Inhalt

ArbG Nürnberg, Endurteil v. 21.06.2022 – 9 Ca 5217/20
Titel:

Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Arbeitsleistung, Tarifvertrag, Mindestlohn, Zulage, Arbeitsplatz, Ausschlussfrist, Ablehnung, Entgelt, Zinsen, Stundenlohn, Arbeit, Anspruch, tarifliche Ausschlussfrist, rechtliches Interesse, Zulassung der Berufung

Schlagworte:
Arbeitnehmer, Arbeitszeit, Arbeitsleistung, Tarifvertrag, Mindestlohn, Zulage, Arbeitsplatz, Ausschlussfrist, Ablehnung, Entgelt, Zinsen, Stundenlohn, Arbeit, Anspruch, tarifliche Ausschlussfrist, rechtliches Interesse, Zulassung der Berufung
Rechtsmittelinstanzen:
LArbG Nürnberg, Urteil vom 06.06.2023 – 7 Sa 275/22
BAG Erfurt, Urteil vom 23.04.2024 – 5 AZR 212/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50780

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 398,51 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.10.2020 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 124,53 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.12.2020 zu bezahlen.
III. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 236,61 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 04.02.2021 zu bezahlen.
IV. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 211,71 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 31.03.2021 zu bezahlen.
V. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3,85 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 21.04.2021 zu bezahlen.
VI. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 76,08 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.06.2021 zu bezahlen.
VII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 209,22 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.08.2021 zu bezahlen.
VIII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 240,92 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.10.2021 zu bezahlen.
IX. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 247,26 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 27.11.2021 zu bezahlen.
X. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 190,20 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.01.2022 zu bezahlen.
XI. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 152,16 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.04.2022 zu bezahlen.
XII. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 171,18 € brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten seit 28.05.2022 zu bezahlen.
XIII. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
XIV. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 91% und die Beklagte zu 9%.
XV. Der Streitwert wird festgesetzt auf 25.554,45 €.
XVI. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers für Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten.
2
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten. Ihm wird für seine Tätigkeit als Containermechaniker, bei der er Container abschleift, reinigt und neu lackiert, von der Beklagten spezielle Arbeitskleidung zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Schutzkleidung, welche bei der Arbeit verschmutzt wird und im Betrieb verbleibt. Sie besteht aus Arbeitsschuhen, Handschuhen, T-Shirt und ggf. langärmeliger Bekleidung, sowie Atemmaske und Schutzbrille.
3
Gemäß § 2 des Arbeitsvertrags (Anlage B1, Bl. 45 ff d. A.) gelten für das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge für Arbeitnehmer des Speditions- und Transportgewerbes in Bayern. Gemäß § 12 Nr.1 des Arbeitsvertrags gelten „im Übrigen die Bestimmungen, die Dienstanweisungen, die betrieblichen Ordnungsvorschriften, die Reisekostenordnung und Betriebsvereinbarungen, sofern zutreffend.“ Die Bezüge sind gemäß § 4 Nr.4 des Arbeitsvertrags zum jeweils 15.Tag des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats auf das angegebene Girokonto zu überweisen.
4
Ziffer 5. der Gesamtbetriebsvereinbarung über eine Allgemeine Arbeitsordnung vom 22.01.2008 (im Folgenden: GBV; Anlage B3, Bl. 49 d. A.) enthält u. a. die folgende Regelung:
„Die Mitarbeiter müssen sich zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden.“
5
Ziffer 5. der Betriebsvereinbarung zur Regelung der betrieblichen Arbeitszeiten in der Abteilung Automotive vom 21.03.2004 (im Folgenden: BV; Anlage B4, Bl. 50 ff d. A.) enthält u. a. die folgende Regelung:
„Die tägliche Arbeitszeit endet mit Abschluss der jeweils zugeteilten Arbeit oder der entsprechenden Anweisung des Vorgesetzten.“
6
§ 24 des Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten des Speditions-, Transport- und Logistikgewerbes in Bayern in der Fassung vom 01.10.2014 (im Folgenden: MTV; Anlage B6, Bl. 55ff d. A.) lautet wie folgt:
„§ 24 Erlöschen von Ansprüchen
1. Lohn-/Gehalts- und sonstige Ansprüche erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Entstehung, von oder gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer einen Monat nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schriftlich geltend gemacht werden.
2. Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird. Dies gilt nicht für Zahlungsansprüche des Arbeitnehmers, die während eines Kündigungsschutzprozesses fällig werden und von seinem Ausgang abhängen. Für diese Ansprüche beginnt die Verfallfrist von zwei Monaten nach rechtskräftiger Beendigung des Kündigungsschutzverfahrens.
3. Ausgenommen hiervon sind Ansprüche aus unerlaubter Handlung.“
7
Mit seiner Klage vom 30.09.2020, beim Arbeitsgericht eingegangen am 30.09.2020, verlangt der Kläger Vergütung für vor Schichtbeginn und nach Schichtende anfallende Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten. Er trägt vor, er müsse sich vor Schichtbeginn und nach Schichtende umkleiden. Außerdem müsse er sich nach Schichtende im Betrieb reinigen, da er durch Schleif- und Lackierarbeiten stark verschmutzt werde. Dazu stünden ihm Reinigungsmöglichkeiten und Duschen bei der Beklagten zur Verfügung. Die spezielle Reinigung sei ihm zu Hause nicht möglich. Dazu benötige er spezielle Körperreinigungsmittel. Er benötige zudem Zeit für den Weg von der Pforte zur Garderobe und zurück sowie von der Garderobe zum Arbeitsplatz und zurück.
8
Die für das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden und für die Reinigung im Betrieb benötigte Zeit sowie die Wegezeit sei vergütungspflichtige Arbeitszeit. Mit seiner Weisung mache der Arbeitgeber das Umkleiden, das Reinigen und das Zurücklegen der Wege zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung. Zu den „versprochenen Diensten“ gemäß § 611a BGB gehöre nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhänge. Das Anlegen der Arbeitskleidung und die Reinigung dienten nicht einem eigenen Bedürfnis des Arbeitnehmers, sondern vorwiegend dem fremden Bedürfnis des Arbeitgebers. Die Beklagte habe über mehrere Jahre diese Tätigkeiten vergütet.
9
Von der allgemeinen Arbeitsordnung habe der Kläger keine Kenntnis. Diese schließe außerdem die Vergütung der Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten nicht aus. Die BV sei nicht Vertragsinhalt geworden. Auch diese schließe außerdem die Vergütung der Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten nicht aus. Die Anwendbarkeit des MTV auf das Arbeitsverhältnis werde bestritten, da der Kläger nicht als Fahrer beschäftigt sei. Die tarifliche Ausschlussfrist erfasse nur Ansprüche gegen ausgeschiedene Arbeitnehmer. Im Übrigen nehme die Ausschlussfrist Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht aus und könne daher, wenn überhaupt, nur Ansprüche erfassen, die über den jeweils geltenden gesetzlichen Mindestlohn hinausgingen.
10
Morgens habe der Kläger von der Pforte zur Garderobe ca. 300 Meter zurückzulegen. Hierfür benötige er zehn Minuten. Für das Umkleiden vor Schichtbeginn benötige er zehn Minuten. Um anschließend zu seinem Arbeitsplatz zu kommen, benötige er fünf Minuten. Nach Schichtende benötige er für den Weg vom Arbeitsplatz zur Garderobe weitere fünf Minuten. Für das Reinigen, Duschen und Umkleiden nach Schichtende benötige er 15 Minuten. Die drei, manchmal zwei funktionierenden Duschen würden von sechs bis acht Mitarbeitern gleichzeitig benutzt, so dass es auch zu Wartezeiten komme. Für den Weg von der Garderobe zur Pforte benötige er zehn Minuten. Insgesamt bedeute dies einen zeitlichen Aufwand von arbeitstäglich 55 Minuten. Eine Schätzung der Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten durch das Gericht gemäß § 287 ZPO sei möglich.
11
Die geltend gemachten Zuschläge von 25% fielen an jedem Arbeitstag an. Der Kläger arbeite nicht in der wechselnden Schicht, sondern in dieser Schicht, in welcher ihm die Zulage gewährt werde.
12
Für 2017 errechne sich das Entgelt für 230 Arbeitstage (260 Arbeitstage abzüglich 30 Tage Urlaub) wie folgt: 17,94 Euro / 60 x 55 x 230 = 3.782,35 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,49 Euro / 60 x 55 x 230 = 946,64 Euro.
13
Für 2018 errechne sich das Entgelt für 231 Arbeitstage (261 Arbeitstage abzüglich 30 Tage Urlaub) wie folgt: 18,30 Euro / 60 x 55 x 231 = 3.875,06 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,58 Euro / 60 x 55 x 231 = 969,82 Euro.
14
Für 2019 errechne sich das Entgelt für 231 Arbeitstage (261 Arbeitstage abzüglich 30 Arbeitstage Urlaub) wie folgt: 18,68 Euro / 60 x 55 x 231 = 3.955,49 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,67 Euro / 60 x 55 x 231 = 988,87 Euro.
15
Für Januar bis August 2020 errechne sich das Entgelt für 174 Arbeitstage wie folgt: 18,68 Euro / 60 x 55 x 174 = 2.979,46 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,67 Euro / 60 x 55 x 174 = 744,87 Euro.
16
Mit Klageerweiterung vom 25.11.2020, macht der Kläger Ansprüche für die Monate September und Oktober 2020 geltend.
17
Er trägt vor, für diesen Zeitraum errechne sich das Entgelt für 44 Arbeitstage wie folgt: 18,68 Euro / 60 x 55 x 44 = 753,43 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,67 Euro / 60 x 55 x 44 = 188,36 Euro.
18
Mit Klageerweiterung vom 21.01.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate November und Dezember 2020 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 39 Arbeitstage wie folgt: 18,68 Euro / 60 x 55 x 39 = 667,81 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,67 Euro / 60 x 55 x 39 = 166,95 Euro.
19
Mit Klageerweiterung vom 24.03.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate Januar und Februar 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 36 Arbeitstage wie folgt: 18,68 Euro / 60 x 55 x 36 = 616,44 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,67 Euro / 60 x 55 x 36 = 154,11 Euro.
20
Mit Klageerweiterung vom 14.04.2021 macht der Kläger ein erhöhtes Entgelt für den Zeitraum Oktober 2020 bis Februar 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt auf Grund von Stundenlohnerhöhung für 97 Arbeitstage wie folgt:
„(19,02 Euro – 18,68 Euro) / 60 x 55 x 97 = 30,23 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 0,09 Euro / 60 x 55 x 97 = 8,- Euro.“
21
Mit Klageerweiterung vom 27.05.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate März und April 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 9 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 9 = 156,92 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 9 = 39,27 Euro.
22
Mit Klageerweiterung vom 27.07.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate Mai und Juni 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 36 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 36 = 627,66 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 36 = 157,08 Euro.
23
Mit Klageerweiterung vom 27.09.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate Juli und August 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 40 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 40 = 697,40 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 40 = 174,53 Euro.
24
Mit Klageerweiterung vom 23.11.2021 macht der Kläger Ansprüche für die Monate September und Oktober 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 43 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 43 = 749,71 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 43 = 187,62 Euro.
25
Mit Schriftsatz vom 12.01.2022, hat der Kläger die bis zu diesem Zeitpunkt rechtshängigen Anträge zusammengefasst und die Klage um zwei Feststellungsanträge erweitert.
26
Mit Klageerweiterung vom 26.01.2022 macht der Kläger Ansprüche für die Monate November und Dezember 2021 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 31 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 31 = 540,49 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 31 = 135,26 Euro.
27
Mit Klageerweiterung vom 29.03.2022 macht der Kläger Ansprüche für die Monate Januar und Februar 2022 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 25 Arbeitstage wie folgt: 19,02 Euro / 60 x 55 x 25 = 435,87 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,76 Euro / 60 x 55 x 25 = 109,08 Euro.
28
Mit Klageerweiterung vom 25.05.2022 macht der Kläger Ansprüche für die Monate März und April 2022 geltend. Er trägt vor, für den genannten Zeitraum errechne sich das Entgelt für 29 Arbeitstage wie folgt: 19,57 Euro / 60 x 55 x 29 = 520,24 Euro zuzüglich 25% Tarifzuschlag 4,89 Euro / 60 x 55 x 29 = 129,99 Euro.
29
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 18.242,56 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 941,79 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 834,76 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 770,55 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 38,23 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
6.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 261,62 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
7.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 784,74 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
8.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 871,93 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
9.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 937,33 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
10.
Es wird festgestellt, dass die anfallenden Umkleidezeiten und Duschzeiten des Klägers Arbeitszeiten sind und als solche dem Kläger durch die Beklagte zu bezahlen sind, zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
11.
Es wird festgestellt, dass die vom Kläger auf dem Betriebsgelände der Beklagten zurückgelegten Wege zwischen Pforte und Umkleideraum und Umkleideraum und Arbeitsstätte und zurück Arbeitszeiten sind und von der Beklagten an den Kläger zu vergüten sind, zuzüglich dem jeweils gültigen Tarifzuschlag, derzeit von 25%.
12.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 675,75 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
13.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 544,96 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
14.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 650,23 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
30
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
31
Die Beklagte trägt vor, die geltend gemachten Ansprüche stünden dem Kläger nicht zu. Vergütungspflichtige Arbeitszeit sei die Zeit, in der die vertragliche Arbeitsleistung erbracht werde. Gemäß Ziffer 5. der GBV und Ziffer 5. der BV werde die Umkleidezeit nicht als Arbeitszeit gewertet. Hätten die Parteien die Umkleidezeiten regeln wollen, hätten sie diese bedacht.
32
Bei den innerbetrieblichen Wegezeiten von der Pforte zum Arbeitsplatz und zurück handle es sich nicht um eine vertraglich geschuldete Leistung des Arbeitnehmers, sondern um eine Vor- bzw. Nachbereitungshandlung. Die Umkleide- und Reinigungszeiten seien ebenfalls nicht zu vergüten. Der Kläger sei nicht gehalten, sich vor Ort zu reinigen. Es stehe den Mitarbeitern in der Automotive-Abteilung frei, sich zu Hause zu reinigen. Die Inanspruchnahme der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Duschen durch die Mitarbeiter erfolge freiwillig und sei deshalb eigennützig. Selbst die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit führe nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht. Ein Anspruch auf Vergütung der Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten aus betrieblicher Übung bestehe nicht. Bereits seit 2017 werde eine gegenläufige betriebliche Übung praktiziert.
33
Die benötigten Wegezeiten von der Pforte zur Abteilung Automotive und von der Garderobe zum Arbeitsplatz würden bestritten. Das für den Kläger ausschlaggebende Zeiterfassungssystem befinde sich in der Abteilung selbst. An der Pforte befinde sich kein Zeiterfassungssystem. Der Kläger stemple bereits unmittelbar an der Garderobe ein und aus, so dass der restliche Fußweg durch die Werkstatt bereits als vergütete Arbeitszeit erfasst werde. Die Wegstrecke zwischen Pforte und Garderobe sei keine Arbeitszeit, weil sie nicht mit dem Umkleidevorgang in Verbindung stehe. Die vom Kläger vorgetragenen Umkleide- und Reinigungszeiten würden mit Nichtwissen bestritten und seien zu lang.
34
Die vom Kläger vorgetragenen Arbeitstage seien teilweise unzutreffend. Der vom Kläger zu Grunde gelegte Stundenlohn sei zum Teil unzutreffend. Die vom Kläger pauschal aufgeführten Zuschläge seien nicht für jeden Arbeitstag zu zahlen. Nacht- und Überstundenzuschläge fielen nur an, wenn solche Arbeiten auch geleistet würden. Die pauschale Geltendmachung sei daher zu unbestimmt. Der Kläger genüge seiner Darlegungslast nicht.
35
Die geltend gemachten Ansprüche seien auf Grund der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Der MTV gelte für alle Arbeitnehmer und nicht nur für Fahrer. Er gelte durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme für das Arbeitsverhältnis des Klägers.
36
In der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2022 haben die Parteien die Anzahl der Arbeitstage für folgende Zeiträume unstreitig gestellt:
- März und April 2022: 27 Tage
- Januar und Februar 2022: 24 Tage
- November und Dezember 2021: 30 Tage
- September und Oktober 2021: 39 Tage
- Juli und August 2021: 38 Tage
- Mai und Juni 2021: 33 Tage
- März und April 2021: 12 Tage
- Januar und Februar 2021: 34 Tage
- November und Dezember 2020: 38 Tage
- September und Oktober 2020: 20 Tage
- Juni, Juli und August 2020: 64 Tage.
37
Die Beklagte hat zudem unstreitig gestellt, dass ab Oktober 2020 der Stundenlohn auf 19,02 Euro brutto erhöht wurde.
38
Zum weiteren Vorbringen der Parteien und zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschriften vom 08.12.2020 und vom 27.05.2022 sowie auf die Verfügungen des Gerichts, insbesondere den Beschluss vom 13.12.2021 (Bl.111f d. A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
39
Die Rechtswegzuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG. Die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Nürnberg ist nach dem Sitz der Beklagten gemäß §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 12, 17 ZPO gegeben.
II.
40
Mit Ausnahme der Feststellungsanträge ist die Klage zulässig. Für diese fehlt das Feststellungsinteresse.
41
1. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn die Klagepartei ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde. Die Feststellungsklage kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken – Elementenfeststellungsklage -. Ein Feststellungsinteresse ist in diesem Fall nur gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen um denselben Fragenkomplex ausschließen. Es fehlt, wenn durch die Entscheidung kein Rechtsfrieden geschaffen wird, weil nur einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses zur Entscheidung des Gerichts gestellt werden (BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 20, juris mwN).
42
2. Daran fehlt es hier. Die Feststellungsanträge enthalten keine Angaben zum Umfang der zu vergütenden Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten. Sie sind daher nicht geeignet, eine Entscheidung herbeizuführen, die den Streit insgesamt beseitigt und das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien abschließend klärt. Durch eine Entscheidung über die Feststellunganträge würde kein Rechtsfrieden geschaffen. Die zu Grunde liegende Frage, ob Wege-, Umkleide- und Reinigungszeiten im vorliegenden Fall vergütungspflichtig sind, ist im Rahmen der gestellten Zahlungsanträge zu prüfen.
III.
43
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie zum Teil begründet. Dem Grunde nach stehen dem Kläger Vergütungsansprüche für Umkleide- und Reinigungszeiten zu, nicht aber für Wegezeiten innerhalb des Betriebs. Teilweise sind die Ansprüche gemäß § 24 MTV verfallen. Der Höhe nach sind die Ansprüche nur teilweise begründet. Das Gericht schließt sich insoweit vollumfänglich den überzeugenden Ausführungen der 12.Kammer des Arbeitsgerichts Nürnberg in deren Entscheidung vom 25.05.2022 (12 Ca 1575/20) an:
44
1. Die für das Umkleiden vor und nach der Schicht sowie für die Reinigung nach der Schicht erforderlichen Zeiten sind gemäß § 611a Abs. 2 BGB gesondert zu vergüten, nicht aber die vom Kläger zu Grunde gelegten Wegezeiten.
45
a) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers gemäß § 611a Abs. 2 BGB knüpft an die Leistung weisungsgebundener Arbeit an. Zur Arbeitsleistung zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 22, juris mwN). Hierzu gehört grundsätzlich auch das vom Arbeitgeber angeordnete Umkleiden im Betrieb. In einem solchen Falle macht der Arbeitgeber mit seiner Weisung das Umkleiden und das Zurücklegen des Wegs von der Umkleidezur Arbeitsstelle zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung (vgl. BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 23, juris mwN). Die Notwendigkeit des An- und Ablegens der Dienstkleidung und der damit verbundene Zeitaufwand des Arbeitnehmers beruhen auf der Anweisung des Arbeitgebers zum Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit. Daher schuldet der Arbeitgeber Vergütung für die durch den Arbeitnehmer hierfür im Betrieb aufgewendete Zeit (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 23, juris mwN).
46
b) Danach ist die für das An- und Ablegen der Arbeitskleidung, bestehend aus Arbeitsschuhen, Handschuhen, T-Shirt und ggf. langärmeliger Bekleidung, sowie Atemmaske und Schutzbrille, im Betrieb benötigte Zeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit anzusehen. Die bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer sind unstreitig zum Tragen der Arbeitskleidung verpflichtet. Dies ergibt sich auch aus Ziffer 5. der GBV, wonach sich die Mitarbeiter zum jeweils festgelegten Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz befinden müssen. Es handelt sich außerdem um Schutzkleidung. Der Kläger erfüllt deshalb mit dem Tragen der Arbeitskleidung kein eigenes Bedürfnis, sondern kommt damit dem Erfordernis zur Nutzung einer von der Beklagten zur Verfügung gestellten Schutzkleidung während seiner Tätigkeit nach. Eine ausschließlich fremdnützige Tätigkeit liegt auch vor, wenn der Kläger die von der Beklagten dafür eingerichteten Umkleidemöglichkeiten für das Anlegen seiner Arbeitskleidung nutzt und sich anschließend zu seinem Arbeitsplatz begibt (vgl. hierzu BAG 21.07.2020 – 5 AZR 572/20 – Rn. 17, juris). Dies gilt entsprechend nach Beendigung seiner dienstlichen Tätigkeit. Unerheblich ist deshalb, ob die Beklagte ihren Mitarbeitern gestattet, die Arbeitskleidung bereits zu Hause anzulegen und nach der Arbeit mit nach Hause zu nehmen, ohne sich im Betrieb umzuziehen.
47
c) Entsprechendes gilt für die erforderliche Reinigungszeit nach Schichtende. Unstreitig wird der Kläger auch selbst während der Arbeit verschmutzt und muss seinen Körper nach Schichtende reinigen. Der Einwand der Beklagten, die Nutzung der im Betrieb vorhandenen Duschen sei freiwillig, ist in diesem Zusammenhang unbehelflich. Auf Grund der unstreitigen Verschmutzung ist es dem Kläger nicht möglich und nicht zumutbar, ohne vorhergehende Körperreinigung eigene Kleidung anzulegen oder die verschmutzte Arbeitskleidung nicht abzulegen und sich nach Hause zu begeben.
48
d) Nicht zur zusätzlich vergütungspflichtigen Arbeitszeit gehören allerdings die vom Kläger geltend gemachten Wegezeiten. Der Weg von der Pforte zur Garderobe, an der sich die Stempeluhr befindet, und zurück ist unabhängig vom Umkleide- und Reinigungsvorgang und stellt einen Teil des allen Arbeitnehmern obliegenden Wegs von der Wohnung zur Arbeitsstelle dar. Er ist deshalb nicht gesondert zu vergüten. Der Weg von der Garderobe zum Arbeitsplatz und zurück wird nach dem insoweit unstreitigen Vortrag der Beklagten bereits vergütet, da sich die Stempeluhr direkt an der Garderobe befindet.
49
e) Die Vergütungspflicht der Umkleide- und Reinigungszeiten ist nicht durch den MTV, die GBV, die BV oder durch arbeitsvertragliche Vereinbarung ausgeschlossen.
50
a. Die Tarifvertragsparteien sind berechtigt, die Höhe des Arbeitsentgelts zu tarifieren und hierbei eine unterschiedliche Vergütung von Arbeitszeiten vorzusehen. Diese in der grundrechtlich geschützten Tarifautonomie wurzelnde Rechtsmacht umfasst die grundsätzliche Befugnis, bestimmte Teile der Arbeitszeit von der andererseits bestehenden Vergütungspflicht des Arbeitgebers auszunehmen (vgl. BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 23, juris mwN). Mit der Einordnung der Umkleidezeiten als Teil der „versprochenen Dienste“ ist noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeits- oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Umkleidezeiten getroffen werden (vgl. BAG 26.10.2016 – 5 AZR 226/16 – Rn. 23 mwN).
51
b. Eine derartige eigenständige Regelung enthält der MTV nicht. Auch der Arbeitsvertrag schließt die Vergütung der Umkleide- und Reinigungszeiten nicht aus. Die GBV regelt lediglich die Verpflichtung der Arbeitnehmer, sich zum jeweiligen Arbeitsbeginn in Arbeitskleidung am Arbeitsplatz zu befinden. Dies stellt keine Regelung über die Vergütungspflicht von Umkleide- und Reinigungszeiten dar, sondern spiegelt lediglich die Verpflichtung der Arbeitnehmer wider, die von der Beklagten zur Verfügung gestellte Arbeitskleidung bei der Arbeit zu tragen und diese bereits vor Schichtbeginn anzulegen. Auch die BV regelt lediglich das Ende der täglichen Arbeitszeit und beinhaltet keine gesonderte Vergütungsregelung.
52
2. Die vergütungspflichtigen Umkleide- und Reinigungszeiten belaufen sich nach einer Schätzung des Gerichts auf arbeitstäglich 20 Minuten.
53
a) In welchem zeitlichen Umfang Umkleidezeiten zur Arbeitszeit rechnen, ergibt sich – soweit eine anderweitige Regelung nicht besteht – nach allgemeinen Grundsätzen. Der Arbeitnehmer darf seine Leistungspflicht nicht willkürlich selbst bestimmen, er muss vielmehr unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeiten. Dieser modifizierte subjektive Maßstab gilt auch für das Umkleiden. Nur die Zeitspanne, die dazu für den einzelnen Arbeitnehmer unter Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit erforderlich ist, zählt zur Arbeitszeit (BAG 26.10.2016 – 5 AZR 168/16 – Rn. 28, juris).
54
b) Steht fest, dass Umkleide- und Wegezeiten auf Veranlassung der Beklagten entstanden sind, kann aber der Kläger seiner Darlegungs- oder Beweislast für den zeitlichen Umfang, in dem diese erforderlich waren, nicht in jeder Hinsicht genügen, hat das Gericht die erforderlichen Umkleide- und damit verbundenen Wegezeiten nach § 287 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 ZPO zu schätzen (vgl. BAG 25.04.2018 – 5 AZR 245/17 – Rn. 40, juris; 06.09.2017 – 5 AZR 382/16 – Rn. 28, juris mwN). Voraussetzung für eine Schätzung ist demnach, dass die klagende Partei dem Gericht eine tatsächliche Grundlage für die Schätzung geliefert und sich in einem den Umständen nach zumutbaren Maß um eine Substanziierung bemüht hat (vgl. BAG 13.12.2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 53, juris mwN).
55
c) Unter Anwendung dieser Grundsätze schätzt das Gericht die zu vergütenden Umkleide- und Reinigungszeiten auf arbeitstäglich 20 Minuten.
56
a. Die Voraussetzungen für eine Schätzung des Umfangs der zu vergütenden Umkleide- und Reinigungszeiten liegen im Streitfall vor. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger die Arbeitskleidung arbeitstäglich vor Beginn der Schicht anlegt und nach Schichtende wieder ablegt sowie sich unter Inanspruchnahme der von der Beklagten zur Verfügung gestellten Duschen nach Schichtende reinigt. Im Streit steht die Frage, welcher genaue zeitliche Umfang hierfür erforderlich ist. Die vollständige Aufklärung aller maßgeblichen Umstände wäre mit Schwierigkeiten verbunden, die zu der Bedeutung des insoweit streitigen Teils der Forderung in keinem Verhältnis stehen. Der Kläger hat den arbeitstäglichen Ablauf unter Angabe der aus seiner Sicht für die einzelnen Tätigkeiten benötigten Zeit schriftsätzlich dargelegt. Die Beklagte hat ihrerseits schriftsätzlich dargelegt, weshalb aus ihrer Sicht von kürzeren Zeiten auszugehen ist. Hieraus ergeben sich für das Gericht ausreichende objektive Anknüpfungstatsachen, um eine Schätzung vornehmen zu können.
57
b. Das Gericht schätzt die zeitlichen Angaben des Klägers als zu hoch ein. Für das Umkleiden, welches arbeitstäglich zwei Mal anfällt, hält das Gericht im Rahmen der objektiven Gegebenheiten und angesichts der Art und des Zwecks der an- und abzulegenden Arbeitskleidung jeweils fünf Minuten für erforderlich, angemessen und ausreichend. Zwar ist nahezu die gesamte eigene Kleidung abzulegen, um die Arbeitskleidung anzulegen. Allerdings sind die während der Arbeit zu tragenden Kleidungsstücke nicht von einer Art, die etwa besondere Sorgfalt oder besondere Anstrengung erfordert, um sie an- und abzulegen. Für die Reinigung unter Benutzung der im Betrieb vorhandenen Duschen, welche arbeitstäglich einmal anfällt, hält das Gericht – auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es zu sehr starken Verschmutzungen des Körpers des Klägers kommen kann – zusätzlich arbeitstäglich zehn Minuten für erforderlich, angemessen und ausreichend.
58
3. Die Ansprüche des Klägers sind gemäß § 24 MTV teilweise verfallen.
59
a) Der MTV findet auf das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme Anwendung. Unschädlich ist, dass der Kläger nicht als Fahrer beschäftigt ist, zumal eine entsprechende Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs im MTV nicht enthalten ist.
60
b) Die Ausschlussfrist in § 24 MTV erfasst entgegen der Auffassung des Klägers nach ihrem eindeutigen Wortlaut gerade nicht nur Ansprüche ausgeschiedener Arbeitnehmer, sondern trifft für diese lediglich eine Sonderregelung.
61
c) Die Ausschlussfrist ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb insgesamt unwirksam, weil sie Ansprüche auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnimmt. Sie ist gemäß § 3 Satz 1 MiLoG lediglich insoweit unwirksam, als sie die Geltendmachung von Ansprüchen auf den Mindestlohn zeitlich beschränkt.
62
a. Die tarifliche Verfallklausel erfasst – ausgehend von ihrem Wortlaut – Lohn-/Gehalts- und sonstige Ansprüche und damit alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis. Dazu gehört auch der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn, der nur im Arbeitsverhältnis entsteht, §§ 1 Abs. 1, 20 MiLoG.
63
b. Zu den Vereinbarungen, die die Geltendmachung des Mindestlohnanspruchs iSd. § 3 Satz 1 MiLoG beschränken, gehören nicht nur arbeitsvertragliche, sondern auch tarifliche Ausschlussfristen. Denn ein Tarifvertrag ist – auch wenn er Rechtsnormen schaffen kann – ein formbedürftiger (§ 1 Abs. 2 TVG) privatrechtlicher Vertrag zwischen den in § 2 TVG genannten Tarifvertragsparteien und damit eine „Vereinbarung“ iSd § 3 Satz 1 MiLoG. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Zweck der Norm. Mit § 3 MiLoG sollte nach der Gesetzesbegründung der Anspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den gesetzlichen Mindestlohn umfassend gesichert werden (vgl. BT-Drs. 18/1558 S. 35) mit der Konsequenz, dass er nur der Regelverjährung nach §§ 195, 199 BGB unterworfen ist. Deshalb ist es unerheblich, auf welcher Rechtsgrundlage – beiderseitige Tarifgebundenheit, Allgemeinverbindlicherklärung oder arbeitsvertragliche Bezugnahme – der eine den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmende Verfallklausel enthaltende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis einwirkt. Der Verstoß gegen § 3 Satz 1 MiLoG führt zur Teilunwirksamkeit einer den Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausnehmenden tariflichen Verfallklausel. Denn die Norm selbst ordnet – ohne dass es eines Rückgriffs auf § 134 BGB bedürfte – die Unwirksamkeitsfolge an, allerdings nur „insoweit“, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Im Übrigen bleibt die tarifliche Verfallklausel wirksam. Die bei arbeitsvertraglichen Verfallklauseln im Schrifttum diskutierte Frage der Gesamtunwirksamkeit wegen fehlender Transparenz der „Restklausel“ stellt sich nicht, weil Tarifverträge nicht dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unterliegen, § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB (vgl. BAG 20.06.2018 – 5 AZR 377/17 – Rn. 20 ff, juris mwN).
64
c. Hieraus folgt, dass die Ansprüche des Klägers nur insoweit nicht verfallen konnten, als der Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn betroffen ist. Aus den Ausführungen des Klägers ergibt sich indes nicht, dass seine Vergütung insgesamt bei Verfall seiner in diesem Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegen würde. Im Gegenteil lässt sich den Berechnungen des Klägers entnehmen, dass seine Vergütung selbst bei Hinzurechnung der von ihm zu Grunde gelegten zusätzlichen arbeitstäglich zu vergütenden Zeiten weit über diesem liegt.
65
d) Die in der Klageschrift vom 30.09.2020 bis einschließlich Mai 2020 geltend gemachten Ansprüche des Klägers sind wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen.
66
a. Unstreitig ist die Vergütung gemäß § 4 des Arbeitsvertrags nachträglich am 15. des Folgemonats zu zahlen. Die erste Stufe der Ausschlussfrist begann demnach jeweils am 15.Tag des Folgemonats und endete jeweils zum 15.Tag des jeweils dritten auf den Fälligkeitsmonat folgenden Monat. Mit der erstmaligen Geltendmachung durch Klageerhebung am 30.09.2020 konnte deshalb die erste Stufe der Ausschlussfrist allenfalls bezüglich der Ansprüche gewahrt werden, die ab Juni 2020 entstanden sind.
67
b. Die mit der Klageschrift vom 30.09.2020 geltend gemachten Ansprüche für den Zeitraum von 2017 bis Mai 2020 sind demnach wegen Nichteinhaltung der tarifvertraglichen Ausschlussfrist verfallen.
68
e) Für die Zeiträume ab Juni 2020 hat der Kläger die Ansprüche jeweils rechtzeitig durch entsprechende Klageerweiterungen gerichtlich geltend gemacht.
69
4. Die vom Kläger angegebene Anzahl der zu berücksichtigenden tatsächlichen Arbeitstage ist zu reduzieren. Auch nach Hinweis des Gerichts hat der Kläger seinen Vortrag nicht dahingehend präzisiert, für welche Tage die zusätzliche Vergütung verlangt wird. Auf den Einwand der Beklagten, die vom Kläger angegebene Anzahl der Arbeitstage sei teilweise unzutreffend, hat dieser nicht substantiiert erwidert.
70
Schließlich haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 27.05.2022 die Anzahl der Arbeitstage für den Zeitraum ab Juni 2020 unstreitig gestellt.
71
Unter Zugrundelegung eines Stundenlohns von 18,68 Euro brutto für die Monate Juni 2020 bis Februar 2021, von 19,02 Euro brutto für die Monate März bis Dezember 2021 und von 19,57 Euro brutto für die Monate Januar bis April 2022 sowie der Schätzung des Gerichts der arbeitstäglich zusätzlich zu vergütenden Zeit von 20 Minuten ergeben sich die aus dem Tenor ersichtlichen Zahlungsansprüche des Klägers.
72
5. Ansprüche auf Zahlung von Zuschlägen in Höhe von 25% der jeweiligen Stundenvergütung bestehen nicht. Auf welcher Grundlage und auf Grund welcher Umstände Ansprüche auf die geltend gemachten Zuschläge entstanden sein sollen, hat der Kläger auch auf entsprechenden Hinweis des Gerichts nicht konkret dargelegt. Es ist deshalb für das Gericht nicht ersichtlich, worauf der Kläger seine Ansprüche stützt und weshalb Zuschläge unabhängig davon geschuldet sein sollen, ob eine nach dem MTV oder anderen Vereinbarungen oder Regelungen zuschlagspflichtige Tätigkeit ausgeübt wird.
IV.
73
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO und begründet sich mit dem anteiligen Unterliegen der Parteien.
74
Der Streitwert war gemäß §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 ArbGG, §§ 3 ff. ZPO in Höhe der Klageforderungen festzusetzen.
75
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung ergeht gemäß § 64 Abs. 3a ArbGG. Die Berufung kann gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG eingelegt werden. Umstände, welche die gesonderte Zulassung der Berufung gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG begründet hätten sind nicht gegeben.