Titel:
Leistungen, Leistungsbeschreibung, Bieter, Zuschlag, Ausschreibung, Akteneinsicht, Vergabekammer, Angebot, Nachweis, Verletzung, Zuschlagserteilung, Anforderungen, Auftragsvergabe, Verfahren, Kosten des Verfahrens, notwendigen Auslagen, anwaltliche Vertretung
Normenketten:
GWB § 160 Abs. 3 S. 1
VgV § 47
VgV § 36
Leitsätze:
1. Es ist nicht mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG zu vereinbaren, wenn Bieter durch überzogene Anforderungen an die Substantiierung von Rügen weitgehend an der Stellung von Nachprüfungsanträgen in Bezug auf mögliche Rechtsverstöße gehindert würden, die sich überwiegend oder ganz ihrer Erkenntnismöglichkeit entziehen, weil sie sich in der Sphäre des Auftraggebers oder konkurrierender Bieter abspielen.
2. Die Rüge solcher Vergabeverstöße aufgrund von Vermutungen ist nicht generell als Missbrauch des Nachprüfungsrechts auszusehen.
3. In sich widersprüchliche Angebote dürfen ohne vorherige Aufklärung des Angebotsinhalts weder bezuschlagt noch ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber hat in einer solchen Situation den betreffenden Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 35/15). Dabei darf das Angebot allerdings nur soweit aufgeklärt werden, dass klar wird, welche der beiden Verständnismöglichkeiten des in sich widersprüchlichen Angebots vom Bieter gemeint war.
4. Bei der Ermittlung der Aufgreifschwellen für die Preisprüfung nach § 60 VgV sind auch zuschlagsfähige Angebote zu berücksichtigen, die der Auftraggeber rechtswidrig nicht berücksichtigt hat.
Schlagworte:
Leistungen, Leistungsbeschreibung, Bieter, Zuschlag, Ausschreibung, Akteneinsicht, Vergabekammer, Angebot, Nachweis, Verletzung, Zuschlagserteilung, Anforderungen, Auftragsvergabe, Verfahren, Kosten des Verfahrens, notwendigen Auslagen, anwaltliche Vertretung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49507
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerinträgt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten der Antragsgegnerin.
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von2765,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene war notwendig. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war nicht notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom21.03.2022, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am 25.03.2022 unter Nr. 2022/S …, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über die Annahme, Sortierung und ordnungsgemäße, schadlose Verwertung der durch den Abfallwirtschaftsbetrieb der Antragsgegnerin gesammelten Alttextilien und Altschuhe aufgeteilt in drei Mengenlose im Wege eines offenen Verfahrens aus. In Abschnitt II.2.5) der Bekanntmachung wurde hinsichtlich der Zuschlagskriterien auf die Beschaffungsunterlagen verwiesen. Die Abschnitte III.1.1) bis III.1.3) der Bekanntmachung enthielten jeweils einen Direktlink zu einem Dokument mit dem Titel „Fragebogen zur Eignungsprüfung“. Dieser enthielt als Kriterium zur technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit unter Abschnitt A 1.1.2.2.13 unter anderem folgende Vorgabe:
„EfbVZertifikat (Ist Ausschlusskriterium)
Ein aktuelles Überwachungszertifikat als Entsorgungsfachbetrieb – mit Anlagen – gemäß § 56 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) für das Sammeln, Lagern und Aufbereiten von Alttextilien gem. Abfallverzeichnisordnung (AVV/Abfallschlüssel 200110 und 200111) oder ein gleichwertiger Nachweis über ein Qualitätsmanagementsystem, dass der Bieter die Anforderungen der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung vom 10.09.1996 (EfbV) erfüllt mit nachfolgenden Erfordernissen:
Festlegung der Verantwortungs-, Entscheidungsu. Mitwirkungsbefugnisse (§ 3 Abs. 2 EfbV)
Angabe der verantwortlichen Person(en) und ausreichende Personalstärke (§ 4 EfbV)
Führung eines Betriebstagebuches (§ 5 EfbV)
Ausreichender Versicherungsschutz (§ 6 EfbV)
Zuverlässigkeit des Betriebsinhabers (§ 8 EfbV)
Zuverlässigkeit der für die Leitung und Beaufsichtigung verantwortlichen Personen (§ 9 EfbV)
Einarbeitungsplan für das sonstige Personal (§ 10 EfbV) liegt diesem Angebot bei.“
2
Ausweislich der Angabe in Abschnitt I.3) der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen für einen uneingeschränkten und vollständigen direkten Zugang gebührenfrei unter der dort genannten Internetadresse zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem eine Leistungsbeschreibung. Diese enthielt unter Ziffer 5 mit dem Titel „Logistik/ Verwiegung“ folgende Vorgabe:
„5.1 Anlieferung mit Abkippen (Alternative 1)
Der AN räumt dem AG die Möglichkeit ein, den Anlieferbereich vor Auftragsvergabe zu besichtigen.
Die Anlieferung der Alttextilien erfolgt mit handelsüblichen Abrollkipperfahrzeugen mit Recyclingladekran (zulässiges Gesamtgewicht 26.000 kg und Fahrzeuglänge ca. 11 m) in 30 m³ Abrollbehältern. Die Entleerung der Abrollbehälter erfolgt durch Abkippen. Der Anlieferbereich muss daher ausreichend hoch (mind. 10m) und komplett überdacht sein, damit die Alttextilien bei jeglichen Witterungsverhältnissen geschützt sind.
3
Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene reichten innerhalb der auf den26.04.2022, 10:00 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein. Die Beigeladene gab in ihrem Angebot an der dafür vorgesehenen Stelle unter Ziffer I 1.1.1.6 des Fragebogens zur Eignungsprüfung ausdrücklich an, keine Eignungsleihe in Anspruch zu nehmen. Mit dem Angebot legte sie neben ihren EfbV-Zertifikaten auch dasjenige der R… Textilhandels- und -recycling GmbH vor, dass auch die zertifizierten Tätigkeiten „Behandeln“ und „Verwerten“ umfasst. Gleichzeitig benannte die Beigeladene im Angebot im dafür vorgesehenen Formblatt Anlage IV/6 EU als Teile des Auftrags, die sie beabsichtigt im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte zu vergeben lediglich die die Bereiche „Transport“ und „Umschlagplatz“. Dem Angebot lag jedoch ein Dokument „Ausschreibung Alttextilien Verfahrensbeschreibung“ bei, in dem die Beigeladene bei der Darstellung des Ver- und Entsorgungswegs die Sortierung durch die R… Textilhandels- und -recycling GmbH ausführlich beschreibt, auf den Andienungsvertrag mit der R… Textilhandels- und -recycling GmbH hinweist und auf deren Zertifizierungen. Den Andienungsvertrag legte die Beigeladene ebenfalls mit dem Angebot vor.
4
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 08.06.2022 setzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin davon in Kenntnis, dass auf ihr Angebot nicht der Zuschlag erteilt werden könne, da in allen Losen wirtschaftlichere Hauptangebote vorlägen. Zudem teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag in Los 1 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Als frühesten Zeitpunkt der Zuschlagserteilung nannte die Antragsgegnerin den 20.06.2022.
5
Mit Schreiben vom 10.06.2022 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig. Sie führte aus, dass die Beigeladene nach Kenntnis der Antragstellerin nicht über eine den Vorgaben der Ausschreibung entsprechende Übergabestelle verfüge und auch nicht auf eine solche zugreifen könne. Für eine Angebotsabgabe im nach 5.2 der Leistungsbeschreibung alternativ möglichen Containertauschverfahren fehle es den zum Zuschlag vorgesehen Unternehmen an den vorgegebenen Abrollbehältern. Diese seien sehr speziell und nicht handelsüblich, da sie auf die Kranfahrzeuge des AWM passen müssten und mit einem hydraulischen Dach versehen seien. Eine kurzfristige Beschaffung erscheine nicht möglich, da lange Lieferzeiten zu erwarten seien. Auch werde bezweifelt, dass die Beigeladene die erforderlichen Eignungskriterien erfülle. Dies gelte insbesondere, da die Beigeladene nach Kenntnis der Antragstellerin nicht Träger des bvse-Qualitätssiegels für Textilrecycling sei. Die Antragstellerin gehe zudem davon aus, dass die Wettbewerber unterpreisige Angebote abgegeben haben dürften.
6
Mit Schreiben vom 14.06.2022 antwortete die Antragsgegnerin der Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werden könne. Die Beigeladene habe sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt und diese seien durch den Abfallwirtschaftsbetrieb vollumfänglich geprüft worden. Insbesondere habe die Beigeladene nachgewiesen, dass ihr eine den Anforderungen entsprechende, genehmigte Anlieferstelle zur Verfügung stehe. Es seien auch die übrigen Eignungs- und Zuschlagskriterien eingehend geprüft worden. Aktuelle, gültige Efb-Zertifikate lägen vor, ebenso wie alle anderen Erklärungen und Nachweise. Die Antragsgegnerin sehe auch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Unterangebots gemäß § 60 VgV.
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Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 17.06.2022 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
8
Die Antragstellerin führt aus, dass nach ihrer Marktkenntnis die Beigeladene keine eigene den Vorgaben der Ausschreibung entsprechende Übergabestelle, insbesondere mit kompletter Überdachung und mit lichter Höhe von mindestens 10 m zum Abkippen, besitze. Die Beigeladene sei auch nicht Trägerin des bvse-Qualitätssiegels für Textilrecycling. Jedoch seien nach Ziffer 3 der Leistungsbeschreibung für die Verwertung die Einhaltung der hieran angelehnten Kriterien verbindlich vorgeschrieben. Ob die Beigeladene aktuell über ein einschlägiges EfbV-Zertifikat verfüge, sei der Antragstellerin nicht bekannt. Die Antragstellerin gehe ferner davon aus, dass das Angebot der Beigeladenen gemäß § 60 VgV weitergehend habe aufgeklärt werden müssen.
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Der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Insbesondere sei die Antragstellerin antragsbefugt, da sie sich als Bieterin mit Abgabe eines Angebots auf alle drei Lose an dem Vergabeverfahren beteiligt und hierdurch Interesse an dem Auftrag bekundet habe. Durch die beabsichtigte Vergabe der Aufträge an andere Bieter sei die Antragstellerin in ihren Rechten im Sinne von § 97 Abs. 6 GWB verletzt, da sie Anspruch darauf habe, dass die Antragsgegnerin ausschließlich Unternehmen beauftragt, welche die wirksam aufgestellten Mindestanforderungen an die Eignung erfüllen. Auch die Regelung des § 60 VgV habe bieterschützenden Charakter. Ihrer Obliegenheit zur rechtzeitigen Rüge sei die Antragstellerin nachgekommen und die Frist gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB sei eingehalten. Entgegen der Ansicht von Antragsgegnerin und Beigeladener habe die Antragstellerin das nach der vergaberechtlichen Rechtsprechung geforderte Mindestmaß an Substantiierung erfüllt. Die Antragstellerin habe im Rügeschreiben darauf hingewiesen, dass sie sich sicher sei, dass die in Frage stehenden Bieter insbesondere keine Zugriffsmöglichkeit auf eine Übergabestelle hätten, die eine komplette Überdachung mit lichter Höhe von mindestens 10 m zum Abkippen vorsieht. Auch im Hinblick auf die Zertifizierung beziehungsweise die Erfüllung der Standards aus den Qualitätssiegeln werde in dem Rügeschreiben eine ausreichende Erfüllung der Anforderungen in Frage gestellt.
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Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet, da das Angebot der Beigeladenen auszuschließen sei. Dies gelte insbesondere unter der Prämisse, dass die zu vermutende geringe Höhe des Angebots und das damit verbundene Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nicht zufriedenstellend und stichhaltig gemäß § 60 Abs. 3 VgV habe aufgeklärt werden können. Zudem sei die im Rahmen der Leistungsbeschreibung unter Ziffer 5.1 geforderte Anlieferung mit Abkippen als Alternative 1 durch die Beigeladene nicht realisierbar. Die Akteneinsicht habe gezeigt, dass sich die Beigeladene diesbezüglich einer Drittfirma bediene. Der Antragstellerin sei aufgrund ihrer Branchenkenntnis jedoch keine geeignete Übergabestelle innerhalb von 20 km um den Stadtmittelpunkt der Landeshauptstadt M… bekannt, die insbesondere die technischen Voraussetzungen in baulicher Hinsicht erfüllt. Ob die technischen Anforderungen seitens der Antragsgegnerin überprüft wurden und in welchem Umfang, erschließe sich aus der gewährten Akteneinsicht nicht; offenbar sei nur die Zusicherung eines Standorts geprüft worden. Aus dem im Rahmen der Akteneinsicht überlassenen Vergabevermerk ergebe sich, dass enorme Preisunterschiede zwischen der Beigeladenen und der Zuschlagsprätendentin der Lose 2 und 3 und den übrigen Bietern bestünden. Gleichwohl sei seitens der Antragsgegnerin keine Prüfung der Zusammensetzung des Angebotes nach § 60 Abs. 2 VgV erfolgt, da man der Auffassung gewesen sei, dass keine Aufklärungspflicht nach § 60 Abs. 1 VgV bestehe. Ferner ergebe sich aus dem Vergabevermerk, dass einzig das Angebot der Antragstellerin innerhalb der Einreichungsfrist vollständig gewesen sei. Hinsichtlich der Beigeladenen hätten zahlreiche Unterlagen gefehlt; diese seien erst selektiv nachgereicht worden. Letztlich habe die Einsichtnahme in den Vergabevermerk gezeigt, dass die Beigeladene lediglich auf Rang 2 der wertungsfähigen Angebote gelegen haben soll. Aus logistischen Gründen sei in einem nicht nachvollziehbaren Verfahren die Entscheidung über den Zuschlag in Los 1 gleichwohl zugunsten der Beigeladenen getroffen worden.
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Ausweislich des im Internet einsehbaren Fachbetrieberegisters umfasse das für die Beigeladene hinterlegte Zertifikat lediglich die Tätigkeiten Sammeln, Befördern, Handeln, und Makeln, nicht jedoch die Tätigkeiten Sortierung und Verwertung in Form von Behandeln. Für den einzigen in Bayern befindlichen Standort der Beigeladenen in Denkendorf sei dabei ausweislich des Zertifikates sogar nur die Tätigkeit Handeln und Makeln umfasst, nicht jedoch die geforderte Tätigkeit des Transportes, also des Beförderns. Dies mache einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen unumgänglich. Gleiches gelte im Hinblick auf die Einhaltung der Qualitätsanforderungen, welche ebenfalls diese genannten Tätigkeiten umfassen müssen.
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Die Antragstellerin beantragt
1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die zu den Losen 1, 2 und 3 eingegangenen Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer und unter Ausschluss der Angebote der T…GmbH, A…, sowie der B… GmbH, Bremen, neu zu bewerten.
2. Dem Antragsgegner wird untersagt, vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens den Zuschlag in Los 1 an die T… GmbH, A…, sowie in den Losen 2 und 3 an die B… GmbH, Bremen, zu erteilen.
3. Hilfsweise andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechte der Antragstellerin zu wahren.
4. Der Antragstellerin wird Einsicht in die Vergabeakten gewährt.
5. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufgewandten notwendigen Kosten der Antragstellerin.
6. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragstellerin notwendig war.
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Die Antragsgegnerinbeantragt
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die beantragte Akteneinsicht in die Vergabeakten der Antragsgegnerin wird versagt.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
4. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin wird für notwendig erklärt.
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Die Antragsgegnerin führt aus, dass eine Zertifizierung des Auftragnehmers durch den Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse e.V.) oder die Trägerschaft des bvse-Qualitätssiegels für Textilrecycling sei nicht als Eignungsnachweis oder Leistungsanforderung festgelegt sei. Vielmehr orientierten sich die Verwertungsanforderungen inhaltlich an den Vorgaben des bvse e.V.
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Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, soweit die Antragstellerin hiermit Vergabeverstöße „ins Blaue hinein“ geltend mache. Dies gelte insbesondere für die pauschale Behauptung, dass die Beigeladene die Anforderungen der Qualitätssicherung in der Leistungsbeschreibung nicht einhalten könne. Den pauschalen Einwand, dass Zweifel an der Zertifizierung der Beigeladenen als Entsorgungsfachbetrieb bestünden, habe die Antragstellerin zwischenzeitlich substantiiert. Gleichwohl bleibe der Nachprüfungsantrag in diesem Punkt unzulässig, da die Antragstellerin ihre Anhaltspunkte, namentlich die aus dem Internet gewonnenen Rechercheergebnisse, nicht bereits in ihrer Rüge dargelegt habe. Damit sei das Rügeerfordernis nicht gewahrt. Unzulässig sei der Nachprüfungsantrag auch insoweit, wie ausgeführt wird, dass von der Beigeladenen Unterlagen nachgefordert wurden, denn die Antragstellerin zeige einen darin liegenden Rechtsverstoß und eine Verletzung in ihren Rechten nicht auf.
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Der Nachprüfungsantrag sei jedoch auch unbegründet. Es lägen keine Anhaltspunkte für ein Unterkostenangebot der Beigeladenen im Sinne des § 60 Abs. 1 VgV vor. Die Aufgreifschwelle von 20% sei nicht erreicht. Wie die Antragsgegnerin bereits im Nichtabhilfeschreiben erläutert habe, habe die Beigeladene den Nachweis geführt, dass ihr eine anforderungskonforme, genehmigte Anlieferstelle zur Verfügung steht. Dem setze die Antragstellerin nichts entgegen. Der Antragsgegnerin lägen keine Erkenntnisse dazu vor, dass die von der Beigeladenen angebotene Anlieferstelle nicht den Anforderungen der Vergabeunterlagen entspricht. Die Antragsgegnerin verfüge auch über keine Anhaltspunkte, dass die Beigeladene als Fachunternehmen nicht in der Lage wäre, die Qualitätsanforderungen entsprechend bvse nicht einzuhalten.
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Mit Beschluss vom 11.07.2022 wurde die für den Zuschlag vorgesehene Bieterin zum Verfahren beigeladen.
18
Die Beigeladene beantragt
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 17.06.2022 zurückzuweisen;
2. der Antragstellerin die beantragte Einsicht in die Vergabeakten zu versagen;
3. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen der Beigeladenen aufzuerlegen;
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Beigeladenen zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war.
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Die Beigeladene führt aus, dass sie sich die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung zum Sachverhalt, zur Unzulässigkeit hinsichtlich der Rügen der fehlenden Zertifizierung der Beigeladenen als Entsorgungsfachbetrieb und der Nichteinhaltung der Anforderungen der Qualitätssicherung sowie zur Unbegründetheit des Nachprüfungsantrags zu eigen mache.
20
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig, da die Antragstellerin ihre Rügeobliegenheit aus § 160 Abs. 3 GWB für sämtliche Beanstandungen nicht erfüllt habe. Bereits bei der Prüfung der Frage, ob ein Vergabeverstoß zu rügen ist, müsse ein Antragsteller die ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausschöpfen. Zudem müsse er, um dem Auftraggeber eine Überprüfung zu ermöglichen, in der Rüge angeben, woher seine Erkenntnisse stammen. Die Antragstellerin habe lediglich pauschal behauptet, die Eignungskriterien würden nicht erfüllt, hierfür jedoch keine brauchbaren Anknüpfungstatsachen geliefert oder mitgeteilt, welche Erkenntnisquellen sie ausgeschöpft habe. Der Hinweis auf das fehlende Qualitätssiegel des bvse e.V. sei kein taugliches Verdachtsmoment, da eine Zertifizierung des Auftragnehmers durch den bvse e.V. und die Trägerschaft eines entsprechenden Qualitätssiegels nicht als Eignungsnachweis vorgesehen sei. Die Inhaberschaft des bvse-Siegels sei auch nicht als Leistungsanforderung festgelegt. Gleichfalls unsubstantiiert und damit unbeachtlich sei die Rüge hinsichtlich der Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb, hinsichtlich des Vorliegens eines Unterkostenangebots bzw. eines Verstoßes gegen die Aufklärungspflicht aus § 60 VgV sowie in Bezug auf die Vermutung, dass die Beigeladene nicht in der Lage sein werde, die Leistungen im Einklang mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu erbringen, da sie nicht über eine anforderungsgemäße Übergabestelle verfüge. Soweit sich die Antragstellerin auf ihre „Kenntnisse“ berufe, reiche dies nicht aus, um die Anforderungen der vergaberechtlichen Rechtsprechung an eine hinreichende Substantiierung der Rüge zu erfüllen. Besonders anschaulich für das Vorliegen einer unsubstantiierten Rüge „ins Blaue hinein“ sei die Tatsache, dass die Antragstellerin wahllos die Vorgabe einer Überdachung mit lichter Höhe von mindestens 10 Metern als Beispiel anführe und mit der Aussage verquicke, dass diese nicht erfüllt werde. Genauso gut hätte die Antragstellerin insoweit die Nichterfüllung jeder anderen Vorgabe wie die Unterschreitung der Anlieferzeiten oder das Nichtvorhanden einer Waage anbringen können. Da die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag im Kern lediglich ihr unzureichendes Rügevorbringen wiederhole, sei ihr Vorbringen auch im Hinblick auf die Geltendmachung einer Rechtsverletzung durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften als Voraussetzung der Antragsbefugnis gemäß § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB unbeachtlich.
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Soweit die Antragstellerin vortrage, dass eine zwischenzeitlich erfolgte Internetrecherche im einsehbaren Fachbetriebsregister bzw. der Homepage der Beigeladenen kein passendes Zertifikat zu Tage gefördert habe, belege die Antragstellerin damit eindrücklich, dass sie vor Erhebung ihrer entsprechenden Rüge gerade nicht die ihr zumutbar zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft, sondern die Rüge ins Blaue hinein erhoben habe. Eine nachträgliche Heilung der bei ihrer Erhebung fehlenden Substantiierung der Rüge sei nicht möglich.
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Der Nachprüfungsantrag sei jedoch auch unbegründet. Mit den Ausführungen der Antragsgegnerin sei weder die für eine Preisaufklärung übliche Aufgreifschwelle von 20% noch die von der Antragstellerin angeführte Schwelle von 10% erreicht. Die Beigeladene habe unter Einbeziehung der auf Nachforderungen der Antragsgegnerin nachgelieferten Unterlagen ein vollständiges und zuschlagsfähiges Angebot abgegeben. Insbesondere habe sie den Nachweis geführt, dass ihr eine den ausschreibungsgegenständlichen – auch den technischen und baulichen – Anforderungen entsprechende, genehmigte Anlieferstelle zur Verfügung steht. Sie verfüge auch über das im Rahmen der Ausschreibung geforderte einschlägige EfbV-Zertifikat. Gemäß § 56 Abs. 2 Nr. 1 KrWG gebe es jedoch die einer Zertifizierung zugänglichen abfallwirtschaftlichen Tätigkeiten des „Aufbereitens“, der „Sortierung“, des „Transports“ und der „Entsorgung“ nicht. Daher sei bei verständiger Würdigung davon auszugehen, dass insoweit das Sammeln, Befördern, Behandeln und ggf. Verwerten und Beseitigen gemeint seien und die Antragsgegnerin im Sinne von Ziffer 3.1 der Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Zertifizierung für die Tätigkeiten Sammeln, Lagern und Behandeln und im Sinne von Ziffer 3. der Leistungsbeschreibung ergänzend für die Tätigkeiten Befördern, Verwerten und Beseitigen verlangt habe. Die Zertifikate hat die Beigeladene im Rahmen ihres Angebots vorgelegt.
23
Die Beigeladene habe sich mit Angebotsabgabe dazu verpflichtet, die streitgegenständlichen Leistungen ordnungsgemäß zu erbringen. Auf dieses Leistungsversprechen dürfe sich die Antragsgegnerin grundsätzlich verlassen. Tatsachen, welche die Einhaltung des Leistungsversprechens in Zweifel ziehen könnten, seien nicht vorgetragen. Insbesondere orientierten sich die ausschreibungsgegenständlichen Verwertungsanforderungen lediglich inhaltlich an den Anforderungen des bvse e.V., sodass die Frage einer Zertifizierung durch den bvse e.V. bzw. einer Trägerschaft des bvse-Qualitätssiegels für Textilrecycling keine Rolle spiele.
24
Nach Einsichtnahme in die Vergabeakte und mit Blick auf die Benennung der erst- und zweitplatzierten Angebote im Tandem und als Einheit im Vergleich zu den Angeboten auf den Plätzen 3 und 4 auf Seite 13 des Vergabevermerks vom 20.06.2022 sei davon auszugehen, dass der Preisabstand zwischen den beiden erstplatzierten Angeboten unter der Aufgreifschwelle liegt. Eine Preisaufklärung sei damit vorliegend nicht erforderlich gewesen, selbst wenn die preislich zum Angebot der Beigeladenen nachrangigen Angebote einen die Aufgreifschwelle auslösenden Abstand aufgewiesen haben sollten. Ungeachtet dessen hätte die Antragstellerin selbst bei unterstellter Aufklärung aufgrund Erreichens der Aufgreifschwelle keinen Anspruch auf Ausschluss des Angebots der Beigeladenen. Überdies habe die Beigeladene ihr Angebot auskömmlich kalkuliert und könne dies auch nachweisen.
25
Rein vorsorglich weise die Beigeladene abschließend darauf hin, dass die Antragstellerin aus dem Umstand, dass die preislich vor der Beigeladenen liegende Bietergemeinschaft bei Los 1 ausweislich Seite 13 des Vergabevermerks vom 20.06.2022 aus logistischen Gründen nicht für den Zuschlag berücksichtigt wurde, keine Rechtsverletzung geltend machen könne.
26
Am 25.10.2022 fand in den Räumen der Regierung von Oberbayern die mündliche Verhandlung statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag.
27
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2022 sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
28
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
29
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
30
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4 GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
31
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
32
1. Der Nachprüfungsantrag ist überwiegend zulässig.
33
1.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
34
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den angekündigten Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen geltend gemacht. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die Beigeladene über keinen ausschreibungskonformen Übergabeort für eine Anlieferung mit Abkippen nach 5.1 der Leistungsbeschreibung verfüge und nicht über die geforderten Container für den gem. 5.2 der Leistungsbeschreibung alternativ möglichen Containertausch im Umlaufverfahren verfüge. Weiterhin bezweifelt die Antragstellerin, dass die Beigeladene die Eignungsanforderungen zur Qualitätssicherung erfülle und geht davon aus, dass die Beigeladene ein ungewöhnlich niedriges Angebot abgegeben habe.
35
1.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht überwiegend auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1GWB entgegen.
36
Soweit die Antragsgegnerin und insbesondere die Beigeladene den Nachprüfungsantrag für teilweise bzw. vollständig unzulässig halten, weil die Antragstellerin ihrer Rügeobligenheit nicht nachgekommen sei, da sie ihre Rügen nicht ausreichend substantiiert habe, ist ihnen überwiegend nicht folgen.
37
An die Substantiierung von Rügen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen (OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2002 – WVerg 4/02; OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 – Verg 8/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 – Verg 58/10). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 – Verg 58/10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.07.2010 – 11 Verg 5/10; OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2002 – WVerg 4/02). Der Antragsteller muss aber – wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht – zumindest Anknüpfungstatsachen oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (OLG Düsseldorf vom 16.08.2019 – Verg 56/18; OLG München, Beschluss vom 11.06.2007 – Verg 6/07). Ein Mindestmaß an Substantiierung ist einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (OLG Brandenburg, Beschluss vom 29.05.2012 – Verg W 5/12; Beschluss vom 20.11.2012 – Verg W 10/12; OLG München, Beschluss vom 02.08.2007 – Verg 7/07).
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Inwieweit eine Rüge zu substantiieren ist, hängt einerseits von den Erkenntnismöglichkeiten des Bieters ab und andererseits davon, ob die Rüge den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzt, sein Handeln zu überprüfen und einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren. Je weniger Einblick der Bieter in die entsprechenden Vorgänge hat, desto eher darf er Vermutungen über mögliche Vergabeverstöße aufstellen, denen der Auftraggeber anhand seiner deutlich weiteren Erkenntnismöglichkeiten dann regelmäßig auch unschwer nachgehen kann.
39
Es wäre keinesfalls mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie in der Fassung der RL 2007/66/EG zu vereinbaren, wenn Bieter durch überzogene Anforderungen an die Substantiierung von Rügen weitgehend an der Stellung von Nachprüfungsanträgen in Bezug auf mögliche Rechtsverstöße gehindert wären, die sich überwiegend oder ganz ihrer Erkenntnismöglichkeit entziehen, weil sie sich in der Sphäre des Auftraggebers oder konkurrierender Bieter abspielen. In der Rüge solcher Vergabeverstöße liegt regelmäßig kein Missbrauch des Nachprüfungsrechts (a.A. offenbar OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
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Vor diesem Hintergrund war die Rüge der Antragstellerin, dass die Beigeladene nicht über einen ausschreibungskonformen Übergabeort für eine Anlieferung mit Abkippen nach 5.1 der Leistungsbeschreibung verfüge, ausreichend substantiiert. Die Antragstellerin hat in der Rüge auf die durchaus anspruchsvollen Voraussetzungen in der Leistungsbeschreibung wie die geforderte komplette Überdachung mit lichter Höhe von mindestens 10 Metern zum Abkippen hingewiesen. Damit hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin einen konkreten Anhaltspunkt für eine Prüfung des Angebots der Beigeladenen geliefert. Da der Übergabeort im Angebot anzugeben war, war die Prüfung, ob dieser den Anforderungen entspricht, für die Antragsgegnerin unschwer möglich. Einer Internetrecherche der Antragstellerin zu möglichen vermuteten Übergabeorten bedurfte es nicht; solche Vermutungen hätten der Antragsgegnerin die Prüfung der Rüge auch nicht vereinfacht.
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Auch die Ausführungen zum Containertausch im Umlaufverfahren wären ausreichend substantiiert gewesen, allerdings ging diese Rüge ins Leere, da die Beigeladene nicht mit dieser Alternative angeboten hat.
42
Zweifel bzgl. einer ausreichenden Substantiierung bestehen allenfalls hinsichtlich der Rüge, dass die Beigeladene nicht die gestellten Eignungskriterien erfülle. Hier hat die Antragstellerin als einzige Anknüpfungstatsache in Bezug auf die hiesige Beigeladene mitgeteilt, dass diese nicht Trägerin des bvse-Qualitätssiegels für Textilrecycling sei. Dieses Siegel ist aber unstreitig nicht als Mindestvoraussetzung an die Eignung gefordert, so dass diese Information für die Antragsgegnerin bei einer Überprüfung ihrer durchgeführten Eignungsprüfung nicht von Belang ist. Allerdings kann die Antragstellerin auch durch eine nicht ausreichend substantiierte Rüge nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB im Hinblick auf Fragen zur Eignung der Beigeladenen präkludiert sein, die sich völlig ihrer Erkenntnismöglichkeit entziehen, wie vorliegend, ob das Angebot der Beigeladenen die für sie erforderliche Eignungsleihe von der R… Textilhandels- und -recycling GmbH enthält und ob sie diese als Nachunternehmerin benannt hat.
43
Auch die Rüge der Antragstellerin zu dem von ihr vermuteten ungewöhnlich niedrigen Angebot der Beigeladene – hier in Gestalt einer vermuteten ungewöhnlich hohen Vergütung – ist nicht mangels Substantiierung unbeachtlich. Die Angebotssumme der Beigeladenen entzog sich hier – zumindest bei korrektem Vorgehen der Vergabestelle, an dem hier nicht zu zweifeln ist – jeglicher Erkenntnismöglichkeit der Antragstellerin. Die Angebotspreise werden in Verfahren nach der VgV – anders als in Bauvergaben nach der VOB/A EU – den konkurrierenden Bietern nicht bekanntgegeben und die Antragstellerin hatte auch keine sonstigen Erkenntnismöglichkeiten, wie sie sich manchmal z.B. aus der Bekanntgabe erreichter Wertungspunkte o.ä. ergeben können. Würde man hier eine weitere Substantiierung der Rüge fordern, würde man Bietern den gebotenen Rechtsschutz (BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16, vgl. auch EuGH, Urteil vom 29.03.2012 – Rs. C-599/10) in Bezug auf Entscheidungen des Auftraggebers zur Preisprüfung konkurrierender Angebote faktisch unmöglich bzw. von Indiskretionen auf Auftraggeberseite abhängig machen. Dies kann offensichtlich nicht richtig sein.
44
2. Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unbegründet.
45
Die Beigeladene hat gegenüber der Vergabestelle einen geeigneten Übergabeort benannt, sie erfüllt – unter Inanspruchnahme der Eignungsleihe durch die R… Textilhandels- und -recycling GmbH – die Eignungsanforderungen und ihr Angebot stellt sich im Ergebnis nicht als ungewöhnlich niedrig dar, so dass es keiner Preisprüfung durch die Antragsgegnerin nach § 60 VgV bedurfte.
46
2.1 Die Beigeladene hat in ihrem Angebot einen – soweit aus den Vergabeunterlagen ersichtlich – ausschreibungskonformen Übergabeort für eine Anlieferung mit Abkippen nach 5.1 der Leistungsbeschreibung benannt und die geforderten Angaben dazu im Angebot gemacht, insbesondere Angaben zur Fläche und Höhe des überdachten Anlieferbereichs. Soweit aus den Vergabeunterlagen ersichtlich, hatte die Antragsgegnerin keinen Anlass, an der Konformität des – ihr offenbar bekannten – Übergabeorts mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung zu zweifeln und konnte sich somit auf das Leistungsversprechen der Beigeladenen verlassen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
47
2.2 Die Beigeladene erfüllt im Ergebnis auch die Mindestanforderungen an die Eignung, da ihr Angebot nach Auslegung und den Erklärungen im Nachprüfungsverfahren so verstanden werden kann, dass sie die R… Textilhandels- und -recycling GmbH als Eignungsverleiherin und Nachunternehmerin benannt hat. Mit dieser Eignungsleihe kann die Beigeladene die gestellten Anforderungen an die Eignung erfüllen.
48
Durch den in Ziffer III.1.3 enthaltenen Direktlink auf das Formblatt „Fragebogen zur Eignungsprüfung“ hat die Antragsgegnerin dort enthaltene Mindestanforderungen an die Eignung nach § 122 Abs. 2 Satz 2 GWB wirksam bekannt gemacht.
49
Nach Abschnitt A 1.1.2.2.13 des „Fragebogens zur Eignungsprüfung“ (als Ausschlusskriterium gekennzeichnet) haben die Bieter ein aktuelles Überwachungszertifikat als Entsorgungsfachbetrieb – mit Anlagen – gemäß § 56 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) für das Sammeln, Lagern und Aufbereiten von Alttextilien gem. Abfallverzeichnisordnung (AVV/Abfallschlüssel 200110 und 200111) oder einen gleichwertigen Nachweis über ein Qualitätsmanagementsystem, dass der Bieter die Anforderungen der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung vom 10.09.1996 (EfbV) erfüllt (mit festgelegten Erfordernissen), mit dem Angebot vorzulegen.
50
Die von der Antragsgegnerin verwendete Formulierung des Eignungskriteriums ist unglücklich und auslegungsbedürftig, da sie nicht kongruent mit der sprachlichen Systematik ist, die einem EfbV-Zertifikat zugrunde liegt. Dort ist keine Zertifizierung für die Tätigkeit „Aufbereiten“ vorgesehen, sondern u.a. für die Tätigkeiten „Behandeln“ und „Verwerten“. In der mündlichen Verhandlung haben alle Beteiligten aber übereinstimmend erklärt, dass die auftragsgegenständliche Sortierung der Alttextilien unter die Tätigkeit „Behandeln“ falle (so auch Schriftsatz der Beigeladenen vom 20.10.2022). Die Vergabekammer kann daher davon ausgehen, dass für die hier anbietenden fachkundigen Entsorgungsunternehmen hinreichend klar war, dass EfbV-Zertifikate vorzulegen waren, die die Tätigkeiten Sammeln, Lagern, Behandeln und Verwerten umfassen.
51
Die Beigeladene selbst ist nicht für das Lagern, Behandeln und Verwerten zertifiziert, so dass sie der Eignungsleihe bedurfte.
52
Das Angebot der Beigeladenen ist allerdings im Hinblick auf eine Inanspruchnahme einer Eignungsleihe in sich widersprüchlich, da die Beigeladene an der dafür vorgesehenen Stelle in Pos. I 1.1.1.6 des „Fragebogens zur Eignungsprüfung“ ausdrücklich angegeben hatte, keine Eignungsleihe in Anspruch zu nehmen, mit ihrem Angebot aber auch das EfbV-Zertifikat der R… Textilhandels- und -recycling GmbH vorlegte, dass auch die zertifizierten Tätigkeiten „Behandeln“ und „Verwerten“ umfasst. Die Beigeladene hat in ihrem Angebot auch dargestellt, dass sie als Teil der T…-Gruppe einen Andienungsvertrag mit der Schwestergesellschaft R… Textilhandels- und -recycling GmbH zur Verwertung von Alttextilien habe. Die R… Textilhandels- und -recycling GmbH ist als Entsorgungsfachbetrieb für das Lagern, Behandeln und Verwerten von Bekleidung (AVV 200110) und Textilien (AVV 200111) zertifiziert. Im Anschreiben wird darauf hingewiesen, dass die Beigeladene für die Erfassung und die Verwertung von Alttextilien zertifiziert sei und im Gegensatz zu vielen Mitbewerbern in der Gruppe eine Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb nicht nur für die Sammlung, Beförderung und das Handeln, sondern auch für die essentiellen Tätigkeiten Lagern, Behandeln, Verwerten hat.
53
In sich widersprüchliche Angebote dürfen ohne vorherige Aufklärung des Angebotsinhalts weder bezuschlagt noch ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber hat in einer solchen Situation den betreffenden Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 35/15). Dabei darf das Angebot allerdings nur soweit aufgeklärt werden, dass klar wird, welche der beiden Verständnismöglichkeiten des in sich widersprüchlichen Angebots vom Bieter gemeint war. Eine Aufklärung über die Eignung – wie im vorliegenden Fall – ist in § 15 Abs. 5 VgV auch ausdrücklich vorgesehen.
54
Die Antragsgegnerin hat eine solche Angebotsaufklärung vor der Entscheidung über den Zuschlag nicht durchgeführt und die Problematik stillschweigend ignoriert. Gleichwohl ist von der Vergabekammer im vorliegenden Fall keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung einer solchen Angebotsaufklärung vor Zuschlagserteilung auszusprechen, da sich aus den Erklärungen der Beigeladenen im Nachprüfungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung und im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.10.2022 hinreichend klar ergibt, dass ihr Angebot eine Eignungsleihe von der R… Textilhandels- und -recycling GmbH enthält.
55
Ein solches Verständnis des Angebots der Beigeladenen stellt auch keine unzulässige nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts dar, weil dieses Verständnis als eine Auslegungsmöglichkeit des in Bezug auf die Eignungsleihe in sich widersprüchlichen Angebots bereits im Angebot angelegt war. Die Beigeladene hatte mit ihrem Angebot nicht nur die Zertifizierung der R… Textilhandels- und -recycling GmbH vorgelegt, sondern darüber hinaus die T…-Gruppe einschließlich der R… Textilhandels- und -recycling GmbH im Anschreiben zu ihrem Angebot vorgestellt und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die T…-Gruppe eine Zertifizierung zum Entsorgungsfachbetrieb nicht nur für die Sammlung, die Beförderung und das Handeln, sondern auch für die Tätigkeiten Lagern, Behandeln und Verwerten habe. Gleichermaßen hat die Beigeladene in ihrem Angebot deutlich gemacht, dass die R… Textilhandels- und -recycling GmbH durch die Übernahme der Sortierungsleistungen in erheblichem Umfang in die Auftragsausführung eingebunden werden soll. Damit war trotz der Erklärung an der dafür vorgesehenen Stelle in Pos. I 1.1.1.6 des „Fragebogens zur Eignungsprüfung“ keine Eignungsleihe in Anspruch nehmen zu wollen, ein Verständnis des Angebots möglich, dass die Beigeladene in Bezug auf die EfbV-Zertifizierung eine Eignungsleihe durch ihr Schwesterunternehmen R… Textilhandels- und -recycling GmbH in Anspruch nehmen wollte. Es liegt zudem durchaus nahe, dass die Antragstellerin ihr Schwesterunternehmen deshalb nicht ausdrücklich als Eignungsverleiherin benannt hat, weil sie der – nach Erfahrung der Vergabekammer durchaus verbreiteten – Fehlvorstellung unterlag, Unternehmen aus demselben Konzern nicht explizit als Eignungsverleiher benennen zu müssen.
56
Es bedarf im Übrigen keiner Entscheidung, ob die Inanspruchnahme der Eignungsleihe in Bezug auf die EfbV-Zertifizierung für die Tätigkeit „Behandeln“ vorliegend nur unter den Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 Nr. 3 VgV möglich wäre, weil das Angebot der Beigeladenen unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Nachprüfungsverfahren so zu verstehen war, dass die R… Textilhandels- und -recycling GmbH die entsprechenden Sortierungsleistungen als Nachunternehmerin der Beigeladenen erbringen werde. Damit wäre den Anforderungen des § 47 Abs. 1 Nr. 3 VgV, sofern er einschlägig wäre, was aufgrund der Formulierung in Art. 63 Abs. 1 Satz 2 der RL 2014/24/EU, der von Bescheinigungen über die berufliche Befähigung gemäß Anhang XII Teil II Buchstabe f spricht, denkbar erscheint, jedenfalls Genüge getan.
57
Das Angebot der Beigeladenen war ursprünglich auch insoweit in sich widersprüchlich, weil im dafür vorgesehenen Formblatt Anlage IV/6 EU als Teile des Auftrags, die im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte vergeben werden sollten, lediglich die Bereiche „Transport“ und „Umschlagplatz“, nicht aber die Sortierung genannt war. Dem Angebot lag aber ein Dokument „Ausschreibung Alttextilien Verfahrensbeschreibung“ bei, in dem die Beigeladene bei der Darstellung des Ver- und Entsorgungswegs die Sortierung durch die R… Textilhandels- und -recycling GmbH ausführlich beschreibt, auf den Andienungsvertrag mit der R… Textilhandels- und -recycling GmbH hinweist und auf deren Zertifizierungen. Den Andienungsvertrag legte die Beigeladene ebenfalls mit dem Angebot vor. Daher war auch die Einbindung der R… Textilhandels- und -recycling GmbH als Unterauftragnehmerin für den Leistungsteil der Sortierung im Angebot bereits soweit angelegt, dass sie einer Aufklärung des Angebots nach § 15 Abs. 5 VgV zugänglich gewesen wäre. Diese wurde zwar von der Antragsgegnerin unterlassen; der Angebotsinhalt ist – wie bei der Frage der Eignungsleihe – inzwischen aber aufgrund der Ergebnisse des Nachprüfungsverfahrens ausreichend klar, so dass auch insoweit eine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Angebotsaufklärung eine reine Förmelei darstellen würde.
58
2.3 Die Antragsgegnerin war auch nicht verpflichtet, aufgrund eines ungewöhnlich niedrigen Angebots der Beigeladenen, hier in Gestalt einer ungewöhnlich hoch erscheinenden Vergütung für die Antragsgegnerin, in eine Preisprüfung nach § 60 VgV einzutreten.
59
Die Antragsgegnerin war nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen der hohen Vergütung als ungewöhnlich niedrig einzustufen, da die von der Rechtsprechung entwickelten Aufgreifschwellen (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017 – X ZB 10/16; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. April 2012 – Verg 61/11) aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht erreicht werden.
60
Im streitgegenständlichen Los 1 sind insgesamt vier Angebote eingereicht worden, wovon jeweils zwei – das der Beigeladenen und das einer Bietergemeinschaft, von der in der Mitteilung nach § 134 GWB fälschlicherweise nur das Mitglied B… GmbH benannt war, sowie das der Antragstellerin und eines weiteren Bieters jeweils relativ nahe beisammen liegen. Der Abstand zwischen den beiden Gruppen von Angeboten liegt über 20%; der preisliche Abstand des günstigsten Angebots zum Angebot der Beigeladenen beträgt weniger als 20%. Das günstigste Angebot in Los 1 mit der höchsten Vergütung für die Antragsgegnerin hat nicht die Beigeladene, sondern die Bietergemeinschaft abgegeben. Die Antragsgegnerin hat dieser für Los 1 allerdings den Zuschlag nicht erteilt, weil die Bietergemeinschaft für alle Lose in der Alternative Containertausch im Umlaufverfahren nach 5.2 der Leistungsbeschreibung angeboten hat und die Antragsgegnerin feststellen musste, dass das Tauschverfahren bei geschlossenen Abrollcontainern, wie sie auf den Wertstoffhöfen für die Altkleidersammlung verwendet werden, nicht möglich ist. Eine entsprechende Anforderung in der Leistungsbeschreibung hat die Vergabestelle allerdings nie aufgestellt, so dass das Angebot der Bietergemeinschaft – die gegen ihre Nichtberücksichtigung in Los 1 nicht vorgegangen ist – ausschreibungskonform und damit bei der Beurteilung der Preisabstände im Rahmen der Prüfung, ob ein ungewöhnlich niedriges Angebot vorliegt, zu berücksichtigen ist (OLG München Beschluss vom 02.06.2006 – Verg 12/06). Damit musste die Antragsgegnerin das Angebot der – eigentlich zweitplatzierten – Beigeladenen nicht als ungewöhnlich niedrig einstufen, auch wenn dieses eine wesentlich höhere Vergütung an die Antragsgegnerin enthielt als das Angebot der Antragstellerin.
61
Die Antragstellerin ist daher durch die unterbliebene Preisprüfung nach § 60 VgV nicht in ihren Rechten verletzt.
62
3. Kosten des Verfahrens
63
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegenddie Antragstellerin.
64
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
65
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von…,00 EUR festgesetzt.
66
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet.
67
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als nicht notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war nicht erforderlich, dadie Antragsgegnerin über mehrere Vergabestellen mit etlichen im Vergaberecht erfahrenen Juristen verfügt und damit in der Lage hätte sein müssen, die streitgegenständlichen Fragen in diesem Nachprüfungsverfahren, die nicht über die Prüfung und Wertung von Angeboten hinausgingen, selbst zu beurteilen und zu vertreten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.03.2020 – Verg 38/18; OLG Celle, Beschluss vom 05.11.2020 – 13 Verg 7/20). Dass die konkret im Vergabeverfahren eingesetzten Mitarbeiter Probleme hatten, ein vergaberechtskonformes Verfahren durchzuführen und die Angebote ausreichend aufzuklären, ändert daran nichts. Es kann kostenmäßig nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen, wenn die Antragsgegnerin sich so organisiert, dass das bei ihr in erheblichem Maße vorhandene juristische Personal mit vergaberechtlichen Kenntnissen in einem konkreten Verfahren nicht einbezogen wird (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29.01.2021 – 7 Verg 4/20).
68
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Vor diesem Hintergrund hat die bisherige Rechtsprechung der Vergabesenate die Beigeladene kostenrechtlich nur dann wie eine Antragstellerin oder eine Antragsgegnerin behandelt, wenn sie die durch die Beiladung begründete Stellung im Verfahren auch nutzt, indem sie sich an dem Verfahren beteiligt (BGH, Beschluss vom 26.09.2006, Az.: X ZB 14/06). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-)Ziel eine Beigeladene in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen der Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10).
69
Die Beigeladenehat sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert und ein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03).
70
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters durch die Beigeladene wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Denn eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von der Beigeladenen nicht erwartet werden. Zur Durchsetzung ihrer Rechte ist die Beigeladene hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Anders als die Antragsgegnerin ist die Beigeladene als Bieterunternehmen nicht für die Einhaltung des Vergaberechts verantwortlich und nicht gehalten, hierfür fachkundiges Personal vorzuhalten. Im Falle eines Nachprüfungsverfahren ist für Bieter eine anwaltliche Vertretung im Regelfall erforderlich.