Inhalt

AG Weißenburg, Beschluss v. 25.11.2022 – 1 C 353/22
Titel:

Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses

Normenkette:
ZPO § 5, § 7, § 281
Leitsatz:
Ein Verweisungsbeschluss, der den Wortlaut einer für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts maßgeblichen Vorschrift außer Acht lässt, ist nicht bindend. (Rn. 16 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verweisungsbeschluss, Bindungswirkung, grober Rechtsirrtum, Willkür
Vorinstanz:
LG Ansbach, Beschluss vom 25.08.2022 – 3 O 743/22
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 20.04.2023 – 101 AR 15/23
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47520

Tenor

1. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
2. Das Amtsgericht Weißenburg i. Bayl erklärt sich für sachlich unzuständig
3. Der Rechtsstreit wird nach Anhörung der Parteien an das Landgericht Ansbach zurückverwiesen.

Gründe

1
Die Entscheidung beruht auf S. 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht ist sachlich unzuständig.
2
Die erfolgte Verweisung ist nicht bindend.
3
Nach Anhörung der Parteien hatte sich das erkennende Gericht daher für sachlich unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das Landgericht Ansbach zurückzuverweisen.
Im Einzelnen:
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Die mit Beschluss des Landgerichts Ansbach vom 25.08.2022 vorgenommene Verweisung wegen sachlicher Unzuständigkeit ist willkürlich und damit nicht bindend im Sinne des S. 281 ZPO ist.
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Willkür in diesem Sinne liegt dann vor, wenn ein Fall krasser und offenkundiger Rechtsfremdheit vorliegt,
6
Eine vorsätzliche Missachtung des Rechts ist nicht zu fordern.
7
Ein bloßer Rechtsirrtum lässt die Bindungswirkung noch nicht entfallen, ebenso wenig ein Abweichen von der herrschenden Meinung.
8
Auch das Übersehen eines besonderen Gerichtsstands, der sich nicht aufdrängt und von den Parteien nicht thematisiert wurde genügt hierfür nicht.
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Zu Verneinen ist die Bindungswirkung aber bei dem Vorliegen grober Rechtsirrtümer.
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So liegt es auch hier.
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Ein entsprechender grober Rechtsirrtum liegt dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Ansbach zugrunde.
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Dieser führt zu seiner Begründung folgendes aus:
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Die Entscheidung beruht auf 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht ist sachlich unzuständig. Auf den Hilfs-Antrag der Kläger hat sich das angegangene Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen. Von Beklagtenseite wurde gleichfalls ein Verweisungsantrag gestellt:
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Ein Streitwert in der Zuständigkeit des Landgerichts liegt nicht vor. Die Klagepartei trägt selbst vor, dass das Geh- und Fahrtrecht zum Betreten oder Befahren des Grundstücks Fl.-Nr. 113 weder vom Beklagten noch seinen Rechtsvorgängern jemals ausgeübt wurde. Das Nachbargrundstück sei zudem nicht bebaut und.eine Ausübung wäre wegen einer Hecke überhaupt nicht möglich. Insoweit kann ein höherer Streitwert nicht gesehen werden. Dies entspricht der regelmäßigen Festsetzung beim Landgericht Ansbach.
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Die Entscheidung BGH, Beschluss vom 21. Januar 2022 – V ZR 233/20 befasst sich mit einem Nießbrauch. Die Entscheidung OLG München, Urteil vom 18. Dezember 2019 – 7 U 898/19 betrifft eine Grunddienstbarkeit gerade für den Betrieb und nicht gegen einen Betrieb.
16
Damit setzt sich der Beschluss nicht hinreichend, mit der Vorschrift des für die Zuständigkeit maßgeblich in S. 7 ZPO (in Verbindung mitS 48 GKG) als einschlägiger Vorschrift auseinander.
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S. 7 ZPO bestimmt folgendes:
„Der Wert einer Grunddienstbarkeit wird durch den Wert, den sie für das herrschende Grundstück hat, und wenn der Betrac um den sich der Wert des dienenden Grundstücks durch die Dienstbarkeit mindert, größer ist, durch diesen Betrag bestimmt. "
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Die entsprechende Vorschrift ist dabei einschlägig für sämtliche Streitigkeiten/Klagen betreffend Grunddienstbarkeiten, das heißt sowohl für die Löschung derselben als auch die Feststellung des Nichtbestehens (vergleiche Zöller – Herget, ZPO, 34. Auflage 2022, S. 7 RandNr. 2).
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Zudem verkennt die Entscheidung, ohne dies zu thematisieren, dass keine wirtschaftliche Identität im Sinne des S. 5 ZPO zwischen den Anträgen Ziffern 1. und 2. besteht, sondern setzt den Gegenstandswert einheitlich mit 2.500,00 € fest, was „der regelmäßigen Festsetzung beim Landgericht Ansbach“ entspricht. Auf den Hinweis vom 23.08.2022 (Blatt 14 der Akten) wird insoweit ergänzend Bezug genommen:
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Die Frage, ob diese Pauschale Bezugnahme ohne Berücksichtigung des Einzelfalls ein entsprechender grober Rechtsirrtum ist kann dahinstehen.
21
Zu sehen ist, dass sich .die Entscheidung des Landgerichts Ansbach schlicht auf den Wert der gegenständlichen Grunddienstbarkeit stützt, den sie für das herrschende Grundstück hat.
22
Ausführungen dazu, wie sie den Wert des dienenden Grundstücks mindert finden sich in ihr nicht.
23
Maßgeblich für die Zuständigkeit ist dabei jedoch der jeweils der größere Wert.
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Diese Alternativität berücksichtigt die Entscheidung des Landgerichts unter schlichter Umgehung des Gesetzeswortlautes nicht.
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Selbst wenn – wie nicht – hier auch die Beeinträchtigung des dienenden Grundstücks bei der Bemessung herangezogen worden wäre, so wäre hier nach dem Beschluss des Landgerichts Ansbach keine Alternative, sondern eine kumulative Bewertung erfolgt und beide Umstände zusammen bei der Bemessung des Werts zugleich herangezogen worden. Auch dies deckt sich in keinster Weise mit dem Wortlaut des S. 7 ZPO.
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Damit leidet der Beschluss an einem entsprechenden groben Rechtsirrtum.
27
Hier geht das Gericht im Hinblick auf das Vorbringen der Klagepartei von einem Gegenstandswert von jeweils 3.750; 00 € für den Antrag Ziffer 1. und Ziffer 2. aus.
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Dabei bemisst.sich dieser Wert in Übereinstimmung mit dem Vorbringen hierzu nach der Wertminderung, die das (dienende) Grundstück durch die Belastung erfährt (vergleiche BGH NJW-RR 2014,1279).
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Es wäre daher der Gegenstandswert auf 7.500,00 € festzusetzen und das Verfahren an das Landgericht Ansbach zurückzuverweisen.