Titel:
Rückforderungsansprüche, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Rechtsschutzversicherung, Anhörung des Sachverständigen, Schriftsatzfrist, Rechtshängigkeit, Kosten des Berufungsverfahrens, Rückzahlungsanspruch, Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Schriftliches Gutachten, Kostenentscheidung, Sicherheitsleistung, Abrechnung nach GOÄ, Streitwert, Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, Behandlungsfehler, Landgerichte, Aussicht auf Erfolg, Basiszinssatz, Ermessen des Gerichts
Schlagworte:
Berufungsverfahren, Schmerzensgeld, Behandlungsfehler, Aufklärungspflicht, ästhetische Chirurgie, Rückzahlungsanspruch, vorläufige Vollstreckbarkeit
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 19.10.2022 – 1 U 2178/22
LG München I vom 23.02.2022 – 9 O 12426/20
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 19.11.2024 – VI ZR 35/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 59911
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.02.2022, Aktenzeichen 9 O 12426/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 23.02.2022 Bezug genommen.
2
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin:
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts München I vom 23.02.2022 (Az. 9 O 12426/20) verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, den Betrag von 7.000,00 € jedoch nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 1.000,00 € nebst Zinsen hieraus Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die R. Rechtsschutzversicherungs AG … zur Schadennummer …538 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 zu bezahlen.
3
Die Beklagte beantragt,
Die Berufung wird zurückgewiesen.
4
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 23.02.2022, Aktenzeichen 9 O 12426/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen.
5
Auch im Hinblick auf den Schriftsatz vom 07.12.2022 ist eine andere Entscheidung nicht veranlasst:
1. Der Sachverständige hat sich zu der Frage des Behandlungsfehlers geäußert und diesen verneint. Hinsichtlich des Langzeiterfolgs hat der Sachverständige bereits ausgeführt, dass es zu der vom Beklagten angewandten Methode – wie zu vielen anderen Methoden in der ästhetischen Chirurgie auch – keine Studien oder studienähnliche Bewertungen gibt. Der Senat bleibt bei seiner Auffassung, dass die Frage der Revisionsmöglichkeiten allenfalls die Aufklärung und nicht die Frage des Behandlungsfehlers betrifft. Der Sachverständige hat ausdrücklich ausgeführt, dass es eine Reihe anderer Techniken gibt, die ohne ein Durchtrennen der Bänder auskommt, und sich die hier streitgegenständliche Technik relativ gut in den Standard von weniger aggressiven Facelifttechniken einreiht (vgl. schriftliches Gutachten, S. 6).
2. Hinsichtlich des Tragus hat der Sachverständige angegeben, dass sich der Tragus durch die Operation des Beklagten nicht verzogen haben kann (S. 15 des Protokolls vom 23.02.2022, jedoch das bei der früheren Liftingoperation gewählte Verfahren relativ häufig zu einer Verziehung des Tragus führt (S. 14 des Protokolls). Die Behauptung des Sachverständigen ist daher nicht unbelegt, sondern in der gewählten Methode begründet. Es ist daher entgegen den Behauptungen der Klägerin nicht so, dass die Voroperationen mit der Schädigung des Tragus nichts zu tun haben könnten. Die Verziehung ist nach dem schriftlichen Gutachten der Schnittführung (nicht der streitgegenständlichen Operation) geschuldet (vgl. S. 3 des schriftlichen Gutachtens vom 21.07.2021). Eine Schädigung durch den Beklagten ist damit nicht nachgewiesen. Soweit sich die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nicht sofort zu den Ausführungen des Sachverständigen hat äußern können, hätte es der Klägerin freigestanden, eine Schriftsatzfrist zu beantragen. Von Amts wegen ist eine Schriftsatzfrist nicht einzuräumen.
3. Die Aufklärung ist nicht zu beanstanden. Die Behauptung, dass Revisionen nicht möglich seien, hat die Beweisaufnahme nicht bestätigt. Soweit die Klägerin den Sachverständigen hierzu noch ergänzend hätte befragen wollen, hätte sie – wie dargestellt – eine Schriftsatzfrist zur Anhörung des Sachverständigen beantragen müssen. Soweit es sich um neuen Vortrag in der Berufungsinstanz handelt, liegen die Voraussetzungen für eine Zulassung des neuen Vorbringens nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht vor. Der Inhaber der Beklagten hat die Methode im Aufklärungsbogen bezeichnet. Die Methode wird auch von anderen Chirurgen angewendet, wozu auch Erfolgsberichte anderer Chirurgen vorliegen. Ein Standard, von dem die Methode abweichen würde, hat sich im Bereich der ästhetischen Chirurgie nicht herausgebildet (vgl. schriftliches Gutachten, S. 5). Vergleichende Daten existieren hierzu wie zu vielen Techniken in der ästhetischen Chirurgie nicht (ebda.).
4. Der Rückzahlungsanspruch kann nicht auf eine fehlerhafte Aufklärung gestützt werden, weil eine solche nicht vorliegt. Dass nachträglich noch zusätzlich eine Abrechnung nach GOÄ erstellt wurde, begründet Rückforderungsansprüche nicht. Auch diese Rechnung beläuft sich auf denselben Betrag. Für die Operation und Nachbehandlung wurden nach der Privatrechnung wie auch nach der Abrechnung nach GOÄ 17.560,00 € in Rechnung gestellt. Hinzu kommt der in der Privatrechnung weiter enthaltene Betrag für den stationären Klinikaufenthalt von 1.440,00 € (vgl. S. 2 der Rechnung vom 14.04.2019).
6
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.