Titel:
kein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis
Normenketten:
AufenthG § 4a Abs. 4
BeschV § 32 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis hat, wer weder Inhaber einer Duldung ist noch Anspruch auf Erteilung einer Duldung hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Beschäftigungserlaubnis, keine Duldung, Duldung, Visumverfahren
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.02.2023 – 19 CE 22.1953
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44724
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
IV. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt die vorläufige Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis.
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1. Der Antragsteller ist ausweislich seines Reisepasses (ausgestellt am 1.3.2022, gültig bis 28.2.2027) ein am … … 1984 geborener äthiopischer Staatsangehöriger. Er reiste am 27. September 2012 ins Bundesgebiet ein. Seinen am 22. Oktober 2012 gestellten Asylantrag lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 29. Januar 2015 ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Würzburg mit Urteil vom 21. Juli 2016 (Az. W 3 K 15.30107) ab, der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung im Verfahren 21 ZB 16.30876 mit Beschluss vom 22. März 2017 ab. Am 26. Juni 2018 stellte der Antragsteller einen Folgeantrag, den das Bundesamt mit Bescheid vom 28. September 2018 ablehnte. Das Verwaltungsgericht Würzburg wies die Klage hiergegen mit Urteil vom 15. Juli 2019 (Az. W 3 K 18.32100) ab. Der BayVGH lehnte den Antrag auf Zulassung der Berufung mit Beschluss vom 17. Oktober 2021 im Verfahren 23 ZB 19.33385 ab. Am … … 2015 wurde das erste Kind des Antragstellers, Y., am … … 2021 das zweite Kind, M., geboren. Am 5. Oktober 2021 beantragte der Antragsteller die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25b Abs. 1 AufenthG. Der Antragsteller war zuletzt seit 6. Dezember 2021 bis 11. Mai 2022 wegen fehlender Reisedokumente geduldet.
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Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit als Reinigungskraft bei der Firma P. Dienstleistungen GmbH & Co. KG war dem Antragsteller zuletzt mit Bescheid der Regierung von Unterfranken – Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) vom 22. März 2022 (Bl. 938 ff. d.A.) für den Zeitraum 1. April 2022 bis 31. Juli 2022 gestattet worden. Der Bescheid enthält die Bemerkung, dass die Beschäftigungserlaubnis wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise und lediglich vorrübergehend erteilt wird, bis die Voraussetzungen einer Aufenthaltserlaubnis weiter geprüft wurden. Der Bescheid enthält verschiedene Nebenbestimmungen, insbesondere ist dort als Ziffer 2 geregelt, dass die Genehmigung unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt wird. Unter der Überschrift „Wichtige Hinweise“ ist unter der diesbezüglichen Ziffer 1 Folgendes ausgeführt: „Die Genehmigung gilt nur im Zusammenhang mit einer gültigen Duldung (vgl. § 4a Abs. 4 AufenthG). Die Genehmigung erlischt daher zeitgleich mit der Duldung, wenn diese nicht erneut erteilt oder verlängert werden kann (vgl. § 60a AufenthG). In diesem Fall ist die aufgenommene Erwerbstätigkeit unverzüglich abzubrechen. Im Fall einer Aufenthaltsbeendigung erlischt die Duldung mit Bekanntgabe des Überstellungstermins an den Duldungsinhaber.“ Auf den weiteren Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
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Mit E-Mail vom 7. Juni 2022 (Bl. 979 d.A.) teilte die ZAB dem Arbeitgeber des Antragstellers mit, dass die Beschäftigungserlaubnis erloschen sei. Auf Nachfrage des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 8. Juni 2022 wurde mitgeteilt, dass die Mitteilung an den Arbeitgeber wohl ergangen sei, da die Duldung abgelaufen und die ZAB inzwischen zu dem Ergebnis gekommen sei, dass dem Antragsteller die Nachholung des Visumsverfahrens möglich und zumutbar sei. Entsprechend könne eine Duldungsverlängerung voraussichtlich nicht nochmals erfolgen. Der Antragsteller erhalte ein entsprechendes Schreiben noch per Post.
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Mit Schreiben vom 7. bzw. 8. Juni 2022 (Bl. 988 ff., 992 f. d.A.), zugestellt am 11. Juni 2022 (Bl. 999 d.A.), teilte die ZAB dem Antragsteller mit, dass kein Duldungsgrund vorliege und ihm deshalb keine Duldung mehr ausgestellt werden könne. Des Weiteren sei ihm die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht gestattet, da er nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels sei, nicht über eine wirksame Aufenthaltsgestattung oder Duldung verfüge und auch keine Arbeitserlaubnis zum Zweck der Saisonbeschäftigung inne habe (§§ 4a AufenthG, 61 AsylG, 32 BeschV). Hierzu nahm der Bevollmächtigte unter dem 12. Juni 2022 (Bl. 986 ff. d.A.) Stellung und führte insbesondere aus, die Genehmigung sei nicht erloschen, da kein Erlöschenstatbestand vorliege.
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2. Am 27. Juni 2022 ließ der Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller erneut eine Beschäftigungsgenehmigung für seine Beschäftigung bei der Firma P. Dienstleistungen GmbH & Co. KG zu erteilen,
hilfsweise im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die dem Antragsteller am 22. März 2022 erteilte Beschäftigungsgenehmigung nicht erloschen ist.
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Zur Begründung wurde vorgetragen, es sei verfahrensrechtlich schlicht unmöglich und bringe eine unerträgliche Haltung zum Ausdruck, dass als erstes dem Arbeitgeber und dann erst dem Antragsteller mitgeteilt worden sei, dass die Beschäftigungserlaubnis erloschen sei. Den von der Behörde geäußerten Erlöschenstatbestand (Erlöschen der Aufenthaltsgestattung) kenne die erteilte Beschäftigungsgenehmigung nicht und könne ihn auch nicht kennen, da der Antragsteller bei Erteilung der Genehmigung über eine Duldung verfügt habe. Entsprechend sei die Genehmigung nicht erloschen. Darüber hinaus liege sowohl aus familiären Gründen als auch im Hinblick auf den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25b AufenthG ein Duldungsgrund vor. Damit sei die in den Hinweisen des Bescheids vom 22. März 2022 unter Ziffer 1 genannte Erlöschensbedingung für die erteilte Beschäftigungsgenehmigung nicht eingetreten. Denn die Erlaubnis erlösche nur dann zeitgleich mit der Duldung, wenn diese nicht erneut erteilt oder verlängert werden könne. Die Duldung sei jedoch bei Vorliegen eines Duldungsgrunds erneut zu erteilen oder zu verlängern. Sähe man dies anders oder deute man die Erlöschensmitteilung in einen Widerruf um, so bestehe aufgrund der Duldungsgründe mit dem Anspruch auf Erteilung der Duldung aufgrund der Selbstbindung des Antragsgegners auch ein solcher auf Verlängerung bzw. Erteilung der Beschäftigungsgenehmigung. Dem Antragsteller drohe davon unabhängig der Verlust des Arbeitsplatzes, da dieser seitens des Arbeitgebers anderweitig besetzt werden müsse, wenn sich nicht alsbald klarstelle, dass der Antragsteller arbeiten könne.
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3. Der Antragsgegner beantragt,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, ein Anordnungsgrund liege vor, da dem Antragsteller gegenwärtig die Ausübung einer Erwerbstätigkeit untersagt sei und gegebenenfalls ein Verlust des Arbeitsplatzes im Raum stehe. Ein Anordnungsanspruch sei nicht gegeben. Nach § 4a Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV könne Ausländern, die eine Duldung besitzen, die Ausübung einer Erwerbstätigkeit gestattet werden. Da der Antragsteller nicht (mehr) im Besitz einer Duldung sei, sei ihm folglich die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht möglich. Er könne insoweit von der Genehmigungsregelung des Bescheids vom 22. März 2022 ab dem 7. Juni 2022 keinen Gebrauch mehr machen. Da dieser Bescheid unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt worden sei, sei die im Schreiben vom 7. Juni 2022 mitgeteilte Versagung einer Erwerbstätigkeit – welche einen Widerruf im Sinne von Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG darstelle – rechtlich nicht zu beanstanden. Auf den Vergleichsvorschlag im Verfahren W 7 E 22.1074 für den Fall, dass der Antragsteller das Visumsverfahren nachholen will, wurde Bezug genommen.
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4. Am 27. Juni 2022 ließ der Antragsteller im Verfahren W 7 E 22.1074 gleichzeitig mit dem vorliegenden Antrag beantragen, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Antragsteller abzusehen sowie ihm eine Duldung zu erteilen. Auf den ablehnenden Beschluss vom heutigen Tag in diesem Verfahren wird verwiesen.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Behördenakte, auch im Verfahren W 7 E 22.1074, verwiesen.
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Der zulässige (Haupt-)Antrag ist unbegründet. Der Hilfsantrag ist bereits unzulässig, jedenfalls unbegründet.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung). Im Hinblick auf die durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist der Antrag begründet, wenn der geltend gemachte Anspruch hinreichend wahrscheinlich ist (Anordnungsanspruch) und es dem Antragsteller schlechthin unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen.
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2. Es liegt bereits kein Anordnungsanspruch vor.
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Rechtsgrundlagen für die begehrte Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis sind §§ 4a Abs. 4, 42 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG i.V.m. §§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, 32 BeschV.
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Nach § 4a Abs. 4 AufenthG darf ein Ausländer ohne Aufenthaltstitel eine Saisonbeschäftigung oder andere Erwerbstätigkeit nur ausüben, wenn er aufgrund einer staatlichen Vereinbarung, eines Gesetzes oder einer Rechtsverordnung ohne Aufenthaltstitel hierzu berechtigt ist oder deren Ausübung ihm durch die zuständige Behörde erlaubt wurde. Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 BeschV kann Ausländern, die eine Duldung besitzen, eine Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn sie sich seit drei Monaten erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten.
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Der Kläger ist derzeit weder Inhaber einer Duldung noch hat er einen Anspruch auf Erteilung einer Duldung. Auf die Gründe des Beschlusses vom heutigen Tag im Verfahren W 7 E 22.1074 wird verwiesen. Aus dem zeitlichen Ablauf im Verwaltungsverfahren (erst Mitteilung an den Arbeitgeber, dann Information des Antragstellers und seines Bevollmächtigten) ergibt sich nichts Anderes. Der Ablauf gibt sicherlich Anlass zu Kritik, vermag aber keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis zu rechtfertigen, zumal schon die Tatbestandsvoraussetzungen nicht vorliegen.
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3. Auch der Hilfsantrag, im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass die dem Antragsteller am 22. März 2022 erteilte Beschäftigungsgenehmigung nicht erloschen ist, hat keinen Erfolg.
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Er ist bereits unzulässig. Denn es fehlt am Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers. Es ist nicht ersichtlich, welchen Vorteil er durch die begehrte Feststellung haben könnte, zumal die Erlaubnis nur bis 31. Juli 2022 erteilt war. Unabhängig davon ist ein Feststellungsbegehren gegenüber einem Verpflichtungsbegehren (wie im Hauptantrag) subsidiär (vgl. Gedanken des § 43 Abs. 2 VwGO). Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund ist auch kein berechtigtes Interesse an der beantragten Feststellung vorgetragen oder sonst ersichtlich. Darüber hinaus ist der Hilfsantrag unbegründet. Es ist bereits kein Anordnungsgrund erkennbar. Auch fehlt es an Anhaltspunkten, die eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen könnten.
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Der Antrag war daher sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag abzulehnen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 52 Abs. 1, Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 63 Abs. 2 GKG.
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5. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. ZPO war abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung auch unter Berücksichtigung des spezifischen prozesskostenhilferechtlichen Maßstabs (BVerfG, B.v. 5.2.2003 – 1 BvR 1526/02 – juris; BayVGH, B.v. 25.11.2013 – 12 C 13.2126 – juris; Kopp/Schenke, 27. Aufl. 2021, § 166 Rn. 8) keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet. Zur Begründung wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen.