Titel:
Versäumung der Begründungsfrist im Nachprüfungsverfahren, Rüge von Begründungsdefiziten, Zulässigkeit von Unterschriften bzw. Paraphen der Prüfer, Bewertungsrügen
Normenkette:
JAPO § 14 Abs. 3
Schlagworte:
Versäumung der Begründungsfrist im Nachprüfungsverfahren, Rüge von Begründungsdefiziten, Zulässigkeit von Unterschriften bzw. Paraphen der Prüfer, Bewertungsrügen
Fundstelle:
BeckRS 2022, 61123
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen ihrer Ersten Juristischen Staatsprüfung.
2
Nachdem die Klägerin ihren ersten Prüfungsversuch im Ersten Juristischen Staatsexamen nicht bestanden hatte, legte sie die Prüfung im … erneut im Wiederholungsversuch ab. Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Januar 2019 teilte ihr der Präsident des Landgerichts … als örtlicher Prüfungsleiter für die Erste Juristische Staatsprüfung am Prüfungsort … für das Bayerische Staatsministerium der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – sinngemäß im Wesentlichen mit, sie habe die Erste Juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden, wobei eine weitere Prüfungswiederholung auch nach einem erneuten Studium nicht möglich sei. Ihre schriftlichen Prüfungsarbeiten seien mit einer Gesamtnote der schriftlichen Prüfung von 3,66 (mangelhaft) bewertet worden. Der Mindestdurchschnitt von 3,80 Punkten sei nicht erreicht. Im Einzelnen seien die Prüfungsarbeiten wie folgt bewertet worden:
Aufgabe
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1
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2
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3
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4
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5
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6
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Punkte
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4,0
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2,0
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6,0
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4,0
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3,5
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2,5
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3
Für das Erreichen einer Gesamtnote der schriftlichen Prüfung von 3,80 Punkten fehlt der Klägerin ein zusätzlicher Punkt.
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Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 9. Januar 2019, eingegangen bei dem Landgericht … am 11. Januar 2019 und von dort am selben Tag per Telefax weitergeleitet an das Landesjustizprüfungsamt, ließ die Klägerin hinsichtlich aller Prüfungsarbeiten die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens sowie Akteneinsicht beantragen. Letztere wurde ihren Bevollmächtigten auf elektronischem Weg am 18. Februar 2019 (13:18 Uhr) gewährt.
5
Mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 10. April 2019, eingegangen bei dem Landgericht … am 11. April 2019 und von dort mit Eingang bei dem Landesjustizprüfungsamt am 24. April 2019 weitergeleitet, ließ die Klägerin ihren Antrag im Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Aufgaben 1, 2, 5 und 6 begründen.
6
Mit Schreiben vom 26. April 2019 teilte das Landesjustizprüfungsamt sinngemäß im Wesentlichen mit, es sei beabsichtigt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, da er nicht fristgerecht begründet sei. Einwendungen gegen die Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten seien, wenn die schriftliche Prüfung nicht bestanden sei, binnen zwei Monaten nach Bekanntgabe der Gesamtnote der schriftlichen Prüfung konkret und nachvollziehbar schriftlich zu begründen. Hier gelte der Bescheid vom 2. Januar 2019 als am 5. Januar 2019 bekannt gegeben, wobei die Begründung des Nachprüfungsantrags mit Schriftsatz vom 10. April 2019 erfolgt sei. Gelegenheit zur Stellungnahme bestehe binnen zwei Wochen.
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Hierauf ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 13. Mai 2019 sinngemäß im Wesentlichen mitteilen, eine Zurückweisung des Nachprüfungsantrags wegen Verfristung sei mit Blick auf die Vorwirkung von Art. 19 Abs. 4 GG und in Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig, da mehrere Wochen vergangen seien, bevor die Klausuren zugestellt worden seien. Erst nach Erhalt der Kopien habe mit der Begründung des Nachprüfungsantrags begonnen werden können.
8
Mit Schreiben vom 14. Mai 2019 wies das Landesjustizprüfungsamt den Nachprüfungsantrag zurück, da er nicht fristgerecht begründet worden sei. Sofern dem Schriftsatz vom 13. Mai 2019 ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen sei, könne diese nicht gewährt werden. Es seien keine Gründe glaubhaft gemacht, welche die Fristversäumnis entschuldigten. Allein der Umstand, dass zwischen der elektronischen Versendung der Prüfungsarbeiten am 18. Februar 2019 und Fristablauf am 5. März 2019 nur ein Zeitraum von zwei Wochen liege, reiche nicht aus. Insbesondere sei nicht dargelegt, weshalb die Antragsbegründung einen Zeitraum von über sieben Wochen in Anspruch genommen habe.
9
Die Klägerin hat – zeitgleich mit dem an den Beklagten gerichteten Nachprüfungsantrag – mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 9. Januar 2019, eingegangen bei Gericht am 10. Januar 2019, Klage erhoben.
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Sie nimmt auf ihr Vorbringen im Nachprüfungsverfahren insgesamt Bezug und lässt hinsichtlich ihres Nachprüfungsantrags sinngemäß im Wesentlichen vortragen, dieser sei verfassungswidrig wegen Verfristung zurückgewiesen worden. Die geforderte konkrete und nachvollziehbare Begründung der Einwendungen gegen die Bewertung der Aufsichtsarbeiten erfordere Akteneinsicht. § 14 Abs. 3 JAPO berücksichtige nicht den Umstand, wann Akteneinsicht gewährt werde, sodass ein Verstoß gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG vorliege. Aufgrund der erst am 18. Februar 2019 gewährten Akteneinsicht ergebe sich eine Begründungsfrist von knapp zwei Wochen. Die Erhebung von Einwendungen gegen juristische Staatsprüfungen stelle jedoch nicht nur eine umfangreiche, sondern auch eine rechtlich komplexe Tätigkeit dar, die den einzelnen Prüfling in der meist emotional belastenden Situation oftmals überfordere. Bei der Bemessung der Fristen müsse daher berücksichtigt werden, Prüflingen derart viel Zeit zu gewähren, die sie zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts benötigten. Andernfalls werde der Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz entgegen den Geboten aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert. In diesem Zusammenhang lässt die Klägerin auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 1975 – 2 BvR 854/75 (NJW 1976, 513) verweisen. Wie in anderen Verfahren auch mache es den Anschein, dass der Beklagte das Recht zu beugen versuche. Akteneinsichtsanträge würden nämlich stets bis kurz vor Ablauf bzw. Überschreitung der vermeintlich feststehenden Begründungsfrist nicht bearbeitet, um die Möglichkeit effektiver Begründungen zu vermeiden. Ohnehin sei die Fristenregelung in § 14 Abs. 3 JAPO verfassungswidrig bzw. verfassungskonform zu reduzieren. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin darüber hinaus im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 22. April 2022 sinngemäß vorbringen lassen, die Begründungsfrist nach § 14 Abs. 3 JAPO verstoße gegen § 74 VwGO, da die zuletzt genannte Regelung lediglich eine Frist zur Klageerhebung, aber gerade keine Frist zur Klagebegründung vorsehe. Damit stehe die Frist aus § 14 Abs. 3 JAPO im Widerspruch zu Bundesrecht, wobei Bundesrecht Landesrecht breche.
11
Zu Aufgabe 1 lässt die Klägerin sinngemäß im Kern vorbringen, die jeweiligen Beurteilungen seien leider nicht vollständig nachvollziehbar. Der Prüfling könne auf vermeintliche Irrtümer oder Rechtsfehler der Prüfer nur wirkungsvoll hinweisen, wenn er die Gründe nachvollziehen könne, auf welchen die Bewertung basiere. Dies sei allein aufgrund der Note nicht möglich, sondern nur gewährleistet, wenn der Prüfling die Kriterien kenne, die für die Benotung seiner Leistung maßgeblich gewesen seien und wisse, wie die Anwendung dieser Kriterien bezüglich der wesentlichen Aspekte zu dem Bewertungsergebnis geführt habe. Entscheidend sei, dass die Begründung der Bewertung Prüflingen und Gerichten ermögliche, die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachzuvollziehen, die ihn zu der abschließenden Bewertung veranlasst hätten. Je intensiver ein Grundrecht betroffen sei, umso nachvollziehbarer und detaillierter müsse – verfassungsrechtlich geboten – die Begründung ausfallen. Da es sich bei der Ersten Juristischen Prüfung um eine Berufszugangsregelung handele, seien hieran besonders hohe Anforderungen zu stellen. Soweit es um prüfungsspezifische Wertungen und Einschätzungen gehe – zum Beispiel um den Schwierigkeitsgrad der Aufgabe, die Überzeugungskraft der Argumente und die Gewichtung von Teilleistungen und Teilaufgaben –, seien die Grundlagen und wesentlichen Kriterien des Bewertungsvorgangs offenzulegen. Zwar stießen Begründungsmöglichkeiten insoweit ab einem bestimmten Punkt auf Grenzen der Objektivierbarkeit. Grundlagen, Anknüpfungspunkte und wesentliche Kriterien der Wertungen seien aber nach ständiger Rechtsprechung nicht schlechthin einer Begründung entzogen. Auch habe die Begründungspflicht die weitere Zweckbestimmung darin, dass mit ihr eine Garantie- und Klarstellungsfunktion für den Prüfer verbunden sei, dessen Selbstkontrolle sie in besonderem Maße fördere, und die bei Bestimmung des Inhalts und des Umfangs der gebotenen Begründung im Einzelfall gleichfalls berücksichtigt werden müsse. Die Einräumung eines Bewertungsspielraums sei verfassungsrechtlich höchst bedenklich, zumal § 68 VwGO die Nachprüfung der Zweckmäßigkeit nenne. Im Zweifel sei der Bewertungsspielraum mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 19 Abs. 4 GG eng zu fassen.
12
Der aus alldem resultierenden Begründungspflicht seien ihre Prüfer nicht mehr nachgekommen. Weder sei der Schwierigkeitsgrad der verschiedenen Teilaufgaben noch die Gewichtung zwischen den Aufgaben für die Gesamtwertung angegeben, zumal sich der Erstprüfer auf angebliche Unvollständigkeiten und Ungenauigkeiten stütze, ohne zu verdeutlichen, welche Aspekte insoweit positive Ansätze entwerteten. In diesem Zusammenhang verweist die Klägerin auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. April 1999 – 7 ZB 99.440 (BeckRS 1999, 26138). Zudem stelle der Erstprüfer lediglich einen sehr knappen Erwartungshorizont voraus, der sich auf eine stichpunktartige Lösungsskizze beschränke, die mit wirren Anmerkungen, zum Beispiel „§ 278“, „§ 611“ usw. versehen sei. Nach Paragraphen stünden nicht erkennbare Buchstaben wie „DGJ“ hinter „§ 611“. Zudem gebe es nicht nachvollziehbare Einklammerungen, gezeichnete Winkel mit Strich und die nicht nachvollziehbare Formulierung „angewiesen“ sowie auf Seite 2 einen großen gezeichneten Winkel mit einem Strich. Auf Seite 1 des Votums sei unter „1.a)“ nach „1629 Abs. 1“ und vor „BGB“ eine nicht erkennbare Anmerkung angebracht. Vom Prüfer in den Bearbeitungen erwartete Schwerpunkte seien nicht benannt. Es fehle jeglicher Erwartungshorizont, der auch nur ansatzweise in Relation zu ihren Ausführungen gestellt werden könne, um die Bewertung mit 4 Punkten nachzuvollziehen. Die eigentliche Bewertung finde auf sieben handgeschriebenen Zeilen bzw. in drei Sätzen statt, wobei der zweite und längste Satz nicht entzifferbar sei. Der lesbare Inhalt des Votums sei austauschbar und enthalte keinerlei konkrete Wertung, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung rechtswidrig sei. Am Ende des Votums des Erstprüfers stehe nicht einmal eine Note, sodass zweifelhaft sei, ob der Prüfer die Arbeit überhaupt bewertet habe. Auch in Zusammenschau mit dem Korrekturschema sowie Randbemerkungen ergebe sich kein vollständig nachvollziehbares Bild der Bewertung. Die knapp zusammenfassende Würdigung sei insbesondere deshalb besonders bedenklich, da etwa bemängelt werde, sie reiße Teil II nur an. Weder aus dem Deckblatt noch aus dem Votum werde ersichtlich, welche Qualifikation der Erstprüfer habe. Es sei nicht einmal erkennbar, wie er heiße. Es sei keine Dienstbezeichnung ersichtlich, aus der sich entnehmen ließe, dass die Prüferin bzw. der Prüfer überhaupt Volljurist und zur Korrektur zugelassen sei.
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Die Randbemerkung „kaum haltbar“ auf Seite 6 ihrer Bearbeitung könne sich nur auf die Einordnung des Vertrags als Dienstvertrag beziehen. Jedoch sei die Einordnung bereits zu Beginn der Prüfung vorgenommen worden, sodass die Randbemerkung nahelege, es werde prüfungsrechtlich unzulässig ein Folgefehler gerügt. Dies gelte erst recht, wenn die Abweichung von der Musterlösung – wie hier – gut vertretbar sei.
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Dass sie sich an einigen unproblematischen Stellen kurzgefasst habe, dürfe nicht negativ gewertet werden. Sie beweise Effizienz, wenn sie sich an unproblematischen Stellen etwa im verkürzten Gutachtenstil kurzfasse. Dass ihre Lösung an einer Stelle nicht vertretbar wäre, könne nicht nachgewiesen werden.
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Auf Seite 9 ihrer Bearbeitung fänden sich keinerlei Korrekturanmerkungen, sodass nicht ausgeschlossen werden könne, dass ihre dortigen Ausführungen zu Unrecht nicht positiv in die Bewertung des Erstprüfers miteingeflossen seien. Der Prüfer habe sämtliche ihrer Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und umfassend zu würdigen. Hiergegen habe er verstoßen, indem ihre positiven Ausführungen nicht entsprechend gewürdigt seien.
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Soweit ihre Ausführungen auf Seite 11 der Bearbeitung zu § 278 BGB als verfehlt bemängelt würden, sei die Vorschrift zwar nicht optimal eingesetzt, jedoch habe sie auf Seite 7 bereits demonstriert, den Unterschied zwischen § 831 und § 278 BGB zu kennen. Es könne sich mithin lediglich um einen Flüchtigkeitsfehler handeln, der nicht allzu stark negativ in die Bewertung mit einfließen solle. Liege ein offensichtliches Schreibversehen vor, dass sich mit hinreichender Gewissheit feststellen lasse, dürfe auf ein solches Versehen nicht abgestellt werden, wenn dieses keinen Rückschluss auf die zu prüfenden Fähigkeiten gestatte.
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Insgesamt sei mit Blick auf ihre Ausführungen – die im Einzelnen ausgeführt werden – fraglich, warum der Erstprüfer von weitreichenden Mängeln und Lücken ihrer Bearbeitung ausgehe. Auch werde nicht deutlich, wie schwer die ausgebliebene Bearbeitung einiger Teile im Verhältnis zu den ordentlich bearbeiteten Teilen wiege. Es könne somit nicht ausgeschlossen werden, dass die bearbeiteten Teile keine ausreichende positive Einbeziehung in die Gesamtwertung gefunden hätten.
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Hinsichtlich Aufgabenteil II erschöpften sich die Ausführungen des Erstkorrektors in einem Halbsatz („Teil II wird nur angerissen“), ohne dass ihre Ausführungen inhaltlich gewürdigt würden. Dabei habe sie immerhin die ordnungsgemäße Klageerhebung, die Zuständigkeit des Gerichts sowie die Partei- und Prozessfähigkeit geprüft. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ihre Ausführungen keine ausreichend positive Berücksichtigung im Rahmen der Gesamtwertung gefunden hätten. Dass die Ausführungen vor dem Hintergrund knapp bemessener Bearbeitungszeit nicht mehr die Ausführlichkeit der anfänglichen Äußerungen hätten, sollte nicht allzu stark negativ ins Gewicht fallen.
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Ein Zweitvotum fehle, da auf Seite 3 des Erstvotums zwar ein Stempel mit unleserlicher Paraphe angebracht sei, jedoch nicht deutlich werde, wer diese gezeichnet habe. Hierauf könne nicht einmal aus dem Deckblatt geschlossen werden, zumal die Namensnennung dort nicht genügen würde. Zudem genügten ein Stempel und Paraphe nicht den Anforderungen aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG. Die Verwendung des Stempels indiziere Voreingenommenheit, da sich der den Stempel verwendende Prüfer offenbar grundsätzlich dem Erstprüfer anschließe. Andernfalls hätte er sich keinen Stempel produzieren lassen. Offenkundig habe durch die Verwendung der Paraphe etwas vertuscht werden sollen. Wenn – wie hier – die Bewertung des Erstkorrektors fehlerhaft sei, könne mit dem auf „einverstanden“ lautenden Stempel der Grundsatz keine Geltung beanspruchen, wonach der Zweitprüfer seine Begründung nicht mit anderen Worten wiederholen müsse, wenn er zu demselben Ergebnis gelange. Auffällig sei, dass es bei dem Beklagten regelmäßig keine eigenständigen inhaltlichen Zweitvoten gebe. Der Beklagte möge sich dazu erklären, ob es eine interne Richtlinie, Weisung, Empfehlung o.Ä. an die Prüfer gebe, in Zweitvoten keine inhaltlichen Ausführungen zu machen.
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Zu Aufgabe 2 lässt die Klägerin sinngemäß im Kern ausführen, der Erstprüfer sei seiner Begründungspflicht nur unvollständig nachgekommen. Er gebe weder den Schwierigkeitsgrad der verschiedenen Teilaufgaben noch die Gewichtung zwischen den Aufgaben für die Bewertung an. Dies sei insbesondere deshalb bedauerlich, da er seine Bewertung maßgeblich auf angebliche Unvollständigkeiten und Ungenauigkeiten stütze. Auch hier müsse der Prüfer ausreichend verdeutlichen, welche Aspekte die positiven Ansätze der Bearbeitung entwerteten. Es sei keinerlei Erwartungshorizont erkennbar. Schwerpunkte der Bearbeitung würden nicht benannt, auch werde keine Lösungsskizze bereitgestellt. Die Bewertung der Bearbeitung erfolge auf einer Seite. Dies sei insbesondere deswegen bedenklich, weil der Erstprüfer bemängele, ihre Lösung weise „erhebliche Lücken“ auf. In den ersten Zeilen der Bewertung unter „Teil I“ beschreibe der Prüfer lediglich ihre Ausführungen. Soweit der Erstprüfer kritisiere, sie habe die in dem Sachverhalt angelegten materiell-rechtlichen Probleme kaum erfasst, ihre Lösung weise erhebliche Lücken auf und wesentliche Rechtsvorschriften würden nicht gesehen, sei in Ermangelung eines Erwartungshorizonts nicht zu erkennen, was gemeint sei. Es lasse sich nicht ausschließen, dass dieser Aspekt gegenüber den positiven, nicht lückenhaften Aspekten der Bearbeitung zu stark negativ gewertet worden sei.
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Soweit der Erstprüfer auf Seite 1 ihrer Bearbeitung mit „§ 361 I BGB“ anzudeuten scheine, er halte die gewählte Anspruchsgrundlage für falsch, müssten ihre Ausführungen in der Folge allesamt nur auf Folgerichtigkeit zu überprüfen sein. Ausführungen im Rahmen eines Folgefehlers seien von Prüfern ebenso zur Kenntnis zu nehmen.
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Ihre präzise Subsumtion unter genauer Sachverhaltsauswertung zu den sachlichen und persönlichen Voraussetzungen des Ratenlieferungsvertrags habe der Erstprüfer nicht berücksichtigt. Er bemängele ihre Annahme als unzutreffend, K falle unter den Verbraucherschutz des § 13 BGB, obwohl es sich bei diesen Ausführungen ersichtlich um einen Flüchtigkeit- bzw. Formulierungsfehler handele. Die Vorschrift des § 513 BGB erweitere den persönlichen Anwendungsbereich der §§ 491 bis 512 BGB grundsätzlich auf natürliche Personen, die sich ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe für die Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gewähren ließen oder zu diesem Zweck einen Ratenlieferungsvertrag geschlossen hätten. Während § 13 BGB solche Existenzgründer nicht erfasse, entspreche die Ausdehnung des persönlichen Schutzbereichs und die damit verbundene Anerkennung eines vergleichbaren Schutzbedürfnisses der verbraucherkreditrechtlichen Tradition in Deutschland. Insoweit verweist die Klägerin auf Schürnbrand in Münchener Kommentar BGB, 7. Aufl. 2017, § 513 Rn. 1-1a. Die Randbemerkung des Erstprüfers „Nein! § 513 führt nur zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs für Existenzgründer!“ zu ihrer Folgerung, „somit“ falle „K unter den Verbraucherschutz aus § 13 BGB“ lasse darauf schließen, ihr Fehler sei nicht als Flüchtigkeits- bzw. Formulierungsfehler, sondern vielmehr als schwerwiegender inhaltlicher Fehler aufgefasst worden. Dies werde ihrer Bearbeitung indes nicht gerecht. Sie habe in der Sache richtig erkannt, dass § 513 BGB den Anwendungsbereich der §§ 491 bis 512 BGB auf Existenzgründer unter bestimmten Umständen ausdehne. Dass sie diese Ausdehnung des persönlichen Schutzbereichs nicht als solche bezeichne, sondern vielmehr unter offensichtlichem Zeitdruck formuliert habe, K falle unter den Verbraucherschutz, solle in diesem Zusammenhang nicht allzu negativ ins Gewicht fallen. Liege ein offensichtlicher Schreib- oder Ausdrucksfehler vor, sodass sich mit hinreichender Gewissheit feststellen lasse, was der Prüfling wirklich habe äußern wollen, dürfe auf ein solches Versehen nicht abgestellt werden, wenn dieses keinen Rückschluss auf die zu prüfenden Fähigkeiten gestatte. Zuletzt lässt die Klägerin ausführen, der Erstprüfer begründe seine Behauptung nicht, wonach es „unzutreffend“ sei, dass K unter den Verbraucherschutz falle, obwohl es sich hierbei um eine vertretbare Lösung handele.
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Die Kritik, § 356c Abs. 1 BGB und Art. 246 Abs. 3 EGBGB seien nicht gesehen worden, betreffe zum einen hinsichtlich Art. 246 Abs. 3 EGBGB unzulässigen Prüfungsstoff, zum anderen handele es sich um eine unzulässige Doppelverwertung, weil es nach ihrer Lösung in der Konsequenz nicht mehr auf die genannten Vorschriften angekommen sei. Vermerkt werde, dass sie einen wirksamen Widerruf des Vertrags bejahe, positiv honoriert werde dies jedoch nicht.
24
Unzutreffend bemängele der Erstprüfer, es werde nicht erörtert, inwieweit Schäden bei der Frage einer Entreicherung überhaupt Berücksichtigung finden könnten. Sie habe insbesondere ausgeführt, möglicherweise sei die Beschädigung des Sessels zu berücksichtigen sowie die Wertminderung, um sie automatisch gegenseitig aufzurechnen. Sie habe somit zu einem der umstrittensten Probleme im Bereicherungsrecht ausgeführt und sei zu einer vertretbaren Lösung gelangt. Gerade in den zeitlich anspruchsvollen Klausuren des Ersten Juristischen Examens dürften nicht zu hohe Anforderungen an die Begründung einer Lösung gestellt werden, insbesondere, wenn diese mit der herrschenden Meinung übereinstimme. Ihre knappen Ausführungen zu diesem Punkt dürften demnach nicht negativ ins Gewicht fallen. Soweit der Erstprüfer offenbar gefordert habe, sie habe die Berücksichtigung irgendwelcher Schäden – also mehrerer Schäden – im Rahmen des § 818 BGB nicht erörtert, überschreite er seinen Bewertungs- bzw. Erwartungsspielraum. Denn mehrere Schäden seien nicht ersichtlich und dies werde nirgendwo ansatzweise in der geforderten Form vertreten.
25
Unvertretbar sei die Kritik des Erstprüfers mit Blick auf ihre Prüfung des Zurückbehaltungsrechts der V gegenüber dem Anspruch des K. Insoweit werde als Verständnismangel kritisiert, dass innerhalb des Bereicherungsanspruchs des K ein Zurückbehaltungsrecht des V geprüft werde. Habe V ein Zurückbehaltungsrecht, könne K seinen Anspruch nicht durchsetzen, sodass ihre Lösung vertretbar sei.
26
In Teil II moniere der Erstprüfer eine irrige Sachverhaltsauslegung, wobei nach dem Sachverhalt der Schluss naheliege, dass von einem Fehler des Gerichtsvollziehers auszugehen sei. Der von ihr gewählte Rechtsbehelf nach § 766 ZPO stelle damit eine umfassende richterliche Kontrolle des Vollstreckungsverfahrens sicher und gewährleiste zugleich dessen Rechtsstaatlichkeit sowie rechtliches Gehör. Somit sei ihre Annahme, das Interesse der V richte sich auf den Rechtsbehelf der Vollstreckungserinnerung nach § 766 ZPO, zumindest vertretbar. Der Erstprüfer kritisiere, zu den Problemen der Aufgabe werde nicht vorgedrungen und es zeigten sich Mängel im Systemverständnis, obwohl sie sehr systematisch gearbeitet habe, indem sie ihre Prüfung zuerst in Zulässigkeit und Begründetheit unterteilt, sodann im Prüfungspunkt der Statthaftigkeit zutreffend zwischen Drittwiderspruchsklage und Vollstreckungserinnerung abgegrenzt und im Rahmen der Begründetheit durch die Überschriften „I. Allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung“, „II. Konkrete Zwangsvollstreckungsmaßnahme“ sowie „III. Ergebnis“ gegliedert habe. Zudem liege eine unzulässige Doppelverwertung vor, indem der Erstprüfer zunächst kritisiere „[…] ob § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO jeder Pfändung im Übermaß entgegensteht.“ sowie anschließend kritisiere „[…] bleibt daher unerörtert.“.
27
Bemerkenswert sei, dass der Erstprüfer Staatsanwalt sei und offenbar vom Zivilrecht nicht mehr viel verstehe. Jedenfalls dann, wenn ein Prüfer kein hinreichend substantiiertes Votum verfasse und in der Praxis in einem korrekturfremden Fachgebiet tätig sei, müsse ein anderer Prüfer neu bewerten. Insoweit sei die gesetzliche Maßgabe, dass grundsätzlich die Eigenschaft eines Prüfers als Volljurist für die Prüfertätigkeit in allen Rechtsgebieten hinreichend sei, gemäß Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG verfassungskonform auszulegen bzw. zu reduzieren.
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Da sich der Zweitprüfer in Form eines „Einverstanden!“ dem Votum des Erstprüfer anschließe, würden im Wesentlichen die Ausführungen betreffend den Erstprüfer entsprechend gelten.
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Überdies dürften Prüfer nicht verlangen, dass auch für die Schwellennote „ausreichend“ bereits alle im Sachverhalt angelegten Probleme erkannt und weitgehend zutreffend bearbeitet werden müssten. Dies stehe nicht im Einklang mit der vorgegebenen Notenskala. Zu einer ausgewogenen Bewertung gehöre es, richtig Bearbeitetes mit Fehlendem bzw. Fehlerhaftem ernsthaft abzuwägen und insgesamt in ein Bewertungssystem einzuordnen. Allein hierdurch werde es Prüfling und Gericht ermöglicht, eine mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben in Einklang stehende Überprüfung vorzunehmen. Danach und in Anbetracht der fehlerhaften Aufgabenstellungen bzw. Lösungen sowie der aufgeführten Beurteilungsfehler sei die gesamte Klausur im Bereich der Note „ausreichend“ zu verorten, da der Beurteilungsspielraum der Prüfer insoweit begrenzt sei.
30
Hinsichtlich Aufgabe 3 lässt die Klägerin sinngemäß im Wesentlichen vortragen, das Erstvotum enthalte zwar eine Art Lösungsskizze mit gezeichneten Winkeln und Haken, jedoch seien diese nicht nachvollziehbar. Soweit der Erstprüfer in seinem Erwartungshorizont einen Anspruch gemäß § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB voraussetze und dessen Fehlen in ihrer Prüfung darüber hinaus noch negativ werte, sei dies rechtsfehlerhaft. Der Erstprüfer offenbare eigene, erhebliche Verständnismängel im Zivilrecht, da § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB lediglich eine Typisierungsnorm sei, während sich der Anspruch aus dem Vertrag ergebe. Auch die Forderung nach der Paragraphenkette „AGL: §§ 1094 I, 1098 I, 464 I“ sei rechtsfehlerhaft, da § 1098 Abs. 1 BGB und § 464 Abs. 1 BGB unstrittig keine Anspruchsgrundlagen seien. Soweit ihre Ausführungen auf Seite 2 des Votums für zutreffend, aber zu knapp gehalten würden, sei letzteres nicht nachvollziehbar. Es fehle nichts und der Prüfer lege auch nicht dar, wie der Bearbeitungsumfang bei anderen Prüflingen ausgefallen sei. Gleiches gelte für den Vorwurf „knapp“ auf Seite 2 des Votums unten, wobei der Rest der Negativwertung nicht lesbar und soweit lesbar nicht nachvollziehbar sei, wenn der Prüfer schreibe „(Prüfung bereits bei Testament […])“. Der Bereich der Bemerkung nach „Testament“ und vor „2002“ sei nicht lesbar und daher vom Prüfer zu erklären. Auf Seite 3 des Votums werde mit der Formulierung „i.V.m. § 2268“ in unzulässiger Weise etwas in vertiefter Ausführung gefordert, dass nicht einmal Gegenstand der eigenen, ursprünglich gedruckten Erwartung des Prüfers gewesen sei. Der bereits auf Seite 2 des Votums negativ bewertete Aspekt zum Testament 2002 werde auf Seite 3 des Votums erneut negativ gewertet. Der Erstvotant bewerte in seinem Votum mit „ausreichend (4 – 6 Punkte)“. Das Offenlassen der Note sei unzulässig, zumal diese im Votum anders benannt werde als auf dem Deckblatt. Unklar sei, welche Note gelten solle. Soweit der Erstprüfer auf Seite 4 seines Votums ausführe, der Inhalt der Arbeit ergebe sich aus dem obigen Lösungsschema, lege er falsche Tatsachen zugrunde. Denn der Inhalt der Arbeit ergebe sich aus ihren Ausführungen, die der Prüfer offensichtlich nicht richtig gelesen und auch nicht in sein „Lösungsschema“ übernommen habe. Unzulässig sei, dass der Erstprüfer die gedruckten Ausführungen der ersten drei Seiten als Lösungsschema einstufe. Denn hierdurch beschränke er seinen Erwartungshorizont. Der Beklagte habe offenzulegen, ob das Lösungsschema vom Prüfer komme oder ihm vorgegeben worden sei. Sollte das der Fall sein, sei die Bewertung allein deshalb fehlerhaft, wenn der Prüfer sie als Lösungsschema und nicht als Lösungshinweis verstehe. Die bereits erwähnte negative Bewertung mit Blick auf die rechtlich unzutreffende Erwartung zur Anspruchsgrundlage werde fortgeführt, indem der Prüfer ausführe, auch § 433 BGB als Anspruchsgrundlage werde insgesamt nicht benannt. Zudem werde der vermeintliche Fehler unzulässig doppelt verwertet. Eine weitere unzulässige Doppelverwertung finde sich auf Seite 4 des Votums, wonach sie letztlich das Verhältnis der (teil-)wirksamen Testamente aus 2002 und 2017 nicht gesehen habe. Soweit der Prüfer ihre Ausführungen als „teils oberflächlich und ohne Anbindung an Normen (Begründung des Vorkaufsrechts, Eintritt des Vorkaufsfalls), teils recht knapp (§ 465 BGB) […]“ kritisiere, sei dies nicht nachvollziehbar. Wegen der Formulierung „und“ nach dem Wort „oberflächlich“ könnten mit der Kritik „oberflächlich“ nicht die erst nach dem Wort „und“ in Klammern genannten Gesichtspunkte gemeint sein. Unklar sei dann, was oberflächlich sein solle. Unklar sei auch, was mit Blick auf § 465 BGB fehle, sodass die Ausführungen zu knapp seien. Schließlich enthielten Deckblatt und Votum lediglich eine Paraphe statt der erforderlichen Unterschrift.
31
Der Zweitprüfer schließe sich dem Erstprüfer an und mache sich dessen Fehler zu eigen. Der Beklagte müsse auch darlegen, wer Zweitprüfer sei bzw. inwieweit er die Anforderungen an einen Prüfer erfülle. Name und Unterschrift seien nicht lesbar.
32
Zu Aufgabe 4 lässt die Klägerin sinngemäß im Wesentlichen ausführen, der Erstprüfer wiederhole zunächst ihre Ausführungen und behaupte dann Ungenauigkeiten, verschiedene Aspekte würden miteinander vermischt und beim Versuch zeigten sich Aufbaufehler. Schwächen seien mit der Rücktrittsprüfung verbunden. Hierbei handele es sich durchgehend um nicht nachvollziehbare Behauptungen, die auch nicht mit einem Erwartungshorizont abgleichbar seien, da es einen solchen nicht gebe. Gleiches gelte für die Kritikpunkte „teilweise unbrauchbar § 315b StGB, „exakter war § 315c StGB abzulehnen“, „unzureichend“, „zu oberflächlich“, „nähere Prüfungen fehlen.“ und „geraten zu oberflächlich“. Der Erstprüfer sei im Prüfungsstoff des Ersten Juristischen Staatsexamens offenbar nicht mehr fachkundig, da er anderenfalls bewertet und nicht lediglich rechtswidrig schwammige Behauptungen aneinandergereiht hätte. Dies führe der Erstprüfer im letzten Absatz seines Votums fort bzw. wiederhole seine Behauptungen. Das Votum sei austauschbar, unkonkret und nicht nachvollziehbar. Der Zweitprüfer mache sich das Erstvotum und somit dessen fehlerhaften Inhalt zu eigen.
33
Zu Aufgabe 5 lässt die Klägerin sinngemäß im Wesentlichen vorbringen, mangels Erwartungshorizonts in Erst- und Zweitvotum könne nicht nachvollzogen werden, was gefordert sei. Soweit der Erstprüfer kritisiere, sie prüfe in ihrem Gutachten diverse Klagearten „zu breit“ als in Betracht kommend, sei in einem Gutachten eine umfassende Prüfung vertretbar und dürfe in keiner Weise negativ gewertet werden. Soweit der Erstprüfer kritisiere, offensichtlich sei nicht bekannt, dass eine Große Kreisstadt nach der GrKrV Bauaufsichtsbehörde sei, verkenne er, dass eine Große Kreisstadt eine juristische Person des öffentlichen Rechts – eine Gebietskörperschaft – sei. Eine Behörde sei hingegen gemäß Art. 1 Abs. 2 BayVwVfG eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Dass die juristische Person selbst keine Behörde sei, gelte auch im Rahmen der Prüfung der Passivlegitimation, wobei die Passivlegitimation in der von dem Prüfer vorgenommen Kritik auch im Übrigen nicht zuordenbar sei, weil er offenkundig die Prüfung des § 78 VwGO mit der Passivlegitimation gleichstelle, was nicht der herrschenden Meinung entspreche und im Grunde nicht haltbar sei. Insoweit zitiert die Klägerin Heinze/Starke, Jura 2020 (gemeint sein dürfte 2012), 178 ff.
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Soweit der Erstprüfer behaupte, sie habe nur Behauptungen aufgestellt, sei diese Kritik nicht nachvollziehbar, da sie ihrerseits lediglich eine nicht im Ansatz nachvollziehbare Behauptung darstelle. Diese sei austauschbar und habe keinerlei Bezug zu ihrer Ausarbeitung. Gleiches gelte für die Kritik, das Ermessen sei nicht näher untersucht worden.
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Ein grober Bewertungsfehler des Erstprüfers bestehe darin, dass er den sog. Gebietserhaltungsanspruch als eigenständigen materiellen Anspruch einstufe, der in der Begründetheit eigenständig zu prüfen sei. Dies sei falsch. Der Gebietserhaltungsanspruch sei ein von der Rechtsprechung entwickelter Terminus, der nicht gesetzlich geregelt sei. Es handele sich auch nicht um einen eigenständigen Anspruch, vielmehr sei er Gegenstand einer Inzidentprüfung innerhalb einer landesbauordnungsrechtlichen Norm im Rahmen des Bauplanungsrechts gemäß §§ 29 ff. BauGB. Hierfür führt die Klägerin Fachliteratur an, insbesondere Heinze, Systematisches Fallrepetitorium Besonderes Verwaltungsgericht Berlin, Seite 301 ff., 367. Bei dem Gebietserhaltungsanspruch handele es sich um eine Eigentumsdefinition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG durch § 30 BauGB in Verbindung mit untergesetzlichen Vorschriften. Die Bewertung sei insoweit fehlerhaft.
36
Der Zweitprüfer habe sein Votum nicht unterschrieben und rechtswidrig lediglich eine Paraphe verwendet. Außerdem werde nicht deutlich, ob er als Prüfer überhaupt geeignet gewesen sei, da jegliche Funktionsbezeichnung fehle. Soweit er kritisiere, die Erledigung sei „nicht richtig“ herausgearbeitet worden, werde einerseits nicht deutlich, was erwartet worden sei, während andererseits nicht erkennbar sei, was sie rechtlich falsch gemacht habe haben solle. Sei etwas nicht richtig, sei es falsch. Ein Fehler werde aber ohne jeglichen Ansatzpunkt lediglich behauptet, jedoch nicht dargelegt. Vielmehr sei sie in vertretbarer Länge auf den Problempunkt der Erledigung eingegangen.
37
Der Zweitprüfer weiche mit seiner Bewertung (3 Punkte) von der Bewertung des Erstprüfers (4 Punkte) um einen Punkt nach unten ab. Soweit er sich dem Erstvotum nicht anschließe oder sich dieses nicht zu eigen mache, sondern ein eigenständiges Votum ohne Bezugnahme auf das Erstvotum anfertige, müsse er sich an seinem Votum festhalten lassen, wobei dieses einer eigenständigen Überprüfung standhalten müsse. Der Zweitprüfer stelle seiner Bewertung keine eigene Lösungsskizze voraus, an der sich der materielle Inhalt seiner Bewertung orientieren könnte. Weder die Gesamtheit der erwarteten Problemkomplexe noch deren Gewichtung für die Gesamtwertung seien benannt. Dies sei insbesondere deshalb problematisch, weil der Zweitprüfer die Bewertung ihrer Leistung unter die Bestehensgrenze herabsetze. Gerade in einem solchen Fall bedürfe es einer ausführlichen Begründung, um diese Wertung nachvollziehen zu können. Dies gelte insbesondere, weil für die Zulassung zur mündlichen Prüfung das Bestehen dieser Aufsichtsarbeit genüge. Auch gehe der Zweitprüfer nicht auf die saubere Prüfung der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs ein.
38
Soweit kritisiert werde, bei der Klagebefugnis komme es wohl weniger auf das Rücksichtnahmegebot an, sondern vielmehr auf den Gebietserhaltungsanspruch, seien im Rahmen der Klagebefugnis Ansprüche nicht vollumfänglich durchzuprüfen. Vielmehr sei lediglich darzulegen, ob die Möglichkeit der Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte bestehe. Diese würden sowohl aus dem Rücksichtnahmegebot als auch den Gebietserhaltungsanspruch erwachsen, sodass ihre kurze Erörterung der Frage an dieser Stelle sachlich zutreffend gewesen sei. Der Gebietserhaltungsanspruch gehe in seiner Schutzfunktion über die bloße Möglichkeit der Abwehr unzumutbarer Beeinträchtigungen wie im Fall des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots hinaus. Er entstehe dem Grunde nach schon durch die Zulassung eines mit dem festgesetzten Baugebietstyp in Widerspruch stehenden Vorhabens, weil dadurch eine Störung des nachbarlichen Austauschverhältnisses eintrete und eine Verfremdung des Gebietscharakters einsetze. All dies zeige jedoch, dass der Gebietserhaltungsanspruch mit dem Rücksichtnahmegebot als Ausdruck der Verhältnismäßigkeit der Grundrechte verzahnt sei, auch wenn er unter Umständen weitergehenden Rechtsschutz gewähre. Es sei demnach jedenfalls thematisch vertretbar, sowohl auf das Rücksichtnahmegebot als auch auf den Gebietserhaltungsanspruch einzugehen. Insoweit zitiert die Klägerin Heinze, Systematisches Fallrepetitorium, Besonderes Verwaltungsrecht Hamburg, Seite 302 f. Soweit der Zweitprüfer weiter kritisiere, der Gebietserhaltungsanspruch hätte entweder im Rahmen der Klagebefugnis oder der Begründetheitsprüfung genauer herausgearbeitet werden müssen, gehöre es nicht zu den Anforderungen an eine Klausurleistung, einen Lösungsweg eins zu eins wiederzugeben, insbesondere nicht insoweit, als der Vollständigkeit halber eher am Rande liegende Ausschlussgründe oder Anspruchsgrundlagen durchdekliniert würden. Vielmehr sei es der Natur der Rechtswissenschaften als Geisteswissenschaft geschuldet, dass verschiedene Lösungs- und Darstellungswege vertretbar seien. Der Zweitvotant habe verkannt, dass es zur gefestigten Rechtsprechung gehöre, dass auch eine andere vertretbare und mit Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht negativ bewertet werden dürfe. Im Hinblick auf den Zeitdruck, der den Klausuren des Ersten Juristischen Staatsexamens immanent sei, dürfe es nicht zu sehr ins Gewicht fallen, dass sie sich in dem fraglichen Punkt kurzgefasst habe, zumal sie dadurch im Rahmen ihres Antwortspielraums schwerpunktorientiert geprüft und in vertretbarer Weise Effizienz im Auslassen nicht notwendiger Prüfungspunkte bewiesen habe.
39
Der Zweitprüfer habe das Verhältnis des sog. Gebietserhaltungsanspruchs im Verhältnis zum Rücksichtnahmegebot offensichtlich nicht verstanden. Der Gebietserhaltungsanspruch bedeute, dass es eine Eigentumsdefinition gebe, nach der die Gebietsvorgabe einzuhalten sei. Das Rücksichtnahmegebot sei hingegen eine Feinsteuerung, die stets zumindest zusätzlich geprüft werden solle. Denn obwohl die Gebietserhaltung nicht verletzt werde, könne sich aus der Feinsteuerung des Gebots der Rücksichtnahme ein Verbot des Bauvorhabens ergeben, da dieses letztlich eine Ausprägung des Gebots der Verhältnismäßigkeit sei. Auch insoweit zitiert die Klägerin insbesondere Heinze, Systematisches Fallrepetitorium Besonderes Verwaltungsrecht Berlin, Seite 301 ff., 367 ff.
40
Soweit ihre Ausführungen zur Passivlegitimation als gravierend bezeichnet würden, habe sie unter „Richtiger Beklagter“ zutreffend zur Prüfung angesetzt. Bei dem darauffolgenden Fehler könne es sich demnach nur um einen Flüchtigkeitsfehler handeln, der in Anbetracht der Drucksituation im Ersten Juristischen Staatsexamen nicht allzu sehr ins Gewicht fallen sollte. Ein Bewertungsfehler sei dann anzunehmen, wenn ein offensichtlich leichter Fehler als schwerer Fehler bewertet worden sei. Ein Flüchtigkeitsfehler als leichter Fehler liege vor, wenn dem Prüfling offensichtlich ein Fehler unterlaufen sei, der anhand erkennbarer Anhaltspunkte aufgrund des Zeitdrucks der Klausur oder aus anderen Gründen versehentlich passiert sei. Insbesondere sollten Fehler an diesem Prüfungspunkt nicht als gravierend Einfluss in die Gesamtwertung nehmen. Letztlich sei die Bewertung „Gravierend auch die Ausführungen zur Passivlegitimation!“ nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Formulierung „so gut wie überhaupt keine brauchbaren Ausführungen mehr.“ Nicht mit abschließender Sicherheit könne festgestellt werden, welche Ausführungen mit der Bemerkung gemeint seien, die weiteren Ausführungen seien nicht recht klar. Aus dem Zusammenhang sei der Schluss zu ziehen, dass sich der Prüfer auf sämtliche Ausführungen nach Darstellung der Passivlegitimation auf Seite 13 ihrer Bearbeitung beziehe. Stattdessen baue sie auf den folgenden Seiten ihre Prüfung klar auf. Woher sich Unklarheiten ergeben könnten, sei nicht nachvollziehbar.
41
Auch erschließe es sich nicht, was mit der Frage gemeint sei, was überhaupt die Tatbestandsmerkmale von Art. 76 Satz 2 BayBO seien. Allenfalls stelle sich dies als unsachlicher Kommentar dar, der keinen Beitrag zur Gesamtwertung leisten solle. Das Gebot der Sachlichkeit verlange die unvoreingenommene Würdigung einzelner Prüfungsleistungen ohne Ansehen der Person. Es sei nicht Aufgabe des Prüfers zu fragen, sondern zu bewerten. Der Prüfer gehe hier fälschlich davon aus, dass die Tatbestandsmerkmale der Vorschrift nicht herausgearbeitet worden seien. Voraussetzung für den Erlass einer Nutzungsuntersagung sei die formelle Illegalität der ausgeübten Nutzung bzw., dass die Nutzungsaufnahme unmittelbar und hinreichend konkret bevorstehe, wie sie es auch geprüft habe.
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Soweit der Zweitprüfer meine, ab Seite 19 der Bearbeitung gebe es so gut wie keine brauchbaren Ausführungen mehr und dass noch erhebliche Lücken im Bereich des Bauplanungsrechts bestünden, treffe ihn die Pflicht zu einer umfassenden und ausgewogenen Bewertung, um sich so ein Gesamtbild der Prüfungsleistung bilden zu können. Hierzu habe der Prüfer sämtliche Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und umfassend zu würdigen. Mit seiner pauschalen Bewertung als kaum brauchbar lasse der Prüfer außer Acht, dass sie den Telos einer Vielzahl von Normen zur Grundlage ihrer Argumentation mache. Das veranschauliche, dass sie durchaus mit den Normen und dem Bereich des Bauplanungsrechts vertraut sei. Somit sei die Bewertungsbegründung durch den Zweitprüfer rechtlich zu beanstanden und beurteilungsfehlerhaft.
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Zu Aufgabe 6 lässt die Klägerin sinngemäß im Wesentlichen ausführen, der Erstprüfer stelle seiner Bewertung keine eigene Erwartung voraus, an der sich der materielle Gehalt der Bewertung orientieren könne. Weder die Gesamtheit der erwarteten Problemkomplexe noch deren Gewichtung für die Gesamtbewertung würden benannt. Mangels Gewichtung der einzelnen Aufgabenkomplexe mit Blick auf die Gesamtbewertung könne nicht ausgeschlossen werden, dass vermeintliche Schwächen gegenüber positiven Aspekten zu stark ins Gewicht gefallen seien. Dass die Prüfung der abdrängenden Sonderzuweisung „nicht brauchbar“ sei, werde lediglich behauptet, sei ohne Erläuterung aber nicht nachvollziehbar. Soweit kritisiert werde, die Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage falle oberflächlich aus, prüfe sie die Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage auf fast einer ganzen Seite. Insbesondere mit Blick auf die zeitliche Drucksituation im Ersten Juristischen Staatsexamen beweise sie jedenfalls in vertretbarer Weise Effizienz bei der Bearbeitung, was nicht negativ gewertet werden dürfe. Soweit moniert werde, sie hätte der Frage noch genauer und vertiefter nachgehen sollen, welche Rechtsqualität der Vernichtung des Führerscheins zukomme, habe sie hierzu dezidiert ausgeführt. Mangels Erwartungshorizonts sei nicht ersichtlich, worauf sie hier noch hätte eingehen sollen. Soweit kritisiert werde, sie prüfe das berechtigte Feststellungsinteresse nur sehr oberflächlich und die Wiederholungsgefahr werde nur mit knapper und sehr oberflächlicher Begründung gesehen, gehöre es notwendigerweise auch zu den juristischen Fähigkeiten im Ersten Juristischen Staatsexamen, sich an unproblematischen Stellen kurzzufassen. Ausweislich der Aufgabenstellung habe der dortige Kläger erneut eine deutsche Fahrerlaubnis beantragen wollen, sodass die Wiederholungsgefahr offensichtlich sei. Sie beweise mit ihrer Prüfung in vertretbarer Weise Effizienz und damit juristisches Können, was honoriert und nicht negativ bewertet werden sollte. Die Prüfung der Fallgruppen des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs und der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses würden als nicht brauchbar bewertet, obwohl sie auf Seite 6 ihrer Bearbeitung deutlich auf diese Aspekte eingehe. Ihre Ausführungen zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen über insgesamt sechs Seiten würden als lückenhaft, zu ungenau und nicht überzeugend genug gewertet. Sie habe zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, zur statthaften Klageart, zur Klagebefugnis, zur Partei- und Prozessfähigkeit, zum Vorverfahren sowie zum Rechtsschutzbedürfnis und Feststellungsinteresse ausgeführt. Auch mangels Erwartungshorizonts und genauer Begründung sei nicht ersichtlich, was lückenhaft, zu ungenau und nicht überzeugend genug sein solle.
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Soweit moniert werde, ihre Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der FeV würden nichts Substanzielles zu Falllösung beitragen, sei die Frage des Prüfungsaufbaus als Fachfrage vollständig gerichtlich überprüfbar. Der Erstprüfer habe verkannt, dass es zur gefestigten Rechtsprechung gehöre, dass auch eine andere, vertretbare und mit Argumenten folgerichtig begründete Lösung nicht negativ bewertet werden dürfe. Gerade in einem Gutachten, in dem per se vollumfänglich zu prüfen sei, erscheine es vertretbar, auf alle denkbaren rechtlichen Aspekte einzugehen. Es sei zumindest vertretbar, im Rahmen der Begründetheitsprüfung auf die Rechtmäßigkeit der FeV einzugehen. Vertretbares dürfe indes nicht negativ gewertet werden, sodass ein Beurteilungsfehler vorliege. Auch kritisiere der Erstprüfer, sie erkenne letztlich die relevanten Probleme der Begründetheit nicht brauchbar. Was diese genau seien, sei erneut mangels Erwartungshorizonts nicht erkennbar. Gravierend sei die widersprüchliche Kritik, sie habe den Tatbestand des § 31 Abs. 4 FeV nicht überzeugend geprüft und diesen letztlich verkannt. Entweder sei der Tatbestand geprüft oder aber verkannt worden. Beides sei nicht möglich, sodass zumindest einer der beiden Kritikpunkte bewertungsfehlerhaft sei. Soweit ihre Prüfung der Verhältnismäßigkeit kritisiert werde, sei dies fehlerhaft, da eine Verhältnismäßigkeitsprüfung subjektiv geprägt sei und in hohem Maße dem Antwortspielraum des Prüflings unterliege. Möglicherweise könne der Prüfer ihre Argumentation bemängeln, nicht aber das Ergebnis als nicht überzeugend bewerten. Letzteres sei jedoch mit der Kritik geschehen, sie gehe in abermals nicht überzeugender Weise davon aus, dass die Maßnahme nicht verhältnismäßig sei.
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Obwohl sie den Amtshaftungsanspruch bei Frage 2 der Aufgabe auf immerhin zweieinhalb Seiten prüfe, moniere der Erstprüfer, sie prüfe den Anspruch zu knapp und zu ungenau. Nicht nachvollziehbar sei, was knapp und was ungenau sein solle. Angesichts des Zeitdrucks im juristischen Staatsexamen, regelmäßig gerade zum Ende der Bearbeitung, sollten knappe Ausführungen nicht allzu negativ ins Gewicht fallen, sondern im Gegenteil dahingehend honoriert werden, dass eine schwerpunktorientierte Bearbeitung stattgefunden habe. Fehlerhaft sei die Kritik, sie sehe die Ansprüche aus dem Verwahrverhältnis und aus enteignungsgleichem Eingriff schon gar nicht brauchbar. Entweder werde etwas nicht gesehen oder aber nicht brauchbar geprüft, wohingegen beides nicht möglich und die Bewertung insoweit fehlerhaft sei.
46
Da sich der Zweitprüfer dem Erstprüfer inhaltlich anschließe, gelte für das Zweitvotum das bereits Ausgeführte. Zudem habe der Zweitprüfer seine Bewertung unzulässiger Weise nicht unterschrieben. Sein Name sei nicht erkennbar und der Beklagte müsse offenlegen, inwieweit der Prüfer überhaupt die Voraussetzungen zur Prüfung im Ersten Juristischen Staatsexamen erfülle. Alle Prüfer, deren Unterschriften fehlten oder nicht erkennbar seien, seien von Amts wegen als Zeugen zu laden und über die Frage zu vernehmen, ob sie ihre Voten unabhängig und selbstständig verfasst hätten. Weiter habe der Zweitprüfer nicht 3, sondern lediglich 2 Punkte vergeben. Weiche der Zweitprüfer in wesentlichen Punkten von der Bewertung des Erstprüfers ab, müsse er dies besonders deutlich darstellen und die Folgen für die Notenvergabe begründen. Diese Gründe vermöge sie nicht zu erkennen. Denn die genannten Ergänzungen für die abweichende Notenvergabe deckten sich weitestgehend mit der Kritik des Erstprüfers, auf die zunächst Bezug genommen werde. Den Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidung komme der Zweitprüfer nicht nach. Der Verweis auf das Erstvotum helfe nicht weiter, da auch der Erstprüfer seine Bewertungsmaßstäbe nicht ausreichend dargelegt habe und der Zweitprüfer zudem in der Punktevergabe abweiche. Jedenfalls dann, wenn der Zweitprüfer im Rahmen einer offenen Korrektur von der Beurteilung des Erstprüfers abweiche, erhöhten sich die Anforderungen an die Begründungspflicht. Dabei reiche eine Bezugnahme im Wesentlichen auf die Kritik des Erstprüfers ohne weitere Kritikpunkte nicht aus. Es werde nicht nachvollziehbar dargelegt, woraus sich die Abweichung der Beurteilung ergebe, wonach eine Bewertung mit 2 Punkten gerechtfertigt erscheine. Insbesondere habe der Zweitprüfer ggf. auch die positiven Aspekte aufzuzeigen und im Rahmen einer Gesamtgewichtung darzulegen, inwieweit diese gleichwohl nicht ausreichten, um die Klausur als bestanden zu werten.
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Die Klägerin beantragt zuletzt wörtlich,
- 1.
-
den Beklagten zu verpflichten, ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich aller Klausuren durchzuführen und
- 2.
-
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 02.01.2019 zu verpflichten, die Aufsichtsarbeiten Nr. 1, 2, 3, 4, 5, 6 der Klägerin aus ihrer Wiederholungsprüfung der Ersten Juristischen Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bewerten und anschließend unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt
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Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, die Behauptung der Klägerseite sei haltlos, wonach er versuche, das Recht zu beugen, indem er Akteneinsichtsanträge erst kurz vor Ablauf der Begründungsfristen bearbeite. Pro Examenstermin erreichten ihn ca. 50 bis 70 Nachprüfungsverfahren samt Akteneinsichtsgesuchen. In den meisten Fällen werde um die Übersendung aller sechs Prüfungsarbeiten gebeten. Es müssten daher zahlreiche Klausuren eingescannt werden. Der hiermit verbundene Arbeitsaufwand sei enorm. Dennoch sei der Beklagte stets bemüht, Akteneinsichtsanträge so schnell wie möglich zu bearbeiten. In den überwiegenden Fällen könnten entsprechende Anträge innerhalb eines Zeitraums von ca. zwei Wochen erledigt werden. Die gegenteilige Behauptung der Klägerseite sei aus der Luft gegriffen. Neben der Übersendung der Prüfungsarbeiten in elektronischer Form stehe es den Prüfungsteilnehmern frei, auch persönlich Akteneinsicht in den Räumlichkeiten des Landesjustizprüfungsamtes oder am jeweiligen Prüfungsort zu nehmen und die Prüfungsarbeiten mit einem selbst mitgebrachten Smartphone oder Ähnlichem abzufotografieren. Soweit die Klägerin pauschal geltend mache, unverschuldet verhindert gewesen zu sein, die Begründungsfrist nach § 14 Abs. 3 JAPO einzuhalten, reiche dies nicht aus, um eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 32 BayVwVfG zu rechtfertigen. Ein Zeitraum von zwei Wochen sei für die Begründung eines Nachprüfungsantrags grundsätzlich ausreichend. Eine substantiierte Darlegung und Geltendmachung, warum dieser Zeitraum dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im konkreten Fall nicht ausgereicht haben soll, sei weder auf die Ankündigung, es sei beabsichtigt, den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen, noch im Rahmen der Klagebegründung auch nur ansatzweise erfolgt. Insbesondere könne die Klägerin hier auch nicht argumentieren, zur Hinzuziehung eines Rechtsanwalts werde Zeit benötigt, da sie im Nachprüfungsverfahren bereits anwaltlich vertreten gewesen sei. Hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Fristenregelung nach § 14 Abs. 3 JAPO bestünden keine Bedenken.
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Den Bewertungsrügen tritt der Beklagte im Einzelnen entgegen. Insbesondere führt er sinngemäß aus, es sei nicht zu beanstanden, wenn die Bewertung einer Prüfungsarbeit verständlich, aber nur kurz begründet werde. Dies gelte insbesondere für die Begründungspflicht des Zweitprüfers, der lediglich, wenn er die Arbeit schlechter bewerte als der Erstkorrektor, ausführen müsse, worin seiner Meinung nach die unterschiedliche Bewertung gerechtfertigt sei. Schließe er sich der Begründung des Erstgutachters an, so bedürfe es keiner weiteren, umfangreichen Erläuterung der Gründe der gleichen Bewertung „mit anderen Worten“. In diesen Fällen sei es zulässig, wenn sich ein Prüfer der Beurteilung der Prüfungsleistung durch einen anderen Prüfer mit der kurzen Bemerkung „einverstanden“ anschließe. Sämtliche Prüfer, die bei der Korrektur der Aufgaben der Klägerin eingesetzt gewesen seien, seien ordnungsgemäß als Prüfer bestellt. Insbesondere verfügten sie entsprechend § 21 Abs. 4 Satz 1 JAPO über die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz, soweit sie nicht bereits nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a JAPO aufgrund ihrer Stellung als Professoren oder Juniorprofessoren zu Prüfern bestellt worden seien. Sämtliche Prüfungsarbeiten der Klägerin seien von den aus dem Deckblatt ersichtlichen Korrektoren, denen die Aufgaben zur Bewertung übergeben worden seien, bewertet worden. Es existiere seitens des Beklagten keine interne Richtlinie, Weisung, Empfehlung o.Ä. dahingehend, dass Zweitprüfer in ihren Voten keine inhaltlichen Ausführungen zu machen hätten.
51
Die Klägerin hat beantragt, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts im Nachprüfungsverfahren für notwendig zu erklären.
52
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 22. April 2022, und auf die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
53
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Dies gilt sowohl hinsichtlich des Begehrens der Klägerin auf erstmalige Durchführung des Nachprüfungsverfahens (1.) als auch hinsichtlich ihres Verpflichtungsantrags betreffend die Neubewertung aller Arbeiten aus der Wiederholungsprüfung samt anschließender Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (2.).
54
1. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens begehrt. Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf erstmalige Durchführung des Nachprüfungsverfahrens oder auf erneute Verbescheidung dahingehend (§ 113 Abs. 5 VwGO). Denn das Nachprüfungsverfahren gemäß § 14 JAPO stellt ein – wenn auch formalisiertes – Gegenvorstellungsrecht dar, sodass Entscheidungen des Beklagten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens grundsätzlich keinem gerichtlichen Rechtsschutz zugänglich sind. Auch liegen hier keine Ausnahmen von diesem Grundsatz vor.
55
a) Anerkannt ist, dass das Erfordernis eines prüfungsrechtlichen Überdenkungsverfahrens bei berufsbezogenen Prüfungen mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich auch daraus resultiert, dass die gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten in Prüfungsangelegenheiten – worauf noch genauer einzugehen sein wird – eingeschränkt sind. Als Ausgleich hierfür besitzen Prüflinge bei berufsbezogenen Prüfungen aus Art. 12 Abs. 1 GG einen Anspruch auf Überdenken der Bewertung ihrer Prüfungsleistungen durch ihre jeweiligen Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens. Zugleich wird damit in Ergänzung des gerichtlichen Rechtsschutzes eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit erfüllt (vgl. so zu dem Ganzen BVerwG, U.v. 30.6.1994 – 6 C 4.93 – BeckRS 1994, 31223296; grundlegend BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81, 1 BvR 213/83 – NJW 1991, 2005).
56
Die konkrete Ausgestaltung des verwaltungsinternen Kontrollverfahrens obliegt dem Gesetzbzw. Verordnungsgeber, wobei das Verfahren nicht zwingend dem gerichtlichen Verfahren vorzuschalten ist, wie dies etwa im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens der Fall ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 − 6 B 19/12 – NVwZ 2013, 83 Rn. 6). Bezogen auf die hier in Frage stehende Prüfung des Ersten Juristischen Staatsexamens in Bayern ist das Überdenkungsverfahren durch ein eigenständig ausgestaltetes Verfahren nach § 14 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen (JAPO) vom 13. Oktober 2003 (GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J) geregelt (vgl. BVerwG a.a.O. Rn. 3 ff.). Ein Überdenken im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO scheidet in Bayern bereits deswegen aus, weil das Landesjustizprüfungsamt bei dem Bayerischen Staatsministerium der Justiz – also einer obersten Landesbehörde im Sinne des § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO – angesiedelt ist, sodass es für die Klageerhebung keines Widerspruchsverfahrens bedarf (vgl. BayVGH, U.v. 9.4.1997 – 7 B 95.1797 – BeckRS 1997, 19380; nicht auf diese bayerische Besonderheit eingehend BVerwG, B.v. 18.1.2022 – 6 B 21/21 – NJW 2022, 1115 Rn. 26). Für den Fall des Nichtbestehens der schriftlichen Prüfung sieht § 14 Abs. 3 JAPO vor, dass Einwendungen gegen die Bewertung der schriftlichen Prüfungsarbeiten binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Gesamtnote der schriftlichen Prüfung beim Landesjustizprüfungsamt geltend zu machen und binnen zwei Monaten nach deren Bekanntgabe konkret und nachvollziehbar schriftlich zu begründen sind. Die hieraus folgende Parallelität von verwaltungsinternem Kontrollverfahren und gerichtlichem Verfahren ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden (BVerwG, B.v. 9.8.2012 – 6 B 19/12 – juris Rn. 6). Das Klageverfahren ist nach § 94 VwGO auf entsprechenden Antrag des Prüflings auszusetzen, solange die Prüfungsbewertung in dem Verfahren nach § 14 JAPO überdacht wird (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – NVwZ 1993, 681; BayVGH, B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744 Rn. 18).
57
Bei dem Überdenkungsverfahren handelt es sich um ein bloßes – wenn auch formalisiertes – Gegenvorstellungsrecht (BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257; B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744). Dies ergibt sich auch aus § 14 Abs. 5 JAPO, der die Regelungen zum Nachprüfungsverfahren dahingehend abschließt, dass § 74 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwGO – also die Vorschrift zur Klagefrist im Verwaltungsprozess – unberührt bleibt. Hierdurch kommt zum Ausdruck, dass das Nachprüfungsverfahren nicht den Eintritt der Bestandskraft des Prüfungsbescheids abwendet, sondern dass hierzu fristgemäß Klage zu erheben ist (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257). Materiellrechtlich stellt sich das Nachprüfungsverfahren als Antrag dar, die ergangene Prüfungsentscheidung nach Art. 48 bzw. 49 Abs. 1 BayVwVfG aufzuheben (BayVGH B.v. 8.2.2012 – 7 BV 11.2480 – BeckRS 2012, 50744), wobei ein entsprechender, das frühere Prüfungsergebnis abändernder Bescheid lediglich dann ergeht, sofern das Nachprüfungsverfahren tatsächlich eine geänderte (Gesamt-)Bewertung ergeben hat (vgl. BayVGH, U.v. 4.6.2002 – 7 B 01.499 – NVwZ-RR 2003, 257).
58
Anerkannt ist, dass mit Blick auf das Überdenkungsverfahren grundsätzlich kein gerichtlicher Rechtsschutz besteht (vgl. zum Ganzen Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022 Rn. 799). Dies entspricht vorliegend auch der Rechtsnatur des Überdenkungsverfahrens als formalisierter Gegenvorstellung. Als Ausnahmen von dem Grundsatz – in denen das Nachprüfungsverfahren also ausnahmsweise justiziabel ist – sind Fallgestaltungen anerkannt, in denen sich die Prüfungsbehörde weigert, überhaupt ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren durchzuführen (BVerwG, B.v. 9. 8.2012 − 6 B 19/12 – NVwZ 2013, 83 Rn. 10) oder nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Fallgestaltungen, in denen bei der Ausgestaltung des internen Kontrollverfahrens grundlegende Anforderungen missachtet werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der Zweck des Kontrollverfahrens nicht erreicht wird (BVerwG, B.v. 18.1.2022 – 6 B 21/21 – NJW 2022, 1115 Rn. 15; BayVGH, U.v. 23.08.2021 – 7 B 21.1412 – BeckRS 2021, 25035; dies noch offenlassend BVerwG, B.v. 9. 8.2012 − 6 B 19/12 – NVwZ 2013, 83 Rn. 10).
59
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Ablehnung des Beklagten, das Nachprüfungsverfahren durchzuführen, vorliegend keinem gerichtlichen Rechtsschutz zugänglich. Entsprechend besitzt die Klägerin keinen klagbaren Anspruch auf (erstmalige) Durchführung des Nachprüfungsverfahrens. Ausnahmen zu dem dargestellten Grundsatz liegen nicht vor. Zum einen hat sich der Beklagte im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht geweigert, das Nachprüfungsverfahren überhaupt durchzuführen (aa). Zum anderen liegt auch keine Missachtung grundlegender Anforderungen mit Blick auf die Ausgestaltung des internen Kontrollverfahrens vor, auch nicht mit Blick auf die verspätet erfolgte Akteneinsicht (bb).
60
aa) Der Beklagte hat sich nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geweigert, ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren überhaupt durchzuführen. Weder ergibt sich dies mit Blick auf die Vereinbarkeit der Begründungsfrist mit höherrangigem Recht (1) noch hat sich der Beklagte sonst geweigert, überhaupt das Nachprüfungsverfahren durchzuführen (2).
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(1) Dass der Beklagte sich überhaupt geweigert hätte, ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen, ergibt sich nicht etwa daraus, dass die zweimonatige Begründungsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO mit höherrangigem Recht nicht vereinbar wäre. Zwar könnte grundsätzlich der Frage nachgegangen werden, ob ein Nachprüfungsverfahren überhaupt durchgeführt ist, wenn dessen konkrete Ausgestaltung bzw. Formalisierung gegen höherrangiges Recht verstieße. So liegt der Fall hier aber nicht. Vielmehr ist die Begründungsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO mit höherrangigem Recht vereinbar.
62
Entgegen dem Vorbringen der Klägerseite stehen der zweimonatigen Begründungsfrist weder Art. 12 Abs. 1 GG noch Art. 19 Abs. 4 GG entgegen, weil der Lauf der Begründungsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO an den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Gesamtnote der schriftlichen Prüfung anknüpft, nicht aber an den Zeitpunkt der Gewährung von Akteneinsicht. Insoweit liegen keine unverhältnismäßigen Eingriffe in die genannten Grundrechte vor, weil die rechtfertigende Regelung des § 14 Abs. 3 JAPO im ersten Schritt geeignet ist, die Anforderung an das Nachprüfungsverfahren sicherzustellen, ein möglichst zeitnahes Überdenken der Prüfer zu ermöglichen, um auf diese Weise einen möglichst wirkungsvollen Schutz der Prüflinge in ihren genannten Grundrechten zu gewährleisten (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – NVwZ 1993, 681, 684). Denn mit Hilfe der zweimonatigen Begründungsfrist ist sichergestellt, dass den Prüfern die substantiiert begründeten Einwendungen der Prüflinge zeitnah vorgelegt werden können. Auch sind keine milderen, vergleichbar wirksamen Mittel ersichtlich. So würde sich der Zeitablauf bis zum Überdenken durch die Prüfer verlängern, wollte man eine längere Begründungsfrist gewähren oder den Fristlauf erst im Zeitpunkt der Gewährung von Akteneinsicht beginnen lassen. Dies ergibt sich im letzteren Fall bereits daraus, dass es Prüflinge auf diese Weise in der Hand hätten, das Ende der Begründungsfrist mit Hilfe des von ihnen weitgehend frei wählbaren Zeitpunkts zu steuern, in dem sie ggf. Akteneinsicht beantragen. Schließlich stellt sich die Begründungsfrist mit Blick auf den genannten Zweck auch angemessen dar. Zwar verkürzt sich – wie vorliegend – in Fällen verspätet gewährter Akteneinsicht faktisch die Begründungsfrist. Dem können aber, wie bei jeder Notfrist, die unverschuldet nicht eingehalten werden kann, jedenfalls anwaltlich vertretene Prüflinge hinreichend effektiv durch Beantragung der Wiedereinsetzung in die ggf. versäumte Frist begegnen (Art. 32 BayVwVfG). Sofern im Einzelfall der zweiwöchige Zeitraum zur Nachholung der Begründung gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG nicht ausreichen sollte, wäre zudem Wiedereinsetzung in die (sodann versäumte) Wiedereinsetzungsfrist möglich (vgl. mit anderem Anwendungsbeispiel Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 166 Rn. 179).
63
Auch verstößt § 14 Abs. 3 JAPO nicht gegen sonstiges Bundesrecht, insbesondere nicht gegen § 74 VwGO, sodass auch Art. 31 GG nicht einschlägig ist. Zwar trifft es mit der Argumentation der Klägerseite zu, dass das Bundesrecht mit Blick auf die Klageerhebung nach § 74 VwGO allein eine Frist zur Erhebung der Klage vorsieht und die VwGO nicht zwingend eine Klagebegründung verlangt (auch nicht in § 82 Abs. 1 Satz 3 VwGO, vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 82 Rn. 2). Entsprechend sieht die VwGO auch keine (zwingende) Frist zur Klagebegründung vor. Hieraus folgt allerdings nicht, dass das Begründungserfordernis nach § 14 Abs. 3 JAPO gegen § 74 VwGO verstößt. Denn ein Verbot von Begründungsfristen in (landesrechtlich) formalisierten Gegenvorstellungsverfahren kann § 74 VwGO schon deswegen nicht entnommen werden, weil dem bloßen Fehlen einer Begründungsfrist dort kein Erklärungswert dahingehend zukommt, dass solche Fristen generell unzulässig wären. Dies läge auch deswegen fern, weil gänzlich unterschiedliche Regelungsgegenstände betroffen sind. Während § 74 VwGO verwaltungsgerichtliches Prozessrecht regelt, betriff § 14 Abs. 3 JAPO ein formalisiertes Gegenvorstellungsrecht. Entsprechend werden auch unterschiedliche Zwecke verfolgt. Die zweimonatige Begründungsfrist soll – wie ausgeführt – mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG ein möglichst zeitnahes Überdenken der Prüfer auf Grundlage substantiierter Einwendungen ermöglichen, wobei ein solches Überdenken oftmals in besonderer Weise die möglichst frische Erinnerung der Prüfer an das Prüfungsgeschehen voraussetzt, etwa hinsichtlich der Einordnung der Leistungen des Prüflings in ein Bewertungssystem, auch im Vergleich zu den Leistungen anderer Prüflinge. Zudem dient die Zweimonatsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO auch dazu, dass das Überdenkungsverfahren zügig abgeschlossen werden kann, zumal im Fall der Klageerhebung eine gerichtliche Prüfung erst nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens erfolgt. All diese Besonderheiten sind auf die allgemeine Regelung der Klagefrist nach § 74 VwGO bzw. auf das Fehlen einer zwingenden Klagebegründungsfrist nicht übertragbar.
64
(2) Der Beklagte hat sich auch nicht sonst geweigert, überhaupt ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen. So hat der Beklagte vorliegend nicht etwa generell in Frage gestellt, dass der Klägerin die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens zusteht. Vielmehr hat er sich auf den Standpunkt gestellt, dass mangels Einhaltung der Begründungsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO die Voraussetzungen für die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens nicht vorliegen. Hierin liegt aber gerade keine (grundlose) Weigerung, überhaupt ein Nachprüfungsverfahren durchzuführen. Vielmehr unterliegt der Beklagte als Träger öffentlicher Gewalt dem Vorrang des Gesetzes, sodass er alle Rechtsnormen – soweit nicht offensichtlich unwirksam – zu beachten hat (vgl. Sommermann in von Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 20 Rn. 271). Hierunter fällt auch die Ablehnung der Durchführung des Nachprüfungsverfahrens, sofern – wie hier unstreitig – die Begründungsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO nicht eingehalten ist. Insoweit räumt § 14 Abs. 3 JAPO auch kein Ermessen ein.
65
bb) Auch liegt hier keine Missachtung grundlegender Anforderungen mit Blick auf die Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens vor, sodass dessen Zweck nicht erreicht würde. Denn letztlich liegt ein Fristversäumnis in Gestalt der Nichteinhaltung der zweimonatigen Begründungsfrist vor, obwohl es der anwaltlich vertretenen Klägerin ohne weiteres mit Hilfe eines oder ggf. auch wiederholter Wiedereinsetzungsanträge möglich gewesen wäre, ihren Nachprüfungsantrag in angemessener Zeit zu begründen. Damit sind keine grundlegenden Anforderungen an die Ausgestaltung des Überdenkungsverfahrens berührt.
66
Festzuhalten ist allerdings, dass den Bevollmächtigten der Klägerin trotz Eingangs des anwaltlichen Akteneinsichtsgesuchs bereits am 11. Januar 2019 verspätet erst nach über fünf Wochen, genauer am 18. Februar 2019, Akteneinsicht gewährt wurde. Soweit die Beklagtenseite ausführt, sie erreiche nach der Notenbekanntgabe eine Vielzahl von Akteneinsichtsgesuchen, liegt es an ihr, auch mit Blick auf den erörterten Zweck der Zweimonatsfrist insoweit Vorsorge zu treffen, dass Akteneinsichtsanträge in angemessener Zeit bearbeitet werden können. Auch muss sich die Klägerin nicht darauf verweisen lassen, sie hätte selbst ihre korrigierten Klausuren bzw. die Voten bei dem Termin zur Einsichtnahme etwa mit Hilfe ihres Mobiltelefons fotografieren können. Denn der Klägerin steht es frei, sich anwaltlich vertreten zu lassen, wobei sie damit rechnen durfte, dass ein Akteneinsichtsgesuch ihrer Bevollmächtigten in angemessener Zeit bearbeitet wird.
67
Dennoch liegt keine Missachtung grundlegender Anforderungen an die Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens vor. Denn der anwaltlich vertretenen Klägerin wäre es ohne weiteres möglich gewesen, nach Akteneinsicht eine angemessene Frist zur Begründung ihrer Einwendungen zu erwirken. Statt die Frist aus § 14 Abs. 3 JAPO verstreichen zu lassen, hätte es der Klägerin offen gestanden, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen. Dies ist allerdings unstreitig nicht geschehen, auch nicht, nachdem der Beklagte der Klägerseite mit Schreiben vom 26. April 2019 rechtliches Gehör zur der beabsichtigten Zurückweisung des Nachprüfungsantrags gewährt hatte. Auch ist keine Wiedereinsetzung in die versäumte Begründungsfrist beantragt worden, nachdem der Beklagte im Rahmen seines Ablehnungsschreibens vom 14. Mai 2019 die Frage der Wiedereinsetzung ausdrücklich thematisiert und ausgeführt hatte, es seien keine Gründe glaubhaft gemacht, welche die Fristversäumnis entschuldigten. Hinzu kommt, dass der Klägerin auch ohne Antrag auf Fristverlängerung oder Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom Tag der Akteneinsicht am 18. Februar 2019 bis zum Ablauf der Zweimonatsfrist am 5. März 2019 ein Zeitraum von immerhin 15 Tagen zur Verfügung stand, um ihre Einwendungen zu begründen. Hierbei handelt es sich um einen Zeitraum, in dem die Begründung von Einwendungen jedenfalls möglich erscheint. Da die Klägerin bereits im Zeitpunkt ihres Nachprüfungsantrags anwaltlich vertreten war, bestand auch kein zeitlicher Aufwand mehr, einen Rechtsanwalt zu beauftragen und zu informieren. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Begründung des Nachprüfungsantrags hier am 11. April 2019 bei dem Landgericht … eingegangen ist, also über sieben Wochen nach Gewährung von Akteneinsicht am 18. Februar 2019. Bei einer solchen Bearbeitungszeit von über sieben Wochen ab Akteneinsicht wäre die hier am 5. März 2019 ablaufende Zweimonatsfrist aus § 14 Abs. 3 JAPO auch dann überschritten gewesen, hätte der Beklagte nach Eingang des Akteneinsichtsgesuchs am Freitag, 11. Januar 2019, bereits am darauffolgenden Montag Akteneinsicht gewährt.
68
Schließlich liegt auch in dem Umstand, dass der Beklagte keine Wiedereinsetzung von Amts wegen gewährt hat, kein Verstoß gegen grundlegende Anforderungen der Ausgestaltung des Nachprüfungsverfahrens. Denn dem Beklagten war eine Wiedereinsetzung von Amts wegen rechtlich nicht möglich. Zwar sieht Art. 32 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG auf der Rechtsfolgenseite vor, dass Wiedereinsetzung auch ohne Antrag – mithin von Amts wegen – gewährt werden kann. Voraussetzung einer solchen Ermessensausübung ist jedoch, dass der Behörde – etwa aus den Akten – die Gründe für die Wiedereinsetzung sowie darüber hinaus bekannt ist, dass die versäumte Handlung innerhalb der Zweiwochenfrist aus Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nachgeholt wurde (vgl. Kallerhoff/Stamm in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 32 Rn. 39). Daran fehlt es hier. So musste für den Beklagten damals wie heute unklar sein, ob die Begründung des Nachprüfungsantrags und damit die Nachholung der versäumten Handlung innerhalb der Zweiwochenfrist aus Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG erfolgt ist. Denn dies hätte Kenntnis über den Beginn des Fristlaufs, also den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses im Sinne von Art. 32 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG vorausgesetzt. Jedoch konnte und kann der Beklagte hier nicht wissen, wann ggf. die Arbeitsüberlastung der Bevollmächtigten der Klägerin weggefallen war und ihnen wieder genügend Zeit für die Begründung des Nachprüfungsantrags zur Verfügung stand. Dies gilt umso mehr, als in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin ausweislich der im Nachprüfungsverfahren bereits mit Schriftsatz vom 9. Januar 2019 vorgelegten Vollmacht zwei Rechtsanwälte beauftragt hatte. Zudem konnte und kann der Beklagte mit Blick auf den Grund der Wiedereinsetzung nicht mit hinreichender Sicherheit wissen, inwieweit es ggf. beiden mandatierten Rechtsanwälten in den verbleibenden 15 Tagen nach Akteneinsicht aufgrund anderer beruflicher Aufgaben oder sonstiger Umstände ohne Verschulden unmöglich oder unzumutbar war, den Nachprüfungsantrag zu begründen. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte zunächst nicht wissen konnte, in wie vielen Klausuren und dort in welchem Umfang Rügen erhoben werden sollten.
69
Nach alldem liegt weder ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall noch eine Fallgestaltung vor, in der der Zugang zum Nachprüfungsverfahren in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zur rechtfertigender Weise erschwert worden wäre. Soweit die Klägerseite das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Dezember 1975 – 2 BvR 854/75 (NJW 1976, 513) zitiert, war dort – im Unterschied zum vorliegenden Fall – tatsächlich Wiedereinsetzung beantragt, jedoch waren an die Wiedereinsetzungsvoraussetzungen zu strenge Anforderungen gestellt. Vorliegend stand der Klägerin aber ein nicht schlechthin ungeeigneter Zeitraum zur Begründung ihres Nachprüfungsantrags von 15 Tagen und darüber hinaus die Möglichkeit des Wiedereinsetzungsrechts zur Verfügung.
70
2. Die Klage ist auch unbegründet, soweit die Klägerin die Neubewertung ihrer Klausuren mit anschließender Neuverbescheidung hinsichtlich des Ergebnisses der schriftlichen Prüfung ihres Ersten Juristischen Staatsexamens begehrt. Auch insoweit besteht hier kein Anspruch. Die mit dem angegriffenen Bescheid ausgesprochenen Rechtsfolgen ergeben sich aus § 31 Abs. 2 Satz 1 JAPO und § 36 Abs. 1 JAPO.
71
In Prüfungsangelegenheiten sind die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Bewertungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Bewertungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums (vgl. zum Ganzen Dieterich in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 804).
72
a) Soweit die Klägerin Einwendungen gegen das Prüfungsverfahren erhebt, bleibt ihre Klage ohne Erfolg.
73
aa) Im Grundsatz ist anerkannt, dass Prüfungsergebnisse keinen Bestand haben können, sofern sie verfahrensfehlerhaft erhoben wurden (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 127). In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist insbesondere anerkannt, dass Prüfer ihre Bewertungen jeweils unabhängig und selbstständig abzugeben haben (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 320).
74
bb) Soweit die Klägerin Verfahrensrügen erhoben hat, greifen diese im Ergebnis nicht durch.
75
(1) Die Kammer hegt keine Zweifel, dass alle Bewertungen der von der Klägerin angefertigten Prüfungsarbeiten jeweils unabhängig und selbstständig von den jeweiligen Erst- und Zweitprüfern abgegeben wurden. Insbesondere hat der Beklagte glaubhaft sinngemäß ausgeführt, Zweitprüfern werde von seiner Seite in keiner Weise nahegelegt, in ihren Voten keine inhaltlichen Ausführungen zu machen, sondern sich der Bewertung der Erstprüfer anzuschließen. Anderweitige Anhaltspunkte mit Blick auf die Frage der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit der Bewertung ergeben sich zur Überzeugung der Kammer auch nicht mit Blick auf die klägerseits aufgeworfene Frage, inwieweit die Prüfer ihre Voten bzw. Bewertungen unterschrieben oder aber lediglich eine Paraphe verwendet haben. Denn auf Grundlage der allgemeinen Abgrenzung zwischen Unterschrift und Paraphe (a) haben alle Erst- und Zweitprüfer der angegriffenen Klausuren ihre Voten bzw. Bewertungen unterzeichnet (b). Im Übrigen läge weder ein Verfahrensfehler vor noch bestünden Zweifel an der unabhängigen und selbstständigen Bewertung, soweit verwendete Schriftzüge lediglich als Paraphen zu charakterisieren wären (c).
76
(a) In Abgrenzung zur bloßen Paraphe ist ein Schriftzug als Unterschrift im Sinne von § 126 BGB ausreichend, der individuellen Charakter aufweist und einem Dritten, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, ermöglicht, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauszulesen, der Unterzeichnende also erkennbar bleibt (BGH, U.v. 10.2.2021 – XII ZR 26/20 – NJW-RR 2021, 801 Rn. 22). Die Unterschrift muss zwar nicht unbedingt lesbar sein, mindestens einzelne Buchstaben müssen aber – wenn auch nur andeutungsweise – zu erkennen sein, weil es sonst an dem Merkmal einer Schrift fehlt. Anzulegen ist ein großzügiger Maßstab, wenn im Übrigen an der Autorenschaft und der Absicht, eine volle Unterschrift zu leisten, keine Zweifel bestehen (so zum Ganzen BGH a.a.O.). Dagegen liegt in einem Schriftzug, der als bewusste und gewollte Namensabkürzung erscheint, keine Unterschrift, sondern lediglich eine Paraphe bzw. ein Handzeichen (vgl. BGH a.a.O.). Unterschriften auf der einen und Handzeichen bzw. Paraphen auf der anderen Seite sind nach dem äußeren Erscheinungsbild voneinander abzugrenzen, wobei auch ein stark vereinfachter, nicht lesbarer Namenszug eine Unterschrift sein kann, wenn der Unterzeichner sonst gleich oder ähnlich unterschreibt (vgl. BGH a.a.O.).
77
(b) Danach sind vorliegend alle in Frage stehenden Voten im Rechtssinne unterzeichnet. So sind bei Aufgabe 1 bei der Unterschrift des Prüfers … ohne weiteres – als Namensbestandteil – der Doktortitel und jedenfalls das „*“ des Nachnamens erkennbar. Genauso ist bei der Unterschrift des Zweitprüfers Richter am … … – insoweit hatte der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2020 Name und Dienstbezeichnung des Prüfers mitgeteilt – jedenfalls das „*“ sowie das „*“ als Buchstaben des Nachnamens erkennbar. Bei Aufgabe 2 hat der Prüfer … vollständig leserlich unterzeichnet. Auch aus der Unterschrift des Zweitprüfers … sind jedenfalls die Buchstaben „*“ und „*“ erkennbar. Mit Blick auf Aufgabe 3 liegt hinsichtlich des Zweitprüfers … ein lesbarer Schriftzug bestehend aus Vor- und Nachnamen, also eine Unterschrift vor. Auch aus der Unterschrift des Erstprüfers … ist jedenfalls das „*“, das „*“ und das „*“ erkennbar. Bei Aufgabe 4 liegen betreffend den Erstprüfer … und den Zweitprüfer … jeweils lesbare Unterschriften mit dem gesamten Nachnamen vor. Auch hinsichtlich Aufgabe 5 ist bei der Unterschrift des Prüfers … jedenfalls das „*“, das „*“ und das „*“ erkennbar. Genauso sind aus der Unterschrift des Zweitprüfers … zumindest das „*“ und das „*“ noch erkennbar. Schließlich liegen auch bei Aufgabe 6 betreffend Erst- und Zweitprüfer jeweils erkennbar Schriftzüge betreffend zumindest weite Teile des Nachnamens und damit keine bewussten und gewollten Namensabkürzungen vor. Einzelne Buchstaben sind noch erkennbar, insbesondere beim Prüfer … zumindest andeutungsweise ein „*“ und ein „*“. Im Übrigen spricht bei allen Unterschriften gegen die Annahme bewusster und gewollter Handzeichen bzw. Paraphen, dass auf allen Klausurdeckblättern ausweislich des Formulars ausdrücklich eine „Unterschrift“ verlangt wird.
78
(c) Im Übrigen läge weder ein Verfahrensfehler vor noch ergäben sich zur Überzeugung der Kammer Zweifel an der unabhängigen und selbstständigen Bewertung durch die Prüfer, soweit keine Unterschriften, sondern lediglich Paraphen bzw. Handzeichen vorlägen. Denn auch im Fall der Charakterisierung der hier in Frage stehenden Schriftzüge als Paraphen wären diese jedenfalls hinreichend individuell, sodass keine Zweifel aufkämen, wonach die Bewertungen nicht von den jeweiligen Prüfern abgegeben worden sein könnten. Auch läge in dem Umstand, dass allein eine Paraphe und keine Unterschrift vorläge, kein Verfahrensfehler. Zwar bedarf es bei schriftlichen bzw. elektronischen Verwaltungsakten mit Blick auf die Garantiefunktion der Unterschrift bzw. der Namenswiedergabe des rechtlich bzw. tatsächlich Verantwortlichen, wobei bloße Paraphen nicht ausreichen (vgl. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, 9. Aufl. 2018, § 37 Rn. 100). Dagegen bedarf es im Rahmen der Vorbereitung eines Verwaltungsakts gerade keiner Unterschrift. Vielmehr kann im Verwaltungsverfahren auch durch Paraphen abgezeichnet werden (vgl. Stelkens a.a.O. mit Fn. 308). Danach bedürfte es auch vorliegend nicht zwingend einer Unterschrift der Prüfer, da mit Blick auf die Bewertungen der Prüfer allein die Vorbereitung eines Verwaltungsakts in Gestalt des Bescheids über das Ergebnis der schriftlichen Prüfung in Frage steht. Erst letzterer bedarf einer Unterschrift oder Namenswiedergabe (wohl a.A. ohne nähere Begründung VG München, U.v. 24.9.2007 – M 3 K 07.1919 – BeckRS 2007, 36881).
79
(2) Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass alle Erst- und Zweitprüfer die persönlichen Anforderungen an die Prüfertätigkeit im Ersten Juristischen Staatsexamen nach § 21 Abs. 2 bis 4 JAPO erfüllt haben. Der Beklagte hat glaubhaft erklärt, sämtliche bei der Klägerin eingesetzten Prüfer seien ordnungsgemäß bestellt und entweder Professoren oder Juniorprofessoren oder besäßen die Befähigung zum Richteramt. Im Übrigen haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, die dem entgegenstünden. Schließlich ist keine verfassungskonforme Reduktion von § 21 JAPO dahingehend geboten, dass Prüfer im Sinne des Wortlauts der Vorschrift mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG und/oder Art. 3 Abs. 1 GG ausscheiden, die derzeit etwa als Praktiker in einem klausurfremden Rechtsgebiet tätig sind. Denn zur Überzeugung der Kammer können sich Prüfer im Sinne von § 21 JAPO aufgrund ihrer Qualifikation in vollem Umfang zumindest in Aufgaben des Ersten Juristischen Staatsexamens eindenken, auch wenn sie aktuell in einem anderen Rechtsgebiet tätig sind. Aus diesem Grund bestehen entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch keine Bedenken, dass der Erstkorrektor von Aufgabe 2, Staatsanwalt … …, zivilrechtliche Inhalte der Aufgabe bewertet hat. Auch mit Blick auf die konkrete Bewertungsbegründung des Prüfers sind – worauf noch genauer eingegangen wird – keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für das Vorbringen der Klägerseite sprechen könnten.
80
(3) An der fachlichen Eignung des Erstprüfers von Aufgabe 4 bestehen keine Bedenken. Soweit die Klägerin geltend macht, der Prüfer sei in der Theorie des Ersten Juristischen Staatsexamens offenbar nicht mehr fachkundig, da er anderenfalls bewertet und nicht lediglich rechtswidrig schwammige Behauptungen aneinandergereiht hätte, geht ihre Argumentation von falschen Voraussetzungen aus. So hat der in Frage stehende Prüfer – worauf noch ausführlicher eingegangen wird – jedenfalls durch ausdrückliche Bezugnahme auf seine Randbemerkungen durchaus konkret deutlich gemacht, inwieweit er die klägerische Bearbeitung kritisiert.
81
(4) Entgegen dem Vorbringen der Klägerin kann allein aus dem Umstand, dass der Zweitkorrektor bei Aufgabe 1 sich eines Stempels mit dem Schriftzug „Einverstanden“ bedient hat, um sein Einverständnis mit der Bewertungsbegründung des Erstkorrektors auszudrücken, nicht darauf geschlossen werden, der Prüfer sei voreingenommen bzw. befangen gewesen. Eine entsprechende Voreingenommenheit oder Befangenheit würde letztlich voraussetzen, dass der Prüfer nicht offen gewesen wäre für eine Bewertung, die an den tatsächlichen Prüfungsleistungen orientiert ist, sondern dass er von vornherein ohne ausreichend sorgfältige Ermittlung der Fähigkeiten der Klägerin auf eine bestimmte, ggf. negative Bewertung bzw. dieselbe Bewertung des Erstkorrektors festgelegt gewesen wäre (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 339). Zwar lässt der Umstand, dass sich der Zweitprüfer soweit ersichtlich einen Stempel mit dem Schriftzug „Einverstanden“ hat anfertigen lassen, darauf schließen, dass ein Einverständnis mit den Ausführungen des Erstkorrektors hinreichend häufig vorkommen wird. Denn sonst würde sich die Anfertigung eines Stempels kaum „lohnen“. Allerdings lässt der Umstand nicht den Schluss zu, der Erstkorrektor habe den Stempel im Rahmen seiner Prüfertätigkeit unabhängig oder gar entgegen seiner jeweiligen Überzeugung davon eingesetzt, ob er tatsächlich mit Ausführungen und Bewertung des Erstkorrektors einverstanden gewesen ist. Dies gilt umso mehr, als der in Frage stehende Zweitprüfer offenbar generell gerne mit Stempeln arbeitet, sich also die Nutzung des Stempels „Einverstanden“ auch als Ausdruck dieser bevorzugten Arbeitsweise darstellt. So hat der Prüfer auch für die Notenstufe „ausreichend“ auf dem Deckblatt einen Stempel genutzt. In diesem Zusammenhang sind entgegen der Vermutung der Klägerseite auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass etwas oder ggf. was mit der Nutzung des Stempels hätte vertuscht werden sollen.
82
b) Auch liegen keine Defizite hinsichtlich der abgegebenen Bewertungsbegründungen vor.
83
aa) Anerkannt ist, dass die Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten ebenfalls schriftlich durch Bewertungsvermerke oder Randbemerkungen zu begründen ist (vgl. Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 707 f.). Letztere haben regelmäßig für die Gesamtbewertung eine untergeordnete Bedeutung, da sie bei der (ersten) Lektüre der Arbeit angebracht werden und der Vorbereitung der Gesamtwertung dienen. Entsprechend kann im Einzelfall zu prüfen sein, inwieweit der Inhalt der Randbemerkung später tatsächlich in die Gesamtbewertung eingeflossen ist. Letzteres setzt grundsätzlich voraus, dass der Bewertungsvermerk – was zulässig ist – ausdrücklich oder konkludent auf die Randbemerkung Bezug nimmt oder gar inhaltlich auf sie eingeht (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 708, 710). Mit Blick auf Inhalt und Umfang der Bewertungsbegründung ist anerkannt, dass der Prüfling und – für den Fall der Klage – das Gericht die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachvollziehen können müssen, die ihn zu der abschließenden Bewertung veranlasst haben (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 709). Anzugeben ist, ob Fachfragen richtig, vertretbar oder falsch beantwortet wurden (Fischer a.a.O. Rn. 706). Prüfungsspezifische Wertungen, also die Einordnung der Leistung in ein Bewertungssystem aufgrund subjektiver Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen lassen sich dagegen oftmals nur unvollkommen darlegen. Insoweit mögen zwar insbesondere Angaben zum Schwierigkeitsgrad, zur argumentativen Überzeugungskraft und zu Anforderungen an eine „durchschnittliche“ Leistung hilfreich sein, eine Verpflichtung zu entsprechenden Darlegungen besteht allerdings zumindest dann nicht, wenn die Begründung nicht auf einen allgemeinen Schwierigkeitsrahmen gestützt ist (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O.). Auch bedarf es keiner Angabe eines Erwartungshorizonts (Fischer a.a.O. Rn. 710). Genauso wenig besteht ein Gebot der umfassenden Offenlegung, Abwägung oder Differenzierung, wonach Prüfer eine ausdrückliche Gewichtung und Abwägung sämtlicher positiver und negativer Prüfungsleistungen oder eine Gesamtabwägung oder Einzeldarstellung hinsichtlich der Zuordnung der Prüfungsleistungen zu einer bestimmten Notenstufe und einer bestimmten Einzelpunktzahl darstellen müssten. Maßstab mit Blick auf ein etwaiges Eingehen auf die Gewichtung unter Abwägung positiver und negativer Aspekte der Arbeit ist auch hier, dass Prüfling und Gericht die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachvollziehen können müssen. Insoweit muss zwar nicht in den Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, wie der Prüfer die beanstandeten Ausführungen des Prüflings interpretiert hat, auf welche fachlich-wissenschaftliche Annahme seine Bewertung beruht und welche allgemeinen oder besonderen Bewertungsmaßstäbe er zugrunde gelegt hat. Im Übrigen ist nicht der Umfang der Begründung maßgeblich, sondern ob diese inhaltlich die Bewertung rechtfertigen kann oder aber ein Bewertungsdefizit erkennen lässt. Kurze und verständliche Begründungen sind gegenüber umfangreichen, ausufernden Darlegungen oftmals besser geeignet (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 709). Die Bewertungsbegründung muss weder Hinweise darauf enthalten, wie die Bearbeitung richtigerweise hätte erfolgen müssen, noch die richtige Falllösung darstellen (BayVGH, B.v. 21.7.2021 – 7 ZB 20.922 – BeckRS 2021, 22564 Rn. 35, 41).
84
Form und inhaltliche Ausgestaltung der wertenden Äußerungen in Voten oder Randbemerkungen sind grundsätzlich nicht an bestimmte Regeln gebunden oder sonst standardisiert (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 607). Schließich bestehen nach zutreffender Ansicht keine gesteigerten Begründungsanforderungen für nicht mehr ausreichende Leistungen oder geringere Anforderungen an ausreichende oder bessere Leistungen (Fischer a.a.O. Rn. 710). So kann, je nachdem, wie die Bewertungen der übrigen Arbeiten ausfallen, etwa auch die Frage, ob eine juristische Prüfungsarbeit mit 7 oder 8 Punkten zu bewerten ist, über Bestehen oder Nichtbestehen der Gesamtprüfung entscheiden (strukturell mit diesem Argument OVG Münster, B.v. 14.3.2007 – 14 A 2447/06 – BeckRS 2007, 22486; vgl. Fischer a.a.O. Rn. 710 Fn. 65). Offenbleiben kann in diesem Zusammenhang, ob mit der Argumentation der Klägerin Prüfungsbewertungen im Bereich des Nichtbestehens bezogen auf eine einzige Aufgabe des Staatsexamens einen intensiveren Grundrechtseingriff darstellen als Bewertungen im Bereich des Bestehens, auch sofern – wie hier – eine Gesamtnote als Durchschnitt der Bewertungen mehrerer Aufgaben für das Bestehen bzw. Nichtbestehen ausschlaggebend ist. Denn auch mit Blick auf eine einzelne Klausur, die im Bereich des Nichtbestehens bewertet wird, sind die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung des (ggf. intensiveren) Grundrechtseingriffs gewahrt, solange der Prüfling durch die Bewertung in die Lage versetzt wird, die grundlegenden Gedankengänge des Prüfers nachvollziehen zu können. Denn auf dieser Grundlage können Prüflinge etwaig fehlerhaften Bewertungen effektiv begegnen. Mehr ist auch verfassungsrechtlich nicht gefordert.
85
All dies gilt auch für die Begründungspflicht des Zweitprüfers. Allerdings muss er die Begründung des Erstgutachters nicht mit anderen Worten wiederholen, sofern er mit dieser einverstanden ist. Ausreichend ist vielmehr eine kurze Bemerkung, er sei einverstanden. Sofern der Zweitprüfer dagegen auf eine unzureichende Begründung des Erstprüfers lediglich Bezug nimmt, ist diese Begründung des Zweitprüfers – gerade aufgrund der Bezugnahme – genauso unzureichend. Sofern der Zweitprüfer in wesentlichen Punkten von dem Erstprüfer abweicht, muss er dies grundsätzlich besonders deutlich darstellen und die Folgen für die Notenvergabe begründen (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 711). Dies gilt allerdings nicht, sofern der Zweitprüfer die Bewertung des Erstprüfers in Bereichen inhaltlich in vollem Umfang teilt, die der vollen Kontrolle des Gerichts unterliegen, jedoch allein im Rahmen seines Bewertungsspielraums zu einer anderen Leistungseinschätzung gelangt (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.1998 – 7 ZB 98.2422 – BeckRS 1998, 24782). In diesem Fall kann sich der Prüfer grundsätzlich etwa auf die knappe Ausführung beschränken, er sehe die Leistungen des Prüflings in einem schlechteren Licht (BayVGH a.a.O.). Weitere Ausführungen sind zumindest nicht zwingend geboten, da diese ohnehin der gerichtlichen Kontrolle entzogen wären (vgl. BayVGH a.a.O.). Ausnahmen sollen allenfalls gelten, wenn die Bewertung des Zweitprüfers so aus dem Rahmen fällt, dass fraglich wird, ob sie Fachkundigen haltbar erscheint (BayVGH a.a.O. m.w.N.).
86
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind keine Bewertungsdefizite ersichtlich, soweit die Klägerin geltend gemacht hat, im Rahmen der Bewertungsbegründungen fehle es an der Angabe eines Schwierigkeitsgrads der Aufgabe, an einem Erwartungshorizont, an der Benennung von Schwerpunkten oder an Angaben zur Gewichtung von positiven und ggf. negativen Aspekten ihrer Prüfungsarbeiten. Soweit die Prüfer von Aufgabe 3 ausdrücklich sowie ggf. konkludent die Prüfer von Aufgabe 4 auf den jeweiligen Schwierigkeitsgrad der Aufgabe abstellen, ist dieser jeweils ausführlich dargestellt. Soweit die Klägerin geltend macht, nach dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. April 1999 – 7 ZB 99.440 (BeckRS 1999, 26138) lösten monierte Unvollständigkeiten oder Ungenauigkeiten die Pflicht der Prüfer aus, hinreichend zu verdeutlichen, welche Aspekte die positiven Aspekte der Arbeit entwerteten, trifft dies in dieser Allgemeinheit nicht zu. Denn die zitierte Entscheidung behandelt eine Fallgestaltung, in der der Prüfer in seinem Votum letztlich (auch) auf positive Ansätze der Arbeit hingewiesen, aber dennoch die Note ungenügend – also die Bewertung „eine völlig unbrauchbare Leistung“ – vergeben hatte. In einem solchen Fall bedarf es einer Verdeutlichung, warum sich die Arbeit trotz positiver Ansätze dennoch als „inhaltliches Nichts“, also als völlig unbrauchbare Leistung erweist (vgl. BayVGH a.a.O.). So liegt der Fall hier aber in keiner der gerügten Bewertungen.
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cc) Auch im Übrigen weisen die Bewertungsbegründungen gemessen an den dargestellten Grundsätzen keine Defizite auf. Dabei ist festzuhalten, dass es an dieser Stelle mit Blick auf etwaige Begründungsdefizite allein auf die hinreichende Verständlichkeit der Begründungserwägungen ankommt, nicht dagegen darauf, ob und ggf. inwieweit die in den Begründungen enthaltene Kritik zutrifft.
88
(1) Die Bewertungsbegründung des Erstprüfers von Aufgabe 1 ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin jedenfalls hinsichtlich der grundlegenden Gedankengänge verständlich. Zunächst ist das Votum – wenn auch mit etwas Mühe – lesbar, entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch der zweite Satz („Die Arbeit weist aber weitreichende Lücken und Mängel auf (s. Korrekturschema u. Klausuranmerkungen); verfehlt mit § 278 BGB (S. 11); Teil I B wird nur angerissen.“). Die grundlegenden Gedankengänge sind mit den Ausführungen des Prüfers verständlich, wonach zwar Einzelprobleme mit gewisser Rechtskenntnis zutreffend erkannt würden, die Arbeit allerdings weitreichende Lücken und Mängel aufweise, wobei der Erstprüfer ausdrücklich auf Lösungsvorschlag und Klausuranmerkungen Bezug nimmt sowie zudem den monierten Fehler mit Blick auf § 278 BGB und Teil I B als „nur angerissenen“ hervorhebt. Insoweit werden entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Ausführungen zu Teil I B und nicht zu Teil II kritisiert. Die Prüferkritik, die Arbeit weise weitreichende Lücken und Mängel auf, wird in besonderer Weise konkret durch die Bezugnahme auf den Lösungsvorschlag und die Klausuranmerkungen. Dies gilt insbesondere für Aufgabenteil II, bei dem insbesondere drei Fehlzeichen hinter verschiedenen Gliederungspunkten die Einschätzung des Erstprüfers verdeutlichen, wonach Mängel und Lücken bestünden. Auch die Anmerkungen des Erstprüfers im Korrekturschema sind zum einen lesbar und zum anderen verständlich. So ist hinter den handschriftlich eingefügten Normen – zumal im Gesamtzusammenhang naheliegend – stets die Gesetzesangabe „BGB“ erkennbar. Die klägerseits mit „Winkel“ und „Strich“ beschriebenen Einfügungen stellen sich erkennbar als in Korrekturen weit verbreitete und üblicherweise verwendete Fehlzeichen dar. Auch die Bemerkung „angerissen“ (nicht: „angewiesen“) bei Gliederungspunkt Teil I B ist lesbar, umso mehr im Zusammenhang, da der Erstprüfer in seinem Votum ausführt, „Teil I B“ werde nur angerissen. Auch lässt sich im Gesamtzusammenhang ohne weiteres ersehen, dass Einklammerungen in dem Lösungsvorschlag Normen bzw. Gesichtspunkte kennzeichnen, die die Klägerin in ihrer Bearbeitung nicht hinreichend erwähnt hat. Entsprechend ist auch hinter „§ 1629 I“ auf Seite 1 des Korrekturschemas unter dem Gliederungspunkt A.I.1.a) die Ziffer „3“ eingeklammert – also im Gesamtzusammenhang Satz 3 aus § 1629 Abs. 1 BGB –, weil die Klägerin Satz 3 nicht zitiert habe. Schließlich ist auch nicht zweifelhaft, mit welcher Note der Prüfer die Bearbeitung der Klägerin bewertet hat. Zwar enthält das Votum selbst keine Noten- oder Punkteangabe. Jedoch hat der Erstprüfer ausweislich des Klausurdeckblatts ohne Zweifel die Note „ausreichend“ und 4 Punkte vergeben.
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Nach alldem ergeben sich auch aus dem Umstand keine Begründungsdefizite, dass sich der Zweitprüfer der Bewertung des Erstprüfers mit der Bemerkung „Einverstanden“ angeschlossen hat.
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(2) Auch hinsichtlich Aufgabe 2 liegen keine Begründungsdefizite vor. Jedenfalls sind die grundlegenden Gedankengänge des Erstprüfers, die ihn zu der Bewertung mit 2 Punkten veranlasst haben, in jeder Weise verständlich und nachvollziehbar. Zu Teil I der Aufgabe stellt der Erstprüfer über zehn maschinengeschriebene Zeilen dezidiert Kritikpunkte dar und ordnet diese teilweise als Verständnismängel ein. Dass der Erstprüfer, wie die Klägerin rügt, einleitend allein ihre Anspruchsprüfung schildert, ändert hieran nichts und führt den Leser zudem zu den Kritikpunkten des Prüfers im weiteren Verlauf der klägerischen Bearbeitung. Soweit der Erstprüfer ausführt, unzutreffend sei die Annahme der Klägerin, K falle „unter den Verbraucherschutz gem. § 13 BGB“, ist dies konkret, verständlich und nachprüfbar, sodass es insoweit keiner weiteren Begründung bedarf, zumal Prüfer nicht verpflichtet sind anzugeben, wie die bzw. eine richtige Bearbeitung gelautet hätte. Zudem erläutert auch die korrespondierende, noch konkludent in Bezug genommene Randbemerkung die Kritik des Prüfers. Auch zu Teil II der Aufgabe werden vier Kritikpunkte im Einzelnen über fünf maschinengeschriebene Zeilen dargestellt. Es folgt – gekennzeichnet durch die Überschrift „Gesamtbewertung“ – eine zusammenfassende Erörterung, wonach die Lösung der Klägerin erhebliche Lücken aufweise und wesentliche Rechtsvorschriften nicht gesehen würden. Dabei ist schon ausweislich der unmissverständlichen Überschrift der Charakter dieser Ausführungen als zusammenfassende Gesamtbewertung erkennbar, sodass entgegen dem Vorbringen der Klägerin auch deutlich ist, dass sich die dort thematisierten Lücken bzw. das Übersehen wesentlicher Rechtsvorschriften auf die zuvor erfolgten, dezidierten Ausführungen zu Teil I und II der Aufgabe beziehen.
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Da sich der Zweitprüfer mit „Einverstanden!“ der Bewertung des Erstprüfers angeschlossen hat, sind auch insoweit keine Begründungsdefizite ersichtlich.
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(3) Auch hinsichtlich Aufgabe 3 bestehen keine Begründungsdefizite. Vielmehr geht die Bewertungsbegründung inhaltlich über die Grundgedanken hinaus, die den Erstprüfer zur Bewertung der Bearbeitung mit 6 Punkten veranlasst haben. Insbesondere werden – nach Bewertung des Schwierigkeitsgrads der Aufgabe – positive und negative Aspekte im Einzelnen herausgearbeitet. Auch ist die Begründungspassage „Im Übrigen ist die Prüfung teils oberflächlich und ohne Anbindung an Normen (Begründung des Vorkaufsrechts, Eintritt des Vorkaufsfalls), teils recht knapp (§ 465 BGB) und teils ordentlich (Fristprüfung)“ verständlich. In diesem Zusammenhang trifft die Auffassung der Klägerin nicht zu, wonach sich die in Klammern gesetzten Aspekte zu Vorkaufsrecht und Vorkaufsfall wegen des ohne unmittelbaren Klammerzusatz gebliebenen Worts „oberflächlich“ sprachlich nicht auf die Kritik der Oberflächlichkeit beziehen könnten. Denn zum einen existiert keine grammatikalische oder sonstige sprachliche Regel, dass sich ein Klammersatz nicht insgesamt auf mit der Konjunktion „und“ verbundene Feststellungen beziehen könnte. Zum anderen besteht auch inhaltlich ein Zusammenhang zwischen Oberflächlichkeit und fehlender Normanbindung, sodass hinreichend ersichtlich ist, dass der Prüfer den fraglichen Klammerzusatz auf beide Kritikpunkte bezieht. Auch die Charakterisierung der Ausführungen zu § 465 BGB als „recht knapp“ ist dahingehend verständlich, dass sich der Erstprüfer tiefergehende Ausführungen gewünscht hat. Zudem nimmt das Votum erkennbar auf den beigefügten Lösungsvorschlag Bezug, wenn auch sprachlich unglücklich mit der Bemerkung, der Inhalt der Arbeit ergebe sich aus dem Lösungsschema. Letzteres wiederum ist mit weiteren Randbemerkungen kommentiert. Auch hier sind die von der Klägerin als „Winkel“ beschriebene Kommentierungen als weit verbreitete und üblicherweise verwendete Fehlzeichen erkennbar. Mindestens genauso üblich und verständlich ist die Verwendung der von der Klägerin monierten Haken als Symbol für die Bewertung als „zutreffend“. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist auf Seite 2 des Lösungsvorschlags auch das Wort „aus“ nach „Testament“ und vor „2002“ lesbar, so dass sich auch im Zusammenhang die Korrekturbemerkung „Prüfung bereits bei Testament aus 2002“ ergibt. Soweit der Lösungsvorschlag auf Seite 2 mit „zutreffend, aber knapp“ oder „knapp ohne § 2270 II Alt. 1 BGB“ kommentiert ist, ist dies ebenfalls verständlich und zudem überprüfbar. Denn insoweit kann ohne weiteres der Inhalt des Lösungsvorschlags mit den klägerischen Ausführungen verglichen werden. Unschädlich ist auch, dass der Erstprüfer in seinem Votum keine konkrete Punktzahl angibt, sondern sich auf die Bewertung „ausreichend (4 – 6 Punkte)“ beschränkt. Denn jedenfalls geht aus dem Klausurdeckblatt unmissverständlich hervor, dass der Prüfer 6 Punkte vergeben hat, zudem die Maximalpunktzahl der im Votum festgehaltenen Notenstufe.
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Da sich der Zweitprüfer mit „Einverstanden“ der Bewertung des Erstprüfers angeschlossen hat, sind auch insoweit keine Begründungsdefizite ersichtlich.
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(4) Auch hinsichtlich Aufgabe 4 liegen keine Begründungsdefizite vor. So werden aus dem Votum des Erstprüfers dessen grundlegenden Gedankengänge jedenfalls dadurch konkret deutlich, indem er einleitend ausdrücklich auf seine hinreichend erkennbaren Randbemerkungen in der Bearbeitung der Klägerin Bezug nimmt („Ergänzend zu den Randbemerkungen ist auf Folgendes hinzuweisen:“). Exemplarisch kann insoweit die Kritik des Erstprüfers hinsichtlich Ungenauigkeiten bei der Prüfung von §§ 249, 250 StGB angeführt werden. Insoweit sind in der Arbeit der Klägerin bei dem einleitenden Satz „R könnte sich strafbar gemacht haben, in dem er möglicherweise N überfallen hat.“ die Worte „möglicherweise N überfallen“ unterringelt. Dort ist die Randbemerkungen „klarer, prägnanter“ angebracht. Die Gewaltdefinition der Klägerin kritisiert der Erstprüfer mit der Randbemerkung „gründlicher“. Bei den (allgemeinen) Ausführungen der Klägerin zur Abgrenzung zwischen Raub und Erpressung fordert der Erstprüfer „Fallbezug unmittelbar herausstellen“. Auch im Übrigen finden sich zu der allgemein gehaltenen Kritik im Votum des Erstprüfers jeweils konkrete Kritikpunkte in Gestalt seiner Randbemerkungen. Damit ist das Votum des Erstprüfers samt in Bezug genommener Randbemerkungen entgegen dem Vorbringen der Klägerin weder unkonkret oder austauschbar noch nicht nachvollziehbar.
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Nach alldem sind auch hinsichtlich des Votums des Zweitprüfers, der ausgeführt hat, er sei mit der Erstbewertung einverstanden, keine Begründungsdefizite ersichtlich.
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(5) Auch aus der Bewertungsbegründung des Erstkorrektors bei Aufgabe 5 werden dessen grundlegende Gedankengänge deutlich, die ihn zu der Bewertung mit 4 Punkten veranlasst haben. So wird die Schwerpunktsetzung zwischen Zulässigkeits- und Begründetheitsteil kritisiert und im Rahmen der Passivlegitimation ein schwerwiegender Fehler gesehen, was jeweils näher ausgeführt ist. Insbesondere kritisiert der Erstprüfer den Zulässigkeitsteil – in Anführungsstrichen – als „zu breit“. Dabei entstehen durch die Verwendung der Anführungsstriche keine Verständnisprobleme. Vielmehr ist jedenfalls aus dem Zusammenhang ersichtlich, dass die Formulierung „zu breit“ synonym mit „zu ausführlich“ verwendet wird. Weiter wird kritisiert, die Ausführungen zur Begründetheit erschöpften sich oft in Behauptungen, was – für den Leser verständlich – zum Ausdruck bringt, es werde zu wenig argumentiert, problematisiert und subsumiert. Dass es sich bei dieser Kritik – wie dies oftmals der Fall ist – um eine Behauptung handelt, steht der Verständlichkeit (der Behauptung) nicht entgegen, zumal die Kritik überprüfbar ist und der Prüfer nicht verpflichtet ist anzugeben, wie die bzw. eine richtige Bearbeitung gelautet hätte. Konkret und verständlich ist die Kritik des Erstprüfers, wonach er ausweislich seines Votums eine nähere Untersuchung des behördlichen Ermessens sowie des Anspruchs des N auf Gebietserhaltung vermisst. Trotz der Mängel genüge die Arbeit noch durchschnittlichen Anforderungen. Damit sind die wesentlichen Gedankengänge des Prüfers hinreichend dargestellt.
97
Auch das abweichende Votum des Zweitprüfers, der nicht wie der Erstprüfer zu einer Bewertung mit 4 Punkten im Notenbereich des Bestehens, sondern mit lediglich 3 Punkten zu einer Bewertung im Bereich des Nichtbestehens gelangt, leidet unter keinen Begründungsdefiziten. Auch kommt es vorliegend nicht darauf an, ob mit Blick auf die sog. Hälfteklausel aus § 31 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 JAPO an die Begründungspflicht des Zweitprüfers gesteigerte Anforderungen zu stellen sind, sofern er von einer Bewertung im Notenbereich des Bestehens zu einer Bewertung im Notenbereich des Nichtbestehens abweicht (bejahend VG Ansbach U.v. 23.3.2000 – AN 2 K 99.01000, BeckRS 2000, 27440; U.v. 4.8.2011 – AN 2 K 10.01591, BeckRS 2011, 33498 Rn. 48; VG Schwerin, B.v. 17.11.2000 – 7 B 859/00 – NJOZ 2001, 491, 495; ablehnend BVerwG, B.v. 24.10.2018 – 6 B 151/18 – NVwZ 2019, 422 Rn. 12; VG Bayreuth, U.v. 29.2.2016 – B 3 K 15.133 – juris Rn. 118). Denn jedenfalls liegt hier eine Begründung vor, die gesteigerten Anforderungen genügt. So führt der Zweitkorrektor nicht nur aus, seines Erachtens seien die Mängel zu gravierend für die Notenstufe „ausreichend“, sondern begründet seine Ansicht konkret damit, die Problematik der Erledigung sei nicht richtig herausgearbeitet, es komme bei der Klagebefugnis wohl weniger auf das Rücksichtnahmegebot an, sondern vielmehr auf den Gebietserhaltungsanspruch, der entweder hier oder aber im Rahmen der Begründetheitsprüfung wesentlich exakter hätte herausgearbeitet werden müssen. Gravierend seien auch die Ausführungen zur Passivlegitimation, die weiteren Ausführungen seien nicht recht klar, es gehe nicht um ein Unterlassen der Gemeinde, da diese den Anspruch doch abgelehnt habe. Weiter wird kritisiert, die Tatbestandsmerkmale von Art. 76 Satz 2 BayBO würden nicht herausgearbeitet und ab Seite 19 gebe es so gut wie überhaupt keine brauchbaren Ausführungen mehr, wobei das dort Geschriebene zeige, dass Verfasser doch noch erhebliche Lücken im Bereich des Bauplanungsrechts habe. Danach sind jedenfalls die wesentlichen Gedankengänge des Zweitprüfers verständlich, die ihn zumindest im Rahmen einer Gesamtschau zu der dargestellten Annahme, die Mängel seien zu gravierend, und damit der abweichenden Bewertung veranlasst haben. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin ist auch die in Frageform geäußerte Kritik des Zweitprüfers verständlich, was überhaupt die Tatbestandsmerkmale von Art. 76 Satz 2 BayBO seien. Insoweit fordert der Zweitprüfer erkennbar ein Herausarbeiten, also eine Auseinandersetzung mit den Tatbestandsmerkmalen des Gesetzestexts und nicht allein mit den Voraussetzungen der Norm, wie sie etwa durch Rechtsprechung und Literatur präzisiert wurden oder auch umstritten sind. Verständlich ist auch die Formulierung, die Problematik der Erledigung sei „nicht richtig“ herausgearbeitet. Insoweit ist die Formulierung „nicht richtig“ entgegen dem Verständnis der Klägerin nicht mit „falsch“ gleichzusetzen. In dem verwendeten Zusammenhang ist vielmehr deutlich, dass die Formulierung – wie durchaus üblich – im Sinne von „nicht ausreichend“ bzw. „nicht gut genug“ verwendet wird. Dies wird zudem daraus deutlich, dass eine Gleichsetzung der Formulierung mit „falsch“ hier letztlich keinen Sinn ergäbe, da eine Formulierung des „falsch Herausarbeitens“ gänzlich unüblich wäre. Auch ist ohne weiteres verständlich, was der Zweitkorrektor mit seiner Kritik meint, gravierend seien auch die Ausführungen zur Passivlegitimation. So ist für den Leser offensichtlich, dass der Zweitprüfer in dem Zeitpunkt, in dem er die fragliche Formulierung gewählt hat, die Arbeit der Klägerin und das Erstvotum gelesen hatte. Danach kann für den Leser nicht zweifelhaft sein, dass auch der Zweitkorrektor den Kritikpunkt meint, den der Erstkorrektor in seinem Votum präziser und eindeutig benannt hat. Entsprechendes gilt mit Blick auf die fehlende, nähere Prüfung des behördlichen Ermessens sowie der ausgebliebenen näheren Auseinandersetzung mit der Frage der Gebietserhaltung und der naheliegend unter Zeitnot leidenden Ausführungen auch noch für die Kritik, ab Seite 19 gebe es so gut wie überhaupt keine brauchbaren Ausführungen mehr, vielmehr zeige das Geschriebene, dass Verfasser doch noch erhebliche Lücken im Bereich des Bauplanungsrecht habe. Was der Zweitprüfer mit seiner Kritik gemeint hat, die weiteren Ausführungen seien nicht recht klar, geht aus dem unmittelbar folgenden Satz hervor, es gehe nicht um ein Unterlassen der Gemeinde, da diese doch einen Anspruch abgelehnt habe. Nicht entscheidungserheblich ist das Vorbringen der Klägerin, wonach ein Bestehen von Aufgabe 5 zu ihrer Zulassung zur mündlichen Prüfung geführt hätte. Tatsächlich stellt sich das Prüfungsergebnis insgesamt als knapp dar, mag auch die Behauptung der Klägerin insoweit zu Aufgabe 5 nicht zutreffen. Denn ein Bestehen der Aufgabe 5 hätte zu einem zusätzlichen halben Punkt geführt, der für die Zulassung zur mündlichen Prüfung noch nicht ausgereicht hätte. In jedem Fall aber gelten alle dargestellten rechtlichen Grundsätze auch bei (besonders) knappen Prüfungsentscheidungen.
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(6) Auch bei Aufgabe 6 sind keine Begründungsdefizite ersichtlich. So gehen die grundlegenden Gedankengänge des Erstprüfers, die ihn zu der Bewertung mit 3 Punkten veranlasst haben, verständlich aus seinem Votum hervor. Dieses ist übersichtlich gegliedert nach Frage 1 der Aufgabe, dort differenzierend nach Sachentscheidungsvoraussetzungen und Begründetheit, sowie nach Frage 2 der Aufgabe, gefolgt von einer Zusammenfassung. Entgegen dem Verständnis der Klägerin ist insbesondere die Kritik des Erstprüfers nachvollziehbar, wonach sie nicht brauchbar auf die abdrängende Sonderzuweisung des § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO eingehe. Denn die Ausführungen der Klägerin in ihrer Bearbeitung beschränken sich insoweit auf die Feststellung, eine abdrängende Sonderzuweisung sei nicht ersichtlich (Seite 2 der Bearbeitung). Auch ist es entgegen dem klägerischen Vorbringen hinreichend verständlich, soweit der Erstprüfer ausführt, die Klägerin prüfe den schwerwiegenden Grundrechtseingriff und die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses nicht brauchbar. Denn diese Fallgruppen des Feststellungs- bzw. Fortsetzungsfeststellungsinteresses werden in der Bearbeitung der Klägerin letztlich allein benannt, ohne dass eine (weitergehende) Prüfung erfolgt (vgl. Seite 6 der Bearbeitung). Deutlich ist weiter, dass es sich bei dem abschließenden Satz des Erstprüfers zur Bewertung der klägerischen Ausführungen zu den Sachentscheidungsvoraussetzungen – diese seien lückenhaft, zu ungenau und nicht überzeugend genug behandelt worden – um eine Zusammenfassung des Vorgesagten handelt. Denn der Satz wird eingeleitet durch
„Insgesamt“. Danach ist auch deutlich, dass sich diese zusammenfassende Wertung des Erstprüfers auf die zuvor konkreter geäußerten Kritikpunkte bezieht. Auch soweit der Erstprüfer zum Klausurteil der Begründetheit ausführt, letztlich erkenne Verfasser die relevanten Probleme der Begründetheit nicht brauchbar, ist entgegen der Ansicht der Klägerin ohne weiteres erkennbar, was gemeint ist. Denn zuvor führt der Prüfer aus, die Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der FeV würden nichts Substanzielles zur Falllösung beitragen, der Tatbestand des § 31 Abs. 4 FeV werde nicht überzeugend geprüft und Verfasser verkenne diesen letztlich sowie Verfasser gehe in abermals nicht überzeugender Weise davon aus, dass die Maßnahme nicht verhältnismäßig sei. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem klägerseits gerügten Satz nicht nur inhaltlich, sondern auch sprachlich gekennzeichnet durch die Einleitung “Letztlich“ erkennbar um eine Zusammenfassung. Hinreichend konkret ist auch die Kritik des Erstprüfers, bei Frage 2 werde der Anspruch aus Amtshaftung zu knapp und ungenau geprüft. Dass die Kritik hinreichend verständlich ist, ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass die Klägerin die Kritik aufgenommen und geltend gemacht hat, die Kritik solle angesichts des gerade zum Ende der Bearbeitung bestehenden Zeitdrucks nicht allzu negativ ins Gewicht fallen. Verständlich ist schließlich auch die Formulierung des Erstprüfers, wonach Ansprüche aus dem Verwahrungsverhältnis und aus enteignungsgleichem Eingriff nicht brauchbar gesehen würden. Das Vorbringen der Klägerin, entweder werde etwas nicht gesehen oder nicht geprüft, wobei beides nicht möglich sei, dringt hier nicht durch. Denn in der Kritik des Prüfers ist von einem (brauchbaren) Prüfen o.Ä. keine Rede, vielmehr formuliert er widerspruchsfrei allein dahingehend, die genannten Gesichtspunkte würden schon gar nicht brauchbar gesehen. Soweit der Prüfer fordert, die Klägerin hätte noch genauer und vertiefter der Frage nach der Rechtsqualität der Vernichtung des Führerscheins nachgehen sollen, sind auch insoweit die Gedanken des Prüfers nachvollziehbar. Auch hindert die Begründung den Prüfling noch nicht, Einwendungen etwa dahingehend substantiiert zu erheben, alle in der Fachliteratur erörterten rechtlichen Gesichtspunkte zur Rechtsqualität einer Vernichtung seien behandelt.
99
Auch mit Blick auf die Bewertung des Zweitprüfers liegen noch keine Begründungsdefizite vor. So hat sich der Zweitprüfer zunächst mit „Einverstanden!“ dem Erstprüfer angeschlossen und sodann ausgeführt „Allerdings in Ansehung der doch gravierenden Fehler noch ein Punkt weniger!“. Entsprechend hat er die Arbeit der Klägerin mit 2 Punkten bewertet. Bei alldem kommt zunächst im Gesamtzusammenhang hinreichend zum Ausdruck, dass sich die Formulierung „Einverstanden!“ nicht auf die Punktevergabe, sondern auf die vom Erstprüfer festgestellten Schwächen der Arbeit bezieht. Denn sonst ergäbe die abweichende Bewertung lediglich mit 2 Punkten keinen Sinn. Des Weiteren bringt der Zweitprüfer mit seinem Zusatz „in Ansehung der doch gravierenden Fehler noch ein Punkt weniger“ erkennbar zum Ausdruck, dass er dieselben Fehler, wie sie der Erstprüfer benannt hat, im Vergleich zu diesem als gravierender ansieht. Da in diesem Zusammenhang – der Bewertung mit 3 oder 2 Punkten auf Grundlage derselben Fehleranalyse – allein prüfungsspezifische Wertungen, also die Einordnung der Leistung in ein Bewertungssystem aufgrund subjektiver Erfahrungen, Einschätzungen und Vorstellungen des Zweitprüfers betroffen sind und sich diese Erwägungen oftmals nur unvollkommen darlegen lassen (vgl. Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 707 f.) liegt noch kein Bewertungsfehler vor. So ist bereits dargelegt, dass sich der Zweitprüfer auf knappe Ausführungen beschränken kann, sofern er allein im Rahmen seines Bewertungsspielraums eine abweichende Einschätzung vertritt, die der gerichtlichen Kontrolle ohnehin entzogen wäre. So liegt der Fall hier, zumal nicht ersichtlich ist, dass die Abweichung im Rahmen derselben Notenstufe derart aus dem Rahmen fällt, dass fraglich wäre, ob sie Fachkundigen haltbar erscheint (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.1998 – 7 ZB 98.2422 – BeckRS 1998, 24782).
100
c) Auch mit den erhobenen Bewertungsrügen dringt die Klägerin nicht durch.
101
aa) Anerkannt ist, dass den Prüfern hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen ein Bewertungsspielraum zusteht. Hierunter fällt die Zuordnung der festgestellten Leistungen zu einem standardisierten Leistungsbild etwa in Gestalt einer Punkte- oder Notenskala aufgrund Kriterien, die der Prüfer durch persönliche Erfahrungen gewonnen hat (vgl. Fischer in Fischer/Jeremias/ Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 635, 875). Dies betrifft etwa den Schwierigkeitsgrad einer Prüfungsaufgabe, die Genauigkeit des Erfassens der Prüfungsprobleme durch den Prüfling, die Geordnetheit seiner Darlegungen und die Qualität der Darstellung, genauso wie die Bedeutung einzelner Teile für das Gesamtergebnis sowie der Gesamteindruck (so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 635) sowie die Würdigung der sprachlichen Qualität, der Überzeugungskraft und der Angemessenheit der Darstellung ihrem Umfang nach, die Bestimmung von Stärken und Schwächen der Bearbeitung und die Fehlergewichtung (vgl. Haase in Johlen/Oerder, MAH Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2017, § 16 Rn. 30 m.w.N.). In den Bewertungsspielraum fällt auch die Bewertung und Gewichtung eines Folgefehlers (Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 531 insbesondere mit Verweis auf BVerwG, B.v. 14.11.1986 – 2 CB 37.86 – BeckRS 1986, 31272740 und BayVGH, U.v. 11.2.1998 – 7 B 96.2163 – BeckRS 1998, 19463, wobei sich aus den genannten Entscheidungen jeweils das Verständnis ergibt, dass es sich bei den im Bewertungsspielraum liegenden Folgefehlern um weitere Fehler bedingt durch einen vorausgegangenen Fehler handelt). Im Rahmen der genannten Beispiele des Bewertungsspielraums spielen persönliche Einschätzungen und Erfahrungen der jeweiligen Prüfer eine ausschlaggebende Rolle, deren Steuerung rechtlich weder möglich noch sinnvoll erscheint, da die Prüfung als Leistungskontrolle sonst ihr wesentliches Merkmal verlieren würde (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 635). Begrenzt wird der Beurteilungsspielraum durch das Willkürverbot, durch das Verbot sachfremder Erwägungen, durch das Verbot, im Rahmen der Bewertung von falschen Tatsachen auszugehen sowie durch die Gebote, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze zu beachten und Gleiches gleich zu bewerten (Fischer a.a.O. Rn. 636, 882). Danach dürfen etwa offensichtliche Schreibversehen, bei denen sich definitionsgemäß mit hinreichender Gewissheit feststellen lässt, dass das Gemeinte bzw. das Gewollte einerseits und das Erklärte andererseits auseinanderfällt (vgl. in Bezug auf § 118 VwGO und den Umstand des Erklärungsirrtums hervorhebend Lambiris in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 62. Edition Stand 1.7.2020, § 118 Rn. 3), nicht negativ bewertet werden, sofern das Versehen keine Rückschlüsse auf die zu prüfenden Fähigkeiten zulässt (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 656). Genauso wenig erfasst der prüfungsrechtliche Beurteilungsspielraum fachliche Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere darf eine fachlich vertretbare Lösung nicht als falsch bewertet werden. Der Antwortspielraum des Prüflings kann eine Bandbreite fachlich vertretbarer Antworten umfassen, die jeweils weder fachlich falsch sind noch so beurteilt werden dürfen (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 875, 879). Allerdings darf eine vertretbare Lösung als weniger oder wenig überzeugend gewertet werden (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 634). Schließlich haben Prüfer die Leistungen der Prüflinge vollständig zur Kenntnis zu nehmen, um eine selbstständige und eigenverantwortliche Bewertung abgegeben zu können (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl. 2022, Rn. 320).
102
Allerdings untersucht das Verwaltungsgericht die Bewertungen der Prüfer nicht ohne konkreten Anlass. Hierfür bedarf es vielmehr konkreter und substantiierter Einwendungen des Prüflings, die sich nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, die Bewertungen seien falsch oder ungerecht. Vielmehr obliegt es dem Prüfling klarzustellen, in welchen konkreten Einzelpunkten die Korrektur bzw. Bewertung fehlerhaft ist. Hier reicht eine Wiederholung des eigenen Standpunkts auch auf verbreiteter subjektiver Argumentationsbasis nicht aus. Die Darlegungslast des Prüflings ist noch nicht erfüllt, sofern er dem Gericht die Vorzüge der von ihm vertretenen Auffassung darlegt. Stattdessen obliegt es dem Prüfling, die fachliche Vertretbarkeit oder gar Richtigkeit seiner Leistung aufgrund objektiver Kriterien darzulegen. Dieser Obliegenheit kommt er grundsätzlich durch Bezugnahme auf qualifizierte, fachwissenschaftliche Äußerungen im Schrifttum nach (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 856).
103
bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe sind hier keine Bewertungsfehler ersichtlich.
104
(1) Soweit die Klägerin mehrfach sinngemäß allgemein rügt, es sei zu befürchten, dass kritisierte Aspekte ihrer Bearbeitung jeweils zu stark negativ, oder aber, dass ggf. sogar ausdrücklich als zutreffend bewertete Gesichtspunkte nicht positiv genug gewertet worden seien, ist der Bewertungsspielraum der Prüfer betroffen. Fragen der Qualität der Darstellung sowie der Fehlergewichtung fallen in den Bewertungsspielraum der Prüfer. Soweit die Klägerin die bezeichnete Rüge in allgemeiner Form erhoben hat, sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Bewertungsspielraum der Prüfer überschritten wäre, zumal Prüfer – wie ausgeführt – nicht verpflichtet sind, ihre Bewertungsabwägung umfassend darzustellen. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin geltend macht, mit knappen Ausführungen – die ggf. so oder als oberflächlich kritisiert worden seien – beweise sie in der zeitlichen Drucksituation des Staatsexamens Effizienz und juristisches Können betreffend unproblematischer bzw. nicht notwendiger Prüfungspunkte, was honoriert und nicht negativ bewertet werden sollte. Auch hiermit setzt die Klägerin letztlich allein ihre eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der Prüfer. Diese besitzen allerdings hinsichtlich der Frage der Qualität der Ausführungen und damit der Schwerpunktsetzung sowie der Fehlergewichtung einen Bewertungsspielraum, wobei nicht erkennbar ist, dass dieser überschritten wäre. Soweit die Prüfer schließlich ihren Voten – ggf. kommentierte – Lösungsvorschläge vorangestellt haben, kann dem nicht entnommen werden, dass sie keine selbstständigen und unabhängigen Bewertungen vorgenommen hätten. So hat die Beklagtenvertreterin im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft sinngemäß ausgeführt, die Prüfer erhielten vom Landesjustizprüfungsamt allein eine nicht verbindliche, ausformulierte Skizze, sodass die Lösungsskizze bei Aufgabe 3 jedenfalls nicht vom Landesjustizprüfungsamt stamme. Danach wird den Prüfern bei Aufgabe 3 und entsprechend betreffend die übrigen Aufgaben gerade keine Lösung vorgegeben, die ihre selbstständige und unabhängige Bewertung beeinträchtigen könnte. Genauso wenig folgt aus dem Umstand, dass Prüfer ihren Bewertungen Lösungsvorschläge vorangestellt haben oder diese als Lösungsschema o.Ä. bezeichnet haben, dass sie ihren Erwartungshorizont etwa dahingehend eingeschränkt hätten, vertretbaren Alternativlösungen nicht mehr oder nicht mehr ausreichend zugänglich gewesen zu sein. Insoweit sind keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich. Soweit die Klägerin Entsprechendes oder allein und ohne Verweis auf Quellen o.Ä. geltend macht, ihre Ausführungen seien vertretbar bzw. die Unvertretbarkeit ihrer Ausführungen sei jedenfalls nicht nachweisbar, fehlt es schließlich an hinreichender Substantiierung mit Hilfe von Fachliteratur.
105
(2) Hinsichtlich Aufgabe 1 zeigen sich keine Bewertungsfehler. Zunächst ist entgegen dem Vorbringen Klägerin nicht ersichtlich, dass die Prüfer ihre Ausführungen nicht umfassend zur Kenntnis genommen hätten. Denn zum einen belegen Korrekturzeichen auf dem Lösungsvorschlag zur Prüfung nach § 823 Abs. 1 BGB, dass sich der Erstprüfer mit den entsprechenden Ausführungen der Klägerin befasst hat. Im Übrigen kann auch aus dem Umstand, dass auf Seite 9 der Bearbeitung der Klägerin lediglich ein Korrekturzeichen in Form einer Unterstreichung angebracht ist, nicht geschlossen werden, die Prüfer hätten die (übrigen) Ausführungen auf Seite 9 nicht zur Kenntnis genommen. Dies gilt umso mehr, als eine Bewertung auch ganz ohne Randbemerkungen zulässig wäre (vgl. auch VG München, U.v. 8.2.2011 – M 4 K 10.1651 – BeckRS 2011, 33201 Rn. 63). Der Vortrag der Klägerseite, bei den fehlerhaften Ausführungen zu § 278 BGB auf Seite 11 der Bearbeitung könne es sich nur um einen Flüchtigkeitsfehler handeln, betrifft wiederum den Bewertungsspielraum der Prüfer in Gestalt der Fehlergewichtung. Auch liegt insoweit kein Bewertungsfehler dahingehend vor, dass die Prüfer ein offensichtliches Schreibversehen zum Nachteil der Klägerin bewertet hätten. Denn vorliegend kann nicht von einem offensichtlichen Schreibversehen ausgegangen werden. So ist davon auszugehen, dass das zu § 278 BGB Erklärte bzw. Geschriebene einerseits und das in diesem Zusammenhang Gemeinte andererseits gerade nicht auseinanderfällt, sondern übereinstimmt. So führt die Klägerin in ihrer Bearbeitung im Rahmen der Anspruchsprüfung von § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich sinngemäß aus, zwar habe nicht B selbst, sondern S die verdorbenen Muscheln wiederverwendet, jedoch sei ihm das Verhalten des S gemäß § 278 BGB zuzurechnen, wobei die Klägerin auf ihre obigen Ausführungen mit „(s.o.)“ verweist. Gerade aufgrund dieser ausdrücklichen Differenzierung, wessen Verschulden betroffen ist, ist davon auszugehen, dass die Klägerin nichts anderes als die fehlerhafte Zurechnung fremden Verschuldens im Rahmen deliktischer Haftung gemeint hat. Jedenfalls aber lässt sich nicht hinreichend gewiss feststellen, dass der Klägerin lediglich ein Erklärungsirrtum unterlaufen wäre. Auch kann nicht mit dem Vorbringen der Klägerin davon ausgegangen werden, die Prüfer hätten ihre Einordnung der vertraglichen Beziehung als Dienstvertrag doppelt zu ihrem Nachteil bewertet. Hierfür bestehen keine Anhaltspunkte, da die Einordnung als Dienstvertrag in den Randbemerkungen – auf die das Votum ausdrücklich Bezug nimmt – lediglich einmal kritisiert wird, mag die Randbemerkung auch nicht beim ersten Prüfungsansatz der Klägerin zum Dienstvertrag angebracht sein, sondern bei ihrem Zwischenergebnis auf Seite 6 der Bearbeitung. Zudem ist der Fehler in dem Votum des Erstkorrektors lediglich einmal angesprochen, sodass auch insoweit nicht von einer zweifachen Bewertung desselben Fehlers zum Nachteil der Klägerin ausgegangen werden kann.
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(3) Betreffend Aufgabe 2 liegen ebenfalls keine Bewertungsfehler vor.
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Nicht zu beanstanden ist, dass der Erstkorrektor in seinem Votum differenziert, § 513 BGB werde zwar gesehen, die Annahme allerdings, dass „K unter den Verbraucherschutz gem. § 13 BGB“ – so die Formulierung der Klägerin – falle, sei aber unzutreffend. Entsprechendes gilt für die einschlägige Randbemerkung „nein! § 513 BGB führt nur zu einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs für Existenzgründer“. Tatsächlich stellt die Verbraucherdefinition nach § 13 BGB auf Zwecke von Rechtsgeschäften ab, die überwiegend weder gewerblicher noch selbständiger beruflicher Tätigkeit zugerechnet werden können, während § 513 BGB die Geltung der Vorschriften der §§ 491 bis 512 BGB – auch hinsichtlich des klägerseits angenommenen Ratenlieferungsvertrags (§ 510 BGB) – über den Verbraucherbegriff des § 13 BGB hinaus auch auf Existenzgründer erstreckt. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, sie habe richtig erkannt, dass § 513 BGB den persönlichen Anwendungsbereich ausdehne, sodass ihr unter Zeitdruck lediglich ein Flüchtigkeits-, Ausdrucks- bzw. Formulierungsfehler unterlaufen sei, wobei der Fehler entgegen der oben wiedergegebenen Randbemerkung nicht als schwerwiegend eingestuft werden dürfe, ist der Bewertungsspielraum der Prüfer in Gestalt der Fehlergewichtung betroffen. Darüber hinaus ist in der Sache auch nicht von einem bloßem, wie auch immer genau geartetem Flüchtigkeitsfehler auszugehen. So argumentiert die Klägerin, § 513 BGB lege fest, dass die §§ 491 ff. BGB ebenfalls für Existenzgründer gelten würden. Allerdings verweist § 513 BGB genauer auf §§ 491 bis 512 BGB und erstreckt damit nicht nur die Regeln über Verbraucherdarlehensverträge, sondern genauso unmittelbar auch das Recht der von der Klägerin geprüften Ratenlieferungsverträge auf Existenzgründer. Dies wohl übersehend argumentiert die Klägerin sinngemäß, zwar betreffe der Verweis auf §§ 491 ff. BGB explizit den Verbraucherdarlehensvertrag, jedoch sei hieraus die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch Existenzgründer unter den Schutz der Verbraucher fielen. Anschließend argumentiert die Klägerin sinngemäß, Existenzgründer würden Rechtsgeschäfte für die Ausübung gewerblicher Tätigkeit eingehen, während der Unternehmerbegriff nach § 14 BGB von dem Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit spreche. Schließlich sei der Verbraucherschutz sehr weit zu verstehen. Auf Grundlage dieser Erwägungen gelangt die Klägerin schließlich zu dem Ergebnis, K falle unter den Verbraucherschutz gemäß § 13 BGB. Dieses Ergebnis beruht nach alldem inhaltlich auf der vorausgegangenen Argumentation der Klägerin, sodass die Annahme eines Flüchtigkeits- oder Formulierungsfehlers fernliegt. Auch kann auf dieser Grundlage mangels hinreichend gewissen Erklärungsirrtums erst recht kein offensichtliches Schreibversehen angenommen werden. Der zuletzt gehaltene Vortrag der Klägerin, ihre Lösung, wonach K unter den Verbraucherschutz falle, sei im Rahmen der Aufgabenstellung vertretbar, übersieht, dass der Erstprüfer ihre Ausführung kritisiert, wonach K unter den Verbraucherschutz nach § 13 BGB falle. Letzteres hat die Klägerin im Übrigen auch nicht mit Hilfe von Fachliteratur substantiiert. Zitierte Fachliteratur dahingehend, die Anerkennung eines vergleichbaren Schutzbedürfnisses auch auf Seiten der Existenzgründer entspreche der verbraucherkreditrechtlichen Tradition in Deutschland, betrifft wiederum nicht die Ausführungen der Klägerin in ihrer Bearbeitung.
108
Auch ist nicht ersichtlich, dass der Erstkorrektor den Umstand, dass die Klägerin die Anspruchsgrundlage nach § 812 Abs. 1 Satz Alt. 1 BGB wählt und dabei die Regelung nach § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht sieht – was der Erstkorrektor in seinem Votum klar und zutreffend kritisiert – mehrfach zum Nachteil der Klägerin bewertet hätte. Im Übrigen fällt die Gewichtung von Folgefehlern in den Beurteilungsspielraum des Prüfers. Dies gilt auch für dessen Kritik, Gegenansprüche aus § 357 Abs. 7 BGB oder § 280 Abs. 1 BGB würden nicht gesehen, sofern insoweit überhaupt einen Folgefehler anzunehmen wäre, also davon auszugehen wäre, dass die Annahme eines bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsverhältnisses zwingend auch zum Übersehen der genannten Vorschriften führt.
109
Nicht zu besanstanden ist weiter, dass der Erstprüfer moniert, § 356c Abs. 1 BGB und Art. 246 Abs. 3 EGBGB würden nicht gesehen. Zum einen trifft dies zu, zum anderen war in der Aufgabenstellung sinngemäß angegeben, der später widerrufende Käufer habe über den Vertragsinhalt hinaus keine weiteren Informationen erhalten. Da die Aufgabenstellung zudem ein Gutachten verlangt, das – ggf. hilfsgutachterlich – auf alle aufgeworfene Rechtsfragen eingeht, ist es jedenfalls vom Bewertungsspielraum des Erstprüfers umfasst, eine – ggf. auch hilfsgutachterliche – Prüfung des Fristbeginns betreffend das Widerrufsrecht unter Erörterung der genannten Normen zu fordern, mag es hierauf ggf. auch aus anderen Gründen nicht entscheidend ankommen. Auch handelt es sich mit Blick auf Art. 246 Abs. 3 EGBGB jedenfalls nach § 18 Abs. 1 Satz 2 JAPO a.F. um zulässigen Prüfungsstoff. Denn nach der genannten Vorschrift dürfen über die Pflichtfächer hinaus auch Rechtsgebiete im Zusammenhang mit den Prüfungsfächern zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden, soweit lediglich Verständnis und Arbeitsmethode festgestellt werden sollen und Einzelwissen nicht vorausgesetzt wird. So liegt der Fall hier. So steht Art. 246 Abs. 3 EGBGB schon deswegen im Zusammenhang mit § 356c BGB, also mit Pflichtfachstoff gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a JAPO a.F., weil § 356c Abs. 1 BGB ausdrücklich auf Art. 246 Abs. 3 EGBGB verweist. Zudem wird lediglich Verständnis und Arbeitsmethode geprüft, da letztlich allein die gesetzgeberische Verweisungstechnik aus § 356c BGB in Frage steht. Einzelheiten werden deswegen nicht vorausgesetzt, weil der Sachverhalt der Aufgabe darauf hinweist, dass zum Widerrufsrecht keine Informationen erteilt worden seien. Entsprechend ist ohne Prüfung von Einzelheiten offensichtlich, dass keine der von Art. 246 Abs. 3 EGBGB geforderten Informationen erteilt wurden.
110
Des Weiteren ist nicht zu beanstanden, dass der Erstprüfer kritisiert, es werde nicht erörtert, inwieweit Schäden bei der Frage einer Entreicherung überhaupt Berücksichtigung finden könnten. Die Kritik trifft zu, da die Klägerin tatsächlich allein ausführt, möglicherweise sei die Beschädigung des Sessels zu berücksichtigen, wohingegen zu dem Problem der Beschädigung des Erlangten vertreten wird, dieses sei im derzeitigen Zustand ohne Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz herauszugeben, während andere Schäden als Teilunmöglichkeit nach § 812 Abs. 2 BGB ansehen, es sodass neben der Herausgabe Wertersatz zu leisten ist (vgl. Schwab in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, 818 Rn. 53). Entgegen dem Vorbringen der Klägerin führt der Erstprüfer in diesem Zusammenhang auch nicht aus, es liege keine vertretbare Lösung vor. Soweit die Klägerin meint, ihre knappen Ausführungen dürften angesichts der zeitlichen Anforderungen im Staatsexamen nicht negativ ins Gewicht fallen, insbesondere weil ihre Ausführungen mit der herrschenden Ansicht übereinstimmten, ist wiederum der Bewertungsspielraum in Gestalt der Gewichtung von Schwächen und Stärken der Leistungen betroffen. Auch hier ist nicht ersichtlich, dass dieser überschritten wäre. Die in Frage stehende Kritik des Erstprüfers ist jedenfalls im Zusammenhang auch nicht dahingehend zu verstehen, er würde die Berücksichtigung irgendwelcher bzw. mehrere Schäden im Rahmen von § 818 Abs. 3 BGB fordern. Zwar verwendet der Erstkorrektur den Plural, soweit er ausführt, es werde nicht erörtert, inwieweit „Schäden“ im Rahmen der Entreicherung Berücksichtigung finden könnten. Mit dieser Formulierung ist jedoch allein die abstrakte und generalisierende Frage des Meinungsstreits beschrieben – eben inwieweit Schäden Berücksichtigung finden können. Dagegen ist den so verstandenen Ausführungen nicht zu entnehmen, dass auch vorliegend, im konkret zu lösenden Fall irgendwelche bzw. mehrere Schäden zu erörtern gewesen seien.
111
Auch liegt in der Kritik des Erstprüfers, wonach sich als Verständnismangel zeige, dass innerhalb des Bereicherungsanspruchs des K ein Zurückbehaltungsrecht des V geprüft werde, kein Beurteilungsfehler. Denn die Klägerin geht auf Seite 7 ihrer Bearbeitung von der Anwendung der Saldotheorie aus bzw. spricht von einer automatischen gegenseitigen Aufrechnung. Im Anwendungsbereich der Saldotheorie können aber nicht beide Vertragspartner das jeweils Weggegebene unter Berücksichtigung etwaiger Entreicherungen kondizieren. Vielmehr wäre ein einheitlicher Bereicherungsanspruch anzunehmen, wobei Anspruchsinhaber allein die Partei ist, zu deren Gunsten sich ein positiver Saldo ergibt (vgl. so zum Ganzen Linke in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 818 Rn. 65). Auf dieser Grundlage fehlt es aber an wechselseitigen Ansprüchen als Voraussetzung eines Zurückbehaltungsrechts nach § 273 Abs. 2 BGB. Im Übrigen hat die Klägerin ihr Vorbringen der Sache nach, dass auch im Rahmen der Anwendung der Saldotheorie auf ein Zurückbehaltungsrecht mit einer weiteren Forderung aus demselben Rückabwicklungsverhältnis abgestellt werden könne, nicht durch Fachliteratur substantiiert.
112
Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat der Erstprüfer auch nicht von ihm kritisierte Schwächen der Bearbeitung doppelt zu ihrem Nachteil bewertet. So führt der Erstkorrektor zu Teil II der Aufgabe zunächst aus, nicht erörtert werde, ob § 803 Abs. 1 Satz 2 ZPO jeder Pfändung im Übermaß entgegenstehe, sowie im darauffolgenden Satz, ob hier der Stuhl der einzige pfändbare Gegenstand wäre, bleibe daher unerörtert. Damit bringt der Erstkorrektur zum Ausdruck, die Klägerin habe nicht gefragt, ob das Überpfändungsverbots jeder Überpfändung entgegenstehe und „daher“ nicht den (etwaigen) Ausnahmefall erörtert, in dem lediglich ein pfändbarer Gegenstand vorhanden ist (vgl. Fleck in Beckscher Online-Kommentar ZPO, 44. Edition Stand 1.3.2022, § 803 Rn. 15, 18.2). In Kombination der zitierten Ausführungen wird deutlich, dass sich der Prüfer gewünscht hat, dass die Frage hinsichtlich einer etwaigen absoluten Geltung des Überpfändungsverbots von den Prüflingen überhaupt aufgeworfen wird, und darüber hinaus, dass konkret und fallbezogen zu der fraglichen Ausnahme ausgeführt wird. Nicht ersichtlich ist dagegen eine doppelte negative Bewertung jeweils des Umstands, dass die Klägerin die absolute Geltung des Überpfändungsverbots nicht in Frage gestellt hat, und des Umstands, dass dessen Ausnahme nicht erörtert wurde. Vielmehr übt der Erstprüfer zu zwei trennbaren Gesichtspunkten jeweils einzeln Kritik. Dagegen wird es sich bei unterbliebenen Erörterung der Ausnahme um einen Folgefehler handeln, da ein Prüfling, der schon die absolute Geltung des Überpfändungsverbots nicht in Frage stellt, keine hiervon abhängige Ausnahme erörtern können wird. Allerdings geht zum einen aus den Ausführungen des Erstprüfers hervor, dass er sich dessen bewusst war. So formuliert der Erstprüfer, es bleibe „daher“ unerörtert, ob der Stuhl der einzige pfändbare Gegenstand gewesen sei. Zum anderen liegt die Bewertung von Folgefehlern im Bewertungsspielraum des Prüfers.
113
Des Weiteren macht der Erstprüfer entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht geltend, der von ihr gewählte Rechtsbehelf nach § 766 ZPO sei nicht vertretbar, sondern ausweislich des Votums vielmehr, dass die Möglichkeit, eine Drittwiderspruchsklage zu erheben, zwar gesehen, aber mit der irrigen Annahme nicht weiterverfolgt werde, V habe hieran kein Interesse. Im Übrigen trifft diese Kritik zu, da die Ausführungen der Klägerin auf Seite 15 ihrer Bearbeitung, wonach es V jedoch nicht um die Geltendmachung ihres Eigentumsrechts an dem Stuhl aufgrund des Widerrufs gehe, bewertungsfehlerfrei dahingehend verstanden werden dürfen, V habe kein Interesse an der Geltendmachung von Eigentumsverschaffungsansprüchen aufgrund Widerrufs. Tatsächlich gibt der Sachverhalt der Aufgabe V aber dahingehend wieder, jedenfalls hätte berücksichtigt werden müssen, dass K* … entsprechend seiner Erklärung vom 1. Februar 2008 nicht mehr an dem Erwerb des Holzstuhls festhalten wolle und er diesen deshalb an sie habe zurückgeben müssen.
114
Auch die Kritik des Erstprüfers, im zweiten Teil der Aufgabe zeigten sich Mängel im Systemverständnis, ist nicht zu beanstanden. Diese im Rahmen der Gesamtwertung erkennbar zusammenfassend abgegebene Kritik wird konkret in den Ausführungen des Prüfers zu Teil II der Aufgabe. Dabei bewegt es sich jedenfalls im Bewertungsspielraum des Prüfers, die dort monierten, fehlenden Ausführungen zur Frage der ggf. absoluten Geltung des Überpfändungsverbots bzw. einer etwaigen Ausnahme hierzu der Frage des Systemverständnisses zuzuordnen.
115
Soweit die Klägerin geltend macht, für die Note ausreichend dürfe nicht verlangt werden, dass alle Probleme erkannt und weitgehend zutreffend bearbeitet würden, wobei der Bewertungsspielraum der Prüfer insoweit begrenzt sei und ihre Leistungen jedenfalls ausreichend seien, dringt sie nicht durch. So ist weder substantiiert geltend gemacht noch sonst ersichtlich, dass die Prüfer zur Erreichung der Notenstufe „ausreichend“ das Erkennen aller und weitgehend zutreffende Lösen aller in der Aufgabe enthaltenen Probleme verlangt hätten. Im Übrigen setzt die Klägerin letztlich allein ihre Bewertung an die Stelle der Bewertung der Prüfer. Hingegen fällt die Gewichtung von Stärken und Schwächen einer Leistung in den Bewertungsspielraum der Prüfer. Auf dieser Grundlage sind auch keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass die Definition der Notenstufe „mangelhaft“ als eine an erheblichen Mängeln leidende, im Ganzen nicht mehr brauchbare Leistung (§ 4 Abs. 1 JAPO i.V.m. § 1 Verordnung über eine Noten- und Punkteskala für die erste und zweite juristische Prüfung (JurStPrNotV) vom 3.12.1981 (BGBl. I S. 1243, FNA 301-1-3) nicht mehr eingehalten wäre.
116
(4) Auch hinsichtlich Aufgabe 3 liegen keine Bewertungsfehler vor.
117
Kein Bewertungsfehler ergibt sich aus dem Umstand, dass der Erstprüfer im Rahmen des Lösungsvorschlags und seines Votums von § 433 BGB als Anspruchsgrundlage spricht. Zwar mag es zutreffen, dass sich entsprechende Ansprüche aus dem Kaufvertrag selbst ergeben, während § 433 BGB eine Typisierung enthält. Entscheidend ist aber, dass der Prüfer nicht etwa (fehlerhaft) moniert hat, die Klägerin habe von Ansprüchen aus Kaufvertrag und nicht von Ansprüchen aus § 433 BGB gesprochen. Vielmehr ist aus der Kritik des Erstprüfers in seinem Votum, auch § 433 BGB als Anspruchsgrundlage werde insgesamt nicht benannt, stattdessen würden die §§ 1094, 1098, 464 BGB bemüht, ohne weiteres ersichtlich, dass zutreffend moniert wird, die Klägerin habe überhaupt keine Anspruchsgrundlage genannt. Dies gilt umso mehr als „§ 433 BGB“ – wenn auch ggf. nicht gänzlich exakt – oftmals synonym oder abkürzend für „Kaufvertrag“ verwandt wird. Damit stellt der Erstprüfer auch unmissverständlich klar, dass er die von der Klägerin zitierten §§ 1094, 1098, 464 BGB gerade nicht als Anspruchsgrundlage(n) ansieht. Entsprechend ist auch deutlich, dass die Randbemerkung „AGL 1094 I, 1098 I, 464 I“ bei Gliederungspunkt B des Lösungsvorschlags („Kaufvertrag zwischen […]“) das fehlerhafte Zitat der Klägerin dokumentiert und von dem Erstkorrektor entgegen dem Vorbringen der Klägerin gerade nicht als zutreffende und geforderte Lösung angesehen wird. Schließlich ist entgegen dem Vorbringen der Klägerin etwa mit Blick auf die Formulierung, „auch“ werde § 433 BGB als Anspruchsgrundlage insgesamt nicht benannt, nicht ersichtlich, dass der Erstprüfer Schwächen der klägerischen Arbeit doppelt zum Nachteil der Klägerin bewertet hätte. Denn in dem vorangehenden Satz führt der Erstkorrektor zu einem anderen Gesichtspunkt aus, es falle bereits negativ auf, dass bei Beginn der Arbeit ein den weiteren Prüfungsaufbau vorgebender Obersatz fehle. Hierbei handelt es sich also um gesonderte Kritik, die nicht mit der Kritik betreffend die fehlende Anspruchsgrundlage gleichgesetzt werden kann. Schließlich ist im Gesamtzusammenhang auch deutlich, dass sich die einleitende Formulierung „Auch“ auf die Wertung des vorangegangenen Satzes bezieht, der mit „Negativ fällt bereits auf“ beginnt.
118
Soweit der Erstkorrekter auf Seite 2 des Lösungsvorschlags mit Blick auf das entfallende Vorkaufsrecht durch Ausübung des Rücktrittrechts und § 465 „zutreffend, aber knapp“ angemerkt und in seinem Votum sinngemäß ausgeführt hat, die Begründung des Vorkaufsrechts sowie der Eintritt des Vorkaufsfalls seien teils oberflächlich und ohne Anbindungen an Normen geprüft sowie § 465 BGB sei recht knapp geprüft, liegt auch darin kein Bewertungsfehler. So fallen Fragen der Qualität und damit des Umfangs sowie der Ausführungstiefe in den Bewertungsspielraum des Prüfers. Zudem ist die Kritik nachvollziehbar, da die Klägerin – wie der Beklagte zutreffend sinngemäß ausführt – nicht darlegt, dass sich der Kaufvertrag aufgrund Rücktritts grundsätzlich in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt und damit die kaufvertragliche Verpflichtung zu Übergabe und Übereignung entfällt. Mit Blick auf § 465 BGB hätte es nahegelegen, tiefergehend auf den Sinn und Zweck der Vorschrift einzugehen.
119
Im Ergebnis dasselbe gilt, soweit der Erstprüfer auf Seite 2 seines Lösungsvorschlags mit Blick auf das Vorliegen wechselbezüglicher Verfügungen im Sinne von § 2270 Abs. 1 BGB die Randbemerkung “knapp ohne § 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB“ angebracht hat. Auch hier liegt die Charakterisierung als „knapp“ im Bewertungsspielraum des Prüfers, zumal die Klägerin – wie schon in der Randbemerkung selbst festgehalten – nicht auf die Auslegungsregel betreffend die Frage der Wechselbezüglichkeit nach § 2270 Abs. 2 Alt. 1 BGB eingeht.
120
Weiter trifft das Vorbringen der Klägerin nicht zu, der Erstprüfer habe auf Seite 3 des Lösungsvorschlags mit der Randbemerkung „i.V.m. § 2268“ zur Frage der Auswirkungen des Ehescheidungsverfahrens unzulässiger Weise etwas in vertiefter Ausführung gefordert, das nicht einmal Gegenstand seiner eigenen, ursprünglich gedruckten Erwartung gewesen sei. Denn die Randbemerkung beschreibt nicht etwa die Erwartung des Erstprüfers, sondern dokumentiert die Ausführungen der Klägerin zu der genannten Norm auf Seiten 14 f.
121
Auch hat der Erstprüfer auf Seite 3 seines Lösungsvorschlags die bereits erwähnte Kritik an den Ausführungen zur Frage wechselbezüglicher Verfügungen nicht wiederholt, indem er dort die Randbemerkung „Wirksamwerden des Testaments aus 2017 nicht thematisiert, Erbfolge wird auf das teilwirksame Testament aus 2002 gestützt“ angebracht hat. Denn während der Erstprüfer – wie ausgeführt – auf Seite 2 seines Lösungsvorschlags die Ausführungen der Klägerin hinsichtlich der Untersuchung der Wechselbezüglichkeit testamentarischer Verfügungen für zu knapp hält, kritisiert er auf Seite 3 des Lösungsvorschlags, die Klägerin stütze die Erbfolge auf das zeitlich erste, teilwirksame Testament aus 2002 und nicht auf das Wirksamwerden des zeitlich zweiten Testaments aus 2017 aufgrund des Wegfalls des vorangegangenen (gemeinschaftlichen) Testaments wegen des Ehescheidungsverfahrens. Demnach handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Kritikpunkte. Genauso wenig liegt eine doppelte Bewertung derselben Schwäche der klägerischen Bearbeitung darin, dass der Erstkorrektor in seinem Votum auf Seite 4 ausführt, letztlich werde das Verhältnis der (teil-)wirksamen Testamente aus 2002 und 2017 nicht gesehen. Denn der Umstand, dass der Erstkorrektor im Rahmen des vorangestellten Lösungsvorschlags hierauf bereits durch Randbemerkungen hingewiesen hat, liegt in der Natur seiner Vorgehensweise zur Bewertung der Prüfungsarbeiten. Diese beinhaltet einen vorangestellten, kommentierten Lösungsvorschlag sowie unter der Überschrift „2. Teil: Zusammenfassende Beurteilung“ ein ausformuliertes Votum, das im Einzelnen auf die Stärken und Schwächen der Bearbeitung eingeht. Bei dieser Vorgehensweise ist zwingend, dass sich Kommentare aus dem Lösungsvorschlag in Rahmen der zusammenfassenden Beurteilung inhaltlich wiederholen. Entsprechend kann aus diesem Umstand keine doppelte Bewertung derselben Kritikpunkte zum Nachteil der Klägerin gefolgert werden.
122
Auch bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Erstkorrektur die Bearbeitung der Klägerin nicht vollständig zur Kenntnis genommen hätte. Soweit in dem Votum ausgeführt ist, der Inhalt der Arbeit ergebe sich aus dem obigen Lösungsschema, ist dies zwar sprachlich unglücklich formuliert, da sich der Inhalt der klägerischen Arbeit – worauf die Klägerseite zutreffend hinweist – ersichtlich aus den Ausführungen im Rahmen ihrer Bearbeitung ergibt. Hieraus kann aber entgegen der Ansicht der Klägerseite nicht geschlossen werden, der Erstprüfer habe die Bearbeitung der Klägerin nicht zur Kenntnis genommen oder falsche Tatsachen – also nicht die Bearbeitung der Klägerin, sondern (allein) das Lösungsschema – zugrunde gelegt. Vielmehr ist durch die Kommentierungen des Lösungsvorschlags sowie durch das Votum des Erstprüfers belegt, dass er sich mit der Bearbeitung der Klägerin intensiv auseinandergesetzt hat, was die Kenntnisnahme ihrer Bearbeitung voraussetzt. Überdies ist im Zusammenhang auch ersichtlich, dass der Erstprüfer mit der zitierten Bemerkung auf seine Randbemerkungen des Lösungsvorschlags hinweist.
123
(5) Hinsichtlich Aufgabe 4 hat die Klägerin über das Vorbringen zu Begründungsdefiziten hinaus keine Bewertungsrügen vorgebracht.
124
(6) Auch mit Blick auf Aufgabe 5 liegen keine Bewertungsfehler vor.
125
Insbesondere liegt in den Ausführungen des Erstprüfers, der Zulässigkeitsteil gerate “zu breit“, kein Bewertungsfehler. Denn Umfang und Schwerpunktsetzungen betreffen die Qualität der Leistung und fallen entsprechend in den Beurteilungsspielraum des Prüfers. Soweit die Klägerin geltend macht, in einem Gutachten sei eine umfassende Prüfung vertretbar, hat der Erstkorrektor nicht etwa kritisiert, entsprechende Ausführungen seien unvertretbar, sondern vielmehr die Schwerpunktsetzung kritisiert. Soweit die Klägerin ihre Ausführungen nicht für „zu breit“ hält, setzt sie damit letztlich ihre eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung der Prüfer. Im Übrigen sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, dass der Bewertungsspielraum überschritten wäre. So führt der Erstprüfer sinngemäß aus, zum Beispiel würden Klagearten – zum Beispiel die Feststellungsklage – untersucht, die doch unstrittig nicht vorlägen. Kein Wunder, dass dann im Begründetheitsteil die Zeit fehle. Tatsächlich erstrecken sich die Ausführungen der Klägerin zur Zulässigkeit auf 12 Seiten, während die Prüfung der Begründetheit 9 Seiten einnimmt.
126
Auch mit Blick auf die Ausführungen der Klägerin zur Passivlegitimation liegen keine Bewertungsfehler vor. So bringt der Erstprüfer mit seiner Kritik „Bei der Passivlegitimation ein schwerwiegender Fehler.“ bzw. offensichtlich sei nicht bekannt, dass eine “Große Kreisstadt“ nach der GrKrV Bauaufsichtsbehörde sei, zum Ausdruck, dass die Klägerin fehlerhaft das Landratsamt für den Erlass einer Nutzungsuntersagung für zuständig hält. Auch soweit der Zweitprüfer die Ausführungen der Klägerin zur Passivlegitimation als gravierend bezeichnet, sind Fragen betreffend die Qualität der Ausführungen sowie der Fehlergewichtung betroffen, die in den Bewertungsspielraum der Prüfer fallen. Soweit die Klägerin ausführt, sie habe in ihrer Bearbeitung mit „Richtiger Beklagter“ zutreffend angesetzt, sodass es sich bei dem darauffolgenden Fehler lediglich um einen Flüchtigkeitsfehler handeln könne, der in Anbetracht der Drucksituation nicht allzu sehr ins Gewicht fallen sollte, ist auch insoweit die vom Bewertungsspielraum umfasste Frage der Fehlergewichtung betroffen. Dagegen ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin insoweit offensichtlich aufgrund erkennbarer Anhaltspunkte versehentlich ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen wäre. Hierfür spricht insbesondere nicht der Umstand, dass die Klägerin unter der Überschrift „I. Richtiger Beklagter“ prüft. Damit gibt sie zwar zu erkennen, dass sie den richtigen Beklagten bestimmen wollte. Jedoch ist damit nichts darüber ausgesagt, ob und aus welchen Gründen ihr dies gelungen bzw. nicht gelungen ist. An alldem ändert auch der Umstand nichts, dass ggf. über die Formulierung des Erstprüfers gestritten werden mag, die die Große Kreisstadt letztlich als Behörde bezeichnet. Insoweit lässt die Klägerin sinngemäß ausführen, eine Große Kreisstadt sei nicht Behörde, also keine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme, sondern juristische Person des öffentlichen Rechts. All dies vermag den Fehler in der Bearbeitung der Klägerin – den sie als solchen auch nicht in Abrede stellt – nicht zu heilen oder rückgängig zu machen. Etwas anderes ergäbe sich nur, hätte der Prüfer eine zutreffende Einordnung der Großen Kreisstadt als juristische Person des öffentlichen Rechts oder die Verwendung eines zutreffenden Behördenbegriffs durch die Klägerin (zu Unrecht) kritisiert. So liegt der Fall hier aber nicht. Entsprechendes gilt, soweit die Klägerin geltend macht, der Erstprüfer setze – im Grunde nicht haltbar – die Passivlegitimation offensichtlich mit § 78 VwGO gleich. Zwar bestehen hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte. Im Übrigen ist die Frage der Einordnung von § 78 VwGO durchaus umstritten (vgl. zum Meinungsstand etwa Meissner/Schenk in Schoch/Schneider, VwGO, Stand Februar 2022, § 78 Rn. 10 ff.). Jedenfalls aber würde auch eine nicht vertretbare Ansicht des Erstprüfers zur Einordnung von § 78 VwGO den Fehler der Klägerin mit Blick auf ihre Ausführungen zur Passivlegitimation weder heilen noch rückgängig machen.
127
Genauso wenig sind dem Zweitprüfer mit Blick auf die Frage der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache Bewertungsfehler unterlaufen. Insoweit führt er aus, die Problematik der Erledigung werde nicht richtig herausgearbeitet. Bereits ausgeführt ist, dass dies nur dahingehend verstanden werden kann, die Klägerin habe die Problematik der Erledigung nicht ausreichend herausgearbeitet. Danach liegt eine Bewertung der inhaltlichen Qualität der klägerischen Ausführungen vor, die vom Bewertungsspielraum umfasst ist. Auch bestehen keine Anhaltspunkte, dass dieser überschritten wäre, zumal der Beklagte zutreffend sinngemäß darauf hinweist, die Klägerin habe sich nicht mit den im Sachverhalt der Aufgabe angelegten Umständen befasst, wonach weiterhin eine Werbeanzeige für das Nachhilfeinstitut geschaltet, weiterhin eine entsprechende Werbetafel aufgestellt war und der Betreiber ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat, auch künftig zu Hause Nachhilfeunterricht zu geben.
128
Genauswenig begründet die Kritik des Zweitprüfers einen Bewertungsfehler, wonach es bei der Klagebefugnis wohl weniger auf das Rücksichtnahmegebot, sondern vielmehr auf den Gebietserhaltungsanspruch ankomme, der – so im Anschlusssatz – entweder hier oder aber im Rahmen der Begründetheitsprüfung wesentlich exakter hätte herausgearbeitet werden müssen. Damit bringt der Zweitprüfer zum Ausdruck, dass er entweder im Rahmen der Ausführungen zur Zulässigkeit oder aber zur Begründetheit nähere Ausführungen zur Frage des Gebietserhaltungsanspruchs fordert. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin wird nicht kritisiert, dass diese im Rahmen der Klagebefugnis sowohl auf das Rücksichtnahmegebot als auch auf den Gebietserhaltungsanspruch eingeht. Auch wird nicht moniert, dass die Klägerin überhaupt das Rücksichtnahmegebot erwähnt hat, wie der Beklagte zutreffend vorgebracht hat. Aus der Korrekturbemerkung geht zudem hervor, dass der Prüfer auch mit einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Gebietserhaltungsanspruch erst im Rahmen der Begründetheitsprüfung einverstanden gewesen wäre. Entsprechend verlangt der Prüfer entgegen dem Vorbringen der Klägerin gerade keine „eins-zu-eins-Umsetzung“ eines Lösungswegs. Im Übrigen fallen Fragen der Schwerpunktsetzung in den Bewertungsspielraum der Prüfer, wobei nicht ersichtlich ist, dass dieser hier überschritten wäre. Auch ist in diesem Zusammenhang weder ersichtlich noch klägerseits geltend gemacht oder gar durch Fachliteratur substantiiert, dass stets oder in Fallgestaltungen der vorliegenden Art eine bestimmte Schwerpunktsetzung hinsichtlich der Erörterungen zur Gebietserhaltung und Rücksichtnahme fachlich geboten wäre, also insoweit sogar eine Fachfrage ohne Bewertungsspielraum vorläge. Vielmehr ist gerügt, es sei vertretbar gewesen, im Rahmen der Klagebefugnis sowohl auf den Gebietserhaltungsanspruch als auch auf das Rücksichtnahmegebot einzugehen. Dies stellt der Zweitprüfer allerdings nicht in Frage oder gar als unvertretbar dar. Zudem lässt auch das Vorbringen der Klägerin erkennen, dass die Forderung nach einer vertieften Auseinandersetzung mit dem Gebietserhaltungsanspruch jedenfalls nicht bewertungsfehlerhaft ist, wenn sie ausführen lässt, der Gebietserhaltungsanspruch gehe in seiner Schutzfunktion über die bloße Möglichkeit der Abwehr unzumutbarer Beeinträchtigungen wie im Fall des nachbarlichen Rücksichtnahmegebots hinaus.
129
Auch soweit Erst- und Zweitprüfer in ihrer Kritik von einem Anspruch auf Gebietserhaltung bzw. einem Gebietserhaltungsanspruch sprechen, liegt darin kein Bewertungsfehler, erst recht kein grober Bewertungsfehler. So entspricht der Gebrauch der genannten Begrifflichkeiten dem juristischen Sprachgebrauch, wie er vielfach in Rechtsprechung und Literatur verwendet wird, mag dies ggf. auch kritisch gesehen werden. Darüber hinaus ergäbe sich auch dann nichts anderes, selbst wenn mit der klägerischen Argumentation unterstellt würde, die Prüfer seien angesichts der Verwendung der Begrifflichkeit grob fehlerhaft von einem eigenständigen materiellen Anspruch auf Gebietserhaltung ausgegangen. Denn all dies würde nichts an der zutreffenden Kritik ändern, dass die Klägerin den – wie auch immer gearteten – (sog.) Gebietserhaltungsanspruch weder näher untersucht noch exakter herausgearbeitet hat. Entsprechend können auch klägerseits geltend gemachte Verständnismängel der Prüfer in Bezug auf das Verhältnis von Gebietserhaltungsanspruch zu Rücksichtnahmegebot dahinstehen. Denn auch diese würden jedenfalls nichts an der dargestellten Kritik der Prüfer ändern. Etwas anders ergäbe sich allenfalls, hätte ein Prüfer die von der Klägerin in vertretbarer Art und Weise herausgearbeitete Natur des (sog.) Anspruchs auf Gebietserhaltung, ggf. im Verhältnis zum Rücksichtnahmegebot als unvertretbar kritisiert. So liegt der Fall hier aber nicht. Denn in der Bearbeitung der Klägerin fehlt es gerade an einer näheren Auseinandersetzung mit der Frage des (sog.) Gebietserhaltungsanspruchs bzw. dessen Verhältnis zum Rücksichtnahmegebot.
130
Auch soweit der Zweitprüfer in Frageform moniert, was überhaupt die Tatbestandsmerkmale von Art. 76 Satz 2 BayBO seien, und im Anschluss, auch das werde nicht herausgearbeitet, liegt kein Bewertungsfehler vor. Hieraus geht hervor, dass der Prüfer eine nähere Auseinandersetzung mit den Tatbestandsmerkmalen des Art. 76 Satz 2 BayBO fordert. In diesem Zusammenhang ist bereits ausgeführt, dass insoweit nicht die ggf. durch Literatur oder Rechtsprechung geprägten Voraussetzungen der Nutzungsuntersagung in Frage stehen, sondern die Tatbestandsmerkmale der Norm. Zwar führt die Klägerin – wie sie zutreffend geltend macht – sinngemäß aus, es sei fraglich, ob eine Nutzungsuntersagung bereits bei formeller Rechtswidrigkeit erteilt werden könne oder zusätzlich materielle Rechtswidrigkeit vorliegen müsse, um sich in der Folge argumentativ dahingehend zu entscheiden, die Nutzungsänderung müsse formell und materiell rechtswidrig sein. Allerdings erfolgt bei dieser Streitfrage keine Auseinandersetzung mit den einschlägigen Tatbestandsmerkmalen „im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften“, die etwa als Ausgangspunkt und/oder Argument für die behandelte Streitfrage hätten genutzt werden können. Eine solche nähere Auseinandersetzung mit den Tatbestandsmerkmalen einer Norm zu verlangen, liegt im Bewertungsspielraum des Prüfers.
131
Auch die Wertung das Zweitprüfers, ab Seite 19 gebe es so gut wie keine brauchbaren Ausführungen mehr, das dort Geschriebene zeige vielmehr, dass Verfasser doch noch erhebliche Lücken im Bereich des Bauplanungsrechts habe, unterliegt keinen Bewertungsfehlern. Zwar mag der Vortrag der Klägerin zutreffen, sie habe auch ab Seite 19 eine Vielzahl von Normen zur Grundlage ihrer Argumentation gemacht. Jedoch behauptet der Zweitkorrektor auch nicht, es lägen (überhaupt) keine brauchbaren Ausführungen vor. Vielmehr bewegt sich die qualitative Wertung der klägerischen Ausführungen im Bewertungsspielraum des Prüfers, zumal in den Ausführungen der Klägerin keine nähere Auseinandersetzung mit den Fragen des behördlichen Ermessens oder der Frage der Gebietserhaltung erfolgt. Dagegen setzt die Klägerin mit ihrem Vorbringen letztlich ihre eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung des Prüfers.
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(7) Schließlich liegen auch betreffend Aufgabe 6 keine Bewertungsfehler vor.
133
Insbesondere liegt kein Bewertungsfehler vor, soweit sich die Klägerin gegen die Kritik des Erstprüfers wendet, die Abgrenzung zur Fortsetzungsfeststellungsklage falle oberflächlich aus. Ihr Vorbringen, die Prüfung der Abgrenzung erfolge fast auf einer ganzen Seite, es sei keine Oberflächlichkeit ersichtlich und angesichts der zeitlichen Drucksituation beweise sie Effizienz, was nicht negativ gewertet werden dürfe, setzt sie letztlich allein ihre eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung des Erstprüfers. Dieser besitzt allerdings hinsichtlich der Frage der Qualität der Ausführungen sowie der Fehlergewichtung einen Bewertungsspielraum, der hier nicht überschritten ist. So führt der Beklagte in diesem Zusammenhang zutreffend aus, die Klägerin beschränke sich darauf, zunächst eine Fortsetzungsfeststellungsklage und sodann eine Feststellungsklage zu prüfen, wobei keine Gegenüberstellung erfolge.
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Entsprechendes gilt mit Blick auf die Kritik des Erstprüfers, die Klägerin hätte der Frage, welche Rechtsqualität der Vernichtung zukomme (Verwaltungsakt oder Realakt) noch genauer und vertiefter nachgehen sollen. Zwar erörtert die Klägerin – wie sie zutreffend vorbringt – die Frage, ob die Vernichtung des Führerscheins ein Verwaltungsakt sei, was – so die Klägerin sinngemäß – problematisch sei, da die Vernichtung grundsätzlich ein Realakt und nicht ersichtlich sei, welche Rechtsfolge habe gesetzt werden sollen. Auch – so die Klägerin – werde aus der Vernichtung nicht eindeutig klargestellt, dass kein Antrag mehr auf eine inländische Fahrerlaubnis bestehe. Jedoch liegt es im Bewertungsspielraum des Erstprüfers, mit Blick auf Argumentationstiefe und damit die Qualität der Ausführungen, eine genauere und vertiefte Darstellung zu fordern. Dies wäre – wie der Beklagte sinngemäß ausgeführt – etwa mit Blick auf die Frage eines Duldungsverwaltungsakts bzw. dessen Bekanntgabe bzw. äußere Wirksamkeit möglich gewesen.
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Auch ist die Kritik des Erstprüfers nicht zu beanstanden, wonach Verfasser das berechtigte Feststellungsinteresse nur sehr oberflächlich prüfe, er sehe die Wiederholungsgefahr nur mit knapper und sehr oberflächliche Begründung und den schwerwiegenden Grundrechtseingriff und die Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses prüfe Verfasser nicht brauchbar. Soweit die Klägerin dem entgegensetzt, zu den juristischen Fähigkeiten gehöre es auch, sich an unproblematischen Stellen kurz zu fassen, wobei hier das Vorliegen von Wiederholungsgefahr offensichtlich gewesen sei, sodass sie bei ihrer Prüfung in vertretbarer Weise Effizienz gezeigt habe, was honoriert und nicht negativ gewertet werden sollte, setzt sie letztlich allein ihre eigene Bewertung an die Stelle der Bewertung des Erstprüfers. Diesem steht ein Bewertungsspielraum hinsichtlich der Qualität der Ausführungen und damit hinsichtlich Umfang sowie Argumentationstiefe sowie betreffend die Schwerpunktsetzung zu. Auch bestehen keine Anhaltspunkte, dass der Bewertungsspielraum überschritten wäre, da die Klägerin – wie der Beklagte zutreffend ausführt – beispielsweise das Feststellungsinteresse der Wiederholungsgefahr nicht definiert. Auch sind in dem Sachverhalt der Aufgabe Gesichtspunkte mit Blick auf die etwaige Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses angelegt, welche die Klägerin im Rahmen ihres Gutachtens nicht aufgreift. Zudem werden die Fallgruppen des tiefgreifenden Grundrechtseingriffs sowie der Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses letztlich allein dahingehend benannt, insoweit könne ein berechtigtes Interesse bestehen. Weitergehendes führt die Klägerin hierzu nicht aus.
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Prüfungsrechtlich nicht zu beanstanden sind weiter die Ausführungen des Erstprüfers, in der materiellen Rechtmäßigkeit prüfe Verfasser den Tatbestand des § 31 Abs. 4 FeV nicht überzeugend und verkenne diesen letztlich. Der von der Klägerin geltend gemachte Widerspruch, wonach der Tatbestand entweder geprüft oder verkannt worden sei, wobei beides nicht möglich sei und entsprechend zumindest einer der beiden Kritikpunkte bewertungsfehlerhaft sei, greift im Ergebnis nicht durch. So bringt der Prüfer hinreichend verständlich zum Ausdruck, dass ihn die Prüfung der Klägerin nicht überzeugt habe, wobei – zusätzlich – der Tatbestand der einschlägigen Norm (sogar) verkannt werde. Insoweit ist es durchaus möglich, von einer Prüfung nicht überzeugt zu sein, die (sogar) den Tatbestand einer Norm verkennt. Auch im Übrigen sind keine Bewertungsfehler ersichtlich, zumal die Klägerin nicht substantiiert geltend macht, in fachlicher Hinsicht ggf. den fraglichen Tatbestand nicht verkannt zu haben. Im Übrigen spricht alles für die Einschätzung des Prüfers, da die Klägerin – worauf der Beklagte zutreffend hinweist – übersehen haben dürfte, dass sich § 31 Abs. 4 Satz 7 FeV systematisch lediglich auf ausländische Führerscheine bezieht, bei denen bereits eine Umschreibung in einen deutschen Führerschein erfolgt ist. Letzteres entsprach allerdings nicht dem Sachverhalt der Aufgabe.
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Auch in der Kritik des Erstprüfers, die Ausführungen zur Rechtmäßigkeit der FeV würden nichts Substanzielles zur Falllösung beitragen, liegt kein Bewertungsfehler. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Erstprüfer – wie die Klägerin geltend macht – den Prüfungsaufbau moniert. Vielmehr bringt er zum Ausdruck, die Ausführungen, also nicht die Gliederung o.Ä., würden nichts Substanzielles zur Falllösung beitragen, sodass letztlich mit Blick auf die Qualität der Ausführungen die Schwerpunktsetzung kritisiert wird. Dies liegt aber im Bewertungsspielraum des Erstprüfers. Zudem behauptet der Erstprüfer gerade nicht, es sei unvertretbar, auf die Frage der Rechtmäßigkeit der FeV einzugehen.
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Weiter ist es nicht zu beanstanden, dass der Erstprüfer zur Begründetheitsprüfung der Klägerin ausführt, sie gehe in nicht überzeugender Weise davon aus, dass die Maßnahme nicht verhältnismäßig sei. Zwar wird es mit dem Vortrag der Klägerin zutreffen, dass Verhältnismäßigkeitsprüfungen zumindest subjektiv geprägt sein können und entsprechend viele Ergebnisse einer solchen Prüfung vertretbar sind. Hier hat der Erstprüfer aber nicht das Ergebnis der klägerischen Verhältnismäßigkeitsprüfung als unvertretbar angesehen. Vielmehr geht aus der Formulierung, die Klägerin gehe „in […] nicht überzeugender Weise“ von der Unverhältnismäßigkeit aus, hervor, dass der Erstprüfer die Weise kritisiert, in der bzw. wie die Klägerin von der Unverhältnismäßigkeit ausgeht. Dagegen liegt es nach dem allgemeinen Sprachgebrauch gänzlich fern, die Weise eines Ergebnisses nicht für überzeugend zu halten. Mit der danach hier im Gesamtzusammenhang einschlägigen Wortbedeutung von „Weise“ wird deutlich, dass der Erstprüfer die Überzeugungskraft der klägerischen Argumente bzw. sonstigen Ausführungen auf dem Weg zum Ergebnis der Unverhältnismäßigkeit für nicht überzeugend hält, was in seinen Bewertungsspielraum fällt. Im Übrigen ist ausgeführt, dass der Prüfer auch eine vertretbare Alternativlösung insgesamt im Rahmen seines Bewertungsspielraums als weniger oder wenig überzeugend bewerten darf.
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Soweit der Erstprüfer zu Frage 2 der Bearbeitung ausführt, der Anspruch aus Amtshaftung werde zu knapp und ungenau geprüft und die Klägerin hierzu vorbringt, sie habe den Anspruch immerhin auf zweieinhalb Seiten geprüft, wobei angesichts des Zeitdrucks gerade zum Ende der Bearbeitung knappe Ausführungen nicht allzu negativ ins Gewicht fallen sollten, sondern dahingehend honoriert werden sollten, dass eine schwerpunktorientierte Bearbeitung stattgefunden habe, ist erneut der Bewertungsspielraum des Erstprüfers mit Blick auf die Qualität der Ausführungen in Gestalt von Umfang und Argumentationstiefe betroffen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.