Inhalt

LArbG Nürnberg, Urteil v. 01.09.2022 – 5 SaGa 3/22
Titel:

Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Übertragung einer Tätigkeit im Wege des Direktionsrechts bei Auslandseinsatz

Normenketten:
ZPO § 935, § 940
GewO § 106 S. 1
BGB § 315 Abs. 1, Abs. 3
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, mit dem festgestellt werden soll, dass der Arbeitnehmer bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache nicht zur Aufnahme einer ihm von seinem Arbeitgeber im Wege des Direktionsrechts zugewiesenen Tätigkeit - im Ausland - verpflichtet ist, ist unzulässig (unter Hinweis auf LAG Düsseldorf BeckRS 1995, 41098; LAG Rheinland-Pfalz BeckRS 1996, 30466320). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Überschreitet der Arbeitgeber bei der Ausübung seines Direktionsrechts die Grenzen billigen Ermessens, kann allerdings eine entsprechende Regelungsverfügung gerechtfertigt sein, wenn infolge des über einen längeren Zeitraum geplanten Auslandsaufenthalts wesentliche nicht rückabwickelbare Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen. Einer Regelungsverfügung fehlt es dabei nicht an der für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes erforderlichen Dringlichkeit, da der Arbeitnehmer zwar grundsätzlich einer rechtswidrigen Weisung nicht nachkommen muss, jedoch bei Fehleinschätzung das Risiko einer Arbeitgeberkündigung zu tragen hat. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zu den Anforderungen an eine Leistungsverfügung auf Weiterbeschäftigung im Rahmen der bisherigen Tätigkeit in einem derartigen Fall (Verfügungsgrund hier verneint). (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweilige Verfügung, Direktionsrecht, Rechtsschutzinteresse, Dringlichkeit, Verfügungsgrund, Feststellungsverfügung, Regelungsverfügung, Leistungsverfügung
Vorinstanz:
ArbG Bayreuth, Endurteil vom 14.04.2022 – 4 Ga 3/22
Fundstelle:
BeckRS 2022, 47096

Tenor

1. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 14.04.2022, Aktenzeichen: 4 Ga 3/22, wird aufgehoben. 
2. Es wird bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache vorläufig geregelt, dass der Kläger berechtigt ist, die Arbeitsaufnahme als Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems vor Ort in Slowenien und Kroatien zu verweigern.
3. Die weitergehende Berufung des Klägers wird im Übrigen zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

1
Die beiden Parteien streiten darüber, inwieweit der berufungsklagende Antragsteller verpflichtet ist, für die Antragsgegnerin „als Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ tätig zu werden.
2
Der am ... 1974 geborene, verheiratete und 2 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin seit dem 13.07.2020 als „Bereichsleiter Controlling“ in der Zentrale der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 22.06.2020. Dort haben die beiden Parteien die Tätigkeit des Antragstellers wie folgt geregelt:
§ 1 Tätigkeit
"1. Der Arbeitnehmer tritt ab 13.07.2020 als Bereichsleiter Controlling in unsere Zentrale ein. Er kann mit anderen Aufgaben betraut werden. Der Arbeitnehmer hat diese Tätigkeit auch für andere Firmen der N… Firmengruppe bzw. Tochtergesellschaften auszuüben.
2. N… ist berechtigt, den Arbeitnehmer im Rahmen der Zumutbarkeit auch in einen anderen Bereich zu versetzen.
3. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die ihm übertragenen Arbeiten und erteilten Weisungen gewissenhaft auszuführen. Diese Arbeiten sind in der jeweils für die vereinbarte Tätigkeit gültigen Stellenbeschreibung näher geregelt. Der Arbeitnehmer hat die ihm ausgehändigte Stellenbeschreibung zur Kenntnis genommen und erkennt sie als Bestandteil des Vertrages an. Im Bedarfsfall hat er auch andere einschlägige, mindestens gleichwertige Arbeiten zu übernehmen, wobei N… bei der Zuweisung dieser Tätigkeiten nach billigem Ermessen handelt und auch die Interessen des Arbeitnehmers berücksichtigen wird.
4. Es gelten die N…-Richtlinien (z.B. Reisekostenrichtlinie, Code of Conduct), die ebenfalls Bestandteil des Vertrages sind."
3
Bei einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche erzielte der Antragsteller eine Bruttomonatsvergütung von 9.732,38 € (inkl. 565,71 € geldwerter Vorteil). Er wurde mit Wirkung zum 17.01.2022 von der Beklagten von der Erbringung der Arbeitsleistung widerruflich freigestellt.
4
Mit Schreiben vom 31.01.2022 kündigte die Antragsgegnerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.07.2022 und bot dem Antragsteller gleichzeitig die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.08.2022 als „Controller im Unternehmensreporting“ in Vollzeit bei einer Jahresvergütung von 48.000,- € brutto an. Der Antragsteller erhob hierauf mit Schriftsatz vom 06.02.2022 Kündigungsschutzklage. Die Antragsgegnerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 24.02.2022 erneut ordentlich zum 31.08.2022 und bot dem Antragsteller, für den Fall, dass das Änderungsangebot vom 31.01.2022 unwirksam gewesen sein sollte, die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.09.2022 wiederum als Controller im Unternehmensreporting an.
5
Mit Schreiben vom 09.03.2022 widerrief die Antragsgegnerin die zunächst erfolgte widerrufliche Freistellung des Antragstellers und wies dem Antragsteller die Tätigkeit eines „Projektleiters für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ zu, welche sowohl in B… als auch in Slowenien und Kroatien zu erbringen sei ab dem 16.03.2022. Eine Stellenbeschreibung für die zugewiesene Stelle lag dem Antragsteller trotz Aufforderung an die Antragsgegnerin nicht vor. Der Antragsteller nahm unter Vorbehalt der Rechtswirksamkeit der vorgenommenen Versetzung am 16.03.2022 seine Tätigkeit mit den zugewiesenen Tätigkeiten auf. Mit E-Mail vom 18.03.2022 erhielt der Antragsteller einen „Einarbeitungsplan Revision“, demnach der Antragsteller zunächst an unterschiedlichen Orten in Deutschland eingearbeitet werden sollte und ab dem 04.04.2022 im Wesentlichen Außendienst in Slowenien/Kroatien erbringen sollte (A. AG 9, Bl. 102 d.A.). Mit Schriftsatz vom 04.04.2022 hat der Antragsteller den streitgegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht Bayreuth gestellt.
6
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers mit Endurteil vom 14.04.2022 abgewiesen und ausgeführt, dass für eine einstweilige Verfügung, die darauf gerichtet sei, dem Arbeitgeber zu untersagen, den Arbeitnehmer im Wege des Direktionsrechts eine bestimmte Tätigkeit zu übertragen es regelmäßig an dem erforderlichen Rechtschutzinteresse fehlen würde. Da im konkreten Fall der Antragsteller ausweislich seines eigenen Vorbringens die Tätigkeit unter Vorbehalt der Rechtswirksamkeit angenommen habe und dieser nachgekommen sei, sei eine Dringlichkeit nicht gegeben. Hinzu käme, dass der Antragsteller vom Zeitpunkt der Zuweisung am 09.03.2022 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung am 04.04.2022 sich knapp 4 Wochen Zeit gelassen habe und damit eine mögliche Dringlichkeit selbst verschuldet habe.
7
Das Urteil des Arbeitsgerichts Bayreuth vom 14.04.2022 ist dem Antragstellervertreter am 14.04.2022 zugestellt worden. Die Berufungsschrift des Antragstellers vom 20.04.2022 ist mit gleichzeitiger Berufungsbegründung am 20.04.2022 beim Landesarbeitsgericht Nürnberg eingegangen.
8
Der Antragsteller begründet seine Berufung damit, dass das Arbeitsgericht verkenne, dass sich der Verfügungsgrund im Falle einer offensichtlich rechtswidrigen Versetzung erst aus dem Verfügungsanspruch selbst ergäbe. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Weisung der Antragsgegnerin hätte der Antragsteller erst Ende März 2022 gesichert feststellen können, da zum Einen keine schriftlichen Unterlagen vorhanden gewesen seien und der Antragsteller die Geringwertigkeit dieser Beschäftigung und damit auch die Dringlichkeit seines Rechtsschutzes hätte feststellen können. Das Arbeitsgericht verkenne, dass das Interesse des Antragstellers auf eine Untersagung einer vertragswidrigen Beschäftigung gerichtet sei und nicht auf das Interesse auf Weiterbeschäftigung. Ein Interesse an einer Weiterbeschäftigung bei fortlaufender Vergütung sei sicherlich anders zu bewerten, wenn der Arbeitnehmer freigestellt werde als wenn er, wie hier, mit nicht gleichwertigen Tätigkeiten an unterschiedlichen Orten im In- und Ausland beschäftigt werden solle. Der Antragsteller habe nicht die Versetzung „angenommen“, sondern die Tätigkeit lediglich unter dem Vorbehalt der Rechtswirksamkeit der Maßnahme aufgenommen. Dem Antragsteller sei die Stelle als Projektleiter im Rahmen des Direktionsrechts zugewiesen worden und es läge keine einvernehmliche Arbeitsaufnahme vor. Nach Ansicht des Antragstellers müsse er entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts einer offensichtlich rechtswidrigen Weisung zunächst folgen, wenn er sich nicht dem Risiko einer fristlosen Kündigung und den damit verbundenen finanziellen Risiken aussetzen wolle. Dem Antragsteller als unterhaltsverpflichteter Alleinverdiener könne ein solches Risiko jedoch nicht zugemutet werden, so dass dem Antragsteller in dem Fall einer evident rechtswidrigen Versetzung zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes die Erhebung einer einstweiligen Verfügung möglich sein müsse. Der Antragsteller müsste auch erst einmal in der Lage gewesen sein, den Sachverhalt zu bewerten, um eine evident rechtswidrige Versetzung feststellen, bzw. ermitteln zu können. Alleine aus der Bezeichnung der Stelle „Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ hätte der Antragsteller diese Einschätzung nicht tätigen können, da eine Stellenbeschreibung nicht vorgelegen hätte und diese Stelle vorher im Unternehmen auch nicht bekannt gewesen sei. Eine schriftliche oder mündliche Beschreibung des Projekts sei ihm nicht gegeben worden. Die Projektbeschreibung des Projekts sei dem Antragsteller erstmalig im einstweiligen Verfügungsverfahren am 12.04.2022 (A. AG 16) vorgelegt worden. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller vor der Arbeitsaufnahme lediglich vermuten hätte können, dass mit Aufnahme der Stelle auch eine Versetzung nach Slowenien und Kroatien verbunden sei. Zunächst habe die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 11.03.2022 erklärt, dass der Antragsteller lediglich eine Dienstreise nach Kroatien und Slowenien antreten müsse und erst in der letzten Woche hätte sich anhand des Einsatzplanes vom 25.03.2022 gezeigt, dass beabsichtigt gewesen sei, den Antragsteller ab dem 04.04.2022 bis zum Ende der Kündigungsfrist bis zum 31.07.2022 vor Ort dauerhaft in Slowenien und Kroatien einsetzen zu wollen. Das Arbeitsgericht verkenne insoweit, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall die gegebene offensichtliche vertragswidrige Versetzung erst hätte ermitteln müssen und damit sich auch erst der Verfügungsgrund ergäbe. Weiter sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller vom 21.03.2022 bis 25.03.2022 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und daher eine Abstimmung mit seinen Prozessbevollmächtigten nicht bzw. nur eingeschränkt möglich gewesen sei. Auch im Zeitraum vom 01.04.2022 bis 08.04.2022 sei der Antragsteller arbeitsunfähig erkrankt gewesen, so dass es nicht zutreffend sei, dass der Antragsteller vom Zeitpunkt der Zuweisung am 09.03.2022 bis zum Zeitpunkt der Antragstellung am 04.04.2022 sich knapp 4 Wochen Zeit gelassen habe und damit eine mögliche Dringlichkeit selbst verschuldet habe. Hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Beschäftigungsanspruchs führt der Antragsteller aus, dass bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von einem überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung auszugehen sei.
9
Der Antragsteller stellt in der Berufungsinstanz folgende Anträge:
1. Es wird festgestellt, dass der Berufungskläger bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht verpflichtet ist, für die Berufungsbeklagte als „Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien“ tätig zu werden;
hilfsweise die Berufungsbeklagte zu verpflichten, den Berufungskläger als „Bereichsleiter Controlling“ in B… bis auf weiteres zu beschäftigen;
2. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
10
Die Antragsgegnerin stellt folgenden Antrag:
Die Berufung ist zurückzuweisen.
11
Die Antragsgegnerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist der Auffassung, dass das Arbeitsgericht zu Recht schon aufgrund des Vorbringens des Antragstellers nicht von einer Dringlichkeit ausgegangen sei. Weder ein Verfügungsgrund noch ein Verfügungsanspruch bestünde zugunsten des Antragstellers. Nach Auffassung der Antragsgegnerin handelt es sich bei der zugewiesenen Tätigkeit um eine vertragsgemäße, da gleichwertige Tätigkeit. Der Antragsteller werde nicht lediglich mit Hilfsarbeiten beschäftigt, sondern mit für das Unternehmen grundsätzlich existentiell wichtigen Aufgaben. Auch werde der Antragsteller nicht dauerhaft ins Ausland versetzt, sondern müsse zur jeweiligen Orientierung in der sogenannten Evaluierungsphase sich ein Bild vor Ort verschaffen im Rahmen der mit dem Projekt verbundenen notwendigen Dienstreisen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
12
Die Berufung des Antragstellers ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 b ArbGG) und auch in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).
II.
13
Die Berufung des Antragstellers erweist sich als teilweise begründet. Aufgrund des beiderseitigen Sachvortrags der beiden Parteien geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Antragsteller einen Anspruch dahingehend hat, nicht über einen längeren Zeitraum dauerhaft Außendiensttätigkeit in Slowenien/Kroatien erbringen zu müssen und auch ein notwendiger Verfügungsgrund gegeben ist und damit im Rahmen einer Regelungsverfügung auszusprechen war, dass der Antragsteller keine Arbeitsleistung als Projektleiter für den Aufbau eines Revisionssystems in Slowenien und Kroatien vor Ort, also somit in Slowenien und Kroatien bis zum Abschluss des Projekts zum 31.07.2022 zu erbringen hat.
14
Im Folgenden war Folgendes zu berücksichtigen:
15
1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der vom Antragsteller gestellte Hauptantrag als Feststellungsverfügung von vornherein nicht zulässig ist, weil eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 935, 940 und 938 Abs. 1 ZPO den einstweiligen Rechtsschutz die Sicherung der Zwangsvollstreckung oder die Befriedigung des Gläubigers eines Verfügungsanspruchs bezweckt und weil eine Feststellungsverfügung mangels Vollstreckbarkeit und mangels materieller Rechtskraft keinen einstweiligen Rechtsschutz gewähren kann (siehe LAG Düsseldorf vom 06.09.1995, NZA-RR 1996, S. 12, LAG Rheinland-Pfalz vom 18.11.1996 in LAGE, ZPO, § 935 Nr. 10). Dementsprechend kann sich aus dem rechtsstaatlichen Gebot effektiven Rechtschutzes keine Rechtfertigung für eine Feststellungsverfügung ergeben. Zulässig könnte eine Feststellungsverfügung allenfalls dann sein, wenn die Feststellung wenigstens einstweilig verbindlich wäre (so auch LAG Rheinland-Pfalz vom 18.11.1996, a.a.O.). Eine solche Verbindlichkeit ist aber generell weder nach § 940 ZPO noch durch das rechtsstaatliche Gebot effektiven Rechtschutzes des Antragstellers gerechtfertigt, sondern durch das Gebot effektiven Rechtschutzes des Antragsgegners in einem Hauptsacheverfahren im Sinne von § 926 ZPO ausgeschlossen (siehe LAG Rheinland-Pfalz vom 18.11.1996, a.a.O.).
16
2. Ausgehend vom Rechtschutzziel des Antragstellers ist jedoch erkennbar, dass er eine Regelungsverfügung begehrt, da er eine Regelung bezüglich der ihm obliegenden Leistungsverpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis wünscht. Sein gestellter Antrag ist dahingehend auslegungsfähig. Die Regelungsverfügung setzt das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs und Verfügungsgrundes voraus.
17
a) Nach Auffassung der erkennenden Kammer ist schon zweifelhaft, inwieweit die Antragsgegnerin vom Antragsteller aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung eine Tätigkeit im Ausland verlangen kann. Der Antragsteller wurde entsprechend dem Arbeitsvertrag als Bereichsleiter Controlling in der Zentrale der Antragsgegnerin eingestellt. Die Zentrale befindet sich in B. Zwar wurde im Arbeitsvertrag weiter von den Parteien vereinbart, dass der Arbeitnehmer diese Tätigkeit auch für andere Firmen der N.-Firmengruppe bzw. Tochtergesellschaften auszuüben hat und der Arbeitgeber auch berechtigt sei, den Arbeitnehmer im Rahmen der Zumutbarkeit auch in einen anderen Bereich zu versetzen. Dies ermöglicht dem Arbeitgeber nach § 106 Satz 1 GewO Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher zu bestimmen. Dabei ist jedoch umstritten, ob die Regelung des § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich eine Versetzung ins Ausland zulässt. So wird vertreten, dass die Befugnis hierzu schon direkt aus § 106 Satz 1 GewO grundsätzlich erfolge (Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 20. Aufl., § 106 GewO Rn. 18). Nach anderer Ansicht ist eine Versetzung in einen ausländischen Betrieb allein auf Grundlage von § 106 Satz 1 GewO, d.h., ohne dass dies ausdrücklich als möglich vereinbart worden wäre, in der Regel ausgeschlossen (vgl. hierzu BAG vom 20.04.1989 – 2 AZR 431/88 zitiert nach juris; Kommentar zum Kündigungsschutzrecht KR/Kreft, 12. Aufl., § 2 KSchG, Rn. 66).
18
b) Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin nach Ansicht der erkennenden Kammer mit ihrer Weisung vom 09.03.2022 jedenfalls die Grenzen billigen Ermessens nicht gewahrt.
19
Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 GewO, 315 Abs. 1 BGB verbleibt auch im Falle der Versetzung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Innerhalb dieses Spielraums können dem Bestimmungsberechtigten mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Dem Gericht obliegt nach § 106 GewO, § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB die Prüfung, ob der Arbeitgeber als Gläubiger die Grenzen seines Bestimmungsrechts beachtet hat. Bei dieser Prüfung kommt es nicht auf die vom Bestimmungsberechtigten angestellten Erwägungen an, sondern darauf, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen hat der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (ständige Rechtsprechung zum Beispiel BAG vom 30.11.2016, 10 AZR 11/16, BAG vom 18.10.2017, 10 AZR 330/16, beide zitiert nach juris). Im vorliegenden Fall war auf Seiten des Antragstellers zu berücksichtigen, dass er im Rahmen seines bisherigen Arbeitsvertrages lediglich an dem Standort in B… eingesetzt wurde und das dauerhafte Zuweisen einer Tätigkeit in Slowenien/Kroatien eine erhebliche Veränderung der Umstände ist, mit der die Arbeitsleistung zu erbringen ist. Zum anderen war aber auch das widersprüchliche Vorbringen der Antragsgegnerin zu berücksichtigen. Die Antragsgegnerin hat wiederholt vorgetragen (u.a. in dem Schriftsatz vom 28.04.2022, Seite 5), dass der Antragsteller nicht dauerhaft ins Ausland versetzt werden soll, dem gegenüber jedoch der Einarbeitungsplan vom 25.03.2022 ab dem 04.04.2022 bis einschließlich 29.07.2022 mit Ausnahme von Urlaubszeiten des Antragstellers durchweg einen Außendienst in Slowenien/Kroatien vorgesehen hat. Darüber hinaus ist auch nicht nachvollziehbar, dass der Antragsteller aufgrund der zugewiesenen Tätigkeit diese durchweg in Slowenien/Kroatien erbringen muss, hierfür sind keine sachlichen Gründe erkennbar.
20
Aufgrund der Ermessensüberschreitung bei der Ausübung des Weisungsrechts durch die Antragsgegnerin ist die ausgesprochene Regelungsverfügung gerechtfertigt. Infolge des über einen längeren Zeitraum geplanten Auslandsaufenthaltes sind wesentliche nicht rückabwickelbare Nachteile für den Antragssteller, der bisher nicht im Außendienst tätig war, offensichtlich gegeben. Die Regelung ist auch dringlich, da der Antragssteller zwar grundsätzlich einer rechtswidrigen Weisung nicht nachkommen muss (BAG vom 18.10.2017, 10 AZR 330/16), jedoch bei Fehleinschätzung das Risiko einer weiteren Arbeitgeberkündigung zu tragen hat. Aus Gründen eines effektiven Rechtsschutzes ist dem Antragssteller einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren. Die Dringlichkeit ist auch nicht deswegen zu verneinen weil der Antragssteller die zugewiesene Stelle zunächst angenommen hat. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin zunächst verlautbart hatte, dass eine dauerhafte Auslandstätigkeit nicht erfolgen müsse und eine Tätigkeitsbeschreibung zu der Projektleiterstelle dem Antragssteller nicht zur Verfügung gestellt wurde. Es ist nachvollziehbar, dass der Antragssteller erst mit Beschäftigungsaufnahme und dem Erhalt des Einsatzplanes vom 25.03.2022 erkennen konnte inwieweit die zugewiesene Tätigkeit mit dem Direktionsrecht der Antragsgegnerin zu vereinbaren ist.
21
Die getroffene Regelung ist zur Gewährung eines effektiven Rechtschutzes für den Antragsteller erforderlich, diesen vor drohenden Nachteilen im Rahmen des Arbeitsverhältnisses zu schützen. Andererseits ist sie aber auch ausreichend, um den Antragsteller vor nicht hinnehmbaren Nachteilen zu schützen.
22
Keine Notwendigkeit sah die erkennende Kammer bezüglich einer Regelung hinsichtlich des Inhalts der zugewiesenen Tätigkeit, da insoweit keine wesentlichen Nachteile erkennbar sind. Insbesondere teilt die Kammer nicht die Einschätzung des Antragstellers, dass die Tätigkeit eines Projektleiters so unterwertig ist, als dass sie seine Reputation im Betrieb unangemessen schädigen würde (siehe hierzu auch Ausführungen zu 3. a).
23
3. Soweit der Antragsteller im Rahmen seiner Berufung auch einen Hilfsantrag gestellt hat, war dieser zurückzuweisen, da ein Verfügungsgrund nicht erkennbar ist.
24
a) Mit dem gestellten Hilfsantrag auf tatsächliche Beschäftigung wird keine Sicherungsverfügung, sondern eine Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) begehrt. Diese ist nach ganz herrschender Auffassung ausnahmsweise zulässig, in dessen sind jedoch an den Verfügungsgrund strenge Anforderungen zu stellen. Nach §§ 935, 940 ZPO müssen dem Antragsteller „wesentliche Nachteile“ drohen. Nach der überwiegenden und zutreffenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur genügt der Gesichtspunkt der Rechtsvereitelung bei einem im Wege des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Beschäftigungsanspruch nicht aus, um einen Verfügungsgrund zu bejahen. Denn der Rechtsverlust allein muss noch nicht zwingend ein wesentlicher, nicht hinnehmbarer Nachteil sein, auch wenn der Beschäftigungsanspruch letzten Endes seine Wurzel im Grundsatz der Menschenwürde gemäß Art. 1 GG und im Persönlichkeitsgrundrecht nach Art. 2 Abs. 1 GG hat. Entscheidend ist für den „wesentlichen Nachteil“ nicht der bloße Umstand, dass ein Rechtsverlust eintritt, sondern welche Auswirkungen bzw. Folgen dieser Verlust für den Arbeitnehmer hat.
25
b) Soweit der Antragsteller erstinstanzlich vorgetragen hat, dass er durch die Beschäftigung als „Projektleiter“ in seiner Reputation im Unternehmen irreparabel verletzt werden würde, ist für die erkennende Kammer nicht nachvollziehbar, warum bereits aus einer Zuweisung einer eventuell unterwertigen Tätigkeit eine irreparable Situation eintritt und zum anderen ist aufgrund des beiderseitigen Sachvortrages im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens zumindest nicht offensichtlich erkennbar, dass es sich bei den zugewiesenen Tätigkeiten um eine nicht gleichwertige Tätigkeit handelt, die geeignet ist, den Antragsteller in seinem Ansehen im Betrieb zu schädigen.
26
Die Berufung des Antragstellers war insoweit zurückzuweisen.
III.
27
1. Von den Kosten des Verfügungsrechtsstreits haben der Antragsteller und die Antragsgegnerin jeweils die Hälfte zu tragen (§ 92 Abs. 1 ZPO).
28
2. Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).