Titel:
Anforderungen an Abstinenz- und Kontrollweisung im Rahmen der Führungsaufsicht
Normenketten:
StPO § 306, § 309, § 311, § 453 Abs. 2 S. 1, § 462a, § 463 Abs. 2, § 473 Abs. 4
StGB § 67d Abs. 5 S. 2, § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10, S. 2, Abs. 3, § 145a
Leitsätze:
1. Eine Abstinenzweisung neben einer damit verbundene Kontrollweisung ist im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB wegen Unzumutbarkeit rechtswidrig, wenn von vornherein feststeht, dass der Proband die Abstinenzweisung krankheitsbedingt nicht einhalten kann. Dies ist nicht der Fall, wenn es dem Verurteilten bei entsprechender Willensanstrengung möglich ist, gänzlich betäubungsmittelabstinent zu leben. (Rn. 8)
2. Für die Rechtmäßigkeit einer Kontrollweisung im Rahmen der Führungsaufsicht nach § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB ist es neben Art der Kontrollen und ihrer zulässigen Mindest- und Höchstzahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums erforderlich, aber auch ausreichend, die die Kontrolle durchführende Stelle in allgemeiner Form zu umschreiben (Anschluss an und Fortführung von BayObLG, Urt. v. 30.09.2022 – 201 StRR 58/22 bei juris = BeckRS 2022, 28619). (Rn. 12 – 18)
1. Eine Weisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB ist auch dann zulässig, wenn der Substanzmittelmissbrauch nur ein mittelbarer Beitrag zur erneuten Straffälligkeit sein kann. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Abstinenz- und Kontrollweisung nach § 68b Abs. 1 S. 1 Nr. 10 StGB ist nicht schon deshalb unzumutbar, weil mangelnde Willensstärke oder auch charakterliche Labilität einen Weisungsverstoß befürchten lassen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Einem Verurteilten darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nach § 68b Abs. 3 StGB ein Betäubungsmittelkonsum dann nicht vorenthalten werden, wenn dieser für seine Gesundheit therapeutisch notwendig sein sollte und deshalb von einem Arzt verordnet wurde. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die für die Durchführung der Abstinzenzkontrollen zuständigen Stellen sind im Führungsaufsichtsbeschluss zumindest in allgemeiner Form zu umschreiben, damit nicht jedwede private Person, einschließlich des Bewährungshelfers selbst, mit der Kontrolle beauftragt werden kann. (Rn. 15 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsmittel, Rechtsmittelbeschränkung Beschwerde, Beschwerdebeschränkung, Abhilfe, Abhilfeverfahren, Führungsaufsicht, Proband, Alkohol, Betäubungsmittel, Betäubungsmittelverordnung, Suchtmittel, THC, THC-Konsum, Krankheit, krankheitsbedingt, Abstinenz, alkoholabstinent, betäubungsmittelabstinent, Entzug, Entzugserscheinung, Weisung, Abstinenzweisung, Konsumverbot, Alkoholkonsumverbot, Kontrollweisung, Suchtmittelkontrollweisung, Mindestzahl, Höchstzahl, Frequenz, Alkoholmarker, Ethylglucuronid, Rechtmäßigkeit, rechtswidrig, Abhängigkeit, Zuständigkeit, Bestimmtheit, Stelle, Aufsichtsstelle, Bewährungsstelle, Suchtmittelberatungsstelle, Ermessen, Ermessensfehler, ermessensfehlerfrei, Einzelfall, Einzelfallbetrachtung, einzelfallbezogen, Grunderkrankung, Zumutbarkeit, Unzumutbarkeit, Verhältnismäßigkeit, Willensanstrengung, Kostentragung, Motivation, Vorgeschichte, Rückfall, Rückfallrisiko, Rückfallpotenzial, Strafbewehrung, Beschaffungskriminalität, Bestimmtheitsgrundsatz, Drogenscreening, Urinscreening, Haarentnahme, Landgerichtsarzt, Gesundheitsamt, Ambulanz, Institut, Rechtsmedizin, Krankenhaus, Labor, Kontrollstelle
Fundstelle:
BeckRS 2022, 49346
Tenor
I. Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts vom 21.09.2022 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der Beschluss in Ziff. 2.c
a) dahingehend ergänzt wird, als der Verurteilte angewiesen wird, keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG zu sich zu nehmen, soweit sie ihm nicht ärztlich verordnet wurden und
b) hinsichtlich der Anordnung und Ausgestaltung der Kontrollweisung aufgehoben wird.
II. Der Verurteilte hat die Kosten seines weitgehend erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
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Mit Beschluss vom 21.09.2022 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts festgestellt, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus dem Vollzug der Unterbringung gesetzliche Führungsaufsicht gemäß § 67d Abs. 5 Satz 2 StGB eintritt (Ziff. 1). Die Strafvollstreckungskammer hat die Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre festgesetzt und den Verurteilten für die Dauer der Führungsaufsicht der Aufsicht und Leitung der Bewährungshilfestelle unterstellt (Ziff. 2). Die Strafvollstreckungskammer hat dem Verurteilten eine Reihe von Weisungen erteilt (Ziff. 2a bis c strafbewehrt, Ziff. 3a bis c nicht strafbewehrt), wegen deren Einzelheiten sowie wegen der Begründung des Beschlusses insgesamt auf denselben Bezug genommen wird. Die Strafvollstreckungskammer hat die mündliche Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht dem Leiter der Justizvollzugsanstalt übertragen (Ziff. 4). Der Beschluss ist dem Verurteilten am 26.09.2022 zugestellt worden. Mit Verteidigerschriftsatz vom 29.09.2022, beim Landgericht eingegangen am 30.09.2022, hat der Verurteilte Beschwerde eingelegt und diese mit Verteidigerschriftsatz vom 21.10.2022 auf Ziff. 2c des vorgenannten Beschlusses beschränkt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Antragsschrift vom 31.10.2022 beantragt, die Beschwerde des Verurteilten als unbegründet kostenfällig zu verwerfen. Hierzu hatte der Verurteilte Gelegenheit zur Stellungnahme und äußerte sich mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 16.11.2022, auf den inhaltlich Bezug genommen wird.
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Der Verurteilte hat sein Rechtsmittel in zulässiger Weise auf die Erteilung einer einzelnen Weisung beschränkt, so dass nur diese nachzuprüfen ist. Die gegen die inhaltliche Ausgestaltung der Führungsaufsicht statthafte einfache, nicht fristgebundene Beschwerde gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 1 StPO ist zulässig. Das gemäß § 306 Abs. 2 StPO vorgeschriebene Abhilfeverfahren durch das Gericht, welches die angefochtene Entscheidung erlassen hat, hat stattgefunden.
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Soweit die Ausgestaltung der Führungsaufsicht angegriffen wird, kann sich das Rechtsmittel nur darauf stützen, dass die vom Gericht getroffenen Regelungen gesetzwidrig sind (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 Satz 2 StPO). Folglich hat das Beschwerdegericht insoweit auch nur die Gesetzmäßigkeit der angegriffenen Entscheidung zu überprüfen und darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des nach § 462a StPO berufenen Gerichts setzen (vgl. KK/Appl StPO 8. Aufl. § 453, Rn. 12 m.w.N.).
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1. Gesetzeswidrig sind Anordnungen nur dann, wenn sie im Gesetz nicht vorgesehen, unverhältnismäßig oder unzumutbar sind, oder sonst die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreiten (vgl. KK/Appl a.a.O. § 453 Rn. 13). Gleiches muss für den Fall gelten, dass eine Ausübung des Ermessens überhaupt nicht ersichtlich ist. Ansonsten verbleibt es bei dem Grundsatz, die mit den Anordnungen zur Führungsaufsicht verbundene Ermessensentscheidung der Strafvollstreckungskammer zu überlassen. Die Prüfung der Gesetzmäßigkeit umfasst neben der Prüfung, ob die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und ob Ermessensmissbrauch vorliegt, auch die Prüfung, ob der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten sind (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO 65. Aufl. § 453 Rn. 12).
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2. Nach diesen Prüfungsmaßstäben erweist sich die Beschwerde des Verurteilten nur insoweit teilweise und auch nur vorübergehend als begründet, als es die Strafvollstreckungskammer eine notwendige Einschränkung der Abstinenzweisung nicht vorgenommen und es unterlassen hat, die für die Durchführung der Kontrollweisung zuständigen Stellen zumindest in allgemeiner Form sachlich zu umschreiben. Im Einzelnen:
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a) Die Weisung, für die Dauer der Führungsaufsicht keine Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zu sich zu nehmen und sich – bei Unterschreiten näher bestimmter monatlicher Einkünfte auf Kosten der Staatskasse – zum Nachweis seiner Abstinenz mindestens sechsmal und höchstens 18-mal im Jahr nach näherer Weisung d. Bewährungshelfers/in Suchtmittelkontrollen zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden sind (Urinscreenings; Haarentnahmen), beruht auf § 68b Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 StGB und soll das aufgrund der Vorgeschichte des Verurteilten bestehende Rückfallrisiko durch Hilfestellung und Kontrolle reduzieren helfen und ein geordnetes Leben ermöglichen. Die Weisung ist damit einzelfallbezogen, sachgerecht und ermessensfehlerfrei begründet. Von einem Alkoholkonsumverbot hat die Strafvollstreckungskammer wegen der manifesten und im Maßregelvollzug wegen der fehlenden Mitwirkungsbereitschaft unbehandelten Suchtproblematik des Verurteilten hingegen abgesehen. Der Verurteilte ist in der Vergangenheit schon wegen eines Betäubungsmitteldelikts und wegen einer schweren Gewalttat unter Alkoholeinfluss in Erscheinung getreten. Ausweislich der Gründe des Urteils des Amtsgerichts vom 31.08.2018 hat der Verurteilte „zum Schluss“ vor seiner Tat auch „Gras“ geraucht, so dass sich die Abstinenzweisung zu Recht auf den Betäubungsmittelgebrauch erstreckt. Die Weisung hat die Strafvollstreckungskammer mit der im Maßregelvollzug unbehandelten Suchtproblematik des Verurteilten zutreffend und ausreichend begründet.
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Eine Weisung ist auch dann zulässig, wenn der Substanzmittelmissbrauch nur ein mittelbarer Beitrag zur erneuten Straffälligkeit sein kann. Die Weisung soll Tendenzen des Abgleitens in einen erheblichen Substanzmittelmissbrauch frühzeitig erkennen und verhindern helfen (OLG Köln, Beschluss vom 10.08.2007 – 2 Ws 392/07 = OLGSt StGB § 68b Nr. 2 = BeckRS 2007, 16800).
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aa) Anhaltspunkte dafür, dass die Weisung keine Betäubungsmittel i.S.d. BtMG zu konsumieren, anders als der Alkoholkonsum, dem Verurteilten unzumutbar ist, sind nicht ersichtlich, noch wurden solche vorgetragen. Zwar hat der Senat wiederholt entschieden, dass eine Abstinenzweisung und eine damit verbundene Kontrollweisung wegen Unzumutbarkeit rechtswidrig ist, wenn von vornherein feststeht, dass der Proband die Abstinenzweisung krankheitsbedingt nicht einhalten kann. Dies ist insbesondere anzunehmen, wenn eine Suchttherapie nicht vollständig erfolgreich abgeschlossen worden ist. Jedoch bedarf es in jedem Fall einer sorgfältigen Einzelfallbetrachtung, um nach Möglichkeit auszuschließen, dass sich Probanden allein mit der Berufung auf ihrer Grunderkrankung den für sie mit Belastung und Umständen verbundenen Weisungen entziehen können. Zur Zumutbarkeit von Abstinenz- und Kontrollweisungen bei (massiven) Abhängigkeitserkrankungen haben in jüngerer Vergangenheit verschiedene Oberlandesgerichte Stellung bezogen. Das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 19.07.2012 – 1 Ws 509/12 bei juris = NStZ-RR 2012, 324 = StV 2013, 168 = BeckRS 2012, 18292) steht auf dem Standpunkt, dass eine Abstinenzweisung unzumutbar sein kann, wenn der Verurteilte nicht in der Lage ist, drogenabstinent zu leben, wenn ihm die Fähigkeit zur Abstinenz fehlt, was z.B. dann nicht anzunehmen ist, wenn die Abstinenz in geschützter Umgebung möglich ist. Das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss vom 27.03.2012 – I Ws 90/12 bei juris = NStZ-RR 2012, 222 = BeckRS 2012, 7949) steht auf dem Standpunkt, dass auch bei langjährigen therapieresistenten Abhängigen keine generelle Unzumutbarkeit einer Abstinenzweisung besteht. Vielmehr seien gerade auf diese Gruppe von Straftätern Abstinenzweisungen anzuwenden, um sie angesichts der nicht therapierten Suchterkrankung von dem weiteren Missbrauch von Suchtmitteln abzuhalten. Jedenfalls bei fortbestehender charakterlicher Labilität, nicht jedoch bei einer akuten schweren Drogensucht mit körperlicher Abhängigkeit, sind – so das OLG Rostock (a.a.O.) – Abstinenz- und damit verbundene Kontrollweisungen nicht unverhältnismäßig. Das OLG Hamm (Beschluss vom 10.01.2013 – III-5 Ws 358/12 bei juris = NStZ-RR 2013, 158) steht auf dem Standpunkt, dass für den Fall, dass aufgrund fortbestehender körperlicher Suchtmittelabhängigkeit strafbewehrte Weisungsverstöße nach § 145a StGB als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden, von Abstinenzweisungen abgesehen werden sollte. Demgegenüber bestünden jedoch keine Bedenken gegen eine derartige Weisung, wenn lediglich mangelnde Willensstärke oder auch charakterliche Labilität einen Weisungsverstoß befürchten lassen. Dieser Rechtsprechung hat sich der Senat mit [unveröffentlichten] Beschlüssen vom 15.05.2013 (1 Ws 228/2013) und vom 12.02.2014 (1 Ws 27/2014) angeschlossen.
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Das Bundesverfassungsgericht (vgl. BVerfG [3. Kammer des 2. Senats], Beschluss vom 30.03.2016 – 2 BvR 496/12 bei juris = StraFo 2016, 293 = NJW 2016, 2170 = StV 2016, 661 = BeckRS 2016, 44562), hält auch bei langjährigen, trotz mehrfacher Versuche nicht erfolgreich therapierten Suchtmittelabhängigen eine Abstinenz- und Kontrollweisung nach genauer Einzelfallprüfung für zumutbar und geht nur bei schwerst abhängigen Personen, wenn keine erheblichen Straftaten drohen, von einer Unzumutbarkeit aus.
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In diesem Rahmen hält sich auch die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer. Zum Verzicht auf andere Suchtstoffe als Alkohol erscheint der Verurteilte durchaus in der Lage, was sich auch aus den Ausführungen der Verteidigung ergibt, wonach der Verurteilte zu einem Verzicht auf Drogenkonsum bereit sei. Nachdem der Verurteilte ausweislich der Gründe des Urteils des Amtsgerichts vom 31.08.2018 erst kurz vor seiner letzten Tat mit dem Betäubungsmittelkonsum begonnen hat, bestehen insoweit keine Anhaltspunkte für eine (noch dazu verfestigte) Abhängigkeit von Betäubungsmitteln. Während der mehrjährigen Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt und im Strafvollzug haben sich keine Hinweise auf den Konsum vom Betäubungsmitteln ergeben. Die Justizvollzugsanstalt spricht in ihrem Bericht vom 22.02.2022 lediglich von einem Alkoholrückfall. Von daher bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Verurteilten ein Betäubungsmittelverzicht nicht möglich und damit unzumutbar wäre, mit der Folge, dass sich die Abstinenz- und Kontrollweisung zu Recht auf den Betäubungsmittelgebrauch erstreckt. Der Beschluss der Strafvollstreckungskammer ist lediglich dahingehend zu präzisieren, dass der Verurteilte angewiesen wird, keine Betäubungsmittel im Sinne des BtMG zu konsumieren, soweit Sie ihm nicht ärztlich verordnet wurden. Dies folgt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit (§ 68b Abs. 3 StGB). Dem Verurteilten darf ein Betäubungsmittelkonsum dann nicht vorenthalten werden, wenn dieser für seine Gesundheit therapeutisch notwendig sein sollte und deshalb von einem Arzt verordnet wurde.
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Mit seiner Entscheidung greift der Senat nicht in das Ermessen der Strafvollstreckungskammer ein und korrigiert die genannte Weisung lediglich in dem Umfange, in dem sie sich als unzumutbar bzw. unverhältnismäßig erweist.
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b) Die mit der Abstinenzweisung verbundene Kontrollweisung kann in ihrer bisherigen Form allerdings nicht bestehen bleiben.
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aa) Mit der Weisung eines Konsumverbots sollte allerdings, wie geschehen, in der Regel eine Kontrollweisung verbunden werden (Fischer StGB 69. Aufl. § 68b Rn. 16 m.w.N.), da ein Verstoß gegen das Konsumverbot ansonsten nur durch Zufall aufgedeckt und einem Abgleiten des Verurteilten in die Kriminalität möglicherweise nicht zeitnah entgegengewirkt werden könnte. Eine Mindest- und zugleich Höchstfrequenz der Untersuchungen ist angegeben. Die Art der Maßnahmen ist eindeutig beschrieben. Die Weisung zu Abstinenzkontrollen ist dem Verurteilten insoweit auch zumutbar (§ 68b Abs. 3 StGB). Gegenteiliges ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Ansetzung einzelner Untersuchungstermine in diesem Rahmen durch den Bewährungshelfer begegnet keinen Bedenken (BayObLG, Beschluss vom 27.10.2021 – 202 StRR 124/21 bei juris = Blutalkohol 59 [2022], 49 = BeckRS 2021, 42822).
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bb) Allerdings hat es die Strafvollstreckungskammer unterlassen, die für die Durchführung der Kontrollen zuständigen Stellen zumindest in allgemeiner Form zu umschreiben.
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(1) In Rechtsprechung und Literatur wird seit jeher die Ansicht vertreten, dass neben der Art der Kontrollen und ihrer zulässigen Mindest- und Höchstzahl innerhalb eines bestimmten Zeitraums und damit ihrer Frequenz auch die durchführende Stelle in der Weisung angegeben werden muss (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.09.2019 – III-1 Ws 495/19 bei juris; KG, Beschluss vom 21.01.2014 – 2 Ws 605/13 bei juris = StV 2015, 508, OLG Koblenz Beschluss vom 23.03.2011 – 1 Ws 161/11 bei juris = NStZ-RR 2012, 61, OLG Rostock Beschluss vom 22.02.2011 – I Ws 39/11 bei juris = NStZ-RR 2011, 220; Schönke/Schröder/Kinzig StGB 30. Aufl. § 68b Rn. 14a; so nunmehr auch BayObLG, Urt. v. 30.09.2022 – 201 StRR 58/22 bei juris = BeckRS 2022, 28619). Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es der Bestimmtheitsgrundsatz, der § 68b StGB im Hinblick auf die Strafbewehrung des § 145a StGB zugrunde liegt, gebietet, dass die zentralen Modalitäten der Weisung vom Gericht selbst festzulegen sind und die Ausgestaltung der Weisung niemand anderem, zum Beispiel der Bewährungshilfe oder der Aufsichtsstelle, überlassen werden darf. Das BayObLG (a.a.O.) hat diesen Grundsatz dahin präzisiert, dass die Weisung wonach die Kontrolle „in Form einer kontrollierten Abgabe bei einem Landgerichtsarzt, einem Gesundheitsamt, einer forensischen Ambulanz, einem Institut für Rechtsmedizin, einem Krankenhaus, einem niedergelassenen Arzt oder einem medizinischen Labor“ zu erfolgen habe, auch ohne nähere örtliche Konkretisierung hinreichend bestimmt ist. Zur Begründung hat das BayObLG (a.a.O.) ausgeführt, der Umstand, dass das Gericht hier alternativ mehrere Stellen benannt hat, die eine fachlich kompetente Durchführung der Probenentnahme sowie die zuverlässige labortechnische Auswertung des Drogenscreenings gewährleisten, und die Auswahl der Stelle im konkreten Einzelfall der Bewährungshilfe überlassen war, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Dies erscheine angesichts der in der Praxis häufig bestehenden Kapazitäts- und Auslastungsprobleme derartiger Stellen hinnehmbar. Denn müsse etwa im Falle einer Überlastung der an sich vorgesehenen (einzigen) Stelle zunächst die Weisung durch das Gericht abgewartet werden, so könne häufig der mit der Suchtmittelkontrollweisung verfolgte Zweck einer raschen Intervention im Falle eines drohenden Abgleitens des Verurteilten in den Suchtmittelmissbrauch nicht bzw. nur unter Schwierigkeiten erreicht werden (BayObLG a.a.O.).
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(2) Letzterer Auffassung schließt sich der Senat an. Soweit er es in der Vergangenheit nicht beanstandet hat, wenn die durchführenden Stellen in der Weisung nicht genannt wurden, hält er – auch im Hinblick auf die entgegenstehende Praxis der Oberlandesgerichte Nürnberg (z.B. OLG Nürnberg, Beschl. 09.11.2021 – Ws 989/21 [unveröffentlicht] und München (z.B. OLG München, Beschluss vom 03.11.2009 – 2 Ws 932/09 = BeckRS 2010, 22176) – in dieser Allgemeinheit jedoch nicht mehr an seiner bisherigen Auffassung fest.
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Die für die Durchführung der Kontrollen zuständigen Stellen müssen in sachlicher Hinsicht bereits durch das Gericht zumindest in allgemeiner Form so umschrieben werden, wie dies in der dem vorgenannten Urteil des BayObLG (a.a.O.) zugrunde liegenden Weisung der Fall war.
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Der völlige Verzicht auf eine zumindest allgemein umschriebene Nennung einer Kontrollstelle, wie im vorliegenden Fall, ließe die Möglichkeit offen, dass jedwede private Person, einschließlich des Bewährungshelfers selbst, mit der Kontrolle beauftragt werden könnte. Damit würde die im Interesse einer flexiblen Handhabung der Weisung ohnehin großzügige Sichtweise des BayObLG (a.a.O.) hinsichtlich der örtlichen Bestimmung einer Kontrollstelle auch in sachlicher Hinsicht ins Uferlose erweitert. Insoweit bestünde nicht nur die Gefahr, dass im Einzelfall auch Personen oder Stellen, die – anders als die der Entscheidung des BayObLG (a.a.O.) genannten Institutionen – nicht bereits ihrer Natur nach zur Durchführung einer Kontrolle fachlich kompetent, in der Lage und darüber hinaus auch zuverlässig und vertrauenswürdig sind (vgl. BayObLG a.a.O. [Rn. 18]), mit den Kontrollen beauftragt werden könnten. Vor allem fehlt es dann an einer Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nach § 68b Abs. 1 Satz 2 StGB überhaupt. Denn nach dieser Vorschrift hat das Gericht in seiner Weisung das verbotene oder verlangte Verhalten zu bestimmen.
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1. Da der Senat nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Ermessens der Strafvollstreckungskammer setzen kann, ist ihm eine eigene Bestimmung der zuständigen Kontrollstelle – ausnahmsweise, vgl. § 309 Abs. 2 StPO – verwehrt. Stattdessen war das Verfahren im Umfang der Aufhebung an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, die über die aufgehobene Kontrollweisung und ihre genaue Ausgestaltung neu zu entscheiden haben wird. Durch die Zurückverweisung wird der Strafvollstreckungskammer auch Gelegenheit gegeben, die Kostentragungspflicht im Hinblick darauf neu zu überdenken, dass es die Grenze für die Kostenfreiheit der Kontrollen auf einen unterhalb des ab 01.01.2023 geltenden Regelsatzes der Grundsicherung für einen Alleinstehenden liegenden Geldbetrags festgesetzt hat.
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2. Die Abstinenzweisung als solche hingegen kann – mit der vom Senat vorgenommenen Einschränkung – bestehen bleiben, da sie auch isoliert noch Sinn ergibt und nicht anzunehmen ist, dass die Strafvollstreckungskammer sie ohne die Kontrollweisung nicht erlassen hätte.
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Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Beschwerde des Verurteilten beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Der nur geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels, das primär auf die Beseitigung der Abstinenzweisung und nur sekundär auf die der Kontrollweisung gerichtet war, rechtfertigt es nicht, den Verurteilten teilweise von den durch sein Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen.