Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 20.12.2022 – B 1 S 22.1111
Titel:

Entziehung Fahrerlaubnis, Gelegentlicher Cannabiskonsum, THC und THC-COOH Werte, Beweiswürdigung, Medizinischpsychologisches Gutachten, Nichtvorlage

Normenketten:
SIVG § 3 Abs. 1
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
FeV § 11 Abs. 8
FeV § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
FeV Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur
VwVfG Art. 3 Abs. 3
FeV § 73 Abs. 2 S. 2
Schlagworte:
Entziehung Fahrerlaubnis, Gelegentlicher Cannabiskonsum, THC und THC-COOH Werte, Beweiswürdigung, Medizinischpsychologisches Gutachten, Nichtvorlage
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 15.03.2023 – 11 CS 23.44
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44953

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Beklagten, in dem die Entziehung seiner Fahrerlaubnis angeordnet wurde.
2
Dem Antragsteller, geb. am … in …, wohnhaft in …, wurde am 4. Dezember 2019 durch das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) erstmalig die Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L, Führerschein-Nr. …, erteilt.
3
Die Polizeiinspektion … teilte dem Landratsamt unter dem 17. März 2022 mit, dass der Antragsteller am 3. März 2022 gegen § 29 BtMG (Cannabis einschließlich Zubereitung) verstoßen habe. Bei einer allgemeinen polizeilichen Personenkontrolle habe der Antragsteller einen Grinder mit Marihuanaanhaftungen sowie ein Glas mit einer geringen Menge Marihuana (Nettogewicht 0,72 g) in ein angrenzendes Gebüsch geworfen. Bei der Durchsuchung habe außerdem ein Filtertip sichergestellt werden können. Das Ermittlungsverfahren wurde wegen geringer Schuld gemäß § 45 Abs. 1 JGG eingestellt.
4
Am 29. Oktober 2021 geriet der Antragsteller gegen 18:20 Uhr bei einer Fahrt mit einem E-Scooter in … in eine allgemeine, drogenspezifische Verkehrskontrolle, bei der er aufgrund einer polizeilich angeordneten Urinprobe positiv auf Cannabinoide (THC) getestet wurde. Infolgedessen ordnete die Verkehrspolizeiinspektion … die Durchführung einer ärztlichen Blutentnahme an. Im Rahmen der chemisch-toxikologischen Analyse des Instituts für Rechtsmedizin der …Universität … vom 10. Januar 2022 wurden folgende Werte ermittelt:
Tetrahydrocannabinol (THC): 2,5 ng/mL
THC-Carbonsäure (THC-COOH): 33 ng/mL.
5
Mit Schreiben der Verkehrspolizeiinspektion … vom 14. März 2022 wurde dem Landratsamt dieser Sachverhalt mitgeteilt. Der Antragsteller habe bei der Kontrolle angegeben, regelmäßig Marihuana zu konsumieren und zuletzt vor zwei Tagen zwei Joints geraucht zu haben.
6
Am 5. Mai 2022 erging ein Bußgeldbescheid (Az.: …) gegen den Antragsteller wegen eines Verstoßes nach § 24a StVG, in dem u.a. ein Fahrverbot von einem Monat verhängt wurde.
7
Unter dem 10. Mai 2022 teilte das Landratsamt dem Antragsteller mit, dass es aufgrund dieser Mitteilung beabsichtige, den Antragsteller zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufzufordern, um zu klären, ob er auch künftig ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss führen werde. Dabei wurde dem Antragsteller eine Frist zur Äußerung bis zum 24. Mai 2022 eingeräumt.
8
Mit Schreiben vom 23. Mai 2022 zeigte sich der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers an und wies auf den einmaligen Konsum von Cannabis durch seinen Mandanten hin. Weder läge bei diesem ein gelegentlicher noch ein regelmäßiger Konsum vor, sodass Auswirkungen auf die Fahreignung und ein Verstoß gegen das Trennungsgebot nicht zu befürchten seien. Es sei nur eine geringe Menge von THC festgestellt worden und der Antragsteller habe nur einen E-Scooter geführt. Zudem erfolgte der Hinweis auf die Einlegung eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 5. Mai 2022 (Az. …), der wegen des Fahrens des E-Scooters unter Cannabiseinfluss erlassen wurde.
9
Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Landratsamts vom 4. August 2022, zugestellt am 8. August 2022, zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens bis spätestens zum 4. November 2022 aufgefordert. Der Gutachter habe zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
- Kann … trotz der Hinweise auf gelegentlichen Cannabiskonsum sowie der bekannten Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss
- ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 (FE-Klassen B, AM und L)
- ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug und/oder
- ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug sicher führen?
- Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass er zukünftig
- ein Kraftfahrzeug
- ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug und/oder
- ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis oder dessen Nebenwirkungen führen wird (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)? Bei der Ermessensentscheidung werde berücksichtigt, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgingen. Cannabiskonsum im Speziellen beeinträchtige Fähigkeiten, die zum Führen eines Fahrzeuges notwendig seien. Auch wenn beim Antragsteller aufgrund des THC-Wertes nicht zwingend von einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Konsum und Fahrt ausgegangen werden könne, so erscheine es aus Gründen der Verkehrssicherheit und zur Vermeidung künftiger Fahrten unter Cannabiseinfluss erforderlich, durch ein Fahreignungsgutachten zu klären, ob der Antragsteller auch zukünftig unter Cannabiseinfluss fahre. Zur Abklärung des Trennvermögens sei deshalb eine medizinisch-psychologische Untersuchung notwendig. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass das Landratsamt im Falle der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens auf die Nichteignung des Antragstellers schließen kann. Der Antragsteller wurde außerdem darauf aufmerksam gemacht, die Unterlagen, welche an die Untersuchungsstelle übersandt werden, in den Diensträumen der Führerscheinstelle einsehen zu können.
10
Unter dem 31. Oktober 2022 teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt mit, dass an der vorgetragenen Rechts- und Tatsachenauffassung festgehalten werde. Es sei weder dargelegt noch nachgewiesen worden, dass ein gelegentlicher Konsum von Cannabis vorliege, der die Beibringungsaufforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens begründe. Der einmalige Konsum von Cannabis rechtfertige nicht die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung. Es werde bereits jetzt in Abrede gestellt, dass gegenüber den ermittelnden Polizeibeamten seitens des Antragstellers die Aussage getätigt worden sei, dass er in der Vergangenheit abermals Cannabis konsumiert habe. Selbst wenn zwei selbständige Konsumvorgänge vorliegen sollten, so bedürfe es außerdem eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen den Konsumhandlungen. Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich bei einem E-Scooter um ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug handle. Abschließend werde angemerkt, dass der Antragsteller seit dem 30. September 2022 seinen ersten Wohnsitz nach … verlegt habe; eine entsprechende Ummeldung sei bereits vereinbart worden. Deshalb sei das Landratsamt fortan nicht mehr zuständig.
11
Am 7. November 2022 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers dem Landratsamt eine amtliche Meldebestätigung, aus der sich ergibt, dass dieser zum 1. Oktober 2022 nach … gezogen ist.
12
Die Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises … erteilte dem Landratsamt mit E-Mail vom 10. November 2022 die Zustimmung zur Weiterführung des Verfahrens.
13
Nachdem der Antragsteller das geforderte Gutachten nicht vorgelegt hat, wurde er mit Schreiben des Landratsamts vom 10. November 2022 zu der beabsichtigten Fahrerlaubnisentziehung auf Grundlage des § 11 Abs. 8 FeV angehört, wobei ihm eine Frist zur Äußerung bis zum 18. November 2022 gesetzt wurde.
14
Mit Bescheid vom 24. November 2022, zugestellt am 29. November 2022, entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L (Ziffer 1). Es wurde weiterhin angeordnet, dass der vom Landratsamt unter der Führerscheinnummer … am 4. Dezember 2019 ausgehändigte Führerschein innerhalb von 7 Tagen nach Zustellung des Entziehungsbescheides beim Landratsamt abzugeben ist (Ziffer 2 a)). Sollte der Führerschein unauffindbar sein, so sei innerhalb derselben Frist eine Versicherung an Eides Statt über den Verbleib des Führerscheins beim Landratsamt abzugeben (Ziffer 2 b)). Der Bescheid werde in den Ziffern 1 und 2 a) und b) für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 3). Falls die in Ziffer 2 a) und b) genannten Verpflichtungen nicht fristgerecht erfüllt würden, werde ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 750,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer 4). Die Kosten des Verfahrens habe der Antragsteller zu tragen (Ziffer 5). Es werde eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt (Ziffer 6).
15
Die örtliche Zuständigkeit des Landratsamtes für die Fahrerlaubnisentziehung in Ziffer 1 bleibe auf Grundlage von Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG erhalten, da die Fortführung der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens diene und die nunmehr zuständige Behörde zugestimmt habe. Das Landratsamt müsse dem Antragsteller die Fahrerlaubnis auf Grundlage von § 11 Abs. 8 FeV entziehen, da er der behördlichen Anordnung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht Folge geleistet habe. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV i. V. m. Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV könne die Fahrerlaubnisbehörde die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliege und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründeten. Aufgrund des bei der Verkehrskontrolle am 29. Oktober 2021 gegen 18:20 Uhr festgestellten THC-Wertes von 2,5 ng/ml stehe fest, dass der Antragsteller den Konsum von Drogen nicht von der Verkehrsteilnahme habe trennen können. Außerdem habe der Antragsteller bei der Kontrolle angegeben, vor zwei Tagen zwei Joints geraucht zu haben. Somit stehe ein mindestens zweimaliger Konsum fest, da der Wirkstoff THC bei inhalativem Konsum nach Aufnahme einer Einzelwirkdosis nur etwa vier bis sechs Stunden im Blut nachweisbar sei. Gelegentlicher Konsum liege bereits dann vor, wenn in zwei unabhängigen Konsumakten Cannabis konsumiert werde. Aufgrund des zumindest gelegentlichen Konsums von Cannabis und der bekannten Verkehrsteilnahme unter Cannabiseinfluss habe das Landratsamt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens fordern dürfen.
16
Die Abgabeverpflichtung des Führerscheins in Ziffer 2 a) beruhe auf § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV.
17
Die Sofortvollzugsanordnung in Ziffer 3 beruhe auf dem überwiegenden öffentlichen Interesse, dass andere Verkehrsteilnehmer vor ungeeigneten Fahrzeugführern geschützt werden müssten. Ziffer 1 sei für sofort vollziehbar zu erklären, da aufgrund der Nichtvorlage des Gutachtens die Ungeeignetheit des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen befürchtet werden müsse und andernfalls die Gefahr bestünde, dass weitere Fahrten unter Betäubungsmitteleinfluss vorgenommen würden. Die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs überwiege hier das private Interesse, bis zu einer bestandskräftigen Entscheidung von einem Fahrerlaubnisentzug verschont zu bleiben. Der Sofortvollzug der Ziffer 2 sei angeordnet worden, um einer missbräuchlichen Verwendung des Führerscheins bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides vorzubeugen.
18
Es folgt die Begründung der Zwangsgeldandrohung sowie der Kostenentscheidung.
19
Eine telefonische Anfrage des Landratsamts bei der Zentralen Bußgeldstelle in … am 7. Dezember 2022 ergab, dass das per Bußgeldbescheid gegen den Antragsteller verhängte Fahrverbot vom 1. bis zum 31. Dezember 2022 gilt. Der Antragsteller habe seinen Führerschein bei der Zentralen Bußgeldstelle abgegeben.
20
Der Führerschein wurde anschließend an das Landratsamt zur Aufbewahrung übersendet.
21
Mit am 1. Dezember beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenen Schriftsatz ließ der Antragsteller durch seinen Prozessbevollmächtigten beantragen,
1.
die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis des Antragsgegners mit Bescheid vom 24.11.2022, zugestellt am 29.11.2022, wiederherzustellen und
2.
die aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Androhung der Festsetzung eines Zwangsgeldes anzuordnen.
22
Unter dem 2. Dezember 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tage, ließ der Kläger Klage gegen den Entziehungsbescheid des Landratsamts erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Beklagten vom 24. November 2022, Aktenzeichen …, zugestellt am 29. November 2022, über die Entziehung der Fahrerlaubnis der Klassen B, AM und L aufzuheben.
23
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei dem Vorfall am 29. Oktober 2021 um einen einmaligen Fehltritt des Antragstellers gehandelt habe und dieser nicht gelegentlich Cannabis konsumiere. Die nachgewiesenen THC-Werte rechtfertigten nicht den Rückschluss darauf, dass der Antragsteller mehr als einmal Cannabis konsumiert habe. Die Aussage, er würde regelmäßig Marihuana konsumieren und habe zuletzt zwei Joints vor zwei Tagen geraucht, habe der Antragsteller gegenüber den Polizeibeamten nicht getätigt. Es bestehe der Verdacht einer Verwechslung. Nach der polizeilichen Aufforderung zur Abgabe einer Urinprobe habe der Antragsteller lediglich angegeben, einmalig Cannabis konsumiert zu haben. Dem Antragsteller könne deshalb nur ein einmaliger Konsum vorgehalten werden. Auch wenn unterstellt würde, dass seitens des Antragstellers das Rauchen zweier Joints zwei Tage vor der Kontrolle zugegeben worden sei, so stelle dies nur einen Konsumakt und nicht zwei selbständige Konsumakte dar. Das Landratsamt sei deshalb nicht befugt gewesen, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu fordern. Der Entziehungsbescheid auf der Grundlage der Nichtvorlage des Gutachtens sei deshalb rechtswidrig. Der Antragsteller sei zudem zum Zwecke der Besorgung privater Angelegenheiten, insbesondere Einkaufen und Besuch der Eltern, auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Des Weiteren habe er aufgrund der Verkehrsordnungswidrigkeit und des damit einhergehenden einmonatigen Fahrverbotes seinen Führerschein bereits in amtliche Verwahrung gegeben, so dass es ihm derzeit nicht möglich sei, der Sofortvollzugsanordnung nachzukommen.
24
Der Antragsgegner beantragte unter dem 12. Dezember 2022, den Antrag abzulehnen.
25
Es wurde im Wesentlichen die Begründung des streitgegenständlichen Bescheids wiederholt. Im Übrigen werde auf den Polizeibericht vom 14. März 2022, die Anordnung zur Vorlage des Gutachtens vom 4. August 2022 und das Schreiben des Landratsamtes … vom 10. November 2022 verwiesen.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
27
Der nur teilweise zulässige Antrag hat auch in der Sache keinen Erfolg und ist deshalb abzulehnen.
28
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr.1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen. Das Gericht prüft im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO auch, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind.
29
1. Der Antrag ist teilweise unzulässig. Einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die in Ziffer 4 des angefochtenen Bescheids enthaltene Zwangsgeldandrohung steht entgegen, dass der Führerschein rechtzeitig bei einer dem Landratsamt vergleichbaren staatlichen Stelle, konkret bei der Zentralen Bußgeldstelle, abgegeben wurde und anschließend an das Landratsamt übersendet wurde. Damit ist nicht anzunehmen, dass das Landratsamt die Erfüllung dieser Verpflichtung weiterhin durch Zwangsmittel durchsetzen wird. Einer Durchsetzung steht auch Art. 37 Abs. 4 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG) entgegen. Für einen solchen Antrag fehlt folglich das Rechtsschutzbedürfnis (VG Bayreuth, B.v. 12.7.2018 – B 1 S 18.564 – juris Rn. 21).
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2. Der im Übrigen zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg und ist abzulehnen.
31
a. Der Bescheid ist insbesondere nicht wegen fehlender örtlicher Zuständigkeit des Landratsamts … infolge des Umzuges des Antragstellers in den Zuständigkeitsbereich der Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises … rechtswidrig. Zwar hatte der Antragsteller im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses seinen Wohnsitz im Zuständigkeitsbereich der Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises …, weshalb das Landratsamt … gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) bei dem Erlass der Fahrerlaubnisentziehung nach § 3 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), § 46 Abs. 1, § 11 Abs. 8 FeV nicht mehr örtlich zuständig war. Darauf, ob in dieser Konstellation Art. 46 BayVwVfG eingreift, kommt es nicht entscheidungserheblich an, da schon kein Verstoß gegen Vorschriften der örtlichen Zuständigkeit im Sinne eines Verfahrensfehlers vorliegt. Die örtliche Zuständigkeit des Landratsamts … ergibt sich vorliegend zwar nicht aus § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV, wonach Anträge mit Zustimmung der örtlich zuständigen Behörde von einer gleichgeordneten Behörde behandelt und erledigt werden können, da sich diese Vorschrift ausschließlich auf Antragsverfahren, nicht jedoch auf Verwaltungsakte im Rahmen der klassischen Eingriffsverwaltung nach Zuständigkeitswechsel durch Wohnsitzverlagerung bezieht. Eine Abweichung von der grundsätzlich gemäß § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV bestehenden örtlichen Zuständigkeit der Wohnsitzbehörde war aber gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG gerechtfertigt. Ändern sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände, kann nach dieser Vorschrift die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt. Die Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises … hat vorliegend schriftlich ihre Zustimmung zur Verfahrensbeendigung durch das Landratsamt … erklärt. Dass es dies irrig unter Verweis auf § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV getan hat, ist unschädlich, weil aus der Erklärung jedenfalls eindeutig hervorgeht, dass sie damit einverstanden war, dass das Landratsamt* …als bisher zuständige Behörde das Verfahren zunächst weiterführt und beendet (vgl. so auch BayVGH, B.v. 20.2.2007 – 11 CS 06.2029 – juris Rn. 19). Dies diente der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens. Dem Erfordernis der Wahrung der Interessen der Beteiligten ist – wie im vorliegenden Fall – genügt, wenn die Geltendmachung ihrer Rechte durch die Fortführung des Verfahrens bei der ursprünglich zuständigen Behörde nicht wesentlich erschwert wird (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, Rn. 50 zu der insoweit wortgleichen bundesrechtlichen Vorschrift des § 3 VwVfG). Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Insbesondere wird er nicht durch § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV verdrängt. Beide Bestimmungen haben vielmehr unterschiedliche Regelungsbereiche und sind deshalb nebeneinander anwendbar. Das Abweichen von der örtlichen Zuständigkeit war folglich aufgrund der schriftlichen Erklärung der Fahrerlaubnisbehörde des Landkreises … vom 10. November 2022 legitimiert.
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b. Ziffer 1 des Bescheides hält einer Rechtmäßigkeitskontrolle bei summarischer Prüfung stand.
33
aa. Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere dann, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 der FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde. Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet oder bedingt geeignet ist, so finden gem. § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.
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bb. Die Nichteignung des Klägers ergibt sich vorliegend aus § 11 Abs. 8 FeV. Bringt ein Fahrerlaubnisbewerber demgemäß ein behördlich angeordnetes Fahreignungsgutachten nicht bzw. nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt ihrer Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis darauf schließen, dass dem Betroffenen die Fahreignung fehlt. Der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Falle grundloser Nichtbeibringung des Gutachtens ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist (st Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20/15 – juris Rn. 19). Die Gutachtensanordnung muss weiter hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Weiterhin ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV erforderlich, dass der Betroffene nachweislich auf die Folgen der Nichteignungsvermutung des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV hingewiesen wurde. Die Frist muss so bemessen sein, dass dem Betroffenen die Gutachtensbeibringung möglich und zumutbar ist (BVerwG, U.v. 9.6.2005 – 3 C 25.04 – DAR 2005, 581; BayVGH, B.v. 17.4.2019 – 11 CS 19.24 – juris Rn. 18).
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1) Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV liegt eine Kraftfahreignung bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis vor, wenn der Konsum und das Fahren getrennt werden, kein zusätzlicher Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen besteht und keine Störung der Persönlichkeit oder Kontrollverlust vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass ein ärztliches Gutachten beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass eine Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des BtMG vorliegt. Nach § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kann die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens angeordnet werden, wenn eine gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen.
36
2) Daran gemessen begegnet die vom Landratsamt verfügte Entziehung der Fahrerlaubnis keinen rechtlichen Bedenken. Der Schluss aus der Nichtvorlage des angeforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens auf die fehlende Fahreignung ist gerechtfertigt, denn die auf § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV gestützte Gutachtensanordnung war rechtmäßig.
37
a) Entgegen der Auffassung des Antragstellers durfte das Landratsamt im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 14; BayVGH, B.v. 14.9.2021 – 11 CS 21.1965 – juris Rn. 17) davon ausgehen, dass der Antragsteller zumindest gelegentlich Cannabis konsumiert oder konsumiert hat. Gelegentlicher Konsum von Cannabis liegt vor, wenn der Betroffene in zwei oder mehr selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (ständige Rechtsprechung, zuletzt BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17 – juris Rn. 14). Insofern unterscheidet sich der gelegentliche Konsum vom fahrerlaubnisrechtlich nicht relevanten einmaligen Konsum von Cannabis.
38
b) Bei der Wertung, dass der Antragsteller mehr als einmal und damit gelegentlich Cannabis konsumiert hat, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung. Zwar ist die Gelegentlichkeit des Cannabiskonsums ein Tatbestandsmerkmal, für das die Fahrerlaubnisbehörde die materielle Beweislast trägt, mit der Folge, dass eine etwaige Nichterweislichkeit zu ihren Lasten geht. Allerdings liegt ein einmaliger Konsum nur dann vor, wenn der Betreffende entweder erstmals im Rahmen eines Probierkonsums Cannabis zu sich genommen hat oder frühere Konsumakte derart weit zurückliegen, dass daran nicht mehr angeknüpft werden kann und er aus besonderen Umständen heraus einmalig Cannabis eingenommen hat (BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 23; B.v. 25.6.2020 – 11 CS 20.791 – juris Rn. 23). Dies plausibel darzulegen, obliegt dem Betroffenen. Die bloße Behauptung eines einmaligen Konsums ist nicht ausreichend (vgl. BayVGH, B.v. 29.3.2017 – 11 CS 17.368 – juris Rn. 15).
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aa) Vor dem Hintergrund des äußerst seltenen Falles, dass ein mit den Wirkungen der Droge noch völlig unerfahrener Erstkonsument nach dem Konsum ein Kraftfahrzeug führt und dann auch noch von der Polizei kontrolliert wird, ist im Rahmen der Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs grundsätzlich die Annahme gerechtfertigt, dass ohne substantiierte und plausible Darlegung des Gegenteils nicht von einem einmaligen Konsum ausgegangen werden muss (vgl. BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 11 CS 22.860 – juris Rn. 15; B.v. 7.3.2022 – 11 CS 22.362 – juris Rn. 15; B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 14 f.), da es sich bei dem Vortrag des einmaligen Konsums vielfach um eine bloße Schutzbehauptung handelt. Erst wenn substantiierte Darlegungen erfolgen, die für einen einmaligen Konsum sprechen, ist ihre Glaubhaftigkeit unter Würdigung sämtlicher Fallumstände zu prüfen (BayVGH, B.v. 29.3.2017 – 11 CS 17.368 – juris Rn. 14).
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bb) Ob der gegenüber den Polizeibeamten bei der Verkehrskontrolle am 29. Oktober 2021 geäußerte Konsum zweier Joints zwei Tage vor der Kontrolle im Sinne zweier selbständiger Konsumvorgänge verstanden werden kann, so wie es die Rechtsprechung des BVerwG als Voraussetzung für einen gelegentlichen Cannabiskonsum vorsieht, kann vorliegend dahinstehen, auch wenn vieles dafürspricht, dass das Rauchen von zwei Joints bei einer Gelegenheit nicht in zwei situativ voneinander zu trennende Vorgänge im Sinne der Definition geteilt werden kann (vgl. so auch Schubert/Huetten/Reimann/Graw, Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung, Kommentar, 3. Aufl. 2018, S. 320). Zum einen kann der Aussage des Antragstellers nicht entnommen werden, ob es sich tatsächlich um einen Konsum der zwei Joints bei einer Gelegenheit gehandelt hat und zum anderen käme es auf diese Frage, selbst wenn unterstellt würde, dass die Joints im zeitlichen Zusammenhang im Rahmen einer Gelegenheit geraucht wurden, nicht entscheidungserheblich an, da bereits aufgrund weiterer Anhaltspunkte von einem gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers ausgegangen werden kann.
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Denn der gegenüber den kontrollierenden Polizeibeamten angegebene Cannabiskonsum zwei Tage vor der Verkehrskontrolle kann den in der am 29. Oktober 2021 um 18:55 Uhr entnommenen Blutprobe festgestellten THC-Wert von 2,5 ng/ml nicht erklären. Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum nur sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, Kapitel 8, S. 247). Bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten sind bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festzustellen. Lediglich bei häufigem Cannabiskonsum kann ggf. selbst 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum noch eine positive THC-Konzentration im Serum nachgewiesen werden (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, Kapitel 8, S. 247). Diese Erkenntnisse über das Abbauverhalten von THC ermöglichen nach ständiger Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs die Beurteilung, ob ein für einen bestimmten Zeitraum eingeräumter Konsum von Cannabis für die Konzentration ursächlich gewesen sein kann, die in einer später gewonnenen Blutprobe vorhanden war (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 26; B.v. 24.9.2020 – 11 CS 20.1234 – juris Rn. 22; B.v. 3.1.2017 – 11 CS 16.2401 -juris Rn. 13 ff. m.w.N.; U.v. 10.4.2018 – 11 BV 18.259 – juris Rn. 24). Hiervon ausgehend kann der beim Antragsteller am 29. Oktober 2021 festgestellte THC-Wert nicht auf den angegebenen Konsum zwei Tage vor der Kontrolle, mithin am 27. Oktober 2021 und damit ca. 48 Stunden früher, zurückgeführt werden. Vielmehr muss er, um einen solchen Wert zu erreichen, entweder am Tag der Fahrt unter Cannabiseinfluss nochmals oder aber häufig Cannabis konsumiert haben.
42
Sofern vom Prozessbevollmächtigten des Antragstellers vorgetragen wird, die Aussage, der Antragsteller habe zwei Tage zuvor bereits zwei Joints geraucht, sei so nicht getätigt worden, so hält die Kammer diesen Vortrag angesichts des polizeilichen Berichts des PHM … und des POM … vom 29. Oktober um 19 Uhr für unplausibel. Vielmehr wird diese Aussage des Antragstellers gegenüber den Polizeibeamten im Rahmen der Kontrolle am 29. Oktober 2022 nach erfolgter Belehrung durch die Äußerung, er konsumiere regelmäßig Marihuana, gestützt. Von einer substantiierten Darlegung des Gegenteils kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.
43
cc) Nur ergänzend wird deshalb festgehalten, dass auch der beim Antragsteller am 29. Oktober 2021 festgestellte THC-COOH Wert von 33 ng/ml zumindest Indizwirkung im Hinblick auf einen gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers entfaltet. Während der Hauptwirkstoff THC in Abhängigkeit von Aufnahmemenge und Konsumform nach einer Einzeldosis nur ca. sechs bis zwölf Stunden im Serum nachweisbar ist, kann die nicht psychoaktive THC-Carbonsäure (THC-COOH) über einen deutlich längeren Zeitraum detektiert werden. Bei regelmäßigem Konsum kommt es zu einer Kumulation der THC-COOH und damit zu einem Anstieg der messbaren Konzentrationen (Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, Kapitel 8, S. 246). So vertritt das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in ständiger Rechtsprechung, dass bei einem Verkehrsteilnehmer, der unter verkehrsrechtlich relevantem Cannabiseinfluss ein Fahrzeug führt, ab einem THC-COOH Wert von 10 ng/ml Serum von gelegentlichem Cannabiskonsum auszugehen ist, wenn der Betroffene nicht substantiiert und glaubhaft darlegt, er habe erstmals Cannabis eingenommen (OVG RhPf, B.v. 1.3.2018 – 10 B 10008/18 – juris LS; vgl. auch OVG Berlin-Bbg, B.v. 24.5.2006 – OVG 1 S 14.06 – juris Rn. 8, welches bei Konzentrationen zwischen 5 ng/ml und 75 ng/ml einen gelegentlichen Cannabiskonsum annimmt).
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dd) Auch der Umstand, dass die Polizei beim Antragsteller am 3. März 2022 Cannabis sichergestellt hat, kann neben den bereits erörterten Indizien als zusätzliches Indiz für einen gelegentlichen Cannabiskonsum im summarischen Verfahren gewertet werden.
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c) Mit der Fahrt vom 29. Oktober 2021 hat der Antragsteller auch gegen das Trennungsgebot der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 verstoßen, was Zweifel an seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen begründet (vgl. BayVGH, B.v. 23.3.2021 – 11 CS 20.2643 – juris Rn. 33; U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 -juris Rn. 23; Pause-Münch in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand 23.5.2022, § 14 FeV Rn. 42). Gemäß dem Gutachten des Instituts für Rechtsmedizin der …-Universität … vom 10. Januar 2022 hat er mit einer Konzentration von 2,5 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) im Blut am Straßenverkehr teilgenommen. Somit hat er den maßgeblichen Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml THC überschritten, weshalb eine durch den Drogeneinfluss bedingte Beeinträchtigung seiner Fahrtüchtigkeit nicht auszuschließen war, was nach Auffassung der aktuellen Rechtsprechung alleine maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 8.18 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 12.11.2021 – 11 CS 21.2536 – juris Rn. 17; *vgl. auch Pause-Münch in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., Stand 23.5.2022, § 14 FeV Rn. 42). Dabei wurde von der Rechtsprechung auch berücksichtigt, dass die Grenzwertkommission von 2015 erst aber einer THC-Konzentration von 3,0 ng/ml von der gesicherten Annahme eines erst kürzlich erfolgten Konsums ausgeht, bei dem der Betroffene mit einer Leistungsbeeinträchtigung rechnen muss (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 8/18 – juris LS).
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d) Die Beibringungsaufforderung vom 4. August 2022 entspricht den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 FeV. Das Landratsamt ist den sich aus § 11 Abs. 6 Satz 2 und 4 FeV ergebenden Informationspflichten korrekt nachgekommen. Es hat dem Kläger in seinem Schreiben vom 4. August 2022 ausführlich die Gründe dargelegt, welche die Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers stützen. Dabei bezieht sich das Landratsamt auf die polizeiliche Verkehrskontrolle am 29. Oktober 2022 und erläutert, weshalb es aufgrund dieser bekannt gewordenen Tatsachen beim Antragsteller das Vorliegen eines gelegentlichen Cannabiskonsums vermutet, der Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers begründet. Auch Hinweise darauf, dass der Antragsteller die Kosten der Begutachtung zu tragen hat und das Recht hat, die zu übersendenden Unterlagen einzusehen (§ 11 Abs. 6 Satz 2 FeV) sowie ein Hinweis über die Rechtsfolge des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV (§ 11 Abs. 8 Satz 2 FeV) sind in der Beibringungsanordnung enthalten.
47
Die Fragestellung an den Begutachter wurde hinreichend konkret und bestimmt gestellt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FeV). So bezieht sich die erste Frage nach der Fahreignung trotz der Anhaltspunkte für einen gelegentlichen Cannabiskonsum auf den medizinischen Teil der Begutachtung und die zweite Frage nach dem Trennungsvermögen des Antragstellers auf den psychologischen Teil der Begutachtung. Die Fragen werden von den Beurteilungskriterien der Fahreignungsbegutachtung der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin (DGVM) auch so vorgesehen (vgl. Schubert/Dittmann/Brenner-Hartmann, Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 63).
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Die Fristsetzung zur Beibringung des medizinischen Gutachtens war angemessen im Sinne von § 2 Abs. 8 StVG und § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV. Sie war insbesondere so bemessen, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände möglich und zumutbar war, das Gutachten fristgerecht vorzulegen. Die Frist muss lediglich so bemessen sein, dass eine Gutachterstelle zur Erstellung eines Gutachtens über die aktuelle Fahreignung tatsächlich in der Lage ist (vgl. so auch VG Würzburg, B.v. 8.5.2017 – W 6 S 17.413 – juris Rn. 29). Mit Schreiben vom 4. August 2022, zugestellt am 8. August 2022, wurde der Antragsteller aufgefordert, bis zum 4. November 2022 ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Diesem standen folglich fast drei Monate zur Verfügung, seine Fahreignung entsprechend der Gutachtensbeibringungsaufforderung begutachten zu lassen.
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e) Das Landratsamt hat das ihm gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV zustehende Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Ausgehend vom Wortlaut „kann“ stellt § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV eine Ermessensvorschrift dar (vgl.*auch BayVGH, B.v. 26.5.2021 – 11 CS 21.730 – juris Rn. 31; BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 14/17 – juris Rn. 45). Es bestehen keine Anhaltspunkte für Ermessensfehler, § 114 Satz 1 VwGO. So wurde seitens des Landratsamtes berücksichtigt, dass von Betäubungsmittelkonsumenten erhebliche Gefahren für den Straßenverkehr ausgehen. Aus Gründen der Verkehrssicherheit und zur Vermeidung künftiger Fahrten unter Cannabiseinfluss hielt es das Landratsamt für erforderlich, durch ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten zu klären, ob der Antragsteller auch zukünftig unter Cannabiseinfluss fährt und ob er in der Lage ist, den Konsum und die Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen.
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3) Nachdem der Antragsteller das ordnungsgemäß geforderte Gutachten nicht innerhalb der angemessenen Frist beigebracht hat, war die Fahrerlaubnisbehörde nach § 11 Abs. 8 FeV gehalten, aus der Nichtvorlage auf die Nichteignung zu schließen und hatte dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Ein Ermessen wird der Behörde bei dieser Entscheidung nicht eingeräumt.
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c. Da dem Antragsteller die Fahrerlaubnis nach summarischer Prüfung zu Recht entzogen worden ist, ist die Abgabeverpflichtung in Ziffer 2 des Bescheides, die ebenfalls für sofort vollziehbar erklärt wurde, als begleitende Anordnung geboten, um die Ablieferungspflicht nach § 47 Abs. 1 FeV durchzusetzen. Die Anordnung zur Abgabe des Führerscheins hat sich insbesondere nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Abgabe an das Landratsamt erledigt, sondern stellt die Rechtsgrundlage für das Einbehalten des Dokuments dar (BayVGH, B.v. 6.10.2017 – 11 CS 17.953 – juris Rn. 9; B.v. 12.2.2014 – 11 CS 13.2281 – juris Rn. 22).
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d. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 und Ziffer 2 in Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheides genügt auch den (formalen) Anforderungen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 3 Satz 1 VwGO. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (so z.B. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 – juris Rn. 12; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11 – juris Rn. 4). Die Behörde kann sich bei der Abwägung zwischen den Beteiligteninteressen im Wesentlichen auf die Prüfung beschränken, ob nicht ausnahmsweise in Ansehung der besonderen Umstände des Falles die sofortige Vollziehung weniger dringlich als im Normalfall ist (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2008 – 11 CS 08.1890 – juris Rn. 18). Dem werden die Ausführungen in der Begründung des Bescheides gerecht. So stellte der Antragsgegner zu Recht auf die Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs ab. Auch der Sofortvollzug der Ziffer 2 des Bescheids wurde ordnungsgemäß damit begründet, dass dieser einer missbräuchlichen Verwendung des Führerscheins bis zur Unanfechtbarkeit des Bescheides vorbeugt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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4. Die Höhe des Streitwertes richtet sich nach § 63 Abs. 2, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 und 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 46.3 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (s. NVwZ-Beilage 2013, 57).