Titel:
Kein Schadensersatzanspruch für Diesel-Fahrzeug mit 3.0 Liter V6-Dieselmotor (hier: Audi A4 Avant quattro 3.0 TDl)
Normenketten:
ZPO § 224, § 522 Abs. 2
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Leitsätze:
1. Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der den Fristverlängerungsantrag stellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit zu orientieren. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV kommt nicht in Betracht, da es sich insoweit nicht um drittschützende Normen handelt, auf die ein entsprechender deliktischer Anspruch gestützt werden könnte (anders nachfolgend BGH BeckRS 2025, 12004). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi, 3.0 Liter V6 Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 5), unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Prüfstandserkennungssoftware, Schadensersatz, Schutzgesetz, Fristverlängerung
Vorinstanz:
LG Passau vom 26.02.2021 – 1 O 978/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Urteil vom 27.05.2025 – VIa ZR 1327/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 60940
Tenor
1. Der Antrag der Klägervertreter vom 03.08.2022, die Frist zur Stellungnahme auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 06.07.2022 bis zum 24.08.2022 zu verlängern, wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Passau vom 26.02.2021, Az. 1 O 978/20, wird zurückgewiesen.
3. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Landgerichts Passau ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klagepartei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 22.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die Klagepartei macht gegen die Beklagte Ansprüche im Zusammenhang mit dem sog. Abgas-Skandal geltend.
2
Das Landgericht hat die Klage umfassend abgewiesen. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
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Weiter wird zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit vollumfänglich auf Ziffer I. des Hinweisbeschlusses des Senats vom 06.07.2022 verwiesen.
4
Die Klagepartei hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 26.200,00 € nebst Zinsen abzüglich einer Nutzungsentschädigung i.H.v. 5.595,17 € Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs zu zahlen, festzustellen, dass sich die Beklagte im Annahmeverzug befindet, sowie diese weiter zu verurteilen, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung i.H.v. 1.851,36 € nebst Zinsen zu zahlen.
5
Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klagepartei ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.
6
Die Beklagte hat die Zurückweisung der Berufung beantragt.
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Mit Hinweisbeschluss vom 06.07.2022 wurde die Klagepartei darauf hingewiesen, dass und weshalb der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Es wurde ihr eine Frist zur Stellungnahme bis 03.08.2022 eingeräumt.
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Eine solche ist bis dahin nicht erfolgt. Die Klägervertreter haben lediglich mit Schriftsatz vom 03.08.2022 ausgeführt, aufgrund einer Vielzahl von Fristen und Terminen sei eine detaillierte Besprechung der Angelegenheit mit der Klägerseite bislang nicht möglich gewesen. Es werde daher beantragt, die Frist zur Stellungnahme um drei Wochen bis zum 24.08.2022 zu verlängern.
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Die Berufung der Klagepartei war danach als unbegründet zurückzuweisen.
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1. Die beantragte Fristverlängerung zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Senats war nicht zu gewähren.
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Gemäß § 224 Abs. 2 ZPO können richterliche Fristen verlängert werden, wenn erhebliche Gründe hierfür glaubhaft gemacht worden sind.
12
Hierauf wurde die Klagepartei seitens des Gerichts aufmerksam gemacht. Insbesondere wurde noch im Hinweisbeschluss vom 06.07.2022 (dort S. 15f.) bei Anführung einschlägiger Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass mit einer Verlängerung der Frist zur Stellungnahme nur bei Glaubhaftmachung konkreter triftiger Gründe zu rechnen ist.
13
Zu beurteilen sind dabei die „erheblichen Gründe“ vor dem Hintergrund des gesetzlichen Regelungszwecks sowohl des Verfahrens zur Fristverlängerung (§ 224 f. ZPO) wie des Verfahrens zur Zurückweisung einer Berufung durch Beschluss (§ 522 Abs. 2 ZPO). Die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens nach § 224 ZPO hat sich nicht einzig an den Interessen der den Fristverlängerungsantrag stellenden Partei, sondern ebenso an denen der Gegenpartei und den übergeordneten Belangen der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit zu orientieren (vgl. auch Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/ Albers/Hartmann, 61. Aufl., § 224 ZPO Rn. 2). Dieser Regelungszweck trifft sich mit den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen eines Zurückweisungsbeschlusses nach § 522 Abs. 2 ZPO. Er dient zum einen der Verfahrensbeschleunigung und soll der Einlegung von Rechtsmitteln allein in der Absicht, das Verfahren und den Eintritt der Rechtskraft zu verzögern, wirksam begegnen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 62, 64).
14
Der Fristverlängerungsantrag wurde hier am letzten Tag der gesetzten Frist gestellt.
15
Es wurde lediglich formelhaft auf eine Vielzahl von Fristen und Terminen hingewiesen, die bislang eine detaillierte Besprechung der Angelegenheit mit der Klagepartei nicht ermöglicht hätten. Eine auch nur ansatzweise nähere Darlegung ist nicht erfolgt. So ist etwa völlig unklar, wie viele wann anstehende Termine, allesamt vom Sachbearbeiter dieses Verfahrens wahrzunehmen wären, obwohl es sich bei den Klägervertretern um eine aus zahlreichen Rechtsanwälten bestehende Kanzlei handelt. Worin die derzeitige, scheinbar erst kurz vor Fristablauf erkannte große Arbeitsbelastung, bestehen soll, die eine Unterredung mit der Klagepartei unmöglich machen sollte, ist deshalb nicht nachvollziehbar und auch nicht glaubhaft gemacht. Ein erheblicher Grund für eine benötigte Fristverlängerung ist mithin nicht ersichtlich.
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Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt werden kann, wenn eine vom Gericht gesetzte Frist zur Äußerung objektiv nicht ausreicht, um innerhalb der Frist eine sachlich fundierte Äußerung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt und zur Rechtslage zu erbringen (BGH, Beschluss vom 15. Mai 2018 – VI ZR 287/17). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Zum einen hat die eingeräumte Frist, ausgehend von dem vom 14.07.2022 datierenden EB, ca. drei Wochen betragen, was nach Auffassung des Senats bei Abstellen auf die nicht besondere Komplexität und Schwierigkeit des Falls völlig ausreichend erscheint. Es handelt sich um ein Massenverfahren mit hinlänglich bekannter Problematik. Zum anderen wird der Fristverlängerungsantrag auch gar nicht damit begründet, dass deshalb noch eine weitere tatsächliche oder rechtliche Aufarbeitung zur Durchführung einer detaillierten Besprechung mit der Klagepartei erforderlich wäre.
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Unter Abstellen darauf und bei Berücksichtigung der Interessen der Gegenpartei sowie der übergeordneten Belange der Prozessförderung und der Prozesswirtschaftlichkeit – wie oben ausgeführt – war daher der Fristverlängerungsantrag zurückzuweisen.
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2. Die Berufung der Klagepartei war damit gleichfalls im Beschlussweg gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen, da der Senat einstimmig davon überzeugt ist, dass sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
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Eine Divergenz zu anderen obergerichtlichen Entscheidungen ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch liegt keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage vor, über deren Umfang und Bedeutung Unklarheiten bestehen (BGH, Beschluss vom 22.09.2015 – II ZR 310/14, ZIP 2016, 266 Rn. 3 mwN). Vielmehr lassen sich die aufgeworfenen Fragen auf der Grundlage der bisherigen und zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung des BGH zweifelsfrei beantworten.
20
Auf die diesbezüglichen Ausführungen, auch zu der in die Diskussion geratenen Frage der Haftung der Beklagten aus § 823 II BGB i.V.m. § 263 StGB, im Hinweisbeschluss des Senats vom 06.07.2022 wird insoweit ergänzend verwiesen.
21
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Zum Streitwert für das Berufungsverfahren wurde entsprechend dem erteilten Hinweis gemäß § 47 GKG auf bis zu 22.000,00 € festgesetzt.