Titel:
Keine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen Änderung des Abschussplans für Gamswild
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
AVBayJG § 15 Abs. 3
BayJG Art. 32 Abs. 1 S. 2
BJagdG § 21 Abs. 1
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, Abs. 4
Leitsätze:
1. Bei einem Abschussplan für Gamswild und der Änderung desselben handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist ausreichend, wenn die Begründung des Sofortvollzugs nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und besondere, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der formellen Rechtmäßigkeit der Sofortvollziehbarkeitsanordnung als solcher steht nicht entgegen, dass keine Bekanntgabe des Abschussplans sowie der Vollziehbarkeitsanordnung im Rahmen des Abschussplanverfahrens an den Antragsteller, der als Naturschutzvereinigung kein Beteiligter des Verwaltungsverfahrens ist, erfolgt ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen der Überprüfung der jagdbehördlichen Entscheidung kann das Gericht ebenso wie die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt feststellen und würdigen. Denn wie bei der Festsetzung der Abschussplanung ist zu berücksichtigen, dass die gesetzlichen Grundlagen der § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG den Jagdbehörden bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse weder ein planerisches Ermessen noch einen vom Gericht nicht voll nachprüfbaren Beurteilungsspielraum einräumen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
5. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 2 BJagdG soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Die EU-Kommission hat auf der Grundlage von Bestandsaufnahmen die Gamspopulation im Alpenraum als sehr groß und gesichert angeführt und in jedem der Länder mit Gamswildvorkommen einen günstigen Erhaltungszustand festgestellt. (Rn. 54) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abschussplan für Gamswild, Änderung des Abschussplans für Gamswild, Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Sofortvollzug, Änderung Abschussplan, Abschussregelung, Festsetzung der Abschussplanung, Forstliches Gutachten, Naturschutzvereinigung
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44897
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, eine Naturschutzvereinigung, begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner im Hauptsacheverfahren erhobenen Verbandsklage zur Aufhebung eines Abschussplans für Gamswild des Landratsamts M. (im Folgenden: Landratsamt) im Eigenjagdrevier (Staatsjagdrevier – StJR – …) der Beigeladenen.
2
Das Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 bescheinigt in der Hochwildegegemeinschaft … einen Verbiss als „zu hoch“ und enthält die Abschussempfehlung „deutlich erhöhen“. In der ergänzenden Revierweisen Aussage 2021 für die Staatsjagdreviere M. …, K. … und L. … wird eine Wertung der Verbisssituation als „zu hoch“ und eine Tendenz zur Verbisssituation als „nicht verändert“ angenommen.
3
Im Rahmen der streitgegenständlichen Abschussplanung für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 schlug die Beigeladene am 30. Juni 2022 einen Abschuss von insgesamt 550 Stück Gamswild vor, aufgeteilt auf 160 Böcke (12 Stück Klasse I a, 15 Stück Klasse I b, 35 Stück Klasse II a, 98 Stück Klasse II b) und 390 Stück Scharwild (130 Geißen, 140 Jährlinge, 120 Kitze).
4
Am 11. Juli 2022 war die Abschussplanung Gegenstand einer Jagdbeiratssitzung, an der neben Vertretern des Landratsamts und des Amts für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten H. … (im Folgenden: AELF) der Kreisjagdberater und acht Jagdbeiratsmitglieder teilnahmen. Ausweislich des Protokolls wurde bei der Abschussplanvorbesprechung von einem Mitarbeiter des Landratsamts ein Schreiben des krankheitsbedingt verhinderten stellvertretenden Hochwildhegegemeinschaftsleiters verlesen, die Abschusserfüllung des Vorjahres präsentiert und die Abschusszahlen und Abschussvorschläge vorgestellt. Zu dem Eigenjagdrevier der Beigeladenen enthält das Protokoll folgende Ausführungen: „AELF: tragbar; Hr. … (Anm. des Gerichts: Jagdbeirat/stellv. Jägerschaft): Erhöhung nicht zu rechtfertigen; Hr. … (Anm. des Gerichts: Jagdbeirat/Jägerschaft): Einhaltung der Klassen wird nicht umgesetzt, Frage nach Gamszählung im Herbst, Zu hohe Differenz zwischen der Soll-Anzahl und den Ist-Abschüssen von bspw. den Böcken“. Weiter wird in dem Protokoll zu der nichtöffentlichen Jagdbeiratssitzung und Abstimmung zum Eigenjagdrevier der Beigeladenen Folgendes ausgeführt: „5:1 für Erhöhung des eingereichten Abschussplans auf 550 Stück (Hr. …*). Frage wegen Gamswildvereinbarung von Hr. … (Anm. des Gerichts: Jagdbeirat/Natur- und Waldschutz). Lt. Hr. … (Anm. des Gerichts: Landratsamt) wurde die Vereinbarung nicht so umgesetzt wie besprochen, aus diesem Grund keine Weiterführung möglich bzw. zielführend“.
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Mit Bescheid vom 15. Juli 2022 bestätigte das Landratsamt den Abschussplan für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 für das Eigenjagdrevier der Beigeladenen entsprechend dessen Vorschlags.
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Hiergegen erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 3. August 2022 Klage (M 7 K 22.3787) mit dem Antrag, den Bescheid vom 15. Juli 2022 aufzuheben. Zudem setzte er mit E-Mail vom gleichen Tag das Landratsamt und mit E-Mail vom 4. August 2022 die Beigeladene von der Klageerhebung in Kenntnis und wies auf die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hin.
7
Am 4. August 2022 teilte das Landratsamt dem AELF per E-Mail mit, dass es sich die Anordnung eines Sofortvollzugs vorstellen könne, da sonst die Jagd bis auf weiteres eingestellt werden müsse und bat um Stellungnahme u.a. für das streitgegenständliche Revier. Zudem setzte das Landratsamt ausweislich einer Aktennotiz vom gleichen Tage die Beigeladene entsprechend in Kenntnis.
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Das AELF nahm mit E-Mail vom gleichen Tage Stellung. Für die betroffenen Bereiche liege ein ausführliches und aktuelles Forstliches Gutachten vor, in dem angesichts der deutlichen Verbissschwerpunkte in den Sanierungsgebieten mit Gamsvorkommen ausdrücklich eine signifikante Erhöhung des Gamsabschusses gefordert werde. Nachdem bei der Abschussplanung gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung, zu berücksichtigen sei, seien angesichts der im Forstlichen Gutachten erfassten Verhältnisse die von der Beigeladenen beantragten und von der Jagdbehörde bestätigten Gamsabschüsse als absolut angemessen zu bewerten. Eine Aussetzung des Gamsabschusses berge dagegen die Gefahr, dass die massiven Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche weiter zunähmen.
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Mit Bescheid vom 5. August 2022 ordnete das Landratsamt die sofortige Vollziehbarkeit des Abschussplans für das Eigenjagdrevier der Beigeladenen in Gestalt der Bestätigung vom 15. Juli 2022 an (Nr. 1). Der Bescheid ergehe kostenfrei (Nr. 2). Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beigeladene habe am 30. Juni 2022 einen Gamswildabschuss von 550 Stück für das Jagdjahr 2022/2023 beantragt. Die Hochwildhegegemeinschaft (im Folgenden: HHG) … habe einen Abschussvorschlag von 450 Stück Gamswild angegeben. Im Jagdjahr 2021/2022 sei der Gamswildabschussplan, auch nach Umverteilungen der festgelegten Abschüsse aus der Hochwildhegegemeinschaft auf das StJR …, mit 100% erfüllt worden. Der Abschuss sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Neben der körperlichen Verfassung des Wilds sei vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung, zu berücksichtigen. Der eingereichte Abschussvorschlag sei von der Unteren Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen, wenn er u.a. den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspreche und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdreviers aufgestellt worden sei. Das AELF habe im Rahmen des Forstlichen Gutachtens zum Zustand der Waldverjüngung 2021 für den gesamten Bereich der HHG …, zu welchem auch das StJR … gehöre, einen zu hohen Verbiss festgestellt, mit der Empfehlung, den bisherigen Abschuss zu erhöhen. Laut Aussage des Amts liege für das StJR … eine umfangreiche Revierweise Aussage vor, auf welche Bezug genommen werde. Die Mitglieder des Jagdbeirats hätten mehrheitlich die Meinung vertreten, dass der Abschussvorschlag von 450 Stück Gamswild nicht ausreichend sei, um eine Reduzierung des Verbisses zu erreichen. Für einen angepassten Gamswildbestand sei eine Erhöhung des Sollabschusses von 450 auf 550 Stück Gamswild zielführend. Nach Hinzuziehung des Jagdbeirats und Vorberatungen sei für einen Abschuss von 550 Stück entsprechend des Abschussvorschlags der Beigeladenen gestimmt worden. Der Abschussplan sei am 15. Juli 2022 durch die Untere Jagdbehörde bestätigt worden. Durch den Bevollmächtigten des Antragstellers sei mitgeteilt worden, dass dieser am 3. August 2022 Klage beim Verwaltungsgericht München eingereicht habe und damit aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Abschussplan entstehe. Dem könne nicht widersprochen werden. Die sofortige Vollziehung werde in der Folge nunmehr nachträglich angeordnet. Die sofortige Vollziehbarkeit gemäß Nr. 1 sei im überwiegenden öffentlichen Interesse gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzuordnen. Der Abschuss des Wilds sei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land- und Forstwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben. Innerhalb dieser Grenzen solle der Abschussplan dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe. Der Gesetzgeber habe mit den Regeln zur Abschussplanung dem Schutz der Vegetation und insbesondere der Waldverjüngung klaren Vorrang eingeräumt, der seinen Ursprung in der überragenden Bedeutung des Walds für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion und die biologische Vielfalt habe. Erhöhter Wildverbiss durch Schalenwild sei auf Dauer der geforderten Waldverjüngung naturnaher Wälder und standortgemäßer Baumarten abträglich. Nach dem Forstlichen Gutachten 2021 sei die Verbissbelastung in der HHG … zu hoch bei unveränderter Tendenz. Die Revierweise Aussage zum StJR … erläutere dies konkret für das gegenständliche Revier. Angesichts der deutlichen Verbissschwerpunkte in den Sanierungsgebieten mit Gamsvorkommen werde ausdrücklich eine „signifikante“ Erhöhung des Gamsabschusses gefordert. Das AELF habe in seiner Stellungnahme vom 5. August 2022 noch einmal bestätigt, dass die von der Beigeladenen beantragten und von der Jagdbehörde bestätigten Gamsabschüsse im Hinblick auf die vorstehenden Verhältnisse als absolut angemessen zu bewerten seien. Eine Aussetzung des Gamsabschusses berge dagegen die Gefahr, dass die massiven Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche weiter zunähmen. Zählungen an Fütterungen habe es bislang keine gegeben. Daher sei die Verbissbelastung gemäß dem Forstlichen Gutachten ein wichtiges Indiz. Die Abschussplanung beruhe auf einer prognostischen Einschätzung anhand der gegebenen Informationen, welche nicht davon abhängig sein dürfe, dass sich diese später als überholt, unzutreffend oder unrealistisch herausstelle. Die gesetzlich normierten Ziele nach Art. 32 Abs. 1 BayJG, insbesondere eine ausreichende Waldverjüngung, könnten unter den gegebenen Voraussetzungen nicht im erforderlichen Umfang erreicht werden, wenn eine Aussetzung des Gamsabschusses aufgrund eines Klageverfahrens erfolge. Bei Berücksichtigung aller Belange, auch des sehr hohen Schutzwaldanteils im Staatsjagdrevier, sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung im öffentlichen Interesse geboten. Der Sofortvollzug sei zur Verhinderung negativer Auswirkungen einer aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs auf die Abschussvorgaben und die Länge eines Rechtsstreits durch gegebenenfalls mehrere Instanzen in diesem Einzelfall erforderlich. Die Kostenentscheidung stützte sich auf Art. 3 Nr. 14 KG.
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Mit E-Mail vom 5. August 2022 setzte das Landratsamt den Bevollmächtigten des Antragstellers über die Anordnung der sofortigen Vollziehung in Kenntnis. Im Rahmen des Klageverfahrens teilte dieser dem Gericht mit Schriftsätzen vom 21. September 2022 und 20. Oktober 2022 mit, dass er beabsichtige, einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO zu stellen.
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Am 31. Oktober 2022 stellte der Antragsteller einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner am 3. August 2022 erhobenen Klage. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, wegen der seit Anfang August laufenden Jagdzeit und der zu befürchtenden Umsetzung des Abschussplans bis spätestens 15. Dezember 2022 bestehe eine besondere Dringlichkeit. Der Antragsgegner habe sich entgegen Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG geweigert, den Abschussplan vorgerichtlich an den Antragsteller herauszugeben, wodurch eine Prüfung des Sachverhalts vor Klageeinreichung praktisch unmöglich gemacht worden sei. Auch die Sofortvollzugsanordnung sei erst auf mehrfaches Insistieren herausgegeben worden. Die Ausgangsbehörde habe sich über einen Monat Zeit gelassen, der gerichtlichen Aufforderung auf Aktenvorlage nachzukommen – augenscheinlich sei erneut durch bewusste Informationsverknappung versucht worden, ein zügiges Gerichtsverfahren und eine Prüfung des behördlichen Vorgehens zu erschweren. Hinzu komme die Unvollständigkeit der vorgelegten Akten, da jedenfalls die ergänzenden Revierweisen Aussagen fehlten. Das behördliche Vorgehen, welches augenscheinlich darauf angelegt sei, im Interesse der Beigeladenen auf Zeit zu spielen und den Vollzug des Abschussplans zu ermöglichen, sei weder nachvollziehbar noch hinnehmbar. Durch die Umsetzung des Abschussplans drohe eine nachhaltige Schädigung der Gamswildpopulation im Plangebiet, die weder mit den Vorgaben des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes noch mit den sich aus der europäischen FFH-Richtlinie ergebenden Verpflichtungen in Einklang zu bringen sei. Der in der Hauptsache angefochtene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Mit einer Entscheidung der Hauptsache sei bis zum Ende der Jagdzeit für Gamswild am 15. Dezember 2022 nicht zu rechnen. Dieser Umstand lasse befürchten bzw. es als gesichert erscheinen, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits eine weitere nachhaltige Schädigung der Gamswildpopulation im Abschussplangebiet eingetreten sei, da der Abschussplan gegenüber dem Vorjahreswert deutlich erhört worden sei. Der Eilantrag diene dazu, diese vollendeten Tatsachen einstweilen zu verhindern. Der Antragsteller sei als eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung gemäß § 2 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG antragsbefugt. Zweck des Antragstellers sei gemäß § 2 seiner Satzung insbesondere die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Wildtieren und ihren Lebensräumen, die Förderung des Tierschutzgedankens und die Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Das Rechtsschutzbegehren richte sich gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG (Abschussplan für Gamswild). Ein Vorhaben i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG sei die Errichtung und der Betrieb einer technischen Anlage, der Bau einer anderen Anlage oder die Durchführung einer sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahme sowie deren Änderung bzw. Erweiterung. Ein Anlagenbezug sei nicht Voraussetzung. Maßgeblich sei alleine, ob bei der Zulassungsentscheidung umweltbezogene Vorschriften anzuwenden seien, was im Folgenden vertieft wurde. Dies sei bei den im Rahmen der Abschussplanung zur Anwendung kommenden Regelungen des § 21 BJagdG, des Art. 32 BayJG und der AVBayJG der Fall, da es um die Entnahme von Tieren aus der Umwelt auf Grundlage behördlicher Entscheidungen gehe und sich der Vollzug auf die Umwelt auswirken könne. Das Jagdrecht weise insoweit unmittelbaren Umweltbezug auf, die Folgen der Jagd auf die Tierwelt seien direkt, auf die Pflanzenwelt jedenfalls mittelbar. Als eine nach § 3 UmwRG anerkannte Vereinigung könne der Antragsteller Rechtsbehelfe auch im Rahmen des Eilrechtsschutzes gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ohne Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten einlegen, wenn er geltend mache, dass die Entscheidung Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein könnten, widerspreche und dass er durch die Entscheidung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich sei. Dies sei vorliegend gegeben. Der Bescheid des Antragsgegners sei nach summarischer Prüfung rechtswidrig. Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiege damit das behördliche Vollzugsinteresse. Dieses werde insbesondere nicht durch die Stellungnahme des AELF vom 4. August 2022 nachvollziehbar gemacht. Jedenfalls folge das überwiegende Aussetzungsinteresse des Antragstellers aus einer Interessenabwägung. Die Begründung des Sofortvollzugs genüge bereits dem formalen Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht. Die Annahme, die Abschussplanung sei als Prognoseentscheidung stets richtig, unabhängig wie sich der objektive Sachverhalt in Zukunft herausstelle, sei abwegig. Die Prognoseentscheidung müsse überprüfbar sein, da sie fehlerhaft sein und damit sachlich nicht gerechtfertigte Eingriffe in Umweltbestandteile zur Folge haben könne. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO habe die Behörde unter eigener Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet habe. Kern der Vollzugsbegründung sei eine Interessensabwägung, deren Inhalt die schriftliche Begründung erkennen lassen müsse. § 80 Abs. 3 VwGO erfordere ein besonderes Vollzugsinteresse, das grundsätzlich über das hinausgehe, was den Verwaltungsakt rechtfertige. Nur wenn aus der Begründung des vollziehenden Verwaltungsakts bereits die besondere Dringlichkeit auch der Regelung im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 VwGO hervorgehe, könne die Begründung für den Sofortvollzug auf jene Bezug nehmen. Es müsse erkennbar sein, was allgemeine Begründung des Verwaltungsakts und was speziell Grund für die Vollziehungsanordnung sei. Diese inhaltliche Abwägung sei im streitgegenständlichen Bescheid nicht vorgenommen worden. Die Begründung für den Sofortvollzug beschränke sich auf die Nennung der allgemeinen Gründe der behördlichen Abschussplanung, insbesondere Waldverjüngung bzw. Zustand des Walds. Mit Ausnahme eines pauschal so bezeichneten „hohen Schutzwaldanteils“ würden besondere Gründe für die sofortige Vollziehung im konkreten Fall nicht dargelegt. Der Gesetzgeber habe trotz seiner Kenntnis von den Zusammenhängen zwischen Wildverbiss und Verjüngung von einem gesetzlichen Sofortvollzug abgesehen. Folglich genüge die bloße Bezugnahme auf die Wichtigkeit der stetigen Bejagung nicht. Es sei auch nicht ersichtlich, in welchem Umfang das im Abschussplan isoliert behandelte Gamswild zu der nicht näher dargestellten Verbisssituation beigetragen habe. Auf die von der Beigeladenen im StJR … gezählten Tiere (317 im Jahr 2020, 253 im Jahr 2021) werde nicht Bezug genommen, rückläufige Zählergebnisse würden ignoriert. Auch der Zustand der Population, namentlich das Fehlen älterer Böcke, spiele keine Rolle. Außen vor bleibe zudem, dass sich im Plangebiet unterschiedliche Schalenwildarten (Reh-, Rot- und Gamswild) aufhielten. Aus dem Erfordernis der Erfüllung von Abschussplänen nach § 21 BJagdG und Art. 32 BayJG folge nicht, dass diese stets einen Sofortvollzug erforderten. In der Begründung werde auch nicht erläutert, weshalb die Interessen der Grundeigentümer im konkreten Fall einen sofortigen Vollzug in der festgelegten Höhe erforderten. Die ergänzende Revierweise Aussage werde in der Vollziehungsanordnung nicht betrachtet. Soweit auf Schutzwaldsanierungsgebiete Bezug genommen werde, mache deren Anteil nur einen Bruchteil der Revierfläche aus. Einzelne Daten würden nicht behandelt. Von einer vollständigen Abwägung könne nicht die Rede sein. Die Behörde verkenne, dass die im Forstlichen Gutachten 2021 behaupteten „Verbissschwerpunkte“ nur einen geringen Bruchteil der Revierfläche ausmachten. Wenn es um Schutzwaldsanierung ginge, hätte der Sofortvollzug auf die Sanierungsflächen beschränkt werden können. Das StJR … umfasse auch großflächige Almen, Flächen oberhalb der Waldgrenze und Naturwaldgebiete, die keiner forstlichen Nutzung und Sanierungsnotwendigkeit unterlägen. Dort sei ein Sofortvollzug mit der hier angeführten Begründung ohnehin nicht vertretbar. Nach § 21 Abs. 1 BJagdG sei der Abschuss des Wilds so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt blieben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt würden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen solle die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibe und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert sei, deren Bestand bedroht erscheine. Von einer auf einen gesunden Wildbestand abzielende Bejagung könne keine Rede sein. Der Antragsgegner sei an das Bayerische Naturschutzgesetz gebunden, dessen Art. 1 eine besondere Bindung an die Ziele des Naturschutzes vorgebe. Der isolierte Blick auf das Jagdrecht zeige eine seit Jahren verfehlte Bejagungspraxis und einen dadurch strukturell geschwächten Bestand. Im Jagdjahr 2021/22 sei durch die Behörde zunächst ein Soll-Abschuss von 435 Stück Gamswild genehmigt worden. Die im Vollzugsanordnungsschreiben genannte Zahl von 479 Stück habe sich erst durch eine „Umverteilung“ von Abschüssen auf das StJR … ergeben. Hiervon sollten 11 Abschüsse auf Böcke der Klasse I a, 14 auf die Klasse I b, 31 auf die Klasse II a, 65 auf die Klasse II b, 109 auf Gamsgeißen, 128 auf Jahrlinge und 121 auf Kitze entfallen. Der tatsächliche Abschuss habe bei 493 Stück, der Gesamtabgang (inklusive ein Stück Fallwild) sogar bei 494 Stück gelegen. Von der Vorgabe des Plans sei in der Praxis wenig übrig geblieben. Es seien lediglich je 4 Stück Böcke Klasse I a und I b erlegt worden, was angesichts der seit Jahren bestehenden, auf Altersstrukturen keinerlei Rücksicht nehmenden Bejagungspolitik der Beigeladenen nicht verwunderlich sei. Entgegen der Hegerichtlinien werde deutlich zu stark in die Mittelklasse eingegriffen. Dies dünne die obere Altersklasse nachhaltig aus. Die zu schonenden Böcke der Klasse II a seien lediglich in geringer Zahl (10 Stück) erlegt worden, d.h. 1/3 der vorgegebenen Zahl. Böcke der Klasse II b seien massiv dezimiert worden, wobei angesichts der nicht mehr durchgeführten Hegeschauen fraglich erscheine, ob diese Zuordnung zutreffend sei. Jedenfalls sei der Plan bei Böcken der Klasse II b um fast 100% überschossen worden. Die Hegeschauen hätten immer wieder Differenzen zwischen den gemeldeten und den vorgelegten Gamstrophäen im besagten Staatsjagdrevier aufgezeigt, was im Folgenden näher ausgeführt wurde. Die Zahl zu erlegender Geißen sei 2021/22 unter-, die der Jahrlinge überschritten. Die Zahl der erlegten Kitze bleibe knapp hinter dem Soll zurück. Der Soll-Ist-Vergleich zeuge von einem durch jagdliche Eingriffe schwer überlasteten Gamswildbestand. Der Soll-Ist-Vergleich bei den Böcken der Klasse I a und I b deute auf das Fehlen alter Tiere hin. Diese deutliche Unterrepräsentanz der alten Böcke, die mindestens 15% des Gesamt- und 30% des Bockabschusses ausmachen müssten (dieser Wert werde seit Jahren nicht erreicht), führe zu einer Destabilisierung. Gleichwohl habe die Beigeladene – ohne das eigene realistische Ergebnis von 8 Stück der Klasse I vor Augen zu halten – für das Jagdjahr 2022/23 ein Abschuss-Soll bei Böcken der Klasse I a von 12 Stück und der Klasse I b von 15 Stück beantragt. Diese Zahl sei im vorangegangenen Jagdjahr gerade zu einem Drittel erfüllt worden. Dass die Behörde diese unrealistische Zahl unkritisch übernehme, sei weder waldbaulich noch wildbiologisch nachvollziehbar. Ebenso wenig sei nachvollziehbar, dass die Beigeladene nach tatsächlich erlegten 10 Stück Gamsböcken der Klasse II a nun 35 Tiere entnehmen wolle. Hierbei handelte es sich nach der Hegerichtlinie um die zu schonende vitale Mittelklasse. Die Klasse II b sei auf 98 Stück festgelegt, was zwar geringer gewesen sei als das Ist des Vorjahres, wobei dieses Ist nur durch einen deutlich über dem Soll liegenden jagdlichen Eingriff zustande gekommen sei. Die Zahl der zu erlegenden Geißen (130) und der zu erlegenden Kitze (120) sei in keiner Weise nachvollziehbar. Durch entsprechende Planung, in der Geißen in geringerer Zahl freigegeben würden als ihr Nachwuchs, werde berücksichtigt, dass ausnahmslos das Kitz vor der zugehörigen Geiß zu erlegen sei, was auch der Hegerichtlinie entspreche. Dieses Verhältnis sei im Jagdjahr 2021/22 noch beachtet worden (109 Geißen und 121 Kitze). Weshalb dieses Verhältnis nun umgedreht werde, werde weder begründet noch sei aus der Akte ein Grund hierfür ersichtlich. Die Behörde habe diesem Aspekt keine Beachtung geschenkt. Auch der Jagdbeirat und der Jagdberater hätten hierzu keine Stellungnahme abgegeben. Zu beachten sei weiter, dass die Hochwildhegegemeinschaft nicht, wie von der Behörde angenommen und in der Begründung ausgeführt, 450 Stück als Jahresabschusssoll vorgeschlagen habe, sondern lediglich 405 Stück. Die Zahl 450 beruhe augenscheinlich auf einem Zahlendreher, da als Vorschlag für die Klasse I a 5 Stück, keinesfalls 50 Stück unterbreitet worden sei. Zudem habe der HHG-Leiter auf die übernutze Klasse II a hingewiesen, weshalb der Vorschlag auf 0 Stück gelautet habe. Auch zu diesen Aspekten habe sich die Behörde – jedenfalls nach Aktenlage – weder eine Meinung gebildet noch eine Abwägungsentscheidung getroffen. Der Vortrag der Hochwildhegegemeinschaft und des Kreisjagdberaters fehlten in der Akte. Allein die Zahl der zu erlegenden Jahrlinge entspreche in etwa jener des vorangegangenen Abschuss-Ists. Es müsse daher festgestellt werden, dass es der Beigeladenen im vorangegangenen Jahr nicht ansatzweise gelungen sei, plangemäß alte Böcke (I a, I b) zu erlegen, was für eine deutliche Unterrepräsentation dieser für die Fortpflanzung und das artgemäße soziale Zusammenleben wichtigsten Altersklasse spreche. Es sei allgemein bekannt, dass ältere Böcke die Brunft abkürzten und damit dem Bestand über den Winter hülfen. Ferner werde – dem Soll nach zu urteilen – in die mittlere Altersklasse viel zu vehement eingegriffen, was der Grund für die geringe Zahl alter Böcke sei und auch künftig sein werde. Durch die Gestattung, mehr Geißen als Kitze zu erlegen, steige die Gefahr des Abschusses führender Geißen ohne ihr Kitz erheblich. Der Zustand der Waldverjüngung im StJR … gebe die Abschusserhöhung auf 550 Stück Gamswild nicht her. Nach dem Forstlichen Gutachten 2021 sei in der Hochwildhegegemeinschaft 806 der Verbiss insgesamt rückläufig. Dies betreffe auch die Tanne und die Edellaubhölzer. Der Leittriebverbiss an der Fichte sei mit 2% gleichgeblieben, bei der Tanne von 23% auf 16%, bei der Buche von 20% auf 15% und beim Edellaubholz von 34% auf 26% gesunken, beim Sonstigen Laubholz von 32% auf 34% gestiegen. Zwar betone das AELF die Bedeutung der Schutzwaldsanierung, deren Fläche mache jedoch nur einen Bruchteil des Reviers aus. Zudem sei in den letzten Jahren nur ein Bruchteil der Gämsen in diesen Schutzwaldsanierungsgebieten erlegt worden. Daher sei unverständlich, weshalb anstelle einer Anhebung des Abschusses nicht eine Schwerpunktbejagung in den Sanierungsflächen i.S.d. Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayJG angeordnet worden sei, wozu weiter ausgeführt wurde. Dies habe die Untere Jagdbehörde nicht einmal in Erwägung gezogen. Die Abschussplanung sei nach der Akte von der Unteren Jagdbehörde auf die Beigeladene als Revierinhaberin, das AELF und den Jagdbeirat ausgelagert worden. Der nach § 21 BJagdG und Art. 32 BayJG zu berücksichtigende Aspekt des gesunden Wildbestands sei nach Aktenlage von der Behörde weder herausgearbeitet noch berücksichtigt worden. Es sei nicht „vorrangig“, sondern ausschließlich die Waldvegetation „auf Zuruf“ des AELF berücksichtigt worden. In dem Bescheid sei auf die Revierweisen Aussagen des AELF Bezug genommen worden, ohne deren Inhalt auch nur zu erwähnen. Der rückläufige Verbiss käme nicht vor. Bei der Abwägung sei auch der Status des Gamswilds als besonders geschützte Art nach Anlage V der FFH-Richtlinie und seine Aufnahme in die Vorstufe der Roten Liste bedrohter Tierarten im Jahr 2020 nicht berücksichtigt worden. Der Schutz der im Plangebiet lebenden Population dieser Tierart sei entgegen der gesetzlichen Vorgabe in § 21 Abs. 1 Satz 2 BJagdG auf Grundlage des Plans nicht dauerhaft gesichert, wozu weiter ausgeführt wurde. Eine Abwägungsentscheidung liege schon deshalb nicht vor, weil Schutzwaldsanierungsgebiete auf Grundlage des rückläufigen Verbisses überhaupt nicht beeinträchtigt seien. Das Landratsamt habe sich zudem keine Gedanken über den tatsächlichen Gamswildbestand im StJR … gemacht, was im Folgenden vertieft wurde. Ein günstiger Erhaltungszustand sei nicht gegeben, wenn die Populationsgröße schrumpfe oder langfristig zurückzugehen drohe. Die Beigeladene habe im Jahr 2020 und 2021 Gamszählungen durchgeführt. Derartige Zählungen seien in vielen Nachbarländern Grundlage für die Abschussplanung, weil bei nachhaltiger Bejagung 10-15% des Bestands entnommen werden könnten. Im Jahr 2020 seien 317 und im Jahr 2021 nur noch 253 Stück gezählt worden. Diese Zahl fehle in der Behördenakte und werde auch nicht in die Abwägung eingestellt. Das nach EU-Recht erforderliche und erstellte Monitoring könne bei der Abschussplanung nicht außen vor bleiben. Bei einem nachhaltigen Abschuss müssten 4-5.000 Stück Gamswild im Staatsjagdrevier vorkommen, was jedoch unrealistisch sei. Selbst bei Annahme eines Bestands vom 2.000 Stück sei eine Entnahme von 25% deutlich zu hoch, insbesondere bei einem ohnehin strukturell geschwächten Bestand. Durch die Zuordnung des Gamswilds zu den besonders geschützten Arten nach Anhang V der FFH-Richtlinie sei eine Entnahme aufgrund von Verwaltungsmaßnahmen zwar möglich und die Bejagung aufgrund behördlicher Abschusspläne zwar für sich genommen kein Verstoß gegen die FFH-Richtlinie, die Mitgliedstaaten seien aber verpflichtet, den Erhaltungszustand zu überwachen und die Monitoringergebnisse in den Entscheidungen zu berücksichtigen. Auch die fehlende Berücksichtigung der Gamszählungen führe vergleichbar zu einem ausgebliebenden Monitoring zu der Rechtswidrigkeit des Abschussplans. Weiter seien auch denkbare Schutzmaßnahmen nicht in Erwägung gezogen worden. Zudem sei eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde trotz Erforderlichkeit unterblieben. Das StJR … sei dem Natura-2000-Netz zugehörig und Teile seiner Flächen lägen im FFH-Gebiet … (* …gebiet) und im Vogelschutzgebiet … (* …gebirge). Die Zielkonflikte der Erhaltungsziele seien zu berücksichtigen und abzuwägen, wozu weiter ausgeführt wurde. Das Landratsamt habe darauf vollständig verzichtet. Unterblieben sei auch eine Verträglichkeits(vor) prüfung nach der RL 2001/42/EG. Auch bei einem offenen Ausgang des Hauptsacheverfahrens überwiege das Aussetzungsinteresse das Vollzugsinteresse. Die behördliche Verweigerungshaltung habe zu einer Bejagung des Gamswildes bis Ende Oktober geführt, sodass ein nicht unerheblicher Teil des Abschussplans bereits erfüllt worden sein müsse und es nur um die Verhinderung einer weiteren „Übernutzung“ und damit Schwächung des Bestands gehe. Erlegte Tiere seien unwiederbringlich als Umweltbestandteile verloren, was zu einer Aussetzung zwinge. Die Fortsetzung der Bejagung führe zwangsläufig zu einer Situation, die eine irreparable Störung bzw. Zerstörung des Gamswildbestands befürchten lasse, was mit den Vorgaben der FFH-Richtlinie nicht in Einklang zu bringen sei. Interessen des Grundeigentümers oder der Allgemeinheit seien angesichts des Umstands, dass ein Sofortvollzug nicht der gesetzliche Regelfall sei und eine besonderen Gründe für die Unaufschiebbarkeit sprächen, nicht ersichtlich. Mit Schriftsatz vom 3. November 2022 führte der Antragsteller weiter aus, dass sich auch aus der zwischenzeitlich vorgelegten Verwaltungsakte sich nicht ergebe, dass die Behörde Rücksicht auf die in Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG enthaltene Vorgabe genommen habe. Auch § 21 BJagdG bleibe im Hinblick auf das Gamswild unberücksichtigt. Das Landratsamt habe verkannt, dass die gesetzliche Vorgabe von einer vorrangigen, nicht aber ausschließlichen Berücksichtigung des Vegetationszustands ausgehe. Zudem scheine sich die Behörde lediglich mit dem Textteil des Forstgutachtens befasst zu haben. Die im Jahr 2020 und 2021 im Rahmen von Gamszählungen ermittelten tatsächlichen Wildbestände hätten keinen Eingang in die Akte gefunden, sodass eine vollständige Bewertung des zur Verfügung stehenden Materials nicht erfolgt sei, was im Folgenden vertieft wurde. Eine inhaltliche Befassung mit der im Rahmen der Jagdbeiratssitzung vom 11. Juli 2022 aufgrund der krankheitsbedingten Abwesenheit des stellvertretenden HHG-Leiters verlesenen, im Protokoll lediglich erwähnten Stellungnahme der Hochwildhegegemeinschaft sei nicht erkennbar. Nach Informationen des Antragsgegners solle sich die Stellungnahme, die in der Akte fehle, inhaltlich mit den in der Vergangenheit erfolgten, zu starken Eingriffen in die Mittelklasse (Klasse II) und dem Fehlen von älteren Gamsböcken der Klasse I befasst und auch Nichtbeachten des Abschussplans durch den Forstbetrieb thematisiert haben. Weiter fehle eine inhaltliche Stellungnahme des Jagdberaters. Dies zeige, dass die Untere Jagdbehörde den Zustand der Gamspopulation nicht berücksichtigt habe. Die Untere Jagdbehörde dürfe die Vorgaben des AELF nicht unkritisch übernehmen, sondern müsse auf Grundlage aller relevanten Fakten eine eigene Entscheidung treffen. Es falle auf, dass die Revierweise Aussage 2021 nicht auf Revierebene, sondern für das Gebiet mehrerer Staatsjagdreviere erstellt wurde (StJR …, …berg und …graben). Diese Zusammenfassung entspreche nicht den Vorgaben der forstlichen Begutachtung. Sie müsse auf ein einzelnes Jagdrevier bezogen sein, sonst verliere die Revieraussage den Revierbezug. Zudem stimme sie in einem entscheidenden Punkt nicht mit dem Forstgutachten überein: In der Revierweisen Aussage würden insgesamt 5 Sanierungsgebiete im StJR … aufzählt, in denen der Verbiss besonders hoch sein solle, nach dem Forstgutachten seien in 7 Sanierungsgebieten des Staatsreviers besonders starke Verbissschäden festzustellen. Rückfragen der Jagdbehörde hierzu seien nicht aktenkundig. Außerdem beziehe sich die Revieraussage 2021 auf ein anderes Gebiet als jene des Jahres 2018, da das StJR … herausgenommen worden sei, dessen Verbissbelastung nach der Feststellung des Forstgutachtens 2021 (Seite 4) gering sein solle. Der Grund für die Herausnahme des im Verbiss „positiven“ Reviers sei im Hauptsacheverfahren aufzuklären. Den Ausführungen der Forstverwaltung könne entnommen werden, dass sich in den Staatsjagdrevieren …, …berg und …graben die Verbisssituation gegenüber 2018 nach der Waldverjüngungsinventur 2021 deutlich verbessert habe. Der Leittriebverbiss bei der Fichte liege bei (gleichbleibend) rund 2%, bei der Tanne sei er deutlich von 25% auf 14% gesunken, bei der Buche von 25% auf 18%. Allein der Leittriebverbiss beim Edellaubholz sei von 25% auf 27% leicht angestiegen. Auf Seite 2 der Revierweisen Aussage 2021 (Ziffer 2.2) werde sämtlichen Holzarten außer der Tanne bescheinigt, dass sie sich im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen verjüngen könnten. Dies gelte auch für das Edellaubholz, trotz des geringfügig über 2018 liegenden Verbisses. Im Textteil seien die Verbesserungen gegenüber 2018 bei der Tanne und der Buche unerwähnt geblieben und alleine die Erhöhung um 2 Prozentpunkte bei den – sehr verjüngungsdynamischen – Edellaubhölzern hervorgehoben worden. Es entstehe der Eindruck, dass vermeintliche Verschlechterungen in den Fokus gerückt würden, um zu einer bestimmten Abschussempfehlung zu gelangen. Offen bleibe, weshalb bei einem Leittriebverbiss von nur 14% bei der Tanne keine Verjüngung im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich sein solle. Angesichts der Einzelauswertungen des Forstgutachtens, welche die Behörde dem Gericht vorenthalte, die aber im Internet öffentlich zugänglich seien, sei gerade bei den Edellaubhölzern von teilweisen hohen Pflanzendichten pro Hektar die Rede, d.h. ein bei 27% liegender Leittriebverbissanteil führe gerade nicht zum Ausfall gewünschter Baumarten. Im Gegenteil: Im arithmetischen Mittel liege – auf HG-Ebene – der Anteil unverbissener und unverfegter Pflanzen bei den Edellaubhölzern bei 5.155 Pflanzen pro Hektar (ein Edellaubholzbaum auf 1,93 m² Fläche). Bei der Buche würden im arithmetischen Mittel 4.712 unverbissene und unverfegte Pflanzen pro Hektar errechnet, auch das sei eine Buche pro 2,12 m². Bei der Tanne stehe im arithmetischen Mittel pro 3,58 m² ein unverbissener Baum. Bei diesen hochgerechneten Dichten unverbissener Pflanzen könne von fehlendem Verjüngungspotenzial keine Rede sein. Um von dem gegenüber 2018 verbesserten Gesamtergebnis abzulenken, bediene sich die Forstverwaltung eines Fokus auf die Schutzwaldsanierungsgebiete. Hierzu werde ausgeführt, dass in den Schutzwaldsanierungsgebieten … 18 …berg, … 22 … (obere Lagen), … 24 …, … 25 … und … 31 …bach „besonders starke Verbissbelastungen“ vorlägen. Verbissprozente liefere die Forstverwaltung aber nicht, sodass die Untere Jagdbehörde diese weder zur Kenntnis genommen noch gewürdigt habe, da diese sonst, in Form von Aktenvermerken o.ä., Teil der Akte gewesen wären. Die Sanierungsgebiete machten nur einen Bruchteil der Revierfläche aus – auch das lasse die Forstverwaltung unter den Tisch fallen. Sie umfassten ausweislich einer Landtagsanfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann (B90/Grüne) folgende Flächengrößen: … 18 …berg: 359 ha, … 22 …: 1.276 ha, MB 24 …: 1.177 ha, … 25 …: 1.131 ha, … 31 …bach: 1.970 ha. Die Gesamtfläche der – ohne die Angabe von Verbissprozenten, Pflanzendichten und sonstigen Parametern – durch das AELF als kritisch bewerteten Sanierungsgebiete belaufe sich hiernach auf 5.913 ha, d.h. auf etwa 23% der Gesamtfläche des StJR … Zudem sage die (rein verwaltungsinterne) Ausweisung von Sanierungsgebieten wenig bis gar nichts darüber aus, wo sich tatsächlich konkrete Sanierungsflächen befänden. Ausweislich der Landtagsanfrage sei lediglich ein Bruchteil der Fläche als Sanierungsfläche ausgewiesen, nämlich … 18 …berg: 33,5 ha (ca. 9% des Sanierungsgebietes), … 22 …au: 169,2 ha (ca. 13% des Sanierungsgebietes), … 24 …: 101,2 ha (ca. 8,5% des Sanierungsgebietes) … 25 …: 291,6 ha (ca. 25,7% des Sanierungsgebietes) und … 31 …bach: 100,8ha (ca. 5% des Sanierungsgebietes). Mithin seien allenfalls 696,3 ha innerhalb des über 25.000 ha umfassenden StJR … als „im Umbau“ befindliche Schutzwaldsanierungsflächen besonders schutzbedürftig. Das seien weniger als 3% der Fläche. Dass bei dieser Situation einer Erhöhung des Gamswildabschusses im Gesamtrevier notwendig und einer Schwerpunktbejagung im Bereich der Sanierungsflächen bzw. -gebiete vorzuziehen sein solle, sei nicht begründbar. Jedenfalls habe die Untere Jagdbehörde diesem Aspekt keine Beachtung geschenkt. Offen bleibe, welcher Anteil des Jahresabschusses (Ist) im Jahr 2021/22 im Bereich der Sanierungsflächen bzw. Sanierungsgebiete erfolgt sei. Wenn nur ein minimaler Anteil des erlegten Gamswilds in diesem Bereich erlegt worden sei, würde dies die Erforderlichkeit einer Erhöhung des Abschusses im Interesse des Schutzwalds in Frage stellen. Unberücksichtigt sei zudem die Kausalitätsfrage (wer ist Verbissverursacher?) geblieben, wozu weiter ausgeführt wurde. Mit Schriftsatz vom 21. November 2022 wurde darüber hinaus im Wesentlichen ausgeführt, auch wenn die Behörde das Gegenteil behaupte, zeige die Vollzugsanordnung, dass die Stellungnahmen des Jagdberaters und der Hochwildhegegemeinschaft keine Berücksichtigung gefunden hätten. Bereits die in der nachträglichen Vollzugsanordnung enthaltene Sachverhaltsdarstellung sei falsch, da die Hochwildhegegemeinschaft ein Soll von 405 und nicht von 450 Stück Gamswild vorgeschlagen habe. Die Einlassung des Landratsamts, es seien alle vorliegenden Argumente in die Würdigung des Abschussplans einbezogen worden, finde weder in der Akte noch im Protokoll der Jagdbeiratssitzung eine Stütze. Die Ansicht des Landratsamts, die Abschussplanung sehe keine Möglichkeit vor, anstelle einer flächigen Abschusserhöhung den Abschuss gezielt auf Verbissschwerpunkte zu fokussieren, sei durch Art. 32 Abs. 2 Satz 2 BayJG widerlegt. Die Sichtweise der Behörde (die eine Schwerpunktbejagung nun sogar selbst befürworte) zeige, dass sie diese Möglichkeit im Rahmen der Abschussplanung nicht einmal in Erwägung gezogen habe.
12
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller beim Bayerischen Verwaltungsgericht München unter dem Aktenzeichen M 7 K 22.3787 geführten Klage gegen den Bescheid des Landratsamts M. vom 15. Juli 2022, Az.: 24.1-7533.01-2022/000974, betreffend die Bestätigung des Abschussplans für Gamswild im Staatsjagdrevier Miesbach, umfassend 12 Böcke der Klasse I a, 15 Böcke der Klasse I b, 35 Böcke der Klasse II a, 98 Böcke der Klasse II b, 130 Geißen, 140 Jahrlinge und 120 Kitze, wird wiederhergestellt.
13
Der Antragsgegner beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
14
Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 18. November 2022 vorgetragen, am 11. Juli 2022 sei regulär das Abschussplanverfahren für das Gamswild im Landkreis Miesbach durchgeführt worden. Bei der Abschussplanung seien neben der Unteren Jagdbehörde und dem stellvertretenden Landrat das AELF, der Jagdbeirat, der Hochwildhegegemeinschaftsleiter und der Jagdberater des Landkreises anwesend gewesen. Es sei über die einzelnen Reviere, wie auch das streitgegenständliche, diskutiert worden, um anschließend die nichtöffentliche Abstimmung vorzubereiten. Ziel der Veranstaltung sei es, dass sich die Mitglieder des Jagdbeirats für ihre Interessenvertretung und die Untere Jagdbehörde auf diese Weise ein eigenes Bild von der Lage machen könnten und die Möglichkeit erhielten, auch kritische Rückfragen zu stellen. Die Stellungnahmen des Jagdberaters und des Hochwildhegegemeinschaftsleiters erfolgten nicht schriftlich, sondern es werde situationsgerecht vorgetragen, sodass alle Anwesenden Rückfragen stellen oder die Stellungnahmen in ihrer Meinungsbildung berücksichtigen könnten. In der sich anschließenden nichtöffentlichen Sitzung stimmten der Jagdbeirat und der Landrat als Leiter der Unteren Jagdbehörde (hier: der stellv. Landrat) über die Abschusszahlen der einzelnen Reviere ab. Über die Sitzung werde für gewöhnlich (wie in der Akte enthalten) ein Kurzprotokoll geführt. Das beschriebene Vorgehen habe sich über Jahre bewährt. Das Verfahren gebe die Möglichkeit, die Konzentration aller bei der Fülle an Revieren zu erhalten und dadurch keine nachteiligen Auswirkungen auf spätere Entscheidungen zu erwirken. Eine schriftliche Stellungnahme aller Jagdbeiräte zu allen Revieren, wie von der Gegenseite gefordert, sei weder praktikabel noch den Betroffenen zumutbar. Die Untere Naturschutzbehörde sei in gängiger Praxis am Abschussplanverfahren zum laufenden Jagdjahr nicht beteiligt worden. Sie sei jedoch inzwischen über die Entwicklungen in der Rechtsprechung unterrichtet worden, um sich für die nächste Abschussplanung vorbereiten zu können. Der vom Antragsteller gestellte UIG-Antrag über die Abschusspläne sei so schnell wie möglich bearbeitet worden. Die betroffenen Revierinhaber seien angehört worden. Da der Fachbereich Öffentliche Sicherheit, Kommunales und Katastrophenschutz zu Beginn des Jahres jedoch besonders stark durch die Bearbeitung der Ukraine- und Corona-Lage eingebunden gewesen sei, hätten sich hohe Rückstände gebildet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stark belastet. Auch die Abschusspläne seien zur vorgegebenen Frist nur knapp erstellt worden. Es sei anzumerken, dass der Abschussplan auch von der Beigeladenen im Rahmen einer UIG-Anfrage hätte angefordert werden können. Die Vorsitzende des Antragstellers sei von Beginn an telefonisch über die enormen Rückstände und die aktuelle Lage informiert worden. Zu keiner Zeit habe ein böswilliges Verzögern vorgelegen, ebenso wenig eine „bewusste Informationsverknappung“. Das Landratsamt habe die erste (gerichtliche) Aufforderung zur ergänzenden Aktenvorlage nie erhalten. Nach dem Erinnerungsschreiben vom 18. Oktober 2022 seien die Revierweisen Aussagen und die Forstlichen Gutachten umgehend nachgeliefert worden. Diese seien bei der ersten Aktenübersendung schlicht vergessen worden, da sie im Ablagesystem an anderer Stelle gesammelt hinterlegt seien. Wie bereits im Schreiben vom 25. Oktober 2022 angemerkt, sei die Übersendung von Stellungnahmen nicht vorenthalten worden. Weitere schriftliche Stellungnahmen lägen dem Landratsamt nicht vor. Nachträgliche Gedächtnisprotokolle zu verfassen, werde aufgrund des fortgeschrittenen Zeitablaufs nicht für zielführend gehalten. Der Antrag sei unbegründet, da das bestehende Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung der Vollziehung überwiege. Der gegenständliche Abschussplan sei rechtmäßig ergangen und verletze den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Entgegen der Auffassung des Antragstellers seien alle vorliegenden Argumente in die Würdigung einbezogen worden. Die Abstimmung im Jagdbeirat habe eine eindeutige Mehrheit für dieses Abschuss-Soll gezeigt. Die Argumente der Beigeladenen, des Jagdberaters, des Hochwildhegegemeinschaftsleiters und des AELF seien gehört worden. Dem Vorwurf, dem AELF sei blind gefolgt worden, könne nicht zugestimmt werden, wobei nicht verkannt werden dürfe, dass das AELF und dessen fachkundige Meinung einen nicht unerheblichen Stellenwert in der Abschussplanung einnehme, da es sich um das Fachamt bezüglich des Zustands des Walds handele. Bei der offenbar vorliegenden positiven Tendenz handele es sich laut der Revierweisen Aussage 2021 nicht um eine Verbesserung, sondern lediglich um eine „nicht veränderte“ Tendenz. Praktisch liege auch in den Revierweisen Aussagen zum Forstlichen Gutachten 2021 nach wie vor ein „zu hoher“ Verbiss vor. Die Abschussplanung sehe zudem keine Differenzierung der Abschüsse in verschiedenen Bereichen vor, wie von der Gegenseite gefordert. Dies sei weder für die Flexibilität und zielgerichtete Bejagung der Beigeladenen (als Anstalt des öffentlichen Rechts) noch für die konkrete Entscheidung der Unteren Jagdbehörde, die das Gebiet nicht so genau kennen könne, wie der Forstbetrieb selbst, zutunlich. Die Beigeladene sei für die Verteilung des Abschusses verantwortlich. Selbstverständlich sei es auch aus Sicht der Unteren Jagdbehörde naheliegend, dass die Sanierungsflächen vorrangig bejagt würden. Zu dieser Thematik sollte der Leiter der Beigeladenen jedoch detaillierter Auskunft geben können. Die Vorwürfe bezüglich der Hegeschau würden entschieden abgelehnt, was im Folgenden vertieft wurde. Die sofortige Vollziehung auszusetzen würde große Gefahren für die Naturverjüngung bedeuten. Ohne sofortige Vollziehung wäre in diesem Jagdjahr kein Gamsabschuss möglich gewesen. Bei bisherigem Abschuss von über 400 Stück jährlich und einem zu hohen Verbiss sei das Ausmaß der Konsequenz nicht vorstellbar, wenn in einem Jagdjahr kein Abschuss stattfinden könne. In der Summe sei festzustellen, dass das Abschussplanverfahren einem standardisierten und über Jahre hinweg erprobten Vorgehen folge. Abgesehen von der Dokumentation, welche offensichtlich im großen Maß bemängelt werde, schaffe es die größtmögliche Transparenz für die Beteiligten im Landkreis.
15
Im Klageverfahren führte der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25. Oktober 2022 u.a. aus, die im Bescheid benannte Stellungnahme des AELF vom 5. August 2022 beziehe sich auf die E-Mail vom 4. August 2022. Alle vorliegenden schriftlichen Stellungnahmen seien bereits mit der Behördenakte am 14. September 2022 übersandt worden.
16
Mit Beschluss vom 2. November 2022 wurde die Bayerische Staatsforsten AöR Forstbetrieb … zum Verfahren beigeladenen. Eine Äußerung erfolgte nicht.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem und im Klageverfahren (M 7 K 22.3787) sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
18
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (M 7 K 22.3787) gegen den mit Bescheid vom 15. Juli 2022 bestätigten Abschussplan für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 für das Eigenjagdrevier der Beigeladenen hat keinen Erfolg.
19
Der Antrag ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
20
Der Antragsteller, eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte landesweit tätige Naturschutzvereinigung (vgl. Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 Satz 5 UmwRG, abrufbar unter https://www.lfu.bayern.de/wir/anerkennung/index.htm), ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG antragsbefugt.
21
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1) oder geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2a bis 6 UmwRG oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.
22
Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
23
Bei dem streitgegenständlichen Abschussplan für Gamswild handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG. Nach dem als weitem Auffangtatbestand (vgl. VG Neustadt/W2.straße, B.v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW – juris Rn. 20 m.w.N.) konzipierten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist der im Streit stehende Abschussplan ein Verwaltungsakt, durch den unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ein anderes als in den Nrn. 1 bis 2b genanntes Vorhaben zugelassen wird (vgl. zum Streitstand ausführlich VG Augsburg, U.v. 22.2.2022 – Au 8 K 21.1895 – juris Rn. 66 ff. m.w.N., wonach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG in unionsrechtskonformer Auslegung so zu verstehen ist, dass er jedenfalls auch Entscheidungen nach § 21 BJagdG erfasst, soweit dort Wildarten betroffen sind, die in den Anwendungsbereich der RL 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) fallen, dort in Anhang V als Tierart von gemeinschaftlichem Interesse aufgeführt sind und bei denen im Wirkungsbereich des streitgegenständlichen Abschussplans eine nur kleine Population vorkommt).
24
Der streitgegenständliche Abschussplan ist auch „unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften“ ergangen. Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG sind umweltbezogene Rechtsvorschriften Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG (Nr. 1) oder Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 UIG (Nr. 2) beziehen. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen. Es genügt, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. BayVGH, U.v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278 u.a. – juris Rn. 32). Erfasst sind damit alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die – wie § 1 Abs. 7 BauGB – verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote), sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 1 UmwRG Rn. 31 m.w.N.). Da § 2 Abs. 3 Nr. 1 UIG auch die Artenvielfalt und ihre Bestandteile sowie Wechselwirkungen zwischen Artenvielfalt und der natürlichen Lebensräume zu den von ihm erfassten Umweltbestandteilen zählt, ist die Entscheidung über den Abschussplan gemäß § 21 BJagdG auch unter Anwendung umweltbezogener Vorschriften des Bundesrechts im Sinne der Vorschrift ergangen. Das Jagdrecht weist in § 21 BJagdG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. Der Abschuss des Wilds ist danach so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.2.2022 – Au 8 K 21.1895 – juris Rn. 76 m.w.N.).
25
Indem der Antragsteller Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Abschussplans erhoben hat und einen Verstoß gegen § 21 BJagdG, Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG rügt, macht er geltend, dass der Abschussplan Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Dabei macht der Antragsteller die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Schließlich macht der Antragsteller ebenfalls geltend, durch die Schonzeitaufhebung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Zweck des Antragstellers ist nach § 2 seiner Satzung insbesondere die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Wildtieren und deren Lebensräumen, die Förderung des Tierschutzgedankens sowie die Förderung des Natur- und Umweltschutzes. Damit ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich und der mit dem Rechtsbehelf angegriffenen Entscheidung gegeben.
26
Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung des mit Bescheid vom 15. Juli 2022 bestätigten Abschussplans formell rechtmäßig ist und das öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
27
Die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit des Abschussplans vom 5. August 2022 ist formell rechtmäßig. Die vom Antragsgegner vorgebrachte Begründung – an die keine besonders hohen Anforderungen zu stellen sind – genügt formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Es ist ausreichend, wenn die Begründung zu erkennen gibt, dass die angeordnete Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet und die besonderen, auf den Fall bezogenen Gründe für die Anordnung angegeben werden (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55 m.w.N.). Dies ist vorliegend der Fall. Das Landratsamt hat unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des AELF und der nach dem Forstlichen Gutachten 2021 in dem streitgegenständlichen Revier bestehenden zu hohen Verbissbelastung sowie des hohen Schutzwaldanteils ausgeführt, dass eine Aussetzung des Gamsabschusses die Gefahr berge, dass die massiven Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche weiter zunähmen. Zudem könnten die Ziele des Art. 32 Abs. 1 BayJG, insbesondere eine ausreichende Waldverjüngung, nicht in dem erforderlichen Umfang erreicht werden, wenn eine Aussetzung des Gamsabschusses erfolgen würde. Mit diesen Ausführungen hat das Landratsamt klar dargelegt, weshalb im konkreten Fall in Anbetracht der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller erhobenen Klage die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit für erforderlich gehalten wird. Es ist entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass sich das Landratsamt die Stellungnahme des AELF vom 4. August 2022 zu eigen gemacht hat. Es ist aufgrund der vergleichbaren Interessenlage nicht ersichtlich, weshalb es der Unteren Jagdbehörde verwehrt sein sollte, ihrer Überzeugungsbildung die Stellungnahme der Forstbehörde, die im Rahmen der Erstellung des Abschussplans gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG ohnehin zu beteiligen war, auch in Bezug auf die Entscheidung über die Anordnung einer sofortigen Vollziehbarkeit zugrunde zu legen. Das Vorgehen rechtfertigt insbesondere nicht den Schluss, dass sich das Landratsamt keine eigene Überzeugung gebildet hat und generell die Auffassung des AELF ungeprüft und schematisch übernimmt.
28
Soweit der Antragsteller rügt, dass das Landratsamt ihm den Abschussplan nicht im Rahmen seines Umweltinformationsbegehrens zugänglich gemacht und auch die Sofortvollzugsanordnung erst auf mehrfaches Insistieren herausgegeben habe, steht dies der formellen Rechtmäßigkeit der Sofortvollziehbarkeitsanordnung als solcher nicht entgegen. Da der Antragsteller kein Beteiligter des Verwaltungsverfahrens ist und daher auch keine eigenen subjektiven Rechte gelten machen kann (vgl. VG Augsburg, U.v. 22.2.2022 – Au 8 K 21.1895 – juris Rn. 84), war eine Bekanntgabe des Abschussplans sowie der Vollziehbarkeitsanordnung jedenfalls im Rahmen des Abschussplanverfahrens an ihn nicht geboten. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dadurch die Rechtsschutzmöglichkeiten des Antragstellers verkürzt worden wären. Im Übrigen hat das Landratsamt den Bevollmächtigten des Antragsstellers noch am Tage des Erlasses der Sofortvollziehbarkeitsanordnung per E-Mail hierüber in Kenntnis gesetzt.
29
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines eigenen Interesses an der Aussetzung mit dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit keinen Anspruch auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Abschussplans für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
30
Nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eines Dritten die aufschiebende Wirkung seiner Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
31
Unter Anwendung dieser Grundsätze dürfte der mit Bescheid vom 15. Juli 2022 bestätigte Abschussplan für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 nach der im Eilverfahren gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung zwar überwiegend rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen. Allerdings bedarf es hinsichtlich der Frage der Vereinbarkeit des streitgegenständlichen Abschussplans mit dem die Natura-2000-Gebiete betreffenden Naturschutzrecht weiterer Sachverhaltsaufklärung, sodass die Erfolgsaussichten nach summarischer Prüfung insofern als offen anzusehen sind.
32
Den Maßstab für die Erfolgsaussichten der Hauptsache bestimmt § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG als eine von § 113 VwGO abweichende Sonderregelung (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 2 UmwRG Rn. 18). Der Erfolg eines (zulässig erhobenen) Rechtsbehelfs nach § 2 Abs. 1 UmwRG setzt hiernach voraus, dass die angegriffene Entscheidung gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften verstößt, die für diese Entscheidung von Bedeutung sind und der Verstoß Belange berührt, die zu den satzungsgemäßen Zielen der Vereinigung gehören. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit ist insoweit grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheidserlasses, mithin die Bestätigung des Jahresabschussplans durch den Antragsgegner. Zugunsten der beigeladenen Revierinhaberin sind nachträgliche Änderungen zur Vermeidung erneuter Genehmigungsverfahren auch im gerichtlichen Verfahren zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40/98 – juris Rn. 3 m.w.N.).
33
An der formellen Rechtmäßigkeit des mit Bescheid vom 15. Juli 2022 bestätigten Abschussplans für Gamswild für das Jagdjahr 2022/2023 bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
34
Soweit der Antragsteller die nicht erfolgte Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde rügt, dürfte eine Beteiligung gemäß Art. 49 Abs. 1 Satz 4 BayJG aller Voraussicht nach zwar erforderlich gewesen sein. Allerdings führt eine unterbliebene Beteiligung nach Art. 44 Abs. 3 Nr. 4 BayVwVfG nicht zur Nichtigkeit des Abschussplans, da eine solche Beteiligung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 BayVwVfG bis zur Entscheidung in der Hauptsache noch nachgeholt werden kann (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 188, § 45 Rn. 97).
35
Der Abschussplan dürfte nach summarischer Prüfung auch materiell überwiegend rechtmäßig sein.
36
Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 BJagdG darf Schalenwild – wozu gemäß § 2 Abs. 3 BJagdG auch Gamswild gehört – nur auf Grund und im Rahmen eines Abschussplans erlegt werden, der von der zuständigen Behörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen ist. Die bundesrechtliche Abschussplanregelung wird durch Art. 32 BayJG ergänzt (vgl. § 21 Abs. 2 Satz 5 BJagdG). Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 BayJG ist der Abschussplan grundsätzlich für den Zeitraum von ein bis drei Jahren zahlenmäßig getrennt nach Wildart und Geschlecht vom Revierinhaber im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand, bei verpachteten Eigenjagdrevieren im Einvernehmen mit dem Jagdberechtigten aufzustellen und von der Jagdbehörde im Einvernehmen mit dem Jagdbeirat zu bestätigen oder festzusetzen. Bei Gamswild ist der Abschussplan gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AVBayJG für ein Jahr aufzustellen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AVBayJG ist der eingereichte Abschussplan dabei zu bestätigen, wenn er den Vorschriften des § 21 Abs. 1 BJagdG und des Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG entspricht und im Einvernehmen mit dem Jagdvorstand oder dem Inhaber des Eigenjagdrevieres aufgestellt ist. Andernfalls wird der Abschussplan von der Behörde festgesetzt (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AVBayJG).
37
Der Abschuss des Wilds ist gemäß § 21 Abs. 1 BJagdG dabei so zu regeln, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden. Innerhalb der hierdurch gebotenen Grenzen soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG ist bei der Abschussplanung zudem neben der körperlichen Verfassung des Wildes vorrangig der Zustand der Vegetation, insbesondere der Waldverjüngung zu berücksichtigen.
38
Die Behörde hat somit bei der jagdbehördlichen Entscheidung über den Abschussplan für das konkrete Jagdrevier nach § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und § 15 AVBayJG die nach dem Gesetz für die Wildbestandssteuerung relevanten öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Belange zu gewichten sowie den Sachverhalt zu ermitteln und zu bewerten. Eine individuelle Betrachtung des einzelnen Jagdbezirks ist erforderlich; ein pauschales Vorgehen (etwa anhand eines fiktiven Wildbestandes pro einer bestimmten Fläche) ist unzulässig. Es ist ein Interessenausgleich zwischen den volkswirtschaftlichen und landeskulturellen Belangen einerseits und den jagdlichen, naturschützerischen und landespflegerischen Intentionen andererseits vorzunehmen. Nachdem der gesetzlichen Vorgabe in allen Jagdrevieren Rechnung zu tragen ist, bedarf es angesichts der Heterogenität der natürlichen Verhältnisse (naturräumliche Strukturen und insbesondere Wildarten und -bestände) hierzu praktikabler und entsprechend flexibler Methoden und Verfahren (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 13).
39
Im Rahmen der Überprüfung der jagdbehördlichen Entscheidung kann das Gericht ebenso wie die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt feststellen und würdigen. Insofern liegt eine normanwendende Tätigkeit vor, die vom Gericht ebenso wie von der Behörde vollzogen werden kann und muss. Den Jagdbehörden steht bei der Festlegung von Ausmaß und Art der Abschüsse nach § 21 BJagdG, Art. 32 BayJG und
§ 15 AVBayJG weder ein planerisches Ermessen noch ein vom Gericht nicht voll nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Trotz des Wortes „Abschussplan“ ist der Behörde kein planerischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Dennoch ist die Abschusszahl nicht mathematisch-logisch, etwa anhand einer normativen Formel, zu bestimmen. Das Gericht kann die in den Vorschriften gebrauchten unbestimmten Rechtsbegriffe daraufhin – gegebenenfalls mit Hilfe von Sachverständigen – überprüfen, ob die Behörde den maßgeblichen Sachverhalt richtig gewertet hat, ob sie die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen hat und ob die Höhe des Abschusses sich noch in einem vertretbaren Zahlenrahmen befindet (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 13 m.w.N.).
40
Der maßgebliche Sachverhalt dürfte von der Behörde zutreffend ermittelt worden sein, insbesondere wurde das Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 für die HHG Miesbach sowie die ergänzende Revierweise Aussage zur Verjüngungssituation 2021 für die Staatsjagd der Beigeladenen zutreffend als Ausgangspunkt und Grundlage der Abschussplanung herangezogen. Denn nach Art. 32 Abs. 1 Satz 3 BayJG ist den zuständigen Forstbehörden vor Festsetzung des Abschussplans Gelegenheit zu geben, sich auf der Grundlage eines forstlichen Gutachtens über eingetretene Wildschäden an forstlich genutzten Grundstücken zu äußern und ihre Auffassung zur Situation der Waldverjüngung darzulegen. In diesem forstlichen Gutachten sind somit die vom Gamswild verursachten Verbiss- und Fegeschäden festzustellen und – entsprechend den nach Art. 32 Abs. 8 BayJG erlassenen Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Bayern vom 9. Dezember 1988 (AllMBl 1989 S. 73, zuletzt geändert durch Bek. v. 31.8.2012, AllMBl. S. 596 – Hegerichtlinie) – eine zusammenfassende Wertung der vorhandenen Wilddichte zu treffen und daraus eine allgemeine Empfehlung für die Abschussplanung im Bereich der Hegegemeinschaft abzuleiten.
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An der Richtigkeit des Forstlichen Gutachtens und der ergänzenden Revierweisen Aussage bestehen nach summarischer Prüfung keine durchgreifenden Bedenken.
42
Die Forstlichen Gutachten bieten eine objektive und hinreichend umfassende Ermittlung der Schadenssituation (vgl. BayVGH, U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 96; U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 56). Das System, die Methodik und die Durchführung der Forstlichen Gutachten sind nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 29 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass sich das AELF bei der Erstellung des Forstlichen Gutachtens und der Revierweisen Aussage nicht an die hierfür geltenden Grundsätze des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in der jeweils aktuellen Fassung (Anweisung für die Erstellung der Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 sowie zur Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussagen zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, abrufbar unter https://www.stmelf.bayern.de/wald/jagd/forstliches-gutachten/004961/index.php) gehalten hat, sind nicht ersichtlich.
43
Soweit der Antragsteller rügt, dass die ergänzende Revierweise Aussage nicht den Vorgaben der forstlichen Begutachtung entspreche, weil sie für das Gebiet mehrerer Staatsjagdreviere erstellt worden sei, dürfte dies eine fehlerhafte Erstellung nicht begründen. Auf welche Art und Weise die ergänzenden Revierweisen Aussagen zu erstellen sind, ist gesetzlich nicht geregelt (vgl. für die Forstlichen Gutachten BayVGH, U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 53). Heranzuziehen ist daher ebenso wie bei der Erstellung der Forstlichen Gutachten die entsprechende Anweisung des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (vgl. Art. 47 Nr. 3 BayJG i.V.m. § 29 a AVBayJG). Hiernach werden ergänzende Revierweise Aussagen für alle Jagdreviere in Hegegemeinschaften erstellt, in denen im vorangegangenen Gutachten die Verbissbelastung als „zu hoch“ bzw. „deutlich zu hoch“ bewertet wurde (vgl. Anweisung zur Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussagen zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, Nr. 1). Dass die Revierweisen Aussagen, wie der Antragsteller meint, ausschließlich separat für jedes einzelne Jagdrevier zu erstellen seien, lässt sich der Anweisung so nicht entnehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, weshalb die Revierweisen Aussagen nicht jedenfalls in Fällen zusammenfassend dargestellt werden können, in denen – wie hier – der Revierinhaber identisch ist. Als ergänzender Bestandteil des Forstlichen Gutachtens für die Hegegemeinschaften dienen die Revierweisen Aussagen vor allem dazu, das eigenverantwortliche Handeln der Beteiligten vor Ort zu stärken und die Jagdvorstände, Revierinhaber und Eigenjagdbesitzer bei der Aufstellung von gesetzeskonformen Abschussplänen bestmöglich zu unterstützen (vgl. Anweisung zur Erstellung der ergänzenden Revierweisen Aussagen zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021, Nr. 1). Dieser Zweck kann auch bei einer zusammenfassenden Darstellung vollumfänglich erreicht werden. Im konkreten Fall ist auch eine Einbuße der Aussagekraft nicht zu befürchten, da diejenigen Sanierungsgebiete, in denen besonders starke Verbissschäden zu verzeichnen sind, ausdrücklich benannt werden. Aus den gleichen Gründen dürfte es im Weiteren ebenso unschädlich sein, dass das mit einer geringeren Verbissbelastung bewertete StJR Jenbach-Durhamerberg in der Revierweisen Aussage 2021 im Gegensatz zu der Revierweisen Aussage 2018 nicht mehr enthalten ist.
44
Unschädlich dürfte es ferner sein, dass das Forstliche Gutachten 2021 in dem Eigenjagdrevier der Beigeladenen sieben Sanierungsgebiete mit besonders starken Verbissschäden aufzählt, während die ergänzende Revierweise Aussage nur fünf solche Gebiete angeführt. Beide Gutachten stimmen dahingehend überein, dass in nahezu allen Sanierungsgebieten deutliche Verbisschwerpunkte bestehen und jedenfalls in den übereinstimmenden fünf Sanierungsgebieten besonders starke Verbissschäden aufgetreten sind. Eine zu einer Unrichtigkeit der Gutachten führende Widersprüchlichkeit ist damit nicht begründet.
45
Weiter dürfte entgegen dem Vortrag des Antragstellers auch der Wildbestand ausreichend ermittelt worden sein.
46
Da sich der Wildbestand nicht – jedenfalls nicht mit einem in der Praxis vertretbaren Aufwand – sicher feststellen lässt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZV 17.1601 – juris Rn. 32; U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 96, 102), darf sich die Jagdbehörde zur Festlegung der Abschusszahlen am Zustand der Vegetation als natürlichem Weiser orientieren und maßgeblich auf von ihr festgestellte Wildschäden und die Situation der Waldverjüngung abstellen (vgl. BayVGH, U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 59; U.v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 96). Dies gilt insbesondere im Schutzwald im Sinne von Art. 10 BayWaldG (vgl. Nr. I.1.2.1 Hegerichtlinie). Aus diesem Grund dürfte der Einwand des Antragstellers, die im Rahmen der Gamszählungen im Jahr 2020 und 2021 von der Beigeladenen ermittelten tatsächlichen Wildbestände hätten keinen Eingang in die Akte gefunden und seien damit nicht bewertet worden, im Ergebnis nicht zur Feststellung einer unzureichenden Sachverhaltsermittlung führen. Denn zum einen lässt sich aus der bloßen Nichterwähnung in der dem Gericht vorgelegten Behördenakte nicht zwingend darauf schließen, dass der Behörde diese Zahlen nicht bekannt gewesen seien. Zum anderen lässt sich der Wildbestand – wie bereits dargelegt – nicht sicher feststellen. Daher müsste auch ein Abschussvorschlag auf der Grundlage einer Wildzählung anhand weiterer Anhaltspunkte (insbesondere der Verbissbelastung) untersucht werden, da das Ausmaß des vom Wild verursachten Pflanzenverbisses nicht nur durch den Wildbestand, sondern auch durch die variierenden natürlichen Verhältnisse im jeweiligen Jagdrevier beeinflusst wird. Eine Fokussierung auf den absoluten Wildbestand wäre daher auch dann nicht zielführend, wenn er verlässlich ermittelt werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1992 – 3 C 62/89 – juris Rn. 27 f.). Dementsprechend ist es deshalb auch nicht Aufgabe der Forstlichen Gutachten, den konkreten Wildbestand für das einzelne Jagdrevier oder für die Hegegemeinschaft zahlenmäßig zu ermitteln (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1601 – juris Rn. 32; U.v. 30.4.1992 – 19 B 91.1220 – juris Rn. 59). Vielmehr darf sich die Jagdbehörde – wie ausgeführt – zur Festlegung der Abschusszahlen am Zustand der Vegetation als natürlichem Weiser orientieren und maßgeblich auf von ihr festgestellte Wildschäden und die Situation der Waldverjüngung abstellen. Das gewichtigste Indiz für die zentrale Frage der Angemessenheit des Wildbestands ist jedoch der Wildverbiss, weil er von allen zu berücksichtigenden Umständen (die gesammelt, bewertet, gewichtet und abgewogen werden müssen) die höchste Aussagekraft für die Verträglichkeit des Wildbestands mit den übrigen Bestandteilen der Natur (und damit für die Funktionsfähigkeit ihres Wirkungsgefüges) und mit den menschlichen Interessen (insbesondere dem Interesse am Schutz des Grundeigentums) besitzt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1601 – juris Rn. 32).
47
Das Landratsamt dürfte den maßgeblichen Sachverhalt auch richtig gewertet und die verschiedenen Belange entsprechend der Zielvorgabe des Gesetzgebers zutreffend abgewogen haben. Die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege dürften angemessen berücksichtigt worden sein.
48
Im Rahmen der Abwägung kommt dem Interesse am Schutz des Walds wegen dessen überragender Bedeutung für das Klima, den Wasserhaushalt, die Sauerstoffproduktion, die Nährstoffspeicherung und die biologische Vielfalt ein Vorrang gegenüber den jagdlichen Interessen zu (vgl. BVerwG, U.v. 30.3.1995 – 3 C 8/94 – juris Rn. 45; BayVGH, U.v.19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 94). Dementsprechend sind nach Art. 1 Abs. 2 Nr. 3 BayJG Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen, d.h. nachhaltigen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 BWaldG) forstwirtschaftlichen Nutzung durch das Wild möglichst zu vermeiden, insbesondere soll die Bejagung die natürliche Verjüngung der standortgemäßen Baumarten im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen ermöglichen und nach Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG die Waldverjüngung gewährleisten (vgl. BayVGH, U. v. 19. Mai 1998 – 19 B 95.3738 – juris Rn. 94). Für die hier inmitten stehenden Belange der Forstwirtschaft ergibt sich daraus, dass nur eine solche Wirtschaftsweise ordnungsgemäß und vorrangig ist, die neben ökonomischen Zielen auch die ökologischen Forderungen zur Erhaltung des Biotops verfolgt, letztlich also den im bayerischen Recht verankerten Grundsatz „Wald vor Wild“ im Sinne einer Vermeidung von Wildbestandshöhen, bei denen die standortgemäßen Baumarten nicht mehr natürlich aufkommen. Die Kontrolle des Schalenwildbestands ist insoweit Bestandteil der Forstwirtschaft (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 55). Unmittelbar aus Art. 32 Abs. 1 Satz 2 BayJG folgt zudem, dass die Gewährleistung der Waldverjüngung ein berechtigter Anspruch der auf diesen Flächen betriebenen Forstwirtschaft ist. Aus dieser Bestimmung sowie den weiteren des Art. 1 Abs. 2 Nr. 2 BayWaldG und des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayWaldG ergibt sich daher insbesondere, dass gerade die Verjüngung und Bewahrung eines standortgemäßen Waldes durch die Abschussregelung gewährleistet sein muss (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 56). Der Gesetzgeber hat somit bei der Regelung der Bejagung dem Schutz der Vegetation und den daraus resultierenden Ansprüchen der Forstwirte einen klaren Vorrang vor der Hege des Wilds eingeräumt. Dies gilt in besonderem Maße für den Schutzwald nach Art. 10 Abs. 1 BayWaldG, in dem einer vom Wildbestand nicht beeinträchtigten Entwicklung der Vegetation Priorität einzuräumen ist. Da sich Schäden, die auf Schutzwaldsanierungsflächen durch Schalenwildverbiss verursacht werden, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich besonders nachteilig auswirken, müssen Abschussplanung und Bejagung darauf gerichtet sein, dass diese Flächen vom Verbiss des Wilds möglichst verschont bleiben. Es ist darauf zu achten, dass diese Flächen vom Schalenwild möglichst freigehalten werden (vgl. Nr. I.1.2.1 der Richtlinien für die Hege und Bejagung des Schalenwildes in Bayern).
49
Ausgehend von diesen Grundsätzen dürfte die Festsetzung des Abschusses unter Erhöhung des bisherigen Abschuss-Solls zur Wahrung der berechtigten Belange der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden, insbesondere zum Schutz der Vegetation sowie aus Gründen der Forstwirtschaft erforderlich gewesen sein.
50
Nach dem Forstlichen Gutachten 2021 ist die HHG … zu 65% bewaldet, wobei der hohe Schutzwaldanteil von rd. 62% der Waldfläche besonders hervorstechend sei. Die Verbissbelastung wird aufgrund der deutlichen Entmischung der Verjüngung zu Ungunsten von Edellaubholz und Tanne insgesamt als „zu hoch“ beurteilt. Bei den Verjüngungspflanzen kleiner als 20 cm sei der Verbiss im oberen Drittel gegenüber 2018 beim Edellaubholz von 29% auf 30% und bei Buche von 17% auf 21% gestiegen, bei der Fichte habe es eine Abnahme von 2% auf 1% und bei der Tanne von 15% auf 11% gegeben. Bei Verjüngungspflanzen ab 20 cm bis zur maximalen Verbisshöhe sei der Leittriebverbiss gegenüber 2018 an der Fichte bei 2% gleichgeblieben, bei der Tanne von 23% auf 16%, bei der Buche von 20% auf 15% und beim Edellaubholz von 34% auf 26% gesunken, beim sonstigen Laubholz von 32% auf 34% gestiegen. Insbesondere bei der wichtigen Mischbaumart Tanne reiche der etwas gesunkene Leittriebverbiss noch nicht aus, um der deutlichen Entmischungstendenz zu Ungunsten dieser Baumart entgegenzuwirken. Obwohl der relative Anteil der Tanne als ausgeprägte Schattbaumart an der Verjüngung über die einzelnen Höhenstufen – wie bei der Buche zu beobachten sei – eigentlich zunehmen müsste, nehme ihr Anteil von 24% bei den Pflanzen unter 20 cm auf weniger als 5% bei den Pflanzen zwischen 80 cm und der maximalen Verbisshöhe sehr deutlich ab. Der Verbiss im oberen Drittel weise höhere Werte auf als der Leittriebverbiss: 10% bei der Fichte, 42% bei der Tanne, 47% bei der Buche, 68% beim Edellaubholz und ebenfalls 68% beim sonstigen Laubholz. Weiter wird ausgeführt, dass ein hoher Anteil an Mischbaumarten (Tanne und Laubhölzer) zur Stabilisierung der Wälder, insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel, dringend erforderlich sei. Der Tanne komme als Ergänzung zur Fichte auch eine wichtige Funktion für die Erhaltung der wirtschaftlichen Ertragskraft und die Optimierung der Schutzfunktion der Bergwälder zu. Tanne, Buche, Edellaubholz und sonstige Laubhölzer hätten maßgeblichen Anteil an der Waldverjüngung und spielten daher eine wichtige Rolle bei der Beurteilung der Verjüngungssituation. Der festgestellte Leittriebverbiss bei der Buche liege insgesamt noch im tragbaren Bereich, beim Edellaubholz sowie vor allem bei der Tanne werde diese Grenze jedoch überschritten, was sich an der deutlichen Entmischung zeige. Der Anteil des Edellaubholz sinke in der Schicht 80 cm bis maximale Verbisshöhe auf weniger als die Hälfte, bei der Tanne auf weniger als ein Viertel des Ausgangswerts. Verbissschwerpunkte bestünden u.a. in Teilen des Eigenjagdreviers der Beigeladenen (* …bach, …berg, …tal, …bach und …au) sowie in nahezu allen Sanierungsgebieten. Da die jagdlichen Bemühungen im Durchschnitt der Hochwildhegegemeinschaft nicht ausgereicht hätten, eine ausreichende Verjüngung der vorhandenen Bergmischwälder sicherzustellen, sei der Abschuss mit Schwerpunkt auf den in den ergänzenden Revierweisen Aussagen mit „zu hoch“ oder „deutlich zu hoch“ eingestuften Revieren zu erhöhen. Weil sich insbesondere in den Sanierungsgebieten mit Gamsvorkommen deutliche Verbissschwerpunkte befänden, sei der Gamsabschuss signifikant zu erhöhen. Nach der ergänzenden Revierweisen Aussage 2021 für die Staatsjagdreviere der Beigeladenen ist das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung von Fichte, Buche und Edellaubbäumen möglich, der Tanne nicht möglich. Der Leittriebverbiss der Tanne liege mit gut 14% etwas niedriger als im Durchschnitt der Hochwildhegegemeinschaft, in der Verjüngung bestehe vielerorts eine deutliche Entmischung zuungunsten der Tanne. In nahezu allen Sanierungsgebieten bestünden deutliche Verbissschwerpunkte. Eine Verjüngung der häufig stark verlichteten Wälder und damit eine Wiederherstellung der Schutzfunktionen sei daher in vielen Fällen nicht gesichert. Besonders starke Verbissschäden träten in fünf im Einzelnen aufgezählten Sanierungsgebieten auf. Die Verbissbelastung sei zu hoch. An stärker verbissgefährdeten Baumarten sei starker Schalenwildverbiss festzustellen. Sie gerieten ins Hintertreffen und würden von weniger verbissgefährdeten Baumarten überwachsen. Eine Entmischung der Verjüngung sei gegeben bzw. zu erwarten. Die Verbisssituation habe sich gegenüber der vorangegangenen ergänzenden Revierweisen Aussage nicht verändert.
51
In dem Forstlichen Gutachten 2018 war die Verbissbelastung ebenfalls als „zu hoch“ eingestuft und die Abschussempfehlung mit „erhöhen“ angegeben worden, wobei auch hier die Empfehlung gegeben worden war, den Gamsabschuss signifikant zu erhöhen, da sich insbesondere in den Sanierungsgebieten mit Gamsvorkommen deutliche Verbissschwerpunkte befänden. Im Rahmen der ergänzenden Revierweisen Aussage 2018 war das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung von Fichte und Buche als „i.W. möglich“, von Tanne und Edellaubbäumen als „teilweise möglich“ eingestuft worden. Die Verbissbelastung war mit „zu hoch“ eingewertet worden und habe sich „verschlechtert“.
52
Entgegen der Auffassung des Antragsstellers ist nicht ersichtlich, dass sich das Landratsamt mit den gegen eine Erhöhung sprechenden Belangen wie beispielsweise die Zusammensetzung der Gamswildpopulation, insbesondere mit dem vom Antragsteller behaupteten zu starken Eingriff in die Mittelklasse, nicht auseinandergesetzt hat. Aus den sich in der Behördenakte befindenden handschriftlichen Notizen zur Abschussplanung vom 11. Juli 2022, die wohl im Rahmen der Jagdbeiratssitzung angefertigt worden waren, geht hervor, dass das Landratsamt sich mit kritischen Einwänden zur Abschussplanung wie „zu hohe Anzahl von 2b Böcken“, „Erhöhung nicht zu rechtfertigen, zu hohe Ausmaße an Zahlen“, der „Gamszählung“, „kein gesunder Gamsbestand zu erreichen“ durchaus befasst hat. Dies findet auch in dem Protokoll der Jagdbeiratssitzung insoweit Niederschlag, als auch dort u.a. die Einwände „Erhöhung nicht zu rechtfertigen“, „Einhaltung der Klassen wird nicht umgesetzt“, „Frage nach Gamszählung im Herbst“, „Zu hohe Differenz zwischen der Soll-Anzahl und den Ist-Abschüssen“ festgehalten wurden. Dass das Landratsamt durch die Bestätigung des Abschussvorschlags der Beigeladenen im Ergebnis den für eine Erhöhung der Abschusszahlen sprechenden Belangen, insbesondere dem Belang der Schutzwaldsanierung, im Ergebnis ein größeres Gewicht zugemessen hat, dürfte rechtlich nicht zu beanstanden sein.
53
Die Anhebung der Abschusszahlen auf 550 Stück Gamswild dürfte auch nicht unverhältnismäßig sein. Sie beträgt, ausgehend vom Ist-Abschuss des abgelaufenen Jagdjahrs von 493 Stück, rund 11%. Für die Beurteilung, ob ein vertretbarer Zahlenrahmen bei der behördlichen Festsetzung eingehalten wurde, kann der Rechtsgedanke der Flexibilisierungsvorschrift des § 16 Abs. 1 Satz 3 AVBayJG als Anhaltspunkt herangezogen werden, wonach bei einer Bewertung des Verbisses im aktuellen Forstlichen Gutachten als zu hoch, bis zu 20% vom festgelegten Abschuss nach oben abgewichen werden kann. Die Erhöhung des Abschusses dürfte dem Vegetationszustand in dem streitgegenständlichen Jagdrevier, wo der Verbiss seit Jahren deutlich zu hoch ist, und dessen Besonderheiten (Schutzwald) Rechnung tragen und ist konkret auf die bisherigen Abschusszahlen bezogen. Sie dürfte daher geeignet und erforderlich sein, um den Vegetationszustand zu verbessern, und sich innerhalb eines vertretbaren Zahlenrahmens halten.
54
Schließlich sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Bestätigung des Abschussplans unter Verletzung europarechtlicher Vorschriften erfolgt ist, weil Gamswild als Tierart des Anhang V der FFH-Richtlinie dem besonderen Schutz dieser Richtlinie unterliegt. Zwar hat der Mitgliedstaat seine Lebensräume in einem günstigen Erhaltungszustand zu bewahren (Art. 2 Abs. 2 FFH-Richtlinie), dies in geeigneter Weise zu überwachen (Art. 11 FFH-Richtlinie) und alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um einen günstigen Erhaltungszustand zu sichern, insbesondere durch notwendige Maßnahmen betreffend die Entnahme aus der Natur oder deren Nutzung. Mit dieser Verpflichtung stehen die Vorschriften zur Abschussplanung aber nicht in Widerspruch. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 BJagdG soll die Abschussregelung dazu beitragen, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Die EU-Kommission hat auf der Grundlage von Bestandsaufnahmen die Gamspopulation im Alpenraum als sehr groß und gesichert angeführt und in jedem der Länder mit Gamswildvorkommen einen günstigen Erhaltungszustand festgestellt (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 80 mit Verweis auf Dr. S2. in Gamswild – der EU-Rahmen, Band 24 der Schriftenreihe des Bayerischen Landesjagdverbands, „Heimatwild Alpengams – nachhaltig erhalten; BayVGH, U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022 – juris Rn. 139). Nach den vom Landesjagdverband Bayern e.V. veröffentlichen Zahlen (abrufbar unter https://www.jagd-bayern.de/jagd-wild-wald/jagdpraxis/jagdstrecken) liegen die jährlichen Gamswildstrecken in Bayern seit rund 20 Jahren im Bereich von 4.000 Stück (mit einer Schwankungsbreite von mehreren 100 Stück nach unten und nach oben), wobei sie seit dem Jagdjahr 2011/2012 kontinuierlich über 4.000 Stück liegen. Diese Entwicklung der Gamswildstrecken spricht dafür, dass sich das Gamswild in einem günstigen Erhaltungszustand im Sinne des Art. 1 Buchst. i der Habitatrichtlinie befindet und widerlegt die Behauptung einer bestandssenkenden Bejagung, denn eine solche würde spätestens nach einigen Jahren zu einer Verminderung der Strecken führen (vgl. BayVGH, U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022 – juris Rn. 139). Vor diesem Hintergrund dürfte ein gesunder Gamswildbestand in angemessener Zahl gesichert sein.
55
Der Antragsteller hat auch nicht substantiiert dargetan, dass die Beigeladene bei der Bejagung seit Jahren keine Rücksicht auf die Altersstrukturen des Gamswildbestands nehme. Nr. I.8 der Hegerichtlinie verpflichtet dazu, die Regulierung der Wildbestände den natürlichen Auslesevorgängen anzupassen. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung werden die Schalenwildarten im genannten Abschnitt und in den folgenden Abschnitten (einschließlich Nr. I.9.2) in Altersklassen eingeteilt und wird jeder Altersklasse ein Abschussdeputat zugeteilt. Zwar wurde im vorangegangenen Jagdjahr der Abschuss von Böcken der Klasse II b mit 119 von 65 festgesetzten Stück deutlich übererfüllt, während der Abschuss von Böcken der Klasse I a mit 4 von 11, der Klasse I b mit 4 vom 14 und Klasse II a mit 10 von 31 untererfüllt wurde. Dass hierdurch bereits der Bestand gefährdet wäre, hat der Antragsteller jedoch nicht substantiiert dargetan. Gegen eine darauf beruhende Bestandsgefährdung dürfte weiter sprechen, dass in der streitgegenständlichen Abschussplanung der Abschuss von Böcken der Klasse II b auf 98 deutlich erhöht wurde, während er bei den übrigen Böcken im Wesentlichen gleich geblieben ist.
56
Aus den gleichen Gründen dürfte auch die Aufnahme von Gamswild in die Vorwarnliste der Roten Liste keinen Abwägungsfehler begründen. Weder aus der Einwertung auf der Vorwarnliste der Roten Liste, noch aus derjenigen der Roten Liste Bayern ergeben sich derzeit Anhaltspunkte für eine konkrete Gefährdung des Bestands (vgl. hierzu ausführlich VG Augsburg, U.v. 22.2.2022 – Au 8 K 21.1895 – juris Rn. 119 ff.). Dementsprechend wird in der Roten Liste Bayern ausgeführt, dass das Gamswild fast ausschließlich auf die Alpen beschränkt sei, wo es ein häufiges Wildtier mit jährlichen Jagdstrecken um die 4.000 Individuen sei und die Bestandsentwicklung seit 20 Jahren gleichbleibend erscheine.
57
Rechtliche Bedenken, die ohne weitere Sachverhaltsaufklärung nicht ausgeräumt werden können, bestehen vorliegend jedoch hinsichtlich der vom Kläger aufgeworfenen Frage der Vereinbarkeit des streitgegenständlichen Abschussplans mit dem die Natura-2000-Gebiete betreffenden Naturschutzrecht, sodass die Erfolgsaussichten der Klage insofern nach summarischer Prüfung noch als offen anzusehen sind.
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Die Vorschriften zum Schutz der Natura-2000-Gebiete unterliegen (auch) bei der Anwendung von § 21 BJagdG nicht der Abwägung (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 89). Zwar bestehen vorliegend wesentliche Anhaltspunkte dafür, dass das Natura-2000-Recht dem streitgegenständlichen Abschussplan im Ergebnis voraussichtlich nicht entgegenstehen dürfte (vgl. hierzu im Einzelnen BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 62 ff.; U.v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022 – juris Rn. 128 ff.; VG Augsburg, U.v. 22.2.2022 – Au 8 K 21.1895 – juris Rn. 125 ff.). Allerdings kann ohne weitere Sachverhaltsaufklärung derzeit nicht festgestellt werden, ob durch den Abschussplan als Gebietserhaltungsmaßnahme i.S.d. Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie das Unterbleiben gebietsbeeinträchtigender Störungen gewährleistet ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 73 ff.). Der Antragsgegner hat sich zu dieser Thematik nicht geäußert und auch der Behördenakte kann hierzu nichts entnommen werden. Eine Beteiligung der Unteren Naturschutzbehörde ist noch nicht erfolgt. Eine abschließende Aussage lässt sich im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung nach Aktenlage somit nicht treffen und muss der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Da eine Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde – wie ausgeführt – noch bis zur Entscheidung in der Hauptsache eingeholt werden kann und auch einer etwa vorhandenen erheblichen Beeinträchtigung des Natura-2000-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen durch andere jagdrechtliche oder naturschutzrechtliche Instrumente vorgebeugt werden könnte (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 – 19 ZB 17.1602 – juris Rn. 73), sind die Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Abschussplans nicht so schwerwiegend, dass eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ohne weiteres angenommen werden könnte. Da sich jedoch die Erfolgsaussichten der Hauptsache ohne weitere Sachaufklärung auch nicht vorläufig beurteilen lassen und der Verfahrensausgang insoweit offen ist, ist eine reine Interessenabwägung erforderlich (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 90 ff. m.w.N.).
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Diese abschließende Abwägung der gegenläufigen Interessen fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus.
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Zugunsten des Antragstellers ist zu berücksichtigen, dass mit der Vollziehung des Abschussplans der Abschuss des Gamswilds bis zum Ende der Jagdzeit am 15. Dezember möglich ist und die erlegten Stücke auch im Falle eines Obsiegens in der Hauptsache unwiederbringlich verloren sind. Diesem Interesse steht jedoch das gewichtige öffentliche Interesse an dem Schutz des Walds, insbesondere des Schutzwalds, vor durch Schalenwild verursachte Schäden gegenüber. Dieses Interesse wiegt vorliegend umso schwerer, als die HHG … ausweislich des Forstlichen Gutachtens 2021 mit 62% einen besonders hohen Schutzwaldanteil aufweist, der neben den reinen Boden- und Wasserschutzfunktionen auch eine besondere Bedeutung für den Schutz von Infrastruktureinrichtungen hat. Auch in Teilen des streitgegenständlichen Reviers bestehen in nahezu allen Sanierungsgebieten Verbissschwerpunkte mit teilweisen starken Verbissschäden, wobei sich deutliche Verbissschwerpunkte insbesondere in den Sanierungsgebieten mit Gamsvorkommen befinden. Für dieses Rechtsgut würde ein erhebliches Gefährdungspotenzial geschaffen, wenn der Abschuss des Gamswilds bei Anordnung der aufschiebenden Wirkung vorläufig vollständig unterbleiben müsste. Denn es droht der Eintritt weiterer massiver Verbissschäden in den Schutzwäldern der betroffenen Bereiche, die aufgrund des langsamen Wachstums der Verjüngung in höheren Lagen (vgl. Forstliches Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 für die HHG …, S. 2; vgl. auch Nr. I.1.2.1 Hegerichtlinien) auch im Falle des Obsiegens des Antragsgegners möglicherweise nicht mehr rückgängig gemacht werden können. Demgegenüber ist der Bestand des Gamswilds, wie bereits ausgeführt, auch bei Erfüllung des streitgegenständlichen Abschussplans als solcher nicht gefährdet.
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Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen Antrag gestellt hat und somit keinem Kostenrisiko ausgesetzt war (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz – GKG – i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.