Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 20.10.2022 – AN 17 K 21.00853, AN 17 K 21.00869
Titel:

Erfolglose Nachbarklage gegen Doppelhaus - Verschattung einer Photovoltaikanlage

Normenketten:
BayBO Art. 6, Art. 68
BauGB § 31 Abs. 2
Leitsätze:
1. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich hinzunehmen; das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn Verschattungen zu finanziellen Einbußen hinsichtlich der Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen führen. (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Verletzung von Verfahrensvorschriften hat nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes auf die Klage eines in seinen materiellen Rechten nicht betroffenen Dritten hin zur Folge. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erfolglose Drittanfechtung zweier Baugenehmigungen von Art. 6 BayBO in räumlicher Hinsicht geschützter Personenkreis, Gebietserhaltungsanspruch, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Befreiung von Festsetzungen des Bebauungsplans: versteckter Dispens, Gebot der Rücksichtnahme – erdrückende Wirkung, Verschattung, Ertragseinbußen Solaranlage
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44727

Tenor

1. Die Klagen werden abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
3. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.  

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die den Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes …, FlNr. …, Gemarkung … Die Beigeladene zu 1) ist Bauherrin einer auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, …, zu errichtenden Doppelhaushälfte, die Beigeladene zu 2) Bauherrin der dazugehörigen, auf dem direkt östlich angrenzenden Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, …, zu errichtenden Doppelhaushälfte. Das Grundstück des Klägers ist von den Grundstücken der Beigeladenen (Vorhabengrundstücke) durch die …Straße getrennt und liegt den Vorhaben der Beigeladenen nicht direkt, sondern versetzt in nördöstlicher Richtung schräg gegenüber. Sowohl das Grundstück des Klägers als auch die Vorhabengrundstücke befinden sich im Geltungsbereich des Bebauungsplanes … der Beklagten, der im fraglichen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festlegt. Hinsichtlich der Vorhabengrundstücke ist eine Bebauung mit Einzel- und Doppelhäusern zulässig. Zwei Vollgeschosse im Erd- und Obergeschoss werden zwingend vorgeschrieben. Nach § 3 des Bebauungsplanes, der das Maß der baulichen Nutzung regelt, gelten „die Höchstwerte des § 17 BNutzV“, soweit sich nicht aus den festgesetzten überbaubaren Flächen und Geschosszahlen sowie den Grundstücksgrößen im Einzelfall ein geringeres Maß der baulichen Nutzung ergibt. Im Zeitpunkt des 1971 bekanntgemachten Bebauungsplanes … schrieb die damals gültige Baunutzungsverordnung (BauNVO) 1968 in § 17 BauNVO (i.d.F. gültig vom 1.1.1969 bis 30.9.1977) für allgemeine Wohngebiete bei zwei zulässigen Vollgeschossen eine Grundflächenzahl von 0,4 und eine Geschossflächenzahl von 0,8 vor. Weiter wird im Bebauungsplan unter § 4 Bauweise festgesetzt, dass die im Bebauungsplan eingeschriebenen und eingezeichneten Abstandsflächen abweichend von Art. 6 Abs. 3 und Abs. 4 BayBO festgesetzt werden.
3
Mit am 3. November 2020 bei der Beklagten eingegangenem Bauantrag vom 5. Oktober 2020 beantragte die Beigeladene zu 1) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Doppelhaushälfte mit Garage und Carport. Sie beantragte mit am 21. Januar 2021 bei der Beklagten eingegangenem Formblatt darüber hinaus die Erteilung einer Befreiung, § 31 BauGB, für eine Abweichung von der im Bebauungsplan festgesetzten Geschossflächenzahl von 0,8 sowie wegen der Überschreitung der Baugrenze der Garage um 0,75 m. Ebenso wurden am 21. Januar 2021 Tekturpläne vom 19. Januar 2021 vorgelegt, wonach nur noch die Errichtung einer Doppelhaushälfte mit Garage beantragt ist.
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Die Beigeladene zu 2) beantragte mit am 3. November 2020 bei der Beklagten eingegangenem Bauantrag vom 5. Oktober 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Doppelhaushälfte mit Carport. Sie beantragte mit am 21. Januar 2021 eingegangenem Formblatt außerdem die Erteilung einer Befreiung, § 31 BauGB, für eine Abweichung von der im Bebauungsplan festgesetzten Geschossflächenzahl von 0,8. Ebenso wurden am 21. Januar 2021 Tekturpläne vom 19. Januar 2021 vorgelegt, wonach nur noch die Errichtung einer Doppelhaushälfte beantragt ist.
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Zur Begründung der beantragten Befreiungen wurde jeweils ausgeführt, dass laut Bebauungsplan, wie geplant, zwei Vollgeschosse im Erd- und Obergeschoss zulässig seien. Da das Dachgeschoss nach heutiger Berechnungsgrundlage kein Vollgeschoss sei und somit auch nicht berechnet werde, werde um Befreiung von der damaligen Berechnungsgrundlage gebeten. Die Beigeladene zu 1) führte zudem aus, dass die Überschreitung aus baulicher Sicht notwendig sei und bereits bei einer früheren Genehmigung am Nachbargrundstück (Beigeladene zu 2)) genehmigt worden sei.
6
Nach den eingereichten Bauvorlagen verfügen die beiden Doppelhaushälften der Beigeladenen über Keller-, Erd-, Ober- und Dachgeschoss. Das Kellergeschoss liegt zur … hin ein Stück weit oberhalb der Geländeoberfläche.
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Die seitlich angrenzenden unmittelbaren Grundstücksnachbarn (FlNr. …, Hausnr. **) der Beigeladenen zu 1) erhoben ebenso wie die seitlich angrenzenden unmittelbaren Grundstücksnachbarn der Beigeladenen zu 2) (FlNr. …, Hausnr. **) Einwendungen gegen das jeweilige Vorhaben. Der Kläger wurde im Baugenehmigungsverfahren nicht beteiligt.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2021 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1) die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer Einfamiliendoppelhaushälfte mit Garage und hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplanes … eine Befreiung „hinsichtlich der Überschreitung der maximal zulässigen Geschossflächenzahl – festgesetzt 0,8, geplant 0,86“.
9
Mit Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2021 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 2) die beantragte Baugenehmigung für die Errichtung einer Einfamiliendoppelhaushälfte und hinsichtlich der Festsetzungen des Bebauungsplanes … eine Befreiung „hinsichtlich der Überschreitung der maximal zulässigen Geschossflächenzahl – festgesetzt 0,8, geplant 0,85“.
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Zur Begründung führte die Beklagte in den Bescheiden u.a. aus, dass die Voraussetzungen zur Erteilung der Befreiungen vorlägen. Der Bebauungsplan … sei 1970 wirksam geworden. Es sei somit die BauNVO 1968 zu beachten. Gemäß § 20 BauNVO 1968 seien die Flächen von Aufenthaltsräumen in Geschossen, die keine Vollgeschosse seien einschließlich der zu ihnen gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände, mitzurechnen. Aufgrund der Mitrechnung der Aufenthaltsräume im Dachgeschoss, das kein Vollgeschoss sei, ergebe sich eine Überschreitung der maximal zulässigen Geschossflächenzahl um 0,06 (Baugenehmigung der Beigeladenen zu 1)) bzw. um 0,05 (Baugenehmigung der Beigeladenen zu 2)). Diese Überschreitung werde als geringfügig erachtet. Im Geltungsbereich des Bebauungsplanes befänden sich bereits Präzedenzfälle mit höheren Überschreitungen. Nachbarliche Belange würden nicht berührt. Die Abweichung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes sei städtebaulich vertretbar. Die Grundzüge der Planung würden nicht berührt. Die in der Satzung des Bebauungsplanes nach Westen und Osten festgesetzten Abstandsflächen von je 3,25 m würden eingehalten. Die gesunden Wohnverhältnisse des benachbarten Gebäudes … (Baugenehmigung der Beigeladenen zu 1)) bzw. … (Baugenehmigung der Beigeladenen zu 2)) würden durch den Neubau nicht beeinträchtigt. Eine ausreichende Belichtung und Belüftung sei weiterhin gegeben. Auch bestünden keine brandschutzrechtlichen Bedenken.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 7. Mai 2021 erhob der Kläger Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid der Beigeladenen zu 1) und gegen den Baugenehmigungsbescheid der Beigeladenen zu 2) und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass ihm keine Ausfertigung der Baugenehmigungen zugestellt worden sei. Er habe, nachdem Mitte März 2021 mit ersten Baumaßnahmen (Stromanschlüsse) begonnen worden sei, bei der Beklagten am 30. März 2021 Akteneinsicht beantragt und am 13. April 2021 persönlich beim Bauamt vorgesprochen. Am 14. April 2021 seien ihm die Ansichten mit den Maßen des Bauvorhabens ausgehändigt worden. Daraufhin hätten die Klägerbevollmächtigten am 29. April 2021 bei der Beklagten Akteneinsicht genommen und Kopien der Baugenehmigungsbescheide gefertigt.
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Durch das Bauvorhaben werde der Kläger in seinen Rechten verletzt. Aufgrund der geplanten Höhe der Vorhaben entstünde, vor allem in den Wintermonaten, eine erhebliche Verschattung des Hauses des Klägers. Eine direkte Sonneneinstrahlung sei dann, insbesondere in den Wintermonaten, nicht mehr gegeben. Dies werde dazu führen, dass eine geplante Solaranlage in den Wintermonaten selbst bei Sonnenschein ineffektiv arbeiten würde und dadurch höhere Heizkosten entstünden. Die beiliegende Simulation des Schattenwurfs eines 11 m hohen Hauses (Höhe ähnlich des Hauses Nr. **) und eines Hauses mit einer Höhe von 9 m (Höhe ähnlich des Hauses Nr. **) verdeutliche dies. Weiter seien in dem Gebiet zwei Vollgeschosse zulässig. Auch wenn die Vorhaben nur zwei Vollgeschosse hätten, werde aufgrund der Tatsache, dass das Kellergeschoss nur wenig im Erdreich versenkt sei, durch die Bauvorhaben eine ähnliche Höhe erreicht wie bei der Hausnummer … und nicht eine Höhe wie bei Hausnummer … Durch das leicht abschüssige Gelände werde der Höhenunterschied noch verstärkt, was die beigefügten Diagramme des Höhenunterschieds belegen würden. Aufgrund der eintretenden Verschattung werde der Kläger in dem Gebot der Rücksichtnahme verletzt.
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Weiter sei auch der Gebietserhaltungsanspruch verletzt. Dieser bewirke auch den Abwehranspruch des Nachbarn gegen eine schleichende Änderung des Gebietscharakters durch Vorhaben, die zwar an sich im Gebiet zulässig seien, aber gleichwohl als gebietsunverträglich zu beurteilen seien, weil sie der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgebenden Baugebiets zuwiderlaufen bzw. weil das Vorhaben aufgrund seiner typischen Nutzungsweise störend wirke. Durch die geplante Dimension und Größe der Doppelhäuser liege ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebietes vor und würde eine Art der baulichen Nutzung in das Baugebiet hineingetragen, welche der Kläger nicht hinnehmen müsse.
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Der Kläger beantragt,
Die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2021 und die der Beigeladenen zu 2) erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2021 werden aufgehoben.
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Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen, und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass sich das Anwesen des Klägers weder unmittelbar gegenüber noch direkt neben den Baugrundstücken befinde. Damit würden auch unter Zugrundelegung der weitergefassten Nachbareigenschaft im Baurecht keine nachbarschützenden Vorschriften verletzt. Was den klägerischen Vortrag der Verschattung angehe, so würden die Vorhaben die Vorgaben des Bebauungsplanes zur Anzahl der Vollgeschosse einhalten. Im Rahmen der Prüfung des Bauantrages sei berechnet worden, dass nur zwei Vollgeschosse (Erd- und Obergeschoss) vorliegen würden. Im Bebauungsplan sei keine Höhe der Gebäude festgesetzt worden. Die Wandhöhe der Bauvorhaben entspreche in etwa der Wandhöhe des östlich der Vorhaben liegenden Gebäudes, Hausnummer … Die Hausnummer … befinde sich dem klägerischen Grundstück direkt südlich gegenüber.
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Der Bebauungsplan enthalte zudem keine Regelungen über die Kniestockhöhe. Weiter würden die Dachneigung und Dachform den Festsetzungen des Bebauungsplanes entsprechen. Das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Es umfasse nicht das Recht auf ideale Lichtverhältnisse. Nachbarn hätten es hinzunehmen, dass Grundstücke innerhalb des durch das Bauplanungs- und Bauordnungsrechts (insbesondere Abstandsflächenrecht) vorgegebenen Rahmens baulich ausgenutzt werden und es dadurch zu Schattenwürfen komme, die in einem bebauten Gebiet üblich seien. Der Gebietserhaltungsanspruch sei nicht verletzt. Durch den Bebauungsplan sei ein allgemeines Wohngebiet festgesetzt worden. Die streitgegenständlichen Bauvorhaben seien als Doppelhaushälften Wohngebäude und damit ihrer Art nach zulässig. Die BauNVO reglementiere nur das Wohnen als Nutzungsart, differenziere aber nicht weiter zwischen dem Wohnen als Einfamilien-, Doppel- oder Mehrfamilienhaus.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogenen Behördenakten zum Vorhaben der Beigeladenen zu 1) und zum Vorhaben der Beigeladenen zu 2) sowie die beigezogenen Bebauungsplanunterlagen verwiesen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Klagen sind unbegründet.
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1. Die Klagen sind zulässig, insbesondere wurden sie fristgerecht erhoben.
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Der Kläger, der in den Baugenehmigungsverfahren der Beigeladenen nicht als Nachbar beteiligt wurde, Art. 66 BayBO, und dem die Baugenehmigungen der Beigeladenen vom 29. Januar 2021 auch nicht zugestellt wurden, hat am 29. April 2021 erstmals von den streitgegenständlichen Baugenehmigungen Kenntnis erlangt, als der Klägerbevollmächtigte bei der Beklagten Akteneinsicht genommen und Kopien der angegriffenen Bescheide gefertigt hat. Die Erhebung der Klagen am 7. Mai 2021 erfolgte fristgerecht und zwar unabhängig davon, ob in der Akteneinsicht am 29. April 2021 eine Bekanntgabe i.S.d. § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 41 BayVwVfG zu sehen ist mit der Folge, dass die Monatsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO zu laufen begann, oder ob mangels Bekanntgabe die Klage jedenfalls entsprechend § 58 Abs. 2 VwGO innerhalb der Jahresfrist ab Kenntniserlangung bzw. Möglichkeit der Kenntniserlangung zu erheben ist (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.1987 – 4 N 3/86 – juris; BVerwG, U.v. 25.1.1974 – IV C 2.72 – juris). Dies gilt selbst dann, wenn man auf das Aushändigen der bloßen Ansichten mit den Maßen der Bauvorhaben durch die Beklagte an den Kläger am 14. April 2021 abstellt.
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2. Die Klagen sind jedoch unbegründet.
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Sowohl die der Beigeladenen zu 1) erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2021 als auch die der Beigeladenen zu 2) erteilte Baugenehmigung vom 29. Januar 2021 verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die objektive Verletzung einer Rechtsnorm allein genügt für den Erfolg der Nachbarklage nicht. Im gerichtlichen Verfahren findet keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt, die Prüfung hat sich im Falle von Drittanfechtungsklagen vielmehr darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften (Schutznormtheorie, vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris), die dem Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Weiter ist nur die Verletzung von drittschützenden Normen maßgeblich, die zum Prüfungsumfang im bauaufsichtlichen Verfahren gehören. Bei den Bauvorhaben der Beigeladenen handelt es sich um keine Sonderbauten, so dass das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zur Anwendung kommt.
24
Der Kläger ist nicht in seinen Rechten verletzt.
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a) Der Kläger ist nicht in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzt. Die Abstandsflächenvorschriften dienen dem Nachbarschutz und sind drittschützend (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2535 – juris; Schönfeld in BeckOK, BayBO, 19. Ed. 1.4.2021, Art. 6 Rn. 259). Eine Rechtsverletzung des Klägers ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Dies folgt schon daraus, dass der Kläger nicht direkter Grundstücksnachbar der Beigeladenen ist. Vielmehr sind die Vorhabengrundstücke vom Grundstück des Klägers durch die …Straße, FlNr. …, Gemarkung …, getrennt. Das Abstandsflächenrecht regelt nachbarliche Interessenkonflikte, die durch aufeinandertreffende Nutzungen und Einwirkungen entstehen und bringt sie zum Ausgleich. Es gewährt Nachbarschutz nur denjenigen Eigentümern oder dinglich Berechtigten, deren Grundstücke unmittelbar an das Baugrundstück angrenzen (vgl. Hahn/Kraus, Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 6 Rn. 547 ff. mit Verweis auf BayVGH, B.v. 28.10.1993 – 26 CS 92.3351). In Einzelfällen kann zwar auch der Eigentümer eines Grundstückes, der zwar nicht direkter Grundstücksnachbar ist, dessen Grundstück aber nur durch einen Weg, Bachlauf oder eine Straße vom Baugrundstück getrennt ist, in seinen Rechten aus Art. 6 BayBO verletzt sein, wenn die erforderliche Abstandsfläche nicht nur zur Grenze des anschließenden Grundstückes, sondern auch zur Grenze seines Grundstückes nicht eingehalten ist (vgl. Hahn/Kraus, Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 6 Rn. 549). Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein, denn das Grundstück des Klägers kann von den durch die Vorhaben hervorgerufenen einzuhaltenden Abstandsflächen bereits aufgrund seiner Lage es liegt den Vorhaben nicht (auch nicht teilweise) direkt, sondern nur schräg gegenüber und der Ausrichtung der streitgegenständlichen Vorhaben in keinster Weise tangiert werden. Die von den Vorhaben einzuhaltenden Abstandsflächen – egal in welcher Tiefe – können rein tatsächlich gar nicht auf dem Grundstück des Klägers zum Liegen kommen. Der Kläger gehört nicht zu dem von Art. 6 BayBO in räumlicher Hinsicht geschützten Personenkreis.
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b) Das Bauvorhaben verletzt den Kläger nicht in seinem Gebietserhaltungsanspruch. Der Gebietserhaltungsanspruch gewährt dem Eigentümer eines Grundstücks hinsichtlich der durch einen Bebauungsplan festgesetzten Nutzungsart einen Abwehranspruch gegen die Genehmigung eines Bauvorhabens im Plangebiet, das von der zulässigen Nutzungsart abweicht und zwar unabhängig davon, ob die zugelassene gebietswidrige Nutzung den Nachbarn selbst unzumutbar beeinträchtigt oder nicht (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 14). Diese weitreichende nachbarschützende Wirkung beruht auf der Erwägung, dass die Grundstückseigentümer durch die Lage ihrer Grundstücke in demselben Baugebiet zu einer Gemeinschaft verbunden sind, bei der jeder in derselben Weise berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – juris; BayVGH, B.v. 29.4.2015 – 2 ZB 14.1164 – juris Rn. 14).
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Das Bauvorhaben hält die im Bebauungsplan festgesetzte Art der Nutzung als allgemeines Wohngebiet ein. In einem allgemeinen Wohngebiet sind nach § 4 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO Wohngebäude allgemein zulässig. Bei dem geplanten Bauvorhaben der Beigeladenen handelt es sich jeweils um eine Doppelhaushälfte, und damit um Wohngebäude. Zudem wird, ohne dass es darauf ankommt, auch die Vorgabe des Bebauungsplans, nachdem die Vorhabengrundstücke gerade mit Einzel- oder Doppelhäusern zu bebauen sind, erfüllt.
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c) Der Kläger ist nicht in seinem Gebietsprägungserhaltungsanspruch verletzt. Unter dem Begriff des Gebietsprägungserhaltungsanspruchs wird in der jüngeren Rechtsprechung der Anspruch des Nachbarn gegen eine schleichende Veränderung des Gebietscharakters durch Vorhaben diskutiert, die zwar an sich im Gebiet zulässig sind, aber gleichwohl als gebietsunverträglich beurteilt werden, weil sie der allgemeinen Zweckbestimmung des maßgebenden Baugebietstyps zuwiderlaufen, wenn sie also – bezogen auf den Gebietscharakter des Baugebiets – aufgrund ihrer typischen Nutzungsweise störend wirken (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 13.5.2002 – 4 B 86.01 – juris; VGH BW, B.v. 27.7.2001 – 5 S 1093.00 – juris; VG Ansbach, B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris; Decker, JA 2007, S. 55/57). Der Gebietsprägungserhaltungsanspruch ist als eigenständiger Anspruch jedoch umstritten (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 9 ff.; B.v. 3.2.2015 – 9 CS 13.1915 – juris Rn. 13; VG Ansbach, U.v. 29.9.2020 – AN 17 K 19.01467 – juris Rn.33 ff.; B.v. 13.1.2016 – AN 3 S 15.02436 – juris Rn. 41 ff.). Unabhängig davon, ob dieser als spezielle Ausprägung des Gebots der Rücksichtnahme zu qualifizieren ist oder als eigenständiger, unmittelbar drittschützender Anspruch, führt er hier jedenfalls nicht zum Erfolg.
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Ein Anspruch kann von vornherein nur einschlägig sein, wenn das den Vorgaben gem. §§ 2 bis 14 BauNVO an sich entsprechende Bauvorhaben bei typisierender Betrachtung gleichwohl als gebietsunverträglich zu bewerten ist, weil es der allgemeinen Zweckbestimmung des Baugebiets widerspricht. Für ein (nachbar-)rechtswidriges Umschlagen von Quantität in Qualität in diesem Sinne müsste das Bauvorhaben die Art der baulichen Nutzung derart erfassen oder berühren, dass bei typisierender Betrachtung im Ergebnis ein Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets angenommen werden müsste (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10; BVerwG, U.v. 16.03.1995 – 4 C 3.94 – juris Rn. 17). Da es sich bei § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO um eine Ausnahmevorschrift zur Art der baulichen Nutzung handelt, ist ein solcher Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets aber nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen Der Umstand, dass das Neubauvorhaben oder die neue Nutzung nicht in jeder Hinsicht mit der vorhandenen Bebauung im Einklang steht, genügt dafür nicht. Voraussetzung des Anspruchs ist, dass der Widerspruch der hinzukommenden baulichen Anlage oder deren Nutzung sich bei objektiver Betrachtungsweise offensichtlich aufdrängt (vgl. BayVGH, B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – juris Rn. 10).
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Wenn der Kläger vorträgt, der Gebietserhaltungsanspruch, gemeint ist wohl der Gebietsprägungserhaltungsanspruch, sei verletzt, denn durch die geplante Dimension und Größe der Doppelhäuser liege ein Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebietes vor und würde eine Art der baulichen Nutzung in das Baugebiet hineingetragen, welche der Kläger nicht hinnehmen müsse, so überzeugt dies nach alledem nicht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ausnahmsweise „Quantität in Qualität“ umschlagen kann, so wird klägerseits verkannt, dass § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO nicht auf das Maß der baulichen Nutzung abstellt (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2022 – 9 /B 22.1076 – juris Rn. 9, B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 15 mit Verweis auf BVerwG, U.v. 16.3.1995 – 4 C 3/94 – juris Rn. 17). Warum hier die Größe des Vorhabens nicht nur das Maß, sondern ausnahmsweise auch die Art der baulichen Nutzung erfassen soll (was z. B. bei erhöhter Zahl an Wohnungen pro Grundstück diskutiert wird, vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 15) ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Ohnehin haben die streitgegenständlichen Vorhaben kein Ausmaß, dass im Widerspruch zur bisherigen Prägung des Baugebietes steht. Auch wenn die Kellergeschosse der Vorhaben nach Norden nur wenig im Erdreich versenkt sind, erreichen die Bauvorhaben doch, wie auch die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung vorträgt, eine Höhe ähnlich dem östlich hiervon liegenden Mehrfamilienhaus …
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d) Der Kläger ist auch nicht durch die erteilten Befreiungen, § 31 Abs. 2 BauGB, hinsichtlich der Überschreitung der maximal zulässigen Geschossflächenzahl, festgesetzt auf 0,8, um 0,06 bei der Beigeladenen zu 1) und um 0,05 beim Vorhaben der Beigeladenen zu 2) in seinen Rechten verletzt.
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Bei Befreiungen von bauplanerischen Festsetzungen gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hängt der Umfang des Nachbarrechtsschutzes davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, Drittschutz vermitteln oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte des Nachbarn zu schützen, richtet sich der Nachbarschutz hingegen nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots. Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 13). Alle übrigen denkbaren Fehler einer Befreiung machen diese und die auf ihr beruhende Baugenehmigung zwar objektiv rechtswidrig, vermitteln dem Nachbarn aber keinen Abwehranspruch, weil seine eigenen Rechte nicht berührt werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2018 – 9 ZB 16.1012 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 8.7.1998 – 4 B 64.98 – juris Rn. 5; OVG NW, U.v. 9.5.2016 – 10 A 1611/14 – juris Rn. 49).
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Bei der Festsetzung der Geschossflächenzahl handelt es sich um Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung, die dem Nachbarn grundsätzlich keine Abwehrposition vermitteln (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 66 Rn. 365; BayVGH, B.v. 11.11.2021 – 9 ZB 21.2434 – juris Rn. 5 mit Verweis auf BVerwG, B.v. 13.12.2016 – 4 B 29.16 – juris Rn. 5). Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur ausnahmsweise, wenn sie nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin diese Funktion haben sollen (vgl. BayVGH, B.v. 11.11.2021 – 9 ZB 21.2434 – juris Rn. 5). Maßgebend ist, ob die Festsetzung nach dem Willen des Plangebers ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen wurde oder (zumindest auch) einem nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 15 ZB 17.635 – juris Rn. 16). Weder aus dem Bebauungsplan noch der Begründung ergeben sich hier Hinweise auf eine beabsichtigte drittschützende Wirkung. Da somit eine Befreiung nur von nicht drittschützenden Regelungen des Bebauungsplanes erteilt wurde, kommt eine Rechtsverletzung des Klägers allenfalls aus dem Gebot der Rücksichtnahme in Betracht (siehe nachfolgend unter h)).
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e) Das Gericht geht davon aus, dass die in dem Bebauungsplan im Umgriff der Vorhabengrundstücke innerhalb der rot umrandeten und mit „G“ gekennzeichneten Fläche für Stellplätze und Garagen zur … (FlNr. …*) hin eingetragene „6“ so auszulegen ist, dass damit entsprechend der Regelung in § 4 der textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes abweichend von Art. 6 Abs. 3, 4 BayBO i.d.F. vom 1.10.1969 bis 30.9.1974 eine Abstandsflächentiefe von 6 m bis zur nördlich verlaufenden öffentlichen Verkehrsfläche festgesetzt wurde und zwar in Bezug auf innerhalb dieser Fläche zu errichtende Garagen. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob die 6 m aufgrund der auch damals geltenden Regelung, wonach angrenzende öffentliche Verkehrsflächen bis zu ihrer halben Tiefe in die Abstandsflächen eingerechnet werden dürfen (Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO i.d.F. vom 1.10.1969 bis 30.9.1974), wirksam als auf dem Baugrundstück einzuhaltend festgesetzt werden durften, ist weiter fraglich, ob die 6 m innerhalb der gesamten rot umrandeten und mit „G“ bezeichneten Fläche oder nur exakt am Ort der Eintragung einzuhalten sind. Die Festsetzung könnte zudem auch wegen Unbestimmtheit unwirksam sein. Bei unterstellter Geltung der Regelung für die Garage der Beigeladenen zu 1) und unterstellter wirksamer Festlegung der Einhaltung der 6 m Abstandsfläche innerhalb des Baugrundstückes hält die Garage der Beigeladenen zu 1) diese Vorgabe nicht ein, sondern hält im schlechtesten Fall zur Straße lediglich einen Abstand von 5,25 m ein. Es hätte einer Befreiung, § 31 Abs. 2 BauGB, bedurft, an der es fehlt. In Fällen eines versteckten Dispenses können Rechte des Nachbarn nur durch die Baugenehmigung selbst, nicht jedoch durch die – nicht existierende – Befreiung verletzt sein. Unterbleibt eine erforderliche Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung, so ergibt sich hieraus ohne weiteres wegen subjektiver Rechtsverletzung ein Abwehranspruch des in den persönlichen Schutzbereich der verletzten Festsetzung einbezogenen Nachbarn. Im Falle eines objektiv-rechtlichen Verstoßes gegen eine nicht nachbarschützende Festsetzung eines Bebauungsplans verbleibt dem Nachbarn Drittschutz in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 BauNVO unter Berücksichtigung der Interessenbewertung nach § 31 Abs. 2 BauGB nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 33 m.w.N).
35
Ob die Festsetzung der 6 m drittschützend ist, kann aber offenbleiben. Der Kläger kann sich auf einen Verstoß jedenfalls nicht berufen, denn er fällt nicht in den Schutzbereich der Festsetzungen des Bebauungsplanes über einzuhaltende Abstandsflächentiefen. Er ist nicht unmittelbarer Grundstücksnachbar. Die Abstandsflächen kommen auch nicht auf seinem Grünstück zum Liegen (vgl. die Ausführungen unter a); Hahn/Kraus, Busse/Kraus, BayBO, 148. EL November 2022, Art. 6 Rn. 549). Vielmehr kann das Grundstück des Klägers von den von den Vorhaben einzuhaltenden Abstandsflächen – egal in welcher Tiefe – bereits aufgrund seiner Lage, es liegt den Vorhaben nicht (auch nicht teilweise) direkt, sondern nur schräg gegenüber, und der Ausrichtung der streitgegenständlichen Vorhaben in keinster Weise tangiert werden. Eine Rechtsverletzung kann sich lediglich aus dem nachbarschützenden Gebot der Rücksichtnahme ergeben (siehe nachfolgend unter h)).
36
f) Zwar überschreitet die Garage der Beigeladenen zu 1) die im Bebauungsplan festgesetzte Baugrenze, § 23 Abs. 1, 3 BauNVO, nach Norden um 0,75 m, weshalb im Bauantrag auch richtigerweise diesbezüglich eine Befreiung beantragt wurde, über die dann aber, wie sich der Baugenehmigung entnehmen lässt, nicht entschieden wurde. Auch hier gilt, dass der Kläger schon nicht unter den persönlichen Schutzbereich der Festsetzung fällt. Auf die Ausführungen unter e) wird entsprechend verwiesen. Überdies haben Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche durch Baulinien oder Baugrenzen (§ 23 BauNVO) grundsätzlich ebenso wie Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung keine nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 8.11.2016 – 1 CS 16.1864 – juris Rn. 4). Nach Überzeugung des Gerichts vermittelt die Festsetzung hier auch nicht ausnahmsweise nach dem Willen der Gemeinde als Planungsträgerin Drittschutz, da ein entsprechender Planungswille sich weder aus dem Bebauungsplan noch aus dessen Begründung ergibt. Zudem handelt es sich bei der fraglichen Baugrenze um eine vordere Baugrenze, also zur Straße hin, was überdies gegen die Annahme einer drittschützenden Wirkung spricht. Vielmehr diente die Festsetzung allein städtebaulichen Zielen, vornehmlich einer beabsichtigten einheitlichen Gestaltung des Straßenbildes. Drittschutz, auch unter dem Aspekt „versteckter Dispens“, kann daher nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots erfolgen (siehe nachfolgend h)).
37
g) Weiter befindet sich jeweils einer der zwei in den beiden angegriffenen Bescheiden jeweils genehmigten Stellplätze, die sich bei beiden Beigeladenen auch vor die Doppelhaushälften erstrecken, nicht (ausschließlich) innerhalb der im Bebauungsplan festgelegten Fläche für Stellplätze oder Garagen.
38
Doch auch hier gilt, dass es sich bei der Festlegung der vorgeschriebenen Flächen für Stellplätze nur dann um eine drittschützende Festlegung handelt, wenn sich diesbezüglich ein entsprechender Wille der Gemeinde ersehen lässt, wofür hier nichts spricht. Ein entsprechender Planungswille ergibt sich weder aus dem Bebauungsplan noch aus dessen Begründung. Drittschutz, auch unter dem Aspekt „versteckter Dispens“, kann daher nur nach Maßgabe des Rücksichtnahmegebots erfolgen (siehe nachfolgend unter h)).
39
h) Das Vorhaben der Beigeladenen verletzt schließlich auch nicht das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme unter Nachbarn (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 8.7.1988 – 4 B 64.98 – juris). Bei Vorhaben im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans gemäß § 30 Abs. 1 BauGB findet Selbiges über § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO (vgl. BVerwG, U.v. 5.8.1983 – 4 C 96/79 – juris) bzw. bei der Erteilung von Befreiungen von nicht nachbarschützenden Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die Zulässigkeitsprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris, Rn. 40 m.w.N.). Das Gebot der Rücksichtnahme ist nach gefestigter Rechtsprechung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Gegeneinander abzuwägen sind dabei die Schutzwürdigkeit des Betroffenen, die Intensität der Beeinträchtigung, die Interessen des Bauherrn und das, was beiden Seiten billigerweise zumutbar bzw. unzumutbar ist. Feste Regeln lassen sich insoweit nicht aufstellen. Erforderlich ist eine Gesamtschau der von dem Vorhaben ausgehenden Beeinträchtigungen (vgl. BVerwG, B.v. 10.1.2013 – 4 B 48.12 – juris Rn. 7 m.w.N., U.v. 18.11.2004 – 4 C 1/04 – juris). Je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung desjenigen ist, dem die Rücksichtnahme zugutekommt, umso mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden, je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen (vgl. BVerwG, U.v. 25.2.1977 – 4 C 22/75 – juris Rn. 22).
40
Gemessen hieran ist eine Rücksichtslosigkeit zu Lasten des Klägers nicht erkennbar und zwar weder im Hinblick auf eine befürchtete Verschattung seines Grundstückes inklusive der damit im Zusammenhang stehenden befürchteten negativen Auswirkungen auf eine noch zu errichtende Solaranlage noch im Hinblick auf eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung durch das Bauvorhaben der Beigeladenen oder aufgrund sonstiger Belange bzw. in Gesamtschau aller Umstände.
41
Von den Vorhaben geht keine zur Rücksichtslosigkeit führende erdrückende oder abriegelnde Wirkung aus. Bejaht wurde eine solche Wirkung beispielsweise bei einem zwölfgeschossigen Gebäude in einer Entfernung von 15 m zu einem zweieinhalbgeschossigen Nachbarwohnhaus (vgl. BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 33 ff.) sowie im Fall einer 11,5 m hohen und 13,31 m langen Siloanlage im Abstand von 6 m zu einem Wohnanwesen (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 2 und 15). Eine erdrückende Wirkung des Bauvorhabens scheidet dabei regelmäßig aus, wenn die bauordnungsrechtliche Abstandsfläche eingehalten ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 41; so auch für den 2021 neu gefassten Art. 6 BayBO: BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17).
42
Gegen die geltend gemachte erdrückende Wirkung der Bauvorhaben auf das Grundstück des Klägers spricht als Indiz zunächst die Tatsache, dass der Kläger, wie unter a) ausgeführt, aufgrund der örtlichen Gegebenheiten von durch die Vorhaben ausgelösten Abstandsflächen schon gar nicht tangiert werden kann, er nicht in den von Art. 6 BayBO in räumlicher Hinsicht geschützten Personenkreis fällt, was mit einem Einhalten der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen vergleichbar ist. In dieser Konstellation ist nämlich grundsätzlich davon auszugehen, dass der Landesgesetzgeber die diesbezüglichen nachbarlichen Belange und damit das diesbezügliche Konfliktpotenzial in einen vernünftigen und verträglichen Ausgleich gebracht hat (vgl. BayVGH, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris).
43
Unabhängig davon weisen die Vorhaben (einschließlich Dach) an der höchsten Stelle lediglich eine Höhe von ca. 12,80 m auf. In der Gesamtschau der örtlichen Gegebenheiten, die durch Wohnbebauung geprägt sind und selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die optische Wirkung der Vorhaben durch das nach Norden abschüssige Gelände noch verstärkt wird (wobei hier offen bleiben kann, ob letzteres nicht ein Umstand ist, den der Kläger durch die vorgefundenen topografischen Gegebenheiten hinnehmen muss), erscheint das Bauvorhaben nicht derart übermächtig, dass das Gebäude des Klägers mit einer angegebenen Firsthöhe von ca. 9 m nur noch oder überwiegend wie eine von einem herrschenden Gebäude dominierte Fläche ohne eigene baurechtliche Charakteristik wahrgenommen wird, dass die beklagten Vorhaben dem Anwesen des Klägers förmlich „die Luft nehmen“ (vgl. BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 17, B.v. 5.11.2019 – 9 CS 19.1767 – juris Rn. 22), zumal das Gebäude des Klägers den beklagten Vorhaben nicht direkt gegenüber, sondern versetzt gegenüberliegt und zwischen dem klägerischen Grundstück und den Vorhabengrundstücken die …Straße verläuft. Die erteilte Befreiung im Hinblick auf die Geschossflächenzahl ist marginal und fällt nicht ins Gewicht, und dies auch wenn man bedenkt, dass der Gesetzgeber in der derzeit geltenden BauNVO in § 17 in einem allgemeinen Wohngebiet eine Geschossflächenzahl von 1,2 für angemessen hält. Hiervon sind die genehmigten 0,85 bzw. 0,86 weit entfernt. Nichts anderes gilt hinsichtlich der versteckten Dispense in Bezug auf die genehmigte Garage. Was den versteckten Dispens hinsichtlich der Stellplatzsituierung angeht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, inwiefern der Kläger hiervon unzumutbar beeinträchtigt werden könnte.
44
Es ist ferner nicht ersichtlich, dass die angefochtenen Baugenehmigungen deshalb gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme verstoßen, weil die Errichtung der Vorhaben zu Beeinträchtigungen der Belichtung und Besonnung auf dem Grundstück des Klägers führen.
45
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die genehmigte Bebauung aufgrund der in Richtung Norden nur kaum im Erdreich versenkten Kellergeschosse im Hinblick auf die Belichtung nachteiligere Auswirkungen auf das klägerische Grundstück entfalten als es der Fall wäre, wenn die Kellergeschosse komplett im Erdreich versenkt wären. Diese Wirkung wird durch das nach Norden abschüssige Gelände noch verstärkt. Bedenken, dass die Vorhaben der Beigeladenen die Vorgaben des Bebauungsplanes zur Anzahl der Vollgeschosse, zu Dachneigung und Dachform nicht einhalten würden, bestehen nicht. Auch der Kläger stellt die diesbezügliche Plankonformität nicht in Frage. Ebenso ist festzuhalten, dass der Bebauungsplan zur Wand- und Kniestockhöhe keine Vorgaben macht.
46
Es besteht grundsätzlich kein Anspruch aus Bauplanungsrecht, von jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. Mögliche Verringerungen des Lichteinfalls bzw. eine weiter zunehmende Verschattung sind vielmehr in aller Regel im Rahmen der Veränderung der baulichen Situation in bebauten Ortslagen grundsätzlich hinzunehmen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 13.9.2022 – 15 CS 22.1851 – juris Rn. 21, B.v. 5.9.2016 – 15 CS 16.1536 – juris Rn. 31; B.v. 9.12.2016 – 15 CS 16.1417 – juris Rn. 16; B.v. 15.12.2016 – 9 ZB 15.376 – juris Rn. 15; B.v. 15.1.2018 – 15 ZB 16.2508 – juris Rn. 19; B.v. 20.3.2018 – 15 CS 17.2523 – juris Rn. 28; B.v. 12.2.2020 – 15 CS 20.45 – juris Rn. 23); das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn Verschattungen zu finanziellen Einbußen hinsichtlich der Energiegewinnung durch Photovoltaikanlagen führen (vgl. BayVGH, B.v. 12.12.2013 – 15 CS 13.1561 – juris Rn. 15; B.v. 20.3.2018 a.a.O.; VG Köln, B.v. 5.10.2017 – 23 L 3346/17 – juris Rn. 22 m.w.N.). Sofern in besonderen Ausnahmefällen selbst bei Einhaltung der Anforderungen des Art. 6 BayBO bzw. wenn der Kläger, wie hier, nicht in den von Art. 6 BayBO in räumlicher Hinsicht geschützten Personenkreis fällt, eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund des Heranrückens eines größeren Vorhabens möglich bleibt, sind vorliegend keine besonderen Umstände des Einzelfalls ersichtlich oder dargelegt, die dennoch eine unzumutbare Betroffenheit des Klägers begründen könnten.
47
Aus den vorgelegten Simulationen des Schattenwurfs (Anlage K4 und K5 des Klageschriftsatzes), deren Richtigkeit unterstellt, ergibt sich eine Schattenlänge von 35,62 m bei einem 11 m langen Objekt (K4) und eine Schattenlänge von 29,14 m bei einem 9 m langen Objekt (K5), wobei der zur Simulation gewählte 20. Dezember zu den Tagen im Jahr mit den tiefsten Sonnenständen und damit mit den längsten Schattenwürfen angehört. Selbst wenn der Schattenwurf angesichts der maximalen Haushöhe von ca. 12,80 m länger wäre als der vorgelegte simulierte (was fraglich ist angesichts der Tatsache, dass die Wandhöhe inkl. Erdauffüllung ca. 8,60 m erreicht, das Dach mit einer Höhe von ca. 4,20 m aufgrund der Neigung hinsichtlich des Schattenwurfs aber nicht 1:1 berücksichtigt werden kann) ist eine unzumutbare Betroffenheit des Klägers nicht erkennbar.
48
Das Wohnhaus des Klägers liegt vom Wohnhaus der Beigeladenen zu 2) an dessen nordöstlichster Ecke ca. 21 m entfernt, der Abstand zum Grundstück des Klägers beträgt diesbezüglich ca. 15 m. Zum Anwesen der Beigeladenen zu 1) ist der Abstand noch größer. Er beträgt zwischen dem Vorhaben der Beigeladenen zu 1) und dem Wohnhaus des Klägers im kürzesten Fall ca. 25 m, zum Grundstück des Klägers beträgt er diesbezüglich ca. 18 m. Es kann vorliegend unterstellt werden, dass das Wohnhaus und Grundstück des Klägers durchaus von den Vorhaben der Beigeladenen verschattet wird. Allerdings ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass die Schattenwurflängen nicht das ganze Jahr über das Ausmaß eines Schattenwurfes am 20. Dezember erreichen, vielmehr um den 20. Dezember herum am längsten sind und zum Sommer hin wieder deutlich abnehmen. Darüber hinaus ist das klägerische Grundstück jedenfalls nicht ganztägig von den Vorhaben der Beigeladenen verschattet, vielmehr ist davon auszugehen, dass das Anwesen des Klägers in der ersten Tageshälfte aufgrund der Sonnenwanderung im Tagesverlauf überhaupt nicht verschattet wird. Bei einer im Tagesverlauf eintretenden Verschattung sind aufgrund der Sonnenwanderung darüber hinaus unterschiedliche Bereiche des klägerischen Grundstückes betroffen. Überdies ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass es im Sommer überhaupt zu einer Verschattung kommt. Zusammenfassend ist eine Unzumutbarkeit am Maßstab des Rücksichtnahmegebots keinesfalls erreicht.
49
Wenn der Kläger ausführt, dass ihm bei einer noch zu errichtenden Solaranlage aufgrund der Verschattung seines Grundstückes Gewinneinbußen entstünden, vermag er bereits aus denselben Gründen nicht durchzudringen. Ohnehin ist vorliegend weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass und in welchem Ausmaß eine etwa auf dem Dach des klägerischen Gebäudes situierte Solaranlage verschattet wird, noch in welchem Ausmaße Gewinneinbußen drohen. Abgesehen davon, ist eine Solaranlage noch gar nicht errichtet, es liegen noch nicht einmal konkrete Planungen vor.
50
i) Auch die fehlende Einbindung des Klägers in das Verwaltungsverfahren vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids, Art. 66 BayBO, führt nicht zum Erfolg der Klage, denn die Verletzung von Verfahrensvorschriften hat nicht die Aufhebung eines Verwaltungsaktes auf die Klage eines in seinen materiellen Rechten nicht betroffenen Dritten, wie es der Kläger nach den obigen Ausführungen ist, zur Folge (vgl. BayVGH, B.v. 9.1.2018 – 9 C 17.88 – juris Rn. 3, B.v. 16.10.2018 – 9 CS 18.1415 – juris Rn. 31; Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 66 Rn. 207 ff., Rn. 294 ff.). Auch die fehlende Zustellung des Bescheides an den Kläger, soweit diese überhaupt gefordert war, führt nicht zu dessen Fehlerhaftigkeit und kann aus diesem Grunde Rechte des Nachbarn nicht verletzen (vgl. Dirnberger in Busse/Kraus, BayBO, 147. EL August 2022, Art. 66 Rn. 228).
51
3. Die Kostentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Nachdem die Beigeladenen keinen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit nicht dem Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.