Titel:
Greifvogelauffangstation, Haltereigenschaft, Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung
Normenkette:
TierSchG § 16a Abs. 1 S. 1 und S. 2 Nr. 2 1. HS.
Schlagworte:
Greifvogelauffangstation, Haltereigenschaft, Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.06.2023 – 23 ZB 23.100
Fundstelle:
BeckRS 2022, 48989
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Landratsamts … (im Folgenden: Landratsamt) vom 1. April 2022, in dem tierschutzrechtliche Anordnungen getroffen wurden.
2
Der Kläger ist Vorsitzender des Tierrettung … e.V. Er hielt auf den Grundstücken Fl.Nrn. … und … der Gemarkung … verschiedene Greifvögel, Uhus und eine Eule. Am 18. März 2022 wurden die Tiere durch das Landratsamt fortgenommen.
3
Dem veterinärrechtlichen Gutachten des Amtsveterinärs Dr. St. vom 30. März 2022 ist Folgendes zu entnehmen:
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Am 17. März 2022 seien dem Amtsveterinär Dr. St. durch Herrn Br. vom Deutschen Tierschutzbund erhebliche tierschutzwidrige Haltungsbedingungen in einer vom Kläger geführten Greifvogelauffangstation unter Beifügung von Bildmaterial gemeldet worden. Bei einer Ortseinsicht durch die Polizeiinspektion … am gleichen Tag sei ein augenscheinlich erheblich vernachlässigter Mäusebussard in einer hochgradig verdreckten und viel zu engen Katzentransportbox aufgefunden worden, der noch am gleichen Abend in die Tierarztpraxis W. zur weiteren Abklärung verbracht worden sei. Aufgrund des Bildmaterials und der mitgeteilten Feststellungen des Tierarztes W. sei das Vorgehen als dringlich eingestuft worden. Am 18. März 2022 im Laufe der Vor-Ort-Kontrolle habe Frau B., die hinzugekommen sei, erklärt, sie sei vom Kläger mit der Versorgung der Vögel in der Anlage beauftragt worden, da der Kläger am 16. März 2022 in die Ukraine aufgebrochen sei. Auf telefonische Nachfrage habe der Kläger gegenüber dem Amtsveterinär erklärt, den Mäusebussard in der Box gehalten zu haben, weil dieser tierärztlich hätte versorgt werden sollen. Bei der Ortseinsicht seien Transportkäfige und Kisten vorgefunden worden, die mit Exkrementen, Gewöllen und toten Eintagsküken verschiedenster Verwesungsstadien, vermischt mit schmutzigem Wasser, hochgradig verdreckt gewesen seien. Es habe sich um Verschmutzungen gehandelt, die sich über einen längeren Zeitraum dort angesammelt hätten. Eine Voliere sei mit einer apathisch wirkenden Schleiereule besetzt gewesen. Dem Käfig habe jegliche Ausgestaltung, Rückzugsmöglichkeit, Futter und Wasser gefehlt bei hochgradiger Verschmutzung. Die andere Voliere, die zum Zeitpunkt der Kontrolle mit sechs Turmfalken besetzt gewesen sei, habe keine Rückzugsmöglichkeiten, keine genügenden Sitzstangen, keine Ausgestaltung und kein Futter und Wasser aufgewiesen. Die Außenseiten hätten aus einer bloßen Drahtgeflechtkonstruktion ohne Verblendung bestanden. Der Stoß (Schwanzgefieder) aller Turmfalken sei durch den ständigen Abrieb an dem ungeeigneten, viel zu starren und scharfen Gitter in seiner Struktur zerstört gewesen. Der Schnabelansatz (Wachshaut) sei durch das Anfliegen gegen das ungeeignete Gitter infolge von wiederholten Fluchtreaktionen (blutige Verwundungen am Schnabelansatz) verletzt. Einem Falken habe ein wesentlicher Teil des Oberschnabels gefehlt. Der Boden der Falkenvoliere sei lückenlos mit Exkrementen, verwesten Futterküken, Gewöllen vermischt mit stark verschmutztem Regenwasser bedeckt gewesen. Die Falken hätten bei der Futteraufnahme den Kontakt mit diesen Bodenverhältnissen nicht vermeiden können, da die Futterküken dort ausgelegt gewesen seien. Da kein weiteres Wasser angeboten worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Wasserbedarf aus diesem Gemenge aus Kot, verwesenden toten Tieren und Gewöllen, vermischt mit Regenwasser, zu decken gewesen sei. Die Überprüfung der mit drei Uhus besetzten Voliere habe ein vergleichbares Bild gezeigt.
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Aufgrund der mit dem Pflegegebot nach § 2 TierSchG nicht zu vereinbarenden angetroffenen Haltungsbedingungen habe man beschlossen, die anderweitige Unterbringung nach § 16a TierSchG durchzuführen. Insbesondere den Turmfalken sei durch diese, bei allen Tieren vorgefundene nicht artgerechte Haltung eine baldige mögliche Auswilderung verwehrt geblieben. Der in der Katzentransportbox aufgefundene Mäusebussard habe eingeschläfert werden müssen. Die Haltung erfülle nicht die im Gutachten über Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen des BML (jetzt BMELV) vom 10. Januar 1995 bzw. den Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen festgelegten Vorgaben. Alle elf Greifvögel hätten durch die ungeeigneten Haltungsbedingungen massive Beeinträchtigungen des Gefieders erlitten. Ursächlich sei das Fehlen von mehrseitigen Verblendungen, die ein allzu heftiges Anfliegen gegen die Außenwände bei Panikreaktionen verhindern würden, sowie die Beschaffenheit der Außenwände (raues, scharfes Drahtgittergeflecht). Die Befunde seien als erhebliche Schäden einzustufen. Es sei davon auszugehen, dass die Schäden erst während der Haltung in Gefangenschaft entstanden seien, die gesetzlich vorgegebene rechtzeitige Auswilderung nach Rehabilitation sei unterlassen worden bzw. verzögere sich aufgrund der neu erworbenen Defizite. Dem Turmfalkenmännchen sei ein Überleben in freier Wildbahn nicht mehr möglich (stark beschädigte und abgeschlagene Stoßfedern, ein Auge zerstört und überwachsen). Die blutigen Verletzungen an der Wachshaut im Bereich des Schnabelansatzes rührten unzweifelhaft vom Auftreffen des Kopfes auf das stabile Drahtgeflecht her. Die Haltung des weiblichen Turmfalken (Oberschnabel abgebrochen, Gefieder verschmutzt) sei ohne fachtierärztliche Behandlung als hochgradig tierschutzwidrig einzustufen, da die Möglichkeit zur Ernährung (Zerkleinern) nicht gesichert sei und dem Tier erhebliche Schmerzen entstünden. Es hätten sich Hinweise auf eine nicht artgerechte Ernährung ergeben (Überschnäbel). Die Tiere seien als erheblich vernachlässigt i.S.v. § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 TierSchG einzustufen. Die festgestellten tierschutzwidrigen Befunde stünden mit der angeblichen Zweckbestimmung einer Auffangstation in Widerspruch. Den Vögeln seien erhebliche und langandauernde Schmerzen, Leiden und Schäden zugefügt worden; sie seien einer hochgradigen Gesundheitsgefährdung durch unhygienische Haltungsbedingungen ausgesetzt gewesen.
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Mit Bescheid vom 1. April 2022 bestätigte das Landratsamt die am 18. März 2022 durch den Amtstierarzt getroffenen Anordnungen. Der Kläger sei verpflichtet, die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung der Tiere (sechs Turmfalken, eine Schleiereule und drei Uhus) zu dulden (Nr. 1). Die sofortige Vollziehbarkeit von Tenorziffer 1 werde angeordnet (Nr. 2). Der Kläger habe die Kosten der anderweitigen pfleglichen Unterbringung der o.g. Tiere zu tragen und dem Landratsamt zu erstatten (Nr. 3).
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Zur Begründung wurde der am 18. März 2022 durch den Amtsveterinär festgestellte Sachverhalt und dessen tierschutzrechtliche Würdigung entsprechend seinem veterinärrechtlichen Gutachten vom 30. März 2022 wiederholt. Die Greifvogel- und Eulenauffangstation sei ohne Erlaubnis nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG betrieben worden. Die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung der Tiere auf Kosten des Klägers stütze sich auf § 16a Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 Hs. 1 TierSchG.
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Nach § 16a TierSchG bestehe kein Entschließungsermessen, hinsichtlich der Auswahl der Maßnahmen werde Ermessen eingeräumt. Die getroffenen Maßnahmen seien geeignet und erforderlich, die tierschutzwidrige Haltung zu beenden und weitere Verstöße gegen tierschutzrechtliche Vorgaben zu verhindern. Mildere Mittel seien nicht gegeben gewesen. Anordnungen, zum Beispiel die Tiere unverzüglich einem Tierarzt vorzustellen, wären ins Leere gelaufen, da sich der Kläger zum Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle im Ausland aufgehalten habe. Die Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung sei unter den gegebenen Umständen die einzige Möglichkeit gewesen, die tierschutzwidrige Haltung zu beenden. Die Maßnahme sei auch angemessen, da die für den Kläger hierdurch entstehenden Nachteile nicht außer Verhältnis stünden zum erreichten Zweck.
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Der Kläger sei als Tierhalter bzw. als Handlungs- und Zustandsstörer im sicherheitsrechtlichen Sinn richtiger Adressat der Verfügungen (wird ausgeführt).
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Weiter wurde die Anordnung des Sofortvollzugs (Nr. 2) begründet. Diese stütze sich auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Die Beendigung der tierschutzwidrigen Haltungsbedingungen habe keinen Aufschub geduldet (wird weiter ausgeführt). Die Individualinteressen des Klägers müssten demgegenüber zurückstehen.
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Mit einem am 4. Mai 2022 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 1. April 2022 aufzuheben.
12
Gleichzeitig wurde ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gestellt (Verfahren B 1 S 22.465).
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Zur Begründung wurde vorgetragen, dass der Kläger lediglich Halter von drei Uhus und damit größtenteils der falsche Adressat des Bescheides sei. Die sechs Turmfalken und die Schleiereule seien in der Obhut des Tierrettung … e.V. Der Kläger betreibe entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht ohne Erlaubnis eine Greifvogel- und Eulenauffangstation gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG. Vielmehr handele es sich um Pflegetiere gemäß § 45 BNatSchG. Diese Einrichtung sei gerade nicht erlaubnispflichtig.
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Der auf Seite 11 des Gutachtens „Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen“ genannte Flächenbedarf werde eingehalten bzw. überschritten. Bei europäischen Uhus sei kein Innenraum erforderlich. Das Uhu-Gehege sei mit einer Badebrente ausgestattet, habe drei Langsitzhölzer und einen Rückzugsbereich über der Eingangsschleuse. Die Uhus seien an Menschen gewöhnt und zahm. Die Pflegetiere seien bereits stark geschwächt bzw. unterernährt und aufgrund von Verletzungen vom Tierrettung e.V. … abgeholt, zum Tierarzt gebracht und medizinisch versorgt worden. Sie seien in einem guten Ernährungszustand gewesen. Die Einschränkung der Bewegungsmöglichkeiten der nachtaktiven Schleiereule sei wegen ihrer Verletzungen am linken Flügel medizinisch notwendig und zulässig gewesen. Die Turmfalken seien je nach Verletzung teilweise flugunfähig und hätten sich zum Zeitpunkt der Wegnahme in einem ausreichend großen Gehege befunden. Als „winterhart“ zugeordnete Tiere benötigten sie keinen zusätzlichen Innenraum in der Voliere. Der in der Box gehaltene Greifvogel hätte zum Tierarzt gebracht werden sollen und sei deswegen in der Box gewesen. Bei einer freistehenden Einzelvoliere in einem 9300 m² großen Grundstück ohne Menschenkontakt seien Rückzugsmöglichkeiten nicht erforderlich.
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Die frischen Verletzungen der Turmfalken an den Schnäbeln sowie die zerstörten Stöße könne sich der Kläger nur so erklären, dass diese offenbar beim Einfangen der Tiere entstanden seien. Soweit der Beklagte davon ausgehe, dass den Tieren weder Futter noch Trinkwasser zur Verfügung gestanden habe, könne dies nicht nachvollzogen werden. In allen Gehegen hätten Badebrenten und Wasserschüsseln bereitgestanden. Einheimische Greifvögel und Eulen deckten zudem ihren Flüssigkeitsbedarf durch die Aufnahme der Nahrung und nur in der warmen Jahreszeit zusätzlich durch kleine Mengen Wasser. Den Turmfalken seien neben Frostküken auch Mäuse und Mausratten gefüttert worden. Für das Auftreten eines Überschnabels gebe es mehrere mögliche Ursachen. Tatsächlich seien die Gehege vor der Abreise des Klägers leicht verschmutzt gewesen, jedoch lediglich in dem Maße, wie es unvermeidlich sei bei diesen Tieren. Es sei dem Kläger unerklärlich, wie es zu den offensichtlich nachträglich entstandenen groben Verschmutzungen gekommen sei. Diese hätten jedoch innerhalb von 10 Minuten beseitigt werden können.
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Die Turmfalkenvolieren seien an zwei Seiten überdacht und es sei ein Windschutz vorhanden. Das verwendete Drahtgeflecht sei für Volieren zulässig. Vor der Abreise des Klägers sei kein Turmfalke mit einem abgebrochenen Oberschnabel vor Ort gewesen. Für die sechs Turmfalken hätten 12 m² zur Verfügung gestanden. Eine tierschutzwidrige Haltung habe nicht vorgelegen. Die sofortige Wegnahme der Tiere stelle eine unverhältnismäßige Maßnahme dar, der Beklagter habe kein Ermessen ausgeübt. Der Kläger wäre binnen 12 Stunden wieder vor Ort gewesen, die Mitarbeiter des Tierrettungs-Teams innerhalb von 15 Minuten.
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Darauf entgegnete das Landratsamt, es komme nicht darauf an, dass der in Anspruch genommene Halter zugleich auch Eigentümer der Tiere sei. Halter könne nur eine natürliche Person sein. Dass der Kläger als Vereinsvorsitzender für die Haltung in keiner Weise verantwortlich gewesen sei, sei auszuschließen und werde von ihm auch nicht dargelegt. Zudem habe er selbst mit Schreiben vom 4. März 2022 formlos um die Genehmigung der (baulichen) Errichtung einer Auffangstation für Greifvögel und Eulen auf dem kontrollierten Gelände nachgesucht. Bei der vorgefundenen Haltung handle es sich – ohne dass dies streitgegenständlich erheblich wäre – um eine nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG erlaubnisbedürftige Einrichtung (wird näher ausgeführt). Das amtstierärztliche Gutachten vom 30. März 2022, die im Rahmen der durchgeführten Vor-Ort-Kontrolle gefertigten Fotos sowie die Bewertung der an der Vor-Ort-Kontrolle anwesenden weiteren Amtstierärztin belegten bei den fortgenommenen Tieren erhebliche Ernährungs- und Pflegedefizite und eine nicht verhaltensgerechte Unterbringung (wird weiter ausgeführt).
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Mit Beschluss vom 7. Juli 2022 wurde der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt.
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Mit Schriftsätzen vom 28. November und 7. Dezember 2022 legte die Bevollmächtigte des Klägers u.a. Behandlungsunterlagen verschiedener Greifvögel des Tierarztes Z. sowie Bilddokumentationen zu den Volieren vor.
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Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage hat in der Sache keinen Erfolg. Die im Bescheid vom 1. April 2022 bestätige Anordnung der mündlich erklärten Fortnahme und anderweitigen pfleglichen Unterbringung der Vögel auf Kosten des Klägers ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – juris Rn. 3; U. v. 29.3.1996 – 1 C 28.94 – juris Rn. 15), mithin vorliegend die Bekanntgabe des Bescheids an den Kläger.
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Ergänzend zu den Gründen des angegriffenen Bescheids – auf die zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen Bezug genommen und insoweit von einer gesonderten Darstellung abgesehen wird (§ 117 Abs. 5 VwGO) – ist zur Sache sowie zum Vorbringen des Klägers im Rahmen des Klageverfahrens noch Folgendes auszuführen:
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a. Der Kläger ist richtiger Adressat des Bescheids. Anordnungen nach § 16a Abs. 1 Satz 2 TierSchG können gegen den Halter im weiteren Sinn ergehen, d.h. gegen jede Person, die ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat. Auf die Eigentümerstellung kommt es insoweit nicht an. Ausschlaggebend ist allein das Obhutsverhältnis. Nur wenn im Zeitpunkt der Fortnahme sicher bekannt ist, dass das Tier einer dritten Person gehört, ist daneben an eine Duldungsverfügung gegenüber dieser Person zur Abwehr etwaiger Herausgabeansprüche zu denken (vgl. Hirt/Maisack/Moritz, 3. Aufl. 2016, TierSchG § 16a Rn. 21). Nach dem Vortrag des Klägers ist er Eigentümer der drei Uhus, die übrigen Tiere (sechs Turmfalken, eine Schleiereule sowie der mittlerweile getötete Mäusebussard) seien bei der Tierrettung abgegeben oder von dieser in Obhut genommen worden. Damit ist eine Eigentümerstellung einer dritten Person an diesen herrenlosen Wildtieren nicht ersichtlich – auch nicht im Hinblick auf den Verein Tierrettung e.V. – dessen 1. Vorsitzender der Kläger ist. Zugleich ergibt sich zumindest aus seiner Tätigkeit für den Verein seine Haltereigenschaft in Bezug auf die Tiere. Denn er hat die Tiere auf seinem Grundstück in Obhut genommen und diese – als 1. Vorsitzender des Vereins – betreut. Auf die Ausführungen im Beschluss des Gerichts vom 7. Juli 2022 wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend Bezug genommen.
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b. Nach § 16a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 TierschG kann die Behörde dem Halter ein Tier, das nach dem Gutachten des beamteten Tierarztes mangels Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG erheblich vernachlässigt ist oder schwerwiegende Verhaltensstörungen aufzeigt, fortnehmen und so lange auf dessen Kosten anderweitig unterbringen, bis eine den Anforderungen des § 2 TierSchG entsprechende Haltung des Tieres durch den Halter sichergestellt ist. Eine erhebliche Vernachlässigung liegt dann vor, wenn einzelne, sich aus § 2 TierSchG ergebende Pflichten für einen längeren Zeitraum und/oder in besonders intensiver Form vernachlässigt werden. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage ist, ob dem Tier durch die Vernachlässigung die Gefahr von Leiden, Schmerzen oder Schäden droht; zu einem Eintritt dieser tierschutzwidrigen Zustände muss es noch nicht gekommen sein (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.9.2006 – Au 4 K 04.1258 – juris). Die Zwangsmaßnahme kann vorher angeordnet oder nach ihrer tatsächlichen Ausführung nachträglich durch Anordnung bestätigt werden (BVerwG, U. v. 7.8.2008 – 7 C 7/08 – juris Rn. 24).
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Ob ein Verstoß gegen die in § 2 TierSchG normierten Haltungspflichten vorliegt, obliegt in erster Linie der fachlichen Einschätzung der Amtstierärzte, denen vom Gesetzgeber eine vorrangige Beurteilungskompetenz eingeräumt worden ist (vgl. st. Rspr. BayVGH, U.v. 30.1.2008 – 9 B 05.3146 und B.v. 12.11.2013 – 9 CS 13.1946 – alle juris; Hirt/Maisack/ Moritz, Tierschutzgesetz, 3. Aufl. 2016, § 15 Rn. 5). Als gesetzlich vorgesehene Sachverständige sollen die Amtstierärzte zur Durchführung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen von den zuständigen Behörden beteiligt werden (vgl. § 15 Abs. 2 TierSchG). Ihrer fachlichen Beurteilung kommt besonderes Gewicht zu. Bloßes Bestreiten der amtstierärztlichen Beurteilung durch den Tierhalter ist daher regelmäßig nicht ausreichend. Zur Entkräftung ist vielmehr ein substantiiertes Gegenvorbringen erforderlich (BayVGH, B.v. 23.12.2014 – 9 ZB 11.1525 – juris Rn. 9).
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Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung haben sich der dem gerichtlichen Beschluss vom 7. Juli 2022 zugrunde gelegte Sachverhalt sowie die hieraus zu ziehenden Schlussfolgerungen bestätigt. Die Ausführungen des Klägers waren zur Überzeugung des Gerichts nicht geeignet, eine andere Einschätzung und Beurteilung der Sachlage herbeizuführen.
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aa. Die anlässlich der tierschutzrechtlichen Kontrolle am 18. März 2022 gefertigten Fotos (Bl. 16 ff. der Behördenakte) zeigen massive Verschmutzungen der Falkenvoliere (Bl. 17a, 18b, 32a). Der Käfig, in dem die Schleiereule gehalten wurde, wies erhebliche Verschmutzungen des Bodens und der Seitenwände auf (Bl. 19a, 19b). Eine weitere völlig verdreckte Kiste (Bl. 20a, 21b) zeigte massive Verschmutzungen mit Exkrementen, vermischt mit Gewöllen und Futtertieren in verschiedensten Verwesungsstadien, was darauf schließen lässt, dass dort Tiere untergebracht waren. Der Amtsveterinär hat in der mündlichen Verhandlung hierzu erklärt, dass er selbst mit vor Ort war und den Zustand der Volieren und der Katzentransportbox, so wie er sich auf den Fotos darstellt, bestätigen kann. Seiner fachlichen Einschätzung nach handelte es sich hierbei um natürliche Prozesse. Diese Art der Verschmutzung könne nicht innerhalb weniger Tage herbeigeführt werden. Für das Gericht besteht an dieser Einschätzung keinerlei Zweifel, vielmehr geht auch die Kammer davon aus, dass es sich hier um massive Verschmutzungen handelt, die eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Vernachlässigung und fehlende Reinigung belegen, und nicht das innerhalb kürzester Zeit künstlich herbeigeführte Werk von dritten Personen ist.
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Gleiches gilt für die Dokumentation über die Transportbox, in der der Mäusebussard gehalten worden ist (Bl. 38 ff.), die von der Polizeiinspektion …-Land am 17. März 2022 gefertigt wurde. Dr. W. hat diesen Zustand ebenfalls dokumentiert (Bl. 10 b ff. der Behördenakte).
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Den durch Fotos dokumentierten Aussagen des Amtsveterinärs, dass sich in den Volieren keinerlei Trinkgefäße mit frischem Wasser befunden hätten, hat der Kläger außer einer bloßen Behauptung des Gegenteils nichts entgegengesetzt.
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Die vom Kläger vorgetragene Vermutung, dritte Personen wollten ihm schaden und hätten in seiner Abwesenheit ab dem 16. März 2022 innerhalb von nur ein bis zwei Tagen die Volieren und die Katzentransportbox verschmutzt, ist unglaubhaft.
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Bereits diese völlig desolaten Haltungsbedingungen sind geeignet, die sofortige Fortnahme und anderweitige pflegliche Unterbringung zu rechtfertigen. Das vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, man hätte die Verschmutzungen innerhalb kürzester Zeit mit einem Wasserschlauch beseitigen können, ist demgegenüber unbehelflich. Denn die dem Kläger zurechenbaren Verschmutzungen belegen gerade, dass er es in der Vergangenheit an einer tierschutzgerechten Unterbringung hat fehlen lassen. Zudem kamen zu den unhygienischen Haltungsbedingungen weitere Unzulänglichkeiten hinzu (siehe nachfolgende Ausführungen).
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bb. Neben den Verschmutzungen weist auch die Ausgestaltung und teilweise die Größe der Volieren Mängel auf. Heranzuziehen sind für diese Frage einer artgerechten Unterbringung die Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen des BMELV vom 10. Januar 1995. Nach Nr. 3.1.1 sind nur eingewöhnte Individuen einiger Arten (z.B. Eulen, Bussarde) zur Unterbringung in Ganzdrahtvolieren geeignet. Für teilweise geschlossene Volieren gibt das Gutachten geschlossene Seitenwände und eine oder mehrere teilweise durchsehbare Fronten an. Weiter wird das Anbringen von Sichtblenden empfohlen. Gleiches ist den Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen vom 27. Mai 1995 zu entnehmen (vgl. dort S. 18 f.).
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In der mündlichen Verhandlung hat Dr. St. erläutert (S. 2 des Protokolls), welche Folgen die fehlenden Sichtverblendungen für die Haltung der Wildtiere haben. Durch die freie Sicht nach außen schlagen die Tiere gegen die Gitter, was zu Verletzungen am Gefieder führt. Hinsichtlich der Notwendigkeit einer Kunststoffummantelung der Gitter verweist Dr. St. auf die ansonsten gegebene Verletzungsgefahr. In Teil II A. 1. der Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen (S. 2) wird hierzu ausgeführt, dass alle Einrichtungen für deren Haltung so zu gestalten sind, dass Schäden (auch Gefiederschäden) ausgeschlossen sind. Nach den Leitlinien für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen sind die Gehege so zu gestalten, dass materialbedingte Schäden bei Tieren vermieden werden, insbesondere sind bei teilweise geschlossenen Volieren die offenen Seiten mit kunststoffummanteltem Draht zu erstellen (dort S. 7 und S. 18 f.).
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Dr. St. hat in der mündlichen Verhandlung weiter ausgeführt, dass die bei nahezu allen Vögeln festgestellten Gefiederschäden aus seiner Sicht davon herrühren, dass sie in der Voliere keine genügenden Sitzgelegenheiten haben, sich nur am Gitter festhalten können und demzufolge das Gefieder durch die rauen Gitterstäbe geschädigt wird. Außerdem trügen auch die fehlenden Sichtblenden zu den Gefiederschäden bei. Wenngleich sich auf den vom Kläger vorgelegten Fotos der Falkenvoliere wohl schon einige Sitzstangen befinden dürften, sind die Ausführungen des Amtstierarztes zu den Gefiederschäden überzeugend, denn in der Zusammenschau mit den fehlenden Seitenverblendungen und dem Fluchtverhalten der Tiere erschließt sich auch für das Gericht, dass die Gefiederschäden von der unsachgemäßen Haltung herrühren. Dr. St. hat hierzu weiter ausgeführt, dass die durchgängig aufgetretenen Gefiederschäden für ein Bestandsproblem, also für eine unsachgemäße Haltung sprechen. Diese Feststellungen und Schlussfolgerungen werden auch in der Fotodokumentation des Deutschen Tierschutzbundes Bayern (Behördenakte (Bl. 71 ff. der Behördenakte) dokumentiert.
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Soweit der Kläger darauf hinweist, dass die Gefiederschäden bei der Einfangaktion entstanden seien, überzeugt dies nicht. Dr. St. hat hierzu erläutert, dass sich Gefiederschäden über einige Wochen hinweg entwickeln. Selbst wenn – worauf der Kläger abstellt – das Gefieder des Turmfalken A9 dadurch geschädigt worden sein sollte, dass er in den Kühlergrill eines Autos geraten und mit diesen Gefiederschäden zum Kläger gebracht worden sei, ändert dies nichts an der Feststellung, dass durchwegs auch die anderen Vögel ähnliche Schäden am Gefieder aufgewiesen haben, was – wie ausgeführt – auf eine nicht artgerechte Haltung hinweist. Bei artgerechter Haltung hätten die Tiere früher ausgewildert werden können, was eigentlich das Ziel einer Auffangstation sein sollte.
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Schließlich war auch die Unterbringung des an einer Fußverletzung erkrankten Mäusebussards in der völlig verdreckten Katzenbox nicht tierschutzgerecht. Zwar sehen die Mindestanforderungen vor, dass für verletzte oder kranke Tiere die Haltung in Boxen in Frage kommt (S. 8), jedoch ist die vorliegend vorgefundene Haltung keinesfalls ordnungsgemäß – ohne dass es noch darauf ankäme, ob eine Katzenbox grundsätzlich geeignet ist. Dr. W., bei dem der Mäusebussard am 17. März 2022 abgegeben worden war, führt hierzu auch aus (Bl. 10a ff. der Behördenakte), dass sich die Struktur der schützenden Haut des Laufs bereits in Auflösung befunden habe, was sich über einen längeren Zeitraum entwickele. Außerdem zeige das Gefieder eine hochgradige Verschmutzung und sei in seiner Struktur geschädigt, was auf einen längeren Aufenthalt in dieser Box bzw. auf eine Haltung unter unhygienischen Bedingungen hinweise. Ergänzend hierzu ist auf den Sektionsbericht des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 13. April 2022 zu verwiesen (Bl. 118a f. der Behördenakte), der eine hochgradig geschwollene zweite und dritte Zehe links sowie eine hochgradige eitrige Tendovaginitis mit Entzündung im Zehengrundgelenk aufweist. Es liegt auf der Hand, dass die Unterbringung des am Lauf behandelten Mäusebussards in der verdreckten Box zu der genannten Verschlimmerung des Zustands des Laufs geführt hat, selbst wenn sich aus dem Karteiblatt des Tierarztes W. für den 14. März 2022 ein guter Verlauf der am 11. März 2022 durchgeführten Behandlung ergibt.
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Der Zustand der Tiere wird nicht nur durch den beamteten Tierarzt Dr. St., sondern auch durch Dr. W. (in Bezug auf den Mäusebussard), sowie Herrn Br. vom Deutschen Tierschutzbund Bayern und Herrn Ba. von der LBV-Bezirksgeschäftsstelle … in …, wohin die Tiere verbracht wurden, bestätigt. Dem konnte der Kläger nichts Substantielles entgegensetzen.
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cc. Hinsichtlich der notwendigen Größe der Volieren sehen das Gutachten über die Mindestanforderungen an die Haltung von Greifvögeln und Eulen (S. 11 ff.) und die Leitlinie für eine tierschutzgerechte Haltung von Wild in Gehegen (S. 18 f) bestimmte Mindestgrößen vor, wobei nach den Leitlinien die dort gemachten Angaben auch für Auffang- und Pflegestationen Verwendung finden sollen. Laut dem Gutachten von Dr. St. waren diese Mindestgrößen nicht gegeben (vgl. S. 8 f.). Besonders eklatant ist in diesem Zusammenhang die Haltung der Schleiereule in dem 1,2 m x 1,2 m kleinen und verdreckten Käfig. Die Notwendigkeit der Haltung der Schleiereule dort ist nicht ersichtlich. Unabhängig von einer angegebenen Verletzung ist bereits der Zustand dieses Käfigs untragbar.
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Nur ergänzend und ohne dass es vorliegend noch streitentscheidend wäre, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Greifvogelstation des Klägers um eine erlaubnispflichtige Tierhaltung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 TierSchG handelt (vgl. hierzu Lorz/Metzger/Metzger, TierSchG, 7. Aufl. 2019, § 11 Rn. 10; Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, 3. Aufl. 2016, § 11 Rn. 6, jeweils m.w.N.).
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Insgesamt gesehen zeigte die Greifvogelhaltung des Klägers eklatante Mängel auf, die sich über einen länger anhaltenden Zeitraum entwickelt haben. Es lag im Zeitpunkt der Fortnahme eine erhebliche Vernachlässigung vor.
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dd. Das Ermessen hinsichtlich der getroffenen Maßnahmen wurde vom Landratsamt ordnungsgemäß ausgeübt.
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Ist aufgrund tierschutzwidriger Zustände ein Eingriff notwendig, so muss die Behörde tätig werden. Das Entschließungsermessen ist insoweit auf Null reduziert. Das Auswahl- und Gestaltungsermessen hat die Behörde entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die Grenzen der gesetzlichen Ermächtigung einzuhalten. Im Rahmen ihres pflichtgemäßen Auswahlermessens kann die Behörde daher jedes Mittel und jede Maßnahme bestimmen, die sie zur Gefahrenabwehr für geeignet und notwendig hält (BVerwG U. v. 12.1.2012, BVerwGE 141, 311; vgl. auch Metzger in Lorz/Metzger, Tierschutzgesetz, 7. Auflage 2019, Rn. 9). Vorliegend ist das Vorgehen des Landratsamts nicht zu beanstanden. Es hat überzeugend ausgeführt, dass eine sofortige Fortnahme der Tiere geboten war, um diesen weiteres Leiden zu ersparen. Die Haltungsbedingen waren grundsätzlich unzureichend. Das Vorbringen des Klägers, eine Reinigung der Volieren wäre ausreichend gewesen, ist – neben den festgestellten grundsätzlichen Mängeln der Volieren und dem Zustand der Tiere – auch in Anbetracht der sich über einen längeren Zeitraum angesammelten Verschmutzungen nicht nachvollziehbar. Mit einem bloßen Reinigen wäre es nicht getan gewesen. Zudem war zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar, an wen diese Anordnung hätte ergehen können, da der Kläger nicht vor Ort war. Dies zeigt einen generellen Einstellungsmangel des Klägers hinsichtlich der ihm obliegenden Haltungsverpflichtungen. Die sofortige Wegnahme war auch deshalb geboten, weil sich der Kläger noch mehrere Tage im Ausland befand und eine ordnungsgemäße Versorgung der Tiere sowie eine Haltung in sauberer und den maßgeblichen Bestimmungen zur Unterbringung von Greifvögeln entsprechender Umgebung nicht sichergestellt war.
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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als unterliegender Beteiligter hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.