Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 29.09.2022 – 2 O 5971/21
Titel:

Krankenversicherung, Versicherungsvertrag, Pflegeversicherung, Auskunft, Rechtsanwaltskosten, Feststellung, Erledigung, Auskunftsanspruch, Wirksamkeit, Rechtsverfolgungskosten, Streitwert, Verletzung, Zustimmung, Unwirksamkeit, Feststellung der Erledigung, Kosten des Rechtsstreits, Erteilung der Auskunft

Schlagworte:
Krankenversicherung, Versicherungsvertrag, Pflegeversicherung, Auskunft, Rechtsanwaltskosten, Feststellung, Erledigung, Auskunftsanspruch, Wirksamkeit, Rechtsverfolgungskosten, Streitwert, Verletzung, Zustimmung, Unwirksamkeit, Feststellung der Erledigung, Kosten des Rechtsstreits, Erteilung der Auskunft
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.09.2023 – 8 W 1883/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 51458

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzung der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam ist:
im Tarif EL die Anpassung zum 01.01.2015 bis zum 31.12.2016
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 650,24 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Kranken- und Pflegeversicherung der Klagepartei.
2
Die Klagepartei hält seit dem Jahr 2001 bei der Beklagten einen Vertrag über eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung.
3
Für den Versicherungsvertrag erfolgte mit Zustimmung des jeweiligen Prämientreuhänders im Tarif EL zum 01.01.2015 eine Beitragsanpassung in Höhe von 6,26 €, auf die die Klagepartei in der Folgezeit die sich hieraus jeweils ergebenden neuen Beiträge zahlte.
4
Weitere Anpassungen im selben Tarif erfolgten zum 01.01.2017 und 01.01.2020.
5
Die Beklagte informierte die Klagepartei mit Mitteilungsschreiben vom November 2014 über die zum 01.01.2015 anstehende Prämienanpassung. Auf die als Anlage BLD12 vorgelegte Anpassungsmitteilung wird Bezug genommen.
6
Mit der Klageerwiderung vom 27.01.2022, der Klagepartei zugestellt am 17.02.2022, teilte die Beklagte die für die Anpassungen jeweils maßgeblichen auslösenden Faktoren mit. Auslöser sämtlicher Anpassungen waren geänderte Leistungsausgaben. Eine Anpassung aufgrund geänderter Sterbewahrscheinlichkeiten erfolgte nicht.
7
Vorgerichtlich forderten die Klägervertreter die Beklagte vergeblich zur Mitteilung der jeweils auslösenden Faktoren auf.
8
Die Klagepartei ist der Ansicht, einen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der auslösenden Faktoren zu haben, die die Beitragsanpassungen zur Folge hatten. Dies ergebe sich aus einer vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 242 BGB. Der Auskunftsanspruch könne zulässig nach § 254 ZPO im Wege der Stufenklage geltend gemacht werden.
9
Der Klagepartei gegenüber vorgenommene Beitragsanpassungen seien unwirksam, da die jeweiligen Mitteilungen nicht den gesetzlichen Vorgaben nach § 203 Abs. 5 VVG entsprächen. Zudem sei die vertragliche Anpassungsgrundlage in § 8b MBKK unwirksam. Die Unwirksamkeit ergebe sich schließlich auch daraus, dass die Beklagte trotz gesunkener Leistungsausgaben Prämienanpassungen nach oben vorgenommen habe; dies sei unzulässig.
10
Es bestehe deshalb ein Anspruch auf vollumfängliche Rückzahlung der geleisteten Erhöhungsbeiträge sowie hieraus gezogener Nutzungen. Im Tarif EL bestehe demnach für die Jahre 2015 und 2016 ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 150,24 €.
11
Maßgeblich für die Höhe der Nutzungen seien die in den Geschäftsberichten der Beklagten ausgewiesene Höhe der mit den Kapitalanlagen erzielten Nettozinsen (vgl. Berechnung Schriftsatz vom 29.03.2022 S. 4 f.; Gerichtsakte S. 65 f.), so dass sich die Verzinsung der ohne Rechtsgrund gezahlten Beiträge auf 30,50 € belaufe.
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Zudem bestehe ein entsprechendes Feststellungsinteresse. Aus den unwirksamen Anpassungen abgeleitete Ansprüche seien nicht verjährt, da die Klagepartei in Folge der zunächst bestehenden unsicheren und zweifelhaften Rechtslage nicht die erforderliche Kenntnis von der Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen gehabt habe.
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Wegen Verletzung der Begründungspflicht habe die Beklagte der Klagepartei auch die ihr vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
14
Die Klagepartei hat zunächst beantragt,
1)
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … seit dem 01.01.2015 zu erteilen.
2)
Es wird festgestellt, dass die nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch genauer zu bezeichnenden Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Krankenversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet, sowie, dass der monatlich fällige Gesamtbetrag für die Zukunft auf einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkungen zu reduzieren ist.
3)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4)
Die Beklagte wird verurteilt,
a) der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 1) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 2) noch aufzuführenden Beitragsanpassungen gezahlt hat,
b) die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.
5) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit freizustellen.
15
Mit Schriftsatz vom 29.03.2022 beantragt die Klagepartei zuletzt im Wege einer „bezifferten Teilklage, kumuliert mit einer unbezifferten Stufenklage“:
1) Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer … unwirksam sind:
und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite 150,24 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
3) Die Beklagte wird verurteilt,
a) der Klägerseite die Nutzungen in Höhe von 30,50 € herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) aufgeführten Beitragsanpassungen gezahlt hat,
b) die Zinsen aus den herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Klägerseite zu zahlen.
4) Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in folgenden Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer … zu erteilen:
a) im Tarif EL die Anpassung zum 01.01.2017
5) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite einen nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Betrag nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
6) Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite die Nutzungen in der nach Erteilung der Auskunft gemäß dem Antrag zu 4) noch zu beziffernden Höhe herauszugeben, die die Beklagte bis zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit aus dem Prämienanteil gezogen hat.
7) Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerseite hinsichtlich der außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit freizustellen.
16
Mit Schriftsatz vom 21.07.2022 hat die Klagepartei den vorstehenden Klageantrag 4) (Auskunftsanspruch) für erledigt erklärt. Die Beklagte hat sich der Erledigung nicht angeschlossen.
17
Die Beklagte beantragt,
Die Klage wird abgewiesen.
18
Die Beklagte ist der Ansicht, dass die zunächst erhobene Stufenklage unzulässig sei.
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Im Hinblick auf die von der Klagepartei nicht angegriffenen Folgeanpassungen zum Jahr 2017 bzw. 2020 fehle das entsprechende Feststellungsinteresse.
20
Sämtliche streitgegenständlichen Anpassungen genügten den Begründungserfordernissen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die Anpassungen seien auch in materieller und kalkulatorischer Hinsicht ordnungsgemäß erfolgt.
21
Ein etwaiger Rückforderungsanspruch der Klagepartei sei infolge erbrachter Beitragsrückerstattungen jedenfalls überhöht. Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf Entreicherung, da verschiedene Prämienbestandteile dem Versichertenkollektiv gutgeschrieben worden seien.
22
Die Höhe der von der Klagepartei geforderten Nutzungen sei unschlüssig, da die Prämien unter Berücksichtigung der u.a. in ihnen enthaltenen Risiko- und Verwaltungskostenanteilen nicht zu 100% in Kapitalanlagen geflossen seien.
23
Etwaige Ansprüche aus unwirksamen Beitragsanpassungen seien zudem verjährt.
24
Ein pauschaler Auskunftsanspruch hinsichtlich der Nennung aller konkreten Werte der auslösenden Faktoren bestehe nicht. Auch insoweit beruft sich die Beklagte auf Verjährung. Zudem sei der Anspruch durch Vorlage der Anlage B 10 erfüllt worden.
25
Die Beklagte bestreitet auch die Berechtigung der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.
26
Im übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
27
Die Klage ist der Beklagten am 29.10.2021 zugestellt worden. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
28
Mit Beschluss vom 19.08.2022 wurde mit Zustimmung der Parteien die Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet, wobei die Frist zur Einreichung von Schriftsätzen auf den 09.09.2022 bestimmt war.

Entscheidungsgründe

29
Die Klage ist nur teilweise zulässig, im Übrigen auch ganz überwiegend unbegründet.
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A. Der Rechtsweg zu den Zivilgerichten ist nach § 13 GVG eröffnet.
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Die Klagepartei hat klargestellt, dass sich die geltend gemachten Ansprüche nicht auf Tarife der Pflegepflichtversicherung beziehen, für die allerdings nach § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet wäre (z.B. LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 21.2.2017 – L 30 P 68/15; LSG Bayern, Urt. v. 12.4.2006 – L 2 P 42/03; zu alledem Boetius/Rogler /Schäfer, HdB PKV § 64 Rn. 3 ff., 14 f.; Felsch r+s 2017, 601).
32
B. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
33
I. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts folgt jedenfalls aus § 39 ZPO.
34
II. Die Klageänderung mit Schriftsatz vom 29.03.2022 ist schon deshalb zulässig, da sich die Beklagte hierauf rügelos eingelassen hat (§ 263, § 267 ZPO).
35
III. Im zuletzt gestellten Antrag ist die Klage auch zulässig, soweit die Klagepartei die Feststellung begehrt, dass bestimmte Prämienanpassungen unwirksam sind und sie nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war (§ 256 ZPO; BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 16 f.); soweit der Feststellungsantrag unter 1) lückenhaft ist, als eine Neufestsetzung nicht bestimmt bezeichnet ist, lässt sich aus der Berechnung der Klageforderung im Schriftsatz vom 29.03.2022, S. 4 und 8, mit noch ausreichende Sicherheit ableiten, dass die Neufestsetzung im Tarif EL zum 01.01.2015 gemeint ist. Dies wird erkennbar auch durch die Beklagte so verstanden (Schriftsatz vom 12.05.2022, S. 1 f.).
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Der Umstand, dass die Klagepartei weitere Folgeanpassungen (zum Jahr 2017 bzw. 2021) nicht ebenfalls angreift, lässt das Feststellungsinteresse entgegen der Ansicht der Beklagten nicht entfallen. Der BGH hat zwar angemerkt, dass ein gegenwärtiges Feststellungsinteresse hinsichtlich früherer Prämienanpassungen allenfalls dann zu verneinen sein könne, wenn sich der Versicherungsnehmer nicht zugleich gegen die Wirksamkeit einer nachfolgenden Prämienanpassung wendet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 2018 – IV ZR 255/17 – juris-Rn. 17). Der BGH weist aaO aber zugleich darauf hin, dass für den Fall, dass die begehrte Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhung zudem eine Vorfrage für den Leistungsantrag ist die Feststellung zugleich über dessen Rechtsschutzziel hinaus geht und somit auch als Zwischenfeststellungsklage im Sinne von § 256 Abs. 2 ZPO zulässig ist.
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Gleiches gilt, soweit die Feststellung der Unwirksamkeit bestimmter Anpassungen begehrt wird, wobei die hierauf gestützten Rückforderungsansprüche bereits verjährt sind. Da im vorliegenden Fall der Versicherungsvertrag zwischen den Parteien noch nicht beendet ist, ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für Gegenwart und Zukunft ergeben können, insbesondere aus § 215 BGB (vgl. zum umgekehrten Fall: OLG Saarbrücken, Urteil vom 01.12.2021 – 5 U 93/20 –, juris Rn. 40 f.) oder etwa im Hinblick auf in den Erhöhungsbeiträgen enthaltene anteilige Alterungsrückstellungen. Vor diesem Hintergrund vermag sich die Kammer der wohl abweichenden Ansicht des OLG Nürnberg im Endurteil vom 20.06.2022 (8 U 2416/21; S. 6 u.) nicht anzuschließen.
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IV. Die Klage ist jedoch unzulässig, soweit die Klagepartei nach Klageänderung mit den Anträgen 4) bis 6) weiterhin eine Stufenklage erhebt.
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Zur (Un-)Zulässigkeit Stufenklage schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung der bisher zu dieser Frage – soweit ersichtlich – nahezu einhellig ergangenen ablehnenden Rechtsprechung an (z.B. OLG Nürnberg Endurteil v. 14.3.2022 – 8 U 2907/21, BeckRS 2022, 7415; OLG Hamm Beschluss vom 15.11.2021 – 20 U 269/21, BeckRS 2021, 40312; OLG München Hinweisbeschluss v. 24.11.2021 – 14 U 6205/21, BeckRS 2021, 40311; LG Berlin Urt. v. 21.12.2021 – 4 O 381/20, BeckRS 2021, 40428; LG Wuppertal Urt. v. 29.7.2021 – 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249; LG Krefeld Urt. v. 6.10.2021 – 2 O 448/20, BeckRS 2021, 34436; LG Detmold Urt. v. 26.10.2021 – 02 O 108/21, BeckRS 2021, 34230).
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Demnach ist eine Stufenklage unzulässig, wenn – wie im Streitfall – die Auskunft nicht dem Zweck einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern der Klagepartei sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht in Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll, insbesondere der Ermittlung, ob gegen die Beklagte überhaupt ein Anspruch besteht (BGH, Urt. v. 2.3.2000 – III ZR 65/99; BGH, Urt. v. das Rechtsschutzbedürfnis fehle. 18.4.2002 – VII ZR 260/01). Tatsächlich ist hier schon nach eigenen Angaben der Klagepartei genau dies ihr mit dem Auskunftsanspruch verfolgtes Ziel (Schriftsatz vom 29.03.2022 S. 8 o., Gerichtsakte S. 69).
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Die mit der Auskunft begehrte Mitteilung der auslösenden Faktoren ermöglichte der Klagepartei allenfalls eine Überprüfung dahingehend, ob die maßgeblichen auslösenden Faktoren überschritten wurden oder nicht und ob aus diesem Grund die jeweilige Beitragsanpassung gegebenenfalls unwirksam ist. Dies berührt aber allein das Bestehen eines Rückforderungsanspruchs dem Grunde nach. Die auslösenden Faktoren selbst haben jedoch keinerlei Einfluss auf die Höhe eines etwaigen Rückforderungsanspruchs. Dass der Klagepartei die hierfür alleine erforderliche Höhe der jeweiligen Beitragserhöhung nicht bekannt sind, macht sie selbst nicht geltend.
42
Auf die Unzulässigkeit der Stufenklage hat die Beklagte ausdrücklich hingewiesen. Die entsprechende Rechtsansicht der Kammer zu dieser Frage ist den Klägervertretern zudem aus einer Vielzahl gleich gelagerter Fälle bekannt.
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Die danach unzulässige Stufenklage ist allerdings idR in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO umzudeuten. Dies hat zur Folge, dass über die einzelnen „Stufen“ unabhängig voneinander zu entscheiden ist.
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Damit sind jedoch die Klageanträge Ziff. 5) und 6) schon unzulässig, da deren Bestimmtheit (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die (bisherige) Stufung der Ansprüche nun nicht mehr berechtigt offengelassen werden kann. Hierauf ist die Klagepartei mit Beschluss vom 25.07.2022 (Gerichtsakte S. 99) ausdrücklich hingewiesen worden.
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V. Die einseitig gebliebene Teil-Erledigterklärung der Klagepartei im – nach dem Vorstehenden isoliert zu betrachtenden – Auskunftsanspruch zu 4) ist auszulegen als Antrag auf Feststellung, dass der ursprüngliche Auskunftsantrag insoweit ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet wurde (st. Rspr. z.B. BGH, Urt. v. 15.1.1982 – V ZR 50/81, NJW 1982, 1598; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.07.2022 – IV ZR 295/20, Rn. 21; BGH Urt. v. 9.2.2022 – IV ZR 291/20, BeckRS 2022, 2867 Rn. 10 ff.).
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Die hierin liegende Klageänderung i.S.d. §§ 264 Nr. 2, 269 ZPO ist zulässig (BGH Urt. v. 24.9.2021 – V ZR 272/19, BeckRS 2021, 34461 Rn. 11).
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Der „neuen“ Feststellungsklage fehlt in der konkreten Konstellation auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. So wird zum Teil vertreten, dass wegen der Besonderheiten der Stufenklage, bei der der vorgeschaltete Auskunftsantrag keine selbständige Bedeutung hat, sondern nur ein Hilfsmittel zur Bezifferung des eigentlichen Klagezieles, des Zahlungsantrags sei, bei einer einseitigen Erledigungserklärung für ein Feststellungsurteil über die Erledigung kein Raum sei. Beharre der Kläger, obwohl er – aus welchen Gründen auch immer – der Auskunft zur Bezifferung seines Zahlungsantrags nicht mehr bedürfe, gleichwohl auf Feststellung der Erledigung der ersten Stufe, so sei dieses Begehren mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig, da er ohne weiteres den Auskunftsanspruch fallenlassen und auf den Zahlungsanspruch übergehen könne (vgl. BGH, Urt. v. 05.05.1999 – XII ZR 184/97, BGHZ 141, 307 m.w.N. zum Streitstand und BGH, Urt. v. 15.11.2000 – IV ZR 274/99, NJW 2001, 833). Nach den vorstehenden Ausführungen ist im Streitfall die Stufenklage aber insgesamt unzulässig und deren drei ursprüngliche „Stufen“ bzw. Anträge sind im Wege der Anspruchshäufung nach § 260 ZPO unabhängig voneinander zur Entscheidung der Kammer gestellt.
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C. Die Klage ist jedoch nur zum Teil begründet.
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I. Die hinsichtlich ihrer Wirksamkeit alleine streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.01.2015 ist unwirksam.
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1. Die Betragsanpassung für das Jahr 2015 muss sich an § 203 Abs. 2, 5 VVG messen lassen.
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Bei der streitgegenständlichen Krankheitskostenversicherung handelt es sich unstreitig um eine solche, für die das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich bzw. vertraglich ausgeschlossen ist (§ 206 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 2 S. 1 VVG).
52
Nach § 203 Abs. 2, 5 VVG gilt:
„Ist bei einer Krankenversicherung das ordentliche Kündigungsrecht des Versicherers gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen, ist der Versicherer bei einer nicht nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage berechtigt, die Prämie entsprechend den berichtigten Rechnungsgrundlagen auch für bestehende Versicherungsverhältnisse neu festzusetzen, sofern ein unabhängiger Treuhänder die technischen Berechnungsgrundlagen überprüft und der Prämienanpassung zugestimmt hat. Dabei dürfen auch ein betragsmäßig festgelegter Selbstbehalt angepasst und ein vereinbarter Risikozuschlag entsprechend geändert werden, soweit dies vereinbart ist. Maßgebliche Rechnungsgrundlagen im Sinn der Sätze 1 und 2 sind die Versicherungsleistungen und die Sterbewahrscheinlichkeiten. Für die Änderung der Prämien, Prämienzuschläge und Selbstbehalte sowie ihre Überprüfung und Zustimmung durch den Treuhänder gilt § 155 in Verbindung mit einer auf Grund des § 160 des Versicherungsaufsichtsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung.
Die Neufestsetzung der Prämie und die Änderungen nach den Absätzen 2 und 3 werden zu Beginn des zweiten Monats wirksam, der auf die Mitteilung der Neufestsetzung oder der Änderungen und der hierfür maßgeblichen Gründe an den Versicherungsnehmer folgt.“
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2. Die Beitragsanpassung ist (nicht) schon deswegen unwirksam, weil die in – dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag unwidersprochen geblieben zugrunde liegende – vertragliche Anpassungsgrundlage (§ 8b MB/KK) unwirksam wäre.
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Die in § 8b MB/KK vereinbarte vertragliche Anpassungsgrundlage ermöglicht der Beklagten jedenfalls im Ergebnis eine wirksame Beitragsanpassung (BGH, Urteil vom 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20).
55
Auch der Hinweis der Klagepartei auf eine Unwirksamkeit von Anpassungen wegen gesunkener Leistungsausgaben greift nicht durch: Zum einen ist der Krankenversicherer auch bei gesunkenen Leistungsausgaben zur Anpassung berechtigt bzw. verpflichtet (BGH, Urteil vom 20.07.2022 – IV ZR 295/20, Rn. 18), zum anderen zeigt die Klagepartei keine Anpassung auf, die infolge gesunkener Leistungsausgaben erfolgt sein soll.
56
3. Nach unbestrittenem Vortrag der Beklagten hat den einzelnen Anpassungen der jeweils bestellte Prämientreuhänder zugestimmt. Ob dieser unabhängig i.S.d. § 155 Abs. 1 S. 1 VVG ist bzw. war, ist von den Zivilgerichten im Rechtsstreit über eine Prämienanpassung nicht gesondert zu prüfen (BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 30 f. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. Oktober 2020 – 1 BvR 453/19 –, juris).
57
4. Die versicherungsmathematische Berechtigung der Prämienanpassungen stellt die Klage nicht in Frage.
58
5. Die angegriffene Anpassung im Tarif EL zum 01.01.2015 genügt nicht den formalen Voraussetzungen, sie ist unwirksam.
59
a) Bei einer Prämienanpassung nach § 203 Abs. 2 VVG wird erst durch die Mitteilung einer den Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügenden Begründung die für die Wirksamkeit der Neufestsetzung der Prämie angeordnete Frist in Lauf gesetzt (BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 66; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 21).
60
Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie nach § 203 Abs. 5 VVG erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat insbesondere auch weder mitzuteilen, in welche Richtung sich die maßgebliche Rechnungsgrundlage verändert hat (BGH, Urteil vom 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 26 f.), noch die Veränderung weiterer Faktoren anzugeben, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 26). Die „maßgeblichen Gründe“ müssen sich auf die konkret in Rede stehende Prämienanpassung beziehen; eine allgemeine Mitteilung, die nur die gesetzlichen Voraussetzungen der Beitragserhöhung wiedergibt, genügt danach nicht (BGH aaO Rn. 27). Durch die Angabe der Rechnungsgrundlage, die die Prämienanpassung ausgelöst hat erfüllt die Mitteilung den Zweck, dem Versicherungsnehmer zu verdeutlichen, dass weder sein individuelles Verhalten, noch eine freie Entscheidung des Versicherers Grund für die Beitragserhöhung war, sondern dass eine bestimmte Veränderung der Umstände dies aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst hat; dafür ist es nicht erforderlich, dem Versicherungsnehmer die Rechtsgrundlage des geltenden Schwellenwerts oder die genaue Höhe der Veränderung der Rechnungsgrundlage mitzuteilen (BGH aaO Rn. 35).
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b) Die Begründung in dem Mitteilungsschreiben der Beklagten mit dem Begründungsformular VK160 09.10.2014 für die Beitragsanpassung zum 01.01.2015 (Anlage BLD12) war nicht ausreichend, weshalb die betreffende Anpassung formell unwirksam ist.
62
Die maßgeblichen „Informationen zur Beitragsanpassung zum 01.01.2015“ lassen sich durch die Kennzeichnung („Änderungsgründe“) im Nachtrag zum Versicherungsschein vom November 2014, leicht auffinden. Zudem wird hierauf im Anschreiben vom November 2014 ausdrücklich hingewiesen, zum Teil in Fettdruck.
63
In dem Abschnitt „Was sind die Gründe für die Beitragsanpassung …“ finden sich jedoch lediglich allgemein gehaltene Erläuterungen, welche Faktoren sich auf die Erhöhung des Beitrags auswirken können. So wird dargestellt, dass mit dem medizinischen Fortschritt der Umfang des Versicherungsschutzes steigt, was sich auf die Beiträge auswirkt. Auch sei bei der Kalkulation der Beiträge zu berücksichtigen, dass die durchschnittliche Lebenserwartung gestiegen sei. Aus dem Mitteilungsschreiben und den Anlagen hierzu ergibt sich jedoch nicht, dass die aktuelle Überprüfung gerade für die konkreten Tarife der Klagepartei eine Veränderung der maßgeblichen Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen ergeben und damit die Prämienanpassung ausgelöst hat.
64
Die der Klagepartei zur Verfügung gestellten Informationen genügen damit nicht den zu stellenden Anforderungen an eine ordnungsgemäße Begründung der Prämienerhöhung zum 01.01.2015 (vgl. auch zur identischen Begründung OLG Köln, Urteil vom 29. Oktober 2019 – I-9 U 127/18 Rn. 74 ff., bestätigt durch BGH, Urteil vom 16. Dezember 2020 – IV ZR 294/19 Rn. 38 ff.; BGH, Urteil vom 20. Oktober 2021 – IV ZR 148/20 Rn. 25 f.; BGH, Urteil vom 09. Februar 2022 – IV ZR 337/20, Rn. 29 f.).
65
6. Ansprüche aus einer unwirksamen Anpassung kann die Klagepartei aber nur insoweit herleiten, als jene nicht durch eine nachfolgende – wirksame – Anpassung im selben Tarif „überholt“ wurde:
66
a) Bei der Prämienanpassung findet nicht nur die Festsetzung eines Erhöhungsbetrages, sondern eine vollständige Neufestsetzung für den neu kalkulierten Zeitraum statt. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers deshalb ohne Bedeutung (BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 55).
67
b) Im alleine streitgegenständlichen Tarif EL ist bereits durch die nachfolgende Anpassung zum 01.01.2017 eine solche „überholende Neufestsetzung“ erfolgt. Dass diese Anpassung unwirksam sei, wird von der Klagepartei nicht geltend gemacht.
68
7. Damit ist der Feststellungsantrag hinsichtlich der Anpassung im Tarif EL zu 01.01.2015 -zeitlich eingeschränkt durch die nachfolgende Neufestsetzung zum 01.01.2017 – begründet:
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II. Aus dem Vorstehenden ergibt sich für die Klagepartei nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB jedoch kein ein berechtigter und einredefreier Rückzahlungsanspruch, auch wenn unwirksame Anpassungen keinen Rechtsgrund für gleichwohl geleistete Prämienzahlungen bilden.
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1. Etwaige bis zum 31.12.2017 aus unwirksamen Beitragserhöhungen resultierende Rückforderungsansprüche sind jedoch verjährt. Die Beklagte kann insoweit berechtigt die Rückzahlung verweigern (§ 214 Abs. 1 BGB) dies gilt nach § 217 BGB auch für die Herausgabe der entsprechenden Nutzungen (BGH, Urteil vom 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 39).
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a) Die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist (§ 195 BGB) begann jeweils mit dem Schluss des Jahres, in dem die Prämienanteile gezahlt wurden. Die Klagepartei hatte mit dem Zugang der streitgegenständlichen Änderungsmitteilung zu diesen Zeitpunkten bereits im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners (ausführlich BGH, Urteil vom 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris Rn. 40 ff.). Dies gilt auch hinsichtlich einer etwaigen materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen (BGH, Urteil vom 22. Juni 2022 – IV ZR 193/20 –, juris Rn. 51).
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Die Erhebung einer Klage, mit der die formelle Unwirksamkeit der Beitragserhöhungen aufgrund einer unzureichenden Begründung geltend gemacht wird, war auch nicht wegen einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage unzumutbar. Eine Rechtslage ist nicht schon dann im Sinne der genannten Rechtsprechung unsicher und zweifelhaft, wenn eine Rechtsfrage umstritten und noch nicht höchstrichterlich entschieden ist (BGH vom 17.11.2021 – IV ZR 113/20). Hiervon geht die Kammer auch für die Konstellationen aus, in denen die Klagepartei – wie im Streitfall am 18.08.2021 – ihre etwaigen Ansprüche erst nach der Entscheidung des BGH vom 16.12.2020 (IV ZR 294/19) erstmals geltend gemacht hat. Es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, was sonst an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH aaO Rn. 43) könnte zweifeln lassen (i.E. ebenso OLG Dresden Urt. v. 28.6.2022 – 4 U 212/22, BeckRS 2022, 18129 Rn. 25).
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b) Für den konkreten Fall bedeutet dies, dass ausgehend von einer Verjährungsunterbrechung mit Klagezustellung am 29.10.2021, ein einredefreier Rückforderungsanspruch wegen gezahlter Prämienerhöhungen infolge unwirksamer Anpassungen erst ab dem Jahr 2018 besteht.
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Dabei erfasst die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB auch den im Wege der Stufenklage nach § 254 ZPO geltend gemachten unbezifferten Anspruch auf Leistung in jeder Höhe (BGH, 24.05.2012 − IX ZR 168/11, NJW 2012, 2180).
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Allerdings unterliegen Zahlungen, die in in unverjährter Zeit erfolgt sind, auch dann der Rückforderung, wenn sie auf einer zum Jahr 2017 oder früher erfolgten unwirksamen und im Weiteren nicht „geheilten“ Anpassung beruhen – denn es verjährt nicht „die Anpassung“, sondern etwaige Rückzahlungsansprüche wegen infolge unwirksamer Anpassungen erbrachter Beitragszahlungen.
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2. Da die letzte streitgegenständliche Prämienzahlung aus dem Jahr 2016 datiert, sind sämtliche bezifferten Rückforderungsanspruch einschließlich Nutzungen und Zinsen (§ 217 BGB) verjährt. Auf Weiteres, insbesondere Beitragsrückerstattungen und Berechnung von Nutzungen kommt es in diesem Zusammenhang deshalb nicht mehr an.
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III. Soweit die Klageanträge nach dem Vorstehenden begründet sind, muss sich die Klagepartei keinen Verstoß gegen Treu und Glauben oder eine Verwirkung ihrer Ansprüche entgegenhalten lassen (BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17 –, BGHZ 220, 297-323 Rn. 22 ff.; BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19 –, BGHZ 228, 56-75 Rn. 43 ff.).
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IV. Der – zulässige (s.o. B.5.) – Antrag auf Feststellung, dass der ursprüngliche Auskunftsantrag (als Ziff. 4 in der Fassung des Schriftsatzes vom 29.03.2022) ursprünglich zulässig und begründet war und durch ein erledigendes Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig oder unbegründet wurde, ist unbegründet.
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1. Der Auskunftsanspruch war im Zeitpunkt seiner Erledigung zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er umfasst konkret die auslösenden Faktoren für die Anpassung zum 01.01.2017.
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2. Die Klagepartei hat gegen die Beklagte grundsätzlich einen Auskunftsanspruch zur Höhe der auslösenden Faktoren.
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Unabhängig davon, ob die Klagepartei mit der begehrten Auskunft potentielle wirtschaftliche Interessen (weitergehende Rückzahlungsansprüche) verfolgt bzw. aus Rechtsgründen überhaupt verfolgen kann, besteht nach der Rspr. der Kammer ein Rechtsanspruch auf die begehrte Auskunft zur Höhe der jeweils auslösenden Faktoren jedenfalls als Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis (vgl. § 241 Abs. 2 BGB; OLG Stuttgart, Beschluss vom 06. Juni 2019 – 7 U 237/18 –, juris Rn. 20; OLG Köln, Urteil vom 28. Januar 2020 – I-9 U 138/19 –, juris Rn. 77; Franz, VersR 2020, 449, 459; sowie OLG Stuttgart, Beschluss vom 18. Januar 2007 – 10 W 84/06 –, juris Rn. 30). Das Auskunftsrecht des Versicherungsnehmers ist ein „Instrument zur Beseitigung eines strukturellen Informationsdefizits“ (so überzeugend Franz, VersR 2020, 449, 459) und damit unabhängig von einem etwaigen daran anknüpfenden bzw. nachfolgenden Rückforderungsanspruch
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3. Der Auskunftsanspruch war im Zeitpunkt seiner Erledigung durch Erteilung dieser Auskunft aber bereits unbegründet, denn die Beklagte beruft sich insoweit zu Recht auf Verjährung.
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Ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB unterliegt grundsätzlich selbständig und unabhängig vom Hauptanspruch der allgemeinen Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 3. September 2020 – III ZR 136/18). Der Hilfsanspruch auf Auskunft kann aber nicht vor dem Hauptanspruch verjähren, zu dessen Geltendmachung die Auskunft benötigt wird (BGH, Urteil vom 25. Juli 2017 – VI ZR 222/16). Ein solcher Hauptanspruch könnte zwar ein weitergehender Rückforderungsanspruch wegen rechtgrundlos bezahlter Prämien sein. Die Klagepartei trägt aber nichts weiter dazu vor, was eine Unwirksamkeit der Anpassung zum 01.01.2017 begründen könnte. Tatsächlich räumt sie selbst ein, dass diese Anpassung formell wirksam ist (Klageschrift S. 21). Auch für eine materielle Unwirksamkeit im Hinblick auf die vertragliche Anpassungsgrundlage (§ 8b MB/KK) ist kein Raum (BGH, Urteil vom 22. Juni 2022 – IV ZR 253/20). Weitere Unwirksamkeitsgründe werden nicht geltend gemacht, so dass für einen aus der begehrten Auskunft resultierenden Hauptanspruch schon kein Raum ist.
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Der damit selbständige Auskunftsanspruch ist hingegen zum 31.12.2019 verjährt. Die erforderliche Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hatte die Klagepartei mit Zugang der entsprechenden Anpassungsmitteilung im Jahr 2016; in diesem Moment war der Auskunftsanspruch auch entstanden. Die 2021 erhobene Auskunfts- bzw. Stufenklage konnte die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB schon nicht mehr hemmen.
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V. Einen Anspruch auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Klagepartei nicht.
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Unabhängig vom Vorliegen eines haftungsbegründenden Tatbestandes war die Beauftragung der Klägervertreter mit der (zunächst nur) vorgerichtlichen Geltendmachung der Klageforderungen jedenfalls nicht erforderlich i.S.d. § 249 Abs. 2 S. 1 BGB.
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Wie die Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat und der Kammer aus einer Vielzahl vergleichbarer Verfahren der Fall ist, war eine außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der Beklagten von vornherein aussichtslos (Schriftsatz vom 12.05.2022, S. 3, Gerichtsakte S. 77). Da der Versuch einer außergerichtlichen Regulierung mit anwaltlicher Hilfe somit keinerlei Aussicht auf Erfolg versprach und damit kein Grund zu der Annahme bestand, eine gerichtliche Auseinandersetzung vermeiden zu können, wäre die Klagepartei gehalten gewesen, den Klägervertretern bereits von Anfang an einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen; dann wären deren Tätigkeiten vor Erhebung der Klage allein unter die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG gefallen (BGH, Urteil vom 07. Mai 2015 – III ZR 304/14 –, BGHZ 205, 260-270 Rn. 35). Der Hinweis der Klagepartei hierzu, wonach die streitgegenständliche Rechtsmaterie aufgrund ihrer Komplexität die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts stets rechtfertige (vgl. BGH, Urteil vom 29. Oktober 2019 – VI ZR 45/19 –, juris), setzt an der falschen Stelle an: Die Kammer stellt die Berechtigung der Klagepartei, einen Rechtsanwalt zur Durchsetzung etwaiger Rückforderungsansprüche heranzuziehen, nicht in Abrede. Da den Klägervertretern – der Klagepartei zurechenbar – jedoch bekannt war, dass ein außergerichtliches Herantreten an die Beklagte keine Aussicht auf Erfolg versprach, hätten diese auf einen unbedingten Klageauftrag hinwirken müssen. Das Auslösen einer gesonderten Geschäftsgebühr war demnach nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 25.4.2022 – VIa ZR 524/21, BeckRS 2022, 12034).
D. Nebenentscheidungen
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I. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der entsprechend auch zugunsten der Beklagtenpartei anwendbar ist (RGZ 142, 83).
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Die Beklagte unterliegt lediglich mit Bruchteilen des Feststellungsantrags, also geringfügig. Der tatsächliche Betrag der Verurteilung hätte ebenfalls nur geringfügige Kosten verursacht (vgl. Musielak/Voit/Flockenhaus, 18. Aufl. 2021, ZPO § 92 Rn. 6).
II. Zum Streitwert
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1. Hier ist neben dem Klageantrag Ziff. 2, der auf Rückzahlung der vom 1.1.2015 bis einschließlich 31.12.2016 geleisteten Prämienanteile in Höhe von 150,24 € gerichtet ist, der Klageantrag zu 1 auf Feststellung der Unwirksamkeit der erfolgten Prämienerhöhungen und der Nichtverpflichtung zur Tragung der Erhöhungsbeträge für die Vergangenheit nicht Streitwert erhöhend anzusetzen, da er insoweit wirtschaftlich identisch ist, sich also auf denselben Zeitraum bezieht wie der Zahlungsantrag (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2021 – IV ZR 294/19 –, juris). Ein zusätzlicher „zukünftiger“ wirtschaftlicher Wert des Feststellungsantrags 1), der – angesichts der Formulierung „… verpflichtet war.“ – eindeutig lediglich „in die Vergangenheit gerichtet ist“, ist nicht erkennbar (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Januar 2021 – IV ZR 294/19 –, juris).
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2. Dass der zunächst gestellte Stufenantrag (vgl. § 40 GKG), einen höheren Wert gehabt haben könnte, als der sodann gestellte Zahlungsantrag (vgl. § 44 GKG), ist nicht ersichtlich.
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3. Die beanspruchten Nutzungen bleiben als unselbständige Nebenforderungen nach § 4 ZPO ebenso streitwertneutral wie die geforderten Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (vgl. vgl. OLG Celle Urt. v. 13.1.2022 – 8 U 134/21, BeckRS 2022, 1230 Rn. 83; OLG Köln, Urteil vom 21. April 2020 – 9 U 174/18 –, juris Rn. 135; gebilligt durch BGH, Urteil vom 17. November 2021 – IV ZR 113/20 –, juris, wo offensichtlich nicht davon ausgegangen wird, dass nach den Grundsätzen der Entscheidung BGH, Beschluss vom 15. Februar 2000 – XI ZR 273/99 –, juris die Nutzungen als Teil eines einheitlichen bereicherungsrechtlichen Gesamtanspruchs selbst Hauptforderung sind). Die abweichende Auffassung (z.B. OLG Saarbrücken Urt. v. 1.12.2021 – 5 U 93/20, BeckRS 2021, 40887) verkennt mit ihrem Hinweis auf BGH, Beschl. v. 19. 12. 2018 – IV ZB 10/18, r+s 2019, 137, dass diese Rspr. ausdrücklich auf „Fälle der vorliegenden Art“, also die Rückabwicklung von Lebensversicherungsverträgen beschränkt ist. Das dort zur ausnahmsweise streitwerterhöhenden Berücksichtigung von Nutzungen herangezogene Argument, wonach es bei der vollständigen Rückabwicklung eines Lebensversicherungsvertrages tatsächlich und rechtlich schwierig ist, ob und in welchem Umfang der eingeklagte Nutzungsherausgabeanspruch in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dem Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsbeiträge steht, von diesem also sachlich rechtlich abhängt, greift in den streitgegenständlichen Fällen hingegen nicht: Hier geht es nicht um die Rückabwicklung eines kompletten Vertrages, sondern die Rückzahlung von zeitlich und der Höhe nach klar definierbaren Prämienanteilen. Auch nur hinsichtlich dieser Prämienanteile werden Nutzungen beansprucht. Das Abhängigkeitsverhältnis der beanspruchten Nutzungen zu den zurückgeforderten Prämienanteilen liegt deshalb offen zutage.
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4. Der zuletzt gestellte Stufen-Auskunftsanspruch ist mit 500 € zu berücksichtigen.
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Auch hier ist nach § 44 GKG für die Wertberechnung nur einer der verbundenen Ansprüche, und zwar der höhere, maßgebend – dies ungeachtet der Unzulässigkeit der Stufenklage im konkreten Fall.
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Mit ihrem Schriftsatz vom 29.03.2022 (aaO S. 5 o., Gerichtsakte S. 69) geht die Klagepartei davon aus, dass die Höhe der von ihr noch eingeforderten auslösenden Faktoren ggf. einen weiteren Rückzahlungsanspruch begründen kann.
96
Es ist allerdings nichts dazu vorgetragen oder sonst ersichtlich, in welchem Umfang über den bereits bezifferten Rückforderungsbetrag hinaus die beanspruchte Auskunft zusätzliche Zahlungsansprüche der Klagepartei überhaupt begründen könnte. Da – zumindest ist nichts Gegenteiliges behauptet – der Klagepartei sämtliche Erhöhungsbeträge bekannt sind, wäre die Berechnung eines „maximalen Rückforderungsanspruchs“ also ohne Weiteres möglich.
97
Bei dieser Ausgangslage ist die klägerische Bewertung des Auskunftsanspruchs mit einem „Durchschnittswert“ von (insgesamt) 10.750 € keinesfalls gerechtfertigt.
98
Aber auch wenn man – wie geboten – den Auskunftsanspruch „isoliert“, gleichsam als ideell ansieht, kann das im Raum stehende reine „Informationsinteresse“ keinesfalls mit einem Betrag von 5.000 € in Ansatz gebracht werden. Die Kammer sieht insoweit einen Wert von 500,00 € als angemessen an (vgl. auch LArbG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18. März 2021 – 26 Ta (Kost) 6110/20 –, juris m.w.N.; LG Münster, Beschluss vom 26. Januar 2022 – 115 O 231/21 –, juris, wo ein Betrag zwischen 500 € und 750 € angenommen wird).).
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II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Verkündet am 29.09.2022