren Toiletten nebst einem Innenhof mit Terrasse und einer Tiefgarage. In dieser Tiefgarage sind 14 Stellplätze vorgesehen, zwei weitere Stellplätze sind auf einer freien Fläche am südwestlichen Rand des Grundstücks geplant.
4
Die Gemeinde R. erteilte in der Sitzung ihres Ausschusses für Ortsplanung, Ortsgestaltung und Umweltfragen vom 16. Juni 2021 das gemeindliche Einvernehmen vorbehaltlich der Zustimmung des Zweckverbands zur Abwasserbeseitigung hinsichtlich der Umlegung eines durch das Grundstück führenden Abwasserkanals.
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Auf Aufforderung des Landratsamts reichte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen unter dem 8. Oktober 2021 eine Betriebsbeschreibung für das geplante Bauvorhaben nach. Danach soll das Seminargebäude während seiner Öffnungszeiten von 9 Uhr bis 18 Uhr Seminare, Kochkurse und Webinare zu kosmetischen Themen anbieten. Um die Teilnahme an den teilweise mehrtägigen Seminaren zu ermöglichen, soll das Seminarhaus auch die Beherbergung von bis zu zehn Teilnehmern einschließlich ihrer Verpflegung ermöglichen. Die Verpflegung erfolge über eine interne Küche sowie durch Anlieferung von einer nahegelegenen weiteren Anlage mittels PKW. Bei den Kursteilnehmern solle es sich sowohl um Beschäftigte der … … K. GmbH & Co. KG als auch um eine Kursgebühr entrichtende Dritte handeln.
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Mit Bescheid vom 29. Dezember 2021 genehmigte das Landratsamt M. … das Vorhaben. Zudem wurden Abweichungen von der Satzung über die Gestaltung baulicher Anlagen der Gemeinde R. im Hinblick auf den geringeren Fensterabstand zur Gebäudeecke, der Dachöffnung zur Belichtung des Untergeschosses und der horizontalen Balkonverteilung zugelassen. Zudem wurden mehrere Auflagen festgesetzt, unter anderem sind 13 Stellplätze für Kraftfahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Nach den weiteren Auflagen der Fachstelle Technischer Umweltschutz des Landratsamts darf das Seminarhaus nur von 9 Uhr bis 18 Uhr betrieben werden. Die Betriebsbeschreibung ist Bestandteil der Baugenehmigung. An den nächstgelegenen Wohngebäuden sind Immissionsrichtwerte von 52 dB(A) am Tag und 37 dB(A) in der Nacht einzuhalten. Lärmintensive Arbeiten sind in der Nacht untersagt, Musikdarbietungen und die Aufstellung von Lautsprechern im Freien sind unzulässig. Lieferverkehr und Verladetätigkeiten sind auf die Zeit von 7 Uhr bis 20 Uhr zu beschränken. Das Laufenlassen von LKW- und PKW-Motoren im Stand ist zu unterlassen. Zu- und Abluftöffnungen (z.B. Abluft, Lüftung, Klimatisierung) sind zur Einhaltung der Immissionsrichtwerte und entsprechend dem Stand der Technik ausreichend schallgedämpft auszuführen. Der immissionswirksame Schallleistungspegel von ins Freie führenden Zu- und Abluftmündungen darf jeweils maximal 75 dB(A) betragen. Etwaige im Freien installierte Gebläse sind zur Einhaltung des maximalen Schallleistungspegels von 75 dB(A) zusätzlich entsprechend zu kapseln. Die Regenrinne der Tiefgarageneinfahrt ist mit einer lärmarmen Abdeckung zu versehen. Es ist ein Garagentor nach dem Stand der Technik zu installieren, welches weder Quietschgeräusche noch Geräuschimpulse durch den Anschlag des Tores verursacht. Schließlich sind die Wände der Tiefgaragenrampe im Ein- und Ausfahrtsbereich schallabsorbierend auszukleiden. Auf den Bescheid im Übrigen wird Bezug genommen.
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Dieser Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 3. Januar 2022 zugestellt (Bl. 98 der Behördenakte – BA). Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 31. Januar 2022, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage gegen die erteilte Baugenehmigung erheben (Az. M 9 K 22.503).
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 8. Juli 2022 ließ der Antragsteller beantragen,
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die aufschiebende Wirkung der Klage vom 31. Januar 2022 gegen den Bescheid des Landratsamts M. vom 29. Dezember 2021 anzuordnen.
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Zur Begründung lässt der Antragsteller im Wesentlichen vortragen, dass dem Antrag aufgrund der Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache stattzugeben sei. Die erteilte Baugenehmigung verletze die Rechte des Antragstellers bereits im Hinblick auf seinen Gebietserhaltungsanspruch. Das Vorhaben sei nicht gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässig, da es sich weder um ein Wohngebäude noch um eine der in § 4 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 BauNVO genannten Anlagen handele. Es liege auch kein ausnahmsweise zulässiger Beherbergungsbetrieb vor, da die Beherbergung nur im Zusammenhang mit der gewerblichen Durchführung von Seminaren stattfinde und untergeordnet sei. Des Weiteren ergebe sich aus den Ausführungen in Bauantrag und Baugenehmigung auch nicht, aus welchen Gründen das streitgegenständliche Vorhaben gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als nichtstörender Gewerbebetrieb ausnahmsweise zulassungsfähig sein solle. Die in § 4 Abs. 3 Nrn. 3 bis 5 BauNVO genannten Nutzungen kämen schon aufgrund des Ausschlusses in Nr. A. 2.2 des Bebauungsplans nicht in Betracht.
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Auch der sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO ergebende sogenannte Gebietsprägungserhaltungsanspruch des Antragstellers sei verletzt. Aufgrund des Umfangs des Vorhabens, insbesondere aufgrund seiner Länge von ca. 40 m, stehe es in erheblichem Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, das überwiegend von der Wohnnutzung dienenden Ein- und Mehrfamilienhäusern geprägt sei.
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Schließlich werde der Antragsteller auch dadurch in seinen Rechten verletzt, dass das Vorhaben gegen das gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zu beachtende Gebot der Rücksichtnahme verstoße. Als unmittelbar südwestlich angrenzender Nachbar könne der Antragsteller sich hierauf berufen, da er durch das Vorhaben in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise betroffen sei. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots ergebe sich daraus, dass die Interessen des Antragstellers aufgrund der zahlenmäßig unzureichenden Schaffung von KFZ-Stellplätzen auf dem Baugrundstück hinter den Interessen der Beigeladenen zurückbleiben würden. Damit einhergehend würde auch der infolge der Realisierung des Vorhabens zunehmende Verkehr den Antragsteller auf unzumutbare Art und Weise beeinträchtigen.
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Im Ürigen wird auf die Schriftsätze vom 8. Juli 2022, vom 30. Januar 2023 und vom 13. Februar 2023 Bezug genommen.
14
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird vorgetragen, dass der Hauptsacherechtsbehelf keine Erfolgsaussichten habe. Das Vorhaben sei in dem allgemeinen Wohngebiet als Beherbergungsbetrieb zulässig. Auf die Motive der Beherbergung – hier also auf den Zusammenhang mit der Hauptnutzung des Gebäudes – komme es nicht an. Aus dem Umfang des Vorhabens ergebe sich keine Verletzung des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs des Antragstellers, wie sich etwa aus einem Vergleich mit dem Gebäude auf der FlNr. … der Gemarkung R. (R. weg 9, … … …*) ergebe. Auch das Gebot der Rücksichtnahme sei nicht verletzt, insbesondere entstünde durch das Bauvorhaben keine erdrückende Wirkung und es stünden genügend Stellplätze zur Verfügung.
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Die Beigeladene lässt mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 23. September 2022 beantragen,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird ebenfalls darauf verwiesen, dass die Erfolgsaussichten der Klage in der Hauptsache fehlten. Der Gebietserhaltungsanspruch des Antragstellers sei nicht verletzt, da das Vorhaben den Maßgaben des Bebauungsplans zur Art der baulichen Nutzung entspreche. Abzustellen sei auf den Plan in der ursprünglichen Fassung, während die erste Änderung erst mit öffentlicher Bekanntmachung vom 18. Mai 2022 und damit nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Genehmigungserteilung in Kraft getreten sei. Das Vorhaben, welches vorrangig der Ausbildung von Personal der … … K. GmbH und Co KG diene, sei als Schulungsgebäude anzusehen und somit als Anlage zu kulturellen Zwecken gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 Variante 2 BauNVO zulässig. Die Beherbergungsfunktion der Anlage sei hingegen planungsrechtlich nicht relevant, da sie zur Ausbildungsfunktion des Gebäudes in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang stehe. Selbst wenn man dieser Einordnung nicht folgen würde, sei die Anlage als Beherbergungsbetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, hilfsweise auch als nichtstörender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Denn das Vorhaben sei sowohl bei typisierender als auch bei konkreter Betrachtung aufgrund der nicht lärmintensiven Schulungs- und Ausbildungstätigkeit sowie der beschränkten Seminarteilnehmerzahl gebietsverträglich und damit nicht störend im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.
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In der näheren Umgebung des Vorhabens befänden sich Ein- und Mehrfamilienhäuser. Daneben existierten in unmittelbarer Nähe zum Geltungsbereich des Bebauungsplans und zum streitgegenständlichen Vorhaben mehrere Beherbergungsbetriebe (z.B. R. weg 1a, 13). Auch sonstige gewerbliche Einheiten (etwa U. …-S.-Straße 5a) seien vorhanden. Die umliegende Bebauung weise Gebäudelängen bis zu 35 m (R. weg 9) auf.
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Auch unter Berücksichtigung eines Gebietsprägungserhaltungsanspruchs ergebe sich keine Rechtsverletzung. Zum einen drohten aufgrund der nicht lärmintensiven Nutzung und der umfassenden lärmschutzrechtlichen Auflagen keine Störungen durch den betriebsbedingt verursachten Lärm. Zudem sei das Plangebiet durch mehrere vergleichbare Anlagen geprägt. Schließlich liege auch keine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme vor. Weder gehe von der Anlage eine den Antragsteller erdrückende Wirkung aus noch könne sich der Antragsteller auf die nicht drittschützenden Vorschriften zur Bereitstellung von Stellplätzen berufen. Ohnehin sei die geplante Stellplatzanzahl ausreichend und eine unzumutbare Beeinträchtigung durch die nur geringwertig erhöhte Inanspruchnahme des öffentlichen Verkehrsraums nicht anzunehmen.
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Im Übrigen wird auf die Schriftsätze vom 23. September 2022, vom 2. Februar 2023 und vom 15. Februar 2023 Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im zugehörigen Klageverfahren, Az. M 9 K 22.503, und auf die vorgelegten Behördenakten samt genehmigter Bauvorlagen Bezug genommen.
II.
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Der Antrag hat keinen Erfolg. Der zulässige Antrag ist unbegründet. Die Klage wird voraussichtlich keinen Erfolg haben, da die streitgegenständliche Baugenehmigung nach summarischer Prüfung keine zugunsten des Antragstellers drittschützenden Vorschriften verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO bzw. § 80a Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 80a Abs. 1 Nr. 2 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Dritten, hier des Nachbarn, die gemäß § 212a Abs. 1 BauGB i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Variante 1 VwGO grundsätzlich ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessungsentscheidung darüber, ob die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Interessen oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind insbesondere die Erfolgsaussichten der Hauptsache als Indiz heranzuziehen, wie sie sich aufgrund der summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Entscheidung darstellen. Sind die Erfolgsaussichten hingegen offen, so kommt es darauf an, ob das Interesse eines Beteiligten es verlangt, dass die Betroffenen sich so behandeln lassen müssen, als ob der Verwaltungsakt bereits unanfechtbar sei.
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Dies zugrunde gelegt, überwiegt vorliegend das Vollzugsinteresse der Beigeladenen gegenüber dem entgegenstehenden Aussetzungsinteresse des Antragstellers, da die Klage des Antragstellers voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Denn die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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In der hier vorliegenden Konstellation der Drittanfechtung verspricht die Klage des Antragstellers in der Hauptsache nur dann Erfolg, wenn durch die streitgegenständliche Baugenehmigung öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, welche gerade auch dem Schutz des Antragstellers dienen und Gegenstand des hier einschlägigen vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens nach Art. 59 Satz 1 BayBO sind (vgl. BayVGH, B. v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Solche Vorschriften sind im vorliegenden Fall jedoch aller Voraussicht nach nicht verletzt. Weder ist der sogenannte Gebietserhaltungsanspruch verletzt (1.), noch verstößt das Vorhaben gegen einen Gebietsprägungserhaltungsanspruch bzw. gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO (2.) und schließlich liegt auch keine Verletzung im sogenannten Rücksichtnahmegebot, insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO, vor (3.).
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1. Der Antragsteller ist nicht in einem ihm zustehenden Gebietserhaltungsanspruch verletzt.
29
Der sogenannte Gebietserhaltungsanspruch gibt einem Grundstückseigentümer in einem wie hier durch Bebauungsplan festgesetzten Baugebiet das Recht, sich gegen hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung unzulässige Vorhaben zur Wehr zu setzen (vgl. nur BayVGH, B. v. 21.3.2023 – 2 ZB 22.639 – juris Rn. 7; B. v. 24.2.2020 – 15 ZB 19.1505 – juris Rn. 6 m.w.N.). Eine den sogenannten Gebietserhaltungsanspruch verletzende bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung liegt durch die in der Hauptsache angefochtene Baugenehmigung nicht vor. Zwar ist das Vorhaben im festgesetzten allgemeinen Wohngebiet nicht als Anlage für kulturelle oder auch gesundheitliche Zwecke gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO allgemein zulässig, auch liegt keine ausnahmsweise Zulässigkeit auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO vor, jedoch ist das Vorhaben als sonstiger nichtstörender Gewerbebetrieb gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. U. v. 2.2.2012 – 4 C 14.10 – juris Rn. 11; U. v. 28.4.2004 – 4 C 10.03 – juris Rn. 21) ist die in der Baunutzungsverordnung verwendete Begriffsgruppe der Anlagen für „kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke“ so auszulegen, dass damit lediglich Gemeinbedarfsanlagen im Sinne der §§ 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, 9 Abs. 1 Nr. 5 BauGB erfasst sind. Um als Gemeinbedarfsanlage eingeordnet werden zu können, kommt es auf die Rechtsform des Trägers eines Vorhabens nicht entscheidend an. Bei einem privaten Rechtsträger wird jedoch vorausgesetzt, dass mit seinem Vorhaben eine öffentliche Aufgabe erfüllt wird, die hinter ein etwaiges privates Gewinnstreben deutlich zurücktritt. Diese Vorgaben erfüllt das streitgegenständliche Vorhaben ersichtlich nicht, weswegen es im allgemeinen Wohngebiet nicht allgemein zulässig ist. Das mit dem Vorhaben angebotene Seminarangebot Kosmetikkurse usw. dient zum einen der Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern der … … K. GmbH & Co KG und damit der Förderung des Gewerbebetriebs dieser Gesellschaft. Soweit die Kurse auch für Dritte geöffnet werden, handelt es sich zum anderen um eine private, auf Gewinnerzielung gerichtete Unternehmung, die ebenfalls nicht der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient.
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Die Anlage ist jedoch ausnahmsweise zulässig, zwar nicht auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO, aber als sonstiger nichtstörender Gewerbetrieb auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.
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Die Zuordnung eines Betriebs zu einem Beherbergungsgewerbe ist grundsätzlich dann gegeben, wenn die Räume ständig wechselnden Gästen zum vorübergehenden Aufenthalt zur Verfügung gestellt werden, ohne dass diese dort ihren häuslichen Wirkungskreis unabhängig gestalten können (BVerwG B.v. 8.5.1989 – 4 B 78.89 – juris Rn. 3). Zulässiger Bestandteil eines Beherbergungsbetriebs können zwar auch Konferenzräume sein, sofern sie größenmäßig von untergeordneter Bedeutung und nach dem Betriebskonzept überwiegend für Gäste vorgesehen sind (vgl. statt vieler Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger (EZBK), 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 4 Rn. 110). Eine derartige untergeordnete Bedeutung liegt im Fall der streitgegenständlichen Baugenehmigung jedoch nicht vor. Vielmehr ergibt bereits eine Gegenüberstellung der geplanten Nutzungsflächen, dass die Konferenz- und Seminarräume mit etwa 257 m² die für Übernachtung ausgewiesenen Flächen mit ca. 161 m² nicht nur unerheblich überwiegen. Dies gilt auch dann, wenn man die Küchenfläche im Untergeschoss ebenfalls als vorrangig dem Beherbergungszweck dienende Fläche ansieht, obwohl diese nach dem Betriebskonzept auch für Kochkurse verwendet werden soll. Auch funktionell ist bei Zugrundelegung des vorgelegten Betriebskonzepts von einem Vorrang der Seminar- und Konferenznutzung vor dem Beherbergungsbestrieb auszugehen, nachdem Letzterer lediglich den äußeren Rahmen schaffen soll, um den Gästen in bestimmten Fällen die Teilnahme an mehrtägigen Seminaren zu ermöglichen.
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Bei dem geplanten Seminarhaus handelt es sich vielmehr um einen sonstigen nicht störenden Gewerbebetrieb im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Als Gewerbebetrieb im Sinne dieser Vorschrift sind in Anlehnung an die gewerberechtlichen Vorschriften auch der Handel einschließlich seiner Hilfsgewerbe sowie Dienstleistungsbetriebe, die jedermann in Anspruch nehmen kann, anzusehen (vgl. Söfker in EZBK, 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 8 Rn. 22). Das Seminar soll zum einen der Aus- und Fortbildung der Belegschaft der … … K. GmbH & Co KG. dienen und somit eine Hilfsfunktion im Hinblick auf das Hauptgewerbe dieser Gesellschaft – die Produktion und der Vertrieb von Kosmetikprodukten – wahrnehmen. Daneben dient die Anlage durch das Kursangebot für Dritte auch selbst unmittelbar der Erbringung von entgeltlichen Dienstleistungen, die jedermann in Anspruch nehmen kann.
34
Der Gewerbebetrieb ist auch als nicht störend einzustufen. Was sonstige nicht störende Gewerbebetriebe i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sind, orientiert sich daran, in welchem Umfang sie mit der Wohnnutzung vereinbar sind (Decker in Jäde/Dirnberger, BauNVO, 10. Auflage 2022, § 4 Rn. 30 m.w.N.). Der Störgrad eines Betriebs ist grundsätzlich nicht anhand einer konkreten Betrachtung des Vorhabens, sondern durch eine (eingeschränkte) typisierende Betrachtung zu ermitteln. Zu prüfen ist, ob das Vorhaben generell geeignet ist, das Wohnen, z.B. wie hier in einem allgemeinen Wohngebiet, zu stören (Stock in EZBK, 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 4 Rn. 119 und Rn. 73). Bedeutsam für die Beurteilung der Gebietsverträglichkeit insofern sind alle mit der Zulassung des Betriebs nach seinem Gegenstand, seiner Struktur und Arbeitsweise typischerweise verbundenen Auswirkungen auf die nähere Umgebung. Dabei sind die Art und Weise der Betriebsvorgänge, der Umfang, die Häufigkeit und die Zeitpunkte dieser Vorgänge, der damit verbundene An- und Abfahrtsverkehr sowie der Einzugsbereich des Betriebs zu berücksichtigen (Stock in EZBK, 148. EL Oktober 2022, BauNVO § 4 Rn. 119 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beurteilung allein an Hand der (auch eingeschränkten) typisierenden Betrachtungsweise im Fall von Nutzungen wie hier, bei einem Betrieb, der zu einer Branche gehört, deren übliche Betriebsformen hinsichtlich des Störgrades eine große Bandbreite aufweisen, nicht sachgerecht ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2011 – 15 ZB 10.3134 – juris Rn. 13). Vielmehr sind hier die konkreten Verhältnisse des Betriebes maßgeblich, da der mit dem Vorhaben genehmigte „Betrieb“ zu einer Branche gehört, bei der die Bandbreite des Störgrades der üblichen Betriebsformen vom nicht wesentlich störenden bis zum störenden Betrieb reicht; auch hier ist die Prüfung des dem Betrieb innewohnenden Störpotentials jedoch auf das Ausmaß der typischerweise bei einer solchen Betriebsform auftretenden Störungen auszurichten (BayVGH, a.a.O.). Deswegen ist bei der anzustellenden typisierenden Betrachtung das konkrete Vorhaben zu berücksichtigen, soweit es um die konkrete Prägung der zu beurteilenden Nutzung geht und diese zu anderen denkbaren Erscheinungsformen eines Betriebs der Seminarbranche Unterschiede aufweist; dagegen spielen an dieser Stelle der Prüfung z.B. die verfügten Lärmauflagen keine Rolle.
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist das Vorhaben als nicht störender Gewebebetrieb einzustufen. Die geplante gewerbliche Nutzung als Seminar- und Tagungsort kommt ohne den Einsatz lärmintensiver Gerätschaften oder Anlagen aus, sondern ist durch menschliche Interaktionen, überwiegend – bezogen auf den eigentlichen Seminarbetrieb ausschließlich – in den Innenräumen der Anlage, geprägt. Aufgrund der ausreichenden Seminar- und Konferenzflächen im Innern des geplanten Gebäudes ist nicht zu erwarten oder geplant, dass sich der Seminarbetrieb ins Freie verlagern könnte. Auch der Aufenthalt der Seminarteilnehmer im Freien z.B. während der Pausen – hier stößt die typisierende Betrachtung beispielsweise an eine Grenze, da diesbezüglich bei (genau) diesem Vorhaben die konkrete bauliche Aufteilung nicht einfach ignoriert werden kann – führt nicht zu gebietsunverträglichem Lärm, denn die geplante Innenhofkonstruktion mit eigener Terrasse im Untergeschoss lässt erwarten, dass die Teilnehmer ihre Pausen im Wesentlichen dort, fernab von benachbarten Gebäuden an einem durch das Seminargebäude selbst schallgeschützten Ort verbringen werden, jedenfalls nicht nur auf der Terrasse des Präsentationsraums auf der Südseite des Gebäudes. Ein besonderes Störpotential, das die Umgebung strukturell stärker beeinträchtigen könnte als die Nutzung einer Anlage zu Wohnzwecken, die im Baugebiet allgemein zulässig ist, oder jedenfalls ein sogar größerer (vgl. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO im Gegensatz zu § 3 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) Betrieb des Beherbergungsgewerbes, der hier ebenfalls ausnahmsweise zulässig ist, ist daher nicht vorhanden. Gleiches gilt im Hinblick auf den bei derartigen Anlagen notwendigerweise zu erwartenden An- und Abfahrtsverkehr. Dieser wird über die Zeit gestreckt, da nicht alle Teilnehmer auf einmal an- oder abreisen und entspricht im Wesentlichen dem Lärm, der von einer vergleichbar großen Wohnanlage zu erwarten wäre. Auch ist zu berücksichtigen, dass wegen der angebotenen Verpflegung kein zusätzlicher An- und Abfahrtsverkehr über die Mittagszeit zu erwarten ist. Dazu kommt, dass das Vorhaben von seinem Zuschnitt her ausweislich der Angaben in der Betriebsbeschreibung, insbesondere der beschränkten Teilnehmerzahl und des Umstands, dass sich unter Berücksichtigung der baulichen und räumlichen Gegebenheiten keine größeren Personenanzahlen gleichzeitig im Seminarhaus aufhalten, keine große Seminarstätte darstellt. Auch der Einzugsbereich des Vorhabens steht dem nicht entgegen. Dass das Vorhaben nicht nur das Bebauungsplangebiet versorgt, liegt auf der Hand, allerdings enthält § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO gerade keine Beschränkung auf die bloße Gebietsversorgung. Gleichwohl kann jedoch ein zu großer Einzugsbereich dazu führen, dass die Annahme eines nicht störenden Gewerbebetriebs scheitert. Davon ist hier angesichts der konkreten Verhältnisse des Vorhabens, insbesondere der begrenzten Teilnehmerzahlen, allerdings nicht auszugehen, zumal einen erheblichen Teil der Seminare die Aus- und Fortbildung der Belegschaft der … … K. GmbH & Co KG ausmacht, deren Sitz, ebenfalls in R. , gegen die Annahme eines überregionalen Einzugsbereichs spricht.
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Das Vorhaben ist somit auf der Grundlage von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO ausnahmsweise zulässig. Es ist weder etwas dazu vorgetragen noch ist sonst etwas ersichtlich, was auf dieser Grundlage gegen die Ausnahmefähigkeit des Vorhabens sprechen würde. Dass vom Landratsamt, das eine Ausnahme auf der Grundlage von § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO angenommen hatte, nicht erkannt wurde, dass hier stattdessen § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO einschlägig ist, schadet nicht; eine Verletzung des Antragstellers in einer ihn schützenden subjektiv-öffentlichen Rechtsposition ergibt sich daraus nicht.
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2. Der Antragsteller kann sich auch nicht auf eine Verletzung eines sogenannten Gebietsprägungserhaltungsanspruchs berufen. Unabhängig davon, ob es einen solchen Anspruch überhaupt gibt (siehe hierzu BayVGH, B. v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris, Rn. 9), liegt hier jedenfalls keine zu einer Verletzung dieses Anspruchs führende Gebietsunverträglichkeit aufgrund eines Widerspruchs zu der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets vor.
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Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO sind die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn sie nach Anzahl, Lage, Umfang oder Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen. In geeigneten Fällen, etwa mit Rücksicht auf die verhältnismäßig geringe Größe eines zu beurteilenden Plangebiets kann es geboten sein, zusätzlich auch noch die örtlichen Verhältnisse in der angrenzenden Umgebung heranzuziehen, um die besondere Eigenheit des konkreten Baugebiets genau zu bestimmen (König/Roeser/Stock, 5. Aufl. 2022, BauNVO § 15 Rn. 14).
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Die geplante Nutzung des Seminarhauses zu gewerblichen Zwecken hält sich im Rahmen der Zweckbestimmung des Baugebiets. Dieses ist im Fall des Bebauungsplans Nr. … „U. …S.-/Nördliche und Südliche …straße, R. - und …weg“ ausweislich der entsprechenden Festsetzung der Art der baulichen Nutzung vorwiegend durch Wohnnutzung geprägt. Unabhängig davon, ob in der näheren Umgebung innerhalb des Geltungsbereichs des Bebauungsplans bereits Beherbergungsbetriebe und Gewerbebetriebe vorhanden sind, was sich angesichts der Beschränkung des Antragsverfahrens auf die Auswertung der Aktenlage nicht abschließend feststellen lässt, und weiterhin unabhängig davon, ob und inwieweit hier auch die direkte Umgebung des Baugebiets, in der Beherbergungsbetriebe und gewerbliche Nutzungen vorhanden sind, ergänzend heranzuziehen ist, steht dem Vorhaben auch dann nichts entgegen, wenn (lediglich) auf die überwiegende Wohnnutzung im Bebauungsplangebiet abgestellt wird, da die ausnahmsweise zulässige, nicht störende gewerbliche Nutzung, unabhängig davon, wie wohnähnlich sie genau ist, keine Umstände beinhaltet, die hinsichtlich ihrer Zweckbestimmung der Eigenart des Baugebiets widersprechen würden.
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Auch der geplante Umfang sowie die Lage des Vorhabens liegen nach der hier notwendigerweise zu Grunde zu legenden Aktenlage noch im Rahmen des durch die umgrenzenden Gebäude geprägten Bereichs. Das Vorhaben ist zwar nach Aktenlage das „längste“ Gebäude im Baugebiet. Jedoch kommt es für die Beurteilung im Rahmen des § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, der eine Vorschrift zur Art der baulichen Nutzung darstellt, ebensowenig wie bei der hier nicht relevanten und ohnehin nicht drittschützenden Beurteilung des Maßes der baulichen Nutzung – insoweit wäre zu beachten, dass sich sowohl das Vorhaben als auch das Grundstück des Antragstellers in dem Teil des Baugebiets befinden, für das keine Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung getroffen wurden, weswegen auch derart große Gebäude insofern unter Berücksichtigung der Bebauung in der näheren Umgebung, § 30 Abs. 3 i.V.m. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig sind – singulär auf die absolute Gebäudelänge an. Vielmehr ist der Baukörper des Vorhabens als Ganzes betrachtet im Vergleich zu anderen Gebäuden im Baugebiet nicht so exzeptionell, dass hier ein sogenanntes „Umschlagen von Quantität in Qualität“ (vgl. BverwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17) in Betracht kommt. Das gilt unabhängig davon, ob dafür auf in der näheren Umgebung des Vorhabens, aber außerhalb des Baugebiets liegende Gebäude abgestellt werden kann (insbesondere auf das Gebäude auf FlNr. …, R. weg 9 mit einer Grundfläche von 383 m² bei gleichzeitiger höherer Wandhöhe und einer fast so langen Gebäudeseite), da nach Aktenlage auch im Baugebiet größere Gebäude vorhanden sind (z.B. die Anwesen U. …S.-Str. 1, 3 und 7).
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Schließlich ergibt sich eine Verletzung eines Gebietsprägungserhaltungsanspruchs auch nicht aus der Anzahl vergleichbarer Anlagen. Auch bei Errichtung des Vorhabens bleibt das Baugebiet von der Wohnnutzung geprägt und eine derartige gewerbliche Nutzung stellt weiterhin eine Ausnahme dar.
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3. Auch aus dem Gebot der Rücksichtnahme, hier insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO, kann der Antragsteller keine Rechtsverletzung herleiten. Zwar gehört der Antragsteller als Eigentümer eines Nachbargrundstücks zum qualifiziert geschützten Personenkreis, jedoch liegt eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots nicht vor.
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Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme jeweils stellt, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalls kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und anderseits dem Rücksichtnahmeverpflichtenden nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U. v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris Rn. 23). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht.
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Diesen Maßstab zugrunde gelegt, ist das Rücksichtnahmegebot, hier insbesondere gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO, durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht verletzt.
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Das geplante Gebäude hat gegenüber dem Antragsteller keine einmauernde bzw. erdrückende Wirkung. Solches ist nur anzunehmen, wenn eine bauliche Anlage wegen ihrer Ausmaße, ihrer Baumasse oder ihrer massiven Gestaltung ein benachbartes Grundstück unangemessen benachteiligt, in dem es diesem förmlich „die Luft nimmt“, wenn für den Nachbarn das Gefühl des „Eingemauertseins“ entsteht oder wenn die Größe des „erdrückenden“ Gebäudes aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls derart übermächtig ist, dass das „erdrückte“ Gebäude oder Grundstück nur noch oder überwiegend wie eine von einem „herrschenden Gebäude“ dominierte Fläche ohne eigene Charakteristik wahrgenommen wird (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung. Für die Annahme einer erdrückenden Wirkung eines Nachbargebäudes besteht grundsätzlich schon dann kein Raum, wenn dessen Baukörper nicht erheblich höher ist als der des betroffenen Gebäudes (vgl. BayVGH, B.v. 22.6.2020 – 2 ZB 18.1193 – juris Rn. 8; B.v. 2.10.2018 – 2 ZB 16.2168 – juris Rn. 4; B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 5). Das mit dem angefochtenen Bescheid genehmigte Vorhaben ist mit einer Wandhöhe von fünf Metern nicht erheblich höher als das Gebäude des Antragstellers. Unter Berücksichtigung der genannten Maßgaben kommt die Annahme einer sogenannten erdrückenden oder einmauernden Wirkung nicht in Betracht. Trotz der Länge des Gebäudes ist auf Grund des Umstands, dass das Vorhaben nicht erheblich höher als das Gebäude auf dem Grundstück des Antragstellers ist und die Entfernung der beiden Gebäude zueinander etwa 15 Meter beträgt, nach Aktenlage nicht davon auszugehen, dass das Vorhaben im o.g. Sinn „dominiert“ bzw. „beherrscht“. Zudem hält das Vorhaben zum Antragsteller die Abstandsflächen ein. In einem solchen Fall spricht dies indiziell gegen eine sogenannte erdrückende oder einmauernde Wirkung, da die Wertungen, die den landesrechtlichen Abstandsvorschriften zugrunde liegen, auch Anhaltspunkte für die Zumutbarkeit im Städtebaurecht bieten (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 2 CS 10.454 – juris Rn. 6; vgl. auch B.v. 11.8.2021 – 15 CS 21.1775 – juris Rn. 28). Besondere Umstände, warum dies hier anders sein sollte oder könnte, liegen nicht vor. Auch die auf der Süd- bzw. Südwestseite des Vorhabens genehmigten Balkone und die Terrasse begründen keine Verletzung des Antragstellers im Rücksichtnahmegebot. Umstände, warum diese baurechtlich zulässigen Anlagen ausnahmsweise unzumutbar und nicht vom Antragsteller hinzunehmen sein sollten, liegen nicht vor.
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Auch aufgrund der vom Vorhaben voraussichtlich verursachten Immissionen kann eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO nicht bejaht werden. Im streitgegenständlichen Bescheid ist durch mehrere Auflagen der Fachstelle Technischer Umweltschutz des Landratsamts die Einhaltung der hier anzulegenden Immissionsrichtwerte vorgeschrieben (zur Zulässigkeit einer sogenannten zielorientierten Immissionsfestlegung, wenn wie hier nicht mit einer Überschreitung zu rechnen ist, vgl. VG München, B. v. 15.1.2019 – M 9 SN 18.4926 – juris Rn. 26 m.w.N.). Außerdem sind die Betriebszeiten auf 9 bis 18 Uhr beschränkt, der Lieferverkehr auf Zeiten von 7 bis 20 Uhr. Schließlich sind Auflagen über den Einbau schalldämpfender Elemente am Gebäude verfügt, um das Störpotential der Anlage zu verringern. Zudem ist aufgrund der Natur des geplanten Betriebs (Abhalten von Seminarveranstaltungen) und der Ausrichtung einer der beiden Terrassen zum Innenhof hin insofern nicht mit einem erheblichen Lärmaufkommen zu rechnen. Gleiches gilt auch für den An- und Abfahrtsverkehr. Die Errichtung von 14 der 16 nachgewiesenen Stellplätze – gefordert sind mit der Baugenehmigung 13 Stellplätze – ist in der Tiefgarage vorgesehen, deren Zufahrt im Übrigen auf der vom Antragsteller abgewandten Grundstücksseite des Vorhabens liegt. Nach alledem liegt ein erwartbarer Grad von Immissionen vor, der mit der Nutzung des Baugrundstücks als Wohnanlage vergleichbar ist. Eine Rücksichtslosigkeit des Vorhabens aus diesem Gesichtspunkt scheidet daher aus.
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Schließlich lässt sich auch aus der Schaffung der beabsichtigten Anzahl von Stellplätzen und aus der Erschließungssituation als solcher kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot herleiten.
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Die Verpflichtung des Bauherrn, für eine ausreichende Anzahl von Stellplätzen zu sorgen, entfaltet nur ganz ausnahmsweise drittschützende Wirkung, etwa, wenn sich die Erschließungssituation eines Grundstücks durch eine vorhabenbedingte Überlastung einer das Grundstück des Betroffenen erschließenden Straße oder durch unkontrollierten Parksuchverkehr erheblich verschlechtern könnte. Auch kann eine unzureichende Stellplatzzahl eines Bauvorhabens gegenüber den Eigentümern der vom parkenden Verkehr und Parksuchverkehr betroffenen Grundstücke im Einzelfall ganz ausnahmsweise im bauplanungsrechtlichen Sinn rücksichtslos sein (BayVGH, B. v. 8.1.2019 – 9 CS 17.2482 – juris Rn. 20).
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Unabhängig davon, dass eine Ausnahmesituation im soeben beschriebenen Sinn weder durch den Antragsteller in irgendeiner Form belegt oder auch nur plausibel gemacht ist, noch, dass eine solche sonst irgendwie ersichtlich wäre, bestehen hier auch keine Zweifel daran, dass der erforderliche Stellplatzbedarf grundsätzlich richtig festgesetzt wurde, sodass unabhängig vom insoweit fehlenden Drittschutz auch deswegen eine bauplanungsrechtliche Rücksichtslosigkeit aus diesem Gesichtspunkt ausscheidet.
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Nach alldem wird der Antrag abgelehnt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO sowie aus § 162 Abs. 3 VwGO i.V.m. dem Rechtsgedanken des § 154 Abs. 3 Hs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, dort Nrn. 9.7.1 sowie 1.5.