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VG München, Urteil v. 27.01.2022 – M 16 K 21.3041
Titel:

Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
GewO § 35 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Erweiterte Gewerbeuntersagung, Unzuverlässigkeit, Nichterfüllung von Zahlungsverpflichtungen, Eintragungen im Schuldnerverzeichnis
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 19.04.2023 – 22 ZB 22.1199
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47262

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
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Zum … … 2011 zeigte der Kläger bei der Beklagten die Ausübung des Gewerbes „Maler- und Lackiererhandwerk“ und zum … … 2011 die Ausübung des Gewerbes „Holz- und Bautenschutzgewerbe (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden); Durchführung von Hausmeisterarbeiten (z.B. Gartenarbeiten, Schneeräumen und Treppenreinigung usw.)“ an.
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Mit Schreiben vom 11. November 2020 regte die Deutsche Rentenversicherung bei der Beklagten die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an und teilte mit, dass der Kläger Beitragsrückstände in Höhe von 15.022,60 Euro habe. Am 5. Mai 2021 teilte die Rentenversicherung der Beklagten mit, dass sich der Beitragsrückstand des Klägers auf 17.231,09 Euro erhöht habe. Es bestehe zwar eine Ratenzahlungsvereinbarung, der Kläger zahle aber seit Juli 2019 die laufenden Beiträge nicht. Die Stadtkasse teilte der Beklagten am 2. Dezember 2020 mit, dass der Kläger einen Gewerbesteuerrückstand in Höhe von 13.440,99 Euro habe. Am 6. Mai 2021 teilte die Stadtkasse mit, dass sich der Rückstand des Klägers auf 7.383,30 Euro verringert habe und eine Ratenzahlungsvereinbarung bestehe, die bislang eingehalten werde. Das Finanzamt teilte der Beklagten am 14. Dezember 2020 mit, dass hinsichtlich des Klägers ein Steuerrückstand in Höhe von 14.193,30 Euro bestehe. Am 10. Mai 2021 teilte das Finanzamt mit, dass beim Kläger kein Rückstand mehr bestehe. Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten hatte der Kläger sowohl am 23. November 2020 als auch am 5. Mai 2021 neun Eintragungen im Schuldnerverzeichnis, davon zuletzt vier Eintragungen wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft und fünf Eintragungen wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung.
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Mit Schreiben vom 11. Januar 2021 wurde der Kläger zu einer beabsichtigten erweiterten Gewerbeuntersagung angehört. Der Industrie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammer wurde mit Schreiben vom 11. Januar 2021 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Kläger nahm mit Schreiben vom … Februar 2021 Stellung und führte im Wesentlichen aus, er sei gerade dabei, alle seinen Schulden zu begleichen, mit der Rentenversicherung habe er bereits eine Ratenzahlungsvereinbarung getroffen. Mit Schreiben vom 17. Februar 2021 erklärte die Beklagte, das Verfahren bis zum 30. März 2021 ruhen zu lassen und bat um Vorlage von Nachweisen über die Bezahlung der Forderungen der Rentenversicherung, der Stadtkasse und des Finanzamts oder entsprechende Ratenzahlungsvereinbarungen sowie um Vorlage von Nachweisen über die Löschung der Eintragungen im Schuldnerverzeichnis. Am 30. März 2021 legte der Kläger Nachweise über Zahlungen an verschiedene Gläubiger und an das Finanzamt sowie eine Ratenzahlungsvereinbarung mit der Stadtkasse vor. Mit Schreiben vom 1. April 2021 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage weiterer Nachweise bis zum 5. Mai 2021 auf. Weitere Nachweise wurden nicht vorgelegt.
5
Mit Bescheid vom 10. Mai 2021, ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 12. Mai 2021, untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „Maler- und Lackiererhandwerk; Holz- und Bautenschutzgewerbe (Mauerschutz und Holzimprägnierung in Gebäuden); Durchführung von Hausmeisterarbeiten (z.B. Gartenarbeiten, Schneeräumen und Treppenreinigung usw.)“ als selbständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe (Nummer 1). Zudem wurde dem Kläger die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nummer 2). Dem Kläger wurde aufgegeben, seine Tätigkeit spätestens zehn Tage nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Untersagungsverfügung einzustellen (Nummer 3). Für den Fall, dass der Kläger dieser Verpflichtung nicht nachkommt, wurde die Anwendung unmittelbaren Zwangs angedroht (Nummer 4). Die Kosten des Verwaltungsverfahrens in Höhe von 505,96 Euro wurden dem Kläger auferlegt (Nummer 5).
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Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus, der Kläger besitze nicht die zur selbständigen Ausübung seines Gewerbes erforderliche Zuverlässigkeit. Sein bisheriges Verhalten biete keine Gewähr für eine künftige ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes. Seine Unzuverlässigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass er seinen Zahlungsverpflichtungen seit Jahren nicht ordnungsgemäß nachkomme. Die beharrliche Nichterfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen lasse nicht nur auf wirtschaftliche Schwierigkeiten schließen, sondern offenbare einen mangelnden Leistungswillen. Wie sich aus den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis ergebe, befinde sich der Kläger in ungeordneten Vermögensverhältnissen und sei nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig. Der Zustand der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit halte unvermindert an. Anzeichen für eine Besserung seien nicht erkennbar. Das Schutzinteresse der Allgemeinheit bedinge die Gewerbeuntersagung. Durch die Nichtabführung seiner längst fälligen Sozialversicherungsbeiträge schädige der Kläger nachhaltig das Vermögen des Sozialversicherungsträgers. Auch bestehe die Gefahr weiterer Vermögensschädigungen Dritter. Die Gewerbeuntersagung sei verhältnismäßig. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde die Gewerbeuntersagung erweitert, da der Kläger gewerbeübergreifend unzuverlässig sei und ein Ausweichen auf anderweitige Gewerbetätigkeiten zu erwarten sei. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung sei sachgerecht und geboten. Das Interesse des Klägers an der Ausübung jeglicher selbständigen Gewerbetätigkeit, auch als Geschäftsführer, habe hinter dem Schutzbedürfnis der Allgemeinheit zurückzutreten. Die Frist zur Einstellung der Tätigkeit sei angemessen. Die Androhung des unmittelbaren Zwangs erfolge nach Art. 29, 34 und 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz. Das weniger einschneidende Zwangsmittel des Zwangsgelds verspreche im Hinblick auf die finanzielle Situation des Klägers keinen Erfolg.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom *. Juni 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
den Bescheid der Beklagten vom 10. Mai 2021 aufzuheben.
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Zur Klagebegründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger sei nicht unzuverlässig. Er habe zwar Schulden, zahle diese aber regelmäßig ab. Da der Kläger nicht ausreichend deutsch spreche, werde der Kläger von Frau M* …-H* … unterstützt. Diese führe sämtliche Dokumentenarbeiten für den Kläger durch, während der Kläger vorwiegend als Handwerker in den Baustellen arbeite. Der Kläger habe die Schulden beim Finanzamt am 22. März 2021 vollständig beglichen. Mit der Stadtkasse habe der Kläger am 4. März 2021 eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen, die Raten in Höhe von 1.000,- Euro zahle er regelmäßig. Mit der Rentenversicherung bestehe eine Ratenzahlungsvereinbarung vom 24. März 2021 über Raten in Höhe von 1.107,58 Euro. Allerdings habe der Kläger die Ratenzahlungsvereinbarung falsch verstanden und sei davon ausgegangen, dass ihm Raten von 500,- Euro gestatten worden seien. Die Eintragungen im Schuldnerverzeichnis würden aktuell vom Kläger bearbeitet. Mangels ausreichender Deutschkenntnisse sei ihm nicht bewusst gewesen, dass er sich aktiv um die Löschung bemühen müsse, vielmehr sei er davon ausgegangen, dass die Löschung automatisch erfolge, wenn er entsprechende Zahlungsvereinbarungen mit den Gläubigern treffe. Zudem sei der Kläger davon ausgegangen, dass sich Frau M* … um diese Angelegenheit kümmere. Der Kläger habe derzeit mehrere Auftraggeber und führe aktuell fortgeschrittene Verhandlungen über eine Großbaustelle. Eine Untersagung des Gewerbes sei unverhältnismäßig.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt die Beklagte mit Schreiben vom 2. August 2021 im Wesentlichen aus, die gewerberechtliche Zuverlässigkeit beurteile sich allein nach objektiven Maßgaben, subjektive Aspekte seien nicht zu berücksichtigen. Seit Einleitung des Gewerbeuntersagungsverfahrens sei es dem Kläger nicht gelungen, die zugrunde liegenden Unzuverlässigkeitstatbestände zu klären.
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Mit Beschluss vom 22. Dezember 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat am 18. Januar 2022 zur Sache mündlich verhandelt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2022 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie innerhalb der Klagefrist von einem Monat gemäß § 74 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erhoben. Die Klage ist aber nicht begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für die Untersagung des vom Kläger ausgeübten Gewerbes ist § 35 Abs. 1 Satz 1 Gewerbeordnung (GewO). Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebs beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.
16
a) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen.
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Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß betreiben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus der mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit der gewerblichen Betätigung ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.).
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Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, wie eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben außer Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Auf die Ursachen für entstandene Zahlungsrückstände und die Nichterfüllung von Erklärungspflichten kommt es nicht an, da sich die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nach objektiven Kriterien bestimmt. Daher ist es grundsätzlich unerheblich, ob den Gewerbetreibenden hinsichtlich der Umstände, derentwegen ihm eine negative Prognose hinsichtlich der Ordnungsgemäßheit seines künftigen gewerblichen Verhaltens ausgestellt werden muss, ein Verschuldensvorwurf trifft oder ihm
„mildernde Umstände“ zur Seite stehen (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 24; BayVGH, B.v. 8.5.2015 – 22 C 15.760 – juris Rn. 20).
20
Vielmehr muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung ist der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – juris Rn. 15).
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Dieser Grund entfällt nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept setzt grundsätzlich voraus, dass mit den Gläubigern eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen und ein Tilgungsplan auch effektiv eingehalten wird (vgl. BayVGH, B.v. 8.7.2013 – 22 C 13.1163 – juris Rn. 10).
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Nach diesen Maßstäben rechtfertigt sich die negative Prognose hinsichtlich der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers aus den im Zeitpunkt des Bescheidserlasses vorliegenden Tatsachen. So hatte der Kläger erhebliche Rückstände bei der Deutschen Rentenversicherung. Das vereinbarte Sanierungskonzept, wonach dem Kläger die Zahlung von monatlichen Raten in Höhe von 1.107,58 Euro gestattet wurde, hielt der Kläger nicht ein. Dabei ist es nicht beachtlich, dass er möglicherweise aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse einem Irrtum erlegen ist, da es für die Frage der Unzuverlässigkeit nicht auf ein Verschulden ankommt. Auch war der Kläger mehrfach wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft bzw. Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Hieraus wird deutlich, dass der Kläger die zur Erfüllung der ihm im Vollstreckungsverfahren obliegenden Pflicht, seinen Gläubigern den notwendigen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen, freiwillig nicht bereit und daher nicht nur leistungsunfähig, sondern auch leistungsunwillig ist (BayVGH, B.v. 28.8.2013 – 22 ZB 13.1419 – juris). Soweit der Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Nachweise über Zahlungen an Gläubiger vorgelegt hat, bleibt unklar, ob es sich hierbei um die den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrunde liegenden Forderungen handelt und ob diese gänzlich bezahlt wurden.
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b) Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist die Ausübung des Gewerbes bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen zu untersagen. Ein Ermessensspielraum steht der zuständigen Behörde insoweit grundsätzlich nicht zu. In Anbetracht der erheblichen Rückstände bei der Rentenversicherung sowie der zahlreichen Eintragungen im Schuldnerverzeichnis war die Untersagung der Gewerbeausübung auch zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich.
24
c) Die Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (vgl. BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5.94 – juris Rn. 8 m.w.N.). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines solchen extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
25
2. Rechtsgrundlage für die Erweiterung der Gewerbeuntersagung auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf die Ausübung jeglicher gewerblichen Tätigkeit im stehenden Gewerbe ist § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO. Danach kann die Untersagung auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist.
26
a) Die Beklagte hat aus überzeugenden Gründen eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit des Klägers angenommen.
27
Eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Gewerbetreibende Verpflichtungen verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten und nicht nur einen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit haben. Dies ist beispielsweise bei steuerlichen Pflichtverletzungen und bei ungeordneten Vermögensverhältnissen der Fall (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 27).
28
Indem der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen ist und ausweislich der Eintragung im Schuldnerverzeichnis mehrfach die Vermögensauskunft nicht abgegeben hat, hat er Pflichten verletzt, die für jeden Gewerbetreibenden gelten. Dies rechtfertigt die Annahme, dass er ein entsprechendes Verhalten auch bei Ausübung eines anderen Gewerbes oder anderer gewerblicher Tätigkeiten an den Tag legen würde.
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b) Die Erstreckung der Gewerbeuntersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten ist auch erforderlich.
30
Erforderlich ist die Erstreckung der Gewerbeuntersagung, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende andere gewerbliche Tätigkeiten ausweichen wird. Dabei folgt die Wahrscheinlichkeit der anderweitigen Gewerbeausübung schon daraus, dass der Gewerbetreibende trotz Unzuverlässigkeit an seiner gewerblichen Tätigkeit festgehalten hat, wodurch er regelmäßig seinen Willen bekundet hat, sich auf jeden Fall gewerblich zu betätigen. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist unter dem Gesichtspunkt wahrscheinlicher anderweitiger Gewerbeausübung schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausübt, eine anderweitige Gewerbeausübung nach Lage der Dinge also ausscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 17 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
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c) Ermessensfehler liegen nicht vor, § 114 Abs. 1 VwGO.
32
Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO steht im Ermessen der Behörde. Ist ein Gewerbetreibender in Bezug auf andere – nicht ausgeübte – gewerbliche Betätigungen unzuverlässig und ist die Untersagung auch hinsichtlich dieser Betätigungen erforderlich, so ist eine Ermessensentscheidung, die von der Möglichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung Gebrauch macht, nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht rechtswidrig, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden kann, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken soll (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.79 – juris Rn. 30). Eine Ermessenserwägung dieser Art lässt sich der angefochtenen Untersagungsverfügung entnehmen.
33
d) Die Erweiterung der Gewerbeuntersagung ist nicht unverhältnismäßig. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Ausschluss eines gewerbeübergreifend unzuverlässigen Gewerbetreibenden aus dem Wirtschaftsverkehr auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in seiner Ausprägung durch Art. 12 Grundgesetz in Einklang steht. Sind die Voraussetzungen auch der erweiterten Gewerbeuntersagung erfüllt, kann die Untersagung grundsätzlich nicht hinsichtlich der Folgen unverhältnismäßig sein (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1.93 – juris Rn. 5). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines extremen Ausnahmefalls sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
34
3. Hinsichtlich der Bemessung der Frist zur Einstellung der Gewerbeausübung und hinsichtlich der Zwangsmittelandrohung bestehen keine rechtlichen Bedenken.
35
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.