Titel:
Unverhältnismäßige Beseitigungskosten bei Überbau
Normenkette:
BGB § 912
Leitsatz:
Kosten iHv 50.000,00 EUR zur Beseitigung eines Überbaus auf einer Fläche von 7 qm sind unverhältnismäßig. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Überbau, Duldungspflicht, Beseitigungskosten, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 17.01.2023 – 27 U 4750/22
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 20.07.2023 – V ZB 3/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 50502
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger nehmen die Beklagten auf Beseitigung in Anspruch.
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Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Klägerin zu 2) ist Eigentümerin des Grundstücks Flurnummer … der Gemarkung … . Der Kläger zu 1) soll laut notarieller Urkunde Miteigentümer werden. Er ist jedoch noch nicht im Grundbuch eingetragen. Der Beklagte zu 2) ist Eigentümer des benachbarten Grundstücks mit der Flurnummer … . Die Beklagte zu 1) ist Pächterin des Anwesens. Die Beklagten haben im Jahr 2014 auf ihrem Grundstück eine Maschinenhalle errichten lassen. Durch diese Maschinenhalle wurde eine Fläche von ca. 7 m² des Grundstücks der Klägerin zu 1) überbaut. Die Maschinenhalle sollte auf der Grundfläche eines alten Kuhstalls gebaut werden, der an das Grundstück der Klägerin zu 2) angrenzte. Die Klägerin zu 2) hat mit Schreiben vom 22.06.2016 dem Überbau widersprochen.
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Die Kläger trage im wesentlichen vor, dass ein widerrechtliche Überbau vorläge. Die Beklagten hätten grob fahrlässig gehandelt, da sie bei der Vermessung keinen Vermessungsingenieur hinzugezogen haben. Es besteht daher eine ein Anspruch auf Beseitigung des Überbaus. Es sei den Beklagten auch zumutbar, diese Überbauung zu entfernen.
1. Die Beklagten werden verurteilt, den Überbau auf das Grundstück Flurnummer … durch das auf dem Flurstück … errichtete Gebäude mit etwa 7 m² der Gemarkung … zu beseitigen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, an die Kläger ein Betrag in Höhe von 600,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5% Zinspunkten hieraus über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagten beantragen,
Die Klage wird abgewiesen.
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Im wesentlichen tragen Sie vor, dass der Kläger zu 1) nicht aktiv legitimiert sei, da er nicht Eigentümer des Grundstücks sei. Die Beklagte zu 1) sei nicht passiv legitimiert, da sie ebenfalls nicht Eigentümerin sei. Zudem sei den Beklagten bezüglich des Überbaus kein Verschulden vorzuwerfen. Man habe wie vereinbart die Grundmaße des Kuhstalls genommen und ein entsprechendes Schnurgerüst durch die Baufirma erstellen lassen. Warum ist trotzdem zu dem Überbau gekommen sei, könne nicht mehr nachvollzogen werden. Des Weiteren sei ein Rückbau unzumutbar, da die Kosten hierfür mindestens 50.000,00 € betragen. Die Halle selbst habe lediglich 100.000,00 € gekostet.
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Die Parteien haben die Ziffern II. und III. der Klage vom einen 20.12.2016 übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen L, S, Sch, W und B. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften vom 29.05.2017 und 09.12.2021 verwiesen. Des Weiteren wurde Beweis erhoben durch die Erholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen … vom 11.03.2020. Bezüglich des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und Sitzungsniederschriften verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage hatte keinen Erfolg.
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Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Augsburg zur Entscheidung sachlich und örtlich zuständig.
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Dem Kläger zu 1) fehlt die Aktivlegitimation, da er nicht Eigentümer des Grundstücks ist.
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Die Beklagte zu 1) ist als Handlungsstörer passiv legitimiert.
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Den Klägern steht kein Anspruch auf Beseitigung des Überbaus zu.
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Die Kläger müssen gemäß § 912 Abs. 1 BGB den Überbau dulden. Den Beklagten ist weder Vorsatz noch grobe Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Das Gericht ist aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass zwischen den Parteien vereinbart war, die Halle auf den Grundmauern des alten Kuhstalls zu errichten. Hierzu wurde laut der glaubhaften Aussage des Zeugen B ein Schnurgerüst erstellt. Hiermit haben die Beklagten ihrer Sorgfaltspflicht genügt. Warum es trotzdem zu einem Überbau gekommen ist, kann nicht mehr nachvollzogen werden. Zumindest kann keine grobe Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz festgestellt werden. Es besteht somit eine Duldungspflicht.
14
Des Weiteren ist das Gericht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen … davon überzeugt, dass die Kosten der Beseitigung des Überbaus mindestens 50.000 € betragen. Diese Kosten sind nach Ansicht des Gerichts im Vergleich zu der eher geringen Überbauung unverhältnismäßig.
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Mangels Erfolg des Hauptsacheantrags waren auch die Folgeanträge abzuweisen.
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Die Klage hatte somit insgesamt keinen Erfolg.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.