Titel:
Subventionsbetrug bei Coronahilfen
Normenketten:
StGB § 56 Abs. 1, § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 2a, § 73c S. 1, § 73e Abs. 2, § 203, 264 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 5, Abs. 6, Abs. 8 Nr. 1, Abs. 9 Nr. 1, Nr. 2
GmbHG § 53 Abs. 1, Abs. 2, § 56 Abs. 1 S. 1
AktG § 241 Nr. 2
UmwG § 6, § 126
BGB § 125, § 134, § 139, § 613a
BRAO § 49b Abs. 4 S. 2 (idF bis zum 30.9.2021)
SubVG § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
Die Angabe über die Identität des prüfenden Dritten stellt in einem Antrag auf Überbrückungshilfe Corona III eine subventionserhebliche Tatsache i.S.d. § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB dar. (Rn. 272)
1. Leichtfertigkeit setzt beim Subventionsbetrug entweder eine besondere Gleichgültigkeit oder eine grobe Unachtsamkeit voraus (BGH BeckRS 2013, 1849). (Rn. 278) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das große Ausmaß iSd § 264 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 StGB ist bei einem Betrag von über 50.000 EUR gegeben (BGH BeckRS 2015, 12466). (Rn. 283) (redaktioneller Leitsatz)
3. Aus grobem Eigennutz handelt, wer sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil in einem besonders anstößigen Maße leiten lässt (BGH BeckRS 1990, 31084951). (Rn. 284) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein unbenannter besonders schwerer Fall iSd § 264 Abs. 2 S. 1 StGB ist anzunehmen, wenn er sich nach Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnittsfall so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist. (Rn. 286) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Subventionsbetrug, subventionserhebliche Tatsache, Überbrückungshilfe, Coronahilfe, Rechtsanwaltskanzlei, Einbringung, Leichtfertigkeit, großes Ausmaß, unbenannter besonders schwerer Fall, Einziehung, Wertersatz
Rechtsmittelinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 26.02.2025 – 12 KLs 501 Js 1658/21
BGH Karlsruhe vom 05.09.2023 – 6 StR 147/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50977
Tenor
I. Der Angeklagte AF ist schuldig des vorsätzlichen Subventionsbetrugs.
II. Er wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten verurteilt.
III. Die Angeklagte BF ist schuldig des leichtfertigen Subventionsbetrugs.
IV. Sie wird deswegen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt.
Die Vollstreckung der erkannten Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
VII. Die Einziehung von Wertersatz wird gegen die Angeklagten, die X GmbH & Co. KG und AL GmbH in Höhe von 556.106,07 € sowie gegen die Einziehungsbeteiligte L GmbH in Höhe von 500.000,00 € angeordnet.
Die Angeklagten und sämtliche Einziehungsbeteiligte haften für den Betrag von 500.000,00 € gesamtschuldnerisch. Für den weiteren Betrag von 56.106,07 € haften die Angeklagten, die X GmbH & Co. KG und die AL GmbH gesamtschuldnerisch.
VIII. Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
1
Der Angeklagte AF, ein Volljurist, der bis zum Widerruf seiner Zulassung am 14.11.2019 als selbständiger Rechtsanwalt tätig war, meldete sich am 27.10.2021 unter dem von ihm zuvor erstellten Account auf den Namen der Rechtsanwältin Z als prüfender Dritter auf der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de an, und stellte dort einen Antrag auf Überbrückungshilfe Corona III für die AL GmbH (fortan: AL) für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021. Dies tat er, obwohl er wusste, dass die AL die Voraussetzungen für die Subventionsgewährung nicht erfüllte, indem er im Antrag bewusst unzutreffende Angaben machte. Er befand sich aber in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und brauchte das Geld.
2
Geschäftsführerin der AL war formell die Ehefrau des Angeklagten, die Angeklagte BF. Tatsächlich traf sie keine eigenen Entscheidungen für die GmbH. Stattdessen handelte der Angeklagte AF für die Gesellschaft nach eigenem Gutdünken. Satzungsmäßiger Zweck der AL war seit 2015 die Beplanung und Bebauung von Grundstücken, die im Eigentum des Mitgesellschafters S und dessen Ehefrau standen. Dieser Zweck konnte von der AL seit dem Jahr 2018 nicht mehr erreicht werden, da S den Gesellschaftsvertrag zum 31.12.2017 gekündigt und die Grundstücke, nachdem eine Einigung mit dem Angeklagten über deren Schicksal gescheitert war, im Jahr 2018 an einen Dritten veräußert hatte. Spätestens seit 2018 entfaltete die AL keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit mehr.
3
Über das Onlineportal füllte der Angeklagte den Antrag aus (Aktenzeichen des Vorgangs: …). Er machte dort bewusst wahrheitswidrig folgende unzutreffende Angaben:
4
Er gab an, die AL hätte zu den Stichtagen 29.02.2020 bzw. 31.12.2020 sowie in den Fördermonaten November 2020 bis Juni 2021 zwölf Mitarbeiter beschäftigt. Tatsächlich hatte die AL, wie der Angeklagte wusste, keine Beschäftigten.
5
Weiter gab er an, die AL sei dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig. Tatsächlich war die AL, wie der Angeklagte wusste, spätestens seit dem Jahr 2018 nicht mehr am Markt tätig.
6
Der Angeklagte erklärte, der AL seien verglichen mit dem monatlichen Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 coronabedingte Umsatzeinbrüche entstanden. Tatsächlich war die AL im Jahr 2019 umsatzlos und konnte demzufolge keinen Umsatzrückgang erleiden.
7
Der Angeklagte gab an, die AL habe im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 monatlich förderbare Fixkosten gehabt. Tatsächlich hatte die AL, wie er wusste, in dem Zeitraum keine berücksichtigungsfähigen Fixkosten.
8
Die Falschangaben waren, wie der Angeklagte wusste, subventionserheblich. Er rechtfertigte seine Falschangaben damit, dass er die maßgeblichen Werte und Kennzahlen seiner Rechtsanwaltskanzlei, die er in die AL „eingebracht“ habe, der AL habe zurechnen und in deren Antrag aufnehmen dürfen. Tatsächlich hatte der zuvor schon für die Kanzlei einen eigenen Antrag auf Gewährung der Überbrückungshilfe Corona III für den für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 gestellt und bewilligt bekommen.
9
Das Formular mit den Erklärungen des Antragstellers druckte der Angeklagte anschließend aus und legte die Seite mit der Unterschriftenzeile der Angeklagten BF zur Unterschrift vor. Diese unterzeichnete das Dokument am 28.10.2021 auf Aufforderung des Angeklagten AF, ohne es näher zur Kenntnis zu nehmen. Der Angeklagte AF scannte den unterschriebenen Ausdruck ein, lud ihn auf der Antragsplattform hoch und schickte ihn samt dem Antrag am 28.10.2021 elektronisch an die für die Antragsbearbeitung zuständige IHK für M. und O..
10
Der Angeklagte beantragte die Überbrückungshilfe – ohne dass ihm dies von ihr gestattet worden wäre – unter dem Namen der Rechtsanwältin Z als prüfender Dritter. Der Grund hierfür war, dass der Antrag zwingend durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als prüfender Dritter gestellt werden musste. Die Rechtsanwaltskammer hatte jedoch mit Bescheid vom 05.11.2019, dem Angeklagten zugestellt am 14.11.2019, die Zulassung des Angeklagten als Rechtsanwalt widerrufen und die sofortige Vollziehung ihres Bescheides angeordnet. Der Angeklagte durfte seinen Beruf als Rechtsanwalt seitdem nicht mehr ausüben. Er befürchtete deshalb, als prüfender Dritter von der IHK nicht akzeptiert zu werden.
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Aufgrund seiner Angaben bewilligte die IHK der AL mit Bescheid vom 27.12.2021 Überbrückungshilfe Corona III in Höhe von 556.106,07 €. Der Betrag wurde am 04.01.2022 auf dem Geschäftskonto der AL gutgeschrieben. Der Angeklagte beauftragte noch in der Nacht vom 04. auf den 05.01. die Überweisung von 556.691 € von diesem Konto auf das Konto der X GmbH & Co.KG, deren Geschäfte er ebenfalls faktisch führte. Von dort tätigte er am 11.01.2022 eine weitere Überweisung in Höhe von 500.000 € auf das Konto der ebenfalls faktisch von ihm geführten L GmbH, um den Kaufpreis für ein Grundstück zu bezahlen. Dem Angeklagten war bei dieser Mittelverwendung klar, dass er die Subventionsmittel entgegen den Vorgaben des Zuwendungsbescheides nutzte; das war ihm aber gleichgültig.
B. Persönliche Verhältnisse
C. Die Taten der Angeklagten
I. Antragstellung für die AL
12
1. Die AL Bei der AL handelte es sich um eine 2004 gegründet Gesellschaft mit Sitz in S, die ursprünglich als A GmbH firmierte und deren Geschäftsgegenstand die Vermittlung von Rechtssuchenden an zugelassene Rechtsberater war (AG Nürnberg, HRB …). Formelle Geschäftsführerin war von Anfang an die Angeklagte BF. 2015 war die Gesellschaft wirtschaftlich inaktiv. Am 24.04.2015 erwarb NS die Hälfte der Gesellschaftsanteile, die andere Hälfte verblieb bei der Angeklagten. Zugleich änderten beide Gesellschafter die Firma in AL und den Gesellschaftszweck in Bebauung und Vermarktung des Grundbesitzes in S, Gemarkung … – der NS und seiner Ehefrau TS gehörte – sowie die Tätigkeiten als Bauträger gemäß § 34 c GewO. Mit Schreiben vom 28.06.2017 kündigte NS die Gesellschaft zum 31.12.2017. In der Folge kam es zu Streitigkeiten über die Höhe des Ausscheidungsguthabens, weshalb NS Auflösungsklage erhob, über die noch nicht rechtskräftig entschieden ist. NS blieb bis zuletzt Gesellschafter der AL, wovon auch die beiden Angeklagten bis zuletzt ausgingen.
13
Seit dem 15.05.2017 war die Angeklagte BF alleinige bestellte Geschäftsführerin der AL. Tatsächlich übte der Angeklagte AF spätestens seit dieser Zeit die Funktionen eines Geschäftsführers für die AL allein aus. Die Angeklagte leistete lediglich Unterschriften für die GmbH nach Vorgabe des Angeklagten, ohne hierbei eigene Entscheidungen zu treffen.
14
Für den Angeklagten zeichnete sich im Herbst 2019 ab, dass er – wie dann am 21.11.2019 geschehen – die Vermögensauskunft abgeben muss. Weiterhin zeichnete sich für ihn ab, dass aufgrund der gegen ihn eingereichten Beschwerden die Rechtsanwaltskammer N. – wie mit Bescheid vom 05.11.2019, dem Angeklagten zugestellt am 14.11.2019, geschehen – seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen würde. Um einen Zugriff seiner Gläubiger auf die Kanzlei und eine Abwicklung der Kanzlei zu verhindern, schloss er am 11.11.2019 folgende handschriftliche Vereinbarung, die sowohl von ihm für „Rechtsanwälte F und Kollegen“ als auch von der Angeklagten BF für die AL unterzeichnet wurde:
„Hiermit bringe ich, Rechtsanwalt AF, … meine Einzelkanzlei in … mit allen Aktiva (ohne Passiva – diese verbleiben bei mir) einschließlich Mandantenbeziehungen, nach deren Zustimmung bzw. mit deren Zustimmung in die Fa. AL, dort auf Rücklagen mit sofortiger Wirkung ein (künftig F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, GF AF). Die Gesellschaft stimmt dem zu. Rein vorsorglich trete ich auch alle Gebührenansprüche an die Gesellschaft ab. Ich nehme diese Abtretung als künftiger GF auch bereits an, wie auch der heutige GF soweit gesetzlich zulässig.“
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Am 17.11.2019 verfasste der Angeklagte AF eine weitere handschriftliche Vereinbarung, die sowohl von ihm als auch von der Angeklagten BF für die AL S unterzeichnet wurde:
„Ergänzend zum Einbringungsvertrag vereinbaren wir heute, dass die Konten bei der …bank … und bei der …bank … per 11.11.2019 nur noch Zahlstelle Rechtsanwalt AF sind und ausschließlich Treuhandkonto der neuen Kanzlei AL, künftig F Rechtsanwalts-GmbH für Rechnung AL, künftig Rechtsanwalts GmbH ist. Alle eingehenden Gelder sind Treuhandgelder für uns, AL. Herr Rechtsanwalt AF übernimmt bis zur Genehmigung der Rechtsanwaltskammer kommissarisch die Vertretung der künftigen Rechtsanwaltsgesellschaft und vertritt diese treuhänderisch mit der Abwicklung der oben genannten beiden Konten nach unserer Weisung. Herr Rechtsanwalt AF nimmt den Treuhandauftrag per 11.11.2019 an.“
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Bei den beiden genannten Konten handelte es sich um diejenigen des Angeklagten, die er für den Kanzleibetrieb nutzte. Dem Angeklagten war beim Aufsetzen und Unterschreiben beider Vereinbarungen bewusst, dass die Kanzlei dadurch nicht mit Rechts- und Außenwirkung Bestandteil der AL werden würde. Eine Zulassung der AL als Rechtsanwaltsgesellschaft durch die Rechtsanwaltskammer lag – damals und bis zum Schluss der hiesigen Beweisaufnahme –, wie der Angeklagte wusste, nicht vor. Eine Beteiligung des weiteren Gesellschafters der AL, NS, an dem Abschluss der Vereinbarungen hatte, wie der Angeklagte wusste, nicht stattgefunden und der Angeklagte wusste, dass NS´s Zustimmung dazu nicht vorlag. Zustimmungen der Mandanten der Kanzlei zur Abtretung der Ansprüche aus der Mandantenbeziehung an die AL lagen, wie der Angeklagte ebenfalls wusste, nicht vor. Gleichwohl gab er bei der Antragstellung für die AL – dazu sogleich – wider besseres Wissen vor, dass die Mitarbeiter, die Kosten und der Umsatz seiner Kanzlei wegen dieser „Einbringung“ der AL zuzurechnen seien und machte sie, zu Unrecht, wie er wusste, bei der AL geltend.
2. Ablauf einer Antragstellung
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Die Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – 3. Phase des Überbrückungshilfeprogrammes des Bundes (fortan: Überbrückungshilfe Corona III) konnte für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 von in Bayern ansässigen Antragstellern bei der IHK für M. und O. (fortan: IHK) beantragt werden. Die Antragstellung erfolgte elektronisch über die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie betriebene Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de und musste zwingend von einem sogenannten prüfenden Dritten als Antragserfassenden durchgeführt werden. Prüfender Dritter konnte dabei lediglich ein Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rechtsanwalt sein. Der prüfende Dritte durfte nicht identisch mit dem Antragsteller sein. Auch durfte der prüfende Dritte nicht abhängiger Beschäftigter, Syndikusanwalt oder Gesellschafter des Antragstellers sein.
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Eine Antragstellung lief wie folgt ab: Um überhaupt einen Antrag stellen zu können, richtete sich der prüfende Dritte zunächst einen Account auf der Antragsplattform ein. Über diesen Account meldete er sich sodann auf der Plattform an und füllte den „Antrag auf Gewährung von Corona-Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Unternehmen“ (fortan: Antrag) sowie das Formular „Erklärungen des Antragstellers zum Überbrückungshilfeprogramm des Bundes („Überbrückungshilfe Corona“) sowie gegebenenfalls zum landesspezifischen Programm“ (fortan: Erklärungen des Antragstellers) aus. Die Erklärungen des Antragstellers druckte er sodann aus und ließ sie vom Antragsteller oder dessen Organ/Vertreter unterschreiben. Anschließend lud er den elektronischen Scan des unterschriebenen Formulars wieder über das Onlineportal der IHK zu seinem Antragsvorgang hoch. Das Formular Erklärungen des Antragstellers enthielt unter der Überschrift „2. Erklärungen des Antragstellers zu subventionserheblichen Tatsachen“ unter anderem eine Auflistung der Angaben, die der Bund als subventionserheblich bezeichnet hat.
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Hinweise und Erläuterungen zum Ausfüllen der Online-Eingabemaske des Antrags fanden sich zum einen in online abrufbaren Dokumenten, als diese sind:
- FAQ zur „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ – Dritte Phase (von November 2020 bis Juni 2021) – Stand 02.09.2021 ([in dieser Fassung maßgeblich für die Antragstellung des Angeklagten] fortan: FAQ);
- Texte (Ausfüllhilfen, Erklärungen) in der Applikation Überbrückungshilfe – 3. Phase Antragstellung (fortan: Ausfüllhilfen);
- bayerische Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3, BayMBl. 2021, Nr. 132 (fortan: Richtlinie).
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Zum anderen war die Online-Eingabemaske so konstruiert, dass zu den einzelnen auszufüllenden Feldern Erklärungen und Informationen durch Anklicken eines entsprechenden, je daneben angebrachten Buttons im laufenden Ausfüllvorgang aufgerufen werden konnten (Pop-Ups).
3. Antragstellung des Angeklagten für die AL
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Der Angeklagte AF hatte beschlossen, zur Beantragung von Corona Überbrückungshilfen – neben dem hier abgeurteilten Fall hatte er 14 weitere Anträge gestellt – nicht bei sämtlichen Anträgen unter dem eigenen Namen, sondern teilweise unter dem Namen der bei ihm angestellten Rechtsanwältin Z als prüfender Dritter aufzutreten. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt, spätestens am 04.01.2021, nahm der Angeklagte die beA-Karte der Z aus deren Büro in der Kanzlei F und nutzte sie – samt der PIN, die Z auf einem Zettel auf ihrem Schreibtisch notiert hatte –, um ohne Kenntnis und Einverständnis der Rechtsanwältin eine Registrierung bei der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de im Antragsportal unter der Rechtsanwaltskennung „Z“ vorzunehmen. Anschließend legte er die Karte unbemerkt wieder zurück auf den Schreibtisch im Büro der Rechtsanwältin Z.
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Am 27.10.2021 meldete sich der Angeklagte AF unter dem von ihm erstellten Account auf den Namen der Z als prüfender Dritter auf der Antragsplattform www.ueberbrueckungshilfe.de an. Über das Onlineportal füllte er sodann einen Antrag auf Überbrückungshilfe Corona III für die AL für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 aus. Vor der Antragstellung hatte der Angeklagte die FAQ und die Ausfüllhilfen gelesen und verstanden; er hatte ihren Inhalt beim Ausfüllen präsent in seinem Geiste. Ebenso hat er bei der Antragstellung den Antrag, die Erklärungen des Antragstellers und die jeweiligen Pop-Ups gelesen und verstanden.
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In dem Antrag mit der Antragsnummer … machte er im Einzelnen bewusst wahrheitswidrig folgende unzutreffenden Angaben:
a) Anzahl der Beschäftigten
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Der Angeklagte gab unter dem Punkt „Anzahl der Beschäftigten“ an, die AL hätte diese Anzahl von Mitarbeitern beschäftigt:
Beschäftigte über 30 Stunden und Auszubildende: „8“
Beschäftigte bis 20 Stunden: „2“
Beschäftigte auf 450 Euro-Basis: „2“
Die FAQ erläuterten zur Anzahl der Beschäftigten Folgendes:
„2.2 (…) Ein Unternehmen ist nur dann antragsberechtigt, wenn es wahlweise zum Stichtag 29. Februar 2020 oder zum Stichtag 31. Dezember 2020 zumindest einen Beschäftigten hatte (unabhängig von der Stundenanzahl)“
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Tatsächlich hatte die AL, wie der Angeklagte wusste, zu den beiden Stichtagen 29.02.2020 oder 31.12.2020 keine Beschäftigten im Sinne der Subventionsbedingungen.
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In der Eingabemaske setzte der Angeklagte weiter bewusst wahrheitswidrig bei der Angabe der Fixkosten für jeden einzelnen Monat von November 2020 bis Juni 2021 jeweils einen bestätigenden Haken bei dem Punkt „Es sind Personalaufwendungen entstanden, die nicht vom Kurzarbeitergeld umfasst sind.“
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Die Erklärungen des Antragstellers enthielten unter „2. Erklärungen des Antragstellers zu subventionserheblichen Tatsachen“ unter dem ersten Gliederungspunkt folgenden Hinweis:
„(…) Im Einzelnen sind für die Bewilligung und Gewährung der Zuwendung folgende Tatsachen subventionserheblich im Sinne des § 264 StGB:
- Angaben zum Antragsteller ((..) Zahl der Beschäftigten (…))“
b) dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig
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Der Angeklagte wählte im Antrag unter dem Punkt
Bitte geben Sie die Branche an, in der das Unternehmen schwerpunktmäßig tätig ist (…)“
für die AL als Branche den Eintrag
„Kauf und Verkauf von eigenen Wohngrundstücken, Wohngebäude und Wohnungen“
aus, wobei das Programm hier keine freie Eingabe der Branche gestattete, sondern der Antragsteller aus einem Drop-down-Menu einen der vorgegebenen Vorschläge auswählen musste.
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Bei dem weiteren Punkt
„Aufnahme der Geschäftstätigkeit
Wann wurde mit der Geschäftstätigkeit begonnen?“
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Er setzte in dem Antrag weiter einen bestätigenden Haken bei der Erklärung:
„Der Antragsteller versichert, dass sein Unternehmen vor dem 1. November gegründet bzw. der Geschäftsbetrieb vor dem 1. November 2020 aufgenommen wurde.“
31
In dem Ausdruck der Erklärungen des Antragstellers kreuzte der Angeklagte unter dem Punkt „1. Allgemeine Erklärungen des Antragstellers (bitte ankreuzen, falls zutreffend)“ vor dem Hochladen des Scans des Formulars folgende Erklärung an:
„Der Antragsteller verpflichtet sich, die Bewilligungsstelle von einer dauerhaften Einstellung des Geschäftsbetriebs bzw. Anmeldung der Insolvenz vor Erhalt des Zuschusses unverzüglich zu informieren. In diesem Fall ist die Überbrückungshilfe III zurückzuzahlen.“
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Die Erklärungen des Antragstellers enthielten unter „2. Erklärungen des Antragstellers zu subventionserheblichen Tatsachen“ unter dem dritten Gliederungspunkt folgenden Hinweis:
„(…) Im Einzelnen sind für die Bewilligung und Gewährung der Zuwendung folgende Tatsachen subventionserheblich im Sinne des § 264 StGB: (…)
- Angabe, dass der Antragsteller als Unternehmen dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig ist.“
33
Die AL hatte ihre Geschäftstätigkeit tatsächlich, wie der Angeklagte wusste, bereits spätestens im Jahr 2018 eingestellt und war seitdem nicht mehr wirtschaftlich am Markt tätig. Der Angeklagte wusste ebenfalls, dass die „Einbringung“ der Kanzlei in die AL – jedenfalls soweit es für die Subvention darauf ankam – unwirksam war und daher die Zurechnung ihrer Geschäftstätigkeit an die AL im Rahmen des Antrags nicht erlaubte.
c) Coronabedingte Umsatzeinbrüche
34
Der Angeklagte setzte in dem Antrag einen bestätigenden Haken bei der Erklärung:
„Hiermit erklärt der Antragsteller, dass die angegebenen Umsatzeinbrüche Coronabedingt sind.“
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Er wählte in dem Antrag ferner die Option aus, den Umsatzrückgang je Fördermonat durch Vergleich mit dem monatlichen Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 zu ermitteln. Dazu gab er unter „Monatlicher Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 als Vergleichsumsatz“ in dem Antrag bewusst wahrheitswidrig folgenden Betrag ein:
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Weiterhin machte er für den Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 wie folgt unzutreffende Angaben zu den angeblich entstandenen monatlichen Umsatzrückgängen (Spalte „Betrag Fördermonat“):
Fördermonat
|
Betrag Vergleichsmonat (EUR)
|
Betrag Fördermonat (EUR)
|
Umsatzrückgang
|
November 2020
|
75.627,30
|
20.728,06
|
72,59%
|
Dezember 2020
|
75.627,30
|
20.223,54
|
73,26%
|
Januar 2021
|
75.627,30
|
18.523,03
|
75,51%
|
Februar 2021
|
75.627,30
|
17.308,71
|
77,11%
|
März 2021
|
75.627,30
|
12.535,27
|
83,42%
|
April 2021
|
75.627,30
|
19.733,25
|
73,91%
|
Mai 2021
|
75.627,30
|
19.845,25
|
73,76%
|
Juni 2021
|
75.627,30
|
21.100,45
|
72,10%
|
37
Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass die AL im Jahr 2019 umsatzlos war und daher auch keine coronabedingten Umsatzrückgänge erlitten hat. Der Angeklagte wusste weiterhin, dass die „Einbringung“ der Kanzlei in die AL die Zurechnung ihrer Umsatzeinbrüche an die AL im Rahmen des Antrags nicht erlaubte.
38
In dem Ausdruck der Erklärungen des Antragstellers kreuzte der Angeklagte unter dem Punkt „1. Allgemeine Erklärungen des Antragstellers (bitte ankreuzen, falls zutreffend)“ vor dem Hochladen des Scans des Formulars folgende Erklärung an:
„Der Antragsteller versichert, dass die ihm entstandenen Umsatzeinbrüche, für die Überbrückungshilfe beantragt wird, Coronabedingt sind und dass der Umsatz im Jahr 2020 niedriger als der Umsatz des Jahres 2019 war oder dass ein Nachweis geführt wurde, dass die in Ansatz gebrachten monatlichen Umsatzeinbrüche tatsächlich Coronabedingt sind.“
39
Die Erklärungen des Antragstellers enthielten unter „2. Erklärungen des Antragstellers zu subventionserheblichen Tatsachen“ unter dem fünften und sechsten Gliederungspunkt folgenden Hinweis:
„(…) Im Einzelnen sind für die Bewilligung und Gewährung der Zuwendung folgende Tatsachen subventionserheblich im Sinne des § 264 StGB: (…)
- Angaben zum Umsatz oder zum geschätzten Umsatz in einem Monat oder in mehreren Monaten im Zeitraum Januar 2019 bis Juni 2021 (…) im Einklang mit der Förderrichtlinie
- Erklärung, dass die angegebenen Umsatzeinbrüche Coronabedingt im Sinne des Buchstaben G Ziffer 2 Absatz 7a sind und der prüfende Dritte die Plausibilität der Angaben bestätigt.“
40
Buchstabe G Ziffer 2 Absatz 7a, auf den das Formular Erklärungen des Antragstellers Bezug nimmt, fand sich in den „Vollzugshinweisen für die Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“. Er war dem Angeklagten bei Antragstellung ebenfalls bekannt und lautete wie folgt:
„Liegt der Umsatz eines Unternehmens im Jahr 2020 bei mindestens 100 Prozent des Umsatzes des Jahres 2019 ist grundsätzlich davon auszugehen, dass etwaige monatliche Umsatzschwankungen des Unternehmens nicht Coronabedingt sind, es sei denn, das Unternehmen kann stichhaltig Nachweis führen, dass die in Ansatz gebrachten monatlichen Umsatzrückgänge Coronabedingt sind. Hierfür ist die Bestätigung des prüfenden Dritten zur Plausibilität der Angaben ausreichend. (…)“
41
Der Angeklagte gab im Antrag bewusst wahrheitswidrig an, dass bei der AL im Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 monatlich förderbare Fixkosten angefallen seien. Tatsächlich hatte die AL im Förderzeitraum – wie der Angeklagte wusste – keine berücksichtigungsfähigen monatlichen Fixkosten. Vielmehr hatte die AL im Zeitraum vom 27.06.2019 bis zum 29.09.2021 keinerlei förderbaren Ausgaben zu verzeichnen.
42
Im Einzelnen füllte der Angeklagte im Antragsformular – nachfolgend jeweils in der Spalte Betrag angegeben – mit angeblichen Fixkosten der AL für die jeweiligen Monate wie folgt aus (mit Ausnahme der Zahlen in den Zeilen „12. Personalaufwendungen“ und Gesamtbetrag für den jeweiligen Monat; diese wurden durch das Programm automatisch ergänzt):
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag November 2020 (EUR)
|
55.571,39
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag Dezember 2020 (EUR)
|
55.571,39
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.026,53
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
11.283,16
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.788,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag Januar 2021 (EUR)
|
66.902,54
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
15.782,42
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag Februar 2021 (EUR)
|
71.353,81
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
18.037,05
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag März 2021 (EUR)
|
73.608,44
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
18.037,05
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag April 2021 (EUR)
|
73.608,44
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
9.018,53
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
18.037,05
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag Mai 2021 (EUR)
|
73.608,44
|
Zu fördernde Fixkosten
|
Betrag (EUR)
|
12. Personalaufwendungen
|
10.552,67
|
23. Eigenkapitalzuschuss
|
21.105,35
|
01. Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten
|
5.800,00
|
02. Weitere Mietkosten
|
4.748,02
|
03. Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen
|
9.300,00
|
04. Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50%
|
8.732,58
|
05. Finanzierungskostenanteil von Leasingraten
|
1.800,01
|
06. Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung
|
2.800,22
|
07. Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung
|
1.823,57
|
08. Grundsteuern
|
288,00
|
09. Betriebliche Lizenzgebühren
|
900,00
|
10. Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben
|
8.900,23
|
11. Kosten für prüfende Dritte, die im Rahmen der Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe anfallen
|
7.670,74
|
13. Kosten für Auszubildende
|
900,00
|
24. Ausgaben für Hygienemaßnahmen
|
560,23
|
Betrag Juni 2021 (EUR)
|
85.881,62
|
43
In den FAQ wurde zu den Personalkosten bei den Fixkosten folgendes erläutert:
„2. Wie viel Corona-Überbrückungshilfe wird gezahlt? (…)
Personalkosten, die nicht vom Kurzarbeitergeld erfasst sind, werden pauschal mit 20% der Fixkosten der Nr. 1 bis 11 dieser Tabelle berücksichtigt. Dem Unternehmen müssen hierfür Personalkosten entstehen und es dürfen nicht alle Angestellten in kompletter Kurzarbeit sein (…)“
44
Die Erklärungen des Antragstellers enthielten unter „2. Erklärungen des Antragstellers zu subventionserheblichen Tatsachen“ unter dem neunten Gliederungspunkt folgenden Hinweis:
„(…) Im Einzelnen sind für die Bewilligung und Gewährung der Zuwendung folgende Tatsachen subventionserheblich im Sinne des § 264 StGB:
e) Abgabe des Antrags / prüfender Dritter
45
Der Angeklagte druckte den Antrag sowie die Erklärungen des Antragstellers sodann aus und setzte händisch – wie dargelegt – sämtliche Kreuze auf dem Ausdruck des Formulars „Erklärungen des Antragstellers“ unter „1. Allgemeine Erklärungen des Antragstellers (bitte jeweils ankreuzen, falls zutreffend)“. Sodann legte er seiner Ehefrau zumindest die vorletzte Seite der Erklärungen des Antragstellers, die seitens des Antragstellers zu unterzeichnen war, am 28.10.2021 zur Unterschrift vor. Diese Formularseite enthielt neben zwei Unterschriftenzeilen etwa in der Mitte der Seite im oberen Bereich die Fortsetzung der Auflistung einzelner Punkte die als subventionserheblich galten. Vor der ersten Unterschriftenzeile lautete der Formulartext wie folgt:
„Dem Antragsteller ist bekannt, dass es sich bei diesen Angaben um subventionserhebliche Tatsachen gemäß § 264a StGB i.V.m. § 2 des Subventionsgesetzes (…) und des jeweiligen Landessubventionsgesetzes handelt. Dem Antragsteller ist bekannt, dass vorsätzlich oder leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben sowie das vorsätzliche oder leichtfertige Unterlassen einer Mitteilung über Änderungen in diesen Angaben die Strafverfolgung wegen Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) zur Folge haben können (…).“
46
Die zweite Unterschriftenzeile bezog sich auf eine Datenschutzrechtliche Einwilligungserklärung für die Beantragung von zusätzlicher Förderung aus Landesmitteln. Die Angeklagte unterschrieb das ihr vorgelegte Blatt in beiden Unterschriftszeilen, ohne den genauen Inhalt des Antrags zur Kenntnis genommen zu haben. Der Angeklagten war dabei bekannt, dass die AL im Förderprogramm der Überbrückungshilfe Corona III mangels Geschäftstätigkeit nicht förderfähig war. Bei gebotener Durchsicht der Dokumente hätte sie erkannt, dass der Antrag auf Überbrückungshilfe Corona III die AL betraf.
47
Der Angeklagte scannte sodann den von der Angeklagten unterschriebenen Ausdruck der Erklärungen des Antragstellers ein, lud ihn hoch und reichte ihn samt dem Antrag am 28.10.2021 elektronisch bei der IHK ein. Er wusste, dass die von ihm gemachten falschen Angaben jeweils subventionserheblich waren.
48
Er erkannte, dass er selbst als Rechtsanwalt ohne Zulassung nicht prüfender Dritter sein konnte. Ihm war weiter bewusst, dass die IHK aufgrund seiner Antragstellung unter dem Account der Z davon ausgehen würde, dass nicht er, sondern Rechtsanwältin Z bei der Antragstellung als prüfende Dritte fungierte. Dementsprechend vermerkte das Programm der Antragsplattform auf dem Eingabeformular: „Antragstellung durch Z“, was der Angeklagte wahrnahm. Bei der Angabe zur Identität des prüfenden Dritten handelte es sich, wie der Angeklagte wusste, um eine subventionserhebliche Tatsache. Bei der Erklärung, dass der prüfende Dritte die Plausibilität der Angaben zu den angebenden Umsatzeinbrüchen bestätigt, handelt es sich, wie der Angeklagte weiterhin wusste, ebenfalls um eine subventionserhebliche Tatsache.
II. Bewilligung der Überbrückungshilfe und Mittelverwendung
49
Aufgrund der Angaben in dem Antrag und in den Erklärungen des Antragstellers bewilligte die IHK mit Bescheid vom 27.12.2021 für die AL Überbrückungshilfe Corona III in Höhe von 556.106,07 €. Dieser Betrag wurde am 04.01.2022 auf dem Geschäftskonto der AL bei der … Bank mit der IBAN … gutgeschrieben. Für dieses Konto waren beide Angeklagte jeweils verfügungsberechtigt.
50
Der Bescheid vom 27.12.2021 enthielt unter Ziffer 4 folgende Bestimmung:
„Die Überbrückungshilfe ist zweckgebunden und dient ausschließlich dazu, Unternehmen, Soloselbständigen und selbständigen Angehörigen der freien Berufe eine weitergehende Liquiditätshilfe in Form einer anteiligen Erstattung von betrieblichen Fixkosten zu gewähren und so zu ihrer Existenzsicherung beizutragen. Sie dürfen die Überbrückungshilfe nur zur Deckung der förderfähigen Fixkosten verwenden, wie in den unter Ziffer 1 der Hauptbestimmungen dieses Bescheides genannten Rechtsgrundlagen beschrieben.“
51
Unter Ziffer 1 des Bescheides findet sich dann die Benennung der Rechtsgrundlagen: „AL (…) erhält als Billigkeitsleistung gemäß Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung, der dazugehörigen Verwaltungsvorschriften und der Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) (…) in der jeweils geltenden Fassung (…)“
52
Dem Angeklagten war dieser Hinweis bekannt. Dennoch – weil er eine andere, zweckwidrige Verwendung der Geldmittel für sinnvoller hielt – verfügte er nach Eingang der Überbrückungshilfe auf dem Konto der AL per online-Banking am 04.01.2022 um 23:07 Uhr die Überweisung eines Betrages von 556.691 € auf das ebenfalls bei der …Bank geführte Kontokorrentkonto der X GmbH & Co. KG mit der IBAN … unter Angabe des Verwendungszwecks „Übertragung Einlage“. Am 11.01.2022 überwies der Angeklagte hiervon 500.000 € auf das Konto der L GmbH mit der IBAN … unter Angabe des Verwendungszwecks „Kaufpreis … Str. 68 N…“. Dem Angeklagten war dabei bewusst, dass er durch die im Anschluss an die Gutschrift der bewilligten Subvention erfolgten Überweisungen den Subventionsbetrag in Höhe von 556.106,07 € entgegen der im Bescheid vom 27.12.2021 genannten Verwendungsbeschränkung verwendete. Das tat er, weil er sich wirtschaftlich in Schwierigkeiten befand und ihm die Vorgaben des Bewilligungsbescheides gleichgültig waren. Er meinte, das Geld für den Grundstückkauf sinnvoller einsetzen zu können.
53
Bei der X GmbH & Co. KG mit Sitz in der …straße, S, handelte es sich um die Gesellschaft, in der das Immobilienvermögen beider Angeklagter gebündelt war. Sie war Eigentümerin des gemeinsamen Wohnanwesens, des Gebäudes, in dem der Angeklagte seine Kanzlei betrieb, und weiterer vermieteter Immobilien. Die Gesellschaft wurde am 21.03.2017 unter HRA … im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg eingetragen. Kommanditisten waren der Angeklagte AF mit einer Einlage von 1.300 € und die Angeklagte BF mit einer Einlage von 100 €.
54
Die Komplementärin der X GmbH & Co.KG, die X GmbH mit Sitz in S, wurde am 20.04.2006 unter HRB … im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb sowie das Halten und Verwalten und die Veräußerung von Grundstücken, Rechten an Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Rechten an grundstücksgleichen Rechten, die Tätigkeit als Bauträger gemäß § 34c GewO sowie die Übernahme der persönlichen Haftung bei der X GmbH & Co. KG. Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH war vom 23.12.2005 bis 27.09.2021 die Angeklagte BF. Am 27.09.2021 wurde PB zum Geschäftsführer bestellt, der jedoch am selben Tag wieder abberufen wurde. Seit dem 27.09.2021 ist der Angeklagte AF Geschäftsführer der X GmbH. Tatsächlich übte er diese Funktion bereits seit der Gründung der Gesellschaft am 23.12.2005 in einem maßgeblichen Umfang aus. PB war zwischen dem 15.03.2017 und dem 27.09.2021 alleiniger Gesellschafter. Seit 27.09.2021 ist der Angeklagte AF alleiniger Gesellschafter der X GmbH.
55
Die L GmbH mit Sitz in der …straße, S, wurde am 04.11.2021 unter HRB … im Handelsregister des Amtsgerichts Nürnberg eingetragen. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerb sowie das Halten und Verwalten und die Veräußerung von Grundstücken, Rechten an Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Rechten an grundstücksgleichen Rechten, die Tätigkeit als Bauträger gemäß § 34c GewO sowie die Übernahme der persönlichen Haftung in der X GmbH & Co. KG. Geschäftsführerin der L GmbH war LF, die Tochter beider Angeklagter. Tatsächlich übte der Angeklagte AF von Beginn an die Funktionen eines Geschäftsführers für die L GmbH in einem maßgeblichen Umfang aus. Am 27.09.2021 beschlossen die Angeklagten, dass die L GmbH anstelle der X GmbH Komplementärin der X GmbH & Co. KG werden solle, was aber im Handelsregister noch nicht registriert ist.
I. Persönliche Verhältnisse
II. Der Subventionsbetrug
1. Einlassungen der beiden Angeklagten
56
Der Angeklagte hat zunächst über zwei Verhandlungstage seine Sicht der Dinge ausgeführt und dann im Verlauf des weiteren Prozesses – teils in Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Stand der Beweisaufnahme – weitere Erklärungen vorgetragen.
57
Dabei gab er an, sämtliche unternehmerischen Entscheidungen betreffend die AL, die X GmbH & Co. KG, die L GmbH und die Anwaltskanzlei allein getroffen und deren jeweilige Geschäfte selbst geführt zu haben, unabhängig davon, wer tatsächlich formell als Geschäftsführer bestellt war. Er habe die AL unter der Firma A GmbH im Jahr 2004 mit seinen damaligen Kanzleikollegen als Anwaltshotline gegründet. Die Angeklagte BF sei damals als Geschäftsführerin eingesetzt worden. Die Geschäfte der GmbH habe jedoch er geführt. Im Jahr 2013 seien seine ehemaligen Kanzleikollegen aus der GmbH ausgestiegen. Der ihm bekannte NS sei dann auf ihn zugekommen, da er Hilfe bei der Vermarktung dreier Grundstücke in S benötigt habe, die ihm, NS, und seiner Ehefrau gehörten. Da habe er, der Angeklagte, bereits einen Ruf als Bauanwalt und Fachmann für Immobilien gehabt. Die beiden hätten daher beschlossen, die drei Grundstücke zu beplanen und sodann sukzessiv mit der Planung oder schon einer Bebauung zu veräußern. Dies sollte sich im weitesten Sinne als Bauträgerprojekt gestalten. Im Jahr 2015 habe deshalb die Umfirmierung der GmbH in AL und die Änderung des Gesellschaftszwecks zur Projektentwicklung stattgefunden. Gesellschafter der AL seien NS und die Angeklagte BF geworden, jeweils mit der Hälfte der Gesellschaftsanteile. BF sei zunächst zusammen mit Frau TS – der Ehefrau des NS – und ab 2017 allein Geschäftsführerin der GmbH gewesen. Tatsächlich habe es sich bei beiden Ehefrauen lediglich um Strohgeschäftsführerinnen gehandelt, die nichts zu bestimmen gehabt hätten; er, der Angeklagte, habe die Firma geführt. Dies – Gesellschafter NS und BF mit einer Beteiligung von je 50% und alleinige Geschäftsführerin BF – seien auch die formellen Verhältnisse in der AL zum Zeitpunkt der Antragstellung der Überbrückungshilfe im Jahr 2021 gewesen.
58
NS habe irgendwann kein Interesse mehr an dem Projekt AL gehabt und habe ihm, AF, angeboten, die drei Grundstücke in S für 800.000 € zu kaufen. Ihm sei der Preis aber zu hoch gewesen, weshalb er sie nicht erworben habe. NS habe die Gesellschaft dann gekündigt und sei von da an nicht mehr in der AL tätig geworden. Man habe sich in der Folgezeit nicht über einen Preis für NS´s Gesellschaftsanteile einigen können. Es sei daher zu einem Rechtsstreit gekommen. In erster Instanz sei ein Urteil ergangen, wonach die AL verpflichtet sei, den Gesellschaftsanteil von NS zu übernehmen. Das Urteil sei nicht rechtskräftig, da der Angeklagte als Anwalt der AL Berufung eingelegt habe. Er hätte seine Berufung jederzeit zurücknehmen können, um die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils herbeizuführen. Das habe er aber nicht getan, weil man sich über das Geld nicht habe einigen können und weil beide – AF und NS – stur seien und es für den Angeklagten letztlich nicht infrage gekommen sei, S nachzugeben. Die AL jedenfalls sei zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin der drei Baugrundstücke gewesen.
59
Am Nachmittag des 21.11.2019 hätten sowohl der Angeklagte als auch seine Frau beim Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft abgegeben. Dem Angeklagten sei es darum gegangen, dass seine Kanzlei nicht abgewickelt würde, sondern für seine Tochter LF, die damals Jura studiert habe, erhalten bliebe. LF, so sei seine Idee gewesen, habe die Kanzlei irgendwann fortführen sollen. Zu diesem Zweck habe er beschlossen, die Kanzlei in die AL „einzubringen“. Am Vormittag des 21.11.2019 hätten er und seine Frau daher den Notar Dr. B aufgesucht und er habe sich alle Geschäftsanteile der AL übertragen lassen. Dabei habe BF hinsichtlich der Gesellschaftsanteile des NS als Vertreterin ohne Vertretungsmacht gehandelt, sodass die Übertragung seiner Anteile von NS´s Genehmigung abhängig gewesen sei. Dies habe dann nur noch umgesetzt werden müssen. Die Zustimmung von NS habe noch ausgestanden und sei von diesem letztendlich verweigert worden.
60
Seit November 2019 sei er auch als freiberuflich juristischer Mitarbeiter für die AL tätig gewesen. Die AL habe zuvor keine Mitarbeiter gehabt. Seine Tätigkeit für die AL habe er auch in seiner Vermögensauskunft angegeben und dem Gerichtsvollzieher dazu wahrheitsgemäß mitgeteilt, er würde dafür keinerlei Entgelt erhalten. Dazu habe der Gerichtsvollzieher gesagt, das sei absolut unglaubhaft, weswegen er, AF, dann in der Vermögensauskunft angegeben habe, monatlich 1.000 € von der AL zu erhalten. Dies sei tatsächlich nicht der Fall gewesen. Weder die Angeklagte BF noch er hätten je einen Cent von der AL erhalten. Weiterhin habe er in der Vermögensauskunft auch mitgeteilt, dass er seine Rechtsanwaltskanzlei in die AL eingebracht habe.
61
Zu der Einbringung der Kanzlei in die AL habe er zwei Dokumente aufgesetzt: eine Einbringungsvereinbarung vom 11.11.2019 sowie eine Vereinbarung zu Treuhandkonten vom 17.11.2019. Er habe die Aktiva der Kanzlei eingebracht. Dies sei teilweise schwebend unwirksam gewesen, die Mandanten hätten dann aber nachträglich zugestimmt, so dass eine wirksame Übertragung stattgefunden habe. Die Vereinbarung zu den Treuhandkonten habe zum Gegenstand gehabt, dass die auf den Namen des Angeklagten laufenden Kanzleikonten zu Treuhandkonten wurden. Alle Umsätze und Ausgaben seien deshalb der AL zuzuordnen gewesen. Auch im Nachgang habe er die Integration der Kanzlei in die AL vorangetrieben. Natürlich habe die Zulassung der Rechtsanwaltskammer noch gefehlt. Die Kanzlei sei aber erstmal in der AL „geparkt“ gewesen und hätte jederzeit aktiviert werden können, hätte die Rechtsanwaltskammer die Tätigkeit standesrechtlich genehmigt. Der Angeklagte gab an, bereits eine Mustersatzung von der Rechtsanwaltskammer für die Umgestaltung der AL in eine Rechtsanwalts-GmbH eingeholt zu haben. Auch habe er schon einen neuen Briefkopf für die Rechtsanwaltsgesellschaft entwerfen lassen. Das habe dann jedoch Ärger mit der Rechtsanwaltskammer N. gegeben, die sich auf den Standpunkt gestellt habe, er dürfe einen Briefkopf einer noch inexistenten Rechtsanwaltsgesellschaft in Gründung nicht verwenden.
62
Ebenfalls am 17.11.2019 habe er auch einen Mietvertrag für die AL über das Kanzleigebäude geschlossen. Die AL sollte künftig gegenüber der Vermieterin – der X GmbH & Co. KG – als Mieterin der Kanzleiräume fungieren. Die Monatsmiete sollte dabei zunächst gestundet werden. Die AL sei ja ein Zuschussbetrieb gewesen, in das man Geld hineinstecken habe müssen.
63
Im Jahr 2020 habe er alle Mandanten seiner Kanzlei anschreiben lassen. Diese hätten größtenteils dem Übergang des Mandatsverhältnisses auf die künftige A. GmbH zugestimmt, so dass eine wirksame Übertragung stattgefunden habe. Mangels Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer habe die AL aber noch nicht auf dem Markt tätig sein können. Deshalb sei vereinbart gewesen, dass die Kanzlei die Sache kommissarisch als verdeckte Treuhand nach außen übernehme. Die Kanzlei habe nach außen hin unverändert weitergearbeitet. Wirtschaftlich berechtigt und verpflichtet sei jedoch ausschließlich die AL gewesen.
64
Die Kanzleieinrichtung und auch die Einrichtung seines mit der Mitangeklagten bewohnten Hauses habe er bereits im Jahr 2016 an seine Tochter LF veräußert, um einer möglichen Pfändung zu entgehen.
65
Im Jahr 2021 habe er, der Angeklagte, ein eigenes Geschäftskonto für die AL eröffnet. Einen E-Mail-Account für die AL habe er eigens für die Antragstellung eingerichtet. Zuvor sei für die AL die Kanzlei-E-Mail-Adresse genutzt worden. Er habe weiter den Zeugen N, den Buchhalter der Kanzlei, angewiesen, das Kanzleipersonal bei der Sozialversicherung von der Kanzlei rückwirkend auf die AL umzumelden. Er, AF, habe damit erreichen wollen, dass die Kanzleimitarbeiter nicht in sein Insolvenzverfahren, das auch die Kanzlei betroffen hätte, hineingezogen werden. Er habe daher gewollt, dass die Mitarbeiter von der Kanzlei wegkommen und dort hinkommen, wo sie eigentlich ohnehin hingehören. Die Beschäftigungsverhältnisse dieser Kanzleimitarbeiter habe er mit Ausnahme eines Mitarbeiters, den er vergessen habe, im anklagegegenständlichen Antrag der AL angegeben.
66
Den Antrag auf Überbrückungshilfe für die AL habe er gestellt. Beim Ausfüllen des Antrags habe ihm eine weitere Person – deren Namen wollte er nicht angeben – geholfen, die jedoch im Einzelnen von ihm angewiesen worden sei. Die Häkchen in der Schlusserklärung habe der Angeklagte selbst gesetzt. Die FAQ, die der Bund als Leitfaden für den prüfenden Dritten aufgestellt habe, habe er ebenso gelesen wie die Ausfüllhilfen der Überbrückungshilferichtlinien. Vor Versendung des Antrags habe er die im Formular als subventionserheblich genannten Punkte durchgelesen und die weiteren Erklärungen angekreuzt. Der Normtext des § 264 StGB sei ihm ebenfalls bekannt gewesen.
67
Zur Stellung des Antrags habe er sich am 27.10.2021 mit der beA-Karte der in seiner Kanzlei angestellten Rechtsanwältin Z auf der Antragsplattform eingeloggt. Hierzu habe man die Karte in das Lesegerät stecken müssen und das Antragssystem geöffnet. Man habe dann die PIN eingegeben und sei automatisch in das System gelangt. Bei der Erstregistrierung habe er als Antragsteller ein Konto eingerichtet, das für sämtliche Anträge und für die gesamte Kommunikation genutzt werde. Am Ende des Registrierungsvorgangs sei eine sogenannte OTP-App erforderlich. Über diese erfasse man einen QR-Code am Ende des Registrierungsvorgangs und erhalte einen sechsstelligen Code, den man dann bei der Registrierung eingeben müsse. Die OTP-App habe man nur einmal verwenden müssen. Wenn eine Antragstellung über ein bestimmtes Konto begonnen wurde, habe man die entsprechende beA-Karte zwingend weiterverwenden müssen, um wieder in die Kommunikation auf der Antragsplattform zu gelangen. Es sei nicht möglich gewesen, hier mit zwei unterschiedlichen beA-Karten zu arbeiten. Vielmehr habe man mit der Karte arbeiten müssen, mit welcher der ursprüngliche Antrag gestellt worden sei.
68
Seine Ehefrau habe lediglich für ein paar Sekunden an der Unterschriftsleistung der Schlusserklärung mitgewirkt und weder Kenntnis von dem Inhalt des Antrags noch der Schlusserklärung gehabt. Den Antrag selbst habe man nicht unterschreiben müssen. Die handschriftlich ausgefüllten und unterschriebenen Seiten habe er sodann eingescannt und der IHK übersandt.
69
Er sei zur Tatzeit zugelassener Rechtsanwalt gewesen und hätte den Antrag auch mit seiner eigenen beA-Karte stellen können. Dennoch habe er sich dafür entschieden, Z darum zu bitten, ihm dafür ihre beA-Karte zur Verfügung zu stellen. Frau Z habe er im April 2020 als junge Rechtsanwältin nach dem Referendariat in der Kanzlei eingestellt. Ende 2020 habe er einen Antrag auf Überbrückungshilfe für sein Fitnessstudio B stellen wollen. Er habe das zunächst mit seiner eigenen beA-Karte versuchen wollen, jedoch Sorge wegen seines Berufsverbots gehabt. Er habe, was ihm klar gewesen sei, nicht nach außen hin als Anwalt auftreten dürfen. Daher habe er gedacht, es sei besser, den Antrag nicht mittels der eigenen beA-Karte zu stellen. Er habe deswegen am 26.11.2020 eine E-Mail an Z geschrieben, ihr die Situation erläutert und sie gefragt, ob sie sich nicht auch auf der Antragsplattform registrieren lassen wolle. Etwa eine halbe Stunde später habe er ihr dann geschrieben, dass es mit seiner Karte funktioniere.
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Noch vor Weihnachten 2020 habe Z ihn darauf angesprochen, was es mit dem Antrag auf sich habe. Er habe ihr alles erläutert und auch erklärt, dass die Kanzlei erhebliche coronabedingte Umsatzeinbrüche habe und dass das natürlich auf die AL durchschlage. Er wisse jedoch noch nicht, ob er da – bezogen auf die AL – auch einen Antrag stellen werde. Der Antrag für die AL sei der letzte Antrag gewesen, den er gestellt habe und er habe sich die Antragstellung reiflich überlegt. Z habe ihm daraufhin mitgeteilt, dies sei kein Problem, er könne ihre beA-Karte nutzen und selbst der Sachbearbeiter sein. Sie müsste sich andernfalls erst selbst in die Sache einarbeiten, was sehr aufwändig geworden wäre. Der Angeklagte habe ihr dann erklärt, er sei einverstanden und werde die Zahlen aus der Buchhaltung verwenden. Die Absprache mit Z sei eine Art Blankovollmacht gewesen. Sie habe gewusst, dass sie durch die Überlassung ihrer beA-Karte an AF als Sachbearbeiterin des Antrags gelten werde. Die eigentliche Arbeit habe aber der Angeklagte machen sollen. Z habe ihm erlaubt, ihre beA-Karte zur Antragstellung zu verwenden und habe ihm auch mitgeteilt, dass sich diese auf ihrem Schreibtisch oder in der Schreibtischschublade befinde. Sie habe ihn weiter auf einen gelben Zettel hingewiesen, auf dem die PIN notiert gewesen sei. Der habe sich ebenfalls auf dem Schreibtisch befunden. Mit dem Verschwinden der beA-Karte von Frau Z habe er nichts zu tun gehabt.
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Z habe für die Überlassung ihrer beA-Karte aber Geld gewollt. Sie habe eine Geschäftsgebühr aus dem Wert des Antragsvolumens verlangt. Im Januar oder Februar sei sie dann auf ihn zugekommen und habe gefragt, mit welchem Betrag sie rechnen könne. Der Angeklagte gab an, zu diesem Zeitpunkt noch nicht gewusst zu haben, was das Ergebnis der Anträge sein würde. Er habe deshalb eine geschätzte Zahl von 12.000 € als möglichen Gebührenwert für sie in den Raum gestellt. Z habe ihn dann gefragt, wie die Rechnung aussehen solle, die sie für das Geld stellen solle und die Rechnungen seinen Vorgaben entsprechend erstellt. Insgesamt habe Z drei Rechnungen gestellt. Die Rechnungen habe sie jeweils als freiberufliche Rechtsanwältin an die Kanzlei gestellt.
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Das erste Mal habe er dann am 04.01.2021 einen Coronahilfeantrag mit der beA-Karte von Z gestellt. Dies sei ein Antrag für die Kanzlei gewesen. Der Antrag sei jedoch nicht durchgegangen. Am 23.01.2021 habe er im Namen der Rechtsanwältin Z einen Coronahilfeantrag für die X GmbH & Co. KG gestellt. Es habe sich hier um einen Antrag auf Überbrückungshilfe II gehandelt. Am 26.03.2021 habe er für die X GmbH & Co. KG einen weiteren Antrag auf Überbrückungshilfe III gestellt. Am 26.03.2021 habe er Z dann per iMessage darauf hingewiesen, dass sie Rechnungen für die Überbrückungshilfen stellen dürfe. Sie habe darauf mit „ich verstehe nicht ganz“ geantwortet, da sie enttäuscht darüber gewesen sei, dass der von ihm genannte Betrag nun geringer sei als die zunächst in den Raum gestellten 12.000 €. Er habe ihr daraufhin mitgeteilt, dass sie im Juni nochmal eine Rechnung stellen könne. Z habe am 29.03.2021 und 04.06.2021 jeweils eine Rechnung gestellt. Dazwischen habe sie noch eine weitere dritte Rechnung für die Überbrückungshilfen gestellt.
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Es sei zwischen ihm und Z vereinbart gewesen, dass nur bewilligte Anträge bezahlt werden. Man könne nicht sagen, wie viele Anträge genau hinter der Rechnung vom 04.06.2021 stehen, was die also abgelten solle. Der Angeklagte habe Z quasi im Vorgriff auf noch zu erwartende Coronahilfeanträge bzw. die entsprechenden Auszahlungen die Rechnungen stellen lassen. Die Rechnungen seien auch für die Zukunft gedacht gewesen.
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Es treffe zu, dass er für die Kanzlei gesonderte Anträge auf Überbrückungshilfe gestellt habe. Dies sei aus steuerlichen Gründen geschehen.
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Zu dem Anklagevorwurf, die in dem Überbrückungshilfeantrag angegebene Anzahl der Beschäftigten sei unzutreffend, führte der Angeklagte aus, die AL habe die im Antrag angegebenen Beschäftigen gehabt. Zum einen sei er selbst Beschäftigter der AL gewesen, da er dort seit 2019 als freiberuflicher juristischer Mitarbeiter tätig gewesen sei. Zum anderen seien auch die Kanzleimitarbeiter Mitarbeiter der AL gewesen, da sie rückwirkend auf die AL umgemeldet worden seien. Jedenfalls seien die Arbeitsverhältnisse der Kanzleimitarbeiter mit der Einbringung der Kanzlei auf die AL übergegangen. Darüber hinaus sei die genaue Zahl der Beschäftigten irrelevant, da lediglich ein Mitarbeiter erforderlich war, um 20% der Fixkosten als Personalkostenpauschale zu erhalten.
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Zu dem Anklagevorwurf, er habe im Überbrückungshilfeantrag wahrheitswidrig angegeben, die AL sei dauerhaft wirtschaftlich am Markt tätig, führte der Angeklagte aus: Die AL sei seit ihrer Gründung im Jahr 2004 bis Ende 2022 durchgehend geschäftstätig gewesen. Zwar möge es von außen so ausgesehen haben, als hätte es ab 2019 keine Geschäftstätigkeit mehr gegeben, dies sei jedoch unzutreffend. Die AL sei sowohl ihrem ursprünglichen Geschäftszweck – der Verwirklichung des Bauvorhabens – nachgegangen als auch – nach Einbringung der Kanzlei – der Tätigkeit einer Rechtsanwaltskanzlei. Die Projektentwicklung für die drei Grundstücke in der … Straße sei stets vorangetrieben worden, so dass die AL in diesem Geschäftszweig bis zur Inhaftierung des Angeklagten im Januar 2022 am Markt tätig gewesen sei. Man habe für das Projekt Prospekte erstellt. Ende 2016 bzw. 2017 seien Planungen erstellt und eine Baugenehmigung erteilt worden, die für drei Jahre gelten sollte. Am 26.12.2019 habe der Angeklagte dann eine Verlängerung der Baugenehmigungen beantragt. Das Projekt sei erwartungsgemäß zunächst ein Zuschussgeschäft gewesen, das über Einlagen und Darlehen finanziert worden sei. Die AL selbst habe zunächst kein Geld generiert und hätte dies in dem Branchengegenstand als Bauträger auch die nächsten Jahre nicht getan. Im Jahr 2021 sei eine Firma aus F – an deren Namen konnte sich der Angeklagte nicht erinnern – auf ihn zugekommen und habe die Planung kaufen wollen, die die AL entwickelt habe. Daraus sei aber nichts geworden, denn S habe seine Grundstücke nicht hergeben wollen.
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Seine Angaben im Antrag zu coronabedingten Umsatzeinbrüchen seien zutreffend gewesen. Durch die Einbringung der Kanzlei in die AL und die Konstruktion mit den Treuhandkonten seien die Umsätze der Kanzlei zu Umsätzen der AL geworden. Eingehendes Geld auf den Treuhandkonten sei in derselben Sekunde Geld der AL geworden. Die Pandemiesituation habe dazu geführt, dass die Kanzlei die im Antrag bezifferten Umsatzeinbrüche gehabt habe. Viele Gerichtstermine seien ausgefallen, was in der Folge zu weniger Einnahmen geführt habe, da Verfahren nicht abgeschlossen und abgerechnet haben werden können.
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Zu dem Anklagevorwurf, der Angeklagte habe in dem Antrag nicht entstandene Fixkosten aufgeführt, erklärte der Angeklagte, die angegebenen Fixkosten seien identisch mit denen der Kanzlei. Er habe dieselben Kosten bei zwei Anträgen abgerechnet, aber insoweit liege kein Doppelantrag vor, denn er habe für die AL und für die Kanzlei jeweils nur einen Antrag gestellt.
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Zu dem Anklagevorwurf, er habe in dem Antrag über die Person des prüfenden Dritten getäuscht, gab der Angeklagte an, er sei bei der Antragstellung prüfender Dritter gewesen. Im Ergebnis sei es so gewesen, dass es zwei prüfende Dritte gegeben habe: Ihn selbst und die Rechtsanwältin Z. Er sei prüfender Dritter hinter dem prüfenden Dritten gewesen. Es habe letztlich keine Rolle gespielt, dass Z im Antrag als prüfender Dritter erfasst gewesen sei, da der Antrag ebenso bewilligt worden wäre, hätte er ihn selbst über einen auf seinen Namen laufenden Account mit seiner eigenen beA-Karte gestellt. Dass er ein Berufsverbot gehabt habe, sei allgemein bekannt gewesen. Man habe auch bestätigen müssen, dass man zur Kenntnis genommen habe, dass dies von der IHK nachgeprüft werden könne.
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Die bewilligte Subvention habe er auch zweckgemäß verwendet. Nach seinem Verständnis habe er von der Subvention ungedeckte Fixkosten beglichen, indem er Schulden der AL bei der X GmbH & Co. KG beglich. Die X GmbH & Co. KG habe der AL diverse Darlehen zur Verfügung gestellt. So habe die X GmbH & Co. KG der AL im Zeitraum 08. bis 30.12.2021 einen Betrag von 161.000 € darlehensweise überlassen, um dringende Zahlungen zu leisten. Im Jahr 2021 habe die X GmbH & Co. KG der AL ein weiteres Darlehen von 107.473 € gegeben und Gehaltszahlungen in Höhe von 53.702,39 € für die AL geleistet. Darüber hinaus seien ab 2019 rückständige Mieten in Höhe von 174.000 € für die Kanzleiräume gegenüber der X GmbH & Co. KG aufgelaufen, die zunächst gestundet worden seien. Insgesamt habe es sich um einen Betrag in Höhe von 496.175,33 € gehandelt. Hinzu seien die schon vor Jahren entstandenen Projektentwicklungskosten aus dem AL Quartiersprojekt in der … Straße in Höhe von 90.305,36 € gekommen. Insgesamt habe die AL daher Schulden in Höhe von 586.480,69 € bei der X GmbH & Co. KG gehabt. Er habe daher gleich am 04.01.2022 nach Eingang der Subvention auf dem Konto der AL 556.106,07 € auf das Konto der X GmbH & Co. KG überwiesen. 500.000 € habe er sodann am 11.01.2022 vom Konto der X GmbH & Co. KG an die L GmbH weitergeleitet, damit davon der Kaufpreis für ein Grundstück bezahlt werde. Mit diesem Vorgehen habe er im Sinne des Subventionsgebers gehandelt. Denn das Ziel der Subvention sei es gewesen, dass das subventionierte Unternehmen wirtschaftlich überlebe. Das habe die AL getan, indem deren Schulden bezahlt worden seien.
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Der Angeklagte gab weiter an, den Coronahilfeantrag im Mai 2022 zurückgenommen zu haben. Dies sei geschehen, da die AL in die Insolvenz gefallen und aufgelöst worden sei. Er habe gewusst, dass deshalb die Ausführung der Subvention keinen Sinn mehr machen würde. In der Rücknahme des Antrags liege aus seiner Sicht auch eine tätige Reue im Sinne des § 264 Abs. 6 StGB.
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Die Angeklagte BF gab zunächst über ihren Verteidiger eine Einlassung ab, welche sie als richtig bestätigte und machte dann im Laufe des Prozesses ergänzende Angaben.
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Sie sei aus allen Wolken gefallen, als sie von Polizei und Gericht mit den Tatvorwürfen konfrontiert worden sei. Es treffe zu, dass sie den Antrag unterschrieben habe. Kenntnisse vom Inhalt des Antrags habe sie jedoch nicht gehabt. Ihr Ehemann habe ihr – entsprechend der langjährigen Übung in ihrer Ehe – ohne nähere Information oder Erklärung des Inhalts des Antrags die letzten Seiten bzw. die letzte Seite des Antrags zur Unterschrift vorgelegt. Den vollständigen Antrag habe sie nicht gesehen, auch bei den anderen Anträgen nicht. In ihrer Ehe mit dem Angeklagten, den sie seit 44 Jahren kenne und dem sie vertraue, habe es sich so eingespielt, dass der Angeklagte sich um die finanziellen und wirtschaftlichen Belange der Familie gekümmert habe und sie dafür nicht zuständig sei. Sie habe auch nicht die fachliche Expertise, um derartige Anträge zu bearbeiten. Die Schreiben seien von ihr quasi im Vorbeigehen unterschrieben worden. Sie habe sich hierüber keine Gedanken gemacht, aber auch nicht nachgefragt, da sie sich auf ihren Ehemann verlassen habe. Aus jetziger Sicht hätte sie vielleicht nachfragen müssen. Sie habe ihren Namen für die Unterschriften hergegeben. Zwar habe sie gewusst, dass sie Geschäftsführerin der AL gewesen sei, allerdings habe sie gedacht, ihr könne nichts passieren, da sie ja nichts gemacht habe. Den Antrag selbst habe sie weder ausgefüllt noch Ankreuzungen vorgenommen. Sie habe in ihrem Leben sehr viel und alles unterschrieben, was der Angeklagte ihr vorgelegt habe. Es sei in ihrer Ehe so üblich gewesen, dass sie blind unterschrieben habe. Bei Leistung von Unterschriften sei ihr oft nicht bewusst gewesen, für welche Gesellschaft sie gerade etwas unterschrieb. Es habe sich alles sehr häufig geändert. Warum dies so gewesen sei, wisse sie nicht. Ihr Ehemann habe das so geregelt. Irgendwann habe sie sich einfach gedacht: „Mach doch einfach mit deinen Firmen.“
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Sie meinte weiter, sie hätte nie unterschrieben, hätte sie gewusst, was sie mit ihren Unterschriften anrichte. Sie räumte ein, das Ganze vielleicht zu wenig hinterfragt zu haben und zu naiv und vertrauensvoll gewesen zu sein. Sie habe nicht einmal gewusst, dass es sich bei dem anklagegegenständlichen Antrag um ein Dokument für die AL gehandelt habe. Der Angeklagte habe einmal zu ihr gesagt, für die AL werde nichts beantragt, da diese Firma ja nichts mache. Dies sei für sie auch plausibel gewesen. Die AL habe die Bebauung der Grundstücke des NS betreiben sollen, daraus sei aber nichts geworden. Ihr Ehemann habe mit NS etwa zwei Jahre lang geplant. Dann hätten sich die Männer zerstritten und das Ganze sei den Bach hinunter gegangen. Von einer Geschäftstätigkeit der AL in den letzten zwei bis drei Jahren habe sie nichts mitbekommen. Als ihr Mann ihr mitgeteilt habe, für die AL keinen Antrag stellen zu wollen, sei sie beruhigt gewesen, da sie sich gedacht habe, alles gehe mit rechten Dingen zu. Für die AL habe sie, abgesehen von der Leistung von Unterschriften auf Wunsch ihres Ehemannes, keinerlei Tätigkeit entfaltet. Geld habe sie für ihren Geschäftsführerposten nicht bekommen. Als Geschäftsführerin sei sie ursprünglich eingesetzt worden, da ihr Ehemann – wie er ihr erklärt habe – als Rechtsanwalt kein Geschäftsführer habe sein können. Er habe daher einfach sie eingesetzt. Konten der Firma AL kenne sie nicht. Sie selbst verfüge nicht einmal über ein eigenes Konto. Es könne jedoch sein, dass sie Kontoeröffnungsunterlagen unterschrieben habe.
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Arbeitnehmer habe die AL keine gehabt, es seien ihr keine bekannt gewesen. Sie habe zwar gewusst, dass ihr Mann seine Anwaltskanzlei in die AL „eingebracht“ habe, es sei ihr aber nicht ganz klar gewesen, was das bedeute. Sie wisse auch nicht mehr, ob sie das bereits vor den Ermittlungen gewusst habe. Ganz klar sei es ihr erst gewesen, als sie aus der Untersuchungshaft entlassen worden sei. Ihre Tochter habe ihr gesagt, sie müsse als Geschäftsführerin das Personal kündigen. Die Angeklagte sei wie erstarrt gewesen und habe sich gefragt, ob die Kanzleimitarbeiter nun ihre Mitarbeiter seien.
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Sie habe über ihren Ehemann mitbekommen, wenn Geld für die Coronahilfeanträge einging. Das von der X GmbH & Co. KG betriebene … Einkaufszentrum habe wegen Corona erhebliche Mietausfälle gehabt. Mitarbeiter der Kanzlei haben bezahlt werden müssen und die Kunden des Fitnessstudios seien weggeblieben. Sie habe angenommen, dass das Geld hierfür verwendet würde. Dass speziell für die AL Corona-Überbrückungshilfe ausgezahlt worden sei, sei ihr nicht bekannt gewesen, da sie schon nicht gewusst habe, dass ein Antrag für die AL gestellt worden sei. Sie meine, es habe viel Geld auf den Konten gelegen. Für sie sei nicht relevant gewesen, aus welchem Grund das Geld dort eingegangen sei. An ihrem Leben habe sich im Laufe der letzten Jahre bis zur Verhaftung in finanzieller Hinsicht nichts geändert.
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Sorgen um die finanziellen Verhältnisse der Familie habe sie sich nicht gemacht. Ihr Mann habe bei Zweifeln oder Fragen immer eine gute Erklärung und einen Plan parat gehabt. Trotz der von ihr und ihrem Ehemann abgegebenen Vermögensauskünfte habe sie nicht gewusst, dass es wirtschaftlich schlecht um sie stehe. Ihr Ehemann habe ihr erklärt, die Immobilien, in denen das Vermögen der Familie stecke, seien in anderen Firmen untergebracht und daher von ihrer Privatinsolvenz nicht betroffen. Dies habe sie geglaubt. Sie selbst könne nicht sagen, welches Vermögen oder welche Immobilie in welcher Firma steckte, da sie irgendwann den Überblick verloren habe. Es sei alles immer weitergegangen und immer genug Geld dagewesen. Bei all den Urlauben, die die Familie geplant und durchgeführt habe, habe sie nicht daran gedacht, dass ein Mangel an Geld bestehen könnte. Auch sei sie bis zum Schluss davon ausgegangen, dass es zwar ein Problem mit der Anwaltszulassung ihres Mannes gebe, dieses sich aber – wie von ihm behauptet – wieder lösen würde. Dass ihr Ehemann wegen der Untreue zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei, habe sie mitbekommen. Das sei schrecklich für sie gewesen. Es habe viele „blöde Zeitungsartikel“ in der Lokalpresse darüber gegeben. Ihr Verhalten, auch im Hinblick auf ihre Tätigkeit als Geschäftsführerin, habe sie nach der Verurteilung aber nicht geändert. Gerade wegen der Vorstrafen ihres Mannes habe sie nicht damit gerechnet, dass ihr Mann noch einmal etwas Unrechtes tun würde.
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Ihr sei weiter bekannt gewesen, dass sie persönlich vom Landgericht Nürnberg-Fürth in einem Zivilprozess im Januar 2018 zur Zahlung von knapp 2,5 Mio. € an die L AG verurteilt worden sei. Sie habe das Urteil auf ihr Mobiltelefon erhalten, aber nicht gelesen. Das Urteil habe sie mit ihrem Mann besprochen, der habe aber gesagt, sie würden Berufung oder Revision einlegen und gut aus der Nummer herauskommen. Er habe sie immer gut beruhigen können und sie sich leicht überzeugen lassen. Ihr Mann sei sehr überzeugend gewesen.
2. Weitere Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
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Die Kammer ist überzeugt, dass die beiden Angeklagten in subjektiver und objektiver Hinsicht gehandelt haben, wie unter C.I.3 festgestellt. Dafür sprechen zunächst die Einlassungen beider Angeklagter, soweit sie sich mit diesen Feststellungen decken. Im Übrigen und auch zur Überprüfung der Einlassungen der Angeklagten stützt sich die Kammer auf folgende Erwägungen.
aa) Gesellschaftsrechtliche Verhältnisse
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Bei der Feststellung der Verhältnisse der AL griff die Kammer ergänzend zu den Angaben des Angeklagten neben dem Auszug aus dem Handelsregister auf weitere Urkunden zurück: Danach belegt die Gesellschafterliste der AL vom 24.04.2015, dass die Angeklagte und NS Gesellschafter der GmbH mit je einem Anteil von 12.500 € waren. Die Niederschrift der Gesellschafterversammlung des Notars Dr. B vom selben Tag bekundet, dass die Firma der GmbH von A GmbH in AL geändert und der Gesellschaftszweck geändert wurde, wie unter C.I.1 ausgeführt. Die Kündigung der Gesellschaft zum 31.12.2017 ergibt sich aus dem Kündigungsschreiben des NS vom 28.06.2017. Für den Fall der Kündigung enthielt die Satzung der AL folgende Bestimmung:
2. (…) Die Kündigung bewirkt nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zum Schluß des Geschäftsjahres, falls nicht die übrigen Gesellschafter unverzüglich die Auflösung der Auflösung der Gesellschaft beschließen.
Wird die Gesellschaft von den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt, so sind diese berechtigt und verpflichtet, den Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters einzuziehen oder zu beschließen, dass der Anteil ganz oder teilweise auf die Gesellschaft oder einen von ihr benannten Gesellschafter oder Dritten übertragen wird. Ein Stimmrecht steht dem Ausscheidenden in diesem Falle nicht zu.
Die Übernahmeerklärung ist innerhalb von 8 Wochen nach Erhalt der Kündigung dem kündigenden Gesellschafter gegenüber durch eingeschriebenen Brief abzugeben.“
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Eine Übernahmeerklärung gab die Gesellschafterin BF in der Folgezeit nicht ab, vielmehr kam es zum Streit über die Höhe des Ausscheidungsguthabens des NS, wie NS und der Angeklagte übereinstimmend berichteten. NS erhob daraufhin zivilrechtliche Klage gegen die AL mit den Anträgen, ein Abtretungsverlangen zu beschließen, wonach NS seinen Gesellschaftsanteil an die Gesellschaft oder einen von ihr benannten Gesellschafter oder einen von ihr benannten Dritten abtreten soll oder wahlweise die Einziehung von NS´s Gesellschaftsanteil zu beschließen. Weiterhin verlangte er die Einleitung des Verfahrens zur satzungsgemäßen Ermittlung seines Ausscheidungsguthabens. Mit dieser Klage hatte NS vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth in erster Instanz Erfolg, wie sich aus dem hier eingeführten Urteil vom 16.04.2019 – 2 HKO … ergibt. Hiergegen ging die AL in Berufung. Die Sache ist beim OLG Nürnberg noch nicht entschieden; das Verfahren wurde zwischenzeitlich nach § 240 ZPO unterbrochen, wie der Angeklagte bestätigte. Denn mit hier ebenfalls eingeführtem Beschluss des Amtsgerichts Nürnberg – Insolvenzgericht – vom 10.06.2022 (IN …) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AL eröffnet. Dieses dauerte bei Schluss der Beweisaufnahme im hiesigen Verfahren an.
92
Über die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse der AL berichtete zusammenhängend der Zeuge NS, dessen Ausführungen der Angeklagte auch nicht widersprach. Die Kammer hielt die Aussage für konsistent und insgesamt glaubhaft, weil sie auch mit den übrigen Beweismitteln widerspruchsfrei in Einklang zu bringen war. Der Zeuge gab an, Ende 2014 in Kontakt mit dem Angeklagten getreten zu sein, da er mit seiner Ehefrau Eigentümer dreier Grundstücke in S gewesen sei und diese gemeinsam mit dem Angeklagten habe vermarkten wollen. Anfang Mai 2015 sei eine bereits vorhandene GmbH des Angeklagten in die AL umfirmiert worden und man habe mit der Planung begonnen. An der AL seien er und die Angeklagte zu je 50% beteiligt gewesen. Mit dem Angeklagten zusammen hätten sie dann ihre Ehefrauen als Geschäftsführerinnen eingesetzt. Die nächsten anderthalb Jahre hätte er mit dem Angeklagten versucht, das Projekt voranzutreiben. Der Zeuge habe dabei erst nach einem Jahr Zugriff auf das Firmenkonto erhalten. Da sei ihm aufgefallen, dass lediglich er das Stammkapital eingezahlt habe und das zunächst für die Angeklagte eingezahlte Stammkapital von dem Angeklagten kurz darauf vom Konto wieder abgehoben worden sei. Im Frühjahr 2017 habe seine Ehefrau dann einen Pfändungsbescheid des Finanzamts, ausgestellt auf die beiden Geschäftsführerinnen, erhalten. Beides habe er zum Anlass genommen, seinen Ausstieg aus dem Projekt zu planen. Am 26.04.2017 sei seine Ehefrau als Geschäftsführerin aus der GmbH ausgestiegen. Er selbst habe seinen Gesellschaftsanteil mit – hier gelesenem – Schreiben vom 28.06.2017 zum 31.12.2017 gekündigt. Über die Modalitäten des Ausscheidens habe er sich mit dem Angeklagten aber nicht einigen können. Am 13.09.2018 habe er dann eine Auflösungsklage gegen die AL erhoben. Am 16.04.2019 sei ein Endurteil der Handelskammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth ergangen. Die Berufung der AL dagegen sei derzeit beim OLG Nürnberg anhängig. Der Gesellschaftsanteil von 50% liege immer noch bei ihm, NS.
93
Weiter führte NS aus, das eigentliche Geschäft habe der Angeklagte geführt. Er habe eine Generalvollmacht von beiden Geschäftsführerinnen gehabt und alles allein unterschreiben können. Beide Ehefrauen seien lediglich Pseudogeschäftsführerinnen gewesen und hätten nichts zu sagen gehabt. Die Ehefrau des Zeugen habe keine Informationen über die Geschäfte der AL gehabt. Der Angeklagte habe sich mit dem Zeugen abgestimmt, wenn es um wichtige Dinge, insbesondere die Beplanung und Vermarktung der Grundstücke gegangen sei. Zugriff auf das Bankkonto habe der Zeuge erst sehr spät, im Juni 2016, erhalten. Die Grundstücke des Ehepaars S seien zu keinem Zeitpunkt in die AL eingebracht worden. Als er Anfang 2017 zu dem Entschluss gekommen sei, nicht mehr mit dem Angeklagten zusammenzuarbeiten, habe er eine Lösung für die AL und die Grundstücke finden wollen. Er habe versucht, dem Angeklagten „die ganze Sache“ einschließlich der Grundstücke zu übergeben und zu verkaufen. Der Angeklagte habe zuerst zugesagt, aufgrund von dessen Finanzierungsproblemen habe dies letztendlich jedoch nicht funktioniert. Auch das Angebot des Zeugen, ihm die GmbH „abzukaufen“, habe der Angeklagte abgelehnt.
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Nach Ende des Jahres 2017 habe er keine Kenntnis und Informationen mehr von einer etwaigen weiteren Tätigkeit der AL gehabt. Er habe auch keine Beschlüsse unterschrieben oder sei in Entscheidungen betreffend die GmbH eingebunden worden. Über das Schicksal der Grundstücke und der GmbH habe er mit dem Angeklagten auch nicht mehr gesprochen, nachdem die diesbezüglichen Verhandlungen gescheitert seien.
95
Die Feststellungen zum Ausscheiden der TS als Geschäftsführerin und zur Kündigungserklärung des NS werden im Einklang mit der Schilderung des Angeklagten und des Zeugen NS im Übrigen belegt durch die Kündigungsschreiben des NS vom 28.06.2017 und seiner Ehefrau, TS, vom 26.04.2017.
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Die Kammer ist weiterhin überzeugt davon, dass NS bis zuletzt Gesellschafter zu 50% der AL war und dass die beiden Angeklagten bis zuletzt auch subjektiv davon ausgingen. Dafür spricht, dass alle Beteiligten genau demgemäß handelten und den Gesellschaftsvertrag mithin einheitlich interpretierten. Das zeigte sich darin, dass NS die Auflösungsklage erhob, weil er meinte, weiterhin in der Gesellschaft zu sein. Die beiden Angeklagten gingen ebenfalls hiervon aus. In einem Schreiben der AL an deren Steuerberater K vom 27.12.2019 führte der Angeklagte aus:
„Der Gesellschaftsanteil von Herrn NS wurde nach seinem Ausscheiden zum 31.12.2017 bis heute weder von der Gesellschaft noch von Dritten übernommen. Die Sache wird derzeit gerichtlich geklärt.“
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Zuvor schon schrieb der Notar Dr. B am 28.02.2019, nachdem die Angeklagte eine Gesellschafterliste beim Registergericht eingereicht hatte, an sie:
in der Anlage übersende ich Ihnen eine Kopie des Schreibens des Amtsgerichts Nürnberg
- Registergericht – vom 26.02.2019 zur Kenntnisnahme.
Erwartungsgemäß hat das Amtsgericht Nürnberg die Gesellschafterliste als unzutreffend zurückgewiesen. Die gerichtlichen Beanstandungen sind meiner Meinung nach zutreffend:
(…) Vielmehr scheidet der kündigende Gesellschafter aus, wenn die übrigen Gesellschafter die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen und dabei auch eine Bestimmung darüber treffen, ob der Geschäftsanteil eingezogen wird oder vom kündigenden Gesellschafter zu übertragen ist. Allerdings wird die Frist zur Übernahmeerklärung von acht Wochen (§ 4 Ziffer 2. der Satzung) ebenso verstrichen sein, wie die Frist zur Beschlussfassung über die Einziehung gemäß § 6 Ziffer 2. der Satzung. Ich weise darauf hin, dass der Geschäftsanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters nicht automatisch auf den verbleibenden Gesellschafter mit der Kündigung übergegangen ist. Eine neue Gesellschafterliste, die Sie, verehrte Frau BF, als nunmehrige Alleingesellschafterin ausweisen würde, würde das Registergericht dementsprechend ebenfalls als unzulässig zurückweisen.
Erforderlich ist vielmehr nach wie vor eine Übertragung des Geschäftsanteils des Herrn NS auf einen entsprechenden Rechtsnachfolger (…)“
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Dementsprechend schlossen die beiden Angeklagten am 21.11.2019 vor dem Notar Dr. B folgenden Übertragungsvertrag über die Geschäftsanteile an der AL:
„1. Frau BF, (…) hier handelnd im eigenen Namen und zugleich a) für die Firma AL (…)
b) für Herrn NS, (…) zu b) vorbehaltlich Genehmigung, die mit Eingang beim Notar wirksam sein soll;
2. deren Ehemann, Herr AF, (…)
Am Stammkapital von € 25.000,- der Firma AL (…) sind mit folgenden Geschäftsanteilen beteiligt.
Frau BF mit dem Geschäftsanteil im Nennbetrag von
€ 12.500,- (Geschäftsanteil Nr. 1) und Herr NS mit dem Geschäftsanteil im Nennbetrag von
€ 12.500,- (Geschäftsanteil Nr. 2). (…)
99
Nach Angabe der Gesellschafter hat zwar Herr NS mit Schreiben vom 28.06.2017, (…) erklärt, dass er das Gesellschaftsverhältnis zum 31.12.2017 kündigt und zum 31.12.2017 aus der Gesellschaft austritt.
100
Die Gesellschaft wurde faktisch fortgesetzt, es wurde aber nicht nach § 4 Abs. 2 der Satzung eine Bestimmung getroffen, ob der Geschäftsanteil des Herrn NS eingezogen wird oder ganz oder teilweise auf die Gesellschaft einer einen von der Gesellschaft benannten Dritten übertragen wird. Die Frist zur Übernahmeerklärung ist bereits verstrichen. Daher gehen die Beteiligten davon aus, dass Herr NS noch Gesellschafter der Gesellschaft ist (…).
II. Geschäftsanteilsübertragungen
1. Übertragung von Frau BF an Herrn AF
101
Der vorbezeichnete Anteilseigner, Frau BF, verkauft und überträgt mit dinglicher Wirkung ihren Geschäftsanteil im Nennbetrag von € 12.500,- (Geschäftsanteil Nr. 1) an ihren Ehemann, Herrn AF, zur alleinigen Inhaberschaft.
102
Die Übertragung erfolgt mit sofortiger Wirkung, vorbehaltlich der Genehmigung des Herrn NS.
2. Übertragung von Herrn NS an Herrn AF
103
Der vorbezeichnete Anteilseigner, Herr NS, verkauft und überträgt mit dinglicher Wirkung seinen Geschäftsanteil im Nennbetrag von € 12.500,- (Geschäftsanteil Nr. 2) an Herrn AF zur alleinigen Inhaberschaft.
104
Diese Übertragung erfolgt aufschiebend bedingt auf den Zeitpunkt, in dem der Notar die aufgrund der heutigen Geschäftsanteilsübertragung zu erstellende Gesellschafterliste beim Handelsregister einreicht.
105
Der beurkundende Notar wird angewiesen, die Gesellschafterliste beim Handelsregister erst dann einzureichen, wenn 1. die Genehmigung des Herrn NS zu dieser Urkunde dem Notar in öffentlich beglaubigter Form vorliegt, (…)
106
Die Kammer hat keinen Zweifel, dass die aus den vorstehend zitierten Schriftstücken ersichtliche Rechtslage auch dem Vorstellungsbild der beiden Angeklagten entsprach. Wie sowohl der Angeklagte als auch der Zeuge NS übereinstimmend angaben, erfolgte die Genehmigung durch NS nicht.
bb) Geschäftstätigkeit der AL
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Die Kammer ist überzeugt, dass die AL seit 2018 keine geschäftlichen Aktivitäten mehr entfaltete. Neben der insoweit klaren Aussage der Angeklagten BF stützt sich die Kammer auf folgende je für sich und in ihrer Zusammenschau widerspruchsfreie, überzeugende Beweismittel:
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Der Zeuge NS führte aus, die Grundstücke, die nie auf die AL übertragen worden seien, habe er im Jahr 2018 veräußert. Er sei am 07.12.2018 beim Notar gewesen. Der neue Eigentümer sei am 02.04.2019 in das Grundbuch eingetragen worden. Der ursprüngliche Gesellschaftszweck der AL – die Bebauung der Grundstücke – habe mit dem Verkauf der Grundstücke nicht mehr realisiert werden können.
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Weiter führte der Zeuge K, Steuerberater der AL, glaubhaft aus, für die Veranlagungszeiträume 2014 bis einschließlich 2018 mit der Erstellung der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen für die AL beauftragt worden zu sein. Ab dem Jahr 2019 sei nichts mehr erstellt worden. Für dieses Jahr sei auch kein Material mehr bei der Steuerkanzlei eingegangen. Lohnabrechnungen für die AL habe seine Steuerkanzlei nicht erstellt. Ihm sei auch nicht bekannt, dass in dem Zeitraum Lohnkosten angefallen wären. Laut seinen Unterlagen sei die Homepage der AL im Jahr 2017 abgeschaltet worden. Diese habe in den Jahren 2016 und 2017 deren einziges Anlagevermögen dargestellt. Im Jahr 2018 habe die AL über kein Anlagevermögen mehr verfügt. Die Tätigkeit der AL, soweit sie sich in den Bilanzunterlagen abgebildet habe, habe sukzessive abgenommen. Zunächst habe es für das Bauvorhaben diverse Vorbereitungshandlungen gegeben, man habe sich um Baugenehmigungen bemüht, da habe der Zeuge Rechnungen der Stadt S gesehen; Leute von der Baumpflege seien beauftragt, Hausnummern von der Stadt vergeben und eine Homepage sei eingerichtet worden. 2017 seien die letzten größeren Zahlungen der AL erfolgt, nämlich für das Architektenbüro. 2018 habe es auch noch Zahlungen gegeben, aber für Altsachverhalte, Rechtsstreitigkeiten, Abschlussprüfungskosten und Abgaben (wie Gebühren des Vermessungsamts), aber nicht mehr in großer Höhe.
110
Den vernommenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kanzlei des Angeklagten, den Zeugen M, B, Sch, N, C, Me, A, Ka und P sei die AL zwar ein Begriff gewesen, zu deren etwaiger Geschäftstätigkeit konnten sie allerdings nichts sagen. Die Zeugin M, Rechtsanwaltsfachangestellte der Kanzlei seit Mai 2019, gab an, am Briefkasten der Kanzlei sei auch die Aufschrift „AL“ angebracht gewesen. Sie habe Mandanten wegen eines Wechsels der Kanzlei in die AL angeschrieben, ansonsten wüsste sie jedoch nicht, dass ihr beim Bearbeiten von Schriftverkehr der Name „AL“ untergekommen wäre. Die Zeugin B, Auszubildende der Kanzlei seit August 2020, gab an, Post für die AL, die in der Kanzlei eingetroffen sei, abgestempelt zu haben. Was die AL gemacht habe, sei ihr nicht bekannt gewesen. Beschäftigte der AL kenne sie ebenso wenig. Der Zeuge N, seit Mai 2021 Buchhalter der Kanzlei, gab an, in seinem Büro habe sich in einem Schrank ein Ordner zu A GmbH und ein Ordner zur AL befunden. Letzterer sei so gut wie leer gewesen, es seien auch kaum neue Dokumente hinzugekommen. Der Zeuge habe nicht sagen können, ob ein Mitarbeiter für die AL zuständig gewesen sei. Aus seiner Sicht sei das nicht der Fall gewesen. Die Ordner seien in seinem Büro gestanden, aber nicht gepflegt worden. Er sei inhaltlich aber nur mit der laufenden Buchführung und der Lohnbuchhaltung der Kanzlei befasst gewesen und habe auch nur Zugriff auf das Konto der Kanzlei gehabt. Für die AL sei er nicht als Buchhalter tätig gewesen. Er habe nie Zugriff auf ein etwaiges Konto gehabt und habe ohne einen solchen auch keine Buchhaltung für die AL machen können.
111
Auch ins Verfahren eingeführte Urkunden stützen das Bild bezüglich des objektiven wie des subjektiven Tatbestands. So schrieb der Angeklagte selbst im Rahmen des Antrags auf Gewährung der Überbrückungshilfe III für die X GmbH & Co. KG – den Antrag stellte der Angeklagte nach eigener Angabe am 26.03.2021 – an die IHK über die Antragsplattform eine (im gelesenen Ausdruck undatierte) Nachricht, in der er ausführt:
„Die Firma AL ist eine Bauträgerin, deren aktives Geschäft derzeit ruht und sie hat seit zwei bis drei Jahren keine Einnahmen und keine Ausgaben. Somit scheiden staatliche Hilfen ohnehin aus.“
112
Mit E-Mail vom 20.08.2020 schrieb die damalige Buchhalterin der Kanzlei des Angeklagten, Frau Ku, im Auftrag des Angeklagten, der „cc“ gesetzt wurde, an den Steuerberater K:
von meinem Chef wurde ich beauftragt, Ihnen die geschätzten Bescheide vom Finanzamt Nürnberg-Zentral vom 03.08.2020 für die AL zuzusenden und wir bitten Sie, im Namen und Auftrag dieser Firma, den Jahresabschluss 2018 und die notwendigen Steuererklärungen zu erstellen.
Die AL hat derzeit kein operatives Geschäft – ruht bis dato noch. Die wenigen, für das Geschäftsjahr 2018 angelaufenen Buchungen wurden noch nicht in einer Fibu-Software erfasst und sind ebenfalls in dieser Mail als Anhang zu finden (…).“
113
Bestätigt wird das Bild weiter durch die eingeführten BaFin-Auskünfte über Konten der AL. Das Konto bei der Sparkasse … wurde am 27.06.2019 geschlossen, das neue bei der …Bank erst am 27.04.2021 eröffnet, ein weiteres Konto wurde dann ausweislich des Eröffnungsantrags am 21.12.2021 bei der …Bank eingerichtet. In der Zwischenzeit hatte die AL kein eigenes Konto. Aber auch nach dieser Kontoeröffnung tat sich ausweislich der eingeführten Kontoauszüge bis November 2021 auf dem Konto nahezu nichts, abgesehen von einer Umbuchung i.H.v. 40.000 € am 30.09.2021 seitens der X GmbH & Co. KG. Das bestätigen auch die eingeführten Berichte des PAng. M, bei der Polizei tätig als Bilanzbuchhalter, zum Konto der AL. Aus diesen geht hervor, dass von dem am 27.04.2021 eröffneten Konto im November 2021 mehrere Gehaltsüberweisungen an Beschäftigte erfolgten, die zuvor ihr Gehalt von der X GmbH & Co. KG erhalten haben. Im Laufe dieses Monats waren außerdem weitere Umsätze sowohl im Soll als auch im Haben festzustellen, welche ausweislich der angegebenen Verwendungszwecke die Kanzlei betrafen. Kontoumsätze im Zusammenhang mit dem Geschäftszweck der AL in der Bauträgerbranche waren dort nicht ersichtlich. Geldeingänge erfolgten überwiegend durch Überträge der X GmbH & Co. KG.
114
Dem Auswertebericht des PAng. M ist weiter zu entnehmen, dass auf dem Konto der X GmbH & Co. KG (IBAN … bei der …bank) vereinzelt Zahlungen für die AL, von Januar 2019 bis April 2021 insgesamt 2.765,73 € festgestellt werden konnten. Von diesen Zahlungen betrafen allein 1.200 € Gebühren an die Stadt S für die – wirtschaftlich sinnlose – Verlängerung von Baugenehmigungen aus dem Jahr 2016 für die vom Zeugen NS verkauften Grundstücke.
115
Erst im zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung für die AL wurden dann Aktivitäten erkennbar, die nach dem Verständnis der Kammer nach außen den Eindruck vermitteln sollten, die AL sei wieder aktiv, die aber keine Geschäftstätigkeit am Markt bedeuteten, weil es ohne NS´s Grundstücke auch keinen Geschäftsgegenstand mehr gab. So fand sich in den ausgewerteten E-Mails des Angeklagten ein Schreiben der AL an das Finanzamt Z mit dem Datum 28.10.2021, in dem eine neue Bankverbindung der AL mitgeteilt wird. In diesem heißt es auszugsweise: „in vorbezeichneter Angelegenheit teilen wir Ihnen mit, dass unsere Firma die Geschäfte 2019 wieder aufgenommen hat. Vorher war die Geschäftstätigkeit der Firma AL ruhend gestellt.“
116
Des Weiteren fand sich dort eine weitere E-Mail vom 27.10.2021, aus der hervorgeht, dass für die AL ein neues E-Mail-Postfach eingerichtet wurde.
117
Die Zusammenschau der vorstehenden Umstände vermittelt der Kammer die sichere Überzeugung, dass die AL seit 2018 keine wirtschaftliche Tätigkeit am Markt entfaltete. Das wird nicht durch die Einlassung des Angeklagten erschüttert. Dieser hatte angegeben, die wirtschaftliche Tätigkeit werde durch die – auch als Urkunde gelesene – Verlängerung der Baugenehmigungen für das Projekt auf NS´s Grundstücken vom 28.05.2020 dokumentiert. Da waren die Grundstücke aber schon anderweit veräußert und der Angeklagte mit NS zerstritten. Wenn der Angeklagte in diesem Zusammenhang nach der Vernehmung NS´s vor der Kammer angab, er habe da zum ersten Mal gehört, dass die Grundstücke – vor rund vier Jahren – von NS veräußert worden sind, dann beweist das, dass der Angeklagte mit NS das Projekt nicht weiter vorantrieb und er daher überhaupt keine reale Grundlage hatte, auf eine Fortführung des Bauträgergeschäfts zu hoffen. Mit Ausnahme der Verlängerung der Baugenehmigung hat der Angeklagte nichts vorgetragen, was sich als konkrete geschäftliche Tätigkeit verstehen ließe. Eine solche war insbesondere auch nicht darin zu sehen, dass der Angeklagte behauptete, dass erinnerlich im Sommer 2021 der Geschäftsführer eines F´er Unternehmens sowie sein Mitarbeiter, an deren Namen er sich nicht erinnere, mit ihm Kontakt aufgenommen hätten, um die Projektentwicklung der AL für das Quartier mit den zehn Doppelhäusern zu kaufen. Selbst wenn ein derartiger Termin stattgefunden haben sollte, änderte dies nichts daran, dass die Grundstücke bereits 2018 veräußert wurden. Dem Angeklagten war insoweit auch bekannt, dass eine Einigung mit NS über einen Ankauf der Grundstücke gescheitert war. Daher hätte auch ein etwaiges Treffen mit Kaufinteressenten nichts daran geändert, dass die AL keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltete. Daher hat die Kammer auch keinen Anlass gesehen, dem Beweisermittlungsantrag des Angeklagten nachzugehen, als er beantragte, das Outlook-Programm der Kanzlei auszuwerten, da der Termin mit den F´er Geschäftsleuten dort eingetragen gewesen sei.
118
cc) Einbringung der Rechtsanwaltskanzlei in die AL Die Kammer ist weiterhin der Überzeugung, dass die „Einbringung“ der Anwaltskanzlei in die AL, wie sie in den beiden Verträgen vom 11.11. und 17.11.2019 (oben C.I.1) vereinbart war, aus formellen und materiellen Gründen die vom Angeklagten behaupteten Rechtswirkungen – wonach für Zwecke des Subventionsantrags die Verhältnisse der Rechtsanwaltskanzlei der AL zuzurechnen wären – nicht gehabt hat und dass deshalb die Heranziehung der Zahlen und Angaben der Kanzlei im Antrag der AL ungerechtfertigt war.
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(1) Die Feststellung, dass es sich bei den beiden im Vertrag genannten Kontoverbindungen um solche des Angeklagten handelt, beruht auf dessen entsprechender Aussage und dem vom Zeugen Mi übergebenen Schreiben der Kanzlei vom 12.11.2019, auf dem sie abgedruckt sind. Der Angeklagte bemühte sich, die Geschichte von der „Einbringung“ über die Zeit durchzuhalten. So setzte er in einen Vertragsentwurf zwischen der AL, der Zeugin Z und sich selbst vom 01.09.2021 eine Vorbemerkung, die auszugsweise lautet:
„Herr Rechtsanwalt AF ist Inhaber der Einzelkanzlei, Rechtsanwälte F & Kollegen gewesen. Er hat seine Rechtsanwaltskanzlei mit Vereinbarung mit der AL im Wege der Sacheinlage in die Firma AL per 11.11.2019, siehe Anlage 1, eingebracht. Die Kanzlei F & Kollegen hat seit dem damaligen Zeitpunkt der Einbringung als Sacheinlage in die Firma AL die Aktiva der Anwaltskanzlei kommissarisch vertreten.“
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Zum im Vertrag vom 11.11.2019 angesprochenen Einverständnis der Mandanten mit dem Übergang der Mandantenbeziehung auf die AL, die nach Angabe des Angeklagten künftig als F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH firmieren sollte, versandte der Angeklagte einen Serienbrief mit folgendem Wortlaut:
in vorbezeichneter Angelegenheit teilen wir Ihnen mit, dass der Unterfertigte seine Einzelkanzlei F & Kollegen, … in die gegründete F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, gleichfalls … mit allen Aktiva, das heißt insbesondere den Mandantenbeziehungen, eingebracht hat.
Dieser Vorgang stellt keinerlei Nachteil für Sie dar, gewährleistet vollständig die Fortsetzung der Mandantenbeziehungen zu Ihnen und es ändern sich auch nicht die Telefonnummer, Faxnummer oder die E-Mail-Adressen der Kanzlei.
Das Gesetz schreibt uns vor, dass wir Sie bezüglich der Einbringung Ihres Mandatsverhältnisses zur Kanzlei F & Kollegen hinsichtlich der Einbringung in die Rechtsanwaltsgesellschaft um Zustimmung bitten. Wir bitten dieses Schreiben daher mit einem handschriftlichen Vermerk: „Einverstanden“ an uns (…) zurückzusenden.“
121
Der Kammer vorgelegt wurde dieses in der Hauptverhandlung verlesene Schreiben vom Zeugen Mi, der es nach eigener Aussage und ausweislich des Schreibens mit „einverstanden“ an den Angeklagten zurückgeschickt hat. Der Angeklagte erklärte hierzu, dass es sich bei dem Schreiben um den Textbaustein gehandelt habe, den er allgemein verwendet habe, um die Zustimmung der Mandaten zur Einbringung einzuholen. Weitere Anschreiben habe es nicht gegeben.
122
Der Angeklagte hat aus der „Einbringung“ der Kanzlei in die AL allerdings nicht durchgehend praktische Folgerungen gezogen. Denn der Vergleich des hier eingeführten Antrags der Kanzlei (…) auf Überbrückungshilfe Corona III vom 09.05.2021 mit dem Antrag der AL zeigt auf, dass in beiden Anträgen die identischen Umsätze aus 2019 als Referenzwerte für die Bestimmung des Coronabedingten Umsatzrückgangs angegeben wurden. Das hat der Angeklagte auf Nachfrage der Kammer auch bestätigt.
123
(2) Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass die Übertragung der Aktiva der Kanzlei sachenrechtlich unwirksam war, und im Übrigen, selbst wenn die Übertragung dinglich wirksam gewesen wäre, der Umfang der gemäß dem Vertrag vom 11.11.2019 übertragenen Aktiva sich ohnehin in übersichtlichen Grenzen gehalten hätte. Denn am 14.08.2016 hatten die beiden Angeklagten und ihre Tochter LF diesen – vom Angeklagten aufgesetzten – Vertrag abgeschlossen:
„Kaufvertrag mit Übereignung sofort Hiermit verkaufen wir, AF u. BF unseren gesamten Hausrat und Einrichtung unseres Einfamilienhauses (…), die Kanzleieinrichtung, … sowie die PKW´s (…) Golf, Porsche Cayenne u. Porsche 911 sowie Audi TT (soweit die Fahrzeuge nicht ohnehin den finanzierenden Banken gehören) an LF zum Kaufpreis von 150.000 € (in Worten: einhundertfünfzigtausend). LF nimmt den Kaufvertrag an. Der Kaufpreis ist nach Abschluss des Jurastudiums in jährlichen Raten a 25.000 €, spätestens am 31.12.2022 zu bezahlen. Die Gegenstände werden sofort übereignet an LF, wir dürfen sie kostenlos mitbenutzen“
124
Die beiden Angeklagten erkannten die darunter gesetzten Unterschriften in der Hauptverhandlung als die jeweils ihren an, bei der dritten Unterschrift sollte es sich angabegemäß um diejenige der LF handeln.
125
(3) Allerdings kam im Juli 2021 zu einer sozialversicherungsrechtlichen Ummeldung und vertraglichen Übertragung der Arbeitnehmer der Kanzlei auf die AL. Dazu ließ der Angeklagte die Kanzleiangestellten identische Übernahmeverträge unterschreiben (im Prozess wurden diejenigen der Zeuginnen B, M, Me, Sch, A, Ka und P gelesen), die auszugsweise lauteten:
Herr Rechtsanwalt AF hat im Jahr 2019 durch Vertrag alle Aktiva seiner Rechtsanwaltskanzlei in die künftig als F & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH firmierende AL eingebracht. Bis zur Genehmigung durch die RAK Nürnberg und dem Vollzug im Handelsregister führt die Kanzlei Rechtsanwälte F & Kollegen die bestehenden und neuen Mandate treuhänderisch für die neue Rechtsanwaltsgesellschaft mbH für die bereits bestehende Gesellschaft fort.
B. Übernahme der bestehenden Dienst-/Arbeitsverhältnisse Mit Wirkung vom 01.01.2021 0:00 Uhr übernimmt die Firma AL/künftig F & Kollegen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH die bestehenden Dienst-/Arbeitsverhältnisse mit allen wohl erworbenen Rechten und diese gehen mit Wirkung per 01.01.2021 0:00 Uhr auf die Gesellschaft über. Zum Zeichen des Einverständnisses und der Zustimmung unterzeichnen die heutigen Vertragsparteien.“
126
Ausweislich der schriftlichen Auskunft der Deutschen Rentenversicherung vom 04.03.2022, die auch von der Zeugin KHK´in Ki referiert wurde, erfolgten die sozialversicherungsrechtlichen Ummeldungen der Arbeitnehmer auf die AL überwiegend am 12.07.2021. Zum Hintergrund führte der Kanzleibuchhalter, der Zeuge N, glaubhaft aus, es habe offene Sozialversicherungsbeiträge der Kanzleiangestellten gegeben. Die hätten von dem Kanzleikonto nicht bezahlt werden können, da es bereits überzogen gewesen sei. Der Angeklagte habe ihn dann angewiesen, die Mitarbeiter auf die AL anzumelden. Die Anmeldung sollte rückwirkend zum 01.01.2021 erfolgen. Der Zeuge habe entsprechend der Vorgabe gehandelt – das ist, wie die gelesene Auskunft der Deutschen Rentenversicherung bezeugte, tatsächlich auch mit Wirkung zum 01.01.2021 geschehen. Er habe dann mehrfach bei dem Angeklagten und den Angestellten nachgefragt, ob es neue Arbeitsverträge zu der AL gebe. Der Angeklagte habe geantwortet, es handele sich um eine Umstrukturierung und die Arbeitsverträge würden nachgereicht. Durch die Übernahme habe sich am Arbeitsalltag nichts geändert. Einige Mitarbeiter hätten bereits vor N´s Antritt in der Kanzlei im Mai 2021 gewusst, dass sie „über die AL laufen“. Anhand des Kanzleikontos habe man das aber nicht nachvollziehen können, da es dort kaum Bewegungen gegeben habe. Geldflüsse für regelmäßig anfallende Posten, etwa für Miete, habe es nicht gegeben, sondern lediglich hin und wieder einzelne Buchungen. Irgendwann habe es gar keine Bewegung mehr auf dem Kanzleikonto gegeben, so etwa drei Monate vor der Durchsuchung der Kanzlei im Januar 2022. Die Mitarbeiter seien jedoch weiterhin bezahlt worden. Woher das Geld gekommen sei, könne er nicht sagen. Er habe es nicht verbucht und auch nicht verbuchen können. Ihm sei aufgefallen, dass in Schreiben an Mandanten von einem Konto der AL die Rede gewesen sei. Er selbst habe dieses Konto jedoch nicht gekannt und auch keinen Zugriff hierauf erhalten. Ein Vertrag, wonach alle Gelder wirtschaftlich der AL zustehen sollten, sei ihm nicht bekannt. Er wisse auch nichts von einem Vertrag, nach dem die Kanzlei mit allen Aktiva in die AL eingebracht worden sei. Unbekannt sei ihm schließlich, dass die Konten bei der …Bank und der …Bank lediglich Treuhandkonten gewesen sein sollen und das sich darauf befindliche Geld wirtschaftlich nicht der Kanzlei zustehen würde.
127
Vor Weihnachten 2021 habe es ein Gespräch mit allen Kanzleiangestellten gegeben, wonach Rechtsanwältin Z die Kanzlei übernehmen werde. Der Angeklagte habe ihm erklärt, dass die AL eine Übergangslösung sei, bis die neue Kanzlei Z gegründet sei.
128
(4) Die Zeugin Z führte – in Übereinstimmung mit ihrem hier gelesenen Rechtsanwalts-Angestelltenvertrag vom 22.04.2020 – aus, im Mai 2020 nicht bei der AL sondern bei der Kanzlei F & Kollegen angestellt worden zu sein. Mit der AL habe sie nichts zu tun gehabt. Die Firma sei ihr erst im Lauf der Zeit untergekommen, als der Angeklagte ihr einen Vertrag vorgelegt habe, nach dem ihr Arbeitsverhältnis in die AL übernommen werden sollte. Diesen habe sie unterschreiben sollen. Der Angeklagte habe erklärt, dass er aus der AL eine Rechtsanwaltsgesellschaft machen wolle. Dafür müsse alles von der Kanzlei in die AL übernommen werden. Gemeinsam mit dem zu dieser Zeit ebenfalls bei der Kanzlei beschäftigten Rechtsanwalt Ko habe sie entschieden, den Vertrag nicht zu unterschreiben, da dieser aus ihrer Sicht keinen Sinn ergeben habe und ihr Arbeitsverhältnis nicht einfach von der Kanzlei auf eine GmbH übertragen werden könne. Das Thema „AL“ sei dann erst wieder aufgekommen, als der Angeklagte im Dezember 2021 seine Zulassung endgültig verloren habe. Da sei nochmals die Idee von ihm aufgekommen, „das Ganze jetzt in eine Rechtsanwaltsgesellschaft umzugründen“. Irgendwann habe sie, aus ihren Kontoauszügen erkennbar, ihr Gehalt von der AL erhalten. Dies habe sie ungewöhnlich gefunden. Der Angeklagte habe ihr dann erklärt, dies sei eine buchhalterische Angelegenheit. Sie brauche sich nicht darum kümmern, da ihr Gehalt ja gleichbliebe.
129
Auch die übrigen von der Kammer befragten Kanzleimitarbeiter gaben, zur insgesamt sicheren Überzeugung der Kammer an, ihren Lohn teilweise nicht von der Kanzlei, sondern von anderen Unternehmen erhalten zu haben, die mit dem Angeklagten im Zusammenhang standen.
130
Die Zeugin M gab an, ihr Gehalt teilweise nicht von der Kanzlei, sondern von der X oder der AL erhalten zu haben.
131
Die Zeugin B führte aus, ebenfalls teilweise Gehalt von der AL erhalten zu haben. Zudem erinnerte sie sich auf Vorhalt daran, einen Übernahmevertrag unterschrieben zu haben, wonach ihr Arbeitsverhältnis mit der Kanzlei auf die AL übergehen sollte. Sie habe das Dokument unterschrieben, ohne zu wissen, um was es sich genau handele. An ihrer täglichen Arbeit in der Kanzlei habe sich nach der Unterschrift nichts geändert.
132
Die Zeugin S1. erklärte, ihr Gehalt von verschiedenen Konten erhalten zu haben: vom Konto der AL, der Kanzlei und von einem privaten Konto. Sie erinnerte sich, Ende 2021 einen Übernahmevertrag unterschrieben zu haben. Jeder Mitarbeiter habe diesen unterschrieben. Ihr sei nicht aufgefallen, dass er auf dem 01.01.2021 rückwirkend datiert gewesen sei. Sie habe die Übernahmeverträge auf Weisung des Angeklagten den anderen Angestellten vorlegen und dafür Sorge tragen sollen, dass diese unterschrieben werden. Sie habe nur gewusst, dass dies, so der Angeklagte ihr gegenüber, „wegen der Umfirmierung“ erforderlich sei.
133
Die Zeugin C sagte aus, bei der Kanzlei F beschäftigt gewesen zu sein. Sie habe für einige Monate auch Gehaltszahlungen von der AL erhalten, was sie sich nicht erklären könne. Es habe im Raum gestanden, dass eine Umfirmierung von der Kanzlei F zur AL erfolgen solle. Ihres Wissens habe sie aber nichts dazu unterschrieben und sei durchgehend bis Ende 2021 bei der Kanzlei beschäftigt gewesen.
134
Die Zeugin Me meinte, die AL sei auf dem Papier für ein paar Monate ihre Arbeitgeberin gewesen. Was die AL genau sein solle, wisse sie nicht.
135
Die Zeugin A gab an, den Übernahmevertrag unterschrieben zu haben. Warum plötzlich die AL im Raum gestanden habe, sei ihr nicht bekannt gewesen. Ihr Arbeitsablauf habe sich durch die Vertragsunterzeichnung nicht geändert. Ihr Gehalt habe sie dann von der AL erhalten.
136
Die Zeugin Ka berichtete, im April 2020 als Aushilfe für die Büroorganisation bei der Kanzlei F & Kollegen eingestellt worden zu sein. Die Übernahmeerklärung habe sie unterzeichnet, könne aber nicht genau sagen, um was es sich da gehandelt habe. Ihre Gehaltszahlungen habe sie meistens von der Kanzlei, teilweise jedoch auch von der X KG erhalten. Ob sie auch Gehalt von der AL bekommen habe, könne sie nicht sagen.
137
Die Zeugin P, seit 2013 bei der Kanzlei beschäftigt, erklärte schließlich, irgendwann ein Schreiben von einer Kollegin erhalten zu haben, welches sie unterschreiben habe sollen. Der Hintergrund sei gewesen, dass sie ihr Gehalt nun von einer anderen Firma erhalten werde. In ihrem Arbeitsalltag habe sich durch die Vertragsunterzeichnung nichts geändert. Von wem sie das Gehalt erhalten habe, könne sie nicht sagen.
138
(5) Zur Überzeugung der Kammer steht danach fest, dass der Angeklagte mittels zweier handschriftlich aufgesetzter Dokumente, einer „Einbringungsvereinbarung“ sowie einer „Treuhandvereinbarung“ seine Kanzlei vor einer Abwicklung im Gefolge seiner Vermögensauskunft bewahren wollte. Der Mitgesellschafter NS wurde, was der Angeklagte wusste, in die „Einbringung“ nicht einbezogen. NS und der Angeklagte gaben übereinstimmend an, seit Ende 2017 keinen Kontakt mehr miteinander gehabt zu haben. Weiter ist die Kammer davon überzeugt, dass der Angeklagte die Tragweite und die rechtliche Konstruktion seiner aus der Not kurzfristig geborenen Entscheidung zur Einbringung damals noch nicht voll durchschaute, sodass seine Versuche, diese rechtlich einzuordnen, im Laufe der Zeit wechselten. Die Vorbemerkung der Vereinbarung mit Frau Z vom 01.09.2021 zeigt nämlich, dass er die „Einbringung“ als Sacheinlage verstanden hat. Andererseits billigte er in der Hauptverhandlung ausdrücklich die schriftliche Stellungnahme seines Verteidigers Dr. P vom 01.12.2022, in der dieser eine Sacheinlage verneinte und von schlichter Einzelrechtsnachfolge im Wege der Übereignung einzelner Sachen und Abtretung einzelner Forderungen sprach.
139
Die Beweisaufnahme hat auch bestätigt, dass der Angeklagte selbst allenfalls selektiv – nach Wertung der Kammer: im Sinne von interessengesteuert – von der rechtlichen Wirksamkeit der „Einbringung“ ausging. So stellte er neben dem hiesigen Antrag einen weiteren Antrag auf Überbrückungshilfe III für die Kanzlei, bei der auch seine sämtlichen Angestellten bis zu deren rückwirkenden Ummeldung beschäftigte. Bei alldem informierte er noch nicht einmal den für die Kammer glaubwürdigen Zeugen N, dass die Kanzlei in die AL integriert worden sein soll und dass Geldeingänge nicht der Kanzlei sondern der AL zustehen sollten. Die fehlende Konsequenz bei der „Einbringung“ zeigte sich auch an anderer Stelle: Während danach nur einzelne Vermögensgegenstände übertragen werden sollten, argumentierte der Angeklagte in seinem Antrag und gegenüber der Kammer so, als sei mit der „Einbringung“ die Kanzlei mit der AL zu einer Einheit verschmolzen, sodass die Umsätze und Kosten (obwohl die Verbindlichkeiten nach dem Vertragstext vom 11.11.2019 gerade beim Angeklagten selbst verblieben sein sollen) der Kanzlei als solche der AL gelten sollten. Mit diesem den Vertragstext übersteigenden, behaupteten Verständnis korrespondierte aber nicht die gleichzeitige Übernahme der Kanzleimitarbeiter durch die AL; diese erfolgte erst später, als dem Angeklagten selbst die eigene Insolvenz drohte. Auch das belegt zur Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte mit der „Einbringung“ und deren Folgerungen nicht so sehr stringent einen unternehmerischen Plan umsetzte, sondern – wie bei dem Übertragungsvertrag auf LF vom 14.08.2016 – ad hoc auf wahrgenommene Bedrohungen (bzw. Chancen) reagierte, um diesen in der je konkreten Situation zu begegnen (bzw. um diese zu nutzen, wie bei dem Antrag).
140
(6) Die Kammer ist weiter überzeugt, dass dem Angeklagten auch klar war, dass die „Einbringung“ nicht zur Folge gehabt hat, dass nunmehr die Verhältnisse der Kanzlei der AL zugerechnet werden konnten. Er wusste nach eigener Angabe, dass ihm die Zulassung der Rechtsanwaltskammer zum Betrieb einer Rechtsanwaltsgesellschaft fehlte. Er erklärte, die Kanzlei sei in der AL „geparkt“ gewesen und hätte jederzeit aktiviert werden können, hätte die Rechtsanwaltskammer die Tätigkeit genehmigt. Aufgrund der fehlenden Zulassung habe die AL noch nicht auf dem Markt tätig sein können. Es war aber nach der Rechtslage bei Antragstellung (vgl. § 59c Abs. 1, § 59d Nr. 1, § 59e Abs. 1, 2 BRAO in der am 27.10.2021 geltenden Fassung) in Verbindung mit der angestrebten gesellschaftsrechtlichen Lage, wie sie der schwebend unwirksame Übertragungsvertrag vom 21.11.2019 des Notars Dr. B vorsah, unmöglich, dass die AL die Zulassung erhält. Nach der mit Gesetz vom 07.07.2021 m.W.v. 01.08.2022 beschlossenen neuen Rechtslage wäre die Rechtslage nicht anders (vgl. § 59b Abs. 2 Nr.1, § 59d Abs. 4, 5, § 59f Abs. 2 Nr. 1 BRAO). Das wusste der Angeklagte, so ist die Kammer überzeugt, wie sein Einwurf in der Hauptverhandlung verdeutlichte, als er Rechtsausführungen des Staatsanwalts mit der Bemerkung unterbrach, dieser beziehe sich auf eine nicht einschlägige Fassung der BRAO. Im Übrigen gab der Angeklagte an, die Abmahnung der Rechtsanwaltskammer vom 04.05.2020 erhalten und gelesen zu haben, in der die Kammer ihm vorhielt:
„Außerdem versenden Sie Korrespondenz auf einem Briefbogen mit der Angabe „F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH i. G.“, obwohl eine solche Gesellschaft nach den der Rechtsanwaltskammer vorliegenden Informationen nicht existiert. Uns wurde weiter bekannt, dass Sie gegenüber Mandanten der Kanzlei F & Kollegen behaupten, dass die Mandatsbeziehung in die F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH eingebracht worden sei und dieser Vorgang für den Mandanten keinerlei Nachteil darstelle. Auch dies ist unzutreffend, denn eine F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die als Rechtsanwaltsgesellschaft zugelassen ist, und damit anwaltlich tätig werden könnte, existiert nicht. (…) Wenn nun gegenüber dem Mandanten behauptet wird, die Einwilligung in eine Einbringung des Mandatsverhältnisses in die „F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH“ habe für den Mandaten keinerlei Nachteil, so ist dies unzutreffend und ebenfalls irreführend nach §§ 3, 5 Abs. 1 UWG.“
141
Soweit der Angeklagte in der Hauptverhandlung erklärte, man müsse sich das Verhältnis von Kanzlei und AL als „verdeckte Treuhand“ vorstellen, so führte er im gleichen Atemzug aus, dass ihm klar gewesen sei, dass das im Außenverhältnis keinerlei Wirkung gezeitigt habe. Die Vereinigung von AL und Kanzlei hat der Angeklagte dann wieder als seine Zukunftsvorstellung und sein Handlungsziel beschrieben, nicht jedoch als etwas, was bei Antragstellung schon existent war. Soweit es deren Wirkungen für die hiesige Antragstellung anging, griff er wiederholt – worauf ihn die Kammer wiederholt hinwies und was ergänzend seinen Vorsatz belegte – zum Konjunktiv, etwa dass er in der AL einen seinen Vorstellungen entsprechenden Zustand hätte sofort herbeiführen können, wenn er die Berufung gegen das Urteil der 2. KfH des Landgerichts Nürnberg-Fürth zurückgenommen hätte, oder dass die gesellschaftsrechtlichen Änderungen in der AL wirksam hätten werden können, wenn NS zugestimmt hätte. Mit letzterem sei alles klar gewesen, es sei „nur noch ums Geld gegangen“.
142
Die Beweisaufnahme hat weiter bestätigt, dass er eine Zustimmung der Mandanten zur Abtretung von Vergütungsforderungen nicht eingeholt hatte und sie nicht vorlag. Eine solche ist in dem Textbaustein, mit welchem der Angeklagte AF die Zustimmung seiner Mandanten eingeholt haben will, gerade nicht enthalten.
b) Antragstellung und unrichtige Angaben
143
Gleichwohl gab der Angeklagte bei der Antragstellung für die AL wider besseres Wissen vor, dass die Mitarbeiter, die Kosten und der Umsatz seiner Kanzlei wegen dieser „Einbringung“ der AL zuzurechnen seien und machte sie, zu Unrecht, wie er wusste, bei der AL geltend.
aa) Antragstellung durch die Angeklagten
144
Die unter C.I.3. und nachfolgend jeweils zitierten Auszüge aus dem Antrag, den Erklärungen des Antragstellers und den FAQ wurden jeweils als Ausdruck im Selbstleseverfahren gelesen. An deren Richtigkeit und daran, dass sie so dem Angeklagten vorlagen, zweifelt die Kammer nicht.
145
(1) Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte den Coronahilfeantrag online gestellt und dass die Angeklagte hierzu die notwendigen Unterschriften geleistet hatte. Neben den insoweit übereinstimmenden Angaben der Angeklagten stützt sich die Kammer auf den Ausdruck des Antrags vom 27.10.2022. Aus diesem geht neben den einzelnen gemachten Angaben – wie oben unter C.I.3 jeweils zitiert – auch hervor, dass der Antrag unter dem Namen „Z“ gestellt wurde. Die ebenfalls mit dem Antrag eingereichten Erklärungen des Antragstellers vom 27.10.2022 belegen die zitierten Erklärungen des Angeklagten sowie die Liste der als subventionserheblich benannten Tatsachen. Die Erklärungen des Antragstellers tragen die zwei Unterschriften der Angeklagten BF, die diese in der Hauptverhandlung als die ihren anerkannte.
146
Bestätigt wird die Urheberschaft des Antrags durch die Aussage des Angeklagten vor dem Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Nürnberg im Rahmen der ermittlungsrichterlichen Vernehmung nach seiner Festnahme am 19.01.2022, die in der Hauptverhandlung verlesen wurde. Der Angeklagte machte hier Angaben zu den Tatvorwürfen und erklärte:
„Die Anträge, die gestellt wurden, wurden alle auf meinem Kanzleirechner erstellt. Weder meine Frau noch Herr PB noch Frau Z haben hierbei aktiv mitgewirkt oder Kenntnis von den bedeutenden Umständen gehabt. Ich habe mit meiner Frau über die Tatsache der Antragstellung gesprochen und ihr auch von dem Ergebnis erzählt. Eine weitere Kenntnis hatte sie hierüber nicht. Das Gleiche gilt für Herrn PB, Frau Z und Herrn E.“
147
Der genaue Ablauf der Antragstellung, nämlich die einzelnen Eingabefelder, die dabei jeweils abrufbaren Erklärtexte (Pop-Ups) und die Eingabe von Daten in die Maske im Onlineportal, wurden der Kammer darüberhinaus von der die Ermittlungen führenden Kriminalbeamtin, der Zeugin KHK´in Ki in der Hauptverhandlung im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung mittels eines simulierten Durchgangs durch das Antragsformular präsentiert. Dazu hatte sich die Zeugin beim Bundesministerium für Wirtschaft einen gesonderten Zugang zum Antragsportal einrichten lassen (einen sog. „Dummy“ oder Test-Account), der es ermöglichte, den Antragsablauf online und in Echtzeit durchzugehen, ohne zugleich rechtswirksam einen Antrag zu stellen. Die Zeugin ging im Rahmen ihrer Vernehmung den kompletten Antrag an ihrem Notebook durch, wobei die Verfahrensbeteiligten dem über eine Beamer-Projektion in den Sitzungssaal folgen konnten. Die Kammer hat die einzelnen Darstellungen und Eingabefelder mit den Verfahrensbeteiligten in Augenschein genommen und teils verlesen. Die Zeugin hat begleitend dazu den Antragsprozess im Rahmen ihrer Aussage Schritt für Schritt erläutert und Fragen beantwortet.
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Die – oben und auch im Folgenden – zitierten Erläuterungen zur Antragstellung und die Antragsvoraussetzungen ergeben sich aus den im Selbstleseverfahren jeweils vollständig gelesenen FAQ aus den Ausfüllhilfen sowie aus der Richtlinie.
149
In subjektiver Hinsicht war der rechtliche Rahmen der Antragstellung dem Angeklagten AF vollständig bekannt, wie er auf Nachfrage der Kammer bestätigte. Er habe die ganzen Erläuterungen gelesen. Die Kammer hatte keinen Anlass, das infrage zu ziehen.
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(2) Die Kammer ist weiterhin überzeugt, dass der Angeklagte AF den Antrag als prüfender Dritter „Z“ gestellt hat, ohne dass die Zeugin Z, wie der Angeklagte ebenfalls wusste, damit einverstanden gewesen wäre. Dass er die beA-Karte der Zeugin nutzte, steht – nachdem der Angeklagte das freimütig und im Rahmen seiner langen Ausführungen immer wieder eingeräumt hatte – für die Kammer fest. Sie hat aber auch keinen Zweifel daran, dass er die beA-Karte der Zeugin ohne deren Wissen und Zustimmung zu Unrecht benutzte. Das ergibt sich für die Kammer aus der wertenden Zusammenschau folgender Umstände:
151
Schon die Einlassung des Angeklagten dazu, dass es zwischen ihm und der Zeugin Z im Dezember 2020 eine Vereinbarung gegeben habe, wonach sie ihm die Nutzung ihrer beA-Karte überlassen habe, war nicht nachvollziehbar. So lautete die von ihm erwähnte E-Mail an sie vom 26.11.2020:
„Hallo Frau Z, können Sie sich als Anwältin da registrieren lassen. Ich habe es für meine Person als Anwalt schon getan. Da ich jedoch glaube, dass ich wegen des aktuellen vorläufigen Berufsverbots keine Zulassung solche Überbrückungshilfen zu beantragen bräuchte ich Sie dafür. Wir wollen für die B GmbH eine solche Hilfe beantragen, da es seit 13.11.20 aufgrund der Änderungsverordnung zur 8. Infektionsschutzmaßnahme schließen musste. Bitte Info an mich. Sie brauchen dazu auch ihr Handy und die App die in der Anleitung zur Registrierung genannt ist. Gglg AF"
152
Am 28.11.2020 schrieb er ihr dann aber folgende W.-A.:
„Hallo Frau Kollegin Z, ich habe meinen beA-Zugang zur Beantragung der Überbrückungshilfe für Unternehmen als Anwalt heute erhalten. Es ist also nix für Sie veranlasst. Gglg und schönes Wochenende“
153
Warum Z nach Erhalt dieser W.-A. auf ihn zugekommen sein soll mit der Frage, was es mit dem Antrag auf sich habe und ihm – wie er sagte – angeboten habe, doch deren beA-Karte zu nutzen, dazu hat die Kammer keine plausible Erklärung durch den Angeklagten erhalten.
154
Die Kammer hat dazu die Zeugin Z, zum Zeitpunkt der Antragstellung Rechtsanwältin in der Kanzlei des Angeklagten, vernommen. Sie gab an, sich nach Abschluss des Referendariats im April 2020 bei der Kanzlei F & Kollegen beworben zu haben. Im Mai 2020 sei sie dort zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin, und ab Juni als angestellte Rechtsanwältin eingestellt worden. Da sie weit weg gewohnt habe, sei sie lediglich an zwei Tagen in der Woche in der Kanzlei in S vor Ort gewesen und habe an den restlichen drei Wochenarbeitstagen zuhause im Homeoffice gearbeitet. Dazu habe sie einen VPN-Tunnel verwendet, mit dem sie Zugriff auf ihren Rechner in der Kanzlei gehabt habe. Zur Nutzung ihres beA-Postfaches sei ihre beA-Karte sowie ein Zugangsgerät erforderlich gewesen. Beides sei nach Rücksprache mit dem Angeklagten in der Kanzlei verblieben. Sollten an ihren Homeoffice-Tagen Nachrichten in ihrem besonderen Anwaltspostfach eingehen, sei abgesprochen gewesen, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte M sie darüber telefonisch informiert und sie bittet, sich für sie, Z, in das System einzuloggen. Hierfür habe M Z´s beA-Karte in das Lesegerät stecken und die PIN eingeben müssen. Nach dieser Freischaltung habe sie, Z, sodann über den VPN-Tunnel auf ihr Postfach zugreifen und ihre beA-Nachrichten abrufen können. Wenn sie den Zugang nicht mehr benötigt habe, habe sie sich vom Homeoffice aus ausgeloggt. Frau M habe die Karte dann wieder neben das Lesegerät gelegt. So sei dies die ganze Zeit gehandhabt worden. Als die Zeugin später Frau B als Auszubildende übernommen habe, habe auch diese mittels der beA-Karte absprachegemäß auf das beA-Postfach der Zeugin zugreifen dürfen.
155
Die beA-Karte habe, so die Zeugin weiter, immer neben dem Lesegerät links der Tastatur oder in dem Schubfach unter dem Schreibtisch gelegen. Die PIN habe sie auf einer Schreibtischunterlage notiert. Es habe sich um ein großes Blatt mit vielen Notizen gehandelt. Die PIN sei Frau M und Frau B bekannt gewesen.
156
Irgendwann sei ihre beA-Karte verschwunden gewesen. Die Zeugin habe aus dem Homeoffice entweder Frau M oder Frau B angerufen und gebeten, sich in ihrem beA-Postfach einzuloggen. Frau M oder Frau B habe daraufhin mitgeteilt, dass sie die Karte nicht finden könne. Dies habe die Zeugin nicht verstanden, da sich die Karte immer am selben Platz befunden habe. Sie sei nervös geworden, da die Karte sehr wichtig sei. Am nächsten Tag sei sie vor Ort in der Kanzlei gewesen und habe die Karte überall, auch am Boden und in den Ecken, gesucht. Nachdem sie festgestellt habe, dass die Karte tatsächlich nicht auffindbar gewesen sei, habe sie die Putzfrau beschuldigt, da sie vermutete, diese habe die Karte beim Putzen unachtsam vom Tisch gewischt. Die Zeugin erinnerte sich, sehr wütend gewesen zu sein. Sie habe überall nachgefragt, ob jemand ihre Karte genommen habe. Den Angeklagten habe sie nicht auf die verschwundene Karte angesprochen, da sie keinen Anlass gehabt habe, ihn zu verdächtigen und da er an diesem Tag nicht in der Kanzlei gewesen sei. Sie habe alle wegen der verschwundenen Karte verrückt gemacht. Frau B habe zwei oder dreimal nach der Karte suchen müssen. Als die Suche nach der Karte ergebnislos geblieben sei, habe sie zwei bis vier Tage später, am 29.01.2021, ihre alte Karte sperren lassen und eine neue Karte beantragt. Einige Tage darauf sei sie ins Büro gekommen und die Karte habe mitten auf ihrem Schreibtisch gelegen. Sie sei wieder wütend geworden und habe gefragt, wer die Karte dort hingelegt habe. Letztendlich habe sie wieder die Putzfrau verdächtigt und den Auftrag zur Zusendung einer neuen beA-Karte storniert.
157
Frau M und Frau B seien von der Zeugin angehalten gewesen, niemals ohne ihr Wissen an deren PC zu gehen oder ihr beA-Postfach zu nutzen. Einmal habe sie eine Nachricht von Frau M auf ihrer Mailbox vorgefunden, in der Frau M sagte, sie müsse auf das beA-Postfach der Zeugin zugreifen, da der Angeklagte etwas brauche. Daraufhin habe sie M und B explizit darauf hingewiesen, dass sie das nicht wünsche und sie den Zugang nur auf ihre Anweisung hin nutzen dürften. Dem Angeklagten habe sie nie Zugang zu ihrem beA-Postfach gewährt. Er habe sie auch nie darum gebeten. Auch habe sie ihm die PIN zu ihrer beA-Karte nicht mitgeteilt.
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Auf Vorhalt einer E-Mail des Angeklagten an die Zeugin vom 26.11.2020, der ein Link der Internet-Seite zur Überbrückungshilfe für Unternehmen beigefügt war, gab die Zeugin an, diese E-Mail erhalten zu haben. Sie glaube, darauf nicht reagiert zu haben. Das Thema „Überbrückungshilfe“ sei ihr dann nur begegnet, als der Angeklagte ihr eine W.-A.-Nachricht geschickt habe, in der er sie darauf hingewiesen habe, dass sie ihm zwei Rechnungen für Überbrückungshilfen stellen dürfe. Diese Nachricht, die für sie aus dem Nichts gekommen sei, habe sie nicht verstanden und ihm geschrieben, sie verstehe nicht, um was sich handele.
159
Die W.-A.-Nachricht des Angeklagten an die Zeugin vom 26.03.2021 lautete:
„Ach übrigens, Sie dürfen mir gerne zwei Rechnungen für die Überbrückungshilfen II und III stellen. Die II über 2.500,- € plus Mwst und die III über 5.000,- € plus Mwst, wenn Sie möchten. Gglg und schönes Wochenende“
160
Die Zeugin Z antwortete hierauf am Folgetag per W.-A.:
„Das versteh ich nicht ganz. Sie dürfen mich gern heute anrufen und mir erklären, was Sie damit meinen“
161
Daraufhin habe sie – so die Zeugin in ihrer Aussage weiter – mit dem Angeklagten telefoniert. Er habe ihr mitgeteilt, dass er für die Kanzlei Überbrückungshilfe erhalten habe und ihr einen Anteil von den Überbrückungshilfen der Kanzlei zukommen lassen wollte. Dies habe er damit begründet, dass sie kurz vorher eine Zweigstelle der Kanzlei in Räumen ihres Wohnhauses in … eröffnet habe, wodurch ihr Kosten entstanden seien und damit, dass sie coronabedingt weniger Geld erhalte. Er wolle sie an den Überbrückungshilfen beteiligen, weil sie unter anderem für die Renovierung ihres Zweigstellenbüros Unkosten gehabt habe. Warum sie dafür Rechnungen habe stellen sollen, habe die Zeugin zunächst nicht verstanden. Sie habe ihn gefragt, was auf den Rechnungen im Einzelnen stehen solle. Er habe dann vorgegeben, wie die Rechnungen zu gestalten seien. Sie habe ihren Namen angegeben sollen, den Betreff „Überbrückungshilfe 1“, „Überbrückungshilfe 2“ und „Überbrückungshilfe 3“ sowie die Mehrwertsteuer, die sie auch habe abführen müssen. Sie habe die Rechnungen weisungsgemäß erstellt und ihm übergeben. Er sei damit einverstanden gewesen. Der Angeklagte habe ihr dann erklärt, die Rechnungen für seine Buchhaltung zu benötigen, um zu sehen, wohin das Geld gehe. Insgesamt seien es drei Rechnungen gewesen. Die Zeugin gab an, damals im Stellen von Rechnungen noch nicht so fit gewesen zu sein. Sie habe dem Angeklagten vertraut und sei davon ausgegangen, dass es mit der Rechnungserstellung so seine Richtigkeit habe.
162
Im Übrigen habe sie selbst nichts mit Überbrückungshilfen zu tun gehabt. Sie könne sich nicht erklären, wie ihr Name auf den anklagegegenständlichen Antrag auf Überbrückungshilfe gelangt sei. Sie habe nicht gewusst, dass für die AL ein Überbrückungshilfeantrag gestellt wurde. Sie sei an keiner Antragstellung beteiligt gewesen und habe auch keine Kommunikation mit der IHK im Nachgang einer Antragstellung geführt. Auch habe es kein Gespräch mit dem Angeklagten AF dahingehend gegeben, dass sie ihre Karte für die Antragstellung zur Verfügung stellen und er den Antrag als sachnähere Person ausfüllen werde.
163
Die Zeugin M, seit 2019 Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei des Angeklagten, führte ebenfalls aus, dass sich die beA-Karte der Rechtsanwältin Z immer auf deren Schreibtisch oder in der Schublade des Schreibtisches befunden habe. Dies sei in der Kanzlei kein Geheimnis gewesen. Die Zeugin habe auf Z´s beA-Postfach absprachegemäß zugegriffen, wenn sich diese im Homeoffice befand. Hierzu habe Z ihr im Vertrauen die PIN mitgeteilt, die auf ihrer Schreibtischunterlage notiert war. Die Zeugin erinnerte sich, dass die beA-Karte einmal verschwunden gewesen und irgendwann wieder aufgetaucht sei. Den Zeitraum könne sie nicht näher eingrenzen. Es sei nicht bekannt gewesen, wo die Karte in der Zwischenzeit verblieben sei. Ihr sei nicht bekannt, dass Z die Karte einer anderen Person außer ihr und Frau B überlassen hätte.
164
Die Zeugin B sei als Auszubildende ab August 2020 in der Kanzlei des Angeklagten beschäftigt gewesen. Sie gab an, ebenso wie M die beA-Karte der Zeugin Z absprachegemäß benutzt zu haben, um Z den Zugriff auf ihr beA-Postfach zu ermöglichen, wenn sich diese im Homeoffice befand. Die Karte habe sich in Z´s Büro befunden, die dazugehörige PIN sei auf der Schreibtischunterlage notiert gewesen. Für eine kurze Zeit sei die Karte verschwunden gewesen. Z habe sie an diesem Tag angerufen und gebeten, ihr beA-Postfach zu öffnen. Sie, B, habe daraufhin die beA-Karte gesucht, aber nicht finden können. Z sei darüber sehr wütend gewesen und habe sie auch angeschrien. Die Zeugin habe daraufhin die Putzfrau angerufen, Frau M angesprochen und in der Kanzlei bei den anderen Mitarbeitern nachgefragt. Niemand habe gewusst, wo die Karte sei. Gemeinsam mit M habe sie dann noch einmal Z´s Büro durchsucht, ohne Erfolg. Sie habe überall gesucht, selbst unter der Schreibtischunterlage, unter dem PC und am Boden, aber die Karte sei nicht da gewesen. Auf dem Tisch habe sonst nicht viel gelegen, außer ein paar Gesetzbüchern. Die Zeugin habe auch diese auf der Suche nach der Karte durchgeblättert. Frau Z habe zu dieser Zeit Urlaub gehabt. Nach ihrer Urlaubsrückkehr habe Z dann eine neue Karte bestellt. Schließlich sei die Karte dann unerwartet wieder aufgetaucht. Rechtsanwältin Z sei hierüber sehr aufgeregt gewesen. Auch im Nachhinein habe sich nicht aufgeklärt, was mit der Karte passiert war.
Weitere Beweismittel und Beweiswürdigung
165
Die Kammer hält die Ausführungen der Zeugin Z, nichts mit dem Antrag auf Überbrückungshilfe zu tun gehabt zu haben und dem Angeklagten AF keinen Zugang zu ihrem beA-Postfach gewährt zu haben, für glaubhaft. Die Angaben der Zeugin waren durchweg nachvollziehbar und schlüssig, während die Angaben des Angeklagten AF – soweit sie den Angaben der Zeugin zur Antragstellung widersprechen – teilweise sehr konstruiert wirkten (näher hierzu unten). Die Zeugin vermochte bei ihrer Befragung jede Frage der Verfahrensbeteiligten plausibel zu beantworten.
166
Nach Wahrnehmung der Kammer war die Zeugin bei ihrer Aussage nicht von Belastungseifer geleitet. So machte sie auch positive Äußerungen über ihn. Beispielsweise führte sie an, die Zusammenarbeit mit dem Angeklagten sei bis zur Endphase vertrauensvoll und professionell gewesen. Er habe die Möbel für die Zweigstelle der Kanzlei in ihrem Haus bezahlt und ihr einen teuren Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Zudem habe er ihr auf ihren Wunsch hin ihre Probezeit vorzeitig beendet, da dies Voraussetzung für den Erhalt eines Darlehens zum Hauskauf gewesen sei. In diesem Zusammenhang hätte sich auch ihr monatlicher Arbeitslohn erhöht. Negative Umstände gab die Zeugin erst auf Nachfragen an, etwa dass der Angeklagte dem Buchhalter der Kanzlei, N, gedroht habe, ihn zu kündigen und Schadensersatzansprüche in Höhe von mehreren 100.000 € gegen ihn geltend zu machen, wenn er der Zeugin Einblicke in die Buchhaltung gewähre. Auch gab sie erst auf Nachfrage an, dass der Angeklagte ohne ihr Wissen E-Mails in ihrem Namen versenden ließ.
167
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass die Zeugin durchaus Grund hatte, dem Angeklagten übelzunehmen, dass sie infolge der Ermittlungen gegen ihn zeitweilig auch als Beschuldigte in den Fokus der Ermittlungen geraten ist. Zwar sei das Verfahren gegen sie von der Staatsanwaltschaft nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Doch habe sie, so die Zeugin, nach der Durchsuchung, die bei ihr durchgeführt worden sei und wegen des gegen sie geführten Verfahrens eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt, was ihr die Kammer nach dem persönlichen Eindruck glaubt. Ihre Aussage war über weite Strecken klar und selbstbewusst vorgetragen, als es jedoch um die Folgen der Durchsuchungen und des Strafverfahrens ging, musste sie mit den Tränen kämpfen. In diesem Kontext sieht die Kammer auch die Aussage des am 02.12.2022 vernommenen Zeugen Mi über die Zeugin Z. Bei diesem handelte es sich um einen Handwerker und früheren Mandanten des Angeklagten, der ihn seit 2012 in Bausachen betreut habe. Er berichtete über ein Telefonat mit der Zeugin von Mitte Juni 2022. Da habe er sie gebeten, dem Angeklagten einen schönen Gruß auszurichten, worauf Z erwidert habe, sie hoffe dass der Angeklagte lange „drin bleibe“. Auf einen entsprechenden Vorhalt der Verteidigung in ihrer eigenen Vernehmung hatte die Zeugin erklärt, sich an eine solche Aussage ihrerseits nicht zu erinnern. Allerdings erklärte der Zeuge Mi im Laufe seiner Befragung, dass er von dem Prozess aus der Presse erfahren habe und sich – weil dies mit seinem positiven Bild des Angeklagten nicht zusammengepasst habe – habe selbst ein Bild machen wollen. Daher habe er sich einige der vorangehenden Sitzungstage als Zuschauer angesehen und sei auch bei der Aussage der Zeugin Z im Sitzungssaal gewesen. Er habe dann von sich aus das Gespräch mit dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr. P, gesucht und sich als Zeuge für die berichtete Aussage der Zeugin angeboten. Er habe Dr. P nach Z´s Aussage angesprochen und ihm gegenüber beteuert, das Telefonat habe es auf jeden Fall gegeben. Auch wenn die Kammer danach ein Interesse des Zeugen Mi erkannte, dem von ihm geschätzten Angeklagten etwas Gutes zu tun, will sie nicht ausschließen, dass es die von ihm berichtete Aussage der Zeugin Z gegeben hat. Diese wäre nach Beurteilung der Kammer aber auch menschlich verständlich und nachvollziehbar vor dem Hintergrund des zuvor bestehenden Vertrauensverhältnisses, das Zeugin wie Angeklagter übereinstimmend beschrieben haben, und des darauffolgenden Vertrauensbruchs durch den Angeklagten sowie der daraus resultierenden Folgen für die Zeugin. Allerdings zieht die Kammer daraus die weitergehende Folgerung nicht, dass die Zeugin deshalb auch bereit gewesen wäre, vor Gericht zu lügen, um den Angeklagten zu Unrecht zu belasten.
168
Für die Kammer überzeugend war in diesem Zusammenhang insbesondere die Aussage der Zeugin über ihre zwischenzeitlich verlorene beA-Karte. Ihre Aussage, über den Verlust der beA-Karte sehr verärgert gewesen zu sein, überall nachgefragt und alle verrückt gemacht zu haben, deckt sich mit der Aussage der Zeugin B, die beschreibt, lange nach der Karte gesucht zu haben. Nach Aussage beider Zeuginnen kam es zu der Aufregung, als anlässlich eines Anrufs Z´s aus deren Homeoffice aufkam, dass die beA-Karte verschwunden war. Die Zeugin Z gab auf Nachfrage an, sie habe keinen Grund gehabt, anzunehmen, der Angeklagte sei im Besitz der Karte. Auch M und B berichten nicht, dass der Angeklagte je mit Z´s Karte hantiert habe. Träfe die Einlassung des Angeklagten zu, wonach er bei seinen Coronahilfeanträgen die beA-Karte der Zeugin absprachegemäß verwendet habe – erstmals war dies ausweislich des entsprechenden Antrags beim am 04.01.2021 gestellten Coronahilfeantrag für die Kanzlei der Fall und nach Aussage der ermittelnden Kriminalbeamtin, KHK´in Ki, wurde für die X GmbH & Co. KG der erste Antrag am 23.01.2021, kurz bevor die Karte abgängig wurde, gestellt – wäre es nicht nachvollziehbar, dass die Zeugin eine große Aufregung in der Kanzlei verursacht, anstatt zunächst den Angeklagten darauf anzusprechen oder die Zeugin B zu bitten, beim Angeklagten zu klären, ob er eventuell gemäß der getroffenen Absprache – so denn es sie gegeben hat – die beA-Karte zur Verwendung an sich genommen hatte.
169
Zu der Version des Angeklagten, es habe eine Abrede mit Z gegeben, wonach er deren beA-Karte nutzen könne, sie aber im Gegenzug dafür Geld erhalten solle, passt schon der Wortlaut seiner W.-A. vom 26.03.2021 nicht. Wenn nämlich die Zeugin aus einem wechselseitigen Vertrag einen Anspruch auf das Geld gehabt hätte, wäre die Formulierung „Sie dürfen mir gerne zwei Rechnungen … stellen. (…), wenn Sie möchten“ unverständlich, ebenso wie die verständnislose Rückfrage der Zeugin in der App vom Folgetag nicht recht erklärbar wäre.
170
Auch die von der Zeugin Z jeweils an die Rechtsanwaltskanzlei F & Kollegen in S gestellten Rechnungen vom 29.03.2021 und 04.06.201 passen zu der Version der Zeugin. In der Hauptverhandlung thematisiert wurden sie allerdings vom Angeklagten, der anhand der beiden Rechnungen belegen wollte, dass Z an der Stellung der Coronahilfeanträge durch ihn beteiligt gewesen sei und von seiner Antragstellung mit ihrer beA-Karte gewusst habe.
171
Die Rechnung vom 29.03.2021 lautet:
„Rechnung 02/2021 … Überbrückungshilfe Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit erlaube ich mir, Ihnen nachfolgend die Vereinbarte Zahlung von 2.500,00 € netto in Rechnung zu stellen Kanzleiräume … Zahlbetrag: 2.500,00 € Zuzüglich 19% MWSt: 474,00 € (…)“
172
Die Rechnung vom 04.06.2021 lautet:
„Rechnung 05/2021 … Überbrückungshilfe III Sehr geehrte Damen und Herren, Hiermit darf ich Ihnen die Überbrückungshilfe III in Rechnung stellen:
Überbrückungshilfe III: 5.000,00 € Ust 19%: 950 € (…)“
173
Auf der Rechnung vom 29.03.2021 sind die Kanzleiräume der Zeugin in … aufgeführt, was ihre Aussage, die Zahlung sei als Anteil an der Corona Überbrückungshilfe für die Zweigstelle gedacht, stützt. Der Glaubhaftigkeit der Aussage steht nicht entgegen, dass die Rechnung eine Mehrwertsteuer ausweist. Die Zeugin gab insoweit nachvollziehbar an, als Berufsanfängerin keine Erfahrung mit Rechnungsstellung gehabt und die Rechnungen nach Anweisung des Angeklagten erstellt zu haben, was dieser bestätigte. Die oben zitierte W.-A.-Nachricht des Angeklagten vom 26.03.2021 belegt, dass er ausdrücklich auf eine Rechnungsstellung mit Mehrwertsteuer hinwirkte.
174
Demgegenüber wirkt die Einlassung des Angeklagten, wonach mit den Rechnungen das Zurverfügungstellen der beA-Karte vergütet worden sein soll, auf die Kammer als konstruiert. Der Angeklagte vermochte selbst nicht zu sagen, welche (früheren) Coronahilfeanträge mit welcher Rechnung abgegolten sein sollten. Der hiesige Antrag, der knapp ein halbes Jahr nach der letzten Rechnung gestellt wurde und bei dem der Angeklagte sich erst sehr spät darüber klar geworden ist, dass er ihn überhaupt stellen will, war von den Rechnungen jedenfalls nicht erfasst.
175
Auch die Betreffzeilen der Rechnungen passen nicht zur Version des Angeklagten. Sie belegen nicht, dass die Rechnungen für die Tätigkeit als prüfender Dritter gestellt werden sollen. Dies ist bereits insoweit unverständlich, als das Antragssystem eine Erstattung der Aufwendungen für prüfende Dritte explizit vorsieht, wie der Angeklagte bei hiesigem Antrag in den Angaben zu den Fixkosten im Juni 2021 den Posten „11. Kosten für prüfende Dritte, die im Rahmen der Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe anfallen“ mit 7.670,74 € bezifferte. Der Vortrag des Angeklagten passt auch nicht zu seiner Aussage beim Ermittlungsrichter, wonach Z an der Antragstellung nicht aktiv mitgewirkt und keine Kenntnisse von den bedeutenden Umständen des Antrags gehabt habe. Sie habe lediglich gewusst, dass ein Antrag gestellt wurde. Eine darüberhinausgehende Kenntnis habe sie nicht gehabt. Wäre die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung zutreffend, dass Z ihm ihre beA-Karte entgeltlich zur Verfügung gestellt habe, erschließt sich nicht, weshalb er dies bei dieser ersten Vernehmung nicht erwähnte.
176
Die Kammer hatte nach alldem keinen Anlass, den Beweisermittlungsanträgen des Angeklagten nachzugehen. Der Angeklagte beantragte, zur Aufklärung der Glaubwürdigkeit der Zeugin Z Auskünfte bei dem S2. R2. AG, und dessen örtlich für S zuständigen Fachdienstleister … sowie beim Kanzlei-IT-Dienstleister … für die Kanzlei F & Kollegen einzuholen. Aus Sicht des Angeklagten habe die Zeugin, die nach dessen Verhaftung die Kanzlei-Mandate habe weiterbetreuen sollen, nämlich ohne seine Zustimmung und sein Wissen Mandantendaten von RAmicro mit der Kanzleisoftware auf ihren Rechner in der Zweigstelle der Kanzlei in … überspielen lassen. Insoweit habe die Zeugin gelogen, als sie im Rahmen ihrer Vernehmung auf Frage des Angeklagten angab, das Betriebssystem der Kanzlei weder heruntergeladen noch darauf Zugriff zu haben. Die Kammer allerdings hielt diesen Punkt bei ihrer Bewertung der Glaubwürdigkeit der Zeugin in Bezug auf die hier maßgebliche Fragestellung für unerheblich. Selbst wenn sie in diesem Nebenpunkt die Unwahrheit gesagt haben sollte – was etwa durch lizenzrechtliche Befürchtungen motiviert gewesen sein könnte –, hätte dies für die Kammer nicht zur Folge gehabt, dass Zweifel an der Richtigkeit ihrer Angaben zum Tatsachverhalt aufkommen.
177
(3) Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, dass dem Angeklagten AF – entgegen seiner zum Ende der Hauptverhandlung aufgestellten These, es komme beim Antrag auf die Identität des prüfenden Dritten gar nicht an – bewusst war, dass die Identität des prüfenden Dritten für den Subventionsgeber von zentraler Bedeutung war.
178
Die Kammer hat dazu den Coronahilfeantrag der Kanzlei des Angeklagten vom 04.01.2021 nebst der dazugehörigen Kommunikation mit der IHK über die Antragsplattform eingeführt. Daraus ergibt sich, dass der Angeklagte bereits im Vorfeld der hiesigen Antragstellung darauf hingewiesen wurde, dass der Antrag durch einen unabhängigen Dritten einzureichen ist. So schrieb die IHK am 28.01.2021 an den Angeklagten, nachdem er den ersten auf den eigenen Namen gestellten Antrag auf Gewährung der Überbrückungshilfe II zurückgenommen und am 04.01.2021 einen neuen unter „Z“ gestellt hatte:
„Wir dürfen heute nochmals auf den bereits bekannten Punkt zurückkommen, dass der Antrag zwingend durch einen prüfenden Dritten im Namen des Antragstellers einzureichen ist. Die Antragstellung eines prüfenden Dritten für sich selbst ist jedoch ausgeschlossen. Der Ansprechpartner des prüfenden Dritten ist im neuen Antrag zwar geändert worden, eine Mitarbeiterin der Kanzlei, damit ist aber immer noch der Sachverhalt gegeben, dass hier ein Antrag für sich selbst gestellt wurde (…) Wir müssen Sie daher nochmals bitten, den vorliegenden Antrag zurückzuziehen und über einen tatsächlich prüfenden Dritten erneut einreichen zu lassen. Sollten Sie den Antrag nicht zurückziehen wollen, müssen wir den Antrag ablehnen.“
179
Nachdem der Angeklagte, in einer weiteren Nachricht als „Z“ darauf beharrte, den Antrag als „unabhängiges Organ der Rechtspflege“ und nicht als Mitarbeiterin der Kanzlei gestellt zu haben, antwortete ihm die IHK am 01.02.2021 erneut:
„Partner und Mitarbeiter des Antragstellers können nicht prüfende Dritte sein.“
180
Diese Erklärungen der IHK zur Rechtslage entsprachen den dem Angeklagten bekannten FAQ, wo es unter Nr. 3.2 hieß:
„Der prüfende Dritte prüft dabei vor Antragstellung die Plausibilität der Angaben und berät den Antragstellenden bei Fragen zu Antragsvoraussetzungen und zum Antragsverfahren. Die Antragstellung eines prüfenden Dritten für sich selbst ist ausgeschlossen.“
181
Die Bedeutung der Richtigkeit der Angabe des prüfenden Dritten wurde dem Angeklagten zudem bei der hiesigen Antragstellung selbst nochmal verdeutlicht. So setzte er im Antrag jeweils einen bestätigenden Haken bei diesen Erklärungen des prüfenden Dritten:
„- Ich habe zur Kenntnis genommen, dass auch die Bewilligungsstelle meine Eintragung im Berufsregister der zuständigen Steuerberaterkammer, der Wirtschaftsprüferkammer bzw. Bundesrechtsanwaltskammer nachprüfen kann.
- Außerdem habe ich die Angaben des Antragstellers zu Fixkosten und Umsatzprognosen überprüft und bestätige deren Plausibilität (…)
- Ich habe die Angabe des Antragstellers überprüft, mindestens einen Beschäftigten zum Stichtag 29. Februar 2020 oder Stichtag 31. Dezember 2020 gehabt zu haben, und bestätige deren Richtigkeit“
182
Auch daraus erschloss sich dem Angeklagten, dass dem prüfenden Dritten vom Subventionsgeber, der selbst keine vertiefte Prüfung der Anträge durchführen konnte, eine zentrale Rolle zugewiesen wurde. Das wäre nicht mit einem Verständnis vereinbar, das die Identität des prüfenden Dritten für irrelevant erklärt. Dass das dem Angeklagten klar war, wird nicht zuletzt dadurch belegt, dass er sich nicht traute, die Coronahilfeanträge mit seiner eigenen beA-Karte zu stellen, wie seine eigene Aussage und die oben zitiere E-Mail vom 26.11.2020 an Z zeigen.
183
Der Zeuge D von der IHK für M. und O., der dort die Abteilung leitet, die die Coronahilfeanträge bayernweit bearbeitet, bestätigte aus der Sicht der Bewilligungspraxis die zentrale Rolle des prüfenden Dritten. Die Bewilligung der Anträge sei in einer hohen Geschwindigkeit erfolgt, da man vom Lockdown betroffene Unternehmen habe sichern wollen. Es habe sich um Massenverfahren mit einem hohen Automatisierungsgrad gehandelt. Die Antragsdaten seien von einem Roboter gescreent worden. Im Rahmen dieser Prüfung seien Anträge, die Unplausibilitäten enthalten haben, zur näheren Prüfung an einen Sachbearbeiter weitergeleitet worden. Die übrigen Anträge – etwa die Hälfte – seien im Wege der „Dunkelverarbeitung“ direkt zur Bewilligung gelangt, wo lediglich eine grobe Plausibilitätsprüfung durch einen Mitarbeiter erfolgt sei. Der prüfende Dritte sei deshalb erforderlich gewesen, um eine gewisse Datenqualität zu erreichen und die Daten in einer strukturierten Form in der Antragsmaske zu erhalten. Zum anderen habe hinter dem prüfenden Dritten das Berufsrecht gestanden, so habe man dadurch, dass er die Angaben unterschrieb, eine gewisse Sicherheit vor Betrug schaffen wollen. Der prüfende Dritte habe eine gewisse Gewähr für die Zuverlässigkeit der Daten gegeben. Nach der Förderrichtlinie seien bestimmte Konstellationen von prüfenden Dritten ausgeschlossen gewesen. Das habe die Antragstellung für sich selbst betroffen. Ebenso habe der prüfende Dritte – etwa als Gesellschafter – nicht in den Antragsteller investiert sein dürfen. Auch könne ein beim Antragsteller abhängig Beschäftigter nicht prüfender Dritter sein. Der Zeuge nannte den Verlust der Berufszulassung als weiteres – wenn auch nicht in der Richtlinie genanntes – Ausschlusskriterium für einen prüfenden Dritten. Wäre der IHK bekannt geworden, dass ein Berufsverbot beim prüfenden Dritten vorliegt, hätte sich der Antragsteller einen neuen prüfenden Dritten suchen müssen. Den Angaben des prüfenden Dritten habe man vertrauen müssen, deshalb seien sie Teil des Systems gewesen.
bb) Angaben zur Anzahl der Beschäftigten
184
Für die Beurteilung der Anzahl der Beschäftigten hat die Kammer den Rechtsrahmen festgestellt. Die FAQ gaben dazu die folgenden weiteren Erläuterungen:
„1. Wer bekommt Corona-Überbrückungshilfe?
1.1 Welche Unternehmen sind antragsberechtigt? Grundsätzlich sind Unternehmen (…) bis zu einem weltweiten Umsatz von 750 Mio. Euro im Jahr 2020, Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb aller Branchen für den Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 antragsberechtigt, die in einem Monat des Förderzeitraums einen Coronabedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum Referenzmonat im Jahr 2019 erlitten haben.
(…) Als Unternehmen gilt dabei jede rechtlich selbständige Einheit (mit eigener Rechtspersönlichkeit) unabhängig von ihrer Rechtsform, die wirtschaftlich am Markt tätig ist und zum Stichtag 29. Februar 2020 oder zum Stichtag 31. Dezember 2020 zumindest einen Beschäftigten (unabhängig von der Stundenanzahl) hatte (…)
Soloselbständige und selbständige Angehörige der Freien Berufe gelten in diesem Sinne für die Zwecke der Überbrückungshilfe III als Unternehmen mit einem Beschäftigten, wenn die selbständige oder freiberufliche Tätigkeit im Haupterwerb ausgeübt wird.
Gemeinnützige Unternehmen bzw. Sozialunternehmen, Organisationen und Vereine ohne Beschäftigte können auch Ehrenamtliche (…) als Beschäftigte zählen. (…) Bei Gesellschaften bürgerlichen Rechts und Unternehmen anderer Rechtsformen ohne weitere Beschäftigte (neben den Inhabern) muss zumindest ein Gesellschafter im Haupterwerb für das Unternehmen tätig sein. Gleiches gilt für EinPersonen-Gesellschaften, insbesondere E2. GmbH und E2. GmbH & Co. KG, deren einziger Beschäftigter der Anteilsinhaber als sozialversicherungsfreier Geschäftsführer ist.
2. Wie viel Corona-Überbrückungshilfe wird gezahlt? (…)
2.2 Welche Bedeutung hat die Anzahl der Beschäftigten für die Antragsberechtigung und die Ermittlung der Zuschusshöhe?
Ein Unternehmen ist nur dann antragsberechtigt, wenn es wahlweise zum Stichtag 29. Februar 2020 oder zum Stichtag 31. Dezember 2020 zumindest einen Beschäftigten hatte (unabhängig von der Stundenanzahl) (…) Bei gemeinnützigen Unternehmen bzw. Sozialunternehmen, Organisationen und Vereinen ohne Beschäftigte können auch Ehrenamtliche (…) als Beschäftigte gelten (…) Die Anzahl der Beschäftigten ist bei der Überbrückungshilfe III (…) ohne Bedeutung für den maximalen Erstattungsbetrag. Im Rahmen der Antragstellung ist durch den prüfenden Dritten zu prüfen, ob das antragstellende Unternehmen zumindest einen Beschäftigten zum Stichtag hatte (…).
2.3 Wie ist die Anzahl der Beschäftigten zu ermitteln? Als Beschäftigtenzahl soll die Zahl der Mitarbeiter in Vollzeitäquivalenten wahlweise zum Stichtag 29. Februar 2020 oder zum Stichtag 31. Dezember 2020 zugrunde gelegt werden. Die Anzahl der Beschäftigten eines Unternehmens oder einer/eines Freiberuflers/in soll auf der Basis von Vollzeitäquivalenten ermittelt werden (Basis: 40 Arbeitsstunden je Woche). Bei der Ermittlung der Vollzeitäquivalente (VZÄ) werden Beschäftigte wie folgt berücksichtigt:
- Beschäftigte bis 20 Stunden = Faktor 0,5
- Beschäftigte bis 30 Stunden = Faktor 0,75
- Beschäftigte über 30 Stunden = Faktor 1
- Beschäftigte auf 450 Euro-Basis = Faktor 0,3
- Saisonarbeitskräfte, Arbeitskräfte in Mutterschutz/Elternzeit und vergleichbar Beschäftigte werden berücksichtigt, wenn sie am Stichtag beschäftigt waren.
- In Branchen, deren Beschäftigung saisonal stark schwankt, kann zur Ermittlung der Beschäftigtenzahl alternativ auch einer der beiden folgenden Bezugspunkte herangezogen werden a) der Jahresdurchschnitt der Beschäftigten in 2019 oder b) Beschäftigte im jeweiligen Monat des Jahres 2019 oder eines anderen Monats des Jahres 2019 im Rahmen der Fördermonate.
(…) Gemeinnützige Unternehmen gemäß Buchstabe G Ziffer 2 Absatz 3 können Ehrenamtliche berücksichtigen. Dies gilt auch für nachgelagerte Unternehmen von Gemeinnützigen Unternehmen, sofern alle Gesellschafter ausschließlich Gemeinnützige Unternehmen sind. Die Inhaberin / der Inhaber ist kein/e Beschäftigte.“
185
An den übereinstimmenden Angaben beider Angeklagter, BF wäre für ihre Geschäftsführertätigkeit bei der AL zu den Stichtagen nicht entlohnt worden, zweifelt die Kammer nicht, auch wenn sie die Aussagen nicht anhand von Kontoauszügen objektivieren kann – die AL hatte zu den Stichtagen gar kein Konto, was aber das Fehlen von Zahlungen eher stützt. Zum 01.11.2021 erhielt die Angeklagte dann einen Arbeitsvertrag bei der AL. Dieser hier eingeführten Urkunde ist zu entnehmen, dass sie ab 01.11.2021 als Sekretärin in Vollzeit (Nr. 1 Abs. 2: „Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere alle Schreib- und Telefonarbeiten.“) 4.000 € brutto monatlich verdienen sollte.
186
Dass er lediglich externer Mitarbeiter der AL war – gegenüber der Kammer bezeichnete er seine Rolle als „juristischer Berater“, „Bevollmächtigter“ oder „freier Mitarbeiter“ – und hierfür nicht entlohnt wurde, steht für die Kammer aufgrund der eigenen Aussage des Angeklagten fest.
187
Die Kammer ist weiter davon überzeugt, dass auch kein sonstiger Mitarbeiter bei der AL beschäftigt war. Die im Kern übereinstimmenden Aussagen der Kanzlei-Mitarbeiter (oben D.II.2.a.bb und cc.(4)), wonach sie bei der Kanzlei angestellt worden wären und mit der AL nichts haben anfangen können, waren insgesamt glaubhaft. Keinen Zweifel hat die Kammer weiter, dass eine formelle Übertragung der Arbeitsverhältnisse auf die AL im Laufe des Jahres 2021 mit (Rück) Wirkung zum 01.01.2021 stattgefunden hat. Den tatsächlichen Vorgängen, wie von den Kanzleiangestellten berichtet, widersprach der Angeklagte auch nicht, sondern versuchte, der Kammer seine abweichende rechtliche Auffassung nahezubringen. Hierbei griff er nach jeder rechtlich denkbaren Variante, unabhängig davon, ob diese mit seinem sonstigen Vortrag in Übereinstimmung zu bringen war. So sprach er die Möglichkeit des Übergangs der Arbeitsverhältnisse im Wege des Betriebsübergangs erst gegen Ende der Hauptverhandlung an, als das Insolvenzgutachten der AL angesprochen und von der Verteidigung der Gedanke geäußert wurde, man könnte die Sache auch anders sehen als der Insolvenzverwalter. Dieser hatte in dem Gutachten die Möglichkeit eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB im Zusammenhang mit der „Einbringung“ diskutiert und klar verneint. Der Vorsatz des Angeklagten wird nach der Überzeugung der Kammer dadurch nicht infrage gestellt.
cc) Angabe zur dauerhaften wirtschaftlichen Tätigkeit am Markt
188
Bei diesem Punkt gibt das Antragsformular – wie oben unter C.I.3.b dargelegt – keine Eingabemöglichkeit explizit dazu vor, dass das beantragende Unternehmen dauerhaft wirtschaftlich am Markt ist. Dieser Aspekt ergibt sich bei der Eingabe vielmehr aus der Zusammenschau der Fragen bzw. Vorgaben, so wenn angegeben werden sollte, in welcher Branche das Unternehmen tätig ist oder wenn nach dem Zeitpunkt der Aufnahme der Geschäftstätigkeit gefragt wurde und wenn versichert werden sollte, dass das Unternehmen den Geschäftsbetrieb vor dem 01.11.2020 aufgenommen hatte. Klar kommt das Erfordernis der bereits früher begonnenen und bei Antragstellung noch ausgeübten wirtschaftlichen Betätigung in der für hiesigen Fall maßgeblichen bayerischen Richtlinie zum Ausdruck, die unter „Nr. 2.1 Antragsberechtigte Personen“ diejenigen Unternehmen als antragsberechtigt bezeichnen
„a) die ihre Tätigkeit von einer inländischen Betriebsstätte oder einem inländischen Sitz der Geschäftsführung aus ausführen und bei einem deutschen Finanzamt für steuerliche Zwecke erfasst sind;
b) die spätestens bis einschließlich 30. April 2020 gegründet wurden; (…)“
189
Weiterhin erklärte der Angeklagte durch Ankreuzen im Antragsformular, dass er sich verpflichtet, die Überbrückungshilfe zurückzuzahlen, wenn der Geschäftsbetrieb dauerhaft eingestellt wird. Zu diesem letzten Punkt erläutert Nr. 5.1 FAQ:
„Die Zuschüsse sind zurückzuzahlen, wenn der Antragssteller seine Geschäftstätigkeit vor dem 30. Juni 2021 dauerhaft einstellt. Eine Auszahlung der Zuschüsse an Unternehmen, die ihren Geschäftsbetrieb eingestellt haben oder das Insolvenzverfahren angemeldet haben, ist ausgeschlossen. Dies gilt auch, wenn ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit zwar nach dem 30. Juni 2021, jedoch vor Auszahlung der Zuschüsse dauerhaft einstellt.“
190
Die AL hat ihren satzungsgemäßen Betrieb als Bauträger spätestens 2018 eingestellt, wie sich aus den obigen Ausführungen (D.II.2.a.bb) ergibt. Der Umstand, dass die Kanzlei des Angeklagten weiterhin am Markt tätig war, war für die Frage, ob die AL dauerhaft wirtschaftlich am Markt ist, wie der Angeklagte wusste, rechtlich unerheblich (dazu D.II.2.a.cc).
dd) Angaben zu Coronabedingten Umsatzeinbrüchen
191
Die AL hatte ihre Geschäftstätigkeit tatsächlich, wie der Angeklagte wusste, bereits spätestens im Jahr 2018 eingestellt und war seitdem nicht mehr wirtschaftlich am Markt tätig; wo nichts mehr ist, konnte nichts mehr einbrechen. Insoweit kann auf die Ausführungen unter D.II.2.a.bb verwiesen werden. Der Angeklagte hat bei seiner Einlassung vielmehr darauf abgehoben, die Umsatzeinbrüche seien entstanden, weil die Einbrüche bei der Kanzlei als Einbrüche bei der AL zu werten seien.
192
Diese Argumentation ist ebenfalls aus den soeben unter cc) genannten Gründen unerheblich. Hinzu kommt ein weiteres: Wie der Angeklagte aufgrund seiner Lektüre der FAQ wusste, war Umsatz nur der nach § 1 UStG steuerbare Umsatz. In den FAQ hieß es dazu:
„1. Wer bekommt Corona-Überbrückungshilfe? (…)
1.3 Wie ist der Umsatz definiert?
Umsatz ist der steuerbare Umsatz nach § 1 Umsatzsteuergesetz (UStG).“
193
Solcher lag nicht vor. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Umsätze aus Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Jedenfalls an der Entgeltlichkeit des Umsatzes, so ist die Kammer überzeugt, fehlte es:
194
Die Übertragung der Aktiva der Kanzlei auf die AL im Wege der „Einbringung“ erfolgte für die AL unentgeltlich. Im Vertrag vom 11.11.2019 war keine Gegenleistung der AL für den Erhalt der Aktiva geregelt, woanders auch nicht. Der Angeklagte hat bei seinen Ausführungen auch keine Gegenleistung erwähnt.
195
Die Treuhand-Abrede wegen der beiden Konten vom 17.11.2019 führt ebenso wenig zu entgeltlichen Leistungen der Kanzlei. Der Angeklagte (die Kanzlei) hat allein im Verhältnis zu den Mandanten umsatzsteuerbare, entgeltliche Leistungen erbracht. Die Weiterleitung der Gelder an die AL erfolgte auf der Grundlage einer separaten Vertragsbeziehung, einer „verdeckten Treuhandabrede“, die man als Auftrag oder Geschäftsbesorgungsvertrag einordnen kann, bei der es aber an der Entgeltlichkeit fehlte. Das Geld wurde von der Kanzlei an die AL also verschenkt. Ein doppelter Ansatz der einzigen entgeltlichen Leistung – der Rechtsbesorgung durch die Kanzlei – bei zwei möglichen Unternehmern (Kanzlei und die AL) scheidet umsatzsteuerrechtlich aus.
196
Die Kammer ist nach durchgeführter Beweisaufnahme überzeugt, dass förderbare Fixkosten zugunsten der AL nicht anfielen und deren Angabe im Antrag daher zu Unrecht erfolgte. Der Angeklagte gab selbst zu, die im Antrag angegebenen Fixkosten seien identisch mit denen der Kanzlei (für die er für den gleichen Zeitraum einen weiteren Antrag auf Gewährung von Überbrückungshilfe III gestellt hatte). Da die Kanzlei aber nicht Bestandteil der AL im Sinne eines Betriebsübergangs oder einer Verschmelzung geworden war, waren diese Kosten im Antrag der AL als fremde Fixkosten nicht berücksichtigungsfähig. Etwaige Fixkosten der Kanzlei wurden auch nicht mittels der „Einbringung“ auf die GmbH übertragen, da die „Einbringung“ ausdrücklich vorsieht, dass nur die Aktiva übertragen werden und die Verbindlichkeiten bei dem Angeklagten AF verbleiben.
197
Fixkosten (und überhaupt eine wirtschaftliche Betätigung der AL nach 2018) wurden auch nicht belegt durch die vorgebliche Buchhaltung der AL. Auf diese Buchhaltung hat der Angeklagte nur kurz am Anfang der Hauptverhandlung verwiesen, sie aber nach einem Zwischenruf des Staatsanwalts, dass die Buchhaltung überhaupt nicht nachvollziehbar sei, nicht wieder erwähnt. PAng. Meister hat die bei der Durchsuchung vorgefundene, auf die AL lautende Buchhaltung überprüft und in seinem schriftlichen Bericht, der hier gelesen wurde, ausgewertet. Die dort aufgeführten Zahlungen der AL sind mit dem wirtschaftlichen Rahmen der AL, wie er aufgrund der eigenen Aussagen der Angeklagten und aufgrund der übrigen Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht (nämlich: wirtschaftlich inaktiv), nicht vereinbar. So werden dort für den 01.01.2019 als „Erlöse 01/19“ 86.023,10 € verbucht, es folgen für den Januar 2019 Mietzahlungen von 5.800 €, Afa von 8.732,58 €, Zinsen von 9.300 €, Personalaufwendungen von 15.520,06 € usf. Als „Erlöse 02/19“ sind dann 103.215,50 € notiert und auch für die weiteren Monate der Jahre 2019 und 2020 sind jeweils hohe fünfstellige Ausgaben und Einnahmen verbucht. Diese massiven Bewegungen sind nicht mit dem unmittelbar vorangehenden Jahresabschluss 2018 vereinbar, der außer einem ungedeckten Fehlbetrag von 175.028,53 € die Zahl der Arbeitnehmer von „0“ und sonst keine Aktivitäten angab. All dies war für den Berichtersteller, PAng. M unschlüssig, weil die vorgeblichen Geschäftsvorfälle anhand der Konten nicht nachvollziehbar waren, sondern angeblich alle über die Kasse gingen, keine Steuerbuchungen stattfanden und die Kontobezeichnungen zu den darauf verbuchten Umsätzen nicht passten. Die Buchhaltung sei danach insgesamt als unschlüssig und nicht nachvollziehbar anzusehen. Die Kammer bewertet das nach eigener Auswertung des Berichts ebenso, sie ist überzeugt, dass die Buchhaltung keine realen Verhältnisse der AL erfasste. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass zumindest einem Teil der Buchhaltung der Kanzlei vom Angeklagten insoweit schlicht das Etikett der AL angeheftet worden ist. Das belegen insbesondere die verbuchten monatlichen Personalaufwendungen von 15.520,06 €, die in den Jahren 2019 und 2020 – also noch vor der rückwirkenden Ummeldung des Kanzleipersonals zum 01.01.2021 – tatsächlich nur in der Kanzlei, nicht aber in der AL anfielen. Dagegen, dass es sich bei der von PAng. M ausgewerteten Buchhaltung aber um die vollständige und richtige Buchhaltung der Kanzlei gehandelt haben kann, spricht, dass dort Posten vermerkt sind, die die Kanzlei aus Rechtsgründen nicht getragen haben kann, hätte der Angeklagte die von ihm verfassten Verträge beim Wort genommen, so z.B. monatliche Zahlungen für die Büromiete oder die Grundsteuer (dazu sogleich unter (Fixkosten 01), (Fixkosten 07) und (Fixkosten 08)).
Mieten und Pachten für Gebäude (Fixkosten 01)
198
In den FAQ wurde zu den Mietkosten folgendes erläutert:
„2. Wie viel Corona-Überbrückungshilfe wird gezahlt? (…)
2.4 Welche Kosten sind förderfähig?
Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen inklusive Mietnebenkosten (…). Enthält nicht: Sonstige Kosten für Privaträume“
199
Mietkosten fielen bei der AL nach Überzeugung der Kammer jedoch nicht an. Zwar war die AL mit Vertrag vom 17.11.2019 als Mieterin in das Mietverhältnis mit der X GmbH & Co. KG in deren Funktion als Vermieterin bezüglich der Kanzleiräume der Kanzlei des Angeklagten (des Vormieters) eingetreten. So heißt es in dem Vertrag:
(…) II. Aufhebungsvertrag/Mieteintrittsvertrag
200
1. Herr Rechtsanwalt AF scheidet mit seiner Einzelkanzlei Rechtsanwälte F & Kollegen betreffend das Kanzleigebäude … aus dem Mietvertrag vom 01.05.2002 mit Eintrittsvertrag vom 01.05.2002 aus dem Mietverhältnis aus. Insoweit vereinbaren die vorbezeichneten Vertragsparteien, dass der Mietvertrag vom 01.05.2002 mit dem Eintrittsvertrag vollumfänglich aufgehoben wird zwischen der Firma X GmbH & Co. KG und Herrn Rechtsanwalt AF.
201
2. Die neue Mieterin, die AL, tritt vollumfänglich in den Mietvertrag vom 01.05.2002 mit allen Rechten und Pflichten als Mieterin der Vermieterin Firma X GmbH & Co. KG zu den Bestimmungen des Mietvertrages vom 01.05.2002/Eintrittsvertrag vom 01.05.2002 ein. Zwischen der Firma X GmbH & Co. KG und der Firma AL gilt ab sofort mit heutigem Tage, per 11.11.2019 ein Mietverhältnis betreffend die Mieträume und das Grundstück … als abgeschlossen auf unbestimmte Zeit.
202
Die Mietzahlungen gemäß § 3 des Mietvertrages vom 01.05.2002 werden erstmals mit der Genehmigung durch die Rechtsanwaltskammer N. geschuldet und dann aber rückwirkend bis 11.11.2019 bezahlt.
203
Bis dahin stundet die Firma X GmbH & Co. KG der Firma AL, künftig F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH die Miete einschließlich Nebenkosten (…).
204
In dem in Bezug genommenen Mietvertrag vom 01.05.2002 war ausweislich der Vertragsurkunde eine Monatskaltmiete von netto 4.000 € zzgl. Mehrwertsteuer vereinbart; vereinbart war auch eine an den Preisindex gekoppelte Indexierung der Miethöhe. Der Mieter hatte die Nebenkosten zu tragen und darauf monatliche Abschläge zu leisten. Nach glaubhafter Aussage des Angeklagten hatte die AL tatsächlich über die Zeit keine Miete gezahlt; diese sei vertragsgemäß gestundet gewesen.
205
Die hieraus resultierenden Verbindlichkeiten, waren jedoch, wie der Angeklagte wusste, keine förderbaren Fixkosten der AL, da die Kanzleiräume nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der AL (die ohnehin nicht stattfand) standen, sondern für die Geschäftstätigkeit der Kanzlei genutzt wurden, die – mangels entsprechenden Vertrags zwischen Kanzlei und AL – der AL ihrerseits nichts zahlte, sodass die AL auch kein (Untervermietungs) Geschäft hatte. Die „Einbringung“ der Kanzlei in die AL hatte schon nach dem Wortlaut der beiden Verträge vom 11.11. und 17.11.2019 das Geschäft der Kanzlei nicht zum Geschäft der AL gemacht, was auch dem Angeklagten bewusst war. Die vom Angeklagten und von der Zeugin M berichtete Anbringung eines Schildes mit „AL“ am Briefkasten des Kanzleianwesens, an der die Kammer keine Zweifel hegt, führte nicht dazu, dass die Kanzleiräume – die ja an die Kanzlei vermietet waren – zu Räumen der AL geworden wären.
206
Auch für die eigenen Geschäftsräume der AL fielen keine förderbaren Kosten an. Die AL hatte ausweislich des Handelsregisters und der Satzung ihren Sitz in der …straße, S. Dabei handelte es sich um das im Eigentum der X GmbH & Co. KG stehende Wohnhaus der beiden Angeklagten. Abgesehen davon, dass die beiden Angeklagten insoweit auch keine Mietkosten behaupteten und der Kammer für solche auch keine Belege vorlagen, fallen die Kosten für das Wohnhaus unter nicht förderfähige sonstige Kosten für Privaträume.
Weitere Mietkosten (Fixkosten 02)
207
In Nr. 2.4 FAQ wurde dazu folgendes erläutert:
„Miete von Fahrzeugen und Maschinen, die betrieblich genutzt werden, entsprechend ihres nach steuerlichen Vorschriften ermittelten Nutzungsanteils (inkl. Operating Leasing / Mietkaufverträge; siehe 5.) (…) Enthält nicht: sonstige Kosten für Privaträume“
208
Die Kammer ist davon überzeugt, dass insoweit keine Kosten anfielen. Nach glaubhafter Aussage des Zeugen K besaß die AL 2018 nichts. Es gab kein Anlagevermögen und kein aktives Geschäft. Der Angeklagte behauptete nicht, dass die AL später Mietverträge, von dem Mietverhältnis über die Kanzleiräume abgesehen, eingegangen wäre. Mit der „Einbringung“ der Kanzlei wurden jedenfalls keine Verbindlichkeiten auf die AL (vgl.: „diese verbleiben bei mir“) übertragen, auch nicht solche, die aus Miet- oder Leasingverträgen resultierten. Damit fielen die Kosten bei ihr nicht an.
Zinsaufwendungen für betriebliche Kredite und Darlehen (Fixkosten 03)
209
Hierunter fallen nach Nr. 2.4 FAQ:
„Stundungszinsen bei Tilgungsaussetzung, Zahlungen für die Kapitalüberlassung an Kreditgeber der Unternehmung, mit denen ein Kreditvertrag abgeschlossen worden ist (z. B. für Bankkredite) und Kontokorrentzinsen. Enthält nicht: Tilgungsraten“
210
Zinsaufwendungen sind, so ist die Kammer überzeugt, nicht angefallen. Die Stundung der – als solcher nicht förderfähigen Mietkosten der Kanzleiräume – war nach dem zitierten Aufhebungsvertrag/Mietvertragsübernahme vom 17.11.2019, mit dem die AL die Kanzlei als Mieterin der Kanzleiräume ablöste, nicht verzinslich. Auch die weiteren, vom Angeklagten behaupteten Verbindlichkeiten der AL gegenüber der X GmbH & Co. KG (vgl. nachfolgend unter c) waren unverzinslich, weil Zinsen insoweit nicht vereinbart waren.
211
In der Gewinn- und Verlustrechnung, Teil der Bilanz der AL für 2018, und Bestandteil des Auswerteberichts des PAng. M, findet sich der Betrag von 6.433,65 € zum Posten „Zinsen und ähnliche Aufwendungen“. Eine nähere Erklärung hierzu fehlt, wurde auch von Angeklagten nicht vorgebracht. Eine Erklärung – außer der, dass der Angeklagte bei der AL ohnehin die Fixkosten der Kanzlei zum zweiten Mal (nach dem Antrag für die Kanzlei) geltend machte – wie diese Zahl, von der unklar blieb, ob sie in den folgenden Jahren eine „Fortsetzung“ fand, sich zu den im Antrag für jeden Monat geltend gemachten 9.300 € auswachsen konnte, fand die Kammer nicht. Für die Jahre ab 2019 wurden, wie der Angeklagte zugab, Bilanzen der AL nicht mehr erstellt; aus den nur zeitweilig vorhandenen Konten der AL ließen sich Zinsbelastungen ebenso wenig ablesen. Die Kammer hatte daher keinen tatsächlichen Anhaltspunkt dafür, um eigene Zinsbelastungen der GmbH festzustellen.
Abschreibungen auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens bis zu einer Höhe von 50% (Fixkosten 04)
212
Dieser Posten bedeutet nach Nr. 2.4 FAQ:
„Planmäßige handelsrechtliche Abschreibungen für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und Coronabedingte außerplanmäßige handelsrechtliche Abschreibungen für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens“
213
Die Kammer ist überzeugt, dass die AL kein Anlagevermögen hatte, von dem sie Abschreibungen hätte vornehmen können. Für das Jahr 2018 hatte der Steuerberater K glaubhaft berichtet, dass mit der Abschaltung der Homepage das letzte Anlagevermögen ausgeschieden sei. Neues Anlagevermögen ist seitdem nicht dazugekommen. Die „Einbringung“ der Kanzlei hat daran nichts geändert, weil im Vertrag vom 11.11.2019 eine Übereignung im sachenrechtlichen Sinne überhaupt nicht vereinbart wurde, sondern lediglich – wie der Wortlaut belegt – eine bilanzielle Verbuchung „auf Rücklagen mit sofortiger Wirkung“. Von einer Übereignung ist dort, anders als von einer Abtretung der Gebührenforderungen gegen die Mandanten, keine Rede. Selbst wenn man das anders sähe, würde die Übereignung etwaigen Anlagevermögens der Kanzlei aber am sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz scheitern, weil die in dem Vertrag gewählte Bezeichnung „mit allen Aktiva“ eine eindeutige Abgrenzung der konkret übertragenen Sachen nicht erlaubt. Sonstige mögliche Übertragungsakte von Anlagevermögen zugunsten der AL hat die Hauptverhandlung nicht ergeben, der Angeklagte hat sie auch nicht behauptet.
Finanzierungskosten von Leasingraten (Fixkosten 05)
214
Die Kammer ist überzeugt, dass insoweit keine Kosten bestanden, weil die AL nichts geleast hatte. Auf oben (Fixkosten 02) wird verwiesen.
Ausgaben für notwendige Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung (Fixkosten 06)
215
Dazu zählen nach Nr. 2.4 FAQ:
„Zahlungen für Instandhaltung, Wartung oder Einlagerung von Anlagevermögen und gemieteten Vermögensgegenständen, einschließlich der EDV, sofern diese aufwandswirksam sind (= Erhaltungsaufwand), abgerechnet wurden (Teil-)Rechnung liegt vor) und nicht erstattet werden (z. B. durch Versicherungsleistungen).“
216
Die Kammer ist überzeugt, dass auch insoweit keine Kosten entstanden sind. Auf die Ausführungen zu (Fixkosten 02) und (Fixkosten 04) wird verwiesen. Die AL hatte weder eigenes noch gemietetes (Anlage) Vermögen, das instandgehalten, gewartet oder eingelagert werden musste.
Ausgaben für Elektrizität, Wasser, Heizung, Reinigung (Fixkosten 07)
217
Hierzu bemerken die FAQ unter Nr. 2.4 lediglich, dass dies „inklusive Kosten für Kälte und Gas“ zu sehen sei. Hier kann auf die Ausführungen zu (Fixkosten 01) verwiesen werden. Nach § 3 Nr. 2 des Mietvertrags vom 01.05.2002 galt:
„Der Mieter trägt die Nebenkosten, insbesondere Grundsteuer, Straßenreinigung, Verwaltergebühren, Müllabfuhr, Kaminkehrergebühren, Hausbeleuchtung, Gebäudeversicherung, Wasser, Abwasser, Kanal, Gas, Heizung, Strom (…)“
218
Diese Kosten waren aus den unter (Fixkosten 01) mitgeteilten Gründen nicht förderfähig, was der Angeklagte wusste.
Grundsteuern (Fixkosten 08)
219
Zu den Grundsteuern halten die FAQ keine weitere Erläuterung parat. Diese wären – da die AL selbst keine Grundeigentümerin war – allenfalls als Mietnebenkosten zu berücksichtigen. Das ist aber aus den zu (Fixkosten 01) und (Fixkosten 07) mitgeteilten Gründen nicht der Fall.
Betriebliche Lizenzgebühren (Fixkosten 09)
220
Darunter fallen nach Nr. 2.4 FAQ Zahlungen „z.B. für ITProgramme, Zahlungen für Lizenzen für die Nutzung von gewerblichen Schutzrechten, Patenten, etc.“
221
Auch hier zweifelt die Kammer nicht, dass die AL keine Fixkosten hatte. Bei der Software RAmicro, über die der Angeklagte in der Hauptverhandlung wiederholt sprach, fielen Lizenzgebühren an. Dabei handelte es sich um ein Gut der Kanzlei. Dieses ist im Rahmen der Einbringung nicht übertragen worden, aus den oben (Fixkosten 04) genannten Gründen. Zudem handelt es sich bei Lizenzgebühren – wie auch anderen Verbindlichkeiten – um Passiva (vgl. § 266 Abs. 3 Buchstabe C HGB), die nach dem Einbringungsvertrag vom 11.11.2019 beim Angeklagten persönlich verblieben Versicherungen, Abonnements und andere feste Ausgaben (Fixkosten 10)
222
Hierunter fallen nach Nr. 2.4 FAQ
„Kosten für Telekommunikation (Telefon- und Internet, Server, Rundfunkbeitrag etc.), Gebühren für Müllentsorgung, Straßenreinigung etc., Kfz-Steuer für gewerblich genutzte PKW und andere in fixer Höhe regelmäßig anfallende Steuern, betriebliche fortlaufende Kosten für externe Dienstleister, z. B. Kosten für die Finanz- und Lohnbuchhaltung, die Erstellung des Jahresabschlusses, Reinigung, IT-Dienstleister/innen, Hausmeisterdienste, Kammerbeiträge und weitere Mitgliedsbeiträge, Kontoführungsgebühren, Zahlungen an die Künstlersozialkasse für beauftragte Künstler/innen, Franchisekosten“
223
Originäre Kosten der AL sind hier nicht entstanden. Das zu (Fixkosten 09) Ausgeführte gilt hier entsprechend.
Kosten für prüfende Dritte, die im Rahmen der Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe anfallen (Fixkosten 11)
224
Nach Nr. 2.4 FAQ zählen dazu:
„Kosten im Zusammenhang mit der Antragstellung (u.a. Kosten für die Plausibilisierung der angaben sowie Erstellung des Antrags) und Schlussabrechnung (Schätzung), Kosten für Beratungsleistungen in Zusammenhang mit Überbrückungshilfe (3. Phase) (Schätzung), Kosten für weitere Leistungen in Zusammenhang mit Corona-Hilfen, sofern diese im Rahmen der Beantragung der Corona-Überbrückungshilfe (3. Phase) anfallen (…)“
225
Kosten der prüfenden Dritten Z fielen insoweit nicht an, denn die Kammer ist überzeugt, dass die Zeugin an der Antragstellung nicht aktiv beteiligt war (s.o.). Es sind aber auch keine Kosten für den Angeklagten selbst angefallen, weil die Kammer seine Aussage nicht anzweifelt, dass er für seine Betätigungen für die AL kein Entgelt erhielt.
Kosten für Auszubildende (Fixkosten 13)
226
Darunter versteht Nr. 2.4 FAQ
„Lohnkosten inklusive Sozialversicherungsbeiträgen, Unmittelbar mit der Ausbildung verbundene Kosten wie z.B. Berufsschulkosten (…)“
227
Die Kanzlei hatte mit der Zeugin B, wie sie ausführte und wie der Angeklagte bestätigte, seit August 2020 eine Auszubildende. Im Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 erhielt sie ihr Ausbildungsgehalt teils überwiesen von der X GmbH & Co. KG (November 2020, Januar bis März 2021) und teils vom Angeklagten (Dezember 2020, April bis Juni 2020). Die erste Überweisung von der AL kam dann im Oktober 2021. Das ergibt sich aus der von der Zeugin erstellten, hier gelesenen Tabelle, zu der sie ausführte, sie habe sie anhand ihrer Kontomitteilungen erstellt; die Kammer hielt das für überzeugend. Die rückwirkende Umstellung ihres Ausbildungsvertrags auf den 01.01.2021 zur AL machte die bereits angefallenen und anderweit bezahlten Ausbildungsvergütungen der Kanzlei nicht zu solchen der AL.
Ausgaben für Hygienemaßnahmen (Fixkosten 24)
228
Darunter versteht Nr. 2.4 FAQ folgendes:
„Anschaffung mobiler Luftreiniger bspw. durch Hepafilter oder UVC-Licht und die Nachrüstung bereits bestehender stationärer Luftreiniger durch bspw. Hepafilter oder UVC-Licht, Maßnahmen zur temporären Verlagerung des Geschäftsbetriebs in Außenbereiche. Das Fehlen einer Schlussrechnung zum Zeitpunkt der Antragstellung steht der Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht entgegen; eine reine Beauftragung der Maßnahmen reicht hingegen nicht aus (mindestens Zwischenrechnungen erforderlich).
Förderfähige Hygienemaßnahmen umfassen u. a. Einmalartikel zur Umsetzung von Hygienemaßnahmen, wie Schnelltests, Desinfektionsmitteln und Schutzmasken.
Schulung von Mitarbeiter/innen zu Hygienemaßnahmen Besucher-/Kundenzählgeräte Zur Berücksichtigung der besonderen Corona-Situation sind Hygienemaßnahmen einschließlich investiver Maßnahmen entgegen den sonst gültigen Vorgaben auch förderfähig, wenn sie nach dem 1. Januar 2021 begründet sind.“
229
Die AL hatte im Förderzeitraum keinen Geschäftsbetrieb. Demnach waren auch keine Hygienemaßnahmen zu treffen, noch wurden sie für die AL getroffen.
c) Subventionsbewilligung und Mittelverwendung
230
Die Bewilligung und Höhe der Subvention wird bezeugt durch den Bescheid über eine Billigkeitsleistung der IHK vom 27.12.2021. Das Geld ist auf dem Konto der AL eingegangen; für dieses Konto waren laut Geldwäscheverdachtsmeldung der …Bank beide Angeklagte verfügungsbefugt. Der Weg des Geldes wird im Einzelnen belegt durch die Geldwäscheverdachtsmeldung der …Bank vom 05.01.2022 betreffend die AL, der eine Transaktionsübersicht beigefügt ist, sowie durch die Kontoauszüge, die als Anlagen dem Bericht des PAng. M beilagen. Zudem hat der Angeklagte die einzelnen Überweisungen eingeräumt.
231
Danach gingen am 04.01.2022 auf dem Konto der AL bei der …Bank, das zuvor einen Saldo von 1.529,74 € auswies 556.106,07 € von der Staatsoberkasse Bayern in Landshut ein. Verwendungszweck war „Ueberbrueckungshilfe CORONA BY (…)“. In der Nacht vom 04.01. auf den 05.01.2022 überwies der Angeklagte von diesem Konto 556.691 € an die X GmbH & Co KG auf deren Konto bei der …Bank unter Angabe des Verwendungszwecks „Übertragung Einlage“. Dieses Konto hatte ausweislich des Kontoauszugs vor dem Eingang des genannten Betrages einen Positivsaldo von rund 8.600 €. Am 11.01.2022 überwies der Angeklagte 500.000 auf ein Konto der L GmbH mit dem Verwendungszweck „Kaufpreis …Str., N“, sodass auf dem Konto der X GmbH & Co KG per 13.01.2022 ein Endsaldo von 64.673,92 € verblieb. Danach wurde von der Subvention im Wesentlichen der Kaufpreis für ein Grundstück bezahlt.
232
In einer E-Mail der Tochter des Angeklagten, LF, an eine Frau K vom 17.01.2022 hieß es zu dem Grundstückkauf:
„(…) Es ist der Erwerb des 15 Wohnungen umfassenden Mehrfamilienhauses beabsichtigt, wobei zur Erhöhung der Finanzausstattung der L GmbH dieser Erwerb durch die L GmbH vorgenommen werden soll. Im Innenverhältnis wird diese Kaufpreisausstattung durch die KG über ein Verrechnungskonto gelöst.“
233
Dem Angeklagten war die oben unter C.II zitierte Bestimmung in Nr. 4 des Bewilligungsbescheids vom 27.12.2021 bekannt. Gleichsinnig hieß es in der Richtlinie:
„3. Art und Umfang der Überbrückungshilfe III
Der Antragsteller kann Überbrückungshilfe III für die folgenden fortlaufenden, im Förderzeitraum anfallenden vertraglich begründeten oder behördlich festgesetzten und nicht einseitig veränderbaren betrieblichen Fixkosten beantragen, [es folgt eine Aufzählung, die die oben unter D.II.2.b.ee angeführten Fixkostenpositionen beinhaltet, Anm. d. Kammer]“
Demgegenüber hat Angeklagte im Verlauf der Hauptverhandlung behauptet, die Subventionsmittel zur Tilgung von Schulden der AL genutzt zu haben. Es sei ihm klar gewesen, dass die Vorgaben der Subvention anders gelautet haben. Sein Vorgehen habe aber, so seine Begründung, dem Ziel der Subvention entsprochen, ein Unternehmen lebensfähig zu halten. Hier seien die Schulden das gewesen, was die AL belastet habe, diese habe er mit den Subventionsmitteln abgetragen. Zu seinem Vortrag legte er eine selbst gefertigte Tabelle vor, in der er die Mittelverwendung für folgende Zwecke angab:
1) Schulden AL bei X KG am 04.01.2022:
|
€
|
- Einlagen X KG auf Konto der AL bei D
|
121.000,00
|
- Darlehen X KG auf …bankkonto AL 30.09.21
|
40.000,00
|
- Darlehenszahlungen X KG auf Treuhandkonto …bankkonto
|
107.473,00
|
- Darlehensweise übernommene Gehaltszahlungen von AL Zeitraum 02.03.21-20.12.2021
|
53.702,33
|
2) Mietschulden AL bei X KG gem. Mietvertrag 17.11.2019 Zeitraum 11/2019-03/2022
|
174.000
|
3) Projektentwicklungskosten AL Quartiersprojekt … gem. Bilanz AL per 31.12.2018
|
90.305,36
|
= Schulden AL bei X KG per 04.01.2022
|
586.480,69
|
abzgl. Subventionszahlung
|
556.016,07
|
= offene Schulden AL bei X KG per 04.01.2022
|
30.420,31
|
234
Darlehenstilgungen waren – wie schon zu den FAQ ausgeführt (vgl. oben (Fixkosten 03)) – nicht förderfähig, sondern nur die Zinsen (Richtlinie Nr. 3.1 c); gleiches gilt hier für die Mietschulden, zumal solche, die nicht aus dem förderfähigen Zeitraum stammten, und für alte Projektkosten, die keine fortlaufenden Fixkosten im Förderzeitraum waren. Die Kammer ist danach überzeugt, dass der Angeklagte die Subventionsmittel der AL erhalten und bewusst entgegen den Vorgaben des Subventionsgebers verwendet hat.
d) Subjektive Tatseite bei dem Angeklagten AF
235
Ergänzend zu den vorstehend bereits gemachten Feststellungen und Wertungen zum Vorsatz des Angeklagten und insgesamt zusammenfassend: Der Angeklagte hat wissentlich und willentlich, mithin vorsätzlich gehandelt. Ihm war bei dem Ausfüllen des Antrags bewusst, dass die von ihm angegebenen Tatsachen, wie unter C.I dargestellt, unzutreffend waren. Insbesondere war ihm bekannt, dass die von ihm konstruierte „Einbringung“ der Kanzlei in die AL rechtlich – jedenfalls für das anvisierte Subventionsverhältnis – keinerlei Wirkung entfaltete und somit sämtliche auf die Kanzlei bezogenen Angaben in dem Antrag der AL unzutreffend waren.
236
Der Angeklagte hat sich, eigener Aussage gemäß, als Jurist mit zwei Staatsexamen und der Befähigung zum Richteramt ausführlich mit den Voraussetzungen der Bewilligung der Überbrückungshilfe auseinandergesetzt. Er gab an, sich vor Antragstellung mit den FAQ sowie den Überbrückungshilferichtlinien im Detail auseinandergesetzt zu haben. Er habe im Antrag durchgelesen, welche Angaben subventionserheblich seien. Die genauen Voraussetzungen, unter denen die Bewilligung der Subvention in Betracht kam, waren ihm bekannt. Insbesondere war ihm bewusst, dass er selbst nicht als prüfender Dritter auftreten konnte. Er gab an, gewusst zu haben, dass die IHK seine Zulassung hätte überprüfen können. Auch führte er aus, die Idee, die beA-Karte von Rechtsanwältin Z zu verwenden, sei ihm gekommen, da er gezweifelt habe, ob er den Antrag mit seiner eigenen beA-Karte im eigenen Namen stellen könne.
237
Der Angeklagte wusste weiter, dass die AL in ihrer Tätigkeit als Bauträger im für die Antragstellung relevanten Zeitraum vor dem 01.01.2019 bis zur Antragstellung am 27.10.2021 nicht wirtschaftlich am Markt tätig war, sondern spätestens seit dem Jahr 2018 keine Geschäftstätigkeit mehr entfaltete. Zwar meinte er, bis zum Zeitpunkt der Aussage des Zeugen NS nicht gewusst zu haben, dass dieser seine Grundstücke, deren Beplanung und Bebauung satzungsgemäßer Gegenstand der Geschäftstätigkeit der AL war, bereits im Jahr 2018 veräußert hatte. Andererseits sagte er aus, mit NS im Streit auseinander gegangen zu sein und seit 2017 nicht mehr mit ihm gesprochen zu haben. Er habe gewusst, dass NS die Gesellschaft im Jahr 2017 gekündigt hat. Damit war ihm nach Überzeugung der Kammer klar, dass das Bauträgerprojekt tot und der satzungsgemäße Gesellschaftszweck nicht mehr erreichbar war.
238
Der Angeklagte gab außerdem auf Nachfrage der Kammer an, den Wortlaut des § 264 StGB zu kennen. Ihm war bewusst, dass falsche subventionserhebliche Tatsachen eine Strafbarkeit nach sich ziehen können.
239
Dem Angeklagten war bei Antragstellung auch bewusst, dass seine Kanzlei zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht Bestandteil der AL war. Zwar trug er vor, von der rechtlichen Wirksamkeit der Einbringung der Kanzlei in die AL überzeugt gewesen zu sein. Hierzu im Widerspruch stand jedoch sein Verhalten nach Abschluss des „Einbringungsvertrags“ vom 11.11.2019. Er hat diesen Vertrag aufgesetzt, da die Abgabe einer Vermögensauskunft unmittelbar bevorstand und er dies als Möglichkeit sah, seine Kanzlei zu erhalten und vor dem Zugriff der Gläubiger zu schützen. Demgemäß gab er in seiner Vermögensauskunft vom 21.11.2019 an:
„Zu meiner bisherigen freiberuflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt: Alle Aktiva als Einzelunternehmen sind in die bestehende Fa. AL, welche in F Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, … umbenannt wird, mit sofortiger Wirkung eingebracht worden.“
240
Für die Geschäftstätigkeit und die Abläufe der Kanzlei änderte sich jedoch zunächst nichts. Zwar ließ der Angeklagte in der Folgezeit Mandanten anschreiben, um diese von der Einbringung der Kanzlei in die AL zu informieren und um Zustimmung zur Übertragung des Mandatsverhältnisses zu bitten. Er wusste jedoch, wie er auch gegenüber der Kammer angab, selbst, dass die AL mangels Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer nicht als Rechtsanwaltsgesellschaft auftreten durfte. Der Angeklagte wusste auch, dass die Einbringung einer Kanzlei in die AL der bisher als Bauträgerin tätigen GmbH einen völlig neuen Geschäftszweck geben würde. Weiter war ihm bekannt, dass der Zeuge NS zu 50% an der Gesellschaft beteiligt war und in die „Einbringung“ der Kanzlei zu keinem Zeitpunkt eingebunden war oder sich einverstanden erklärt hatte.
241
Obwohl er also wusste, dass die Kanzlei als solche nicht wirksam Teil der AL werden konnte, tat er gegenüber der IHK und auch gegenüber der Kammer in der Hauptverhandlung so, als sei genau das der Fall. Insoweit war er jedoch inkonsequent, weil er durch sein sonstiges Verhalten zeigte, dass er an die von ihm behauptete rechtliche Konstruktion selbst nicht glaubte, so etwa in Bezug auf die Kanzleimitarbeiter. So stellte er die Rechtsanwältin Z im Jahr 2020 sowie den Buchhalter N im Jahr 2021 jeweils bei der Kanzlei F & Kollegen und nicht bei der AL ein. Nach N´s Einstellung ordnete er dann wiederum an, sämtliche Mitarbeiter der Kanzlei rückwirkend zum 01.01.2021 sozialversicherungsrechtlich auf die AL umzubuchen und die Arbeitsverträge umzuschreiben. Das sei, seiner Aussage nach erfolgt, um zu verhindern, dass die Mitarbeiter nicht in sein eigenes Insolvenzverfahren, das auch die Kanzlei betroffen hätte, hineinzogen werden. Er habe gewollt, dass die Mitarbeiter da weg und dort hinkommen, wo sie eigentlich ohnehin hätten sein sollen, zur AL. Dies erklärt jedoch nicht, weshalb in den Jahren 2020 und 2021 noch Einstellungen bei der Kanzlei erfolgten. Erste Gehaltsüberweisungen vom Konto der AL an die Arbeitnehmer der Kanzlei erfolgten ausweislich des Kontoauszugs der AL erst nach Antragstellung, am 01.11.2021. Dass der Angeklagte die Kanzlei nicht als Bestandteil der AL ansah, sondern als eigenständigen Betrieb, zeigt sich auch daran, dass er für die Kanzlei seit Anfang des Jahres 2021 ebenfalls eigene Anträge auf Überbrückungshilfe stellte.
242
In der Kommunikation mit der IHK im Rahmen des Antrags für die X GmbH & Co. KG gab er an, die AL sei eine Bauträgerin, deren aktives Geschäft derzeit ruhe. Sie habe seit zwei bis drei Jahren keine Einnahmen oder Ausgaben, so dass staatliche Hilfen ohnehin ausscheiden würden. Das ist nicht erklärbar, wenn er tatsächlich davon ausgegangen wäre, die Kanzlei sei im Jahr 2019 rechtswirksam in die AL integriert worden. Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Angeklagte im Jahr 2019 lediglich versucht hatte, die Kanzlei mittels einer – aus der Not geborenen und mit „heißer Nadel gestrickten“ – Konstruktion vor seinem befürchteten Insolvenzverfahren zu bewahren. Im Nachgang zu den Vereinbarungen vom 11.11.2019 und 17.11.2019 machte er jedoch nur halbherzige Versuche, dies tatsächlich umzusetzen. Erst im Rahmen der Beantragung von Überbrückungshilfen für seine weiteren Unternehmen, kam dem Angeklagten die Idee, die bereits seit Jahren geschäftslose AL zu reaktivieren und der IHK unter Rückgriff auf eine angeblich rechtswirksam erfolgte Einbringung der Kanzlei 2019 Umsätze, Personal, Fixkosten und eine Geschäftstätigkeit vorzuspiegeln. Das Motiv liegt für die Kammer angesichts der desolaten Vermögensverhältnisse des Angeklagten auf der Hand: Er brauchte das Geld.
e) Subjektive Tatseite bei der Angeklagten BF
243
Die Angeklagte hat durch ihre Unterschrift bei dem Antrag zur Überzeugung der Kammer leichtfertig gehandelt. Insoweit stützt sich die Kammer zunächst auf deren eigene Einlassung.
244
Die Unterschriftsleistung der Angeklagten BF auf dem Formular Erklärungen des Antragstellers belegt neben den Aussagen beider Angeklagter das entsprechende Dokument. Sie wusste außerdem nach eigener Angabe, dass ihr Ehemann verschiedentlich Coronahilfeanträge stellte. Dieses Wissen wird bestätigt durch den W.-A.-Chatverkehr zwischen den beiden Angeklagten. Dieser zeigte weiterhin zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte ohne weitere Nachfragen auf Aufforderung des Angeklagten AF Unterschriften leistete, und dabei von der Antragstellung für Corona-Überbrückungshilfen – der Angeklagte hat ausweislich der glaubhaften Mitteilung der Zeugin KHK´in Ki für seine verschiedenen Unternehmen insgesamt 15 Anträge gestellt – durch ihren Ehemann Bescheid wusste.
245
So schrieb der Angeklagte ihr am 25.01.2021:
„Hi Mäusle, ich bräuchte für den Antrag auf Überbrückungshilfe noch deine Unterschrift. Wann kannst du kurz vorbeikommen?“
246
Mit Nachricht vom 28.01.2021 schickte er ihr das Foto eines Bescheids der IHK, wonach diese der X GmbH & Co. KG eine Überbrückungshilfe in Höhe von 74.065,96 € bewilligt.
247
Mit Nachricht vom 25.03.2021 teilte der Angeklagte mit:
„Das ch mach etz noch eine auf die Überbrückungshilfe III für`s B [= das vom Angeklagten betriebene Fitnessstudio, Anm. d. Kammer] und dann noch ca Ei Stündle“
248
Am 28.05.2021 übersandte der Angeklagte das Foto eines Compterbildschirms, auf dem der Bescheid über die Gewährung von Überbrückungshilfe für die X GmbH & Co. KG in Höhe von 778.833,74 € aufgerufen ist und schrieb dazu:
„Ich freu mich, das haben wir uns verdient.“
249
Die Angeklagte BF antwortete:
250
Am 02.06.2021 übersandte der Angeklagte ihr ein Foto, das den Eingangsbeleg der oben genannten Überbrückungshilfe zeigt und schreibt:
251
Die Angeklagte BF antwortete:
Am 10.06.2021 schickte der Angeklagte den Screenshot einer Kontoübersicht und schrieb:
„Geld der Überbrückungshilfe III für die Kanzlei ist grad gekommen. Gesamtkontostand 931.000 € plus 180.000 € Kontoverfügungsrahmen für Kanzleikonto macht 1.110.000,00 € aktuell aus.“
„Dann kommen safe nochmals rund 550.000,- von heute und den nächsten Tagen bis Ende Juni/Anfang Juli 2021. Schön“
252
Die Angeklagte BF kommentierte das mit:
„Allmächd“ [fränkischer Ausruf, entspricht etwa dem Hochdeutschen „Grundgütiger!“ oder „Allmächtiger Gott!“, Anm. der Kammer] Nach eigener – für die Kammer überzeugender – Angabe wusste die Angeklagte von den beiden strafrechtlichen Verurteilungen ihres Mannes, von dem Entzug seiner Anwaltszulassung, von ihren beiden Vermögensauskünften und von dem erstinstanzlichen Zivilurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 25.01.2018, in dem sie als (formeller) Vorstand einer faktisch vom Angeklagten geführten Aktiengesellschaft persönlich zu einer Zahlung von knapp 2,5 Mio. € verurteilt wurde. Zu diesem Urteil sagte sie in der Hauptverhandlung: „Da wurde mir vorgeworfen, ich überwache meinen Mann nicht genug.“ Ihr war weiterhin auch bekannt, wie sie auf Nachfrage der Kammer zugab, dass sich in ihrem Wohnhaus zahlreiche Mahnungen und Rechnungen stapelten. Darauf angesprochen erklärte sie, sie habe – so ihre durchgängige Einlassung in der Hauptverhandlung – dem Angeklagten „halt vertraut“.
253
Allerdings hatte das Vertrauen Risse bekommen, denn auch der weitere Chat-Verlauf bestätigt ergänzend zur Überzeugung der Kammer, dass die Angeklagte wiederholt Anlass hatte, an der Integrität ihres Ehemannes und ihrer aktuellen finanziellen Situation zu zweifeln. Sie äußerte diese Zweifel und Fragen auch, ließ sich jedoch mit knappen und nichtssagenden Erklärungen abfertigen, ohne diese weiter infrage zu stellen. So übersandte die Angeklagte ihrem Ehemann 18.12.2020 das Foto eines Schreibens des Rechtsanwalts und Insolvenzverwalters Dr. A, das dessen eigenes Insolvenzantragsverfahren (IN …) betraf sowie die Fotos zweier weiterer Schreiben, je mit dem Betreff „Zwangsvollstreckungssache gegen Herrn AF“ und fragte zu jedem Bild:
Der Angeklagte antwortete lediglich:
254
Die Angeklagte schrieb hierauf:
255
Am 12.01.2021 schickte die Angeklagte ihrem Ehemann das Foto der Vorladung in einer Ermittlungssache wegen Untreue, in der der Angeklagte AF als Beschuldigter vernommen werden sollte und fragte:
Worauf der Angeklagte antwortete:
„Kein Thema, völliger Quatsch.“
256
Die Angeklagte schrieb daraufhin:
257
Am 14.04.2021 schickte die Angeklagte erneut das Foto der Vorladung in einer Ermittlungssache wegen Untreue, in der der Angeklagte als Beschuldigter vernommen werden sollte und schrieb:
Der Angeklagte antwortet:
„Aha, sie probieren wieder was. Völliger Quatsch.“
258
Die Angeklagte gab auf Vorhalt des Chatverkehrs an, jeweils nicht mehr weiter nachgefragt zu haben.
I. Strafbarkeit des Angeklagten AF
259
Der Angeklagte hat sich wegen des festgestellten Sachverhalts des vorsätzlichen Subventionsbetrugs (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB) strafbar gemacht. Die gewährte Corona-Überbrückungshilfe III war eine Subvention i.S.d. Strafgesetzes (§ 246 Abs. 8 Nr. 1 StGB), die, wie es auch im Bewilligungsbescheid der IHK vom 27.12.2021 heißt, als Billigkeitsleistung ohne eine marktmäßige Gegenleistung vom Freistaat Bayern aus öffentlichen Mitteln des Bundes nach Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung und weiteren Vorschriften Betrieben und Unternehmen gewährt wurde und jedenfalls auch der Förderung der Wirtschaft diente. Die Richtlinie teilt zum Zweck der Hilfe unter Nr. 1 mit:
„(…) Diese Überbrückungshilfe III ist in Form einer Billigkeitsleistung gemäß § 53 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) bzw. Art. 53 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) als freiwillige Zahlung zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz zu gewähren, wenn Unternehmen, Soloselbständige und Angehörige der Freien Berufe Coronabedingt erhebliche Umsatzausfälle erleiden. Durch Zahlungen als Beitrag zu den betrieblichen Fixkosten soll ihre wirtschaftliche Existenz gesichert werden.“
260
Konkurrenzrechtlich tritt die subjektiv wie objektiv voll erfüllte Tatvariante des § 264 Abs. 1 Nr. 2 StGB (zweckwidrige Mittelverwendung) hinter der Nr. 1 als mitbestrafte Nachtat zurück (vgl. MüKo-StGB/Ceffinato, 4. Aufl., § 264 Rn. 134); die Kammer ist insoweit überzeugt, dass der Angeklagte schon bei Antragstellung vorhatte, die Subventionsmittel später nach eigenem Gutdünken zu verwenden, eine zweckgemäße Verwendung war aufgrund der wirtschaftlichen Inexistenz der AL auch nicht möglich.
261
Zu einzelnen Punkten merkt die Kammer in rechtlicher Hinsicht ergänzend an:
1. „Einbringung“ der Kanzlei in die AL
262
Die Kanzlei als solche – das ganze „Unternehmen“ oder der „Betrieb“, d.h. der Rechtsanwalt, die mit ihm zur Kanzlei verbundene SachRechts- und Pflichtgesamtheit sowie das Personal – ist schon nach dem Wortlaut der beiden Verträge vom 11.11. und 17.11.2019 nicht auf die AL übertragen worden. Das wäre auch aus Rechtsgründen nicht möglich gewesen:
263
a) Die Einbringung der Kanzlei im Wege der Sacheinlage konnte nicht wirksam erfolgen, wie auch der Verteidiger Dr. P in seinem Schriftsatz vom 01.12.2022 zutreffend ausführte. Es fehlte am notwendigen Gesellschafterbeschlusses und dessen notarieller Beurkundung. Eine Sacheinlage bedingt eine Kapitalerhöhung (vgl. § 56 GmbHG). Diese ist mit einer Änderung des Gesellschaftsvertrages verbunden, für welche ein Gesellschaftsbeschluss erforderlich gewesen wäre. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 GmbHG muss bei Leistung einer Sacheinlage der Gegenstand der Sacheinlage und der Nennbetrag des Geschäftsanteils, auf den sich die Sacheinlage bezieht, im Beschluss über die Erhöhung des Stammkapitals festgesetzt werden. Des Weiteren hätte zur Erhöhung des Stammkapitals zur Übernahme jedes Geschäftsanteils an dem erhöhten Kapital eine notariell aufgenommene oder beglaubigte Erklärung des Übernehmers vorliegen müssen. Weiter hätte die Sacheinlage, die auch einen neuen Gesellschaftszweck bedingt, eine Satzungsänderung nach sich gezogen. Diese Satzungsänderung, die auch im Hinblick auf die Stammkapitalerhöhung erfolgen müsste, hätte einer Abänderung der Satzung durch Gesellschafterbeschluss (§ 53 Abs. 1 GmbHG) sowie deren notarieller Beurkundung (§ 53 Abs. 2 GmbHG) bedurft. Schon das Fehlen der notariellen Beurkundung hätte entsprechend § 241 Nr. 2 AktG die Nichtigkeit des – hier ohnehin nicht vorhandenen – Gesellschafterbeschlusses zur Folge (vgl. MüKo-GmbHG/Harbarth, 4. Aufl., § 53 Rn. 70; BeckOK-GmbHG/Trölitzsch, 54. Ed. 01.11.2022, GmbHG § 53 Rn. 21a).
264
b) Auch weitere Formen einer möglichen Integration der Kanzlei in die GmbH scheitern. Eine mögliche Ausgliederung der Kanzlei zur Aufnahme nach dem Umwandlungsgesetz wäre mangels notarieller Beurkundung unwirksam. Durch die Ausgliederung würde das Einzelunternehmen auf die GmbH übertragen. Die Ausgliederung selbst erfolgt gemäß § 126 UmwG durch einen Ausgliederungsvertrag zwischen dem Einzelunternehmen und der GmbH. Dieser Vertrag bedarf gemäß § 6 UmwG der notariellen Beurkundung. Das Fehlen der notariellen Beurkundung führt nach § 125 mit § 139 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages (Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Aufl., § 6 Rn. 18).
265
c) Eine Einbringung im Wege der Schenkung scheitert an der Einhaltung des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. Bei der Schenkung der Kanzlei an die GmbH – Entgeltlichkeit war nicht gegeben – würde es sich um einen Asset Deal handeln. Anders als bei einem Share Deal werden hier keine Unternehmensanteile erworben, sondern vielmehr einzelne Wirtschaftsgüter (Assets) wie Grundstücke, Gebäude, Anlagen, Rechte, Patente einzeln erworben und auf den Käufer übertragen. Beim Asset Deal existiert eine Wahlmöglichkeit, welche Assets gekauft bzw. verkauft werden sollen. Sämtliche zu übertragenden Vermögensgegenstände müssen nach dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz genau bezeichnet werden, da sonst die Übertragung unwirksam ist. Die genaue Bestimmung erfolgt in der Regel durch detaillierte Anlagen zum Kaufvertrag, in denen sämtliche übergehende Vermögensgegenstände (Anlagevermögen, Umlaufvermögen, Forderungs- und Rechtsverhältnisse, etc.) einzeln aufgelistet werden müssen (vgl. Ettinger/Jaques, Beck`sches Handbuch Unternehmenskauf im Mittelstand, 3. Aufl., Kap. A Rn. 31). Dies ist nicht erfolgt. Es ist völlig unklar, was genau übertragen werden sollte. Hier kommt erschwerend dazu, dass die Übertragung wegen der vorangehenden Übereignung an LF vom 14.08.2016 (dinglich wohl wirksam als Raumübereignungsvertrag, vgl. „Kanzleieinrichtung“, d.h. alles, vgl. Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 74 Rn. 40) sich allein auf die seitdem neu in die Kanzlei eingebrachten Gegenstände bezogen haben kann, die aus der unklaren Gesamtheit der „Aktiva“ nicht klar herausgeschieden werden konnten. Aber selbst, wenn einzelne Gegenstände wirksam auf die AL übertragen worden wären, wäre damit keine Rechtsgrundlage dafür gelegt, dass die Verhältnisse der Kanzlei der AL zuzurechnen wären.
266
d) Die anwaltlichen Vergütungsforderungen konnten nicht abgetreten und in die AL „eingebracht“ werden. Zwar trat der Angeklagte in dem „Einbringungsvertrag“ vom 11.11.2019 „rein vorsorglich auch alle Gebührenansprüche an die Gesellschaft ab“ und nahm die Abtretung als künftiger GF bereits an, „wie auch der heutige GF soweit gesetzlich zulässig“. Das ging jedoch ins Leere. Gemäß dem im Abtretungszeitpunkt geltenden § 49b Abs. 4 BRAO a.F. war die Abtretung von Vergütungsforderungen an Rechtsanwälte oder Berufsausübungsgesellschaften zulässig, was auf die AL nicht zutraf. Im Übrigen waren Abtretungen nur zulässig, wenn eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Mandanten vorlag oder die Forderung rechtskräftig festgestellt war. Nachdem die AL mangels Zulassung durch die Rechtsanwaltskammer keine Berufsausübungsgesellschaft war, hätte es der vorangehenden schriftlichen Einwilligung der Mandanten bedurft. Die lag nicht vor. Die Abtretung war daher nach § 49b Abs. 4 Satz 2 BRAO a.F., § 203 Abs. 1 StGB i.V.m. § 134 BGB im schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäft nichtig (Kilian in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 49b Rn. 231; Ganter in Ellenberger/Bunte, Bankrechts-Handbuch, 6. Aufl., § 75 Rn. 137). Die nachträglich durch den Angeklagten an die Mandanten der Kanzlei übersandten Schreiben ersuchten lediglich um Zustimmung zur Einbringung des Mandatsverhältnisses. Zu einer Abtretung von Gebührenansprüchen schwieg das Schreiben.
267
e) Ebenso wenig konnten die Mandantenbeziehungen als solche übertragen werden. Eine derartige Abrede wäre – würde man sie in die Einbringung hineinlesen – nach § 203 StGB i.V.m. § 134 BGB nichtig, wenn sie beinhalten würden, dass Mandantenunterlagen übergeben werden sollen, da dies einen Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht darstellen würde (vgl. OLG Düsseldorf Urteil vom 09.01.2014 – 13 U 66/13, juris Rn. 10 ff.). Nicht einmal der Name der Mandanten hätte einer Bauträger GmbH mit einem Nicht-Berufsträger-Geschäftsführer mitgeteilt werden dürfen. Tatsächlich hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung behauptet, das Wertvollste an der Einbringung seien die Mandantenbeziehungen gewesen.
2. Unrichtige Angabe des Angeklagten: Anzahl der Beschäftigten
268
Der Subventionsgeber hat die Zahl der Beschäftigten ausdrücklich als subventionserheblich bezeichnet (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB, § 2 Abs. 1 SubvG). Dabei kam es allein darauf an, dass der Antragsteller zumindest einen Beschäftigten zu den Stichtagen 29.02.2020 bzw. 31.12.2020 und in den Fördermonaten (vgl. die Bestätigung bei jedem Fördermonat „Es sind Personalaufwendungen entstanden…“) beschäftigte.
269
a) Der Angeklagte AF galt nicht als Beschäftigter der AL. Die Kammer versteht die Subventionsbedingungen so, dass als „Beschäftigter“ nur gelten kann, wer in abhängiger Festanstellung und gegen Entgelt für das Unternehmen tätig war. Das Erfordernis der Entgeltlichkeit ergibt sich aus einem Schluss e contrario: Die FAQ (Nr. 1.1, 2.2, 2.3) regeln den Fall der ehrenamtlich, d.h. unentgeltlich Tätigen bei gemeinnützigen Unternehmen. Dort – und nur dort – zählen Ehrenamtliche als Beschäftigte. Daraus folgt, dass Ehrenamtliche in sonstigen Unternehmen nicht als Beschäftigte zählen, also auch nicht bei der AL. Das Erfordernis einer Festanstellung – in Abgrenzung zu freier Mitarbeiterschaft oder zu gelegentlichen Dienstverträgen – ist in den FAQ zwar nicht ausdrücklich formuliert, wird vom Subventionsgeber aber offensichtlich zugrunde gelegt, wie die Bewertung der „Zahl der Mitarbeiter“ anhand von Vollzeitäquivalenten in Nr. 2.3 FAQ zeigt. Damit knüpft der Subventionsgeber an dem üblichen Arbeitnehmerbegriff an, wobei die Beschäftigung auf 450 Euro-Basis die geringste zählbare Einheit bildet. Der Angeklagte war dagegen lediglich freier juristischer Mitarbeiter der AL, der für sie sporadisch und unentgeltlich tätig war.
270
b) Die Kanzlei-Mitarbeiter galten nicht als Beschäftigte. Ihre „Ummeldung“ von der Kanzlei auf die AL war schon deshalb für die Antragstellung unbeachtlich, weil sie auf den 01.01.2021 erfolgte und damit die maßgeblichen Stichtage 29.2. und 31.12.2020 verfehlte. Die Kanzlei-Mitarbeiter sind auch nicht nach § 613a BGB mit der „Einbringung“ der Kanzlei in die AL auf die AL übergegangen. Der Betriebsübergang einer Rechtsanwaltskanzlei, der die Mitarbeiter mitübertrüge, setzt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 30.10.2008 – 8 AZR 397/07, juris Rn. 29 ff.) gerade die Übernahme der Anwälte und Mitarbeiter voraus und lässt die Übertragung von Sachgütern nicht genügen. Mit dem Einbringungsvertrag vom 11.11.2019 sollten aber lediglich die Aktiva der Kanzlei eingebracht werden, nicht das Mitarbeiterteam oder gar der Angeklagte selbst als Rechtsanwalt. Er verblieb außerhalb der AL (Einbringungsvertrag vom 11.11.2019: „…ohne Passiva – diese verbleiben bei mir“).
271
c) Die Angeklagte BF galt nicht als Beschäftigte. Nach Nr. 1.1 FAQ musste – wenn sonst, wie hier, keine Beschäftigten vorhanden waren – entweder der Gesellschafter oder der Geschäftsführer der Gesellschaft „im Haupterwerb“ für das Unternehmen tätig sein. Die Angeklagte war aber weder tätig noch erhielt sie für die Einnahme der formalen Stellung ein Entgelt. Es lag mithin kein Haupterwerb bei ihr vor.
3. Unrichtige Angabe des Angeklagten: Prüfender Dritter
272
a) Bei der Angabe zum prüfenden Dritten handelt es sich um eine subventionserhebliche Tatsache, die sich allerdings – mangels expliziter Nennung – nicht auf § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB stützen kann, sondern auf § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB. Nach dem Subventionsantrag hat der prüfende Dritte eine derart zentrale Funktion, dass die Bewilligung der Überbrückungshilfe auch davon abhängt, dass der im Antrag angegebene prüfende Dritte auch derjenige ist, der den Antrag stellt. Ist das nicht der Fall, liegt in der Antragstellung durch den nur scheinbaren prüfenden Dritten eine Scheinhandlung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 SubvG, die zu einem Verbot der konkreten Subventionierung führt (vgl. BGH, Beschluss vom 28.05.2014 – 3 StR 206/13, juris Rn. 13 f.; Beschluss vom 20.12.2017 – 4 StR 66/17, juris Rn. 14; Saliger in SSW-StGB, 5. Aufl., § 264 Rn. 20 m.w.N.).
273
b) Neben den tatsächlichen Gründen, warum die unter (Fixkosten 11) abrechenbaren Kosten für den Prüfenden Dritten keine förderfähigen Kosten sind, kommt deren Subventionierung aus den unter a) genannten Gründen auch in rechtlicher Hinsicht nicht infrage.
4. Unrichtige Angabe des Angeklagten: beim Finanzamt hinterlegtes Konto
274
Nicht teilen konnte die Kammer allerdings die Auffassung der Anklage, das im Antrag angegebene Konto der AL sei eine subventionserhebliche Falschangabe gewesen, weil es beim Finanzamt im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht hinterlegt gewesen sei.
275
Weder ist in den Erklärungen des Antragstellers gemäß § 264 Abs. 9 Nr. 1 StGB bestimmt, dass es sich bei der beim zuständigen Finanzamt hinterlegten Kontoverbindung um eine subventionserhebliche Tatsache handelt, noch ist sie es gemäß § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB. Nach Angabe des Zeugen D von der IHK war die Angabe von IBAN oder Steuernummer in etwa 20% der Anträge zunächst falsch. Dies habe aber nicht per se zur Verweigerung der Bewilligung geführt. Man habe die Abweichung zum Anlass für Nachfragen genommen und den Antragsteller aufgefordert nachzubessern. So habe auch hier eine Kommunikation mit dem Antragsteller stattgefunden, der letztendlich habe nachweisen können, dass dem Finanzamt die Kontoverbindung bekannt sei. Die Bewilligung der Subvention hing nach der Bewilligungspraxis somit nicht davon ab, dass von Anfang an das richtige Konto beim Finanzamt hinterlegt war.
5. Vorteilhaftigkeit der Falschangaben
276
Die falschen Angaben waren für den Angeklagten auch jeweils vorteilhaft (§ 264 Abs. 1 Nr. 1 StGB), da sie seine Aussichten verbesserten, eine Gewährung der angestrebten Subvention überhaupt und in erstrebter Höhe zu erreichen.
277
Nach § 264 Abs. 6 StGB wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass auf Grund der Tat die Subvention gewährt wird. Diese Voraussetzungen liegen in der Antragsrücknahme durch den Angeklagten nicht vor. Die Antragsrücknahme im Mai 2022 geschah, als sich der Angeklagte bereits wegen der Tat in Untersuchungshaft befand. Damit fehlte es an der Freiwilligkeit. Darüber hinaus war die Subvention der AL zu dem Zeitpunkt bewilligt und ausbezahlt, also i.S.d. § 264 Abs. 6 Satz 1 StGB gewährt worden (BGH, Beschluss vom 09.11.2009 – 5 StR 136/09, juris Rn. 12). Auf die Schlussabrechnung der Subvention kam es, entgegen der Behauptung des Angeklagten und der Verteidigung, nicht an.
II. Strafbarkeit der Angeklagten BF
278
Die Angeklagte BF hat sich wegen des festgestellten Sachverhalts des leichtfertigen Subventionsbetrug (§ 264 Abs. 5 StGB) strafbar gemacht. Die Leichtfertigkeit setzt als vorsatznahe Schuldform entweder eine besondere Gleichgültigkeit oder eine grobe Unachtsamkeit voraus (BGH, Beschluss vom 13.12.2012 – 5 StR 542/12). Durch die Unterschriftsleistung ohne Kenntnis vom Inhalt des unterschriebenen Dokuments hat die Angeklagte sowohl eine besondere Gleichgültigkeit als auch eine grobe Unachtsamkeit zum Ausdruck gebracht. Ihr war nach eigener Aussage aus den Gesprächen mit ihrem Ehemann und ausweislich der W.-A.-Chats bekannt, um welche Summen es bei den Coronahilfen geht. Ihr war die Bedeutung einer Unterschrift im Rechtsverkehr bewusst. Gleichwohl unterließ sie es, sich von der Richtigkeit ihrer Erklärung zu überzeugen. Sie unterließ es sogar, sich überhaupt darüber zu informieren, was sie im konkreten Fall erklärte. Schon bei kursorischer Durchsicht des Antrags wäre ihr zumindest aufgefallen, dass sie einen Überbrückungshilfeantrag für eine nach ihren damaligen Erkenntnissen nicht förderfähige GmbH stellte und ihr hätten Zweifel kommen müssen, ob ihre Erklärung so richtig sein kann. So gab die Angeklagte im Rahmen ihrer Einlassung glaubhaft an: „Mein Mann sagte sogar einmal zu mir, für die AL beantragen wir nichts, da die Firma ja nichts macht. Für mich war plausibel, dass wir für die AL keinen Antrag stellen. Sie war für die Bebauung der …Straße zuständig und daraus ist ja nichts geworden. Da dachte ich mir auch noch, gut, läuft ja alles mit rechten Dingen, wenn er da nichts macht. Das hat mich eigentlich beruhigt.“
279
Weiter führte sie aus, alles unterschrieben zu haben, was ihr Mann ihr vorgelegt habe. Dabei habe sie häufig nicht gewusst, was sie eigentlich unterschrieb. Die Angeklagte räumte insoweit selbst ein, vielleicht zu wenig hinterfragt, zu naiv und zu vertrauensvoll gewesen zu sein. Für das blinde Vertrauen gegenüber ihrem Ehemann gab es zum Tatzeitraum allerdings keine tragfähige Grundlage mehr: So wusste die Angeklagte, dass ihr Ehemann ein vorläufiges Berufsverbot hatte. Sie wusste, dass sowohl sie als auch ihr Mann eine Vermögensauskunft im Jahr 2019 abgegeben hatten. Das kümmerte sie aber nicht. Die Angeklagte sagte aus: „Es war immer genug Geld da. Ich habe mir nie Sorgen gemacht, dass ich am Hungertuch nage. Auch die Urlaube, die geplant waren – da denkt man doch nicht, dass es einen Mangel gab.“
280
Auch wusste die Angeklagte, dass ihr Ehemann bereits verurteilt worden war. Das gerichtliche Verfahren wegen des angeblichen Parteiverrats war ihr aufgrund der begleitenden Presseberichte, die sie stark beeinträchtigten, noch gut in Erinnerung. Von dem Strafbefehl wegen Untreue wusste sie auch. Gemeinsam mit ihrem Mann wurde sie in einem Zivilverfahren zur Zahlung von knapp 2,5 Mio. € verurteilt. Dennoch will sie auch dies nicht als Warnzeichen gesehen haben, ihre Einstellung gegenüber ihrem Ehemann und zu den sorglosen Unterschriften für rechtlich relevante Dokumente, deren Inhalt ihr unbekannt war, zu überdenken. Die Angeklagte hat ihre Augen bewusst verschlossen, um ihren angenehmen Lebensalltag ohne finanzielle Probleme beibehalten zu können.
281
Der Kammer hat zum Schuldspruch in dem Sinne überschießende Feststellungen getroffen, als sie mehrere Gründe festgestellt hat, aus denen die Subvention gar nicht hätte gewährt werden dürfen. Das war mehr als materiell-rechtlich nötig. § 264 StGB setzt ein erhöhtes Quantum an subventionserheblichen Falschangaben nicht voraus, es reicht eine einzige, wenn aufgrund dieser die gesamte Subvention nicht hätte gewährt werden dürfen. Allerdings war sich die Kammer bewusst, dass sie an einigen Stellen höchstrichterlich ungeklärtes Terrain betritt, etwa bei der Subventionserheblichkeit der Falschangabe zum prüfenden Dritten, und dass die Möglichkeit besteht, dass der Bundesgerichtshof zu abweichenden Bewertungen gelangt. Sie hat deshalb in der Strafzumessung zugunsten der beiden Angeklagten bewusst davon abgesehen, die Zahl der Falschangaben zu ihren Lasten zu werten, um den Strafausspruch insoweit nicht zu gefährden.
282
Die Kammer entnimmt den Strafrahmen für den Angeklagten dem § 264 Abs. 2 StGB. Es liegt hier ein besonders schwerer Fall vor, der Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zehn Jahren bedingt.
283
a) Zunächst sind die Voraussetzungen des Regelfalles nach § 264 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB gegeben, weil der der Angeklagte eine nicht gerechtfertigte Subvention großen Ausmaßes erlangte und aus grobem Eigennutz handelte. Das große Ausmaß wird in der Rechtsprechung bereits bei einem Betrag von über 50.000 € angenommen (BGH, Beschluss vom 29.04.2015 – 1 StR 235/14, juris Rn. 66 m.N.). Dieser Betrag ist durch die hier ungerechtfertigt erlangte Subvention in Höhe von 556.106,07 € um das Elffache überschritten. Strafzumessungstechnisch war die gewährte Subvention in voller Höhe anzusetzen. Die Bewertung der zu Unrecht ausgezahlten Förderung richtet sich nach der Differenz zwischen der insgesamt gewährten Förderung und dem Betrag, auf den die AL nach den geltenden Förderbestimmungen materiell Anspruch gehabt hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 23.04.2020 – 1 StR 559/19, juris Rn. 12). Die AL hatte mangels eigener Beschäftigter, mangels Coronabedingten Umsatzeinbruchs, mangels dauerhafter wirtschaftlicher Tätigkeit am Markt, mangels eigener Fixkosten und wegen der Täuschung über den prüfenden Dritten keinen Anspruch auf Überbrückungshilfe III, auch nicht in geringerer als in der bewilligten Höhe.
284
Aus grobem Eigennutz handelt, wer sich bei seinem Verhalten von dem Streben nach eigenem Vorteil in einem besonders anstößigen Maße leiten lässt (BGH, Urteil vom 20.11.1990 – 1 StR 548/90, juris Rn. 4). Dies ist der Fall. Vorliegend hat der Angeklagte mit dem Antrag für die AL materiell die Umsatzeinbrüche der Kanzlei geltend gemacht. Für die Kanzlei hatte er bereits am 09.05.2021 einen Antrag auf Gewährung von Corona-Überbrückungshilfe III für den Zeitraum November 2020 bis Juni 2021 gestellt und in Höhe von 386.258,47 € am 08.06.2021 von der IHK bewilligt und ausgezahlt erhalten. Beides ergibt sich aus den ins Verfahren eingeführten Urkunden (Antrag und Bewilligungsbescheid). In dem Antrag hatte er bei der Berechnung der Förderhöhe als durchschnittlichen Vergleichsbetrag des Vergleichsmonats aus 2019, in Relation zu dem die Umsatzrückgänge berechnet wurden, jeweils angegeben: „75.627,30“. Das ist exakt der gleiche Betrag wie im hiesigen Antrag. Weiterhin gab er dort an, dass er 8 Angestellte mit über 30 Wochenstunden, 2 mit bis zu 20 Wochenstunden und 2 450-Euro-Kräfte beschäftigte – exakt wie im hiesigen Antrag. Bei Mieten (Fixkosten 01) begnügte er sich dort mit der Geltendmachung von 4.800 € monatlichen Fixkosten, obwohl vertraglich die AL seit 2019 die Mieterin der Kanzleiräume war und die Kanzlei nach Vertrags-Papierlage keine Mietkosten hatte; hier erhöhte er den monatlichen Betrag auf 5.800 €. Er machte also für dieselben Räume und denselben Zeitraum monatlich 4.800 € + 5.800 € = 10.600 € geltend. Für die weiteren Fixkosten lässt sich vergleichbares ausführen. Insgesamt machte er im Antrag der Kanzlei folgende zu fördernde Fixkosten geltend:
November 2020
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40.400,66 €
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Dezember 2020
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40.400,66 €
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Januar 2021
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48.637,22 €
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Februar 2021
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51.478,39 €
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März 2021
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53.567,55 €
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April 2021
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53.567,55 €
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Mai 2021
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63.087,55 €
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Juni 2021
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53.631,55 €
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285
Damit machte der Angeklagte, der gegenüber der Kammer behauptete, AL und Kanzlei seien eins, dann, als es an das Abgreifen von Subventionen ging, von seinem eigenen Konstrukt eine – zu eigenen Gunsten großherzige – Ausnahme, indem er die Kosten im hiesigen Antrag nicht nur ein zweites Mal geltend machte, sondern diese bei der Gelegenheit auch noch erhöhte. Die doppelte Abrechnung des nämlichen Sachverhalts schien ihm möglich, weil er unter Ausnutzung – selbst geschaffener – verwirrender Gestaltungen den zweiten Antrag unter dem Deckmantel der AL verschleiern zu können meinte. Darin liegt ein Gewinnstreben deutlich über dem üblichen kaufmännischen Maß (vgl. Fischer, StGB, 70. Aufl., § 264 Rn. 46). Bei der im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände (vgl. dazu sogleich unter b) anzustellenden Bewertung der Regelwirkung sieht die Kammer keinen durchgreifenden Anlass, den Regelfall ausnahmsweise zu verneinen.
286
b) Darüber hinaus liegt, lässt man den groben Eigennutz beiseite, auch ein unbenannter besonders schwerer Fall vor (§ 264 Abs. 2 Satz 1 StGB). Ein solcher ist anzunehmen, wenn er sich nach Gewicht von Unrecht und Schuld vom Durchschnitt vorkommender Fälle so abhebt, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten ist (Fischer, StGB, 70. Aufl., § 46 Rn. 88).
287
So ist hier in die Abwägung neben der Höhe der gewährten Subvention einzustellen, dass der Angeklagte in einer nationalen Notlage ein auf schnelle Abwicklung ausgerichtetes und stark auf Vertrauen in die Antragsteller setzendes Hilfeverfahren ausgenutzt hat. Der Angeklagte gab im Rahmen seiner Einlassung zu, auch einen Antrag für die Kanzlei gestellt zu haben und hat gemeint, dass hier wohl gewisse Lücken im Antragssystem bestanden hätten. Er hat damit bewusst ein unausgereiftes Antrags- bzw. Prüfungssystem und eine zügige und notgedrungen oberflächlich prüfende Bewilligungspraxis, die das Entdecken ungerechtfertigter Anträge erschwerte, gezielt genutzt, um sich zu bereichern. Dabei hat er wegen des Missbrauchs der Identität der Zeugin Z bei der Antragstellung diese auch der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaft ausgesetzt, was bei ihr, einer am Anfang ihres Berufslebens stehenden Junganwältin, eine Hausdurchsuchung und – wie sie für die Kammer glaubhaft behauptete – eine posttraumatische Belastungsstörung zur Folge hatte. Umstände zugunsten des Angeklagten (dazu sogleich) haben in der zu treffenden Gesamtabwägung kein solches Gewicht, dass im Ergebnis der Regelstrafrahmen ausreichen würde.
2. Strafzumessung im engeren Sinne
288
Bei der Strafzumessung im engeren Sinne, hat die Kammer die unter 1 bereits genannten Umstände zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt und im Übrigen auch dies abgewogen:
289
Zu Gunsten des Angeklagten sprach, dass er sich bereits zu Beginn und auch im weiteren Fortgang der Hauptverhandlung umfangreich zur Sache einließ und hierbei Teile der Tat, unter anderem die Antragstellung sowie das Machen der einzelnen Angaben einräumte, wenn auch er diese tatsächlichen Angaben weitgehend mit rechtlichen Schlussfolgerungen verknüpfte, die die Kammer nicht zu teilen vermochte (was ihm die Kammer aber nicht strafschärfend ankreidete). Weiter hat die Kammer zu seinen Gunsten gewertet, dass das Verfahren Gegenstand medialer Aufmerksamkeit war und man – trotz Anonymisierungen in der Berichterstattung – den vor seiner Inhaftierung im überschaubaren S wohnhaften Angeklagten leicht identifizieren konnte, was eine Wiedereingliederung in die örtliche Gemeinschaft nach vollzogener Haft wohl erschweren dürfte.
290
Gegen den Angeklagten spricht die hohe kriminelle Energie, mit der er vorgegangen ist. Diese äußerte sich in dem Aufwand, den er zu treiben anfing, um die AL bei Antragstellung als lebendes Unternehmen aussehen zu lassen (Eröffnung eines Kontos, Anlage einer E-Mail-Adresse, Umschreibung der Arbeitsverträge), wobei er bei dem Versuch, die AL als Rechtsanwaltsgesellschaft zu präsentieren, keine Rücksichten auf anwaltliches Standesrecht nahm, wie die Abmahnung durch die Rechtsanwaltskammer zeigte.
291
Weiter sprach gegen den Angeklagten, dass er bereits wegen Vermögensstraftaten vorbestraft war und während der Tatzeit unter offener Bewährung stand. Auch wenn für die Kammer dabei nicht ausschließbar ist, dass der Angeklagte nur aus taktischen Gründen, um seine Frau zu schonen, die Untreuehandlungen zugab und den Strafbefehl akzeptierte, so war ihm nach eigener Aussage vor der Kammer klar, was es bedeutet, unter offener Bewährung zu stehen und dass er aus seiner Verurteilung bei einem Bewährungsbruch Konsequenzen zu tragen haben würde. Der Angeklagte hatte keine Zweifel, dass seine Verurteilung, mochte er sie auch als sachlich ungerechtfertigt halten, rechtskräftig war. Das hat er sich jedoch nicht als Warnung dienen lassen.
292
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hielt die Kammer eine Freiheitsstrafe von 4 Jahren 3 Monaten für tat- und schuldangemessen.
1. Strafrahmen und Strafzumessung im engeren Sinne
293
Für die Angeklagte BF hat die Kammer den Strafrahmen des § 264 Abs. 5 StGB herangezogen, der bei leichtfertigem Handeln eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vorsieht.
294
Bei der Strafzumessung hat sich die Kammer im Wesentlichen von folgenden Umständen leiten lassen:
295
Zugunsten der Angeklagten war zu berücksichtigen, dass diese nicht vorbestraft war und die leichtfertige Tatbegehung bereits zu Beginn der Hauptverhandlung einräumte. Weiter spricht für die Angeklagte, dass sie durch die umfangreiche Berichterstattung in der Lokalpresse und durch die mehrwöchige Untersuchungshaft nachhaltig beeindruckt wurde. Zu ihren Gunsten sah die Kammer weiter, dass sie – seit ihrem 13. Lebensjahr in einer Beziehung mit dem Mitangeklagten – sich im Laufe der Jahrzehnte in einer zumindest auf wirtschaftlichem Gebiet gewachsenen Unmündigkeit eingerichtet hat. Dies war für die Angeklagte bequem, weil es ihr ein unbeschwertes Leben im schönen Eigenheim und mit zahlreichen kostspieligen Urlauben ermöglichte – im gelesenen Chat-Verkehr beider Angeklagter fand sich dazu u.a. die Bestätigung für eine Reiseanzahlung von 7.700 € nebst der Aufforderung, die Restzahlung von 20.474 € bis 28.11.2021 zu erbringen. Dabei ging jedoch im Laufe der Zeit die kritische Distanz zu den offenkundigen Unstimmigkeiten im Treiben ihres Ehemannes verloren, sodass der aus ihrem eigenen Willen entspringende rechtsfeindliche Impetus sich nach der Beurteilung der Kammer in Gleichgültigkeit erschöpfte.
296
Zulasten der Angeklagten sprach die Schadenshöhe sowie die – in dem tatsächlichen Rahmen der Leichtfertigkeit – in besonders großer Nähe zum bedingten Vorsatz liegende subjektive Tatseite. Die Angeklagte hat auch dann noch blind unterschrieben, was ihr der Angeklagte hinhielt, als dieser schon mehrfach vorbestraft war und die beiden Angeklagten sich – wie ihre Vermögensauskünfte zeigten – in wirtschaftlich heilloser Lage befanden.
297
Unter Berücksichtigung der genannten Gesichtspunkte hält die Kammer eine Freiheitsstrafe von 1 Jahr für tat- und schuldangemessen.
3. Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung
298
Die Vollstreckung dieser Freiheitsstrafe konnte gemäß § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Nach der Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit der Angeklagten liegt eine positiven Sozialprognose vor. Denn die Angeklagte ist mit Ausnahme dieser Tat bislang nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten und hat sich reuig und überwiegend geständig gezeigt. Sie gab glaubhaft an, dass die erlittene Untersuchungshaft und das Ermittlungsverfahren sie psychisch stark belastet habe und dass sie deshalb noch jetzt Medikamente nehme. Die Kammer sieht hier, dass die Angeklagte die Tat ohne den bestimmenden Einfluss ihres Ehemannes nicht begangen hätte und rechnet damit, dass sich die Angeklagte die Strafe als Warnung dienen lässt und ihr künftiges Leben straffrei führen wird und sich dazu insbesondere von der über Jahre eingeübten und bequemen Unmündigkeit und Abhängigkeit in wirtschaftlichen Angelegenheiten von ihrem Ehemann löst, sodass dieser künftig nicht mehr sagen kann, was er gegenüber der Kammer sagte: „Sie hat´s dann brav unterschrieben“. Auch die Verteidigung der Rechtsordnung gebietet vorliegend keine Vollstreckung der Freiheitsstrafe, § 56 Abs. 3 StGB.
299
I. Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 556.106.07 € war gegen die AL anzuordnen, die diesen Betrag auf ihr Konto überwiesen bekam, sowie gegen die X GmbH & Co. KG, der der Betrag unmittelbar nach Eingang auf dem Konto der AL weiterüberwiesen wurde. Die L GmbH hat von der X GmbH & Co. KG einen Teilbetrag von 500.000 € erhalten und ist hinsichtlich dieses Betrages Einziehungsschuldner. Bei den Überweisungen an die X GmbH & Co. KG und die L GmbH handelte es sich wirtschaftlich um die weitergeleitete Subvention, weil – wie unter D.II.2.c ausgeführt – die Konten ohne die Subventionssumme keine relevanten Guthaben aufwiesen. Der Angeklagte handelte für alle Gesellschaften als deren faktischer Geschäftsführer (§ 73b Abs. 1 Nr. 1, § 73c StGB). Der Ausschluss der Einziehung gem. § 73e Abs. 2 StGB greift nicht, weil der für die AL, die X GmbH & Co. KG und die L GmbH handelnde und die Geschäftstätigkeit dieser Firmen lenkende Angeklagte die Gesamtumstände kannte.
300
II. Wertersatz in Höhe von 556.106,07 € war auch bei beiden Angeklagten einzuziehen (§ 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB). Maßgeblich hierfür ist, ob die Angeklagten eine tatsächliche (Mit) Verfügungsgewalt am Erlangten hatten. Dies kann sich auch auf Vermögenswerte erstrecken, die formell bei einer juristischen Person eingehen, als deren Organ der Täter handelte. Insoweit kann jedoch nicht allein aus der Stellung des Täters als Organ, Beauftragter oder Vertreter der juristischen Person geschlossen werden, dass der Täter selbst etwas erlangt hat, was über eine faktische Verfügungsgewalt hinausgeht. Voraussetzung für die Einziehung ist in einem solchen Fall über die Verfügungsgewalt des Täters hinaus, dass er etwas erlangt, was zu einer Änderung seiner Vermögensbilanz führt. Ein Zugriff im Wege der Einziehung auf das Vermögen des Täters kann beispielsweise dadurch gerechtfertigt sein, dass der Täter die Gesellschaft als Tatmantel ohne tatsächliche Trennung von Privat- und Gesellschaftsvermögen nutzte (BGH, Beschluss vom 25.01.2022 – 6 StR 426/21, juris Rn. 9). Diese Voraussetzungen liegen hier vor:
301
Beide Angeklagten hatten eine faktische Verfügungsgewalt über das eingehende Geld, da sie für das Konto der AL verfügungsberechtigt waren. Die Gesellschaft wurde vorliegend nur als Mittel zur Tat genutzt; das dort eingegangene Geld kam nicht der Gesellschaft zugute, sondern wurde umgehend auf das Konto der X GmbH & Co. KG übertragen. Für dieses Konto waren ausweislich der Geldwäscheverdachtsmeldung der …Bank ebenfalls beide Angeklagte verfügungsberechtigt. Eine Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen bestand dort von Anfang an nicht. Vielmehr wurde Geld zwischen den Gesellschaften und den Personen hin und her verschoben, je nachdem, wo es gerade gebraucht wurde.
302
Der Angeklagte führte vor der Kammer zur Rolle der X GmbH & Co. KG aus, diese habe die Pflicht, ihm und seiner Ehefrau lebenslang einen angemessenen Unterhalt zu sichern. Deshalb haben sie auch noch jährlich fünf, sechs teure Urlaube machen können. Während der eigenen Insolvenz beider Angeklagter habe die X GmbH & Co. KG sie entsprechend zu versorgen und müsse ihnen auch die Fahrzeuge und Ersatzfahrzeuge finanzieren. Dies sei auch die gute Verpflichtung der KG, in die sie ihre gesamten Immobilien eingebracht hätten. Die Angeklagten könnten dadurch ein sehr angemessenes Leben führen, das von dritter Seite finanziert werde. Im Handelsregisterauszug stünden zwar noch beide Angeklagte als Kommanditisten. Als die AL das Geld erhalten habe, seien die beiden Kinder der Angeklagten schon Kommanditisten der X GmbH & Co. KG gewesen, was der Angeklagte ihnen aber nicht gesagt habe; dazu gebe es handschriftliche Verträge. Aber sie profitierten ja auch davon, dass die X GmbH & Co. KG ihren Lebensunterhalt sichere. Erst dieses Jahr hätten die Kinder ihre Gesellschafterstellung bemerkt, als das Finanzamt auf sie zugetreten ist. Der Angeklagte habe 2019 nämlich befürchtet, dass ihr Gläubiger Lechner sie dazu zwingen könnte, die Vermögensauskunft abzugeben, deshalb das Ganze. Die X GmbH & Co. KG habe dem Sohn der Angeklagten über Jahre hinweg 4.000 € monatlich für sein Internat gezahlt. Das Geld sei immer dagewesen. 160.000 € seien überhaupt kein Problem. Die X GmbH & Co. KG habe daher demjenigen, der Geld gebraucht habe, Geld zur Verfügung gestellt, sei es das Fitnessstudio oder die Kanzlei. Die Urlaube konnten immer von eigenen Geldmitteln der KG abgedeckt werden. Der Angeklagte mache schon seit 10 oder 15 Jahren zwei Monate im Jahr Urlaub. Und er schwimme gerne nachts im Außen-Pool, wenn er nach Hause komme, auch im Februar, deshalb habe der am Tag der Durchsuchung am 19.01.2021 26 Grad Celsius gehabt.
303
Die fehlende Trennung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen bei der X GmbH & Co. KG wird also vom Angeklagten eingeräumt. Dies stimmt mit den Angaben der Angeklagten BF überein, wonach trotz der beiden Privatinsolvenzverfahren immer ausreichend Geld vorhanden gewesen sei. Auch die Konten-Auswertung im Bericht des PAng. M zeigt auf, dass regelmäßig privat veranlasste Zahlungen von dem Konto der X GmbH & Co. KG erfolgten. So wurden etwa von deren Konto bei der …Bank monatliche Unterstützungsleistungen von 600 € an Dr. O, den Vater der Angeklagten, gezahlt. Weiter wurden Mitgliedsbeiträge der Angeklagten für das Fitnesscenter … von dem Konto beglichen. Unter dem 06.01.2022 erfolgte eine Zahlung in Höhe von 580 € an den Sohn der Angeklagten mit dem Verwendungszweck „Audi Zuzahlung, liebe Grüße nach …“. Am 10.01.2022 erfolgt eine Abbuchung in Höhe von jeweils 400 € an beide Kinder der Angeklagten mit dem Verwendungszweck „Zuschuss zur freien Verfügung“. Das bei den Angeklagten gelebte Prinzip, dass das Geld – egal wofür – nach Bedarf da genommen wird, wo es gerade liegt, zeigte sich sehr anschaulich auch an den Vernehmungen der Mitarbeiterinnen der Kanzlei, die berichteten, dass ihre monatlichen Gehälter mal von der einen, mal von der anderen Gesellschaft kamen und mal vom Angeklagten selbst. So belegt die Aufstellung der Zeugin B, in der sie für den Zeitraum Februar 2020 bis Dezember 2021 die Herkunft ihrer Gehaltszahlungen auflistet, als deren Überweiser: AF, AF V+V, X GmbH & Co. KG, X GmbH und AL. Hier wurde die Subvention letztlich an die L GmbH transferiert, um – was der Angeklagte näher beschrieben hat – eine weitere Immobilie zu erwerben, die ins Familienportfolio eingeordnet werden sollte, mithin wurde das Geld zur gemeinsamen Vermögensbildung genutzt.
304
Eine Trennung der Vermögenssphären der Gesellschaften und der Privatpersonen wurde nach alldem von den Angeklagten nicht praktiziert und war auch vertraglich nicht konsequent abgebildet, vielmehr wurde der Umgang mit Geld pragmatisch ad hoc ausgeübt und – bei Bedarf – wurden Vertragspapiere nachgeschoben. Der hier abgeurteilte Fall und die „Einbringung“ der Kanzlei belegen das anschaulich und nach dem Gesamteindruck der Kammer, den sie im Verlauf der Hauptverhandlung gewonnen hat: exemplarisch.
305
III. Die Einziehungsschuldner haften als Gesamtschuldner für den Betrag von 500.000 €, hinsichtlich des darüber hinausgehenden Betrages in Höhe von 56.106,07 € haften die Angeklagten und die X KG sowie die AL gesamtschuldnerisch.
306
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO.