Titel:
Mordmerkmale der Habgier, Heimtücke, niedrige Beweggründe, Grausamkeit und Befriedigung des Geschlechtstriebes
Normenkette:
StGB § 57a Abs. 1 Nr. 2, § 211 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Täter handelt aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über die bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens um jeden Preis darstellt. Auf die Größe des Vermögensvorteils kommt es dabei grundsätzlich nicht an, überdies muss eine dauerhafte Bereicherung nicht angestrebt werden. Das Ziel der Bereicherung muss nicht erreicht werden, sondern es genügt bereits die hierauf gerichtete Absicht des Täters. Das Gewinnstreben braucht nicht das einzige Motiv des Täters sein, es muss jedoch tatbeherrschend und bewusstseinsdominant sein, in Fällen eines Motivbündels muss das Motiv der Gewinnerzielung im Vordergrund stehen. (Rn. 527) (redaktioneller Leitsatz)
2. Heimtückisch handelt nach ständiger Rechtsprechung, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt; maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, dh bei Eintritt der Tat in das Versuchsstadium. (Rn. 517) (redaktioneller Leitsatz)
3. Niedrige Beweggründe liegen vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen, d.h. wenn die Beweggründe für die Tat in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert erscheinen. Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren; hierbei sind insbesondere das Verhältnis zwischen Anlass und Tat, die Vorgeschichte der Tat, eine den Täter oder das Opfer treffende Verantwortung an einer Konflikteskalation und das unmittelbar vorherrschende Tatmotiv im Zusammenhang mit sonstigen Beweggründen, Handlungsantrieben und Einstellungen des Täters gegenüber der Person und dem Lebensrecht des Opfers zu berücksichtigen. (Rn. 530) (redaktioneller Leitsatz)
4. Grausam tötet, wer seinem Opfer im Rahmen der Tötungshandlung in gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke und Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Dabei kommt es in objektiver Hinsicht nicht darauf an, ob ein durchschnittlicher Beobachter der Tat Grauen und Abscheu empfindet, da dies bei jeder Tötung möglich ist und noch keine Tötungshandlung charakterisiert, die schwerstes Unrecht und größte Schuld einschließt; stattdessen erfordert das Mordmerkmal der Grausamkeit eine über die „bloße“ Tötung hinausgehende Leidenszufügung gegenüber dem Opfer. In subjektiver Hinsicht muss die Grausamkeit vom Tötungsvorsatz des Täters umfasst sein, d.h. der Täter muss die Umstände, aus denen sich die besonderen Leiden des Opfers ergeben, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen, kennen und wollen; überdies muss die Tat von einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung getragen sein; das äußere Tatbild allein genügt zur Beurteilung nicht. (Rn. 533) (redaktioneller Leitsatz)
5. Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs tötet, wer das Töten als Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benutzt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn der Täter schon in der Tötungshandlung geschlechtliche Befriedigung sucht, wenn der Täter den Tod des Opfers als Folge der Gewaltanwendung bei oder nach der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs anstrebt oder billigend in Kauf nimmt oder wenn der Täter das Opfer tötet, um seine Geschlechtslust an der Leiche zu befriedigen. Die Erfüllung des Mordmerkmals setzt voraus, dass der Täter im Augenblick des Tatentschlusses und der Tötungshandlung von sexuellen Motiven geleitet ist. Wenn das Tatgeschehen entscheidend dadurch geprägt ist, dass der Angeklagte die maßgeblichen Ursachen für den Tod des Opfers gesetzt hat, bevor ihn das Bedürfnis nach sexueller Betätigung und Befriedigung überkommt, ist das Mordmerkmal nicht erfüllt. (Rn. 524) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mord, Habgier, Heimtücke, Niedrige Beweggründe, Grausamkeit, Befriedigung des Geschlechtstriebes, Lebenslange Freiheitsstrafe, Besondere Schwere, Schuld
Fundstelle:
BeckRS 2022, 44394
Tenor
1. Der Angeklagte wird wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.
Die in Spanien erlittene Auslieferungshaft wird im Maßstab 1 : 1 angerechnet.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Nebenkläger.
Entscheidungsgründe
1
Der zur Tatzeit 22-jährige Angeklagte tötete am 27.10.2016 zwischen 00:17 Uhr und 03:42 Uhr im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung in F. mit einem Messer seine frühere Freundin, die 20-jährige H1, als sie schlafend in ihrem Bett lag. Er schnitt der Schlafenden mit dem Messer die Kehle durch und stach dann mit dem Messer mindestens zwölf Mal auf sie ein, wobei sie, aus dem Schlaf erwachend, versuchte, zu sprechen und sich mit den Händen zu wehren. Sie erlitt Schnitt- und Stichverletzungen im Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und in der Oberarm- und Schulterregion, an denen sie nach wenigen Minuten verblutete. H1 war die Mutter des gemeinsamen Sohnes H2, der zur Tatzeit 17 Monate alt war und sich bei der Tat in seinem Bett im Schlafzimmer befand. Sie hatte sich von dem Angeklagten getrennt und sich einem anderen Mann zugewandt. Der Angeklagte hätte zum 01.11.2016 aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen sollen. Nachdem er H1 getötet hatte, entkleidete er die Leiche und vollzog an der Leiche den Geschlechtsverkehr. Danach verpackte er die Leiche in Müllsäcke und versteckte sie in der Wohnung im Hohlraum eines Kachelofens. In der Folge reinigte er den Tatort, traf Vorbereitungen für eine Flucht in das Ausland und täuschte nach außen hin vor, dass H1 noch am Leben sei; unterdessen teilte er seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 mit, dass er H1 getötet hatte, wobei er ihnen die Einzelheiten des Tathergangs offenbarte. Am 05./06.11.2016 begab er sich mit dem Sohn H2auf die Flucht und fuhr mit dem Auto der H1 durch Frankreich und Spanien. In Spanien ließ er sich den Namen, das Geburtsdatum und das Sterbedatum der H1 und den Spruch „gracias por todo“ („danke für alles“) auf den linken Oberarm tätowieren. Am 12.11.2016 fand die Mutter der H1 die Leiche im Hohlraum des Kachelofens. Am 19.11.2016 wurde der Angeklagte in einem Hotel in Spanien festgenommen. Das Landgericht P. verurteilte den Angeklagten am 20.11.2017 rechtskräftig wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren. Dabei ging das Landgericht P. nicht von einer Tötung im Schlaf, sondern von einer Tötung im Streit aus und verneinte das Vorliegen von Mordmerkmalen. Nachdem sich im Nachhinein herausgestellt hatte, dass sich die Zeugen E1 und B1 bei ihren Aussagen in der Hauptverhandlung im Verfahren vor dem Landgericht P., das seine Feststellungen (auch) auf die Aussagen der beiden Zeugen gestützt hatte, einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht hatten, indem sie ihr Wissen über den Tathergang verschwiegen hatten, wurde das Verfahren nach umfangreichen Nachermittlungen auf Antrag der Staatsanwaltschaft D. am 17.08.2021 durch das Landgericht D. wieder aufgenommen und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet. Der Angeklagte hat eingeräumt, H1 getötet zu haben. Er hat jedoch behauptet, die Tat sei im Streit geschehen. Demgegenüber ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, insbesondere aufgrund des Spurenbildes in der Wohnung, des Verletzungsbildes an der Leiche und der Tatschilderung des Angeklagten gegenüber seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1, denen er offenbart hatte, H1 im Schlaf getötet zu haben, überzeugt, dass er H1 heimtückisch im Schlaf getötet hat. Seine Alkoholisierung zur Tatzeit hat seine Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt. Folglich hat die Kammer wegen Mordes auf eine lebenslange Freiheitsstrafe erkannt.
A. Wiederaufnahme des Verfahrens
2
Das Landgericht P. verurteilte den Angeklagten in einer Hauptverhandlung, die am 22.08.2017 begann, mit Urteil vom 20.11.2017, rechtskräftig seit 15.02.2018, Az. 2 Ks 13 Js 17708/16, wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von 12 Jahren. Dabei ging das Landgericht P. nicht von einer Tötung im Schlaf, sondern von einer Tötung im Streit aus und verneinte das Vorliegen von Mordmerkmalen. Am 19.08.2019 meldete sich L1, die Freundin (seit 07.05.2022: Ehefrau) des Bruders des Angeklagten, R1, bei der Kriminalpolizeiinspektion P., um die Einzelheiten des Tathergangs, die sie von R1 erfahren hatte, mitzuteilen. Daraufhin wurden umfangreiche Nachermittlungen geführt, in deren Folge sich herausstellte, dass sich die Zeugen E1 und B1 bei ihren Aussagen in der Hauptverhandlung im Verfahren vor dem Landgericht P., das seine Feststellungen (auch) auf die Aussagen der beiden Zeugen gestützt hatte, einer uneidlichen Falschaussage schuldig gemacht hatten, indem sie ihr Wissen über den Tathergang verschwiegen hatten. E1 wurde mit Urteil des Amtsgerichts P. vom 09.12.2019, rechtskräftig seit 09.12.2019, Az. …, wegen falscher uneidlicher Aussage in Tateinheit mit Strafvereitelung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. B1 wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts F. vom 25.02.2020, rechtskräftig seit 03.04.2020, Az. …, wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15,00 € verurteilt. Nach Abschluss der Nachermittlungen durch die Staatsanwaltschaft P. und Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft D. beantragte die Staatsanwaltschaft D. am 21.09.2020 bei dem für die Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren zuständigen Landgericht D., das Verfahren gemäß § 362 Nr. 2 StPO zuungunsten des Angeklagten wieder aufzunehmen. Mit Beschluss des Landgerichts D. vom 31.03.2021, rechtskräftig seit 20.04.2021, wurde der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft D. vom 21.09.2020 für zulässig erklärt. Mit Beschluss des Landgerichts D. vom 17.08.2021, rechtskräftig seit 25.08.2021, wurde der Wiederaufnahmeantrag der Staatsanwaltschaft D. vom 21.09.2020 für begründet erklärt, das Verfahren wieder aufgenommen und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet.
B. Feststellungen zur Person
I. Grunddaten und Familienverhältnisse
3
Der Angeklagte R wurde am ...1994 in H. als drittes Kind der Eheleute R2 und R3 geboren. Er ist ledig und deutscher Staatsangehöriger. Sein Vater R2 ist Geschäftsführer eines Gashandelsunternehmens. Seine Mutter R3 ist Produktionshelferin. Er hat zwei Geschwister, den am ...1990 geborenen Bruder R1 und die am ...1991 geborene Schwester R4. Er wuchs bis zum Alter von 12 Jahren mit seinen Geschwistern bei seinen Eltern in einem Einfamilienhaus in Fü. auf und erlebte nach seinen Angaben eine normale und schöne Kindheit. Danach trennten sich seine Eltern und ließen sich scheiden. Dies belastete ihn nach seinen Angaben nachhaltig und es begannen Probleme im erzieherischen, schulischen und sozialen Bereich. Er zog zunächst mit seiner Mutter nach W., sodann nach ca. zwei Jahren wegen Konflikten mit der Mutter zurück zu seinem Vater nach Fü. und schließlich nach ca. einem Jahr wegen Konflikten mit dem Vater zurück zu seiner Mutter nach W. bzw. R.. Zeitweilig befand er sich in Internaten in V. und K., indessen blieb das Verhältnis zu seinen Eltern angespannt. Im Alter von 18 Jahren musste er aus der Wohnung seiner Mutter ausziehen und zog in eine Wohnung in der H.straße … in W.. Im Jahr 2014 lernte er H1, das spätere Tatopfer, kennen, mit der er eine feste Beziehung begann und die im Juli 2014 in seine Wohnung in W. einzog. Im März 2015 zogen er und H1 in eine Wohnung in der L.siedlung … in F.. Nach der Kündigung des Mietverhältnisses durch die Vermieterin zogen er und H1 im April 2016 in eine Wohnung in der B.straße … in F., den späteren Tatort. Ende Juli oder Anfang August 2016 zog er, nachdem ihm H1 die Trennung erklärt und ihn zum Ausziehen aufgefordert hatte, nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Vater in Fü. vorübergehend zu seiner Mutter nach R., bevor er Ende September oder Anfang Oktober 2016 übergangsweise wieder bei H1 in der Wohnung in der B.straße … in F. einzog. Zum 01.11.2016 hätte er eine Wohnung in G. … in F., die er am 28.09.2016 angemietet hatte, beziehen sollen. Aus der Beziehung mit H1 ging der am ...2015 geborene Sohn H2hervor.
II. Schulische Entwicklung, beruflicher Werdegang, wirtschaftliche Verhältnisse
4
Der Angeklagte ging in den Kindergarten in Fü. und in die Grundschule in Pe. und besuchte die Hauptschule in Pe. und in W., die er nach der Teilnahme an der Praxisklasse in der 8. Jahrgangsstufe ohne Schulabschluss beendete. Von 2009 bis 2010 nahm er an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme des Vereins für Jugendpflege in V. teil und lebte in einem Internat in V.; in der Zeit holte er den Hauptschulabschluss nach. Danach begann er eine Ausbildung zum Metallbauer im Berufsbildungswerk in A. und lebte in einem Internat in K., brach jedoch die Ausbildung im Jahr 2012 ab. Von 2012 bis 2013 leistete er den Bundesfreiwilligendienst in einer Werkstatt der Caritas für Menschen mit Behinderung in F.. Danach folgten kurze Beschäftigungen als Türsteher und Hilfsarbeiter und Zeiten der Arbeitslosigkeit mit Bezug von Sozialleistungen. Im Jahr 2014 erwarb er eine C-Lizenz als Fitnesstrainer und übte die Tätigkeit für ca. sieben Monate aus. Am 01.08.2016 nahm er eine Anstellung als Lagerarbeiter im Betrieb seines Vaters in Fü. an, die ihm jedoch bereits zum 30.09.2016 gekündigt wurde, so dass er seit Oktober 2016 wieder Sozialleistungen bezog. Einen Führerschein hatte er nicht erworben. Nach seiner Inhaftierung erwarb er in der Justizvollzugsanstalt S. im Jahr 2018 den qualifizierenden Mittelschulabschluss und begann im September 2018 eine Ausbildung zum Medientechnologen, die er im Juli 2020 abschloss. Er hat Privatinsolvenz angemeldet und verfügt über kein nennenswertes Vermögen.
III. Gesundheit und Suchtanamnese
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In körperlicher Hinsicht ist der Angeklagte gesund. Seine Geburt und seine frühkindliche Entwicklung verliefen unauffällig, erhebliche Erkrankungen, Operationen oder Unfälle sind nicht bekannt. Er ist sportlich, spielte früher Fußball und betrieb Kraftsport. Im Oktober 2016 hatte er bei einer sportlichen Statur eine Größe von ca. 1,80 m und ein Gewicht von ca. 105 kg. Im Dezember 2021 steckte er sich mit dem Coronavirus an, trug jedoch keine Schäden davon. Er hat keine körperlichen Beschwerden.
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In geistiger Hinsicht entwickelte der Angeklagte eine Spielsucht (ICD-10: F63.0), nachdem er bereits im Alter von 13 Jahren mit dem Glücksspiel begonnen hatte. Er suchte in unterschiedlicher Intensität Casinos und Spielhallen auf und nahm an Sportwetten im Internet teil. Im November 2016 hätte er zur Behandlung der Spielsucht eine stationäre Therapie in einer Klinik im Saarland antreten sollen. Darüber hinaus liegen bei ihm keine Erkrankungen im Sinne einer psychischen Störung vor. Seine Intelligenz liegt im Durchschnittsbereich. Am 12.09.2016 suchte er seinen Hausarzt in F. auf, der die Verdachtsdiagnose eines psychovegetativen Erregungszustandes (ICD-10: R45.1) stellte und ihn von 12.09.2016 bis 30.09.2016 krankschrieb.
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Bis zur Trennung von H1 Ende Juli oder Anfang August 2016 betrieb der Angeklagte keinen auffälligen Konsum von Alkohol. Danach begann er, in größerem Ausmaß Alkohol, Bier und Wodka, zu trinken, insbesondere in der Zeit, als er im Betrieb seines Vaters arbeitete und bis zu acht Flaschen Bier am Tag trank, ohne jedoch eine Abhängigkeit zu entwickeln. Für einen auffälligen Konsum von Drogen bestanden keine Anhaltspunkte.
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Der Angeklagte ist bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten.
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1. Mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 25.04.2012, rechtskräftig seit 25.04.2012, Az. …, wurde dem Angeklagten wegen vorsätzlichen Gebrauchs eines Fahrzeugs ohne Haftpflichtversicherungsvertrag in Tatmehrheit mit Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Tateinheit mit gemeinschädlicher Sachbeschädigung die Erbringung von Arbeitsleistungen auferlegt (= BZR Ziffer 1). Dem Urteil lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der Angeklagte am 23.11.2011 auf öffentlichen Straßen mit einem Mofa ohne Haftpflichtversicherung gefahren war und am 25.01.2012 in der Toilettenanlage eines Busbahnhofs zwei Hakenkreuze an die Wand gesprüht hatte.
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2. Mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 10.10.2012, rechtskräftig seit 10.10.2012, Az. …, wurde dem Angeklagten wegen gemeinschädlicher Sachbeschädigung in Tatmehrheit mit versuchtem gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr die Erbringung von Arbeitsleistungen auferlegt (= BZR Ziffer 2). Dem Urteil lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der Angeklagte am 26./27.11.2011 auf öffentlichen Straßen 15 Schneezeichen abgebrochen und in das Gelände geworfen hatte und einen Gullydeckel aus einem Straßenablaufschacht gehoben und in eine Böschung geworfen hatte.
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3. Mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 27.03.2013, rechtskräftig seit 27.03.2013, Az. …, wurde gegen den Angeklagten wegen unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis ein Jugendarrest von 4 Tagen verhängt (= BZR Ziffer 3). Dem Urteil lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der Angeklagte am 12.01.2013 auf öffentlichen Straßen ohne Einverständnis seiner Mutter und ohne Fahrerlaubnis mit dem Auto seiner Mutter gefahren war.
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4. Mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 09.12.2015, Az. …, wurde der Angeklagte wegen Diebstahls mit Waffen in 14 Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen in 6 Fällen in Tatmehrheit mit Diebstahl in 6 Fällen, in allen Fällen in Tateinheit mit Sachbeschädigung, zunächst zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren 6 Monaten verurteilt; sodann wurde das Urteil auf die Berufung des Angeklagten mit Urteil des Landgerichts P. vom 23.06.2016, rechtskräftig seit 23.06.2016, Az. …, dahin abgeändert, dass der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (= BZR Ziffer 4). Dem Urteil lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass der Angeklagte, der sich wegen Arbeitslosigkeit und Spielsucht in Geldnot befunden hatte, zwischen 01.03.2014 und 11.05.2014 mit seinem besten Freund E1 nachts in Geschäfte, Schulen, Vereinsheime und andere Gebäude eingebrochen bzw. eingestiegen war und Bargeld, Getränke und Wertgegenstände entwendet hatte, wodurch ein Sachschaden von ca. 66.000 € und ein Beuteschaden von ca. 22.000 € entstanden war. Seine Spielsucht hatte seine Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt, allerdings wurde ihm im Bewährungsbeschluss des Landgerichts P. vom 23.06.2016 die Weisung erteilt, sich zur Behandlung der Spielsucht einer stationären Therapie zu unterziehen. Mit Beschluss des Landgerichts P. vom 14.11.2019, rechtkräftig seit 14.02.2020, Az. …, wurde die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.
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5. Mit Urteil des Strafgerichts Nr. 1 in B. vom 19.11.2016, rechtskräftig seit 19.11.2016, Az. …, wurde der Angeklagte in Spanien wegen widerrechtlicher Aneignung einer falschen Identität zu einer Freiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (= BZR Ziffer 5). Dem Urteil lag in tatsächlicher Hinsicht zugrunde, dass sich der Angeklagte auf seiner Flucht in Spanien mit dem Personalausweis seines Bruders R1 ausgewiesen hatte. Die Strafe wurde am 19.11.2018 erlassen.
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Der Angeklagte wurde in dieser Sache am 19.11.2016 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts P. vom 13.11.2016 und eines Europäischen Haftbefehls der Staatsanwaltschaft P. vom 13.11.2016 in Lloret de Mar in Spanien festgenommen und befand sich von 19.11.2016 bis 30.11.2016 in Auslieferungshaft in Spanien. Er wurde am 01.12.2016 nach Deutschland überstellt und befand sich in dieser Sache von 01.12.2016 bis 14.02.2018 in Untersuchungshaft und von 15.02.2018 bis 24.08.2021 in Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt S.. Er befand sich in dieser Sache nach der Wiederaufnahme des Verfahrens von 25.08.2021 bis 11.10.2021 aufgrund eines Haftbefehls des Landgerichts D. vom 17.08.2021 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt S.. Seit 12.10.2021 befindet er sich im Vollzug der Jugendstrafe von 2 Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts F. vom 09.12.2015 in der Justizvollzugsanstalt S..
C. Feststellungen zur Sache
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H1 wurde am ...1996 als erstes Kind der Eheleute H3 und H4 in F. geboren. Ihr Vater H3 ist Trockenbauer. Ihre Mutter H4, eine gelernte Einzelhandelskauffrau, ist Hausfrau. Am ...1999 wurde ihr Bruder H5 geboren. Sie wuchs zunächst bei ihren Eltern in Fa. auf. Im Jahr 1999, als ihr Bruder geboren wurde, zog die Familie in ein Einfamilienhaus nach Hi.. Im Jahr 2002 trennten sich ihre Eltern und ließen sich scheiden. Die Mutter zog mit den beiden Kindern zunächst nach Kö., sodann nach De. und schließlich nach Fa. und heiratete im Jahr 2005 den Maschinisten S1, der für die beiden Kinder die Rolle eines Stiefvaters übernahm, wobei das Sorgerecht bei den leiblichen Eltern blieb. H1 ging in den Kindergarten in Hi. und in die Grundschule in R. und in Ku. und besuchte die Hauptschule in F., die sie im Jahr 2011 mit dem Hauptschulabschluss beendete. Von 2009 bis 2011 befand sie sich in einer Beziehung mit dem am ...1996 geborenen T1, den sie in der 7. Klasse im Skilager kennengelernt hatte und der ihr erster Freund war. Nach dem Schulabschluss begann sie eine Ausbildung zur Kinderpflegerin in einem Kindergarten in F., die sie nach einem Jahr abbrach. Danach nahm sie an einem Berufsvorbereitungsjahr des beruflichen Fortbildungszentrums in F. teil. Im Anschluss begann sie eine Ausbildung zur Einzelhandelsverkäuferin bei einer Möbelhauskette in W. und in Gr., die sie im Jahr 2015, nachdem sie schwanger geworden war, abbrach. Nach der Geburt des Sohnes H2am ...2015 bezog sie Sozialleistungen und nahm Putzstellen an, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie erwarb den Führerschein und besaß einen VW Golf. H1 war in körperlicher und geistiger Hinsicht gesund. Für einen auffälligen Konsum von Alkohol oder Drogen bestanden keine Anhaltspunkte. Im Oktober 2016 hatte sie bei einer schlanken Statur eine Größe von ca. 1,67 m und ein Gewicht von ca. 50 kg.
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Im Jahr 2014 lernte H1, die damals bei ihrer Mutter in Fa. wohnte, den Angeklagten, der damals in einer Einzimmerwohnung in der H.straße … in W. wohnte, kennen und begann mit ihm ca. im Juni 2014 eine Beziehung. Im Juli 2014, kurz vor ihrem 18. Geburtstag, zog sie zu ihm nach W. und wurde bald darauf von ihm schwanger. Im März 2015 zogen der Angeklagte und H1 in eine Wohnung in der L.siedlung … in F., die sie gemeinsam angemietet hatten. Am ...2015 wurde der gemeinsame Sohn H2geboren, für den H1 das alleinige Sorgerecht hatte.
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Die Beziehung war fast von Beginn an problem- und konfliktbehaftet und von einer ausgeprägten Ambivalenz gekennzeichnet, die zu kurzfristigen Trennungen und anschließenden Versöhnungen führte. Einerseits verband den Angeklagten und H1 eine starke gegenseitige Anziehung und der Wunsch nach einer heilen Familie. Andererseits war die Beziehung, die auf beiden Seiten begleitet war von Eifersucht und Verlustängsten, belastet durch häufige lautstarke Streitigkeiten und häusliche Gewalt. Die Streitigkeiten, die zum Teil mit gegenseitigen Handgreiflichkeiten und Schlägen einhergingen, entzündeten sich oft daran, dass H1 dem Angeklagten vorhielt, dass er keiner geregelten Arbeit nachging, dass er immer wieder Geld verspielte und dass er sich, nach der Geburt des Sohnes H2, aus ihrer Sicht nicht genügend um den Sohn H2kümmerte. Überdies störte sich H1 daran, dass der Angeklagte ihr Handy kontrollierte und ihre Chatnachrichten las. Die Versuche, den Angeklagten nach ihren Vorstellungen zu ändern, stießen bei dem Angeklagten jedoch auf Abwehr und Widerstand, da er sie als Bevormundung und Kränkung empfand. Infolge der körperlichen Auseinandersetzungen, die bereits im Jahr 2014 begannen, trug H1, die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegen war, wiederholt Hämatome im Gesicht, am Hals und an den Armen davon; überdies schlug ihr der Angeklagte in der Schwangerschaft in den Bauch.
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Nachdem ihnen die Vermieterin im Februar 2016 wegen fortgesetzten Lärmbelästigungen durch Türenschlagen und Herumschreien bei Streitigkeiten das Mietverhältnis gekündigt hatte, zogen der Angeklagte und H1 im April 2016 in eine Vierzimmerwohnung in der B.straße … in F., die sie gemeinsam angemietet hatten. Indessen brachte der Umzug keine Besserung in der Beziehung. Die Probleme und Konflikte blieben bestehen und die Streitigkeiten des Paares setzten sich in der neuen Wohnung fort. Nachdem es bereits im Juni 2016 zu einer kurzfristigen Trennung gekommen war, erklärte H1 dem Angeklagten aufgrund der fortdauernden Streitigkeiten schließlich Ende Juli oder Anfang August 2016 die Trennung und forderte ihn zum Ausziehen auf. Daraufhin zog der Angeklagte, nach einem kurzen Aufenthalt bei seinem Vater in Fü., vorübergehend zu seiner Mutter nach R., während H1 mit dem Sohn H2in der Wohnung blieb.
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H1 fürchtete sich nach der Trennung, weil der Angeklagte einen Schlüssel für die Wohnung mitgenommen hatte. Sie fühlte sich bedroht und gestalkt, da er sie mit häufigen Anrufen und Chatnachrichten belästigte und wiederholt mit dem Schlüssel winkend vor dem Wohnhaus stand. Deshalb bat sie ihre beste Freundin B1 um Unterstützung, die Mitte August 2016 mit ihrem sechs Monate alten Sohn B2 bei H1 einzog. Über einen Rechtsanwalt forderte H1 den Angeklagten im September 2016 zur Herausgabe des Schlüssels und zur Zahlung von Kindesunterhalt auf. Daraufhin händigte er den Schlüssel am 09.09.2016 an den Rechtsanwalt von H1 aus und erklärte sich zur Zahlung von Kindesunterhalt bereit. Der Angeklagte litt unter dem Umstand, dass ihm H1 nach der Trennung nicht mehr gestattete, den Sohn H2zu sehen. So schrieb er Ende August 2016 an H1: „Das Einzige, was ich will, ist, dass ich mein Ein und Alles sehen darf. Wenn du nicht willst, kein Problem, ich werde nicht vor das Familiengericht gehen.“ Danach schrieb er: „Lass mich bitte noch einmal unser Kind sehen, mehr will ich nicht! Dann wirst du nie wieder etwas von mir hören.“ Später schrieb er: „Du wolltest Krieg! Den kannst du haben, Fräulein! Mir nimmt keiner mein Leben weg! Wenn ich mein Kind nicht sehen darf, dann muss ich leider dafür kämpfen. Du wolltest es so.“ Über seinen Bewährungshelfer meldete er dem Jugendamt im September 2016 eine Kindeswohlgefährdung des Sohnes H2durch H1, jedoch wurden bei einem Hausbesuch am 22.09.2016 keine Auffälligkeiten festgestellt.
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Nach der Trennung hatten sowohl der Angeklagte als auch H1 zeitweilig eine neue Beziehung. Der Angeklagte lernte die damals 20-jährige K1 kennen und begann mit ihr im September 2016 eine intime Beziehung, aus der sich kurzzeitig der Verdacht einer Schwangerschaft ergab, der sich jedoch nicht bestätigte. H1 nahm Kontakt zu ihrem früheren Freund, dem damals 20-jährigen T1 auf und begann mit ihm im September 2016 eine Beziehung, in deren Verlauf er bei H1 im Doppelbett im Schlafzimmer übernachtete, ohne jedoch sexuell mit ihr zu verkehren. H1 sehnte sich allerdings nach kurzer Zeit erneut nach dem Angeklagten und nahm Ende September 2016 über „F.“ wieder Kontakt zu ihm auf. Am 26.09.2016 trafen sich der Angeklagte und H1 zu einer Aussprache und versöhnten sich. Sie erklärten sich gegenseitig ihre Liebe und versicherten sich, die zwischenzeitlich eingegangenen Beziehungen mit K1 bzw. mit T1 wieder zu beenden. H1 schrieb am 27.09.2016 an den Angeklagten: „Lass uns den Scheiß vergessen und neu anfangen! Ich liebe dich und nicht das, was du hast oder was du bist.“ In Bezug auf K1 schrieb sie: „Wenn sie noch einmal meinen Mann anfasst, schlage ich ihr die Hände ab.“ Der Angeklagte schrieb am 27.09.2016 an H1: „Ich liebe dich, obwohl du mir die letzten Wochen so wehgetan hast und mich fast komplett zerstört hättest.“ In Bezug auf T1 schrieb er: „Wenn er noch einmal meine Frau anfasst, breche ich ihn in der Mitte auseinander.“ In der Folge beendeten sie die Beziehungen mit K1 bzw. mit T1. Am 28.09.2016 mietete der Angeklagte zum 01.11.2016 eine Wohnung in G. … in F. an und zog Ende September oder Anfang Oktober 2016 übergangsweise wieder bei H1 in der Wohnung in der B.straße … in F. ein, wo er mit H1 im Doppelbett im Schlafzimmer schlief. B1, die noch mit ihrem Sohn B2 in der Wohnung wohnte, zog kurze Zeit später aus der Wohnung aus.
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Der Wiedereinzug des Angeklagten führte indessen nicht zu einem dauerhaften Neubeginn der Beziehung. Schon nach vier oder fünf Tagen erklärte H1 dem Angeklagten, dass die Beziehung beendet sei, da es nicht mehr funktionieren würde, dass er jedoch bis zum 01.11.2016 in der Wohnung bleiben könne. Der Angeklagte war über die neuerliche Erklärung des Beziehungsendes sehr betroffen und bat H1, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken. Er bemühte sich, sie zu einer Aufrechterhaltung der Beziehung zu bewegen, indem er sie immer wieder zu streicheln und zu küssen versuchte, was sie jedoch ablehnte; überdies schenkte er ihr ein neues Handy. Auf sein Bitten hin gestattete sie ihm allerdings bis Mitte Oktober 2016 trotz des Beziehungsendes noch vier oder fünf Mal den Geschlechtsverkehr. Daneben kümmerte er sich seit seinem Wiedereinzug mit neuem Eifer um den Sohn H2 H1 gab ihm die Zusage, dass er den Sohn H2nach seinem Auszug jeweils sonntags sehen dürfe, wenngleich sie bei Streitigkeiten, die nach dem Wiedereinzug des Angeklagten erneut aufloderten, damit drohte, dass er ihn überhaupt nicht mehr sehen dürfe. Doch ungeachtet der Streitigkeiten fanden seine Bemühungen durchaus die Wertschätzung von H1, die lobend anerkannte, dass der Angeklagte sich sehr zum Besseren geändert habe. Überdies hatte er einen Platz für eine Therapie zur Behandlung seiner Spielsucht in Aussicht, die er im November 2016 im Saarland antreten sollte.
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Unterdessen sehnte sich H1 schon bald nach dem Wiedereinzug des Angeklagten wieder nach T1 und nahm am 14.10.2016 erneut Kontakt zu ihm auf. In der Folge schrieben sich H1 und T1 täglich eine Vielzahl von Chatnachrichten über „Wh.-A.“ und näherten sich, nach anfänglicher Zurückhaltung des T1, den die Trennung im September 2016 sehr gekränkt hatte, mit sich steigernder Intensität wieder aneinander an. Der Angeklagte, dem H1 das Empfinden, das sie in Bezug auf T1 hegte, nicht verhehlte, litt unter der neuerlichen Zuwendung zu T1, da er sich weiterhin erhoffte, an einer Beziehung mit H1 festhalten zu können. H1 tat sich deshalb zunächst schwer, sich für den Angeklagten oder für T1 zu entscheiden. Sie sah sich in einem inneren Zwiespalt, da sie sich einerseits nach T1 sehnte und andererseits Mitleid mit dem Angeklagten empfand. Er wiederum erkannte, dass sie ihm zu entgleiten begann. Er befand sich in einem Zustand zwischen Hoffnung und Verzweiflung, ahnte jedoch, dass er sie an T1 verlieren würde. Er fing an, H1 im Schlaf zu beobachten.
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Am 15.10.2016 schrieb sie T1, sie liebe ihn noch immer und habe keine Gefühle mehr für den Angeklagten. Am 16.10.2016 vereinbarte sie mit T1 ein Treffen für den nächsten Tag. In der Nacht beobachtete sie der Angeklagte im Schlaf und machte am 17.10.2016 um 04:19 Uhr zwei Fotos von ihr, als sie schlafend im Bett im Schlafzimmer lag. Am Abend des 17.10.2016 traf sie sich mit T1 auf einem Parkplatz in F., wobei der Angeklagte, der von dem Treffen wusste, in der Zeit auf den Sohn H2aufpasste. Nachdem sie um Mitternacht von dem Treffen heimgekommen war und sich zum Schlafen auf die Couch im Wohnzimmer gelegt hatte, beobachtete sie der Angeklagte abermals im Schlaf und machte am 18.10.2016 um 04:48 Uhr ein Foto von sich und um 04:49 Uhr ein Foto von ihr, als sie schlafend auf der Couch im Wohnzimmer lag.
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Am 18.10.2016, als sie ihrer Tätigkeit an einer der Putzstellen, die sie angenommen hatte, nachging, legte ihr der Angeklagte, in Anbetracht ihres Treffens mit T1 am Vortag, über „Wh.-A.“ seine Sicht der Situation dar und schrieb ihr gegen Mittag: „Ich finde es einfach nur traurig, was du mir antust. Vor drei Wochen sagst du, der T1 ist Geschichte und steht nie wieder zwischen unserer Liebe, er fasst dich nie wieder an, weil ich deine große Liebe bin. Und jetzt ist genau der Punkt da, wo genau alles kommt, was du gesagt hast, es passiert nicht mehr.“ H1 antwortete: „Ich habe mich schon entschieden, ich nehme keinen.“ Der Angeklagte schrieb: „Warum tust du mir das an?“ H1 antwortete: „Ich will und kann mich nicht entscheiden, also nehme ich keinen von euch.“ Der Angeklagte schrieb: „Dann schmeißt du mich trotzdem weg.“ H1 antwortete: „Ja, ich entscheide mich aber für keinen.“ Der Angeklagte schrieb: „Du schmeißt unsere Familie weg, weil du nicht weißt, was du willst. Also war mein Kampf sinnlos. Ich habe mir den Arsch aufgerissen und gekämpft um euch. Ich habe mich so geändert und bin trotzdem nicht gut genug. Aber schön, was du gestern zu mir gesagt hast, dass ich nichts besser hätte machen können. Hat echt gutgetan, das zu hören. Ich habe Tränen in den Augen gehabt.“ H1 antwortete: „Das hat nichts mit gut genug zu tun, sondern mit meinen Gefühlen und da kann ich mich einfach nicht entscheiden.“ Der Angeklagte schrieb: „Ich bin dir deswegen nicht böse, H1. Es war trotzdem die schönste Zeit in meinem Leben und du hast mir so viel beigebracht, was wichtig ist im Leben. Und sollte ich irgendwann nochmals ein Kind kriegen, dann vergesse ich nie, was du immer gesagt hast. Danke für alles, große Liebe!“ H1 antwortete: „Ich sage es dir ehrlich, ich liebe den T1 brutal und vermisse ihn voll. Aber ich will dir nicht so wehtun und will das nicht, deswegen nehme ich keinen. Oder ich bleibe bei dir, keine Ahnung.“ Der Angeklagte schrieb: „Musst du wissen, ob dir eine 4-Wochen-Beziehung wichtiger ist als dein Mann, mit dem du ein Kind hast.“ H1 antwortete: „Ja, aber wenn ich den T1 liebe.“ Der Angeklagte schrieb: „Gestern hast du gesagt, du liebst uns beide.“ H1 antwortete: „Ja, aber ihn mehr.“ Der Angeklagte schrieb: „War mir klar, sonst hättest du dich nicht drei Stunden mit ihm getroffen.“ H1 antwortete: „Es hat gestern einfach so gut getan bei ihm und ich sehne mich so nach ihm, aber ich will dir das nicht antun, darum gehe ich nicht zu ihm.“ Der Angeklagte schrieb: „Und was war das dann mit uns die ganze Zeit? Hat das nicht gutgetan? Warum hast du dann am Anfang gesagt, du willst nur mich, und hast mit mir geschlafen? Das kapiere ich alles nicht.“ H1 antwortete: „Ist eh egal, ich gehe eh nicht zu ihm. Sie gehen schon irgendwann vorbei, die Gefühle.“ Der Angeklagte schrieb: „Kannst du verstehen, wie weh das tut? Es sind für mich keine Gefühle, ihr seid meine Familie.“ H1 antwortete: „Ja, ist eh egal, wir brauchen nicht mehr darüber zu reden, weil ich eh nicht zu ihm gehe.“ Der Angeklagte schrieb: „Es geht um uns und nicht um das mit dir und dem T1. Egal, du wirst schon wissen, was du tust.“ Am Nachmittag schrieb ihr der Angeklagte: „Und wie gesagt: Ich bin immer für euch da, wenn was ist. Versprich mir einfach, dass du H2später die Wahrheit sagst, dass ich ein guter Papa war! Ich wünsche dir und dem T1 alles Gute!“ H1 antwortete: „Nerv mich nicht, weil ich gar nicht zu ihm gehe!“ Gegen Abend schrieb ihm H1: „Ich breche dir momentan das Herz, gell?“ Der Angeklagte antwortete: „Mehr als das! Warum fragst du?“ H1 schrieb: „Weil ich nicht weiß, was ich tun soll.“ Der Angeklagte antwortete: „Ich weiß auch nicht, was ich noch tun soll. Ich kann mir ein Leben ohne euch nicht vorstellen.“ H1 schrieb: „Mann, aber ich liebe ihn.“ Der Angeklagte antwortete: „Und ich liebe H2und dich so stark, dass ich nicht loslassen kann. Du bist nicht nur meine Traumfrau, sondern ihr seid meine Familie.“ Nachdem sie am Abend heimgekommen war und T1 geschrieben hatte, sie wisse nicht, was sie tun solle, schlief sie nach Mitternacht auf der Couch im Wohnzimmer an der Seite des Angeklagten ein, der sie wiederum im Schlaf beobachtete und am 19.10.2016 um 02:07 Uhr zwei Fotos von ihr machte, als sie schlafend auf der Couch im Wohnzimmer lag.
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Am 19.10.2016 schrieb sie T1, sie könne den Angeklagten nicht aufgeben, da er dann „alles“ verliere; er habe nur noch sie und H2und sitze an Weihnachten allein unter dem Baum; das könne sie nicht machen. T1 antwortete, er wolle sie nicht drängen, aber sie müsse eine Entscheidung treffen. Am 20.10.2016 schrieb sie T1, sie liebe ihn, bringe es jedoch nicht über das Herz, den Angeklagten aufzugeben, da er der Vater von H2sei und sonst „niemanden“ habe; das könne sie ihm nicht antun, sie habe ein schlechtes Gewissen. Später schrieb sie ihm, sie könne nicht bei dem Angeklagten bleiben, denn sie liebe ihn, T1, viel zu sehr, allerdings weine der Angeklagte „ohne Ende“, sie könne ihn nicht so leiden sehen, er tue ihr so leid. T1 antwortete, wenn sie lieber bei dem Angeklagten bleiben wolle, müsse sie ihm das sagen; er würde jedoch alles für eine Beziehung mit ihr tun. Schließlich vereinbarten sie ein Treffen für Samstag, den 22.10.2016. Am 21.10.2016 schrieb sie T1, sie frage sich, ob er nicht ein Problem damit habe, dass sie schon ein Kind von einem anderen Mann habe. T1 antwortete, er habe damit kein Problem und freue sich schon, sie am nächsten Tag zu sehen. Am Nachmittag des 22.10.2016 traf sie sich mit T1 auf einem Parkplatz in W., wobei der Angeklagte, der von dem Treffen wusste, in der Zeit auf den Sohn H2aufpasste. Am Abend schrieb sie T1, ob er noch einmal eine Beziehung mit ihr versuchen wolle oder ob sie bei dem Angeklagten bleiben solle. T1 antwortete, er würde gerne mit ihr zusammen sein, aber sie sei sich so unsicher. Sie erwiderte, sie sei ein Familienmensch geworden und wolle mit dem nächsten Kind nicht so lange warten, frage sich jedoch, ob er schon bereit sei für eine Familie. T1 antwortete, er wolle durchaus eine Familie haben, aber es müsse alles passen; er wisse, was er wolle und was er tue, habe aber keinen „Bock“ auf das „Hin und Her“. Am 23.10.2016 schrieb ihr T1, er würde alles für sie tun, doch sie spiele mit ihm und er glaube, dass sie sich nie von dem Angeklagten trennen werde; es tue ihm weh, dass sie jede Nacht an der Seite eines anderen Mannes einschlafe. H1 antwortete, sie spiele nicht mit ihm, sondern liebe ihn über alles. Sie schlug vor, zu warten, bis der Angeklagte ausgezogen sei. Sie sei sich allerdings sicher mit ihm, T1, und wünsche sich bald noch ein Kind. Am 24.10.2016 vereinbarten sie für das kommende Wochenende ein Treffen bei H1, nachdem der Angeklagte ausgezogen sein würde.
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In H1 war nach dem Schwanken zwischen dem Angeklagten und T1 nun der Entschluss gereift, nach dem Auszug des Angeklagten, der zum 01.11.2016 die Wohnung in G. … in F. beziehen sollte, eine neue Beziehung mit T1 einzugehen. Sie verhehlte dem Angeklagten nicht, dass sie ihre Entscheidung getroffen hatte, für T1 und gegen den Angeklagten. Er begriff nun, dass er H1 und mit ihr „seine“ Familie verlieren werde.
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Am 25.10.2016 besuchten H1 und B1 mit den Kindern H2und B2 am Nachmittag einen Hallenspielplatz und ein Restaurant in Gr.. Am Abend des 25.10.2016 schrieb T1 an H1: „Du bist alles, was ich will.“ H1 antwortete: „Ich hätte dich nie gehen lassen dürfen.“ T1 schrieb: „Jetzt bin ich ja wieder da.“ H1 antwortete: „Ja, Gott sei Dank!“ Sie teilte ihm allerdings mit, es sei noch nicht sicher, ob der Angeklagte tatsächlich am Wochenende ausziehen könne, da seine Vermieterin den Schlüssel noch nicht übergeben könne. Sie vereinbarten deshalb, dass H1 mit dem Sohn H2das Wochenende bei T1 verbringen würde, wobei sie für den Sohn H2ein Reisebett besorgen würde.
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1. Am 26.10.2016, einem Mittwoch, erledigte H1 am Vormittag Hausarbeiten in der Wohnung, wobei sie der Angeklagte um 10:15 Uhr beim Staubsaugen filmte. Am Nachmittag, gegen 13:00 Uhr, fuhren der Angeklagte und H1 mit dem Sohn H2nach P., um Besorgungen zu machen, wobei der Angeklagte um 13:26 Uhr im Auto ein Foto von ihr machte, als sie fahrend am Steuer saß. In P. verkaufte der Angeklagte um 14:30 Uhr in einem Handyladen zwei Handys, ein neues Samsung Galaxy S7, das ihm gehört hatte, zum Preis von 450,00 € und ein altes Samsung Galaxy S5, das H1 gehört hatte, zum Preis von 160,00 €. Um 14:56 Uhr machte der Angeklagte zwei Fotos von H1, als sie den Sohn H2auf einem Parkplatz im Kofferraum des Autos wickelte. Danach begaben sie sich in einen Spielzeugladen und kauften Weihnachtsgeschenke für den Sohn H2 Gegen 17:00 Uhr fuhren sie zurück nach F., wobei der Angeklagte auf der Fahrt eine Dose eines Wodka-Maracuja-Getränks der Marke „Gorbatschow“ mit einem Inhalt von 0,33 l und einem Alkoholgehalt von 10% trank. In F. stieg der Angeklagte aus und kaufte sich um 17:49 Uhr in einem Supermarkt eine Flasche Wodka der Marke „Three Sixty“ mit einem Inhalt von 0,7 l und einem Alkoholgehalt von 37,5% und sieben Dosen eines Energydrinks der Marke „Red Bull“; sodann begab er sich zu Fuß zu H1 und dem Sohn H2, die bereits um 17:32 Uhr dort angekommen waren, in die Wohnung in der B.straße x. Gegen 20:00 Uhr trafen sich der Angeklagte und H1 vor dem Wohnhaus mit dem Bruder des Angeklagten, R1, und den Freunden B1 und E1 zu einer Unterhaltung. Dabei vereinbarten H1 und B1, am Freitag, den 28.10.2016, nach P. zu fahren, um sich tätowieren zu lassen. Nach ca. einer halben Stunde begaben sich der Angeklagte und H1 zurück in die Wohnung. Im weiteren Verlauf des Abends schrieben sich H1 und T1 über „Wh.-A.“ eine Vielzahl von Chatnachrichten, während der Angeklagte, im Anschluss an das Treffen, über den Abend im Wohnzimmer fast die ganze Flasche Wodka, die er gekauft hatte, gemischt mit „Red Bull“, trank, bis auf einen Rest von ca. 0,1 l.
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H1 und T1 schrieben sich zunächst fast durchgehend bis 22:19 Uhr. Um 20:30 Uhr schrieb sie an T1, er habe keinen Konkurrenten, denn außer ihm und dem Angeklagten interessiere sich momentan kein Mann für sie, die Konkurrenz sei also nicht groß. Sie schnitten das Thema der Eifersucht an, wobei T1 um 21:45 Uhr im Scherz schrieb: „wenn du eiferst, ist eine Atombombe ein Scheißdreck dagegen“, worauf H1 um 21:46 Uhr erwiderte: „ich war bei dir noch nie richtig eifersüchtig“. Nach einer Nachricht von H1 um 22:19 Uhr meldete sich T1 wieder um 23:48 Uhr und teilte ihr mit, er sei in der Zwischenzeit eingeschlafen. Sodann schrieben sie sich durchgehend bis 27.10.2016, 00:17 Uhr, wobei sie ein Treffen für Freitag, den 28.10.2016, vereinbarten. H1 schrieb um 23:51 Uhr, sie könne sich am Freitag mit ihm treffen, da der Angeklagte am Abend auf den Sohn H2aufpassen werde. Sie schlug um 00:06 Uhr und um 00:10 Uhr vor, sie könnten sich zum „Schmusen“ treffen und schrieb um 00:12 Uhr: „Und danach machen wir noch was Gescheites.“ T1 schrieb um 00:15 Uhr: „Okay, passt, dann kann ich ja beruhigt schlafen gehen.“ H1 schrieb um 00:15 Uhr: „Gute Nacht! Schlaf gut! Ich liebe dich über alles!“ T1 schrieb um 00:16 Uhr: „Danke, du auch! Ich dich auch, H1!“ Um 00:17 Uhr sandten sie sich gegenseitig ein Herzsymbol.
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Anschließend legte sich H1 auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer schlafen und schlief ein. Der Sohn H2schlief in seinem Kinderbett an der türseitigen Wand im Schlafzimmer.
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2. Nachdem sich H1 schlafen gelegt hatte und eingeschlafen war, betrat der Angeklagte, der den Entschluss gefasst hatte, sie zu töten, am 27.10.2016 zwischen 00:17 Uhr und 03:42 Uhr mit einem Messer, das eine Klingenlänge von mehr als 5 cm hatte, das Schlafzimmer und trat an die auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts schlafende H1 heran, die das Herannahen des mit dem Messer bewaffneten Angeklagten nicht bemerkte, weil sie schlief. Dabei erkannte er, dass H1 schlief, sein Herantreten nicht bemerkte und sich deshalb, gemäß seiner Absicht, gegen einen Angriff mit dem Messer nicht, jedenfalls nicht wesentlich, wehren können würde. Der Angeklagte beugte sich über die schlafende H1, setzte das Messer, das er in der rechten Hand hielt, an ihren Hals an und schnitt ihr mit mindestens zwei tiefen Schnitten in den Hals von links nach rechts die Kehle durch, um sie zu töten. Dann stach er mit dem Messer mindestens zwölf Mal mit voller Wucht auf H1 ein und traf sie im Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und in der Oberarm- und Schulterregion. Er stach mit einer solchen Wucht auf sie ein, dass er ihr bei einem Stich in das Gesicht durch die Wange zwei Zahnkronen absprengte. H1, durch die Schnitte in den Hals aus dem Schlaf erwacht, versuchte in panischer Angst, zu sprechen und sich zu wehren, indem sie gegen den Angeklagten die Hände erhob und in das Messer griff, mit dem er auf sie einstach, konnte jedoch, außer einem gepressten Gurgeln und Röcheln, keinen Laut hervorbringen und dem Anschlag auf ihr Leben keinen erheblichen Widerstand entgegensetzen. Sie blieb schließlich blutüberströmt und bewegungslos auf dem Bett liegen und verblutete nach wenigen Minuten an den schweren Schnitt- und Stichverletzungen, die ihr der Angeklagte zugefügt hatte.
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3. H1 erlitt durch die Gewalteinwirkung mit dem Messer die folgenden Schnitt- und Stichverletzungen: eine Stichverletzung am Schädel, frontal, rechts der Mittellinie, mit einer schartenartigen Abhebung eines Bruchkantenfragmentes, jedoch ohne vollständige Durchsetzung des knöchernen Schädeldaches; eine glattrandige Hautdurchtrennung oberhalb der rechten Augenbraue, die jedoch nicht bis auf den Knochen reichte; drei glattrandige Hautdurchtrennungen im Bereich des rechten vorderen Ohrmuschelansatzes mit Unterminierung nach vorne innen, die obere mit einer deutlichen Ankerbung der knorpeligen Anteile der Ohrmuschel, die mittlere mit einer deutlichen Ankerbung des Unterkieferknochens; eine schräg nach unten außen verlaufende glattrandige Durchtrennung der Wangenschleimhaut, ausgehend von der Oberlippe am rechten Mundwinkel, bedingt durch einen Stich durch die rechte Wange in die freie Mundhöhle, der zu einer Absprengung der Kronen des fünften und sechsten Zahnes des rechten Unterkiefers führte, wobei der Stichkanal in den Mundboden bis unmittelbar an das Zungenbändchen reichte; eine triangelförmige Hautdurchtrennung in der rechten Unterkieferwinkelregion; eine punktförmige Hautdurchtrennung in der rechten vorderen Halsregion, unterhalb des Ohrläppchenansatzes, mit Unterblutung im angrenzenden Gewebe; eine ausgedehnte und breit klaffende Wunde in der vorderen Halsregion zwischen Mundboden und Kehlkopf, überwiegend links der Mittellinie, mit Gabelung nach links, bedingt durch mindestens zwei Schnittansätze und -bewegungen; eine glattrandige Hautdurchtrennung in der linken seitlichen Halsregion; eine tiefgreifende Verletzung der vorderen Halsweichteile mit einer Durchtrennung der vorderen Halsmuskeln, eine Durchsetzung der Halsvenen, eine Durchsetzung der äußeren und inneren Kopfschlagader, eine Durchsetzung des Kehlkopfes, eine Durchsetzung der Speiseröhre und eine Durchsetzung der seitlichen Halsmuskeln neben den Halswirbelkörpern mit Anschnitten an den Querfortsätzen des dritten und vierten Halswirbelkörpers; eine glattrandige Hautdurchtrennung in der rechten vorderen Schulterregion; zwei glattrandige Hautdurchtrennungen in der rechten seitlichen Oberarm- bzw. Schulterregion mit Eröffnung des Oberarmgelenkes und Einblutungen bis unter den großen Kopfnickermuskel und im Schlüsselbeinbereich bis in den oberen Mittelfellraum.
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Daneben erlitt H1, als sie gegen den Angeklagten die Hände erhob und in das Messer griff, die folgenden (aktiven und passiven) Abwehrverletzungen: eine glattrandige Hautdurchtrennung am 3. Finger der rechten Hand, vier glattrandige Hautdurchtrennungen am 1., 3., 4. und 5. Finger der linken Hand und vier glattrandige Hautdurchtrennungen am linken Handgelenk mit teilweise vollständiger Durchstechung und knöchernen Schartenbildungen.
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Alle Verletzungen, die H1 erlitten hatte, entstanden, als sie noch am Leben war. Sie erlitt keine Verletzungen, die eine sofortige Handlungsunfähigkeit bedingt hätten. Die Verletzungen führten zu einem massiven Blutverlust, der eine ausgeprägte Blutarmut und ein weitgehendes Ausbluten zur Folge hatte. Sie starb nach wenigen Minuten durch Verbluten nach außen.
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Nachdem er H1 getötet hatte, entkleidete der Angeklagte die Leiche und vollzog an der Leiche den Geschlechtsverkehr, da er der „letzte“ Mann sein wollte, der Sex mit H1 hatte.
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Anschließend verbrachte er die Leiche, die am Übergang vom Schlafzimmer zum Flur am Boden mit dem Kopf gegen eine Wandkante schlug, über den Flur zunächst in das Badezimmer, wo er sie in die Badewanne legte.
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Sodann umwickelte er die Beine der Leiche mit einem grauen Klebeband und zog ihr über den Kopf und über die Beine jeweils einen blauen Müllsack; die Müllsäcke verklebte er, indem er sie außen an mehreren Stellen mit dem grauen Klebeband umwickelte. Danach verbrachte er die Leiche in den Flur, in dem sich, hinter einer Gittertür, die Öffnung des Hohlraumes eines Kachelofens, aus dem der Heizeinsatz entfernt war, befand. Dort öffnete er die Gittertür und schob die Leiche in Bauchlage mit den Beinen voran in den Hohlraum des Kachelofens. Da der Hohlraum lediglich eine Länge von 1,30 m hatte, band der Angeklagte um das Fußende der Leiche zwei Kabel und zog an den Kabeln beim Hineinschieben in den Hohlraum die Beine der Leiche, die sich in den Kniegelenken abwinkelten, nach oben, so dass die Leiche, die eine Länge von 1,67 m hatte, in den Hohlraum passte. Er brachte Katzenstreu zum Aufsaugen der Leichenflüssigkeit ein und bedeckte die Leiche mit leeren Pappkartons. Am Kopfende der Leiche brachte er ein Holzbrett an und schloss die Gittertür.
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Nach dem Verstecken der Leiche reinigte der Angeklagte das Schlafzimmer von dem Blut der H1, das die Matratze durchdrungen hatte und über den Lattenrost auf den Boden gelaufen war; überdies hatte die Tat eine Vielzahl von Blutspritzern am Kopfende des Bettes und an der dahinterliegenden Wand hinterlassen, die er mit einem Lappen abwischte. Ferner reinigte er den Flur und das Badezimmer von den Blutspuren, die durch das Verbringen der Leiche in die Badewanne bzw. in den Hohlraum entstanden waren. Die blutige Bettwäsche, die gebrauchten Putzlappen und den bei den Reinigungsarbeiten angefallenen Müll entsorgte er späterhin am 27.10.2016, am 29.10.2016 und am 03.11.2016 unter Benutzung des Autos der H1 in einem Recyclinghof in W.; überdies entledigte er sich an einem unbekannten Ort des Tatmessers.
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Noch in der Tatnacht begann der Angeklagte mit den Vorbereitungen für eine Flucht mit dem Sohn H2in das Ausland und bestellte am 27.10.2016 um 03:42 Uhr bei einem Goldhandel im Internet unter Angabe des Namens und Nutzung desPP.-Kontos der H1 einen Goldbarren mit einem Gewicht von 10 g im Wert von ca. 400 €. Zudem hob er am 28.10.2016 um 10:39 Uhr an einem Geldautomaten der R.bank in F. einen Betrag von 1.280 € von einem Konto der H1 ab und bestellte am 29.10.2016 um 14:40 Uhr bei einem Goldhandel im Internet unter Angabe des Namens und Nutzung desPP.-Kontos der H1 abermals einen Goldbarren mit einem Gewicht von 20 g im Wert von ca. 800 €. Daneben bestellte er am 29.10.2016 und am 31.10.2016 bei einem Versandhandel im Internet unter Nutzung desPP.-Kontos der H1 Kinderartikel und Reiseutensilien zum Preis von ca. 500 €, die er sich an die Wohnung liefern ließ. Ferner verkaufte er am 29.10.2016 im Internet seine Waschmaschine und seinen Trockner zum Preis von 200 €. Schließlich überwies er sich von demPP.-Konto der H1 am 30.10.2016 einen Betrag von 200 €, am 31.10.2016 einen Betrag von 2.000 €, am 02.11.2016 einen Betrag von 50 € und am 03.11.2016 einen Betrag von 200 € auf seinPP.-Konto. Die bestellten Goldbarren holte er am 05.11.2016 um 06:30 Uhr im Lager einer Spedition in Pl. ab.
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Am 27.10.2016 nahm er Kontakt zu M1, einer früheren Freundin, auf und traf sich mit ihr gegen 21:00 Uhr vor dem Wohnhaus zu einem Spaziergang. Dabei fragte er sie, ob sie ihn am 28.10.2016 zum Tätowieren nach P. fahren könne, was sie jedoch ablehnte, da sie keinen Führerschein hatte.
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Nach außen hin täuschte der Angeklagte vor, dass H1 noch am Leben sei, indem er ab 27.10.2016 den Chatverkehr der H1 mit der Mutter H4, mit T1 und mit B1 fortführte, wobei er die Treffen, die H1 mit T1 und B1 ausgemacht hatte, absagte; außerdem benutzte er nun das „F.“-Profil der H1. Am 28.10.2016 um 22:53 Uhr änderte er das Profilbild der H1 auf „F.“ und postete um 23:41 Uhr unter ihrem Namen, dass sie bis Montag, den 31.10.2016, lediglich über „F.“ erreichbar sei, da ihr Handy kaputt sei. Überdies postete am 02.11.2016 um 14:32 Uhr unter ihrem Namen auf seinem „F.“-Profil unter ein Foto des Sohnes H2den Kommentar: „Unser Goldjunge!“ Hierdurch sollte auf „F.“ der Eindruck erweckt werden, dass H1 noch am Leben sei.
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Unterdessen teilte er seinem Bruder R1 und seinem besten Freund E1 mit, dass er H1 getötet hatte, wobei er ihnen die Einzelheiten des Tathergangs offenbarte.
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Um den Angeklagten für die Flucht zu unterstützen, verkaufte R1 am 04.11.2016 in einem Handyladen in P. ein Handy, ein neues Samsung Galaxy S7, das er im Internet bestellt hatte, zum Preis von 450 € und übergab den Erlös dem Angeklagten. Überdies händigte er dem Angeklagten seinen Personalausweis und seinen Führerschein aus, damit der Angeklagte die Dokumente auf der Flucht benutzen könne.
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Am 04.11.2016 ließ sich der Angeklagte in P. in einem Tattoostudio am rechten Unterschenkel eine Faust tätowieren.
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In der Nacht von 05.11.2016 auf 06.11.2016 verließ der Angeklagte die Wohnung in der B.straße … in F. und begab sich mit dem Sohn H2auf die Flucht in das Ausland, indem er mit dem Auto der H1 nach Frankreich fuhr, wo er am 06.11.2016 in Paris ankam. Am 07.11.2016 um 19:32 Uhr postete er auf dem „F.“-Profil der H1 unter ihrem Namen ein Foto, das ihn und den Sohn H2vor dem Eiffelturm zeigte, mit den Worten: „Danke für den schönen Urlaub!“ Hierdurch sollte auf „F.“ der Eindruck erweckt werden, dass H1 mit ihm und dem Sohn H2im Urlaub in Paris sei. Nach einem Aufenthalt in Or. fuhr er am 09.11.2016 nach Spanien, wo er am 10.11.2016 in Valladolid und am 12.11.2016 in Tarifa ankam. In der Zwischenzeit, am 11.11.2016, hatte die Mutter der H1, H4, eine Vermisstenanzeige bei der Polizeiinspektion F. aufgegeben, jedoch führte eine Nachschau in der Wohnung der H1 am 11.11.2016 nicht zur Auffindung der Leiche. Am 12.11.2016, als sie mit ihrem Ehemann S1, in der Wohnung aufräumte, fand sie die Leiche ihrer Tochter im Hohlraum des Kachelofens. Unterdessen ließ sich der Angeklagte den Namen, das Geburtsdatum und das Sterbedatum der H1 und den Spruch „gracias por todo“ („danke für alles“) auf den linken Oberarm tätowieren. Nach dem Aufenthalt in Tarifa fuhr er über Valencia und Barcelona nach Norden und kam am 16.11.2016 in Lloret de Mar an. Dort wurde er am 19.11.2016 in einem Hotel festgenommen und anschließend in eine Haftanstalt in Madrid gebracht. Er wurde am 01.12.2016 nach Deutschland überstellt.
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Der Sohn H2wurde nach der Festnahme des Angeklagten von den Behörden in Spanien in Obhut genommen und am 21.11.2016 von einem Mitarbeiter des Jugendamts und der Mutter der H1, H4, abgeholt und nach Deutschland gebracht. Er lebt seither bei der Mutter der H1, die mit ihrem Ehemann S1 das Sorgerecht für ihn hat.
V. Alkoholisierung des Angeklagten
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Der Angeklagte trank im Anschluss an das Treffen mit B1, E1 und R1, das am 26.10.2016 gegen 20:00 Uhr stattfand und ca. eine halbe Stunde dauerte, über den Abend hinweg bis zur Tat 0,6 l Wodka mit einem Alkoholgehalt von 37,5%. Seine maximale Blutalkoholkonzentration bei der Begehung der Tat, die sich zwischen 00:17 Uhr und 03:42 Uhr ereignete, belief sich auf 1,99 ‰. Der Angeklagte hatte sich seit August 2016 an den Alkoholkonsum gewöhnt. Er zeigte bei der Begehung der Tat keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen.
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Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, war bei der Begehung der Tat weder aufgehoben noch vermindert.
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Der Angeklagte tötete H1, weil er es nicht ertragen wollte, dass sie sich T1 zugewandt hatte, dass sie einer Familie mit ihm und dem Sohn H2keine Chance mehr geben wollte und dass er in Zukunft in Bezug auf den Umgang mit dem Sohn H2auf ihr Wohlwollen angewiesen sein würde. Wenngleich er sich nach seinem Wiedereinzug mit der neuerlichen Beendigung der Beziehung durch H1 vordergründig abgefunden hatte und die Anbahnung einer Beziehung der H1 mit T1, die sich vor seinen Augen mit sich steigender Intensität abzeichnete, vordergründig geduldet hatte, um sich die Gunst der H1 zu erhalten, kränkte und schmerzte es ihn tief, dass sie T1 ihm gegenüber offen den Vorzug gab („ich liebe dich, aber ihn liebe ich mehr“). Er hatte sich seit seinem Wiedereinzug hoffnungsvoll bemüht, ihr das Bild eines liebevollen Partners und eines fürsorglichen Vaters von sich zu vermitteln, musste jedoch zu seinem Gram feststellen, dass sein Bemühen fruchtlos blieb („mein Kampf war sinnlos“); sein beschwörender Appell, die Familie nicht aufzugeben, hatte keinen Erfolg; es blieb das demütigende Gefühl, „nicht gut genug“ für H1, seine „Traumfrau“, zu sein. Er erkannte, dass H1 ihm zu entgleiten begann, so dass er bereits am 18.10.2016 die Abschiedsworte an sie schrieb: „Danke für alles, große Liebe!“ Zwar bestand noch Hoffnung, solange H1 zwischen ihm und T1 schwankte, jedoch begriff er, als sie sich für T1 entschieden hatte, was er bereits geahnt hatte, dass er H1 und mit ihr „seine“ Familie verlieren werde und sie nicht mehr zurückgewinnen würde. Zugleich war ihm bewusst, dass er zum 01.11.2016 aus der Wohnung ausziehen würde müssen und bald darauf seine Therapie im Saarland, weit weg von H1 und dem Sohn H2, antreten würde müssen; danach würde er den Sohn H2, abhängig vom Wohlwollen der H1, lediglich sonntags sehen dürfen; unter Umständen würde H1 eine Familie mit T1 gründen und T1 die Rolle des Vaters für den Sohn H2einnehmen. Die Aussicht, H1 und „seine“ Familie an einen anderen Mann zu verlieren, wollte der Angeklagte nicht ertragen („ich kann mir ein Leben ohne euch nicht vorstellen“). Als Ausweg aus der Situation einer tiefempfundenen Eifersucht, Kränkung und Machtlosigkeit wählte er schließlich den Tod der H1, der eine Beziehung von ihr und T1 verhindern und es ihm ermöglichen sollte, den Sohn H2für sich zu behalten und mit ihm ein Leben im Ausland zu führen.
I. Feststellungen zur Person
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Die Feststellungen unter B. zur Person des Angeklagten beruhen auf einer schriftlich abgefassten und mündlich vorgetragenen Verteidigererklärung, die der Angeklagte auf Nachfrage durch die Kammer bestätigt hat, überdies auf der Verlesung eines Lebenslaufs des Angeklagten, der sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat, und auf der Verlesung der Berichte über den Vollzugsverlauf der Justizvollzugsanstalt S. vom 08.05.2019, 11.10.2019, 09.12.2021 und 19.04.2022, ferner auf der Verlesung der Zeugnisse über den qualifizierenden Mittelschulabschluss vom 20.07.2018 und über die Ausbildung zum Medientechnologen vom 03.07.2020. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Angeklagten beruhen, über die Verteidigererklärung hinaus, auf den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N1 und den Angaben des Zeugen Dr. H6, des Hausarztes des Angeklagten; überdies sind die Patientenkartei des Angeklagten aus der Praxis des Zeugen Dr. H6 und ein Befundbericht vom 05.07.2016 zur Beantragung einer Therapie zur Behandlung der Spielsucht des Angeklagten, den der Zeuge Dr. H6 als Hausarzt des Angeklagten erstellt hat, verlesen worden; eine Exploration durch den Sachverständigen Prof. Dr. N1 hat der Angeklagte nicht zugelassen. Die Feststellungen zur Suchtanamnese beruhen auf der Verteidigererklärung und den Angaben des Zeugen R1, des Bruders des Angeklagten, der über den Alkoholkonsum des Angeklagten berichtet hat. Im Übrigen hat der Angeklagte sich, über die Verteidigererklärung hinaus, zur Person nicht geäußert und Nachfragen der Kammer nicht zugelassen. Die Feststellungen zu den Vorstrafen des Angeklagten beruhen auf der Verlesung der Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 13.04.2022; ergänzend sind das Urteil des Amtsgerichts F. vom 25.04.2012 (= BZR Ziffer 1), das Urteil des Amtsgerichts F. vom 10.10.2012 (= BZR Ziffer 2), das Urteil des Amtsgerichts F. vom 27.03.2013 (= BZR Ziffer 3), das Urteil des Landgerichts P. vom 23.06.2016 (= BZR Ziffer 4), der Bewährungsbeschluss des Landgerichts P. vom 23.06.2016 (= BZR Ziffer 4) und der Widerrufsbeschluss des Landgerichts P. vom 14.11.2019 (= BZR Ziffer 4) verlesen worden. Der Hintergrund des Urteils vom 19.11.2016 in Spanien (= BZR Ziffer 5) ergibt sich aus den Angaben der Zeugen EKHK M2 und R1 und der Verlesung der Rechnung des Hotels „C.“ in Lloret de Mar vom 17.11.2016; daraus folgt, dass sich der Angeklagte in Spanien mit dem Personalausweis seines Bruders R1 ausgewiesen hat. Die Vollstreckungsdaten ergeben sich aus der Verlesung des Auszugs aus der Vollzugsdatenbank der Justizvollzugsanstalt S. vom 11.07.2022.
II. Feststellungen zur Sache
1. Feststellungen zur Person der H1
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Die Feststellungen unter C.I. zur Person der H1 beruhen im Wesentlichen auf den Angaben der Zeugen H3 und H4, der Eltern von H1, und des Zeugen S1, des Stiefvaters von H1, die ausführlich über die Entwicklung, den Werdegang und die Lebensverhältnisse von H1 berichtet haben. Dass sich H1 bereits von 2009 bis 2011 in einer Beziehung mit T1 befand, der ihr erster Freund war, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen T1 und der Zeugin H4.
2. Feststellungen zur Vorgeschichte
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Die Feststellungen unter C.II. zur Vorgeschichte beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.
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a) Die Feststellungen zum Beginn der Beziehung zwischen dem Angeklagten und H1 beruhen auf den Angaben der Zeugin H4, der Mutter von H1, und den Angaben der Zeugen M3 und S2, bei denen es sich im Jahr 2014 um Freundinnen von H1 handelte. Dass H1 im Juli 2014 zu dem Angeklagten nach W. zog, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin H4, die berichtet hat, dass es deshalb einen Streit mit ihrer Tochter gegeben habe, da ihre Tochter damals noch nicht 18 Jahre alt gewesen sei und sie erfahren habe, dass der Angeklagte bereits „vorbestraft“ gewesen sei. Sie habe nach dem Streit ca. eine Woche lang keinen Kontakt zu ihrer Tochter gehabt, habe die Beziehung dann allerdings akzeptiert, obschon sie zu dem Angeklagten „keinen richtigen Zugang“ gefunden habe. Dass H1 bald darauf von dem Angeklagten schwanger wurde, folgt aus den Angaben der Zeugin H4, die berichtet hat, dass die Schwangerschaft nicht geplant gewesen sei, ihre Tochter sich allerdings sehr auf das Kind gefreut habe und sie ihrer Tochter zugesagt habe, sie im Hinblick auf die Schwangerschaft zu unterstützen. Der Umzug in die (erste) gemeinsame Wohnung in der L.siedlung … in F. im März 2015 ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und S1, die berichtet haben, dass sie H1 beim Umzug und bei der Einrichtung der Wohnung geholfen haben. Die Feststellungen zur Geburt des Sohnes H2am ...2015 und zum alleinigen Sorgerecht der H1 beruhen auf den Angaben der Zeugin H4 und den Angaben des Zeugen P1, bei dem es sich um den zuständigen Sachbearbeiter des Jugendamts handelte.
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b) Die Feststellungen zum Charakter der Beziehung zwischen dem Angeklagten und H1 beruhen zum einen auf den Angaben der Zeugen H4 und H3, der Eltern von H1, des Zeugen S1, des Stiefvaters von H1, des Zeugen H5, des Bruders von H1, und der Zeugin G1, der Tante von H1, zum anderen auf den Angaben der Zeugen M3, S2 und B1, der Freundinnen von H1, und der Zeugen H7 und T1, der Freunde von H1, überdies auf den Angaben des Zeugen R1, des Bruders des Angeklagten, und der Zeugen E2 und S3, der Freunde des Angeklagten. Nach den Schilderungen der Zeugen war die Beziehung belastet durch häufige Streitigkeiten und häusliche Gewalt. Diesbezüglich haben die Zeugen H4, S1 und H5 unter anderem berichtet, dass H1, sowohl in W. als auch in F., als sie noch keinen Führerschein und kein Auto hatte, nach heftigen Streitigkeiten „heim“ nach Fa. habe wollen und gebeten habe, abgeholt zu werden, allerdings nach wenigen Tagen in Fa. zu dem Angeklagten nach W. bzw. F. zurückkehren habe wollen. In der Wohnung in der L.siedlung … in W. seien die Streitigkeiten so lautstark ausgetragen worden, dass die Nachbarn, so die Zeugin H4, zum Teil die Polizei gerufen hätten.
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Dass sowohl der Angeklagte als auch H1 Eifersucht und Verlustängste zeigten, ergibt sich zum einen aus den Angaben der Zeugen H7, S2, B1 und T1, zum anderen aus den Angaben der Zeugen M3 und R1. Diesbezüglich hat auf der einen Seite der Zeuge H7, ein Schulfreund von H1, berichtet, dass er im Winter 2014/2015 H1 vor einer Diskothek in F. getroffen und umarmt habe; dies habe der Angeklagte, der dort als Türsteher gearbeitet habe, beobachtet, sei auf ihn zugegangen und habe ihm gesagt, er solle seine Freundin in Ruhe lassen; wenn er sie noch einmal umarme, werde er „andere Saiten aufziehen“; er habe ihn dann nicht in die Diskothek eingelassen. Daneben hat die Zeugin S2 berichtet, dass H1 nach dem Beginn der Beziehung mit dem Angeklagten den Kontakt zu ihren männlichen Freunden abgebrochen habe; sie habe ihr erzählt, dass der Angeklagte nicht wolle, dass sie Kontakt zu anderen Männern habe. Ebenso hat die Zeugin B1 berichtet, dass H1 auf Verlangen des Angeklagten ihre männlichen Freunde auf „F.“ löschen habe müssen. Überdies hat der Zeuge T1 berichtet, dass H1 ihm erzählt habe, dass der Angeklagte ihn hassen würde, weil er ihr erster Freund gewesen sei, dass der Angeklagte auf einem Abschlussballfoto, das ihn mit H1 gezeigt habe, sein Gesicht mit einem Filzstift durchgestrichen habe und dass sie alle anderen Fotos, die ihn gezeigt hätten, auf Weisung des Angeklagten zerreißen und wegwerfen habe müssen. Ferner hat die Zeugin M3 berichtet, dass der Angeklagte sich öfter beim Ausgehen „schützend“ mit verschränkten Armen vor sie und H1 hingestellt habe und andere Männer nicht an sie und H1 „herangelassen“ habe. Auf der anderen Seite haben die Zeugen E2 und R1 berichtet, dass sich H1 daran gestört habe, dass der Angeklagte als Türsteher gearbeitet habe, da sie befürchtet habe, dass er bei der Tätigkeit andere Frauen kennenlernen könnte. Überdies hat der Zeuge R1 berichtet, dass H1, als der Angeklagte noch in W. gewohnt habe, einmal versucht habe, zu verhindern, dass der Angeklagte ein Konzert besuche, indem sie ihn am Verlassen der Wohnung hindern habe wollen, da sie befürchtet habe, dass er auf dem Konzert andere Frauen kennenlernen könnte. Ferner hat die Zeugin M3 berichtet, dass H1 sich daran gestört habe, dass der Angeklagte ins Fitnessstudio gegangen sei, und sie es lieber gehabt hätte, dass er die Zeit mit ihr verbracht hätte.
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Die Feststellungen zum Gegenstand der Streitigkeiten beruhen auf den Angaben der Zeugen H4, H3 und S1. Nach den Schilderungen der Zeugen, die auf den Berichten der H1 beruhen, ging es bei den Streitigkeiten zumeist um die Geldprobleme des Paares, den mangelnden Arbeitswillen des Angeklagten, das Spielverhalten des Angeklagten und die mangelnde Mitarbeit des Angeklagten bei der Pflege des Sohnes H2 Diesbezüglich hat die Zeugin H4 unter anderem berichtet, dass der Angeklagte das Geld, das H1 für den Führerschein gespart habe, kurz vor der Führerscheinprüfung der H1 an sich genommen und in einer Spielhalle verspielt habe; allerdings habe er ihr den Geldbetrag nach zwei Tagen zurückgegeben. H1 habe zuletzt drei Putzstellen angenommen, weil das Geld nicht ausgereicht habe, wohingegen der Angeklagte keiner geregelten Arbeit nachgegangen sei. Dass es sich bei den Themen Arbeit, Geld und Spielen um häufige Streitpunkte des Paares gehandelt hat, ist vor dem Hintergrund der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten nachvollziehbar und ist plausibel auch im Hinblick auf die Angaben des Zeugen S3, eines Freundes des Angeklagten, den er im Jahr 2012/13 über das Computerspielen im Internet kennengelernt hatte und der berichtet hat, dass der Angeklagte viel Zeit mit Computerspielen und Sportwetten verbracht und geäußert habe, dass Arbeit „nicht so sein Ding“ sei. Überdies hat die Zeugin H4 berichtet, dass sich H1 mehr oder minder allein um den Sohn H2, der in den ersten drei Monaten ein „Schreikind“ gewesen sei, gekümmert habe, wohingegen sich der Angeklagte aus der Sicht der H1 kaum an der Pflege des Sohnes H2beteiligt habe. Trotz der Streitigkeiten sei H1 nach kurzzeitigen Trennungen allerdings zu dem Angeklagten zurückgekehrt, da sie sich eine Familie gewünscht habe.
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Die Feststellungen zur häuslichen Gewalt in der Beziehung zwischen dem Angeklagten und H1 beruhen zum einen auf den Angaben der Zeugen H4, S1, G1, S2, B1, T1 und W1, zum anderen auf den Angaben der Zeugen E2 und R1. Nach den Schilderungen der Zeugen gingen die Streitigkeiten des Paares zum Teil mit gegenseitigen Handgreiflichkeiten und Schlägen einher, wobei H1, die dem Angeklagten körperlich deutlich unterlegen war, wiederholt Hämatome im Gesicht, am Hals und an den Armen davontrug. Diesbezüglich hat auf der einen Seite die Zeugin H4 unter anderem berichtet, dass sie an H1 immer wieder ein „blaues Auge“ und blaue Flecken im Gesicht, am Hals und an den Armen bemerkt habe, wobei ihre Tochter zunächst stets erklärt habe, dass sie sich aus Versehen selbst verletzt habe, indem sie zum Beispiel gegen einen Küchenschrank gelaufen sei oder sich am Arm gestoßen habe; erst später, als sie sich im Jahr 2016 von dem Angeklagten getrennt habe, habe sie ihr erzählt, dass die Verletzungen von dem Angeklagten herrührten, der sie geschlagen habe; überdies habe sie erzählt, dass ihr der Angeklagte, als sie schwanger gewesen sei, in den Bauch geschlagen habe. Daneben hat der Zeuge S1 berichtet, dass er an H1 blaue Flecken am Arm bemerkt habe, wobei sie erklärt habe, dass sie beim Autofahren „geblitzt“ worden sei und aus Ärger mit dem Arm auf das Lenkrad geschlagen habe; er habe sich jedoch nicht vorstellen können, dass dies gestimmt habe, da das Auto auf ihn angemeldet gewesen sei und er in dem Zusammenhang keinen amtlichen Bescheid bekommen habe; später habe sie einmal erzählt, dass ihr der Angeklagte, als sie schwanger gewesen sei, in den Bauch geschlagen habe. Ferner hat die Zeugin G1 berichtet, dass sie an H1, ca. im Sommer 2016, blaue Flecken am Arm und am Auge bemerkt habe, wobei sie H1 allerdings nicht darauf angesprochen habe. Überdies hat die Zeugin S2 berichtet, dass ihr H1 im September oder Oktober 2014, nach dem Volksfest in W., in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ mitgeteilt habe, dass ihr der Angeklagte ein „blaues Auge“ geschlagen habe; sie habe nach einer Salbe gegen Hämatome gefragt, da sie mit dem „blauen Auge“ nicht die Wohnung verlassen habe wollen; der Umstand, dass sich die Nachricht in dem Chatverlauf zwischen H1 und S2, der im Rahmen der Auswertung des Handys der S2 gesichert werden konnte und der in der Hauptverhandlung verlesen worden ist, nicht gefunden hat, steht der Glaubhaftigkeit der Angaben nicht entgegen, da auf dem Handy der S2, wie sich aus der Verlesung des Vermerks des Polizeibeamten KHK A3 vom 23.01.2017 über die Auswertung des Handys ergeben hat, der Chatverlauf mit H1 lediglich noch für den Zeitraum von 16.11.2015 bis 13.01.2016 gesichert werden konnte, die betreffende Nachricht nach den Angaben der Zeugin S2 allerdings bereits im September oder Oktober 2014 übersandt wurde. Darüber hinaus hat die Zeugin B1 berichtet, dass sie an H1 einmal einen „blauen Fleck“ an der „Backe“ bemerkt habe, wobei H1 zunächst erklärt habe, dass es sich um einen „Knutschfleck“ handeln würde; später, als sie sich im Jahr 2016 von dem Angeklagten getrennt habe, habe sie ihr erzählt, dass sie in der Zeit des Zusammenlebens mit dem Angeklagten öfter von ihm geschlagen worden sei und dass er ihr, als sie schwanger gewesen sei, in den Bauch geschlagen habe. Ebenso hat der Zeuge T1 berichtet, dass H1 ihm erzählt habe, dass sie in der Zeit des Zusammenlebens mit dem Angeklagten öfter von ihm geschlagen worden sei und dass er ihr, als sie schwanger gewesen sei, in den Bauch geschlagen habe; an T1 schrieb H1, wie sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „F.“ ergeben hat, am 24.08.2016, dass der Angeklagte sie während der ganzen Schwangerschaft geschlagen habe und dass sie einmal gedacht habe, er bringe sie um und ihr Leben sei vorbei; sie habe dies nie jemandem sagen können, da sie solche Angst vor dem Angeklagten gehabt habe. Schließlich hat die Zeugin W1, bei der H1 eine Putzstelle hatte, berichtet, dass sie an H1, ca. im Sommer 2016, blaue Flecken am Hals und am Arm bemerkt habe, wobei sie H1 allerdings nicht darauf angesprochen habe. Auf der anderen Seite haben die Zeugen E2 und R1 berichtet, dass H1 den Angeklagten bei einem Streit einmal mit einem Duschkopf geschlagen habe. Der Zeuge R1 hat angegeben, dies selbst beobachtet zu haben, der Zeuge E2 hat angegeben, dies von R1 erfahren zu haben.
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Dass der Angeklagte das Handy der H1 kontrollierte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und B1. Diesbezüglich hat die Zeugin H4 berichtet, sie habe öfter beobachtet, dass der Angeklagte das Handy der H1 durchgesehen habe, zum Beispiel wenn sie in einen anderen Raum gegangen sei oder wenn er mit dem Handy allein im Auto gesessen sei. H1 habe den Angeklagten mehrmals darauf hingewiesen, dass sie dies nicht wolle, dennoch habe er, vor und nach der Schwangerschaft von H1, ihr Handy kontrolliert. Überdies hat die Zeugin B1 berichtet, dass ihr H1 erzählt habe, dass der Angeklagte „immer“ ihr Handy kontrolliert habe; sie hat allerdings berichtet, dass auch H1 in das Handy des Angeklagten geschaut habe, um zu sehen, ob er „mit jemand anderem“ schreibe. An T1 schrieb H1, wie sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „F.“ ergeben hat, am 27.08.2016: „Er hat sich einfach immer mein Handy genommen.“
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Die Umstände, die zur Kündigung der Wohnung in der L.siedlung … in F. geführt habe, ergeben sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat.
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c) Der Umzug in die (zweite) gemeinsame Wohnung in der B.straße … in F. im April 2016 ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und S1, die berichtet haben, dass sie H1 beim Umzug und bei der Einrichtung der Wohnung geholfen haben, und aus der Verlesung des Mietvertrags vom 10.03.2016. Dass die Probleme und Konflikte in der Beziehung nach dem Umzug bestehen blieben und sich die Streitigkeiten des Paares in der neuen Wohnung fortsetzten, ergibt sich aus den Schilderungen des Hausmeisters und der Nachbarn. Diesbezüglich hat der Zeuge J1, der Hausmeister des Wohnhauses berichtet, dass er nach dem Einzug des Angeklagten und der H1 öfter von anderen Hausbewohnern auf laute Streitigkeiten des Paares aufmerksam gemacht worden sei. Die Zeugin G2, eine Nachbarin, die unter der Wohnung des Angeklagten und der H1 wohnte, hat berichtet, dass das Paar öfter gestritten habe; im Herbst 2016 habe sie einmal gehört, dass der Angeklagte bei einem Streit die H1 geschimpft habe, da sie so oft Pakete bestellen würde; der letzte Streit, den sie mitbekommen habe, habe an einem Vormittag in der letzten Oktoberwoche stattgefunden, habe jedoch nicht lange gedauert. Die Zeugin B3, eine Nachbarin, die neben der Wohnung des Angeklagten und der H1 wohnte, hat berichtet, dass das Paar häufiger gestritten habe; sie habe gehört, dass sich die beiden gegenseitig angeschrien hätten, habe jedoch nicht verstanden, worüber sie gestritten hätten. Die Zeugin B4, eine Nachbarin, die über der Wohnung des Angeklagten und der H1 wohnte, hat berichtet, dass das Paar öfter gestritten habe; man habe im Haus gewusst, dass es bei den beiden „Zoff“ gegeben habe. Die Zeugin F1, eine Bewohnerin des Nachbarhauses, hat berichtet, dass das Paar im Sommer 2016 öfter gestritten habe; sie habe gehört, dass sich die beiden gegenseitig angeschrien hätten, habe jedoch nicht verstanden, worüber sie gestritten hätten. Überdies hat der Zeuge KHK U1, der im Rahmen der Ermittlungen am 12.11.2016 eine Anwohnerbefragung durchgeführt hat, berichtet, dass die anderen Bewohner des Wohnhauses, das Ehepaar W2 und die Familie T2, Streitigkeiten des Paares mitbekommen hätten, ohne insofern nähere Angaben machen zu können.
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Dass es bereits im Juni 2016 zu einer kurzfristigen Trennung zwischen H1 und dem Angeklagten gekommen war, ergibt sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „F.“. Dort schrieb sie ihm am 07.06.2016, sie habe sich gerade von dem Angeklagten getrennt und ihn „rausgeschmissen“; sie habe Angst, dass er noch einmal „auftaucht“ und dass er, wenn er einen „anderen Typen“ bei ihr sehen würde, ausflippen würde; er würde „sauer“ sein und dem „Typen“ wahrscheinlich „die Nase brechen“. Dass es sich hierbei allerdings lediglich um eine kurzzeitige Trennung handelte, geht aus der Fortsetzung des Chats am 24.08.2022 hervor, in dem sie bereits über die (erneute) Trennung von Ende Juli oder Anfang August 2016 berichtet.
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Die Feststellungen zur Trennung Ende Juli oder Anfang August 2016 beruhen auf den Angaben der Zeugen H4 und B1, die bestätigt haben, dass H1 den Angeklagten aus der Wohnung „geworfen“ habe. Diesbezüglich hat die Zeugin H4 berichtet, dass H1 sie angerufen und ihr mitgeteilt habe, dass sie den Angeklagten „rauswerfen“ wolle, dass sie jedoch Angst vor dem Angeklagten habe und Hilfe benötige, da er nicht gehen wolle. Sie sei deshalb zu ihrer Tochter gefahren und habe geholfen, die Sachen des Angeklagten zu packen und „vor die Tür“ zu stellen. Der Angeklagte habe zu H1 gesagt, sie wolle ja gar nicht, dass er gehe. H1 habe jedoch zu dem Angeklagten gesagt: „Verschwinde aus meinem Leben! Geh endlich!“ Letztlich habe sich der Angeklagte gefügt und habe die Wohnung verlassen. Sein Vater habe ihn abgeholt und ihn mit nach Fü. genommen. Dass der Angeklagte danach bei seiner Mutter in R. wohnte, hat der Zeuge R1 bestätigt.
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d) Die Feststellungen zum Geschehen in der Trennungsphase im August und September 2016 beruhen zum einen auf der Verlesung eines Chats zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“, der sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat. Daraus geht hervor, dass es zwischen 13.08.2016 und 18.08.2016 zu einer kurzzeitigen Annäherung kam, indem H1 dem Angeklagten schrieb, dass es ihr „so leid“ tue, dass sie sein Leben „so kaputt gemacht“ habe, und den Angeklagten als „Traummann“ bezeichnete, während der Angeklagte schrieb, dass sie viel zu oft miteinander geschlafen hätten, als dass er noch einmal eine andere Frau haben möchte. Danach kam es in dem Chat allerdings erneut zum Streit mit gegenseitigen Beschimpfungen, als der Angeklagte einforderte, den Sohn H2besuchen zu dürfen, während H1 ihn zur Herausgabe des Schlüssels für die Wohnung, den er beim Auszug mitgenommen hatte, aufforderte. Zum anderen ergibt sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „F.“, dass sich H1 nach dem Auszug des Angeklagten vor ihm fürchtete. Sie schrieb am 24.08.2016 an T1, sie habe Angst vor dem Angeklagten, denn sie seien „nicht im Guten auseinandergegangen“. Er dürfe den Sohn H2nicht sehen und wolle „das alles“ vor Gericht erkämpfen. Sie wollen ihn jedoch nicht „in unserem Leben“ haben. Er habe sich „nie“ richtig um den Sohn H2gekümmert, da ihm „alles zu anstrengend“ gewesen sei. Sie wünsche sich einen neuen Partner, habe jedoch Angst, dass der Angeklagte dem neuen Partner etwas antun könne. Es habe schon seine Gründe, weshalb sie Angst vor ihm habe und ihm das Kind nicht geben könne. Sie habe nun einen „langen steinigen Weg“ vor sich. Dass sich H1 nach der Trennung vor dem Angeklagten fürchtete und sich bedroht und gestalkt fühlte, ergibt sich überdies aus den Angaben der Zeugen H4 und B1. Diesbezüglich hat die Zeugin H4 berichtet, dass sich H1 durch häufige Anrufe und Chatnachrichten des Angeklagten belästigt gefühlt habe. In dem Zusammenhang schrieb H1 am 27.08.2016 an T1: „Ich flippe aus, erst sagt der R, er lässt mich in Ruhe, und dann textet er mich die ganze Nacht zu; war mir eh klar, dass er mich nicht in Ruhe lässt. Er will jetzt überall herumerzählen, dass ich den Buben schlage.“ Ferner hat die Zeugin H4 berichtet, dass der Angeklagte beim Auszug einen Schlüssel für die Wohnung mitgenommen habe und mit dem Schlüssel „Psychoterror“ getrieben habe, indem er sich mit dem Schlüssel vor das Wohnhaus gestellt habe und ihr ein Foto des Schlüssels auf ihr Handy gesandt habe. Daneben hat die Zeugin B1 berichtet, sie sei Mitte August 2016 bei H1 eingezogen, weil H1 sich vor dem Angeklagten gefürchtet habe. H1 habe damals Angst gehabt, dass der Angeklagte zu ihr in die Wohnung zurückkommen könnte, da er noch einen Schlüssel für die Wohnung gehabt habe; sie habe deshalb, wie auch der Zeuge T1 berichtet hat, einen Stuhl vor die Wohnungstür gestellt, um mitzubekommen, falls er die Wohnung betrete. Die Zeugen B1 und T1 haben berichtet, dass der Angeklagte öfter vor dem Wohnhaus gestanden sei und mit dem Schlüssel in der Hand gewunken habe. Schließlich hat der Zeuge S4, der damalige Freund der B1, berichtet, er habe sich damals mit B1 in der Wohnung der H1 aufgehalten und habe mitbekommen, dass sie sich von dem Angeklagten gestalkt und verfolgt gefühlt habe.
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Dass H1 den Angeklagten im September 2016 über ihren Rechtsanwalt zur Herausgabe des Schlüssels und zur Zahlung von Kindesunterhalt aufforderte, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt S5, der H1 als Rechtsanwalt vertreten hatte, und der Verlesung der Anwaltsschreiben des Rechtsanwalts S5 vom 02.09.2016, 09.09.2016 und 16.09.2016. Der Zeuge Rechtsanwalt S5 hat berichtet, dass der Angeklagte den Schlüssel für die Wohnung am 09.09.2016 in seiner Kanzlei abgegeben habe. Daneben ergibt sich aus der Verlesung des Anwaltsschreibens des Rechtsanwalts S14 vom 13.09.2016, der den Angeklagten als Rechtsanwalt vertreten hatte, dass sich der Angeklagte über seinen Rechtsanwalt zur Zahlung von Kindesunterhalt bereit erklärte. Dass H1 dem Angeklagten nach der Trennung nicht mehr gestattete, den Sohn H2zu sehen, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4, B1, T1, K1, M3 und R1, aus der Verlesung der Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“ aus dem August 2016, die sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und in denen er sie darum bat, den Sohn H2sehen zu dürfen, und aus der Verlesung der Chatnachrichten zwischen H1 und T1 auf „F.“ in denen sie T1 am 24.08.2016 mitteilte, dass sie dem Angeklagten verboten habe, den Sohn H2zu sehen. Dass der Angeklagte unter dem Verbot, den Sohn H2zu sehen, litt, haben die Zeugen K1, M3 und R1 geschildert und geht aus den Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“ aus dem August 2016 hervor. Überdies hat der Zeuge Dr. H6, der Hausarzt des Angeklagten, berichtet, dass der Angeklagte ihn am 12.09.2016 in der Praxis aufgesucht und ihm, wie sich auch aus der Verlesung der Patientenkartei ergeben hat, geschildert habe, dass er „völlig zerstreut“ sei und nicht arbeiten könne, da ihn seine Freundin aus der Wohnung „geworfen“ habe und er sein Kind nicht sehen dürfe. Dass der Angeklagte im September 2016 über seinen Bewährungshelfer dem Jugendamt eine Kindeswohlgefährdung des Sohnes H2durch H1 meldete, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4, des Zeugen M4, des Bewährungshelfers des Angeklagten, und des Zeugen P1, des zuständigen Sachbearbeiters des Jugendamts. Diesbezüglich hat der Zeuge P1 berichtet, dass bei einem Hausbesuch bei H1 am 22.09.2016 keine Auffälligkeiten festgestellt worden seien.
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Die Feststellungen zur zeitweiligen Beziehung des Angeklagten mit K1 beruhen auf den Angaben der Zeugin K1 und der Verlesung des Chatverlaufs zwischen dem Angeklagten und K1 auf „Wh.-A.“ von 03.09.2016 bis 27.09.2016; daraus geht hervor, dass die Beziehung ab 21.09.2016 einen konflikthaften Verlauf zu nehmen begann und K1 dem Angeklagten am 21.09.2016 schrieb, er solle sich, wenn er „saufe“, beherrschen, damit er ihr „keine schmieren“ würde; sie habe es schon „ein wenig krass“ gefunden, dass er ihr „voll eine ins Gesicht gegeben“ habe. In der Hauptverhandlung hat die Zeugin K1 allerdings berichtet, sich an eine Tätlichkeit des Angeklagten nicht erinnern zu können. Dass in der Zeit der Beziehung kurzzeitig der Verdacht einer Schwangerschaft der K1 bestand, hat die Zeugin K1 berichtet und geht aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen dem Angeklagten und K1 hervor. Diesbezüglich hat der Zeuge E1 berichtet, K1 habe dem Angeklagten einmal zu einem späteren Zeitpunkt, als sie zu viert, d.h. der Angeklagte, H1, B1 und er im Wohnzimmer gesessen seien, dem Angeklagten geschrieben, dass sie angeblich schwanger sei; dies habe der Angeklagte jedoch nicht geglaubt.
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Die Feststellungen zur zeitweiligen Beziehung der H1 mit T1 beruhen auf den Angaben des Zeugen T1 und den Angaben der Zeugen H4, S1, B1 und S4. Diesbezüglich hat der Zeuge T1 berichtet, er habe während der Beziehung bei H1 im Doppelbett im Schlafzimmer übernachtet, ohne jedoch sexuell mit ihr zu verkehren. Lediglich einmal hätten sie ihm Wohnzimmer miteinander schlafen wollen, allerdings hätten sich die Kondome im Schlafzimmer befunden und sie hätten den Sohn H2, der im Schlafzimmer geschlafen habe und einen sehr unruhigen Schlaf gehabt habe, nicht wecken wollen.
67
Dass H1 sich während der Beziehung mit T1 erneut nach dem Angeklagten sehnte und Ende September 2016 über „F.“ wieder Kontakt zu ihm aufnahm, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1, die berichtet hat, der Angeklagte habe H1 damals auf „F.“ blockiert, so dass H1 ein „Fakeprofil“ angelegt habe, um ihm schreiben zu können; sie hätten sich Ende September 2016 geschrieben und sich in der Folge getroffen. Die Einstellung der H1 in Bezug auf die Beziehung mit bzw. die Trennung von dem Angeklagten spiegelt sich überdies in einem Brief der H1 an den Angeklagten wider, in dem sie über die Beziehung und die Trennung nachsann, den sie jedoch, wie die Zeugin B1 berichtet hat, nicht an den Angeklagten absandte. Darin schrieb sie, sie habe nie gewollt, dass es „so weit“ komme. Sie hätten große Probleme in der Schwangerschaft gehabt, doch trotzdem seien sie eine Familie gewesen. Sie seien beide „daran schuld“, keiner habe seine Fehler einsehen wollen und jeder habe immer dem anderen die Schuld gegeben. Nun, da es zu spät sei, sehe sie ihre Fehler ein und bereue sie. Wenn sie die Zeit zurückdrehen könnte, würde sie „so viel anders machen“. Sie habe ihn nie verlieren wollen, habe jedoch gemerkt, dass sie ihm „immer mehr egal“ geworden sei. Er habe nicht für sie („für uns“) gekämpft, das habe ihr „das Herz gebrochen“. Er habe beim Auszug gesagt, er wolle sein Kind nicht mehr sehen, da habe sie gemerkt, dass er mit ihnen („mit uns“) abgeschlossen habe. Trotzdem habe sie um sie („um uns“) gekämpft, da sie die Familie nicht aufgeben habe wollen, jedoch sei von ihm „leider“ nichts zurückgekommen. Jeder Gedanke an ihn sei „schmerzhaft“ und es „breche ein Stück“ in ihr. Sie wolle nur das Beste für ihren „Engel“, deshalb habe sie um sie („um uns“) gekämpft, auch aus Liebe zu ihm habe sie gekämpft, doch am Ende habe sie gemerkt, dass die Liebe nur noch von ihr ausgegangen sei. Sie hoffe, dass er jetzt glücklich sei. Sie vermisse ihre („unsere“) gute Zeit und weine noch um ihn, da sie so viel durchgemacht hätten, „Höhen und Tiefen“. Es werde sie trotzdem immer etwas verbinden. Sie hoffe, es gehe ihm jetzt ohne sie („ohne uns“) besser.
68
Dass sich der Angeklagte und H1 am 26.09.2016 zu einer Aussprache trafen und sich versöhnten, ergibt sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen dem Angeklagten und K1 auf „Wh.-A.“. Dort schrieb der Angeklagte am 26.09.2016 an K1, er habe mit H1 „einiges geklärt“ und brauche jetzt Zeit für sich. Die gegenseitigen Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten vom 27.09.2016 ergeben sich aus der Verlesung des Chats zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“, der sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat. Die Beendigung der Beziehung des Angeklagten mit K1 ergibt sich aus den Angaben der Zeugin K1 und der Verlesung des Chatverlaufs zwischen dem Angeklagten und K1 auf „Wh.-A.“. Dort schrieb der Angeklagte am 27.09.2016 an K1, er liebe sein Kind über alles und habe noch Gefühle für H1; er habe ein Kind „mit dieser Frau“ und könne das nicht aufgeben. Die Beendigung der Beziehung der H1 mit T1 ergibt sich aus den Angaben des Zeugen T1, der berichtet hat, dass H1 auf „Wh.-A.“ mit ihm „Schluss gemacht“ habe.
69
Die Anmietung der Wohnung in G. … in F. am 28.09.2016 zum 01.11.2016 ergibt sich aus den Angaben der Zeugin H8, der Vermieterin der Wohnung, und der Zeugin H9, der zuständigen Sachbearbeiterin des Jobcenters, durch das die Kosten für die Wohnung getragen werden sollten, und der Verlesung des Mietvertrags vom 28.09.2016. Diesbezüglich hat die Zeugin H8 berichtet, dass H1 den Angeklagten zur Unterzeichnung des Mietvertrags begleitet habe.
70
Dass der Angeklagte Ende September oder Anfang Oktober 2016 übergangsweise wieder bei H1 in der Wohnung in der B.straße … in F. einzog, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und B1. Diesbezüglich hat die Zeugin H4 berichtet, H1 habe ihr erzählt, sie lasse den Angeklagten übergangsweise wieder bei sich wohnen, da er ab 01.11.2016 eine Wohnung und danach einen Therapieplatz zur Behandlung seiner Spielsucht in Aussicht habe; seine Eltern hätten ihn „rausgeworfen“ und er habe nur noch sie; falls sie ihn nicht aufnehme, würde er „auf der Straße sitzen“. Überdies hat die Zeugin B1 berichtet, H1 habe den Angeklagten bei sich aufgenommen, damit er nicht „auf der Straße sitze“, da ihn seine Eltern „rausgeworfen“ hätten. Dass B1, die sich in der Zwischenzeit von S4 getrennt und eine Beziehung mit E1 begonnen hatte, kurze Zeit später aus der Wohnung auszog, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen B1 und J1.
71
e) Dass der Wiedereinzug des Angeklagten indessen nicht zu einem dauerhaften Neubeginn der Beziehung führte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und B1, die berichtet haben, dass H1 nach dem Wiedereinzug des Angeklagten nicht im Sinne einer Beziehung mit ihm „zusammen“ gewesen sei. Obschon die gegenseitigen Liebesbekundungen in den Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten vom 27.09.2016 auf beiden Seiten die Bereitschaft für den Versuch eines Neubeginns erkennen lassen, spricht der Umstand, dass der Angeklagte am 28.09.2016, in Begleitung der H1, eine eigene Wohnung anmietete, gegen einen Neubeginn im Sinne eines erneuten auf Dauer angelegten Zusammenlebens. Dass H1 dem Angeklagten nach vier oder fünf Tagen erneut das Ende der Beziehung erklärte und der Angeklagte hierüber sehr betroffen war, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1 im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung vom 21.12.2016, über die der Zeuge EKHK M2, der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, an die sie sich jedoch in der Hauptverhandlung trotz Vorhalts nicht erinnern hat können. Demnach habe H1 dem Angeklagten nach vier oder fünf Tagen in ihrem Beisein erklärt, dass „es“ nichts mehr werde und dass die Beziehung „endgültig“ beendet sei, da es nicht mehr „funktionieren“ würde; der Angeklagte sei „fix und fertig“ gewesen und habe zu ihr gesagt, sie solle sich Zeit lassen mit der Entscheidung und es sich noch einmal überlegen.
72
Dass sich der Angeklagte nach seinem Wiedereinzug um H1 bemühte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1, die berichtet hat, dass der Angeklagte, als sie noch in der Wohnung gewohnt habe, immer wieder versucht habe, H1 zu streicheln und zu küssen; dies habe H1 jedoch nicht gewollt; überdies habe er ihr ein neues Handy geschenkt. Daneben hat die Zeugin B1 berichtet, dass H1 dem Angeklagten trotz des Beziehungsendes bis Mitte Oktober 2106 noch vier oder fünf Mal den Geschlechtsverkehr gestattet habe. Dass sich der Angeklagte seit seinem Wiedereinzug mit neuem Eifer um den Sohn H2kümmerte, ergibt sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „F.“ bzw. „Wh.-A.“; während H1 am 24.08.2016 über „F.“ an T1 geschrieben hatte, dass der Angeklagte sich „nie“ richtig um den Sohn H2gekümmert habe, da ihm „alles zu anstrengend“ gewesen sei, schrieb sie am 15.10.2016 und am 16.10.2016 über „Wh.-A.“ an T1, dass sich der Angeklagte in den letzten drei Wochen sehr („brutal“) zum Positiven geändert habe. Überdies hat die Zeugin B1 berichtet, dass der Angeklagte seit seinem Wiedereinzug den Sohn H2gebadet, ins Bett gebracht und gewickelt habe, während die Zeugen H4 und H5 für die Zeit davor berichtet haben, dass sich der Angeklagte gesträubt habe, den Sohn H2zu wickeln, da es ihn geekelt („gegraust“) habe.
73
Die Einigung hinsichtlich der künftigen Gestaltung des Umgangsrechts in Bezug auf den Sohn H2ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und B1, die berichtet haben, dass der Angeklagte und H1 ausgemacht hätten, dass der Angeklagte den Sohn H2nach seinem Auszug einmal in der Woche, am Sonntag, sehen dürfe. Überdies hat der Zeuge Rechtsanwalt S5, der H1 als Rechtsanwalt vertreten hatte, berichtet, dass ihm H1 mitgeteilt habe, dass eine Vereinbarung in dem Sinne getroffen worden sei, dass der Angeklagte einmal in der Woche Umgang mit dem Sohn H2haben dürfe. Ferner hat die Zeugin B1 berichtet, dass der Angeklagte den Sohn H2am liebsten täglich habe sehen wollen, H1 ihm jedoch gesagt habe, dass dies nicht möglich sei, da sie nicht jeden Tag zu ihm fahren könne; allerdings habe sie, als sie noch in der Wohnung gewohnt habe, mitbekommen, dass H1 bei Streitigkeiten erneut damit gedroht habe, dass er den Sohn H2überhaupt nicht mehr sehen dürfe.
74
Die Feststellungen zum Therapiebeginn beruhen auf den Angaben des Zeugen M4, des Bewährungshelfers des Angeklagten, der berichtet hat, dass sich der Therapiebeginn zunächst verzögert habe, da der Angeklagte die erforderlichen Antragsunterlagen nicht beigebracht habe; sodann habe er allerdings einen Platz für eine stationäre Therapie zur Behandlung der Spielsucht in Aussicht gehabt, die er Mitte November 2016 in der A. Klinik M. in N. im Saarland antreten hätte sollen.
75
Dass sich H1 schon bald nach dem Wiedereinzug des Angeklagten erneut nach T1 sehnte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1 und aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“, aus dem hervorgeht, dass H1 am 14.10.2016 erneut Kontakt zu T1 aufnahm und dass sich nach der Kontaktaufnahme ein intensiver Chatverkehr zwischen H1 und T1 entwickelte. Dass H1 aus ihrem Empfinden für T1 gegenüber dem Angeklagten kein Geheimnis machte, hat die Zeugin B1 bestätigt und ergibt sich aus der Verlesung des Chats zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“, der sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat.
76
Der innere Zwiespalt der H1, die zwischen dem Angeklagten und T1 schwankte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen B1 und T1 und aus der Verlesung des Chats zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“, der sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat, und der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“. Gleichzeitig geht aus den Chatnachrichten zwischen dem Angeklagten und H1 vom 18.10.2016 hervor, dass sich der Angeklagte in Anbetracht der erneuten Hinwendung der H1 zu T1 in einem Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Verzweiflung befand, wobei in seinen Chatnachrichten vom 18.10.2016 bereits deutliche Empfindungen der Kränkung („ich finde es traurig, was du mir antust“, „du schmeißt mich weg“), der Resignation („mein Kampf war sinnlos“, „ich habe gekämpft und mich geändert und bin trotzdem nicht gut genug“) und der Ausweglosigkeit („ich kann mir ein Leben ohne euch nicht vorstellen“, „ich liebe H2und dich so stark, dass ich nicht loslassen kann“, „du bist nicht nur meine Traumfrau, sondern ihr seid meine Familie“) zum Ausdruck kommen und sich bereits Worte des Abschieds („es war die schönste Zeit in meinem Leben“, „danke für alles, große Liebe“) finden.
77
Die übrigen unter C.II. dargestellten Inhalte der Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten bzw. zwischen H1 und T1 ergeben sich aus der Verlesung der Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten auf „F.“, die sich in Gestalt von Screenshots auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben, und auf der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“.
78
Dass der Angeklagte am 17.10.2016 um 04:19 Uhr zwei Fotos von H1 machte, als sie schlafend im Bett im Schlafzimmer lag, ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 17.10.2016, aufgenommen um 04:19 Uhr, Dateinamen: 20161017_041937.jpg und 20161017_041941.jpg, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die H1 zeigen, als sie schlafend, neben dem Sohn H2, auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts liegt. Die Metadaten der Bilddateien weisen zur Aufnahmezeit das Datum „17.10.2016“ und die Uhrzeit „04:19“ und zum Aufnahmegerät den Kamerahersteller „Samsung“ und das Kameramodell „SM-G928F“ aus. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 932 d.A. StA D. Az. 9 Js 6824/20 Bezug genommen. Dass der Angeklagte am 18.10.2016 um 04:48 Uhr ein Foto von sich machte und um 04:49 Uhr ein Foto von H1 machte, als sie schlafend auf der Couch im Wohnzimmer lag, ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 18.10.2016, aufgenommen um 04:48 Uhr bzw. um 04:49 Uhr, Dateinamen: 20161018_044851.jpg und 20161018_044913.jpg, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die zum einen den Angeklagten im Selbstporträt und zum anderen H1 zeigen, als sie schlafend auch der Couch im Wohnzimmer liegt. Die Metadaten der Bilddateien weisen zur Aufnahmezeit das Datum „18.10.2016“ und die Uhrzeit „04:48“ bzw. „04:49“ und zum Aufnahmegerät den Kamerahersteller „Samsung“ und das Kameramodell „SM-G928F“ aus. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 933 d.A. StA D. Az. 9 Js 6824/20 Bezug genommen. Dass der Angeklagte am 19.10.2016 um 02:07 Uhr zwei Fotos von H1 machte, als sie schlafend auf der Couch im Wohnzimmer lag, ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 19.10.2016, aufgenommen um 02:07 Uhr, Dateinamen: 20161019_020701.jpg und 20161019_020702.jpg, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die H1 zeigen, als sie schlafend auch der Couch im Wohnzimmer liegt. Die Metadaten der Bilddateien weisen zur Aufnahmezeit das Datum „19.10.2016“ und die Uhrzeit „02:07“ und zum Aufnahmegerät den Kamerahersteller „Samsung“ und das Kameramodell „SM-G928F“ aus. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 934 d.A. StA D. Az. 9 Js 6824/20 Bezug genommen.
79
Die Aufnahmezeiten und das Aufnahmegerät ergeben sich aus der Verlesung der Metadaten, die sich in den Dateieigenschaften der Bilddateien befunden haben. Dabei stimmen die Aufnahmezeiten, die sich aus den Metadaten ergeben, mit den Zeitangaben, die sich aus den Zeitstempeln in den Dateinamen ergeben, überein, außerdem stimmen die Angaben zum Aufnahmegerät, die sich aus den Metadaten ergeben, mit den Modellangaben des Handys des Angeklagten, das bei der Festnahme des Angeklagten am 19.11.2016 in Spanien sichergestellt wurde, bei dem es sich um ein Smartphone „Samsung GSM SM-G928F Galaxy S6 Edge Plus“ handelte, überein. Dabei ist die Kammer, beraten durch den Sachverständigen KHK M5, den Leiter des Kommissariats für Cybercrime der Kriminalpolizeiinspektion P., der das Handy des Angeklagten am 12.12.2016 untersucht hat, überzeugt, dass die Aufnahmezeiten, die sich aus den Zeitstempeln in den Dateinamen und aus den Metadaten der Bilddateien ergeben, den Aufnahmezeiten in der Echtzeit entsprechen. Diesbezüglich hat der Sachverständige KHK M5, schlüssig und von großer Sachkunde getragen, ausgeführt, dass die Dateinamen der Bilddateien in sich einen Zeitstempel in dem üblichen Format (yyyymmdd_hhmmss) trügen, in dem die Geräte des Herstellers Samsung bei der Aufnahme von Bildern die Dateinamen generierten. Bei der Aufnahme eines Bildes würden die Metadaten in den Dateieigenschaften der Bilddatei durch das Aufnahmegerät generiert und gespeichert. Anders als das „Erstelldatum“ und das „Änderungsdatum“ in den Eigenschaften einer Datei, die durch das Betriebssystem generiert würden und sich leicht, zum Beispiel bei Kopiervorgängen, ändern könnten, blieben die Metadaten erhalten, solange sie nicht bewusst geändert oder gelöscht würden; bei Kopiervorgängen würden sich die Metadaten nicht ändern. Indessen seien hier in den Dateieigenschaften der betreffenden Bilddateien keine Anhaltspunkte ersichtlich, die auf eine bewusste Änderung der Aufnahmezeiten in den Metadaten der Bilddateien hindeuten würden; überdies stimmten die Aufnahmezeiten in den Metadaten mit den Zeitstempeln in den Dateinamen offensichtlich überein. Ob die Aufnahmezeiten, die sich aus den Metadaten ergäben, den Aufnahmezeiten in der Echtzeit entsprächen, sei von der Zeiteinstellung des Aufnahmegeräts abhängig. Bei der Untersuchung des Handys des Angeklagten, eines Smartphones „Samsung GSM SM-G928F Galaxy S6 Edge Plus“, am 12.12.2016, habe sich die Zeiteinstellung des Geräts, nach Entladung oder Entfernung des Akkus, in der Werkseinstellung befunden, so dass hinsichtlich der Systemzeit die automatische Netzsynchronisation aktiviert gewesen sei; bei dieser Zeiteinstellung stelle sich das Gerät, sobald es mit einem Datennetz verbunden sei, auf die gültige Echtzeit ein, die durch das Gerät ständig aktualisiert werde. Zwar könne die automatische Netzsynchronisation deaktiviert und die Systemzeit manuell eingestellt werden, jedoch führe dies bei vielen Programmen, zum Beispiel bei „Wh.-A.“, zu Störungen, so dass ein „normaler Nutzer“ in der Regel die automatische Netzsynchronisation aktiviert lasse. Unter der Annahme, dass bei der Aufnahme der betreffenden Bilder die automatische Netzsynchronisation der Systemzeit aktiviert gewesen sei, sei davon auszugehen, dass die Zeitstempel in den Dateinamen und die Aufnahmezeiten in den Metadaten den Aufnahmezeiten in der Echtzeit entsprächen. Den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an. Dass der Angeklagte die Dateinamen und die Metadaten der Bilddateien bewusst geändert hätte bzw. die automatische Netzsynchronisation der Systemzeit deaktiviert hätte und manuell eine von der Echtzeit abweichende Systemzeit eingestellt hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel, dass die Aufnahmezeiten, die sich aus den Zeitstempeln in den Dateinamen und aus den Metadaten der Bilddateien ergeben, den Aufnahmezeiten in der Echtzeit entsprechen. Zudem haben auch die Inhalte der Bilder keinen Hinweis auf einen abweichenden Aufnahmezeitpunkt ergeben.
80
Die Feststellungen zu den Treffen zwischen H1 und T1 am 17.10.2016 und am 22.10.2016 beruhen auf den Angaben des Zeugen T1 und auf der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“.
81
Dass sich H1 beim Chat mit dem Angeklagten am 18.10.2016, in dem er ihr seine Sicht der Situation darlegte, beim Arbeiten an einer der Putzstellen, die sie angenommen hatte, befand, ergibt sich aus dem zeitgleich geführten Chat mit T1 und aus den Angaben der Zeugin B1, die berichtet hat, dass sich H1 und der Angeklagte geschrieben hätten, als H1 beim Putzen gewesen sei.
82
Dass sich H1 nach der Zeit des Schwankens zwischen dem Angeklagten und T1 letztlich für T1 entschieden hatte, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1, die berichtet hat, dass sich H1 mit der Entscheidung sehr schwergetan habe, sich „zum Schluss“ allerdings „sicher“ gewesen sei, dass sie nach dem Auszug des Angeklagten erneut eine Beziehung mit T1 habe aufnehmen wollen, und geht deutlich aus den Chatnachrichten zwischen H1 und T1 vom 25.10.2016 hervor, aus denen die Erleichterung über die getroffene Entscheidung zum Ausdruck kommt. Dass H1 dem Angeklagten ihre Entscheidung mitteilte, folgt daraus, dass sie aus ihrem Empfinden für T1 gegenüber dem Angeklagten zu keinem Zeitpunkt ein Geheimnis machte, wie sich aus den Angaben der Zeugin B1 und aus der Verlesung der Chatnachrichten zwischen H1 und dem Angeklagten ergeben hat.
83
Dass H1 und B1 mit den Söhnen H2und B2 am 25.10.2016 einen Hallenspielplatz („B.“) und ein Restaurant („F.“) in Gr. besuchten, ergibt sich aus den Angaben der Zeugen B1 und T1 und aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“.
3. Feststellungen zum Tatgeschehen
84
Die Feststellungen unter C.III. zum Tatgeschehen beruhen auf der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte, und dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.
85
a) Der Angeklagte hat eingeräumt, H1 am 27.10.2016 nach Mitternacht im Schlafzimmer der Wohnung in der B.straße … in F. mit einem Messer getötet zu haben. Er hat jedoch behauptet, sie im Streit getötet zu haben. Es sei, ausgehend von H1, zu einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung gekommen, in deren Verlauf er sie erstochen habe.
86
aa) Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung mittels einer schriftlich abgefassten und mündlich vorgetragenen Verteidigererklärung, die in der Ich-Form des Angeklagten formuliert gewesen ist und die der Angeklagte auf Nachfrage durch die Kammer bestätigt hat, dahin eingelassen, dass er H1 „nach einem heftigen Streit“ getötet habe.
87
Am 26.10.2016 seien er und H1 in P. gewesen, um Einkäufe zu erledigen und um ein neues Handy von ihm und ein kaputtes Handy von H1 zu verkaufen. In P. habe er eine Dose „Wodka Maracuja“ gekauft und im Auto getrunken. Auf der Heimfahrt habe ihm H1 wieder einmal Vorwürfe wegen seines „Lebens“ gemacht. Dies sei ein ständiges Thema zwischen ihnen gewesen. Auch deshalb sei er in F. ausgestiegen und habe sich zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr, im Lebensmittelmarkt Edeka eine Flasche Wodka der Marke „Gorbatschow“ mit einem Inhalt von 0,7 l und sieben Dosen eines Energydrinks der Marke „Red Bull“ gekauft. Danach habe er, im Anschluss an ein Treffen mit B1, E1 und R1, begonnen, den Wodka, gemischt mit „Red Bull“, allein zu trinken. Bis zur Eskalation des späteren Streits – dies sei irgendwann nach Mitternacht gewesen – habe er die Flasche Wodka fast vollständig ausgetrunken; ein kleiner Rest, ca. 0,1 l, sei noch in der Flasche gewesen; sein damaliges Gewicht habe ca. 105 kg betragen.
88
Obwohl er und H1 sich darauf geeinigt hätten, dass er nach seinem Auszug den Sohn H2immer am Sonntag sehen könne, habe ihm H1 in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016 plötzlich damit gedroht, dass er den Sohn H2„nie wieder“ zu sehen bekomme; dies habe ihm wehgetan. Der Auslöser sei gewesen, dass er erwähnt habe, dass er nach seinem Auszug versuchen wolle, wieder etwas mit K1, seiner früheren Freundin, anzufangen. Darüber habe er deshalb nachgedacht, weil die Zeit mit ihr schön gewesen sei und ohne ständigen Streit verlaufen sei und er davon ausgegangen sei, dass sie von ihm schwanger sei. Durch die Beziehung mit K1 sei er bereits über die Trennung von H1 hinweg gewesen; er habe einen „Schlussstrich“ gezogen und H1 auf „F.“ blockiert, bevor H1 – über einen eigens dafür angelegten Account – plötzlich wieder Kontakt zu ihm aufgenommen habe; er habe lediglich ab und zu seinen Sohn H2sehen wollen und als Vater ein wenig Zeit mit ihm verbringen wollen. Das ständige „Hin und Her“ von H1 sei schwierig für ihn gewesen, bald habe sie ihn zurückhaben wollen, bald doch wieder nicht, teils sei ihr die Familie wichtig gewesen, teils doch wieder nicht, mal habe er den Sohn H2sehen dürfen, mal doch wieder nicht.
89
Bei der Erwähnung von K1 sei H1 „völlig ausgerastet“ und habe ihm damit gedroht, dass er und seine Familie den Sohn H2„nie wieder“ sehen würden. Er habe ihr gesagt, dass sie ihm dann „alles“ wegnehmen würde; sie möge bedenken, wie wichtig der Sohn H2für ihn sei und dass der Sohn H2an ihm hänge. H1 habe geschrien, dass er nichts verstehe und ein „Versager“ sei, der „nichts, aber auch gar nichts, nullkommanull“ auf die Reihe bekomme; seine ganze Familie würde nichts taugen. Sie hätten sich dann in der Küche beschimpft und beleidigt und am Ende sich gegenseitig bedroht und geschlagen. Er habe ihr gesagt, dass sie seine Familie in Ruhe lassen solle. Richtig wütend sei er geworden, als H1 sich äußerst abfällig über seine Mutter geäußert habe und sie zum Beispiel eine „Schlampe“ genannt habe. Er habe ihr gesagt, dass seine Mutter sicher nicht alles richtig gemacht habe, er sie jedoch von niemandem beleidigen lasse, auch nicht von H1. Als sie nicht aufgehört habe und gesagt habe, seine Mutter solle „elendig verrecken“, habe er ihr eine Ohrfeige gegeben („eine gescheuert“). H1 habe daraufhin – wie sie es bereits bei früheren Streitigkeiten getan habe – ein auf der Arbeitsplatte liegendes Messer genommen und habe es ihm im Abstand ca. eines Unterarmes an den Hals gehalten. Da habe er zu ihr gesagt: „Bring mich doch um! Ich habe doch eh nichts zu verlieren.“ H1 habe erwidert: „Das bist du nicht wert!“ Daraufhin habe er H1 packen wollen und habe sich auf sie zubewegt; sie sei jedoch mit dem Messer in der Hand ins Schlafzimmer gerannt. Dort sei es dann sofort zu einer gegenseitigen „Schreierei“ und körperlichen Auseinandersetzung gekommen, an deren Ende er zugestochen habe. Er könne sich nicht erinnern, wie er das Messer, das H1 im Schlafzimmer noch in der Hand gehalten habe, gelangt sei; da sei „nur noch Nebel“.
90
Nach geraumer Zeit habe er langsam begriffen, was er Schlimmes angerichtet habe. Er habe es gar nicht glauben können, da er so etwas doch nicht tue. Er habe gezittert, sich übergeben und Durchfall gehabt. Dem Zeugen S3 habe er später erzählt, sich nach der Tat schlafen gelegt zu haben; dies sei jedoch Unsinn gewesen; an Schlaf sei gar nicht zu denken gewesen. Er habe dem Zeugen S3 nur nicht sagen wollen, wie elend er sich danach gefühlt habe. Nachdem er sich etwas gefangen habe, habe er nur noch im Kopf gehabt: „Du musst die Spuren beseitigen und mit H2abhauen!“ Denn ihm sei klar gewesen, dass er viele Jahre im Gefängnis verbringen müsse und seinen Sohn dann nicht mehr sehen könne. Deshalb habe er mit ihm unbedingt noch ein paar Tage verbringen wollen; dazu habe er „alles Geld zusammengekratzt“. Angesichts der Berichterstattung in den Medien über seine Flucht sei ihm klar gewesen, dass die Flucht nur eine aufgeschobene Zeit sei. Er habe in Spanien täglich mit seiner Festnahme gerechnet und so sei es dann auch gekommen.
91
Die Aussagen, die zur Wiederaufnahme des Verfahrens geführt hätten, seien nicht richtig.
92
bb) Daneben hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung in einer schriftlich abgefassten und von ihm mündlich vorgetragenen Erklärung angegeben, sich hinsichtlich der Marke des am 26.10.2016 gekauften Wodkas nicht sicher zu sein. Zwar habe er „normalerweise“ den Wodka der Marke „Gorbatschow“ gekauft, jedoch könne es sein, dass er an jenem Tag den Wodka der Marke „Three Sixty“, der teurer sei, gekauft habe, da er an jenem Tag, nachdem er mit H1 im Spielzeugladen „T.“ in P. Weihnachtsgeschenke für den Sohn H2gekauft habe, noch Geld aus dem Handyverkauf gehabt habe.
93
cc) Überdies hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung in einer schriftlich abgefassten und von ihm mündlich vorgetragenen Erklärung angegeben, er wisse was er angerichtet habe und das sei schlimm; dass es „im Streit“ geschehen sei, rechtfertige nichts. Er könne sich heute nicht vorstellen, dass er einem Menschen das Leben genommen habe und der Sohn H2ohne Eltern aufwachsen müsse. Jeder Gedanke daran sei „grausam und gruselig“ und es fühle sich „unreal“ an. Er könne seine Schuldgefühle nicht verdrängen und würde gerne die Zeit zurückdrehen, um alles wiedergutzumachen.
94
dd) Im Übrigen hat der Angeklagte sich zur Sache nicht geäußert und Nachfragen der Kammer nicht zugelassen.
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b) Die Feststellungen unter C.III.1. zum Geschehen am 26.10.2016 bis zum 27.10.2016, 00:17 Uhr, beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und dem Ergebnis der Beweisaufnahme.
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Dass H1 am Vormittag des 26.10.2016 Hausarbeiten in der Wohnung erledigte, ergibt sich aus dem in Augenschein genommenen Lichtbild aus einem Video, aufgenommen am 26.10.2016 um 10:15 Uhr, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und das H1 beim Staubsaugen zeigt. Dass H1 und der Angeklagte mit dem Sohn H2am Nachmittag des 26.10.2016 nach P. fuhren, ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten und dem in Augenschein genommenen Lichtbild, aufgenommen am 26.10.2016 um 13:26 Uhr, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und das H1 am Steuer des Autos zeigt. Dass der Angeklagte um 14:30 Uhr in einem Handyladen in P. zwei Handys verkaufte, ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten und aus den Angaben der Zeugen S6, des Inhabers des Handyladens „H.“, und der Zeugin R5, einer Mitarbeiterin des Handyladens „H.“, und aus der Verlesung der Ankaufsvereinbarungen des Handyladens vom 26.10.2016. Dass der Angeklagte die H1 danach beim Wickeln des Sohnes H2fotografierte, ergibt sich aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern, aufgenommen am 26.10.2016 um 14:56 Uhr, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die H1 beim Wickeln des Sohnes H2im Kofferraum des Autos zeigen. Dass sie sodann in einem Spielzeugladen Weihnachtsgeschenke für den Sohn H2kauften, ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten und den in Augenschein genommenen Lichtbildern, aufgenommen am 26.10.2016, die H1 um 17:40 Uhr bzw. 17:42 Uhr über „Wh.-A.“ an T1 übersandte und die einen Adventskalender und eine Kindertrinkflasche zeigen. Dass der Angeklagte auf der Rückfahrt nach F. eine Dose „Wodka Maracuja“ der Marke Gorbatschow trank, ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten und aus dem in Augenschein genommen Lichtbild, aufgenommen am 26.10.2016 um 16:58 Uhr, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und das aus der Sicht des Beifahrers die F.-Brücke in P. und eine geöffnete Getränkedose der Marke Gorbatschow zeigt. Dass H1 mit dem Sohn H2um 17:32 Uhr an der Wohnung in der B.straße … angekommen ist, ergibt sich aus dem Chat mit T1, dem sie am 26.10.2016 um 17:32 Uhr schrieb: „Bin jetzt zu Hause.“ Die Feststellungen zum Kauf einer Flasche Wodka der Marke „Three Sixty“ mit einem Inhalt von 0,7 l und einem Alkoholgehalt von 37,5% und von sieben Dosen eines Energydrinks der Marke „Red Bull“ in einem Supermarkt in F. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten und der Verlesung der Verkaufsaufzeichnungen des Supermarkts „E.“ in F., aus denen der Verkauf der Flasche Wodka der Marke „Three Sixty“ und der sieben Dosen des Energydrinks der Marke „Red Bull“ am 26.10.2016 um 17:49 Uhr hervorgeht.
97
Die Feststellungen zum Treffen des Angeklagten und der H1 mit R1, B1 und E1 gegen 20:00 Uhr vor dem Wohnhaus in der B.straße … in F. beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Angaben der Zeugen B1, E1 und R1 und der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und B1 und zwischen H1 und T1, insbesondere ergibt sich aus den Chatnachrichten zwischen H1 und B1 die Dauer des Treffens; so fragt B1 in einer Chatnachricht über „Wh.-A.“ am 26.10.2016 um 19:53 Uhr die H1, ob sie herausgehe, was H1 in einer Chatnachricht am 26.10.2016 um 19:53 bejaht; danach, d.h. nach dem Treffen, fragt B1 in einer Chatnachricht am 26.10.2016 um 20:24 Uhr die H1, ob sie „am Donnerstag“ bei ihr schlafen solle oder ob H1 sie „am Freitag“ abhole, was H1 in einer Chatnachricht am 26.10.2016 um 20:25 Uhr dahin beantwortet, dass es ihr egal sei. Dass H1 und B1 hierbei vereinbarten, sich am Freitag, den 28.10.2016, in P. tätowieren zu lassen, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin B1 und aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und B1 und zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“. Der Inhalt der Chatnachrichten zwischen H1 und T1 am Abend des 26.10.2016 bis nach Mitternacht, am 27.10.2016, um 00:17 Uhr ergibt sich aus der Verlesung des Chatverlaufs zwischen H1 und T1 auf „Wh.-A.“. Dass der Angeklagte in der Zeit nach dem Treffen mit R1, B1 und E1 die Flasche Wodka, die er gekauft hatte, gemischt mit „Red Bull“, bis auf einen Rest von ca. 0,1 l trank, ergibt sich aus der Einlassung des Angeklagten und den Angaben der Zeugen E1 und R1, die bekundet haben, dass ihnen der Angeklagte berichtet habe, vor der Tat eine Flasche Wodka getrunken zu haben. Überdies hat der Zeuge R1 berichtet, er habe, als er sich am 27.10.2016, am Abend nach der Tat, in der Wohnung aufgehalten habe, eine Wodkaflasche im Wohnzimmer stehen sehen. Dass sich H1 nach der Beendigung des Chats mit T1 am 27.10.2016 um 00:17 Uhr schlafen legte, folgt aus den gegenseitigen Gutenachtwünschen zur Verabschiedung bei der Beendigung des Chats. Dass sie sich hierbei auf die türseitige Matratze des Doppelbetts legte, folgt daraus, dass es sich hierbei um ihren üblichen Schlafplatz handelte, wie sich aus den Angaben des Zeugen T1 und den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 17.10.2016, die H1 zeigen, als sie schlafend auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts liegt, ergeben hat. Dass der Sohn H2in seinem Kinderbett an der türseitigen Wand im Schlafzimmer schlief, folgt daraus, dass es sich hierbei um seinen üblichen Schlafplatz handelte, wie die Zeugen B1 und T1 bekundet haben; überdies befand sich, wie aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung hervorgeht, ein Kinderbett allein im Schlafzimmer, nicht jedoch in einem anderen Raum. Zwar hat der Zeuge T1 (auch) berichtet, dass der Sohn H2einen unruhigen Schlaf gehabt habe und öfter in der Nacht aufgewacht sei, weswegen ihn H1, die in der Nacht häufig ein Nachttischlämpchen habe brennen lassen, manchmal zu sich in das Bett genommen habe, ein Umstand, der auch auf den Lichtbildern vom 17.10.2016, die den Sohn H2schlafend neben H1 im Bett zeigen, zu sehen ist, allerdings haben sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, dass der Sohn H2in der Tatnacht im Bett bei H1 geschlafen hätte.
98
c) Die Feststellungen unter C.III.2. zur Tötung der H1 beruhen auf der teilgeständigen Einlassung des Angeklagten, soweit ihr gefolgt werden konnte (siehe hierzu unter D. II. 3. c) aa)), und dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb)).
99
aa) Der Angeklagte hat eingeräumt, H1 am 27.10.2016 im Schlafzimmer der Wohnung in der B.straße … in F. mit einem Messer getötet zu haben.
100
An der Täterschaft des Angeklagten besteht kein Zweifel.
101
Dass die Tat in der Wohnung stattfand, in der am 12.11.2016 die Leiche aufgefunden wurde, steht außer Zweifel. Neben H1 und dem Sohn H2hielt sich im damaligen Zeitraum allein der Angeklagte in der Wohnung auf und hatte einen Schlüssel für die Wohnung. Die Spurenlage in der Wohnung belegt, dass H1 im Schlafzimmer der Wohnung starb (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1)). Das Verletzungsbild an der Leiche belegt, dass H1 mit einem Messer getötet wurde (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (2)).
102
Der Zeitraum der Tat lässt sich eingrenzen auf den 27.10.2016 zwischen 00:17 Uhr und 03:42 Uhr. H1 wurde außerhalb der Wohnung zum letzten Mal lebend gesehen, als sie sich am 26.10.2016 gegen 20:30 Uhr nach dem Treffen mit B1, E1 und R1 mit dem Angeklagten zurück in die Wohnung begab.
103
Danach schrieben sich H1 und T1 bis 27.10.2016, 00:17 Uhr, eine Vielzahl von Chatnachrichten auf „Wh.-A.“, in denen sie Liebesbekundungen austauschten, Pläne für ein Treffen am Freitag, den 28.10.2016, schmiedeten und sich mit Gutenachtwünschen verabschiedeten. Es steht außer Zweifel, dass der Chatverkehr mit T1 bis 00:17 Uhr (noch) von H1 geführt wurde und sie die Nachrichten an T1 bis 00:17 Uhr (noch) selbst verfasste.
104
Bereits ca. dreieinhalb Stunden später, um 03:42 Uhr, wurde bei einem Goldhandel im Internet unter Angabe des Namens und Nutzung desPP.-Kontos der H1 ein Goldbarren bestellt, der am 05.11.2016 um 06:30 Uhr im Lager einer Spedition in Pl. abgeholt wurde, wobei der Abholschein mit dem Namen des Angeklagten unterzeichnet wurde; dass die Bestellung und die Abholung des Goldbarrens durch den Angeklagten getätigt wurden, um seine Flucht vorzubereiten, steht außer Zweifel (siehe hierzu unter D. II. 4.); für H1 bestand kein Anlass, in der Nacht um 03:42 Uhr, nachdem sie sich um 00:17 Uhr mit Gutenachtwünschen von T1 verabschiedet hatte, einen Goldbarren zu bestellen, anders hingegen für den Angeklagten, für den hierdurch bei einer Flucht in das Ausland ein jederzeit in eine beliebige Währung einzulösendes Edelmetall zur Verfügung stand. Demnach war H1 um 03:42 Uhr bereits tot.
105
Überdies setzte der Angeklagte bereits ab 27.10.2016 den Chatverkehr der H1 mit H4, T1 und B1 fort (siehe hierzu unter D. II. 4.).
106
Daneben geht der Zeitpunkt der Tat (auch) daraus hervor, dass sich der Angeklagte das Sterbedatum der H1 („27.10.2016“) vor seiner Festnahme in Spanien auf den linken Oberarm tätowieren ließ (siehe hierzu unter D. II. 4.).
107
Überdies weisen die Spuren an der „Leichenverpackung“ (Müllsäcke und Klebeband) und an den beiden Kabeln (Stromkabel und HDMI-Kabel) auf den Angeklagten als Täter hin.
108
Von der „Leichenverpackung“ (Müllsäcke und Klebeband) wurden Proben entnommen und molekularbiologisch untersucht, wobei in allen 20 auswertbaren Proben die DNA-Merkmale der H1 nachgewiesen werden konnten. In einer Probe aus dem Bereich zwischen Klebeband und Müllsack hat sich eine DNA-Mischspur finden lassen, die auf mindestens zwei Verursacher zurückgeführt werden kann. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. S7, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich in der betreffenden Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems neben den DNA-Merkmalen der H1 zum Teil DNA-Merkmale gefunden hätten, die im Merkmalsmuster des Angeklagten aufträten, so dass der Angeklagte als Mitverursacher der Spur in Betracht komme, ohne dass insofern eine biostatistische Beurteilung möglich sei.
109
Daneben wurden jeweils vier Proben von den beiden Kabeln, die um das Fußende der Leiche gebunden waren, entnommen und molekularbiologisch untersucht. An dem einen Kabel (Stromkabel) haben sich drei DNA-Mischspuren finden lassen, die auf mindestens zwei Verursacher zurückgeführt werden können. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. S7, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich in den betreffenden Spuren bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems zum Teil DNA-Merkmale gefunden hätten, die in den Merkmalsmustern sowohl des Angeklagten und als auch der H1 aufträten, so dass der Angeklagte bei einer Spur als Mitverursacher in Betracht komme und bei zwei Spuren als Mitverursacher nicht ausgeschlossen werden könne bzw. H1 bei einer Spur als Mitverursacherin in Betracht komme und bei zwei Spuren als Mitverursacherin nicht ausgeschlossen werden könne, ohne dass insofern eine biostatistische Beurteilung möglich sei. An dem anderen Kabel (HDMI-Kabel) haben sich drei DNA-Mischspuren finden lassen, die auf mindestens zwei Verursacher zurückgeführt werden können. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. S7, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich in den betreffenden Spuren bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems zum Teil DNA-Merkmale gefunden hätten, die in den Merkmalsmustern sowohl des Angeklagten und als auch der H1 aufträten, so dass der Angeklagte bei den drei Spuren als Mitverursacher nicht ausgeschlossen werden könne bzw. H1 bei den drei Spuren als Mitverursacherin nicht ausgeschlossen werden könne, ohne dass insofern eine biostatistische Beurteilung möglich sei.
110
bb) Der Einlassung des Angeklagten, wonach er H1 „im Streit“, d.h. im Rahmen einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung, getötet habe, ist die Kammer nicht gefolgt. Stattdessen ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, insbesondere aufgrund des Spurenbildes in der Wohnung (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1)), des Verletzungsbildes an der Leiche (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (2)) und der Tatschilderung des Angeklagten gegenüber seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) und D. II. 3. c) bb) (4)), denen er offenbart hatte, H1 „im Schlaf“ getötet zu haben, nach einer Gesamtwürdigung überzeugt, dass sich das Tatgeschehen, entgegen der Einlassung des Angeklagten, die nicht glaubhaft ist (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (5)), wie unter C.III.2. festgestellt zugetragen hat, nämlich dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ getötet hat, d.h. dass er mit der Tötungshandlung begann, als H1 schlafend in ihrem Bett lag, indem er der Schlafenden die Kehle durchschnitt, und, als sie hierdurch erwachte, die Tötungshandlung fortsetzte und vollendete, indem er auf sie einstach, bis sie sich nicht mehr bewegte.
111
(1) Das Spurenbild in der Wohnung lässt, trotz der Reinigungsmaßnahmen nach der Tat, das Schlafzimmer und im Schlafzimmer die türseitige Matratze des Doppelbetts, den üblichen Schlafplatz der H1, als den Ort der Tötungshandlung erkennen und deutet auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 mit dem Kopf in einer niedrigen (liegenden) Position zum Kopfende des Bettes hin befunden hat. Dies folgt aus den festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren in der Wohnung, die der Sachverständige Prof. Dr. A1 im Rahmen einer Blutspurenmusteranalyse untersucht und ausgewertet hat.
112
(a) Die Wohnung der H1 und des Angeklagten im 1. Obergeschoss des Wohnhauses in der B.straße … in F. bestand aus einem Flur (Gang), einem Abstellraum, einem Schlafzimmer, einem Wickelzimmer, einem Wohnzimmer, einem Spielzimmer, einer Küche, einem Bad, einer Toilette (WC) und einem Balkon und hatte, wie sich aus der Beschreibung der Wohnung durch die Zeugen KHK B6 und KHK S11, die als Polizeibeamte mit der Spurensicherung in der Wohnung befasst waren, aus der Beschreibung der Wohnung durch den Sachverständigen Prof. Dr. A1 und aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Wohnung bzw. der in Augenschein genommenen Grundrissskizze der Wohnung ergeben hat, den folgenden Grundriss: Nach dem Betreten der Wohnung vom Treppenhaus aus folgt der Eingangstür geradeaus ein langer Flur (Gang). Im Flur folgt nach der Eingangstür auf der linken Seite zunächst ein kleiner Durchgang und nach dem Durchgang, an einem kleinen Abstellraum vorbei, der Zugang in das Schlafzimmer. Sodann schließt sich im Flur auf der linken Seite der Zugang in das Wickelzimmer an, in dem sich der Zugang auf den Balkon befindet. Danach befindet sich im Flur auf der linken Seite die Öffnung des Hohlraumes des Kachelofens, in dem die Leiche aufgefunden wurde. Dann folgt im Flur auf der linken Seite der Zugang in das Wohnzimmer, in dem sich der Kachelofen befindet. Am Ende des Flurs befindet sich geradeaus der Zugang in das Spielzimmer. Im Flur auf der rechten Seite, gegenüber der Öffnung des Hohlraumes des Kachelofens, schließt sich der Zugang in die Küche an. Schließlich folgt im Flur nach der Eingangstür auf der rechten Seite ein kleiner Durchgang, in dem sich auf der linken Seite der Zugang in das Bad und geradeaus der Zugang in die Toilette (WC) befindet. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1202/1203 und die Grundrissskizze auf Bl. 1204 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen.
113
(b) Bei der Spurensicherung am 18.11.2016 wurden, wie der Sachverständige Prof. Dr. A1 in der Hauptverhandlung anhand der gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat, berichtet und erläutert hat, in der Wohnung unter Normalbeleuchtung die folgenden Blutspuren festgestellt:
114
Im Spielzimmer fand sich an einem am Fenster befindlichen hellgrünen Vorhang eine unregelmäßig geformte, bräunlich hell imponierende Blutantragung (Blutschnelltest positiv); wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1206 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Im Bad ergab sich am Abfluss der Badewanne ein Hinweis auf latente Blutantragungen (Blutschnelltest positiv). Im Schlafzimmer fanden sich an der sich am Kopfende des Bettes anschließenden Wand oberhalb bzw. seitlich des Bettes mehrere Gruppen spritzerartiger Blutantragungen (Blutschnelltest positiv), die, so der Sachverständige Prof. Dr. A1, sämtlich einem gemeinsamen Ursprungsbereich zugeordnet werden konnten: In Aufsicht links fand sich nahe bei einer Steckdose eine Gruppe aus ca. fünf rundlich ovalen bis ausrufezeichenförmigen Blutantragungen. Etwas mehr in Richtung Bettmitte fand sich direkt oberhalb des Kopfendes eine Gruppe aus kleinsten Blutantragungen (Spurendurchmesser zum Teil unter 1 mm) und eine einzelne ausrufezeichenförmige Blutspur. In Aufsicht etwas weiter nach rechts und etwas oberhalb gelegen fand sich eine bogenförmige Straße aus rundlich ovalen bis fast ausrufezeichenförmigen Blutantragungen (in einer Höhe von ca. 1,2 m). In Aufsicht ein weiteres Stück nach rechts fand sich eine annähernd waagrecht angetragene ausrufezeichenförmige Blutantragung. Auf der sich im Uhrzeigersinn anschließenden Fensterwand fand sich eine weitere Gruppe aus drei kleinfleckigen, annähernd ausrufezeichenförmigen Blutspuren. Dabei imponierte ein großer Teil der Blutantragungen blass und zum Teil wischerartig erweitert. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1208/1211 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. An der türseitigen Matratze fanden sich mehrere Blutantragungen (Blutschnelltest positiv), im mittleren Bereich eher blass imponierende, oberflächlich wirkende Blutantragungen, an den seitlichen Bereichen eine Gruppe aus ovalen bis ausrufezeichenförmigen Blutantragungen; nach dem Wenden der Matratze fand sich eine rundliche, ca. 10 cm x 10 cm große Blutantragung, die eine deutliche Zonierung aufwies und augenscheinlich tief in das Innere der Matratze reichte, und eine ca. 2 cm große, unregelmäßig geformte Blutantragung. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1212 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Nach dem Herausnehmen der Matratze fand sich auf dem Lattenrost eine Reihe von zum Teil blass imponierenden Blutantragungen (Blutschnelltest positiv); wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild auf Bl. 1213 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur, auf Höhe der Abstellkammer, fand sich an einer Wandkante (Mauervorsprung) ca. 10 cm oberhalb des Bodens eine unregelmäßig geformte Blutantragung (Blutschnelltest positiv); wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1214 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. An einem grünen Plastikeimer (10 l) ergab sich ein Hinweis auf latente Blutantragungen (Blutschnelltest positiv).
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Im Übrigen fanden sich in der Wohnung unter Normalbeleuchtung keine Blutspuren.
116
(c) Sodann wurden in der Wohnung unter Einsatz von Luminol, wie der Sachverständige Prof. Dr. A1 in der Hauptverhandlung anhand der gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat, berichtet und erläutert hat, die folgenden Blutspuren in Gestalt von Lumineszenzen visualisiert:
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Im Schlafzimmer zeigte sich an der Wand über dem Kopfende des Bettes in den Bereichen um die bereits unter Normalbeleuchtung erkennbaren Blutspuren eine streifig diffuse Lumineszenz. Überdies zeigten sich auf dem etwas unterhalb befindlichen Kopfende des Bettes betont linksseitig zum Teil flächige, zum Teil streifige, wischerartig bzw. diffus lumineszierende Bereiche. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1215 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Auf der sich unterhalb anschließenden, türseitigen Matratze war ein deutliches, fast die vollständige Fläche einnehmendes Lumineszenzbild festzustellen, wobei das Spurenbild größtenteils flächig und konturlos erschien und sich in Richtung Kopfende uncharakteristisch geformte Lumineszenzen zeigten; die fensterseitige Matratze erschien hingegen vollständig blutantragungsfrei. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1216 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Nach dem Umdrehen der türseitigen Matratze zeigte sich wiederum ein flächiges, die gesamte Fläche einnehmendes Lumineszenzbild, wobei sich ein streifiges Bild, das dem darunterliegenden Lattenrost entsprach, abzeichnete; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1217 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Überdies zeigte sich auf dem türseitigen Lattenrost ebenfalls ein fast die gesamte Fläche einnehmendes flächiges Lumineszenzbild, das sich auf dem Boden unter dem Bett fortsetzte; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1218 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Ferner zeigte sich auf dem Fußboden, etwa von der Mitte des Bettes bis hin zur Tür, ein ungleichmäßiges, zum Teil wischerartige Strukturen aufweisendes Lumineszenzbild; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1218/1219 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur zeigten sich auf dem Boden und den bodennahen Wandbereichen vereinzelte, uncharakteristisch geformte Lumineszenzen; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1220 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Im Flur in Richtung Öffnung des Kachelofens zeigten sich, nach Entfernung eines Läufers, der vollständig blutantragungsfrei war, auf dem Boden lediglich vereinzelte, kleinfleckige, zum Teil wischerartig erweiterte Lumineszenzen; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild auf Bl. 1221 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Im Spielzimmer zeigten sich sehr dezente Lumineszenzen am Boden, wobei es sich um rundliche Einzelspuren handelte, die die Morphologie von Katzenpfoten aufwiesen. Im Bad zeigte sich an der türseitigen Seitenfläche der Badewanne und zum Teil auf den darunter befindlichen Bodenabschnitten eine deutlich erkennbare, flächige, uncharakteristisch geformte, zum Teil allerdings wischerartige Strukturen aufweisende Lumineszenz; überdies zeigten sich auf dem Badewannenrand, im Inneren der Badewanne und um den Abfluss der Badewanne kleinfleckige, uncharakteristisch geformte Lumineszenzen; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1223 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Bei der Behandlung des grünen Plastikeimers (10 l) mit Luminol zeigte sich im Inneren des Eimers im Bereich des Eimerbodens eine deutliche Lumineszenz; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild auf Bl. 1229 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen.
118
Im Übrigen konnten in der Wohnung unter dem Einsatz von Luminol keine Blutspuren visualisiert werden.
119
(d) Bei der Untersuchung der türseitigen Matratze trat, wie der Zeuge KHK R6 und der Sachverständige Prof. Dr. A1 in der Hauptverhandlung anhand der gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat, berichtet und erläutert haben, nach Abnahme des Schonbezuges eine großflächige, ca. 60 cm x 40 cm große Bluteintränkung zutage, die die Matratze, wie sich im Querschnitt zeigte, vollständig durchdrungen hatte, wobei die Eintränkung zu beiden Längsseiten der Matratze verlaufende Ausläufer aufwies, die an den Längsseiten entlang laufende Blutansammlungen bildeten; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1224/1227 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 und die Lichtbilder auf Bl. 64/67 in Sonderband I d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen.
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(e) Dass die in der Wohnung festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren von H1 stammen, steht fest aufgrund der molekularbiologischen Untersuchung der Blutantragungen.
121
Von den Blutantragungen an der Wand hinter dem Kopfende des Bettes im Schlafzimmer wurden exemplarisch zwei Blutantragungen molekularbiologisch untersucht; diese haben jeweils eine DNA-Einzelspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. A2, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die betreffenden Spuren bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems eine vollständige Übereinstimmung mit den DNA-Merkmalen der H1 ergeben haben und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von 1 : 30 Milliarden (bei unverwandten Personen) ohne vernünftigen Zweifel von H1 stammen.
122
Daneben wurde eine Probe der Wandfarbe mit einer rotbraunen Anhaftung, die an der Wand hinter dem Kopfende des Bettes im Schlafzimmer gesichert wurde, molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Einzelspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. S7, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems eine vollständige Übereinstimmung mit den DNA-Merkmalen der H1 ergeben hat und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von 1 : 1 Billiarde (bei unverwandten Personen), d.h. mit höchster Wahrscheinlichkeit, von H1 stammt.
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Die Blutantragung an dem Schonbezug der türseitigen Matratze wurde molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Einzelspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. S7, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems eine vollständige Übereinstimmung mit den DNA-Merkmalen der H1 ergeben hat und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von 1 : 1 Billiarde (bei unverwandten Personen), d.h. mit höchster Wahrscheinlichkeit, von H1 stammt.
124
Die Blutantragung an dem Vorhang im Spielzimmer wurde molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Einzelspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. A2, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems eine vollständige Übereinstimmung mit den DNA-Merkmalen der H1 ergeben hat und mit einer biostatistischen Wahrscheinlichkeit von 1 : 30 Milliarden (bei unverwandten Personen) ohne vernünftigen Zweifel von H1 stammt.
125
Die Blutantragung an der Außenwand der Badewanne wurde molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Mischspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. A2, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems auf mindestens drei Verursacher zurückführen lasse, wobei sich die DNA-Merkmale der H1 und des Angeklagten vollständig in der Merkmalmischung wiedergefunden hätten. In biostatistischer Hinsicht sei (bei unverwandten Personen) in einer Gruppe von 473 Milliarden Personen eine Person zu erwarten, deren DNA-Merkmale sich vollständig in der Mischung finden lasse.
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Die Blutantragung an der Wandkante im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur wurde molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Mischspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. A2, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems auf mindestens drei Verursacher zurückführen lasse, wobei sich die DNA-Merkmale der H1 und des Angeklagten teilweise in der Merkmalmischung wiedergefunden hätten, jedoch nicht reproduzierbar gewesen seien, so dass eine biostatistische Beurteilung nicht möglich sei.
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Die Blutantragung an dem grünen Plastikeimer (10 l) wurde molekularbiologisch untersucht; diese hat eine DNA-Mischspur ergeben. Diesbezüglich hat die Sachverständige Dr. A2, die die molekularbiologische Untersuchung durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, dass sich die betreffende Spur bei einer Untersuchung von 16 Merkmalssystemen und einer Analyse des Amelogeninsystems auf mindestens zwei bzw. drei Verursacher zurückführen lasse, wobei sich die Merkmale einer weiblichen Person als Hauptkomponente ableiten ließen, die vollständig mit den DNA-Merkmalen der H1 übereinstimmten. In biostatistischer Hinsicht zeige (bei unverwandten Personen) eine Person von 30 Milliarden Personen das Merkmalmuster der Hauptkomponente, so dass die Hauptkomponente der Merkmalmischung ohne vernünftigen Zweifel von H1 stamme. Überdies hätten sich einzelne Merkmale finden lassen, die mit den DNA-Merkmalen des Angeklagten übereinstimmten, ohne dass insofern eine biostatistische Beurteilung möglich sei.
128
(f) In Anknüpfung an die festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren und das bei der Leichenöffnung festgestellte Verletzungsbild (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (2)) führte der Sachverständige Prof. Dr. A1 im Rahmen seines mündlichen Gutachtens zur Blutspurenmusteranalyse in der Hauptverhandlung aus, dass Blutaustritte aus den Wunden, insbesondere Blutabrinn- und Blutabtropfspuren, als Spurenquellen in Betracht zu ziehen seien. Bei einer Bewegung der verletzten Körperteile oder des blutbehafteten Tatwerkzeugs sei mit einem fliehkraftbedingten Abschleudern von Blut und mit einer Projektion von Blutabschleuderspuren in die Umgebung zu rechnen. Überdies könnten Blutspritzspuren bei einer tätlichen Auseinandersetzung durch einen Stoßmechanismus, zum Beispiel beim Auftreffen eines Objekts auf ein blutkontaminiertes Objekt, beim Eindringen eines Messers bis zum Heft auf eine blutige Körperstelle oder bei einer Abwehr von Stichbewegungen, entstehen. Anhand der Form und der Verteilung auf der Zieloberfläche bzw. den Zieloberflächen der Blutspritzspuren sei es möglich, deren Ursprungsbereich zu bestimmen und die Bereiche einzugrenzen, in denen es zu dynamischen Vorgängen gekommen sei. Da zu Beginn einer Auseinandersetzung noch kein Blut vorhanden sei, sei es mit Hilfe der Blutspurenmusteranalyse allerdings grundsätzlich nicht möglich, zu rekonstruieren, wo der erste Angriff bzw. Stich auf ein Opfer erfolgt sei, d.h. am Anfang des Tatgeschehens im engeren Sinne könnten einzelne Handlungen erfolgen, ohne dass hierbei Blutspuren in der Umgebung gesetzt würden. Da nach dem festgestellten Verletzungsbild größere Gefäße verletzt worden seien, sei an sich mit einem möglichen Auftreten arterieller Spritzspurenmuster zu rechnen (hier nicht feststellbar), allerdings sei zu bedenken, dass Kleidung oder andere Textilien, zum Beispiel Bettwäsche oder Decken, austretendes Blut größtenteils aufnehmen und entlang des Schwerkraftvektors ableiten könnten. Vorliegend hätten sich in der Wohnung jedenfalls keine größeren Blutspuren oder Kampfspuren gefunden. Die Wohnung sei im Nachgang der Tat zumindest in Teilen ausführlich gereinigt worden.
129
Nach der gutachterlichen Beurteilung des Blutspurenmusters durch den Sachverständigen Prof. Dr. A1 weisen die im Schlafzimmer bzw. auf der türseitigen Matratze festgestellten bzw. visualisierten Blutantragungen das Schlafzimmer bzw. die türseitige Matratze als den Tatort im engeren Sinne aus. An den Wandbereichen hinter dem Kopfende und seitlich des Kopfendes des Doppelbettes seien bereits bei Normalbeleuchtung im Zuge dynamischer Vorgänge in die Umgebung projizierte Blutspritzspuren zu erkennen gewesen. Es hätten sich sowohl eher stoßbedingt als auch eher fliehkraftbedingt entstandene Spritzspuren (ansteigend und absteigend) gefunden, wobei bei vielen der Einzelspuren eine so genaue Klassifizierung anhand der Morphologie nicht möglich gewesen sei. Die Blutspritzspuren könnten alle zwanglos einem Ursprungsbereich, d.h. dem Bereich des Kopfendes der türseitigen Hälfte des Doppelbettes, zugeordnet werden. In der Gesamtschau mit dem bei der Geschädigten festgestellten Verletzungsbild sei davon auszugehen, dass sich die Geschädigte zum Zeitpunkt der Entstehung der Blutspuren auf der türseitigen Matratze, mit dem Kopf in einer eher niedrigen Position, d.h. nicht stehend oder sitzend, sondern eher liegend, in Richtung Kopfende des Bettes befunden habe. Das Fehlen massiverer Spritzspuren, insbesondere arteriellen Ursprungs, könne zwanglos dadurch erklärt werden, dass diese von Teilen der Bettwäsche aufgenommen worden seien, die jedoch nicht mehr vorhanden sei; zum Zeitpunkt der Spurensicherung sei nur eine saubere Bettwäschegarnitur vorgefunden worden. Die nach Abnahme des Schonbezuges festgestellten, massiven, die ganze Matratze durchdringenden Bluteintränkungen sprächen aus gutachterlicher Sicht ebenfalls dafür, dass die wesentlichen Verletzungshandlungen auf der Matratze erfolgt seien und die Geschädigte im Anschluss an die Tat zunächst auf der Matratze verblieben sei. Da sich in der restlichen Wohnung keine weiteren dynamisch generierten Blutspuren gefunden hätten, sei es aus gutachterlicher Sicht am plausibelsten, dass die Geschädigte zumindest nach dem Einsetzen von Blutungen nach außen zeitnah in die Lage auf dem Bett gelangt sei, wobei es allerdings zwanglos vorstellbar sei, dass der komplette Tatablauf auf dem Bett stattgefunden habe; es hätten sich keine Spuren gefunden, die auf eine Verlagerung des Geschehens im Tatablauf hindeuten würden.
130
Der Tatort sei nach dem Blutspurenbild einer ausführlichen Reinigung unterzogen worden, so dass unter Normalbeleuchtung lediglich die Blutspritzspuren an den Wänden im Bereich des Kopfendes des Bettes zu entdecken gewesen seien. Ein großer Teil der Einzelspuren habe blass und durch nachfolgende Kontakte verändert gewirkt. Bei der Behandlung mit Luminol habe sich durch die wischerartigen Erweiterungen der Spuren gezeigt, dass versucht worden sei, die Spuren feucht abzuwischen; aus den visualisierten Blutspuren ergebe sich, dass auch das Bett und der Fußboden nass gereinigt worden seien. Überdies sei der Schonbezug der Matratze gereinigt oder erneuert worden; die auf dem Schonbezug festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren, die als Bluteintränkungen zu werten seien, seien eher nach der Reinigung oder Erneuerung entstanden; dies gelte auch für die auf dem türseitigen Lattenrost unter Normalbeleuchtung sichtbaren Blutantragungen. Die an der Matratze befindlichen Ablaufspuren und die Blutansammlungen an den Längsseiten zeigten, dass die Matratze aus dem Bett herausgenommen und auf die Längsseiten gestellt worden sei. Es sei naheliegend, dass die Matratze hierbei angelehnt worden sei, wobei die an der Seitenfläche der Badewanne visualisierten Blutspuren ein mögliches Korrelat darstellen könnten. Die übrigen im Bad visualisierten Blutspuren seien morphologisch nicht zu klassifizieren und stünden am ehesten mit den Reinigungshandlungen in einem Zusammenhang.
131
Die im Spielzimmer am Vorhang festgestellte Blutantragung sei als Blutkontaktspur zu bewerten, die am ehesten im Zuge von Reinigungshandlungen bzw. bei der Verbringung der Leiche entstanden sei und nicht mit der Tat im engeren Sinne in Zusammenhang stehe.
132
Die im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur, auf Höhe der Abstellkammer, an der Wandkante (Mauervorsprung) festgestellte Blutantragung sei als Blutkontaktspur zu bewerten, die durch ein Durchziehen der Matratze oder der Bettwäsche oder durch einen Kontakt mit der Leiche entstanden sein könne.
133
Die im Flur festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren im Teilstück zwischen dem Schlafzimmer und der Öffnung des Kachelofens stünden am ehesten mit den Reinigungshandlungen bzw. mit der Verbringung der Leiche in Zusammenhang.
134
Die bei der Reinigung eingesetzten Putzutensilien hätten in der Wohnung nicht mehr aufgefunden werden können.
135
Im Ergebnis erscheine angesichts der Blutspuren und des Verletzungsbildes aus gutachterlicher Sicht ein Tathergang als plausibelsten, bei dem sich die Geschädigte zum Zeitpunkt der Tat auf der türseitigen Matratze des Doppelbettes im Schlafzimmer befunden habe oder jedenfalls zeitnah nach dem Einsetzen von Blutungen nach außen in die betreffende Lage gelangt sei und die wesentlichen, auf scharfe Gewalteinwirkungen zurückzuführenden Verletzungen der Geschädigten in einer Position beigebracht worden seien, bei der sie sich mit dem Kopf in einer eher niedrigen Position auf oder etwas überhalb des zum Kopfende hin situierten Drittels der Matratze befunden habe.
136
(g) Die Kammer schließt sich den auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A1, die in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar und erkennbar von großer Sachkunde und langer Erfahrung getragen sind, nach kritischer Würdigung aus eigener Überzeugung an; sie sind auch in den Details frei von Widersprüchen und spiegeln sich insbesondere in den Lichtbildern der festgestellten bzw. visualisierten Blutspuren in der Wohnung plausibel wider; überdies stehen sie im Einklang mit dem Verletzungsbild an der Leiche (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (2)).
137
(2) Daneben deutet das Verletzungsbild an der Leiche der H1 auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 in einer liegenden Position im Bett befunden hat. Dies folgt, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der Blutspurenmusteranalyse, aus dem medizinischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. P2. Danach ist ein Tatablauf, bei dem H1 zu Beginn geschlafen hat und durch die Gewalteinwirkungen aufgewacht ist, mit dem Verletzungsbild zwanglos in Einklang zu bringen.
138
(a) Nach dem Befund der gerichtlichen Leichenöffnung, die der Sachverständige Prof. Dr. P2 am 13.11.2016 als Obduzent durchgeführt hat, erlitt H1 durch scharfe Gewalteinwirkungen die unter C.III.3. festgestellten Verletzungen im Kopf-, Gesichts- und Halsbereich, mit einer Durchsetzung der arteriellen und venösen Halsgefäße, und in der Oberarm- und Schulterregion und starb durch Verbluten nach außen. Überdies erlitt sie Abwehrverletzungen an den Händen bzw. am linken Handgelenk. Im Übrigen erlitt sie an ihrem Körper keine Verletzungen. Der Sachverständige Prof. Dr. P2 hat den Befund ausführlich geschildert und anhand der Lichtbilder der Leichenöffnung, die die Kammer in Augenschein genommen hat, anschaulich erläutert.
139
(b) Sämtliche Verletzungen könnten, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, durch ein einzelnes Tatwerkzeug (Messer) entstanden sein. Ein Messer mit einer Klingenlänge von mehr als 5 cm sei ausreichend, um die festgestellten Verletzungen zu verursachen.
140
(c) Die Reihenfolge der Verletzungen, die H1 erlitten hat, lasse sich aus medizinischer Sicht nicht rekonstruieren. Es stehe lediglich fest, dass keine Verletzung vorliege, die schlagartig eine sofortige Handlungsunfähigkeit bedingt hätte, insbesondere liege keine Eröffnung der Aorta, keine Verletzung des Gehirns und keine Verletzung des Herzens vor, so dass eine Handlungsfähigkeit, die über Sekunden hinausgehe, angenommen werden könne; ein Hinweis auf Verletzungen, die nach dem Tod entstanden seien, habe sich nicht ergeben. Damit ließen sich aus medizinischer Sicht auch die Abwehrverletzungen an den Händen und am linken Handgelenk in zeitlicher Hinsicht nicht exakt in die Abfolge der Verletzungen einordnen, wenngleich erfahrungsgemäß tendenziell eher davon auszugehen sei, dass Abwehrverletzungen am Anfang einer derartigen Auseinandersetzung entstünden. Sie könnten jedoch ohne Weiteres im Zusammenhang mit dem Setzen der anderen Verletzungen zeitgleich bzw. handlungsgleich entstanden sein.
141
(d) Auch in Bezug auf die Dauer der Tathandlungen sei aus medizinischer Sicht lediglich eine eingeschränkte Beurteilung möglich. Bei Unterstellung des Zeitbedarfs für ca. ein Dutzend Stichverletzungen und zwei Schnittverletzungen ohne effiziente Gegenwehr könne als Untergrenze ein zeitlicher Rahmen von ca. 15 bis 30 Sekunden plausibel angenommen werden. Eine Obergrenze des zeitlichen Rahmens könne aus medizinischer Sicht nicht bestimmt werden, da ein Tatablauf diskontinuierlich sein könne, zum Beispiel durch eine kurzzeitige Unterbrechung zwischen den Stichhandlungen, zumal hier über einen gewissen Zeitraum eine bestehende Handlungs- und Abwehrfähigkeit vorgelegen habe, so dass sich eine derartige Auseinandersetzung über einen längeren Zeitraum, zum Beispiel von einigen Minuten, erstrecken könne; ob die vorliegenden Abwehrhandlungen zu einer Verzögerung des Tatablaufs geführt hätten, lasse sich jedoch nicht sagen, da die Abwehrverletzungen zeitgleich bzw. handlungsgleich mit den Stichbewegungen zustande gekommen sein könnten. Überdies, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, habe sich aus medizinischer Sicht kein Anhaltspunkt für eine wesentliche räumliche Verlagerung im Rahmen des Tatablaufs ergeben, jedenfalls nicht ab dem Zeitpunkt der Entstehung der intensiv blutenden Verletzungen, die hier ausnahmslos vorlägen und von denen sich die größte Verletzung am Hals (mit Durchsetzung der arteriellen und venösen Halsgefäße) befinde.
142
(e) Die Tathandlungen seien angesichts des Verletzungsbildes durch eine massive Intensität der Gewalteinwirkungen gekennzeichnet gewesen, wenngleich die Krafteinwirkung in physikalischer Hinsicht nicht exakt eingegrenzt werden könne. Die Wucht der Gewalteinwirkungen zeige sich zum Beispiel an der Stichverletzung am Schädel, die zu einer Abhebung eines Bruchkantenfragmentes geführt habe und für die eine erhebliche Intensität der Zustechbewegung erforderlich sei, ebenso an der Stichverletzung im Gesicht, die zu einer Absprengung der Kronen des fünften und sechsten Zahnes des rechten Unterkiefers geführt habe. Die übrigen Stichverletzungen hätten im Wesentlichen Weichteile betroffen und nicht zu gröberen Verletzungen knöcherner Strukturen geführt, allerdings sei es durch die Schnittverletzungen am Hals zu Anschnittverletzungen an den Querfortsätzen des dritten und vierten Halswirbelkörpers gekommen.
143
(f) Die Abwehrverletzungen, die H1 an den Händen erlitten habe, ließen sich dahin beurteilen, dass es im Rahmen des Tatablaufs, am ehesten in der Anfangsphase, zu einer aktiven Abwehrhandlung im Sinne eines Hineingreifens in das Tatwerkzeug gekommen sei; dafür seien insbesondere die (beugeseitigen) Verletzungen an den Fingern der linken Hand typisch. Überdies sei es zu einer Durchstechung am linken Handgelenk mit knöchernen Schartenbildungen gekommen. Insofern könne davon ausgegangen werden, dass der Intensität der Gewalteinwirkungen des Angreifers auch aktive Abwehrhandlungen gegenübergestanden hätten, die sich allerdings von der Intensität der Angriffshandlungen kaum plausibel differenzieren ließen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass auch Abwehrhandlungen, die mit erheblichen Abwehrverletzungen einhergingen, nicht zwingend zu einer Unterbrechung der Kontinuität einer Angriffshandlung oder zu einer erheblichen Verzögerung eines Angriffsgeschehens führen müssten.
144
(g) In Bezug auf die bei H1 festgestellten Verletzungen lasse sich die Stich-/Schnittrichtung bzw. Stich-/Schnittführung aus medizinischer Sicht wie folgt beurteilen: Die Stichverletzung am Schädel lasse auf eine orthogonale Stichrichtung schließen. Bei der Hautdurchtrennung oberhalb der rechten Augenbraue lasse sich die Stichrichtung nicht eindeutig beurteilen. Die Hautdurchtrennungen im Bereich des rechten vorderen Ohrmuschelansatzes ließen auf eine horizontale Stichrichtung, leicht absteigend von hinten rechts nach vorne links, schließen. Bei der Durchtrennung der Wangenschleimhaut an der rechten Gesichtshälfte handele es sich um eine Stich-/Schnittverletzung mit nicht eindeutig bestimmbarer Stichrichtung, jedenfalls von außen nach innen, und einer Schnittkomponente von rechts nach links. Die triangelförmige Hautdurchtrennung in der rechten Unterkieferwinkelregion lasse einen Stichkanal von rechts nach links erkennen. Die punktförmige Hautdurchtrennung in der rechten vorderen Halsregion lasse auf eine orthogonale Stichrichtung schließen. Bei der ausgedehnten und breit klaffenden Wunde in der vorderen Halsregion, bedingt durch mindestens zwei Schnittansätze und -bewegungen, lasse sich die Schnittrichtung nicht eindeutig bestimmen; plausibel sei sowohl eine Schnittrichtung von links nach rechts als auch eine Schnittkomponente mit kombinierten Stichelementen in der Gegenrichtung. Bei der Hautdurchtrennung in der linken seitlichen Halsregion lasse sich die Stichrichtung nicht eindeutig beurteilen. Bei der Hautdurchtrennung in der rechten vorderen Schulterregion lasse sich eine tangentiale Einwirkung erkennen, ohne dass sich die Stichrichtung eindeutig beurteilen lasse. Die beiden Hautdurchtrennungen in der rechten seitlichen Oberarm- bzw. Schulterregion ließen eine Stichrichtung von rechts nach links, gering nach vorne gerichtet, erkennen.
145
(h) Im Hinblick auf die lichtbildlich dokumentierten Blutspuren (unter Normalbeleuchtung und unter Einsatz von Luminol) spreche aus medizinischer Sicht, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der Blutspurenmusteranalyse des Sachverständigen Prof. Dr. A1, nichts gegen die Annahme, dass es sich bei dem Schlafzimmer, hier im Doppelbett auf der türseitigen Matratze, um den Tatort im engeren Sinne gehandelt habe. Bei den festgestellten Verletzungen sei von einem massiven Blutverlust auszugehen, wobei bis zum Kreislaufversagen ein Blutverlust von 1,5 – 2 l anzunehmen sei; der Umstand, dass bei der Spurensicherung keine größeren Blutspuren aufgefunden worden seien, weise auf die Reinigung des Tatorts hin. Die Blutmenge, die in die Matratze hineingelaufen sei, lasse sich aus medizinischer Sicht nicht konkret bestimmen, jedoch habe sich bei der Betrachtung der Bluteintränkung in der Matratze im Querschnitt eine kegel- bzw. trichterförmige Durchsetzung des Schaumstoffkörpers mit einer Tiefe von ca. 11 cm gezeigt, so dass davon ausgegangen werden könne, dass es einer erheblichen Menge an Blut bedürfe, um eine derartige Durchsetzung zu bewirken. Überdies sei zu berücksichtigen, dass eine erhebliche Menge an Blut bereits oberhalb der Matratze durch textiles Material, zum Beispiel Kissen, Decken, Bettwäsche, aufgenommen werden könne. Es sei mithin, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der Blutspurenmusteranalyse des Sachverständigen Prof. Dr. A1, aus medizinischer Sicht davon auszugehen, dass die wesentlichen Teile des Tatablaufs bis hin zu einem Ausbluten auf der betreffenden Matratze stattgefunden hätten.
146
(i) Die Position der H1 zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen, d.h. ob stehend, sitzend, liegend, lasse sich allein aus dem Verletzungsbild heraus nicht erkennen; insofern sei über den gesamten Tatablauf lediglich eine Position in Bauchlage nicht plausibel vorstellbar. Die Verletzungen konzentrierten sich auf den Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und die Oberarm- und Schulterregion mit Schwerpunkt auf der rechten Seite. Daneben lasse sich allein aus dem Verletzungsbild der H1 auch die Position des Täters zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen, die abhängig sei von der Position der Geschädigten, nicht sicher eingrenzen. Unter Einbeziehung der lichtbildlich dokumentierten Blutspuren im Schlafzimmer (unter Normalbeleuchtung und unter Einsatz von Luminol) sei, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, eine liegende Position des Opfers auf dem Bett in Rückenlage mit dem Kopf zum Kopfende des Bettes hin – nicht hingegen mit dem Kopf zum Fußende des Bettes hin – und eine knieende oder aufsitzende Position des Täters neben dem Opfer zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen plausibel vorstellbar und mit dem Verletzungsbild der H1 zwanglos in Einklang zu bringen. Dies gelte unter Berücksichtigung der Abwehrverletzungen und der Blutspuren an der Matratze, die sich etwas unterhalb einer üblicherweise liegenden Kopfposition befänden, auch für den Beginn der Verletzungshandlungen; die Konstellation der Blutspuren und der Verletzungen lasse sich, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, zwanglos mit einer primären Verletzungshandlung bei einer liegenden Position des Opfers im Bett in Einklang bringen. Tendenziell, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, passe das engmaschige Verletzungsbild der H1 mit Verletzungen (allein) im Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und in der Oberarm- und Schulterregion und Abwehrverletzungen an den Händen und am linken Handgelenk eher zu einem liegenden als zu einem stehenden Opfer, da bei einem stehenden Opfer, sofern es flüchten könne, zu erwarten sein würde, dass es versuchen würde, zu flüchten, mit der Folge, dass die Verletzungen am Körper des Opfers breiter gestreut sein würden.
147
(j) Zum Tathergang lasse sich aus medizinischer Sicht feststellen, dass die aktiven Abwehrverletzungen, die H1 an den Händen erlitten habe, ein waches Opfer erforderten, so dass nicht davon auszugehen sei, dass die ganze Anzahl der Verletzungen, die sie erlitten habe, in einer Konstellation zustande gekommen sei, in der sie durchgehend geschlafen habe. Überdies seien die Verletzungshandlungen mit einer massiven Intensität der Gewalteinwirkungen verbunden gewesen, die mit einem durchgehenden Schlafzustand nicht in Einklang zu bringen seien. Dies stehe jedoch nicht im Widerspruch zu der Annahme, dass H1 zu Beginn des Tatablaufs geschlafen habe; wenngleich sich aus medizinischer Sicht im Nachhinein nicht feststellen lasse, wann die Aufweck- bzw. Aufwachreaktion erfolgt sei, lasse sich davon ausgehen, dass auch aus einem tiefen Schlaf bei einem derartigen Angriff eine Aufweck- bzw. Aufwachreaktion erfolge. Bei den Abwehrverletzungen der H1 handele es sich zum Teil um aktive und zum Teil um passive Abwehrverletzungen, die keine vollständige Vigilanz und Übersicht implizierten und durchaus im Rahmen einer diffusen Abwehr zustande gekommen sein könnten, so dass kein Widerspruch zu der Annahme, dass H1 zu Beginn des Tatablaufs geschlafen habe, bestehe.
148
(k) Die Kammer schließt sich den auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen beruhenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P2, die in jeder Hinsicht schlüssig und nachvollziehbar und erkennbar von großer Sachkunde und langer Erfahrung getragen sind, nach kritischer Würdigung aus eigener Überzeugung an; sie sind auch in den Details frei von Widersprüchen und spiegeln sich insbesondere in den Lichtbildern der Leichenöffnung, die der Sachverständige Prof. Dr. P2 als Obduzent durchgeführt hat, plausibel wider; überdies stehen sie im Einklang mit dem Spurenbild in der Wohnung (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1)).
149
(3) Überdies hat der Angeklagte nach der Überzeugung der Kammer den ihm am nächsten stehenden Personen, seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 vor seiner Flucht anvertraut, H1 „im Schlaf getötet“ zu haben, und ihnen die Einzelheiten des Tatgeschehens offenbart.
150
Dies folgt unmittelbar aus den Aussagen des Zeugen E1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a)) und des Zeugen R1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b)) und mittelbar in Bezug auf die Schilderung des Tatgeschehens gegenüber E1 aus den Aussagen der Zeugen B1 und E3 und in Bezug auf die Schilderung des Tatgeschehens gegenüber R1 aus den Aussagen der Zeugen L1, L2, N2, L3 und W3 und spiegelt sich wider in den gesicherten und verlesenen Chatnachrichten von E1, R1, B1 und L1 und wird nicht widerlegt durch den Inhalt einer durch Vorspielen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Tonbandaufnahme eines Gesprächs zwischen R1 und L1 vom 01.06.2017.
151
(a) Der Angeklagte hat nach der Überzeugung der Kammer seinem besten Freund E1 am 01.11.2016 auf einer Fahrt von F. nach P. zum „Burger King“ zum Tatgeschehen berichtet, dass er H1 mit einem Messer getötet habe, als sie schlafend in ihrem Bett im Schlafzimmer gelegen habe.
152
(aa) Der Zeuge E1 hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass er sich ein paar Tage nach der Tat mit dem Angeklagten getroffen habe. An jenem Tag sei er am Vormittag mit seiner damaligen Freundin B1 zu dem Angeklagten in die Wohnung in der B.straße … in F. gefahren, um eine Mikrowelle abzuholen, die ihnen der Angeklagte verkauft habe. Sie seien erst draußen vor der Wohnung gestanden, seien jedoch dann mit dem Angeklagten in die Wohnung hineingegangen, da der Sohn H2geschrien habe. In der Wohnung, in der er sich an jenem Tag im Flur und im Wohnzimmer aufgehalten habe, sei ihm ein starker Gestank aufgefallen; daraufhin habe der Angeklagte ein Fenster geöffnet, um zu lüften. Der Angeklagte habe gesagt, dass H1 bei T1 sei. Nachdem sie die Mikrowelle entgegengenommen hätten, seien sie wieder gefahren.
153
Später, am selben Tag, habe ihm der Angeklagte eine Nachricht geschrieben und ihn gefragt, ob er am Abend Lust habe, zum „Burger King“ nach P. zu fahren. Dies habe er bejaht und habe den Angeklagten am Abend mit dem Auto in F. abgeholt. Der Angeklagte habe einen Kindersitz für den Sohn H2auf dem Rücksitz des Autos eingebaut und den Sohn H2im Kindersitz angeschnallt. Dann habe sich der Angeklagte auf den Beifahrersitz gesetzt und sie seien mit dem Sohn H2von F. nach P. zum „Burger King“ gefahren.
154
Auf der Fahrt, ungefähr am Stadtrand von F., habe ihn der Angeklagte gefragt, ob ihm aufgefallen sei, dass H1 schon längere Zeit nicht da sei. Er habe überlegt und habe den Angeklagten gefragt, warum er das frage. Da habe ihm der Angeklagte erzählt, dass H1 schon fünf Tage tot sei und dass er H1 umgebracht habe. Er habe einen Streit mit H1 gehabt, da sie mit einem anderen Mann eine Zukunft aufbauen habe wollen und nicht mit ihm. Der Angeklagte habe ihm zum Tathergang berichtet, dass er an dem Abend, an dem er sie umgebracht habe, erst im Wohnzimmer gesessen sei und eine Flasche Wodka getrunken habe. Dabei habe er gewartet, bis H1 zu Bett gegangen sei. H1 sei in das Schlafzimmer gegangen und habe sich schlafen gelegt. Er sei dann in das Schlafzimmer hinübergegangen, wo H1 im Bett gelegen habe und geschlafen habe. Dort habe er H1 mit einem Messer in den Hals gestochen. Sie habe noch etwas sagen wollen, habe jedoch nichts mehr „herausgebracht“. Ihm sei, als er es getan habe, kurz einmal schwarz vor den Augen geworden, allerdings habe er sich wieder gefangen. Das Messer, mit dem er sie umgebracht habe, sei ein Messer gewesen, das er in einem „Bundeswehrshop“ gekauft habe. Es habe, so der Angeklagte, eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen. Nach der Tat habe er die Leiche in die Badewanne gelegt zum „Ausbluten“. Beim Hinüberbringen der Leiche in das Bad habe er sich am Rücken verletzt, indem er sich einen Nerv „eingeklemmt“ habe; er habe deshalb über Rückenschmerzen „gejammert“. Danach habe er die Leiche in Müllsäcke verpackt und sie im Kachelofen in der Wohnung versteckt. Schließlich habe er zwei Tage lang die Wohnung geputzt, im Schlafzimmer „geweißelt“ und die Matratze umgedreht.
155
Bei der Schilderung der Tat sei der Angeklagte „ganz normal“ gewesen und habe keine Gefühlsregungen gezeigt. Sie hätten auf der Fahrt nach P. Überlegungen zur Leichenbeseitigung angestellt; sie hätten zum Beispiel überlegt, die Leiche einzubetonieren, zu verbrennen oder zu vergraben. Im „Burger King“ in P. hätten sie gegessen, wobei der Sohn H2„Pommes“ bekommen habe. Der Sohn H2sei „still“ gewesen und habe einen „traurigen“ Eindruck gemacht; ob er die Tat mitbekommen habe, sei nicht Gegenstand des Gesprächs mit dem Angeklagten gewesen. Es könne sein, dass er seiner damaligen Freundin B1 an jenem Abend vom „Burger King“ etwas zum Essen mitgebracht habe, jedoch sei ihm dies nicht mehr erinnerlich. Auf der Rückfahrt von P. nach F. habe ihm der Angeklagte von seinen Plänen zur Flucht erzählt. Der Angeklagte habe ihm gesagt, dass er nach Afrika „abhauen“ wolle. Schließlich habe er den Angeklagten, zurück in F., heimgefahren.
156
Es habe bei einer Gelegenheit nach der Tat ein Treffen mit dem Angeklagten und R1, dem Bruder des Angeklagten, an der „B.-Tankstelle“, einem beliebten Treffpunkt an der Bundesstraße B12 in Au. auf der Strecke zwischen F. und P., gegeben. Es könne sein, dass das Treffen an demselben Abend stattgefunden habe, als er und der Angeklagte nach dem Essen im „Burger King“ von P. nach F. zurückgefahren seien, jedoch könne er sich insofern in zeitlicher Hinsicht nicht mehr erinnern. Bei dem Treffen an der „B.-Tankstelle“ sei seiner Erinnerung nach nicht über die Tat gesprochen worden, da bei dem Treffen noch eine Person, der Abschleppunternehmer B5 (Spitzname: „B.“), zugegen gewesen sei. Seiner Erinnerung nach habe er mit dem Angeklagten allein auf der Fahrt über die Tat gesprochen.
157
Ein paar Tage nach der Fahrt zum „Burger King“ sei er mit B1 noch einmal zu dem Angeklagten gefahren, um ein fehlendes Gitter für die Mikrowelle abzuholen. Dabei hätten sie sich jedoch nur kurz, ca. zehn Minuten, unterhalten. Er habe das Gitter entgegengenommen und sei wieder gefahren. Danach habe er den Angeklagten nicht mehr getroffen. Er habe dem Angeklagten nicht beim Putzen oder beim „Weißeln“ in der Wohnung und nicht bei der Vorbereitung der Flucht geholfen.
158
Er habe nach der Flucht des Angeklagten mit R1 über die Tat gesprochen; so habe er erfahren, was „danach“ noch passiert sei. Sie hätten sich nach der Flucht des Angeklagten noch einmal zu zweit an der „B.-Tankstelle“ getroffen. R1 habe ihm berichtet, dass er dem Angeklagten seinen Personalausweis und seinen Führerschein für die Flucht mitgegeben habe.
159
Überdies habe ihm R1 berichtet, dass der Angeklagte nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe. Sie seien an einem Abend im Auto des R1 zu dessen Freundin L1 gefahren. Vor dem Wohnhaus der L1 seien sie, als es schon dunkel gewesen sei, im Auto gesessen, als ihm R1 berichtet habe, dass ihm der Angeklagte gesagt habe, dass er nach dem Tod von H1 Sex mit der Leiche gehabt habe, ein Umstand, den er von dem Angeklagten selbst nicht erfahren habe. Ob R1 über einen Orgasmus bzw. eine Ejakulation des Angeklagten berichtet habe, wisse er nicht mehr.
160
In der Folge sei ihm im Gespräch mit seiner damaligen Freundin B1 einmal „herausgerutscht“, dass der Angeklagte S2. mit der Leiche gehabt habe. Was er ihr darüber hinaus über den Tathergang mitgeteilt habe, sei ihm nicht mehr erinnerlich. Es könne sein, dass er ihr einmal eine Nachricht mit den Todesumständen der H1 gesandt habe oder ihr im Gespräch die Todesumstände der H1 berichtet habe. Später habe er zu B1 einmal gesagt, dass seine Erzählung nicht gestimmt habe, dies sei jedoch gelogen gewesen. Überdies habe er zu einer späteren Zeit seiner Mutter E3 und seinen Freunden M6 und M7 mitgeteilt, dass er über die Tat des Angeklagten B. gewusst habe.
161
Als Zeuge im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. habe er die Informationen, die er von dem Angeklagten bzw. von R1 erhalten habe, nicht offenbart, weil er mit dem Angeklagten befreundet gewesen sei und ihn unterstützen habe wolle.
162
(bb) Die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen E1 sind glaubhaft. Er konnte sich, abgesehen von unwesentlichen Erinnerungsungewissheiten, an den Inhalt seiner Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass er das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte im Kern zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat.
163
(aaa) Die Aussagetüchtigkeit des Zeugen E1 ist nicht beeinträchtigt.
164
Der Zeuge E1 war zu dem Zeitpunkt, als ihm der Angeklagte die Einzelheiten des Tathergangs offenbarte, in der Lage, die Schilderung des Angeklagten zuverlässig wahrzunehmen. Er war fähig, seine Wahrnehmung in der folgenden Zeit im Gedächtnis zu behalten und bei einer Befragung aus dem Gedächtnis abzurufen. Er verfügt, wie sich bei seinen Vernehmungen gezeigt hat, über das erforderliche sprachliche Ausdrucksvermögen, um den Inhalt seiner Wahrnehmung wiederzugeben. Daran, dass er in der Lage ist, tatsächliche Erlebnisse von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden, besteht kein Zweifel. Es haben sich in Bezug auf den Zeugen E1 keine Besonderheiten in der Person und keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten ergeben, die Anlass geben könnten, an seinen kognitiven und mnestischen Fähigkeiten zu zweifeln.
165
Der Zeuge E1 konsumierte zwar gelegentlich Cannabis, jedoch ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen schädlichen Gebrauch von Cannabinoiden (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.1) oder eine Abhängigkeit von Cannabinoiden (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.2) bzw. für eine akute Cannabinoidintoxikation (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.0) in den Zeitpunkten der Informationsaufnahme und der Informationswiedergabe zum Tatgeschehen; für einen Konsum von harten Drogen ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte. Im Übrigen bestanden keine konkreten Anhaltspunkte für eine psychische Störung des Zeugen E1.
166
Der Zeuge E1, geboren am ...1995, war bei seinen mehrstündigen Vernehmungen in der Hauptverhandlung am 13.05.2022, am 20.06.2022 und am 29.08.2022 in jeder Hinsicht orientiert und in der Lage, seine Erlebnisse zu erinnern und verständlich und differenziert wiederzugeben; er zeigte bei den Vernehmungen keine psychischen Auffälligkeiten. Es handelt sich bei dem Zeugen E1 um einen erwachsenen Zeugen, der im Jahr 2010 erfolgreich den qualifizierenden Hauptschulabschluss und im Jahr 2013 erfolgreich eine Ausbildung zum Beton- und Stahlbetonbauer absolvierte; er ist beruflich als Beton- und Stahlbetonbauer tätig. Der Zeuge E1 hat seit ...2013 (ab ...2013 bereits im Rahmen des begleiteten Fahrens) durchgehend die Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L; seither sind gegen ihn keine Führerscheinmaßnahmen, insbesondere nicht im Zusammenhang mit einem Konsum von Drogen, getroffen worden; ein Bußgeldverfahren wegen eines Fahrens unter Drogeneinwirkung am 08.03.2019 (0,7 ng/ml THC) wurde wegen Unterschreitung des Grenzwertes von 1,0 ng/ml THC eingestellt. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister für den Zeugen E1 vom 02.06.2022 enthält keine Eintragung im Zusammenhang mit einer Straftat aus dem Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts; das Fahreignungsregister des Zeugen E1 vom 01.06.2022 enthält keine Eintragung. Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft P., der für den Wohnsitz des Zeugen E1 zuständigen Staatsanwaltschaft, hat keine Hinweise auf einen über einen gelegentlichen Konsum von Cannabis hinausgehenden Umgang mit Betäubungsmitteln ergeben. Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft P. gegen den Zeugen E1 wegen eines Vergehens nach dem Betäubungsmittelgesetz, Az. …, das eine Übernahme jeweils eines „Joints“ am 26.05.2018 und bei zwei weiteren Gelegenheiten vor dem 26.05.2018 zum Gegenstand hatte, wurde mit Verfügung vom 10.10.2018 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Ein Vorermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft P. gegen den Zeugen E1 wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Az. …, wurde mit Verfügung vom 09.06.2021 gemäß § 152 StPO eingestellt. Darüber hinaus sind gegen den Zeugen E1 bei der Staatsanwaltschaft P. keine (Vor-)Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln im Zeitraum ab 2016 geführt worden. Aus dem polizeilichen Datenbestand ergeben sich laut Schreiben der Kriminalpolizeiinspektion P. vom 01.06.2022 für den Zeugen E1 im Zeitraum seit 2010 (erster Eintrag zur Person E1) keine Erkenntnisse über oder Anhaltspunkte für eine Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung, insbesondere nicht wegen einer Psychose im Zusammenhang mit einem Konsum von Betäubungsmitteln.
167
Der Zeuge E1 ist nach der Überzeugung der Kammer in der Lage, kontrolliert mit Betäubungsmitteln umzugehen. Er ist in der Hauptverhandlung am 20.06.2022 ausführlich drogenanamnestisch befragt worden. Hierbei hat er angegeben, er habe gelegentlich Marihuana geraucht, um besser schlafen zu können, allerdings habe er wegen des Konsums keine Gedächtnislücken bemerkt und keine Probleme in der Beziehung oder in der Arbeit gehabt, insbesondere sei er wegen des Konsums nicht in der Arbeit ausgefallen. Er habe nicht täglich konsumiert, habe aber nach Feierabend gelegentlich einen Joint geraucht. In der Beziehung mit B1 habe er ohnehin nicht täglich konsumieren können, da B1 ein Kind gehabt habe und sie gegen den Konsum von Drogen gewesen sei; sie habe einmal seine Drogen gefunden und in der Toilette hinuntergespült. Im Jahr 2016 habe er bis zu zehn Mal einen Joint geraucht, bis Mai 2017 sei es bei einem gelegentlichen Konsum von Marihuana geblieben, später habe sich die Häufigkeit seines Konsums zeitweise geändert, wobei er für die Zeit nach Mai 2017 unter Berufung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO keine näheren Angaben zu seinem Konsum gemacht hat. Indessen haben sich jedoch auch für die Zeit nach Mai 2017 keine konkreten Anhaltspunkte für eine Drogensucht oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsveränderung ergeben. Die Frage, ob er über Cannabis hinaus Drogen konsumiert hat, hat er nicht beantworten wollen, jedoch haben sich für einen Konsum von harten Drogen keine konkreten Anhaltspunkte ergeben. Er hat allerdings eingeräumt, einmal Cobra-Tabletten, ein Potenzmittel mit dem Wirkstoff Sildenafil, probiert zu haben, dabei habe er jedoch keine Wirkungen auf das psychische Befinden bemerkt. Nicht übersehen hat die Kammer, dass E1 im Gespräch mit seinem Verteidiger in der Justizvollzugsanstalt P. am 04.09.2019, wie der Zeuge Rechtsanwalt F2, sein damaliger Verteidiger, berichtet hat, geäußert hat, dass sein Gedächtnis „nicht mehr richtig“ funktioniere; dabei ist allerdings unklar geblieben, auf welchen Inhalt sich die Äußerung bezogen hat. Auf Vorhalt der Äußerung in der Hauptverhandlung hat der Zeuge E1 angegeben, er könne nicht mehr sagen, wie er die Äußerung gemeint habe, es habe schon Phasen gegeben, in denen sein Gehirn „ausgeschaltet“ gewesen sei; er habe Marihuana konsumiert, um schlafen zu können, da ihn das Wissen über die Tat belastet habe, jedoch habe er keine bleibenden Gedächtnislücken bemerkt. Demnach lassen sich aus der Äußerung gegenüber seinem Verteidiger am 04.09.2019, über ein kurzfristiges Vergessenwollen hinaus, keine näheren Schlüsse auf eine (dauerhafte) Beeinträchtigung seiner Geistestätigkeit bzw. Erinnerungsfähigkeit durch den Konsum von Drogen ziehen.
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Überdies haben sich aus den Angaben der Zeugen B1, E3, R1 und M7 keine konkreten Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum ergeben, der zu einer (dauerhaften) Beeinträchtigung der Geistestätigkeit bzw. Erinnerungsfähigkeit des Zeugen E1 geführt haben könnte. Die Zeugin B1, die sich von Ende September oder Anfang Oktober 2016 bis in das Jahr 2018 in einer Beziehung mit E1 befand, hat keine drogenbedingten Auffälligkeiten oder Probleme des E1 im Zusammenhang mit Drogen erwähnt. Die Zeugin E3, die Mutter des E1, hat angegeben, sie könne nicht sagen, ob ihr Sohn Drogen genommen habe bzw. welche Drogen ihr Sohn genommen habe. Sie habe nur einmal mitbekommen, dass er nach Hause gekommen sei und gesagt habe, es gehe ihm nicht gut, da er Drogen genommen habe; damals, im Jahr 2017 oder 2018, habe er sich drei Tage lang ausgeschlafen, jedoch wisse sie nicht, was er damals genommen habe. Ihr Sohn sei bisher immer einer geregelten Arbeit nachgegangen und sein Chef sei immer mit ihm zufrieden gewesen. Der Zeuge R1 hat zum Drogenkonsum des E1 angegeben, dass E1 nach der Tat des Angeklagten mit dem Konsum von Cannabis begonnen habe und Marihuana und Haschisch konsumiert habe, ohne jedoch zuverlässige Angaben zur Dauer, Menge und Häufigkeit des Konsums machen zu können. Dabei hat er eine Tendenz erkennen lassen, den Konsum des E1 bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung zu übertreiben; denn anders als in einer Chatnachricht des Zeugen R1 an den Verteidiger Prof. Dr. P3 auf „Wh.-A.“ vom 19.06.2022, die der Verteidiger Prof. Dr. P3 der Kammer zur Verfügung gestellt hat und in der R1 auf die Frage, wie viel und wie oft E1 im November 2016 „gekifft“ habe, angegeben hat, E1 habe sich in der Zeit alle drei bis vier Tage ca. 5 g Marihuana „geholt“, hat der Zeuge R1 in der Hauptverhandlung angegeben, E1 habe sich in der Zeit alle drei bis vier Tage ca. 10 g Marihuana „geholt“; die Verdoppelung der Menge hat er auf Vorhalt der Chatnachricht an den Verteidiger vom 19.06.2022 dadurch zu erklären versucht, dass es sich bei den 10 g um die Erwerbsmenge und bei den 5 g um die Konsummenge des E1 gehandelt habe, da ihm E1 jedenfalls einmal erzählt habe, dass er 10 g Marihuana erworben habe; näher konkretisieren hat der Zeuge R1 seine Angaben jedoch nicht können. Überdies hat er angegeben, dass E1 auch Crystal und Cobra-Tabletten konsumiert habe, wobei er zum Konsum von Crystal angegeben hat, lediglich einmal den Erwerb von Crystal, nicht jedoch den Konsum von Crystal durch E1 mitbekommen zu haben, so dass sich hieraus, über einen (möglichen) Probierkonsum von Crystal hinaus keine Anhaltspunkte für einen erheblichen Konsum von Methamphetamin ergeben haben; den Probierkonsum von Cobra-Tabletten, eines Potenzmittels mit dem Wirkstoff Sildenafil, hat der Zeuge E1 selbst eingeräumt, hierbei jedoch keine Wirkungen auf das psychische Befinden geschildert. Der Zeuge M7, der angegeben hat, mit E1 befreundet gewesen zu sein und bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 2017 fast täglich mit ihm in Kontakt gestanden zu haben, da sie in derselben Firma in P. gearbeitet hätten, hat zum Drogenkonsum des E1 berichtet, E1 habe lediglich Marihuana konsumiert; sie hätten öfter gemeinsam „gekifft“, wobei E1 zumeist „maßvoll“ konsumiert habe; manchmal allerdings habe er „es sich richtig gegeben“ und „sich die Birne weggeraucht“; einmal, als sie bei E1 „gekifft“ hätten, sei E1 nicht mehr fahrtüchtig gewesen, so dass er, M7, mit dem Taxi heimfahren habe müssen; näher konkretisieren hat der Zeuge M7 seine Angaben jedoch nicht können. Er sei der „Dealer“ des E1 gewesen, der ihn als Fahrer bei Drogenverkäufen unterstützt habe und bei ihm billiges Marihuana gekauft habe; deshalb sei er sich sicher, dass E1 lediglich Marihuana konsumiert habe, da er andere Drogen ebenfalls bei ihm (billig) bekommen hätte, er andere Drogen jedoch nicht bei ihm gekauft habe. Im Übrigen sei E1 in der Firma, in der sie gearbeitet hätten, als „fleißiger Mann“ geschätzt gewesen; er habe pünktlich und zuverlässig seine Arbeit verrichtet, habe schon einmal etwas getrunken auf der Baustelle, sei aber nicht „bekifft“ auf der Baustelle gewesen.
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Aus den Angaben der Zeugen haben sich mithin keine konkreten Anhaltspunkte für einen Drogenkonsum ergeben, der zu einer (dauerhaften) Beeinträchtigung der Geistestätigkeit bzw. Erinnerungsfähigkeit des Zeugen E1 geführt haben könnte.
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Insofern lässt auch der Umstand, dass E1 mit R1 und L1 am 11./12.03.2017 eine Busfahrt nach Amsterdam mit einem zweitägigen Aufenthalt unternommen hat, um dort Marihuana zu kaufen und zu konsumieren, wie sich aus den Angaben der Zeugen E1, R1 und L1 und den in Augenschein genommen Lichtbildern der Fahrt nach Amsterdam bzw. des Aufenthalts in Amsterdam, aufgenommen am 11.03.2017 und am 12.03.2017, ergeben hat, keine näheren Schlüsse auf eine (dauerhafte) Beeinträchtigung der Geistestätigkeit bzw. Erinnerungsfähigkeit des Zeugen E1 zu. Hierzu hat der Zeuge E1 angegeben, er habe in Amsterdam „gekifft“ und einige Sorten Marihuana probiert, jedoch sei es ihm dort nicht schlecht gegangen. Der Zeuge R1 hat angegeben, E1 habe 15 Sorten Marihuana probiert und sei daraufhin wie ein „Flamingo“ gelaufen, so dass sie sich über ihn lustig gemacht hätten, darüber hinaus hat der Zeuge R1 jedoch keine konkreten Ausfallerscheinungen bei E1 beschreiben können. Die Zeugin L1 hat keine drogenbedingten Auffälligkeiten des E1 in Amsterdam erwähnt. Überdies haben die Zeugen E1, R1 und L1 keine Probleme bei der Rückfahrt am 12.03.2017 berichtet.
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Demnach haben sich bei dem Zeugen E1, über einen gelegentlichen Konsum von Cannabis hinaus, keine konkreten Anhaltspunkte für eine Drogensucht oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsveränderung ergeben.
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In Bezug auf den Zeitpunkt der Informationsaufnahme zum Tatgeschehen, d.h. zu dem Zeitpunkt, als ihm der Angeklagte die Einzelheiten des Tathergangs offenbarte, d.h. am 01.11.2016, stand er nicht unter dem Einfluss von Drogen. Er hat angegeben, er sei ein paar Tage nach dem Tod der H1 als Fahrer mit dem Angeklagten von F. nach P. zum „Burger King“ gefahren; auf der Fahrt habe ihm der Angeklagte den Tathergang geschildert. Er könne sich an jenen Tag noch gut erinnern und habe an jenem Tag keine Drogen konsumiert. Auch sonst haben sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, dass der Zeuge E1 an dem betreffenden Tag unter dem Einfluss von Drogen stand, zumal er die Hin- und Rückfahrt auf der Strecke zwischen F. und P. als Fahrer unfallfrei bewältigen konnte.
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In Bezug auf die Zeitpunkte der Informationswiedergabe in der Hauptverhandlung am 13.05.2022, am 20.06.2022 und am 29.08.2022 stand er ersichtlich nicht unter dem Einfluss von Drogen. In Bezug auf die Zeitpunkte der Informationswiedergabe im Rahmen der Vernehmungen vom 29.08.2019, 06.09.2019 und 09.12.2019 folgt aus dem Schreiben der Justizvollzugsanstalt P. vom 03.06.2022, in der sich der Zeuge E1 von 29.08.2019 bis 09.12.2019 in Untersuchungshaft befand, dass er zu jenen Zeitpunkten nicht unter dem Einfluss von Drogen stand; denn aus dem genannten Schreiben geht hervor, dass ein Drogenscreening beim Zugang in der Justizvollzugsanstalt P. am 29.08.2019 ein negatives Ergebnis erbrachte, dass im Rahmen des Zugangsgespräches durch den Sozialdienst am 02.09.2019 zum Thema „psychiatrisches Erscheinungsbild“ Entzugserscheinungen und Suchtdruck verneint wurden und dass der Zeuge E1 während der Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt P. „weder disziplinarisch noch sonst negativ auffällig“ war. Überdies haben die betreffenden Verhörspersonen Staatsanwältin W4 (29.08.2019), EKHK M2 (06.09.2019) und Richter am Amtsgericht E4 (09.12.2019) keine psychischen Auffälligkeiten des Zeugen berichtet.
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Im Hinblick auf den gelegentlichen Konsum von Cannabis hat die Kammer, beraten durch den Sachverständigen Dr. R7, keine Einschränkungen der kognitiven und mnestischen Fähigkeiten des Zeugen E1 feststellen können. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. R7, den Leiter der Suchtabteilung im Bezirksklinikum M., der seit dem Jahr 1987 im Bezirksklinikum M. tätig ist und über eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Behandlung von Suchtpatienten verfügt, als Sachverständigen zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die kognitiven und mnestischen Fähigkeiten eines Konsumenten befragt. Der Sachverständige Dr. R7 hat ausgeführt, ein gelegentlicher Konsum von Cannabis zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe habe in der Regel keine Auswirkungen auf die Fähigkeit eines Konsumenten, Informationen im Gedächtnis zu behalten und aus dem Gedächtnis abzurufen; der Konsum führe in der Regel nicht zu einer Veränderung oder Löschung der Informationen im Gedächtnis. Der Konsum von Cannabis könne zwar in einzelnen Fällen zu Hirnschäden und Psychosen führen, wenn der Konsum vor dem Ende der Hirnreifung, d.h. vor dem 25. Lebensjahr, stattfinde. Drogeninduzierte Psychosen allein durch den Konsum von Cannabis seien jedoch sehr selten und stünden als „getriggerte Psychosen“ häufig in einem Zusammenhang mit einer psychiatrischen Vorerkrankung, zum Beispiel einer Schizophrenie. Bei einem täglichen Konsum von mehreren Gramm Cannabis über einen längeren Zeitraum könnten auch rein drogeninduzierte Psychosen auftreten, allerdings seien die Betroffenen nach einer Abstinenz von drei bis fünf Tagen in der Regel wieder frei von Symptomen. Bei gesunden Konsumenten träten bei einem gelegentlichen Konsum von Cannabis in der Regel keine Psychosen auf. Ein gelegentlicher Konsum von Cannabis führe bei einem Konsumenten in der Regel nicht zu Hirnschäden oder Gedächtnislücken, zumal nicht jeder Konsum von Cannabis in klinischer Hinsicht zu einer Intoxikation führe. Zwar könne eine Intoxikation im Zeitpunkt der Informationsaufnahme die Wahrnehmungsfähigkeit eines Konsumenten beeinflussen, jedoch beeinträchtige eine Intoxikation zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe nicht die Erinnerungsfähigkeit bzw. die Wiedergabefähigkeit eines Konsumenten und führe nicht zu einer Veränderung bzw. Löschung einer im nüchternen Zustand wahrgenommenen Information im Gedächtnis. Selbst bei einer drogeninduzierten Psychose zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe seien keine längeren kognitiven und mnestischen Einschränkungen aufgrund des Konsums von Cannabis zu erwarten, wenngleich nicht ausgeschlossen werden könne, dass es bei Dauerkonsumenten, die einen täglichen Konsum von mehreren Gramm Cannabis über einen längeren Zeitraum betrieben und sich dadurch in einem „dauerentspannten“ Zustand befänden, zu negativen Auswirkungen auf die kognitiven und mnestischen Funktionen komme.
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Demnach hat die Kammer mit Blick auf den Cannabiskonsum des Zeugen E1 keinen Anlass gesehen, seine kognitiven und mnestischen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen. Der Zeuge E1 stand zum Zeitpunkt der Informationsaufnahme und zu den Zeitpunkten der Informationswiedergabe nicht unter dem Einfluss von Drogen. Für die Zeit zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für eine drogeninduzierte Psychose oder einen auffälligen Dauerkonsum des Zeugen E1. Er ist in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, ist nicht mit staatlichen Sanktionen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln belegt worden und ist nicht durch Einweisungen in eine psychiatrische Einrichtung aufgefallen. Für einen Konsum von harten Drogen, zum Beispiel Methamphetamin, ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte.
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(bbb) Für die Glaubhaftigkeit der tatbezogenen Angaben des Zeugen E1 spricht die Qualität seiner Aussage. Der Zeuge E1 konnte die Umstände und die Gesprächssequenzen bei der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten auf der Fahrt von F. nach P. zum „Burger King“ in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben und beschrieb zahlreiche Details zum Kerngeschehen, zum Beispiel dass H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nichts mehr „herausgebracht“ habe, dass dem Angeklagten schwarz vor den Augen geworden sei, dass das Tatmesser von einem „Bundeswehrshop“ stamme, dass das Tatmesser eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen habe, dass der Angeklagte die Leiche zum „Ausbluten“ in die Badewanne gelegt habe und dass sich der Angeklagte beim Verbringen der Leiche in das Bad Schmerzen am Rücken zugezogen habe.
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Insbesondere handelt es sich bei dem Umstand, dass das Tatmesser eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen habe, um eine ungewöhnliche Einzelheit, die es fernliegen lässt, dass die Aussage erfunden oder das Ergebnis einer Pseudoerinnerung ist, sondern dafür spricht, dass es sich bei dem Umstand um spezifisches Täterwissen handelt, das von dem Angeklagten stammt. Durch die Erwähnung der „Kerbe“ am Messer, eines Umstandes, der abgesehen von dem Zeugen E1 von keinem anderen Zeugen erwähnt wurde und außerhalb der hiesigen Hauptverhandlung, wie sich aus den beispielhaft verlesenen Presseberichten über den Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., in denen zwar eine Verletzung der Zähne, nicht jedoch eine Beschädigung des Messers erwähnt war, ergeben hat, nicht Gegenstand der Presseberichterstattung war, hat der Zeuge E1 seine Aussage im Sinne einer Plausibilitätskontrolle (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (bb)) überprüfbar gemacht; dies würde bei einem lügenden Zeugen eher nicht zu erwarten sein.
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Überdies konnte sich der Zeuge E1 gut an die Stimmungslage des Angeklagten bei der Schilderung des Tathergangs erinnern. Daneben beschrieb er auch eine Vielzahl von nebensächlichen Details, zum Beispiel dass der Angeklagte einen Kindersitz für den H2auf dem Rücksitz des Autos befestigte, dass der Angeklagte ungefähr am Stadtrand von F. mit der Schilderung des Tathergangs begann, dass der Sohn H2im „Burger King“ eine Portion „Pommes“ zu essen bekam und einen „traurigen Eindruck“ machte und dass er ein paar Tage später, als er den Angeklagten zum letzten Mal traf, ein Gitter für die Mikrowelle abholte. In zeitlicher Hinsicht konnte er sich gut daran erinnern, dass die Fahrt zum „Burger King“ am selben Tag stattfand, an dem er den Angeklagten in der Wohnung aufsuchte, um eine Mikrowelle abzuholen; dabei beschrieb er seine Geruchswahrnehmung bei seinem Aufenthalt in der Wohnung und den Umstand, dass der Angeklagte zum Lüften ein Fenster öffnete.
179
Daneben konnte er sich gut an die Situation erinnern, als ihm R1, der Bruder des Angeklagten, über den Sex des Angeklagten mit der Leiche berichtet habe; so beschrieb er, dass er bei dem Gespräch im Auto des R1 vor dem Wohnhaus der L1 gesessen sei und dass es draußen schon dunkel gewesen sei.
180
Bei seiner Aussage nahm der Zeuge E1 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein. Er zeigte nicht das bei Falschaussagen häufig zu beobachtende Bestreben, sich keine Blöße durch das Eingeständnis von Erinnerungslücken zu geben und Antworten um jeden Preis zu produzieren, sondern brachte es jeweils zum Ausdruck, wenn er sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte; auch Vorhalte aus früheren Vernehmungen und aus Chatnachrichten bestätigte er nicht pauschal, sondern nur dann, wenn er sich, nach kritischem Nachdenken, an den Inhalt erinnern konnte.
181
(ccc) Dafür, dass die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen E1 auf seiner Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) sein konstantes Aussageverhalten.
182
(i) Der Zeuge E1, der mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für ihn im Moment seines Erlebens subjektiv, also aus seiner Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in seinen drei Vernehmungen in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei seiner richterlichen Vernehmung am 29.08.2019 als Beschuldigter im Rahmen der Haftbefehlseröffnung vor der Ermittlungsrichterin des Amtsgerichts P. im Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage, bei seiner polizeilichen Vernehmung am 06.09.2019 als Beschuldigter in der Justizvollzugsanstalt P. im Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage und bei seiner richterlichen Vernehmung am 09.12.2019 als Angeklagter im Rahmen der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht des Amtsgerichts P. im Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage geschildert.
183
Die Bekundungen der damaligen Verhörspersonen, der Zeugin Staatsanwältin W4, die die Vernehmung des Zeugen E1 am 29.08.2019 als Ermittlungsrichterin geführt hat, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung des Zeugen E1 am 06.09.2019 geführt hat, und die Vernehmung des Zeugen Richter am Amtsgericht E4, der als Vorsitzender des Schöffengerichts die Vernehmung des Zeugen E1 am 09.12.2019 geführt hat, und die bei ihren Vernehmungen in der Hauptverhandlung ausführlich aus eigener Erinnerung über den Inhalt der Aussagen des Zeugen E1 in den Vernehmungen vom 29.08.2019, 06.09.2019 und 09.12.2019 berichtet haben, haben ergeben, dass der Zeuge E1 die Situation und den Inhalt der Schilderung des Angeklagten über den Tathergang im Kern jeweils mit gleichem Inhalt beschrieben hat; insbesondere hat der Zeuge E1 in den Vernehmungen jeweils beschrieben, dass ihm der Angeklagte im Gespräch geschildert hat, dass H1 geschlafen habe, als er sie mit einem Messer getötet habe; überdies hat er in den Vernehmungen jeweils beschrieben, dass ihm R1, der Bruder des Angeklagten, im Gespräch geschildert hat, dass der Angeklagte nach der Tat mit der Leiche Sex gehabt habe.
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Die Bekundungen des Zeugen Staatsanwalt als Gruppenleiter F3, der als Vertreter der Staatsanwaltschaft P. an den Vernehmungen vom 29.08.2019, 06.09.2019 und 09.12.2019 teilgenommen hat, des Zeugen Rechtsanwalt F2, der als Verteidiger des E1 an den Vernehmungen vom 06.09.2019 und 09.12.2019 teilgenommen hat, und der Zeugen K2 und P4, die als Schöffen an der Hauptverhandlung vom 09.12.2019 teilgenommen haben, haben dies bestätigt.
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(ii) Demnach hat der Zeuge E1 bei seiner Vernehmung am 29.08.2019 im Kern bekundet, dass ihm der Angeklagte ca. eine Woche nach der Tat auf einer Fahrt zum „Burger King“ mit dem Angeklagten und dem Sohn H2über den Tathergang berichtet habe und ihm geschildert habe, dass er, nachdem er im Wohnzimmer eine Flasche Wodka getrunken habe, in das Schlafzimmer gegangen sei und H1 umgebracht habe, indem er auf sie eingestochen habe, als sie geschlafen habe; bei der Tat habe er H1 einen Schnitt in den Hals zugefügt und es sei ihm schwarz vor den Augen geworden. Nach der Tat habe er die Leiche in die Badewanne gelegt, bis sie ausgeblutet gewesen sei; dabei habe er Schmerzen im Rücken gehabt; danach habe er die Leiche in Müllsäcke verpackt. Daneben hat der Zeuge E1 bei der Vernehmung am 29.08.2019 berichtet, dass er an dem Tag, an dem die Fahrt zum „Burger King“ stattgefunden habe, mit seiner damaligen Freundin B1 bei dem Angeklagten eine Mikrowelle abgeholt habe; in der Wohnung sei ihm ein „komischer Geruch“ aufgefallen; an einem späteren Tag habe er mit B1 noch ein Gitter für die Mikrowelle abgeholt. Überdies hat der Zeuge E1 bei der Vernehmung am 29.08.2019 bekundet, dass er von R1, dem Bruder des Angeklagten erfahren habe, dass der Angeklagte nach der Tat mit der Leiche Sex gehabt habe. Zur Vernehmungssituation hat die Zeugin Staatsanwältin W4, die die Vernehmung des Zeugen E1 am 29.08.2019 als Ermittlungsrichterin geführt hat, in der Hauptverhandlung berichtet, sie habe den Zeugen E1 „offen“ befragt und ihn nach der Eröffnung des Tatvorwurfs, wonach ihm eine uneidliche Falschaussage zur Last gelegen habe, „erzählen lassen“; sein Verteidiger sei verhindert gewesen, doch er habe aussagen wollen; sie habe den Eindruck gehabt, dass ihm sein Wissen auf der „Seele“ gelegen habe und er sein Wissen „loswerden“ habe wollen; er sei, angesichts seiner Mimik und Stimmung, nach der Aussage „erleichtert“ gewesen, als ob ein „Stein“ von ihm „abgefallen“ sei.
186
Ebenso hat der Zeuge E1 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 im Kern bekundet, dass ihm der Angeklagte fünf bis sechs Tage oder eine Woche nach der Tat auf einer Fahrt von F. nach P. zum „Burger King“ mit dem Angeklagten und dem Sohn H2über den Tathergang berichtet habe und ihm geschildert habe, dass er, nachdem er im Wohnzimmer eine Flasche Wodka getrunken habe, in das Schlafzimmer gegangen sei und H1 umgebracht habe, indem er auf sie eingestochen habe, als sie geschlafen habe; bei der Tat sei ihm schwarz vor den Augen geworden. Nach der Tat habe er die Leiche zum „Ausbluten“ in die Badewanne gelegt; beim Hineinheben der Leiche in die Badewanne habe er sich am Rücken verletzt; danach habe er die Leiche in Müllsäcke verpackt und sie in die Nische des Kachelofens geschoben. Daneben hat der Zeuge E1 bei der Vernehmung am 06.09.2019 berichtet, dass er an dem Tag, an dem die Fahrt zum „Burger King“ stattgefunden habe, mit seiner damaligen Freundin B1 bei dem Angeklagten eine Mikrowelle abgeholt habe; in der Wohnung sei ihm ein „beißender Geruch“ aufgefallen, so dass der Angeklagte ein Fenster geöffnet habe; an einem späteren Tag habe er mit B1 noch ein Gitter für die Mikrowelle abgeholt. Überdies hat der Zeuge E1 bei der Vernehmung am 06.09.2019 bekundet, dass er von R1, dem Bruder des Angeklagten erfahren habe, dass der Angeklagte nach der Tat mit der Leiche Sex gehabt habe; ob der Angeklagte dabei einen Samenerguss gehabt habe, sei ihm nicht bekannt.
187
Desgleichen hat der Zeuge E1 bei seiner Vernehmung am 09.12.2019 im Kern bekundet, dass ihm der Angeklagte über den Tathergang berichtet habe und ihm geschildert habe, dass H1 geschlafen habe und er sie mit einem Messer erstochen habe. Überdies hat der Zeuge E1 bei der Vernehmung am 09.12.2019 bekundet, dass er von R1, dem Bruder des Angeklagten erfahren habe, dass der Angeklagte nach der Tat die Leiche „sexuell missbraucht“ habe.
188
(iii) Darüber hinaus hat der Zeuge Rechtsanwalt F2, der damalige Verteidiger des Zeugen E1, in der Hauptverhandlung bekundet, er habe den Zeugen E1, nach seiner Festnahme am 29.08.2019, am 04.09.2019 in der Justizvollzugsanstalt P. besucht und mit ihm den Haftbefehl vom 28.08.2019, der gegen ihn wegen uneidlicher Falschaussage erlassen worden sei, besprochen. Bei dem Besuch habe ihm der Zeuge E1 gesagt, dass es stimme, was in dem Haftbefehl stehe, nämlich dass er bei seiner Aussage am 16.10.2017 im Strafverfahren gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. verschwiegen habe, dass ihm der Angeklagte berichtet habe, H1 in ihrem Bett erstochen zu haben, als sie geschlafen habe. Er habe damals eine Falschaussage gemacht, weil der Angeklagte sein „bester Kumpel“ gewesen sei; in der Folge sei er mit der Falschaussage jedoch nicht fertig geworden und sei deshalb beim Arzt gewesen. Der Zeuge Rechtsanwalt F2 hat bekundet, er habe den Zeugen E1 zum Sachverhalt befragt und über seine Angaben in seiner Gegenwart einen Vermerk diktiert, den der Zeuge E1 bestätigt habe. Aus dem Vermerk gehe hervor, dass der Zeuge E1 am 04.09.2019 im Kern angegeben habe, er sei mit dem Auto zu dem Angeklagten nach F. gefahren und sei dann mit dem Angeklagten und dem Kind des Angeklagten nach P. zum „Burger King“ in der N.straße gefahren. Auf der Fahrt dorthin habe der Angeklagte ihm erzählt, dass er seine Freundin erstochen habe, als sie im Bett geschlafen habe. Zuvor habe er eine Flasche Wodka getrunken, dann habe er auf sie eingestochen, dabei sei ihm schwarz vor den Augen geworden. Im „Burger King“ sei ihm nach der Schilderung des Angeklagten schlecht gewesen und er habe eigentlich nichts mehr essen wollen; das Kind des Angeklagten habe einen „traurigen“ Eindruck gemacht. Danach seien sie nach F. zurückgefahren. Er sei an dem Tag bereits vor der Fahrt zum „Burger King“ in der Wohnung des Angeklagten gewesen, um eine Mikrowelle abzuholen; dort habe es „widerlich“ gerochen; an einem späteren Tag habe er noch ein Gitter für die Mikrowelle abgeholt. Darüber hinaus habe er noch „vieles“ von R1 erfahren.
189
(iv) Nicht übersehen hat die Kammer, dass bei den Vernehmungen des Zeugen E1 auch vereinzelte Abweichungen aufgetreten sind; diese geben jedoch weder für sich genommen noch in der Zusammenschau einen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 bzw. an der Glaubhaftigkeit seiner Angaben zum Tatgeschehen zu zweifeln.
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(α) Dass der Zeuge E1, wie sich aus den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt F2 ergeben hat, im Gespräch am 04.09.2019 in der Justizvollzugsanstalt P. bei seiner Beschreibung der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten erwähnt hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, dass er nach der Tat „am nächsten Tag neben der Leiche aufgewacht“ sei, er diesen Umstand bei seinen Vernehmungen am 29.08.2019, 06.09.2019 und 09.12.2019 und in der hiesigen Hauptverhandlung jedoch nicht erwähnt hat, spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1, sondern lässt sich dadurch erklären, dass Gedächtnisinhalte nicht immer vollständig zu jeder beliebigen Zeit abrufbar sind.
191
Er selbst hat auf Vorhalt der betreffenden Passage in der hiesigen Hauptverhandlung angegeben, sich hieran nicht mehr erinnern zu können; er könne nicht mehr sagen, ob ihm der Angeklagte berichtet habe, ob bzw. wann er sich nach der Tat schlafen gelegt habe.
192
Die Kammer sieht indessen keinen Anlass, diesbezüglich von einer Falschaussage oder einer Falscherinnerung des Zeugen E1 am 04.09.2019 auszugehen; stattdessen liegt es nahe, dass (auch) der geschilderte Umstand, wonach der Angeklagte nach der Tat „am nächsten Tag neben der Leiche aufgewacht“ sei, aus der Schilderung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen E1 stammt, da der Angeklagte, wie sich aus der Vernehmung des Zeugen S3 und der Verlesung der Anrufliste aus dem Mobiltelefon des Zeugen S3 ergeben hat und wie der Angeklagte dem Inhalt nach in seiner Einlassung bestätigt hat, in einem Telefonat aus Spanien am 13.11.2016 (auch) dem Zeugen S3 berichtet hat, dass er sich nach der Tat schlafen gelegt habe, am nächsten Tag aufgewacht sei und die Leiche dagelegen sei.
193
Wenngleich es in tatsächlicher Hinsicht, angesichts der Bestellung des (ersten) Goldbarrens durch den Angeklagten am 27.10.2016 um 03:42 Uhr (siehe hierzu unter D. II. 4.) fernliegt, dass der Angeklagte (unmittelbar) nach der Tat für eine längere Zeit neben der Leiche gelegen bzw. geschlafen hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (ee)), kann die Tatsache, dass der Zeuge E1 den betreffenden Umstand allein in dem Gespräch mit seinem Verteidiger am 04.09.2019 erwähnt hat, die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 nicht schmälern.
194
(β) Ebenso spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1, dass er, wie sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, des damaligen Vernehmungsbeamten, ergeben hat, bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 bei seiner Beschreibung der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten erwähnt hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, dass beim Verpacken der Leiche in die Müllsäcke bereits die Totenstarre begonnen habe und an der Leiche „Knochen gebrochen“ seien bzw. dass er, wie sich aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom 09.12.2019 ergeben hat, in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht P. am 09.12.2019 bei seiner Beschreibung der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten erwähnt hat, der Angeklagte habe ihm berichtet, er habe der Leiche „die Knochen gebrochen, damit sie in die Müllsäcke reinpasst“, er im Gespräch mit seinem Verteidiger am 04.09.2019 und bei seinen Vernehmungen am 29.08.2019 und in der hiesigen Hauptverhandlung jedoch keine „Knochenbrüche“ erwähnt hat, sondern lässt sich ebenfalls dadurch erklären, dass Gedächtnisinhalte nicht immer vollständig zu jeder beliebigen Zeit abrufbar sind.
195
Er selbst hat auf Vorhalt der betreffenden Passage in der hiesigen Hauptverhandlung angegeben, sich hieran nicht mehr erinnern zu können; er könne nicht mehr sagen, ob ihm der Angeklagte berichtet habe, dass er der Leiche beim Verpacken in die Müllsäcke die Knochen gebrochen habe.
196
Die Kammer sieht indessen keinen Anlass, diesbezüglich von einer Falschaussage oder einer Falscherinnerung des Zeugen E1 am 06.09.2019 bzw. am 09.12.2019 auszugehen; stattdessen liegt es nahe, dass (auch) der geschilderte Umstand, wonach der Angeklagte der Leiche die Knochen gebrochen habe, aus der Schilderung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen E1 stammt, da, wenngleich an der Leiche der H1 in tatsächlicher Hinsicht keine Knochenbrüche festgestellt worden sind, sich die Überwindung der Totenstarre, wie der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt hat, für einen Laien wie das Brechen von Knochen anfühlen kann (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (gg)). Deshalb kann die Tatsache, dass der Zeuge E1 den Umstand der „Knochenbrüche“ allein in den Vernehmungen am 06.09.2019 und am 09.12.2019 erwähnt hat, die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 nicht schmälern.
197
(γ) Desgleichen spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1, dass er bei seiner Beschreibung der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten erst bei seinen Vernehmungen in der hiesigen Hauptverhandlung erwähnt hat, dass der Angeklagte ihm berichtet habe, dass H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nichts mehr „herausgebracht“ habe und dass das Messer eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen habe, er diese Details jedoch nicht im Gespräch mit seinem damaligen Verteidiger am 04.09.2019 und nicht bei seinen Vernehmungen am 29.08.2019, am 06.09.2019 und am 09.12.2019 erwähnt hat. Dies lässt sich ohne Weiteres durch ein Nacherschließen und dadurch erklären, dass Gedächtnisinhalte nicht immer vollständig zu jeder beliebigen Zeit abrufbar sind. Ein derartiges Nacherschließen ist auch plausibel, da der Zeuge E1 in der hiesigen Hauptverhandlung seit seiner Falschaussage im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. erstmals wieder persönlich von Angesicht zu Angesicht mit dem Angeklagten konfrontiert war und intensiv über das Gespräch mit dem Angeklagten über die Tat befragt wurde. Dabei erfolgte die Schilderung der betreffenden Details aufgrund einer offenen Frage, die keine Informationen zu derartigen Details enthielt; eine andere Quelle als seine Erinnerung an das Gespräch mit dem Angeklagten über die Tat kommt nicht in Betracht. Die Kammer sieht deshalb keinen Anlass, diesbezüglich von einer Falschaussage oder einer Falscherinnerung des Zeugen E1 auszugehen; stattdessen besteht kein Zweifel, dass (auch) die geschilderten Details, wonach H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nichts mehr „herausgebracht“ habe und das Messer eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen habe, aus der Schilderung des Angeklagten gegenüber dem Zeugen E1 stammen, da es sich bei den Details um spezifisches Täterwissen handelt, die sich, wie sich aus den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. P2, Dipl.-Ing. K3 und Dr. D1 ergeben hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (aa) und D. II. 3. c) bb) (4) (c) (bb)), mit dem Verletzungsbild an der Leiche der H1 zwanglos in Einklang bringen lässt; überdies hat die Zeugin L1 bestätigt, dass sie von R1 über den Tathergang erfahren habe, dass H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nicht mehr sprechen habe können (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (cc) (aaa) (i)).
198
(δ) Nicht übersehen hat die Kammer, dass der Zeuge E1 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 angegeben hat, dass er dem M7, einem Freund, der derzeit im Gefängnis sitze, vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. „alle Details“ der Tat erzählt habe, nämlich dass der Angeklagte H1 im Schlaf umgebracht habe und dass er Sex mit der Leiche gehabt habe, dass er jedoch in der hiesigen Hauptverhandlung berichtet hat, dass er dem M7 (lediglich) erzählt habe, dass er Bescheid über die Tat gewusst habe und sich mit M7 über die Tat „ausgetauscht“ habe, ihm jedoch „nicht alles“ und „keine Details“ über die Tat erzählt habe.
199
Diesbezüglich hat der Zeuge M7, wie in seiner polizeilichen Vernehmung am 01.04.2022, über die der Zeuge KHK P5, der damalige Vernehmungsbeamte, aus eigener Erinnerung berichtet hat, in der Hauptverhandlung bekundet, dass er mit E1, mit dem er befreundet gewesen sei und bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 2017 fast täglich in Kontakt gestanden habe, öfter über die Tat gesprochen habe, wobei ihm E1 „einiges“ über die Tat gesagt habe, aber nicht „explizit“; sie hätten nach der Entdeckung der Tat „gemutmaßt“, wie und weshalb der Angeklagte H1 getötet habe, zum Beispiel ob dies oder jenes stimme, ob er die Tat geplant habe, ob er mit H1 gestritten habe oder ob er „besoffen“ gewesen sei, außerdem habe es das Gerücht gegeben, dass der Kopf nur noch halb an der Leiche gehangen habe, jedoch sei nicht zur Sprache gekommen, dass E1 irgendetwas Genaueres gewusst habe. Er wisse nicht mehr, was ihm E1 bei den Gesprächen über die Tat genau gesagt habe, jedoch habe E1 über die „Details“ der Tat „nullkommanull“ berichtet, sondern sie hätten im Gespräch lediglich „Mutmaßungen“ angestellt, wie die Tat abgelaufen sein könnte. Daneben hat der Zeuge M7 erwähnt, dass ihn E1 als Fahrer bei Drogenverkäufen unterstützt habe und dass er der „Dealer“ des E1 gewesen sei, der bei ihm billiges Marihuana gekauft habe, ein Umstand, zu dem E1 unter Berufung auf sein Auskunftsverweigerungsrecht keine Angaben gemacht hat.
200
Demgegenüber ist der Zeuge E1 auch nach Vorhalt seiner Angaben vom 06.09.2019 und der Angaben des Zeugen M7 bei seiner Aussage geblieben, sich mit M7, mit dem er befreundet gewesen sei, zwar über die Tat ausgetauscht zu haben und ihm mitgeteilt zu haben, dass er über die Tat Bescheid gewusst habe, ihm jedoch keine Einzelheiten offenbart zu haben.
201
Ein bestimmter Grund für die Abweichung in den Aussagen des Zeugen E1 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 bzw. in der Hauptverhandlung, die sich auf den Umfang der Informationsweitergabe an M7 bezieht, hat sich nicht finden lassen. Ein Anlass oder ein Grund für den Zeugen E1, hinsichtlich der Informationsweitergabe an M7 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 oder in der Hauptverhandlung bewusst wahrheitswidrige Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich, stattdessen kommt als mögliche Erklärung für die betreffende Abweichung in seinen Aussagen allein eine Erinnerungsungewissheit in Betracht, der der Zeuge E1 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 oder bei seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung unterlegen ist. Derartige Erinnerungsungewissheiten, die nicht das Kerngeschehen betreffen, bedeuten jedoch keine Einschränkung der Aussagegüte, da sie im Einklang mit der Erwartung der Gedächtnispsychologie stehen, mit dem normalen Vergessensprozess bzw. durch Gedächtnisunsicherheiten erklärbar sind und nicht selten (auch) in wahren Aussagen zu finden sind. Dabei erscheint es nicht fernliegend, dass bei dem Zeugen E1, der sich nach seinen Angaben von M7 distanziert hat, mit der Begründung, dass ihm M7 Geld schuldig geblieben sei, die Gedächtniseindrücke aus den Gesprächen mit M7, der sich seit dem Jahr 2017 wegen Betäubungsmitteldelikten in Haft befindet, (auch) angesichts des Zeitablaufs seit den Gesprächen mit M7 verblasst sind. Gleichzeitig ist denkbar, dass der Zeuge M7 doch Einzelheiten zum Tatgeschehen von E1 erfahren hat, diese jedoch bei seiner Vernehmung am 01.04.2022 bzw. bei seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung zugunsten des Angeklagten nicht preisgegeben hat. Denn zum einen fällt bei der Aussage des Zeugen M7 auf, dass nach seiner Schilderung durchaus über konkrete Umstände des Tatgeschehens gesprochen worden ist, die er hinsichtlich des Grades der Gewissheit allerdings als „Mutmaßungen“ beschrieben hat. Zum anderen hat der Zeuge M7 eine Tendenz erkennen lassen, den Angeklagten entlasten zu wollen, indem er zum Beispiel bei seiner Vernehmung ohne näheren Anlass betont hat, er könne sich nicht vorstellen, dass der Angeklagte einen „kaltblütigen Mord“ begangen habe, er könne sich jedoch vorstellen, dass E1 den Angeklagten deshalb belaste, da er ihm die Schuld für das Scheitern seiner Beziehung mit B1 zuschreibe, ein Gesichtspunkt, der sich (auch) in einem Brief des Angeklagten vom 11.12.2019, der auf ein Gespräch zwischen dem Angeklagten und M7 in der Justizvollzugsanstalt S. zurückgeht, findet, der sich jedoch tatsächlich nicht hat erhärten lassen (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (ee)). Letztlich ist der konkrete Inhalt der Gespräche zwischen E1 und M7 nicht mehr aufklärbar, jedoch kann dies offen bleiben.
202
Denn maßgebend für die Bewertung der betreffenden Abweichung in den Aussagen des Zeugen E1 bei seiner Vernehmung am 06.09.2019 bzw. in der Hauptverhandlung ist der Inhalt, den die Abweichung betrifft. Der Umstand, ob E1 dem M7 in den Gesprächen über die Tat „Details“ berichtet hat oder nicht, hat allerdings allein den Umfang bzw. den Personenkreis seiner Informationsweitergabe zum Gegenstand, lässt jedoch den Inhalt seiner Schilderung über das Tatgeschehen unberührt. Daher lässt der Umstand, ob und in welchem Umfang E1 dem M7 seine Informationen über die Tat offenbart hat, keinen Schluss auf seine Glaubwürdigkeit und die Glaubhaftigkeit seiner auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben zu und bleibt für die Entscheidungsfindung im Ergebnis ohne Bedeutung.
203
(ε) Im Übrigen wird die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 nicht durch die Aussagen der Zeugen Richter am Amtsgericht E4, K2 und P4 geschmälert, wonach der Zeuge E1, wie (auch) im Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht P. vom 09.12.2019 protokolliert ist, bei seiner Vernehmung am 09.12.2019 als Ziel der Fahrt, auf der ihm der Angeklagte den Tathergang geschildert habe, anders als bei den drei Vernehmungen in der hiesigen Hauptverhandlung, anders als bei den Vernehmungen vom 29.08.2019 und vom 06.09.2019 und anders als im Gespräch mit seinem Verteidiger vom 04.09.2019, nicht das Schnellrestaurant „Burger King“, sondern das Schnellrestaurant „McDonald’s“ („Mäci“) benannt habe.
204
Diesbezüglich haben die Zeugen Richter am Amtsgericht E4, K2 und P4 angegeben, der Zeuge E1 habe in der Hauptverhandlung am 09.12.2019 nach ihrer Erinnerung berichtet, er sei mit dem Angeklagten beim „McDonald’s“ („Mäci“) gewesen, als ihm der Angeklagte den Tathergang geschildert habe. Desgleichen ist im Protokoll der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht P. vom 09.12.2019 als Aussage des Zeugen E1 protokolliert, er habe damals, als er nach der Tat mit dem Angeklagten beim „Mäci“ gewesen sei, die Details erfahren; er habe gesagt, dass sie geschlafen habe und er sie mit dem Messer erstochen habe.
205
Demgegenüber betonte der Zeuge E1 in der hiesigen Hauptverhandlung auf Vorhalt des Widerspruchs zwischen „Burger King“ oder „McDonald’s“ entschieden, er habe niemals „McDonald’s“, sondern immer „Burger King“ gesagt, auch bei seiner Verhandlung vor dem Amtsgericht P. am 09.12.2019; wenn im Protokoll vom 09.12.2019 „Mäci“ stehe, liege das nicht an seiner Aussage, sondern höchstens an der „Unfähigkeit des Schreibers“.
206
Der Zeuge Staatsanwalt als Gruppenleiter F3, der damalige Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft, und der Zeuge Rechtsanwalt F2, der damalige Verteidiger des Zeugen E1, haben angegeben, keine Erinnerung mehr zu haben, ob der Zeuge E1 in der Hauptverhandlung am 09.12.2019 „Burger King“ oder „McDonald’s“ gesagt habe. Der Zeuge Staatsanwalt als Gruppenleiter F3 hat angegeben, nach seiner Erinnerung habe der Zeuge E1 im Zusammenhang mit der Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten als Schnellrestaurant immer den „Burger King“ benannt; dass er in der Hauptverhandlung am 09.12.2019 den „McDonald’s“ benannt hätte, sei ihm nicht erinnerlich. Der Zeuge Rechtsanwalt F2 hat angegeben, er habe in der Hauptverhandlung am 09.12.2019 keine Aufzeichnungen über das betreffende Schnellrestaurant gemacht; ob der Zeuge E1 in der Hauptverhandlung am 09.12.2019 „Burger King“ oder „McDonald’s“ gesagt habe, sei ihm nicht erinnerlich.
207
Die Zeugin S8, die als Urkundsbeamtin das Protokoll der Hauptverhandlung am 09.12.2019 geführt hat, hat angegeben, sie habe keine Erinnerung mehr daran, ob der Zeuge E1 „Burger King“ oder „McDonald’s“ gesagt habe, sie denke allerdings, dass „Mäci“ gesagt worden sei; als Schnellrestaurants seien ihr sowohl „Burger King“ als auch „McDonald’s“ ein Begriff, wobei für sie „McDonald’s“ bekannter sei als „Burger King“; sie selbst besuche allerdings keine derartigen Restaurants. Bei der Protokollierung in der Hauptverhandlung in Strafverfahren am Amtsgericht führe sie grundsätzlich kein Wortprotokoll, sondern ein Inhaltsprotokoll, es sei denn, dass eine wörtliche Protokollierung beantragt bzw. angeordnet werde. Der Richter am Amtsgericht E4 achte auf eine genaue Protokollierung und gleiche vor der Unterschrift des Protokolls seine Sitzungsmitschrift mit dem Entwurf des Protokolls ab, so dass sie davon ausgehe, dass er eine falsche Protokollierung korrigiert hätte.
208
Ob die Nennung des „McDonald’s“ in der Hauptverhandlung vom 09.12.2019 tatsächlich auf eine Äußerung des Zeugen E1 zurückgeht, wobei auch eine sprachliche Fehlleistung im Sinne eines Versprechens in Betracht zu ziehen sein würde, oder ob sie auf eine andere Quelle, zum Beispiel einen falschen Vorhalt, zurückzuführen ist, oder ob die Erinnerung der Mitglieder des Schöffengerichts bzw. die Protokollierung das Ergebnis einer gedanklichen Fehlassoziation im Sinne einer synonymen Erfassung von „Burger King“ und „McDonald’s“ gewesen ist, kann im Ergebnis dahinstehen. Denn ungeachtet dessen, ob der Zeuge E1 in der Hauptverhandlung vom 09.12.2019 als Schnellrestaurant den „Burger King“ oder den „McDonald’s“ benannt hat, steht fest, dass die betreffende Fahrt, der der Zeuge E1 die Schilderung des Angeklagten über den Tathergang zugeordnet hat, tatsächlich zum „Burger King“ in P. stattgefunden hat. Der Zeuge E1 hat in der Hauptverhandlung mit Nachdruck betont, dass die Fahrt zum „Burger King“ und nicht zum „McDonald’s“ stattgefunden hat und dies insbesondere auch im vertraulichen Gespräch mit seinem Verteidiger am 04.09.2019 so geschildert, wobei er in dem Gespräch am 04.09.2019 (zutreffend) auch die Straße der Filiale des „Burger King“ in P. benannt hat. Daneben wird die Fahrt zum „Burger King“ belegt durch die Chatnachrichten zwischen E1 und B1 und zwischen E1 und R1 vom 01.11.2016 und einem Lichtbild vom 01.11.2016, aufgenommen um 17:53 Uhr, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und das den Angeklagten mit dem Sohn H2vor dem „Burger King“ zeigt; daraus ergibt sich, dass die Fahrt am 01.11.2016 stattgefunden hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (fff) (i)); überdies hat die Zeugin B1, die damalige Freundin des E1 bestätigt, dass die Fahrt zum „Burger King“ stattgefunden hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (cc) (aaa) (i)).
209
(ζ) Schließlich spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1, dass er bei seinen Vernehmungen abweichende Angaben zum Motiv seiner Falschaussage im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. gemacht hat.
210
Diesbezüglich hat er bei seiner richterlichen Vernehmung als Beschuldigter am 29.08.2019 angegeben, er habe damals falsch ausgesagt, weil er Angst vor dem Angeklagten gehabt habe bzw. Angst gehabt habe, selbst Ärger zu bekommen, weil er bei der Polizei bereits andere Angaben, nämlich nichts über die Tat zu wissen, gemacht habe; bei seiner polizeilichen Vernehmung am 12.11.2016 sei der Angeklagte noch auf freiem Fuß gewesen und er habe Angst vor ihm gehabt; er habe sich überlegt, zur Polizei zu gehen, als ihm der Angeklagte von der Tat berichtet habe, habe es jedoch nicht getan.
211
Bei seiner polizeilichen Vernehmung als Beschuldigter am 06.09.2019 hat er angegeben, er habe im Prozess gegen den Angeklagten falsch ausgesagt, indem er nicht gesagt habe, dass er über die Tat Bescheid gewusst habe und die „Details“ gekannt habe, d.h. „das mit dem Schlafen und dem Sex“; er habe das vor Gericht nicht sagen wollen, weil er schon bei der Polizei gelogen habe, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass er lüge und nicht die Wahrheit sage; außerdem habe ihm R1 gesagt, dass er das Gleiche sagen solle wie bei der Polizei und dass er „das mit dem Schlafen und so weiter“ weglassen solle, denn wenn es aufkommen würde, würde der Angeklagte wegen Mordes „lebenslänglich“ bekommen und ca. 23 Jahre ins Gefängnis müssen; dies habe R1 von Prof. Dr. P3 erfahren.
212
Bei seiner Vernehmung als Angeklagter in der Hauptverhandlung vom 09.12.2019 hat er angegeben, er habe den Angeklagten „nicht bewusst schützen“ wollen, doch der Angeklagte sei ein guter Freund gewesen und habe ihm alles erzählt, insbesondere dass H1 geschlafen habe; er habe das bei der Polizei auch schon verschwiegen; außerdem habe ihm R1 gesagt, dass es bei Totschlag eine niedrigere Strafe gebe.
213
Demgegenüber hat er in der hiesigen Hauptverhandlung ohne Zögern angegeben, dass er im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. sein Wissen über die Tat, das er von dem Angeklagten bzw. von R1 erhalten habe, deshalb nicht offenbart habe, weil er den Angeklagten unterstützen habe wollen. Desgleichen hat er bereits im Gespräch mit seinem Verteidiger in der Justizvollzugsanstalt P. am 04.09.2019 angegeben, er habe vor dem Landgericht P. eine Falschaussage gemacht, weil der Angeklagte sein „bester Kumpel“ gewesen sei.
214
Dass er bei seinen Vernehmungen als Beschuldigter am 29.08.2019 und am 06.09.2019 bzw. als Angeklagter am 09.12.2019 (noch) äußere Motive für seine Falschaussage im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. beschrieben hat, er jedoch in der hiesigen Hauptverhandlung, wie bereits im geschützten Rahmen im Gespräch mit seinem Verteidiger am 04.09.2019, ein inneres Motiv, nämlich den Angeklagten zu schützen, beschrieben hat, beeinträchtigt seine Glaubwürdigkeit nicht, sondern lässt sich zwanglos dadurch erklären, dass er als Beschuldigter bzw. Angeklagter bemüht war, seinen eigenen Schuldanteil in milderem Licht darzustellen und äußere Einflüsse für seine Falschaussage zu benennen.
215
(ddd) Die Entstehungsgeschichte der Aussage gibt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Angaben des Zeugen E1 zu zweifeln, insbesondere ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Aussage keine Hinweise auf eine bewusste oder unbewusste fremdsuggestive Beeinflussung des Zeugen E1.
216
Dass er sein Wissen über den Tathergang seiner damaligen Freundin B1 in einer Trennungsphase mitgeteilt hat, ihr später, angesichts des bevorstehenden Prozesses gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., jedoch mitgeteilt hat, seine Erzählung habe nicht gestimmt, lässt sich zwanglos dadurch erklären, dass der Zeuge E1, wie aus den Chatnachrichten zwischen ihm und R1 vom 01.06.2017 hervorgeht (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (fff) (iii)), bestrebt war, sein Wissen über den Tathergang zu verheimlichen und eine Aussage der B1 zulasten des Angeklagten zu verhindern. Diesbezüglich hat der Zeuge E1 in seiner Vernehmung am 06.09.2019, über die der Zeuge EKHK M2 aus eigener Erinnerung berichtet hat, angegeben, er habe zu einem Zeitpunkt vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. seiner damaligen Freundin B1 in einer Trennungsphase, als er sie „zurückhaben“ habe wollen, in einer Chatnachricht geschrieben, dass sie nun endlich die Wahrheit erfahren solle, wie ihre beste Freundin wirklich gestorben sei, nämlich dass der Angeklagte H1 im Schlaf umgebracht habe; überdies sei ihm im Gespräch mit B1 einmal „herausgerutscht“, dass der Angeklagte S2. mit der Leiche gehabt habe. Später, als sie wieder zusammen gewesen seien, habe er ihr allerdings gesagt, dass sie dies nicht aussagen solle, da es nicht stimmen würde und er es sich ausgedacht habe. In der hiesigen Hauptverhandlung hat der Zeuge E1 angegeben, sich nicht mehr erinnern zu können, in welchem Umfang und in welcher Weise er der B1 sein Wissen über den Tathergang mitgeteilt habe, allerdings sei ihm einmal „herausgerutscht“, dass der Angeklagte nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe; später habe er ihr gesagt, dass seine Erzählung nicht gestimmt habe, dies sei jedoch gelogen gewesen. Dass ihr E1 sein Wissen über den Tathergang mitgeteilt hat und danach versucht hat, seine Schilderung zurückzunehmen, indem er ihr erklärte, seine Schilderung würde nicht stimmen, hat die Zeugin B1 bestätigt (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (cc) (aaa) (i)). Sein Verhalten gegenüber B1, zunächst sein Wissen über den Tathergang mit ihr zu teilen, um in einer Trennungsphase durch ein Zeichen des Vertrauens ihre Gunst zu fördern, und sodann seine Schilderung zu widerrufen, um den Angeklagten, seinen Freund, zu unterstützen, ist nachvollziehbar und spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1.
217
Desgleichen ist die Erklärung des Zeugen E1 hinsichtlich seines Aussageverhaltens im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., wonach er sein Wissen über den Tathergang verschwiegen habe, um den Angeklagten zu unterstützen, nachvollziehbar und spricht nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Dass er nach seiner Festnahme am 29.08.2019 bereit war, im Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage umfassend auszusagen, obwohl es ihm, über seine Rechte belehrt, als Beschuldigten bzw. Angeklagten freistand, sich zu äußern oder keine Angaben zur Sache zu machen, hat der Zeuge E1 nachvollziehbar damit erklärt, dass ihn das Wissen über die Tat belastet habe und er die Wahrheit habe sagen wollen; als er am 29.08.2019 bei der Ermittlungsrichterin vernommen worden sei, habe er nicht mehr lügen wollen. Dementsprechend hat die Zeugin S3. W4, die die Vernehmung des Zeugen E1 am 29.08.2019 als Ermittlungsrichterin geführt hat, berichtet, dass der Zeuge E1 nach der Aussage „erleichtert“ auf sie gewirkt habe, und hat der Zeuge Rechtsanwalt F2, sein damaliger Verteidiger berichtet, dass der Zeuge E1 im Gespräch vom 04.09.2019 gesagt habe, dass er mit der Falschaussage vor dem Landgericht P. nicht fertig geworden sei und er deshalb, was seine Mutter, die Zeugin E3 bestätigt hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (cc) (bbb) (i)), zum Arzt gegangen sei.
218
Überdies haben sich im Rahmen der Beweisaufnahme im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren bzw. das Strafverfahren gegen den Zeugen E1 wegen uneidlicher Falschaussage keine Anhaltspunkte für eine Beeinflussung des Zeugen E1 durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Verteidiger oder Gericht mit dem Ziel, eine bestimmte Aussage zu erwirken, oder für eine offene oder heimliche Absprache oder für eine fehlende oder unzureichende Information seines damaligen Verteidigers ergeben. Derartige Anhaltspunkte haben sich in der Hauptverhandlung, trotz ausdrücklicher Befragung, weder aus den Angaben des Zeugen E1, noch aus den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt F2, seines damaligen Verteidigers, noch aus den Angaben der Zeugin S3. W4, des Zeugen EKHK M2, des Zeugen S4. als Gruppenleiter F3 und des Zeugen R1. am Amtsgericht E4, noch aus den Vernehmungsprotokollen ergeben. Insbesondere haben die genannten Zeugen ausdrücklich verneint, dass es offene oder heimliche Absprachen im Sinne einer Verknüpfung von Geständnis und Rechtsfolge gegeben habe. Im Übrigen hat sich kein Hinweis auf eine (unlautere) Druckausübung auf den Zeugen E1 ergeben. Der Zeuge E1 hat selbst bekundet, es sei vor seiner Verhandlung nicht über das Strafmaß gesprochen worden; er habe nicht gewusst, welche Strafe ihn erwarten würde; es habe ihm niemand das Gefühl vermittelt, dass er in Haft bleiben müsse, falls er nicht aussagen würde.
219
Dabei hat die Kammer bedacht, dass der Zeuge E1, der mit Urteil des Amtsgerichts F. vom 09.12.2015 in Verbindung mit Urteil des Landgerichts P. vom 23.06.2016 wegen der zwischen 01.03.2014 und 11.05.2014 mit dem Angeklagten begangenen Diebstähle zu einer Jugendstrafe von 1 Jahr 10 Monaten verurteilt worden war, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, damals unter offener Bewährung stand, dass er sich im Ermittlungsverfahren bzw. Strafverfahren wegen uneidlicher Falschaussage von 29.08.2019 bis 09.12.2019 in Untersuchungshaft befand und dass er für den Fall einer Verurteilung wegen uneidlicher Falschaussage eine Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung gegebenenfalls nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden würde, und den Widerruf der Strafaussetzung der Bewährung hinsichtlich der Jugendstrafe von 1 Jahr 10 Monaten zu besorgen hatte. Dass dies dem Zeugen E1 bewusst war, spiegelt sich wider in einer Chatnachricht des E1 an R1 vom 14.12.2019, in der E1, nachdem er durch das Amtsgericht P. am 09.12.2019 wegen uneidlicher Falschaussage zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, schrieb: „Ändern kann man es eh nicht mehr. Für deinen Bruder ist es scheiße. Der kriegt lebenslänglich und anschließend Sicherungsverwahrung. Und wenn ich nicht ausgesagt hätte, dann wäre ich immer noch drin. Ich hatte noch Bewährung.“ Dies erlaubt indessen nicht den Schluss auf eine (unlautere) Einwirkung auf den Zeugen E1 oder auf eine offene oder heimliche Absprache oder eine Falschaussage, sondern lässt sich zwanglos dahin verstehen, dass der Zeuge E1 vor dem Hintergrund seiner persönlichen Situation nicht mehr bereit war, sein Wissen über den Tathergang zugunsten des Angeklagten zu verheimlichen, und schmälert nicht den Beweiswert seiner Aussagen. Der Zeuge E1 hat selbst bekundet, dass ihm niemand das Gefühl vermittelt habe, dass er in Haft bleiben müsse, falls er nicht aussagen würde.
220
In dem Zusammenhang ist (auch) nicht zu beanstanden, dass sein damaliger Verteidiger in dem Gespräch am 04.09.2019, wie der Zeuge Rechtsanwalt F2 berichtet hat, den Zeugen E1 allgemein auf die Bedeutung eines Geständnisses als mildernder Gesichtspunkt bei der Strafzumessung und als besonderer Umstand bei der Entscheidung über die Aussetzung einer Freiheitsstrafe zur Bewährung hingewiesen hat, denn ein solcher Hinweis ist durch den Verteidiger im Rahmen seiner Beratung zu erteilen und stellt weder eine unlautere Druckausübung noch ein Angebot einer Absprache dar. Der Beweiswert der Aussagen des Zeugen E1 ist hierdurch nicht geschmälert, insbesondere hat der Zeuge E1 in dem Gespräch am 04.09.2019, wie der Zeuge Rechtsanwalt F2 aus sicherer Erinnerung berichtet hat, von Anfang an keinen Zweifel an der Richtigkeit des Vorwurfs in dem Haftbefehl vom 28.08.2019 geäußert, wonach er bei seiner Aussage am 16.10.2017 im Strafverfahren gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. verschwiegen habe, dass ihm der Angeklagte berichtet habe, H1 in ihrem Bett erstochen zu haben, als sie geschlafen habe.
221
(eee) Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat der Zeuge E1 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge E1, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen. Der Zeuge E1 hat insofern lediglich bekundet, dass er für den Schaden aus den mit dem Angeklagten begangenen Diebstählen bislang allein habe aufkommen müssen und dass er deshalb „sauer“ auf den Angeklagten sei und die Erwartung habe, dass sich der Angeklagte „irgendwann“ an dem Schaden beteilige. Dies erlaubt indessen nicht den Schluss auf ein Motiv des Zeugen E1, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten. Er hat selbst bekundet, dass er den Angeklagten im Sommer 2019 in der Justizvollzugsanstalt S. hätte besuchen wollen, um sich mit ihm auszusprechen, er dann jedoch festgenommen worden sei. Dies spiegelt sich wider in den Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 24.08.2019, in denen R1 dem E1 den Wunsch des Angeklagten, ihn zu einer Aussprache im Gefängnis zu besuchen, mitteilt und E1 dem R1 mitteilt, dass er bereit sei, ihn im Gefängnis zu besuchen und sich mit ihm auszusprechen, und dass er den Angeklagten noch genauso möge „wie damals“.
222
(fff) Darüber hinaus finden die Angaben des Zeugen E1 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen E1 und B1, E1 und R1 und E1 und L1.
223
(i) Die Fahrt zum „Burger King“, die der Zeuge E1 geschildert hat, spiegelt sich wider in den Chatnachrichten zwischen E1 und B1 und zwischen E1 und R1 vom 01.11.2016 und einem Lichtbild vom 01.11.2016; daraus ergibt sich, dass die Fahrt, über die der Zeuge E1 berichtet hat, am 01.11.2016 stattfand. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 01.11.2016 um 17:47 Uhr bittet B1 den E1, ihr vom „Burger King“ einen „Crispy Chicken“ und ein „Red Bull“ mitzubringen. E1 sagt ihr in einer Nachricht am 01.11.2016 um 17:52 Uhr zu, dies zu machen. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 01.11.2016 um 17:48 Uhr fragt R1 den E1, ob er sich mit ihm an der „B.-Tankstelle“ treffen wolle. E1 schreibt am 01.11.2016 um 17:52 Uhr zurück, er sei gerade mit dem Angeklagten beim „Burger King“, sie könnten aber später noch kommen. R1 fragt um 17:54 Uhr, wann sie ungefähr kommen würden. E1 schreibt um 17:55 Uhr, sie würden in ca. 45 Minuten kommen, und um 18:36 Uhr, sie würden in zehn Minuten an der „B.-Tankstelle“ sein. R1 schreibt um 18:39 Uhr, dies würde passen. Überdies ist die Fahrt zum „Burger King“ am 01.11.2016 belegt durch ein in Augenschein genommenes Lichtbild vom 01.11.2016, aufgenommen um 17:53 Uhr, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und das den Angeklagten mit dem Sohn H2vor dem „Burger King“ zeigt. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf das Lichtbild auf Bl. 271 in Sonderband III d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen. Diesbezüglich hat der Zeuge E1 angegeben, es könne sein, dass er das Foto gemacht habe, wenngleich er sich nicht mehr daran erinnern könne. Daneben ergibt sich aus den (dargestellten) Chatnachrichten zwischen E1 und R1 (auch), dass es am 01.11.2016, auf der Rückfahrt vom „Burger King“, zu einem Treffen zwischen dem Angeklagten, E1 und R1 an der „B.-Tankstelle“ kam, über das der Zeuge E1 und der Zeuge R1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (aa)) berichtet haben, wenngleich sich der Zeuge E1 bei seiner Aussage in zeitlicher Hinsicht nicht mehr sicher gewesen ist.
224
(ii) Dass sich E1 und R1 nach der Flucht des Angeklagten noch einmal zu zweit an der „B.-Tankstelle“ getroffen haben, spiegelt sich wider in den Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 07.11.2016. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 07.11.2016 fragt E1 den R1, ob er Lust habe auf eine Zigarette und ein „Red Bull“ an der „B.-Tankstelle“. Dies bejaht R1 und sie vereinbaren ein Treffen für 18:30 Uhr. Um 18:12 Uhr schreibt R1, er sei in zehn Minuten da. Daraufhin schreibt E1 um 18:12 Uhr: „Passt, ich auch.“
225
(iii) Dass sich der Zeuge E1 nach der Flucht des Angeklagten und noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit dem Bruder des Angeklagten, R1, über die Einzelheiten des Tathergangs, insbesondere über die Tötung im Schlaf und den Geschlechtsverkehr mit der Leiche, ausgetauscht hat und seine Informationen über den Tathergang mit seiner damaligen Freundin B1 geteilt hat, spiegelt sich in den Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 01.06.2017 wider; daraus geht hervor, dass E1 und R1 (damals) bestrebt waren, ihr Wissen über den Tathergang zu verheimlichen und ihr Aussageverhalten im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. miteinander abzustimmen, ferner eine Aussage der B1 zulasten des Angeklagten im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. zu verhindern. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 01.06.2017 fragt R1 den E1, ob er B1 „alles“ anvertraut habe, was geschehen sei, da sie „alles“ wisse, was nicht einmal seine Freundin L1 wisse, und alles vor Gericht sagen werde; sie habe der L1 eine Sprachnachricht gesandt, in der sie ihr die Informationen „mit Sperma, Zusammenschlagen, im Schlaf“ mitgeteilt habe und ihr berichtet habe, dass er, R1, es ihm, E1, gesagt habe und er, E1, es ihr, B1, gesagt habe. Dabei äußert R1 die Befürchtung: „Wir werden es noch sehen, sie packt alles aus.“ E1 schreibt zurück, das alles wisse die Staatsanwaltschaft ohnehin und er habe ihr nie erzählt, dass der Angeklagte H1 geschlagen habe. Dass es „im Schlaf“ gewesen sei, habe er ihr schon gesagt, da er sich gedacht habe, wenn sie wisse, dass H1 „es“ nicht mitbekommen habe, sei es für sie nicht so schlimm und sie wisse ja nichts, was die Polizei nicht ohnehin wisse. Daraufhin schreibt R1: „Ja, das schon, aber das mit dem Sex steht nicht in der Anklageschrift. Das ist ein Punkt, der scheiße ist.“ Mit dem „Schlagen“ meine er „das im Gefängnis“, d.h. dass der Angeklagte im Gefängnis geschlagen worden ist. E1 schreibt: „Wenn es nicht in der Anklageschrift steht, dann können sie es eigentlich nicht beweisen und dann können sie ja normal nichts tun.“ Daraufhin schreibt R1: „Ja, das schon, aber B1 will aussagen und dich und mich als Zeugen, dass wir es gesagt haben. Müssen wir abstreiten.“ E1 schreibt: „Wenn wir aber beide sagen, dass wir davon nichts wissen. Ja eben! Sie ist in psychiatrischer Behandlung, wer sollte ihr glauben?“ Daraufhin schreibt R1: „Ja, gut, das passt.“ E1 schreibt: „Das war echt das letzte Mal, das ich einer Frau vertraue, alles nur Schlampen, aber das kriegen wir schon, weil ich bei unserer Verhandlung auch nur rumgelogen habe und der Richter hat mir alles abgekauft und hat mich als braven Buben gesehen.“ Daraufhin schreibt R1: „Ja, stimmt. Ja, müssen wir so machen. Die beiden haben nichts auf der Hand. Nur mündliche Aussagen.“ R1 schreibt weiter, B1 habe der L1 einen Screenshot einer Nachricht von ihm, E1, geschickt, in dem er geschrieben habe, er habe „nur einmal gelogen“, bezogen auf „Sperma“. E1 schreibt, ihm falle schon etwas ein, wie er sich da herausrede, auf jeden Fall bleibe er bei der Aussage, dass er „davon“ nichts wisse, auch wenn der Richter ihn einsperren würde, oder er gehe gar nicht zur Verhandlung und mache sich „strafbar“, aber dafür sage er nichts. Daraufhin schreibt R1, er werde sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen und nur das sagen, was dem Angeklagten helfe. R1 schreibt weiter: „Ich würde einfach dabei bleiben, dass du von nichts gewusst hast, anders ist es scheiße für dich.“ E1 schreibt: „Ja, aber ich glaube, B1 kriegt ihre Fotze eh nicht auf vor Gericht, sie ist nur so vorlaut bei Menschen, die sie kennt. Wenn sie mit jemandem von der Bank oder so telefoniert, hat sie immer kaum ein Wort herausgekriegt und ist immer ganz nervös. Ich glaube kaum, dass ihr der Richter sowas glaubt.“ Daraufhin schreibt R1, der Screenshot der Nachricht von ihm, E1, könne ja auf etwas anderes bezogen sein, dann habe B1 nur das, was sie gehört habe. E1 schreibt, er werde sich noch einmal mit ihr treffen und ihr erklären, dass „es“ eine Lüge gewesen sei und er „das“ nur gesagt habe, weil er gewollt habe, dass sie den Angeklagten noch mehr hasse; er werde es ihr schon irgendwie „einrichten“, dass „es“ nicht stimme. E1 schreibt weiter: „Wenn ich keinen Ausweg mehr sehe, klatsche ich sie um und ziehe ihr das Handy ab. Dann hat sie gar nichts.“ Daraufhin schreibt R1, hinsichtlich des Screenshots könne man sich herausreden und B1 habe nichts in der Hand. E1 schreibt, es nerve ihn, dass sich die zwei, B1 und L1, „zusammengerufen“ hätten.
226
Dementsprechend schreibt E1 in einer Nachricht auf „F.“ am 02.06.2017 an B1, er wolle nicht, dass sie „Probleme“ bekomme, und sage ihr jetzt die ganze Wahrheit; das mit dem Sperma habe er erfunden, damit sie bei ihm bleibe. Danach schreibt E1 in einer Nachricht auf „F.“ am 02.06.2017 an L1, er habe B1 gesagt, dass sie Sperma gefunden hätten, dies habe er jedoch erfunden, damit B1 bei ihm bleibe. Daneben schreibt L1 in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 02.06.2017 an R1, E1 habe B1 „alles“ erzählt; sie wolle in die Sache nicht hineingezogen werden.
227
(iv) Die Aussage des Zeugen E1, wonach ihm der Angeklagte den Tathergang auf der Fahrt zum „Burger King“ ohne Gefühlsregungen geschildert habe, wird gestützt durch die Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 24.08.2019. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 24.08.2019 schreibt R1 dem E1, er solle ihn im Namen des Angeklagten fragen, ob er ihn im Gefängnis besuchen könnte, da sich der Angeklagte mit ihm aussprechen wolle, weil ihm „das“ keine Ruhe lasse und er ihm „das“ damals, als „es“ passiert sei, nur „so kalt rübergebracht“ habe und er der Einzige sei, auf den er sich immer verlassen habe können. E1 schreibt am 24.08.2019 zurück, er sei bereit, ihn im Gefängnis zu besuchen und sich mit ihm auszusprechen, aber es sei alles nicht so leicht, weil es doch eine „krasse Aktion“ gewesen sei; er möge den Angeklagten aber trotzdem noch genauso wie damals. Die Chatnachricht des R1 vom 24.08.2019 („so kalt rübergebracht“), die sich allein auf die Art und Weise, nicht jedoch auf den Inhalt der „damaligen“ Schilderung des Angeklagten gegenüber E1 bezieht, deutet darauf hin, dass der Wunsch des Angeklagten nach einer „Aussprache“ mit E1 nicht darin bestand, seine „damalige“ Schilderung in inhaltlicher Hinsicht zu widerrufen, sondern eher darin, nicht den Eindruck eines „gefühlskalten“ Täters bei seinem einstigen besten Freund zu hinterlassen.
228
(ggg) Der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen E1 steht nicht entgegen, dass sich E1 in einem Chat mit dem Angeklagten am 11.11.2016 und am 12.11.2016 und in einem Chat mit L7 am 12.11.2016 und am 13.11.2016 als unwissend hinsichtlich des Tatgeschehens ausgegeben hat.
229
In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 11.11.2016 fragt E1 den Angeklagten, ob H1 noch den „Inhalator“ des Sohnes B2 der B1 habe, da ihn B1 benötige. Der Angeklagte antwortet, er habe keine Ahnung, aber er werde H1 fragen. In einer Nachricht am 12.11.2016 fragt E1 den Angeklagten, wo er sich befinde. Der Angeklagte antwortet, er befinde sich „mit H1 und H2 im Urlaub. Sodann fragt E1 den Angeklagten, ob er H1 schon gefragt habe wegen des „Inhalators“. Der Angeklagte antwortet, der „Inhalator“ befinde sich „im Schrank“, H1 komme „am Freitag“ ohnehin zurück, er bleibe allerdings „in Frankreich“, da er „keinen Bock“ mehr auf die „Scheiße“ in Deutschland habe; er bleibe jedenfalls noch zwei Wochen in Frankreich, da er noch Urlaub brauche vor der Therapie, da er die Therapie sonst nicht ertrage. Die Nachrichten in dem Chat mit dem Angeklagten erwecken für sich betrachtet zwar den Eindruck, dass E1 am 11.11.2016 und am 12.11.2016 (noch) keine Kenntnis über den Tod der H1 hatte, jedoch steht fest, dass es sich hierbei um fingierte Nachrichten des Angeklagten und des E1 gehandelt hat, die gegenüber Dritten eine Urlaubsreise des Angeklagten mit H1 und eine Unkenntnis des E1 über die Tat vorspiegeln sollten, insbesondere hat der Zeuge E1 in der Hauptverhandlung auf Vorhalt des Chats glaubhaft bestätigt, dass er seine Unkenntnis über die Tat simuliert habe. Er hat auf Vorhalt des Chats bekundet, er habe, als der Angeklagte auf der Flucht gewesen sei, freilich schon gewusst, dass H1 tot sei, allerdings habe B1 nach dem Inhalator gefragt und den Chat gelesen, daher hätten er und der Angeklagte in dem Chat so schreiben müssen, als ob er nicht Bescheid über die Tat wissen würde. Daneben hat der Angeklagte in einem Brief an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 02.01.2020 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (5) (g)) bestätigt, dass er vor seiner Flucht dem E1 gesagt hat, H1 getötet zu haben.
230
In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 12.11.2016 fragt L7, ein Freund des E1, den E1, ob tatsächlich die Freundin des Angeklagten umgebracht worden sei. E1 bejaht die Frage und schreibt dem L7, er und seine Freundin seien gerade bei der Polizei gewesen, es sei wahrscheinlich der Angeklagte gewesen und er sei mit dem Sohn verschwunden; die Freundin des Angeklagten sei tot in ihrer Wohnung aufgefunden worden, sie müsse aber schon länger tot sein; es sei „krass“ und „pervers“, er könne es gar nicht glauben, so etwas sehe man normalerweise nur im Fernsehen, der Angeklagte habe „einfach“ einen Menschen umgebracht. Er habe dem Angeklagten geschrieben, als sie „es“ herausgefunden hätten, und habe ihn gefragt, wo er sei; der Angeklagte habe geschrieben, er sei „mit H1 und H2im Urlaub“. In einer Nachricht am 13.11.2016 fragt L7 den E1, ob man wisse, wie die Tat geschehen sei. Daraufhin schreibt E1 am 13.11.2016, die Freundin des Angeklagten habe in Müllsäcken im Ofen gesteckt, wie der Angeklagte sie umgebracht habe, habe man ihm jedoch noch nicht gesagt. Die Nachrichten in dem Chat mit L7 erwecken für sich betrachtet zwar den Eindruck, dass E1 am 12.11.2016 und am 13.11.2016 (noch) keine Kenntnis über den Tod der H1 hatte, jedoch steht fest, dass es sich hierbei um fingierte Nachrichten des E1 gehandelt hat, die eine Unkenntnis des E1 über die Tat vorspiegeln sollten, insbesondere hat der Zeuge E1 in der Hauptverhandlung auf Vorhalt des Chats glaubhaft bestätigt, dass er seine Unkenntnis über die Tat simuliert habe. Er hat bekundet, er habe, als der Angeklagte auf der Flucht gewesen sei, freilich schon gewusst, dass H1 tot sei, allerdings habe er „es“ verheimlichen müssen und sich verstellen müssen, denn er habe ja nicht herumerzählen können, dass er über die Tat schon Bescheid gewusst habe. Daneben hat der Angeklagte in einem Brief an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 02.01.2020 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (5) (g)) bestätigt, dass er vor seiner Flucht dem E1 gesagt hat, H1 getötet zu haben.
231
(cc) Die Aussage des Zeugen E1 wird gestützt durch die Aussagen der Zeugen B1 und E3.
232
(aaa) Insbesondere wird die Aussage des Zeugen E1 gestützt durch die Aussage der Zeugin B1, der (ehemaligen) Freundin des E1. Sie hat bestätigt, dass E1 von dem Angeklagten und von R1 die Einzelheiten des Tathergangs, wonach der Angeklagte H1 im Schlaf getötet habe und Sex mit der Leiche gehabt habe, erfahren hat.
233
(i) Die Zeugin B1, die sich, nachdem sie sich von S4 getrennt hatte, ab Ende September oder Anfang Oktober 2016 in einer Beziehung mit E1 befand, hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass E1 ihr erzählt habe, dass der Angeklagte ihm geschildert habe, H1 „im Schlaf“ getötet zu haben, und dass R1, der Bruder des Angeklagten ihm geschildert habe, dass der Angeklagte nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe.
234
Sie sei ein paar Tage nach dem letzten Treffen mit H1, das am 26.10.2016 stattgefunden habe, mit ihrem damaligen Freund E1 zu dem Angeklagten in die Wohnung in der B.straße … in F. gefahren, um eine Mikrowelle abzuholen, die ihnen der Angeklagte verkauft habe. Sie seien erst draußen vor der Wohnung gestanden, seien jedoch dann mit dem Angeklagten in die Wohnung hineingegangen, da der Sohn H2geschrien habe. Dort seien sie in das Wohnzimmer gegangen, wobei der Angeklagte ein Fenster geöffnet habe, um zu lüften. An der Tür zum Schlafzimmer seien Sachen herumgestanden, so dass man nicht ins Schlafzimmer gehen hätte können. Der Angeklagte habe gesagt, dass H1 bei T1 sei. Er habe gesagt, dass er sich eine „Dreiecksbeziehung“ mit H1 und T1 vorstellen könnte, um H1 nicht zu verlieren. Nachdem sie die Mikrowelle entgegengenommen hätten, seien sie wieder gefahren.
235
Am selben Tag sei E1 mit dem Angeklagten am Abend nach P. zum „Burger King“ gefahren. Er habe ihr gesagt, dass der Angeklagte den Sohn H2zum „Burger King“ mitnehme, da H1 bei T1 sei. Sie könne sich noch gut daran erinnern, weil ihr E1 an dem Abend einen „Crispy Chicken“ vom „Burger King“ mitgebracht habe.
236
Zu einer späteren Zeit, vor dem Prozess gegen den Angeklagten in P., als sie und E1 nach einem Streit zeitweilig getrennt gewesen sein, habe ihr E1 in einer Nachricht über „Wh.-A.“ mitgeteilt, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe. Sie habe einen Screenshot der Nachricht erstellt, den sie allerdings nicht mehr habe. In der Zeit habe er ihr in persönlichen Gesprächen gesagt, sie habe ein Recht, zu erfahren, wie H1, ihre beste Freundin, umgebracht worden sei. Er habe ihr erzählt, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe, dass er die Leiche „vergewaltigt“ habe, dass er sie in der Badewanne „ausbluten“ habe lassen, dass er sie in Müllsäcke verpackt habe, dass er die Füße der Leiche zusammengebunden habe und dass er Katzenstreu über die Leiche gestreut habe. Den Tathergang habe ihm der Angeklagte auf der Fahrt zum „Burger King“ geschildert; über die „Vergewaltigung“ habe ihm R1, der Bruder des Angeklagten, berichtet. Ob er über einen Orgasmus bzw. eine Ejakulation des Angeklagten berichtet habe, wisse sie nicht mehr. Er habe erzählt, dass der Angeklagte nach dem Sex die ganze Nacht neben der Leiche im Bett gelegen sei. Nach der Tat habe der Angeklagte geputzt und „geweißelt“, wobei E1 nicht berichtet habe, dass er dem Angeklagten geholfen hätte. Später habe er ihr indessen gesagt, dass seine Schilderung des Tathergangs nicht stimme, wobei er nicht gesagt habe, was an seiner Schilderung nicht stimme.
237
Zu einer späteren Zeit, der Zeitpunkt sei ihr nicht mehr erinnerlich, habe sie den Screenshot der betreffenden Nachricht, die sie von E1 erhalten habe, an die Freundin des R1, L1, gesandt, da sie ihr zeigen habe wollen, was ihr E1 mitgeteilt habe.
238
Als Zeugin im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. habe sie die Informationen, die sie von E1 erhalten habe, nicht offenbart, obwohl sie überlegt habe, dies zu tun. Sie habe es jedoch („leider“) nicht getan, weil E1 ihr gesagt habe, dass sie insofern nichts sagen solle, da seine Schilderung ohnehin nicht stimme und er ihr mit der Schilderung nur „wehtun“ habe wollen. Sie habe deshalb Angst gehabt, etwas Falsches zu sagen und habe die Informationen verdrängt; sie habe damals gemeint, sie müsse E1 vertrauen.
239
(ii) Die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben der Zeugin B1 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat.
240
(α) Die Aussagetüchtigkeit der Zeugin B1 ist nicht beeinträchtigt.
241
Ihre Fähigkeit, einen Sachverhalt bzw. einen Gedankeninhalt zuverlässig wahrzunehmen, im Gedächtnis zu behalten und bei einer Befragung aus dem Gedächtnis abzurufen, unterliegt keinen Einschränkungen. Sie verfügt, wie sich bei ihrer Vernehmung gezeigt hat, über das erforderliche sprachliche Ausdrucksvermögen, um den Inhalt ihrer Wahrnehmung wiederzugeben. Daran, dass sie in der Lage ist, tatsächliche Erlebnisse von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden, besteht kein Zweifel.
242
Dabei hat die Kammer bedacht, dass die Zeugin B1 in der Hauptverhandlung angegeben hat, sich seit der Tat in psychologischer Behandlung zu befinden, um den Tod ihrer besten Freundin H1 zu verarbeiten. Indessen haben sich bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung keine Besonderheiten in der Person und keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten der Zeugin B1 erkennen lassen, die Anlass geben könnten, ihre kognitiven und mnestischen Fähigkeiten, insbesondere ihre Fähigkeit, einen spezifischen Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen, diesen in der zwischen dem Geschehen und der Befragung liegenden Zeit im Gedächtnis zu behalten, das Ereignis angemessen abzurufen, die Geschehnisse in einer Befragungssituation verbal wiederzugeben und Erlebtes von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden, infrage zu stellen; insbesondere haben sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, dass die Zeugin B1 an einer Persönlichkeitsstörung oder einer anderen psychischen Störung leiden würde, die sich in Bezug auf die Aussagetüchtigkeit niedergeschlagen haben könnte. Die Zeugin war bei ihrer mehrstündigen Vernehmung in der Hauptverhandlung am 10.05.2022 in jeder Hinsicht orientiert und in der Lage, ihre Erlebnisse zu erinnern und verständlich und differenziert wiederzugeben; sie zeigte während der Vernehmung in der Hauptverhandlung keine psychischen Auffälligkeiten.
243
Überdies haben sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der die Zeugin B1 am 28.11.2019 vernommen hat, keine Hinweise auf psychische Auffälligkeiten der Zeugin B1 ergeben.
244
Demnach haben weder die Persönlichkeit noch das Aussageverhalten der Zeugin B1 einen Anlass gegeben, ihre kognitiven und mnestischen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen.
245
(β) Für die Glaubhaftigkeit der tatbezogenen Angaben der Zeugin B1 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin B1 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von E1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben und beschrieb zahlreiche Details zum Kerngeschehen, zum Beispiel dass der Angeklagte H1 in der Badewanne habe „ausbluten“ lassen, dass er die Füße der Leiche zusammengebunden habe und dass er Katzenstreu über die Leiche gestreut habe.
246
Zugleich konnte sie sich gut an die Situation erinnern, als ihr E1 (erstmals) sein Wissen über das Tatgeschehen mitgeteilt habe; so beschrieb sie, dass ihr E1 während einer zeitweiligen Trennung, noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., in einer Nachricht über „Wh.-A.“, von der sie einen „Screenshot“ gefertigt habe, mitgeteilt habe, dass H1 im Schlaf umgebracht worden sei.
247
Daneben beschrieb sie auch eine Vielzahl von nebensächlichen Details, zum Beispiel, dass der Angeklagte bei ihrem Aufenthalt mit E1 in der Wohnung beim Abholen der Mikrowelle ein Fenster zum Lüften öffnete, dass die Tür zum Schlafzimmer mit Sachen verstellt war und dass der Angeklagte über eine „Dreiecksbeziehung“ sprach; außerdem konnte sie sich noch gut daran erinnern, dass ihr E1, als er mit dem Angeklagten und dem Sohn H2zum „Burger King“ fuhr, einen „Crispy Chicken“ mitbrachte; in zeitlicher Hinsicht war ihr noch gut erinnerlich, dass die Fahrt zum „Burger King“ am selben Tag stattfand, an dem sie mit E1 den Angeklagten in der Wohnung aufsuchte, um die Mikrowelle abzuholen.
248
Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin B1 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen.
249
(γ) Dafür, dass die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben der Zeugin B1 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten.
250
Die Zeugin B1, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 28.11.2019 geschildert.
251
Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin B1 am 28.11.2019 geführt hat, haben ergeben, dass die Zeugin B1 die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von E1 erhalten hat, im Kern mit gleichem Inhalt beschrieben hat; insbesondere hat die Zeugin B1 in der Vernehmung am 28.11.2019 beschrieben, dass ihr E1 in einer Trennungsphase, in zeitlicher Hinsicht vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., in einer Nachricht über „Wh.-A.“, von der sie einen Screenshot gemacht habe, mitgeteilt habe, dass der Angeklagte H1 im Schlaf getötet habe; außerdem habe sie von E1 erfahren, dass der Angeklagte Sex mit der Leiche gehabt habe. Sie habe von E1 manche Umstände über „Wh.-A.“ und manche Umstände im Gespräch erfahren; dass der Angeklagte H1 im Schlaf umgebracht habe, habe ihr E1 (erstmals) in einer Nachricht über „Wh.-A.“ mitgeteilt; den Screenshot der Nachricht habe sie der L1 geschickt.
252
Die Bekundungen des Zeugen S4. als Gruppenleiter F3, der als Vertreter der Staatsanwaltschaft P. an der Vernehmung vom 28.11.2019 teilgenommen hat, und des Zeugen Rechtsanwalt R9, der als Verteidiger der B1 an der Vernehmung vom 28.11.2019 teilgenommen hat, haben dies bestätigt.
253
(δ) Die Entstehungsgeschichte der Aussage gibt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Angaben der Zeugin B1 zu zweifeln, insbesondere ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Aussage keine Hinweise auf eine bewusste oder unbewusste fremdsuggestive Beeinflussung der Zeugin B1.
254
Die Erklärung der Zeugin B1 hinsichtlich ihres Aussageverhaltens im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., wonach sie ihr Wissen über das Tatgeschehen verschwiegen habe, da E1 seine Mitteilungen widerrufen habe und sie gemeint habe, ihm vertrauen zu müssen, sie Angst gehabt habe, etwas Falsches zu sagen, und sie die Informationen verdrängt habe, ist nachvollziehbar und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit.
255
Dass sie am 28.11.2019 bereit war, im Ermittlungsverfahren wegen uneidlicher Falschaussage umfassend auszusagen, obwohl es ihr, über ihre Rechte belehrt, als Beschuldigter freistand, sich zu äußern oder keine Angaben zur Sache zu machen, hat die Zeugin B1 nachvollziehbar damit erklärt, dass ihr, als die Polizei wegen uneidlicher Falschaussage gegen sie ermittelt habe und mit einem Durchsuchungsbefehl bei ihr erschienen sei und ihr Handy mitgenommen habe, bewusst geworden sei, dass sie jetzt die Wahrheit sagen müsse und es ihr leid getan habe, dass sie ihr Wissen im Prozess vor dem Landgericht P. verschwiegen habe. In der Folge habe sie einen Strafbefehl erhalten, den sie angenommen habe.
256
Überdies haben sich im Rahmen der Beweisaufnahme im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren bzw. das Strafverfahren gegen die Zeugin B1 wegen uneidlicher Falschaussage keine Anhaltspunkte für eine Beeinflussung der Zeugin B1 durch Polizei, Staatsanwaltschaft, Verteidiger oder Gericht mit dem Ziel, eine bestimmte Aussage zu erwirken, oder für eine offene oder heimliche Absprache oder für eine fehlende oder unzureichende Information ihres damaligen Verteidigers ergeben. Derartige Anhaltspunkte haben sich in der Hauptverhandlung, trotz ausdrücklicher Befragung, weder aus den Angaben der Zeugin B1, noch aus den Angaben des Zeugen Rechtsanwalt R9, ihres damaligen Verteidigers, noch aus den Angaben des Zeugen EKHK M2 und des Zeugen S4. als Gruppenleiter F3 ergeben. Insbesondere haben die genannten Zeugen ausdrücklich verneint, dass es offene oder heimliche Absprachen im Sinne einer Verknüpfung von Geständnis und Rechtsfolge gegeben habe; so hat der Zeuge Rechtsanwalt R9 bekundet, dass vor dem Erlass des Strafbefehls nicht über das Strafmaß gesprochen worden sei. Im Übrigen hat sich kein Hinweis auf eine (unlautere) Druckausübung auf die Zeugin B1 ergeben.
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(ε) Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin B1 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin B1, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen.
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(ζ) Darüber hinaus finden die Angaben der Zeugin B1 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 01.06.2017 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (cc) (fff) (iii)); daraus geht hervor, dass sich B1 mit L1 über den Tathergang ausgetauscht hat; wenngleich in dem Chat nicht der von der Zeugin B1 geschilderte „Screenshot“, der nicht mehr gesichert werden konnte, sondern allein eine „Sprachnachricht“ erwähnt ist, die sie der L1 gesandt habe, spiegelt der Chat deutlich wider, dass B1 die Informationen, die sie von E1 erhalten hat, mit L1 geteilt hat.
259
Der Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin B1 steht nicht entgegen, dass sich B1 in einem Chat mit L1 am 13.08.2019 als unwissend hinsichtlich des „Screenshots“ und des Geschlechtsverkehrs mit der Leiche ausgegeben hat. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 13.08.2019 fragt L1 die B1, ob sie sich noch an die Nachrichten des E1 aus dem Jahr 2017 erinnern könne, die sie, B1, ihr, L1, weitergeleitet habe und in denen gestanden habe, was E1 ihr, B1, über den Angeklagten und H1 geschrieben habe, nämlich dass der Angeklagte die H1 im Schlaf getötet habe und er sie dann nochmals vergewaltigt habe; sie habe damals einen Screenshot der Nachrichten gemacht. Daraufhin schreibt B1, sie habe ihr nichts geschickt und wisse nichts mehr von derartigen Nachrichten. L1 schreibt: „Ja, eh egal, wenn du es nicht mehr weißt, das geht auf alle Fälle zur Kripo. Ich habe die ganze Zeit die Fresse gehalten, weil er mir drohte, dass er mir das Gleiche antut, wenn ich die Fresse aufmache. Und ich werde auspacken. So wie es wirklich war. E1 hat dir da die Wahrheit geschrieben, E1 und R1 wussten alles, deswegen das mit der Mirowelle usw. Sie haben dem R zur Flucht verholfen.“ Daraufhin schreibt B1: „Ja, aber was mischst du mich damit ein?“ L1 schreibt, sie wolle, dass die Wahrheit an das Licht komme; auf den Screenshots stehe das, was E1 ihr, B1, damals mitgeteilt habe, „das mit dem Sperma und im Schlaf“, es sei im Sommer 2017 gewesen, allerdings befänden sich die Screenshots auf ihrem alten Handy. Daraufhin schreibt B1, sie habe mit E1 nicht über so etwas geschrieben und nicht einmal gewusst, dass der Angeklagte H1 vergewaltig habe. Die Nachrichten in dem Chat mit L1 erwecken für sich betrachtet zwar den Eindruck, dass B1 keine Kenntnis von einem „Screenshot“ und einem Geschlechtsverkehr mit der Leiche hatte, jedoch steht fest, dass B1 in dem Chat eine Unkenntnis über den „Screenshot“ und einen Geschlechtsverkehr mit der Leiche lediglich simuliert hat. Sie hat auf Vorhalt des Chats glaubhaft bekundet, sie habe, als L1 im Jahr 2019 wegen des „Screenshots“ bei ihr angefragt habe, den Eindruck erwecken wollen, nichts mehr zu wissen; sie habe sich damals nicht mehr erinnern wollen, habe ihr Wissen verdrängt und habe nicht in die Sache hineingezogen werden wollen, tatsächlich könne sie sich jedoch an den Screenshot und an die Mitteilung des Geschlechtsverkehrs mit der Leiche erinnern.
260
(bbb) Daneben wird die Aussage des Zeugen E1 gestützt durch die Aussage der Zeugin E3, der Mutter des E1.
261
(i) Die Zeugin E3 hat in der Hauptverhandlung bekundet, ihr Sohn E1 sei seit dem Jahr 2016 sehr verschlossen gewesen, sei in der Familie nicht mehr so „lustig“ gewesen und habe nicht mehr an Ausflügen der Familie teilgenommen. Im Januar oder Februar 2019 sei er auf sie zugekommen und habe gesagt: „Mama, ich kann nicht mehr.“ Er habe gesagt, er könne nicht mehr schlafen und nicht mehr essen, aber er könne mit ihr nicht darüber reden. Sie habe ihm gesagt, er solle zu seinem Hausarzt, Dr. H10 in Ri., gehen und mit ihm sprechen und sich etwas verschreiben lassen. Er sei dann zum Hausarzt gegangen. Nach einer Weile sei er zurückgekommen und habe gesagt, ihm sei nun leichter, da er mit jemandem reden habe können; er habe Tabletten zum Schlafen und für die Nerven bekommen. Sie habe ihn noch einmal gefragt, weshalb er mit ihr nicht reden könne. Erst habe er „herumgedruckst“, dann habe er gesagt, dass er wisse, wie H1 umgebracht worden sei; der Angeklagte habe es ihm persönlich erzählt. Es sei ein Schock für sie gewesen und sie sei nervlich sehr angespannt gewesen. Sie wisse nicht mehr, ob sie hinsichtlich der Einzelheiten nachgefragt habe, jedenfalls hätten sie zunächst nicht mehr über das Thema gesprochen.
262
Am 30.08.2019 habe sie einen Anruf von der Polizei erhalten, in dem ihr mitgeteilt worden sei, dass sich ihr Sohn in Untersuchungshaft befinde. Dabei sei ihr nicht der Gedanke gekommen, dass es mit der Tötung von H1 zu tun haben könnte, sondern sie habe sich gedacht, dass ihr Sohn etwas „angestellt“ habe. Sie habe ihn nach ca. drei Wochen im Gefängnis besuchen dürfen, da habe er ihr gesagt, dass er wegen einer Falschaussage verhaftet worden sei. Er habe gesagt: „Mama, ich habe dir ja gesagt, dass ich weiß, wie sie umgebracht worden ist.“ Dann habe er gesagt, er sei froh, dass es jetzt „heraus“ sei, denn dann brauche er nicht mehr lügen.
263
Am 09.12.2019 habe er seinen Prozess vor dem Amtsgericht P. gehabt und sei verurteilt worden. In der Verhandlung, bei der sie im Saal gesessen sei, habe ihn der Richter oder der Staatsanwalt gefragt, ob es stimme, dass H1 „im Schlaf“ getötet worden sei. Er habe die Frage bejaht. Nach der Verhandlung seien sie gemeinsam heimgefahren. Auf der Fahrt habe sie ihn gefragt, ob es wirklich stimme, was er in der Verhandlung gesagt habe. Er habe gesagt: „Ja, Mama, ich lüge nicht mehr, ich bleibe bei der Wahrheit.“ Danach hätten sie über das Thema nicht mehr gesprochen.
264
(ii) Die Angaben der Zeugin E3 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin E3 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin E3 konnte die Belastung und das Verhalten des E1 im Zusammenhang mit seinem Wissen über den Tathergang und die betreffenden Gesprächssequenzen in sich stimmig, frei von inhaltlichen Strukturbrüchen und detailliert beschreiben. Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin E3 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen. Dafür, dass die Angaben der Zeugin E3 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten. Die Zeugin E3, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 22.02.2022 geschildert. Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin E3 am 22.02.2022 geführt hat, haben dies ergeben. Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin E3 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin E3, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen.
265
(dd) Dass der Angeklagte dem E1 das Tatgeschehen geschildert hat, geht (auch) aus der Aussage des Zeugen M6, eines Freundes des E1, hervor, der glaubhaft bekundet hat, dass ihm E1 im Jahr 2018 oder 2019 berichtet habe, dass er im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. gelogen habe und er tatsächlich bereits vor dem Auffinden der Leiche gewusst habe, dass der Angeklagte H1 umgebracht habe, da ihm der Angeklagte den Tathergang erzählt habe. Er habe dem E1, den das Mitwissen über die Tat belastet habe, gesagt, er wolle nichts über die Tat wissen, so dass ihm E1 keine näheren Einzelheiten über den Tathergang erzählt habe.
266
(ee) Der Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 und der Glaubhaftigkeit seiner Angaben steht nicht entgegen, dass der Angeklagte in einem Brief an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 11.12.2019, den der Verteidiger Prof. Dr. P3 in der Hauptverhandlung übergeben hat und der verlesen worden ist, (zunächst) in Abrede gestellt hat, mit E1 über die Tat gesprochen zu haben; überdies hat sich das in dem Brief vom 11.12.2019 aufgeworfene Belastungsmotiv des Zeugen E1, wonach E1 dem Angeklagten die Schuld für das Scheitern seiner Beziehung mit B1 zugeschrieben habe, nicht erhärten lassen, sondern ist ohne Substanz geblieben.
267
(aaa) In dem Brief vom 11.12.2019 schreibt der Angeklagte an den Verteidiger, dass er mit E1 „nie“ über die Tat gesprochen habe, jedoch mittlerweile wisse, weshalb E1 und B1 einen „Hass“ auf ihn hätten. Denn heute, am 11.12.2019, sei der Mithäftling M7 zu ihm in den Haftraum gekommen und habe ihm berichtet, dass er aus dem Radio und aus der Zeitung erfahren habe, dass E1 gegen ihn, den Angeklagten, ausgesagt habe; er, M7, sei fassungslos gewesen und habe es nicht glauben können, da er damals sehr eng mit E1 befreundet gewesen sei und im Zeitraum von Oktober 2016 bis Februar 2017 „fast jeden Tag“ mit ihm verbracht habe. Er, M7, habe sich, nachdem damals in der Presse über die Tat berichtet worden sei und nach ihm, dem Angeklagten, gefahndet worden sei, mit E1 über die Tat unterhalten, jedoch habe E1 „genauso wenig“ über die Tat gewusst wie er. Da E1 und M7 ein „inniges Vertrauensverhältnis“ gehabt hätten, hätte E1 dem M7, so der Angeklagte, „definitiv“ etwas erzählt, wenn er etwas über die Tat gewusst hätte.
268
M7 habe weiter berichtet, dass er beobachten habe können, dass die Beziehung zwischen E1 und B1 unter der Tat des Angeklagten gelitten habe, da sie eine unterschiedliche Sicht auf die Tat gehabt hätten und sich deswegen gestritten hätten; während B1 mehrmals gesagt habe, dass der Angeklagte für immer weggesperrt werden sollte, habe E1 immer gesagt, man müsse zuerst die Hintergründe der Tat kennen, um sich ein Urteil über den Angeklagten zu bilden. Im Zeitraum nach Weihnachten habe E1 herausgefunden, dass B1 und T1 ein (sexuelles) Verhältnis gehabt hätten, da B1 jemanden gebraucht habe, um über den Tod von H1 zu reden. E1 sei außer sich gewesen und habe Rat bei M7 gesucht, der ihm geraten habe, die Beziehung zu beenden, was er zunächst auch getan habe; allerdings habe E1 den T1 zur Rede stellen und schlagen wollen. Deshalb sei E1 in seinem Auto mit ihm, M7, nach Fü. gefahren, um T1 aufzulauern und um zu schauen, wo er wohne. Sie hätten die Suche allerdings nach ca. einer Stunde aufgegeben und seien nach Hause gefahren. E1 habe zu ihm, M7, gesagt, dass er, der Angeklagte, „an all dem“ schuld sei, denn hätte er H1 nicht umgebracht, wäre „das“ mit B1 und T1 nicht „passiert“, da E1 den Angeklagten im Gespräch mit B1 immer in Schutz genommen habe, dies jedoch B1 nicht gepasst habe.
269
Der Angeklagte schreibt weiter, E1 habe anscheinend von Tag zu Tag mehr „Hass“ auf ihn gehabt, da ihm das Kind der B1 sehr wichtig gewesen sei. Überdies habe er „von mehreren Seiten“ gehört, dass B1 und die Exfreundin seines Bruders (gemeint ist offenbar L1) den E1 und seinen Bruder mit „irgendetwas“ erpresst hätten, er könne jedoch nicht sagen, mit was; dies habe ihm sein Bruder bereits mitgeteilt, als er sich noch in Untersuchungshaft befunden habe. Er wisse jedenfalls, dass B1 jetzt die Polizei „eingeschaltet“ habe und sie oder die Exfreundin seines Bruders ein Gespräch aufgezeichnet hätten, in dem E1 irgendetwas über ihn sage; deswegen sei E1 verhaftet worden und in Untersuchungshaft gekommen.
270
(bbb) Diesbezüglich hat der Zeuge M7, der mit dem Angeklagten und mit E1 befreundet ist bzw. war und sich seit dem Jahr 2017 in Haft befindet, in der Hauptverhandlung bekundet, dass ihm E1 „einiges“ über die Tat gesagt habe, aber nicht „explizit“; sie hätten „gemutmaßt“, wie und weshalb der Angeklagte H1 getötet habe, jedoch sei nicht zur Sprache gekommen, dass E1 irgendetwas Genaueres gewusst habe (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (ccc) (iv) (δ)). Mit E1 habe er damals, bis zu seiner Inhaftierung im Jahr 2017, fast täglich Kontakt gehabt, da sie in derselben Firma in P. gearbeitet hätten. Er könne sich deshalb nicht vorstellen, dass E1, wenn er etwas über die Tat gewusst hätte, sich nicht ein einziges Mal im Gespräch mit ihm „verschwatzt“ hätte. Nach seiner Inhaftierung im Jahr 2017 habe er mit E1 keinen Kontakt mehr gehabt.
271
Den Angeklagten, mit dem er befreundet sei, habe er Ende 2019 in der Haft getroffen, nachdem er in die Justizvollzugsanstalt S. verlegt worden sei. Zuvor habe ihm seine Schwester, die „viele Leute“ kenne, bei einem Besuch erzählt, dass sie gehört habe, dass sich E1 und B1 gestritten hätten und dass B1 gesagt habe, sie wolle den E1 „ins Gefängnis bringen“. Seine „Erkenntnisse“ habe er dann in der Justizvollzugsanstalt S. dem Angeklagten mitgeteilt, allerdings habe er nie davon gesprochen, dass E1 oder R1 erpresst würden.
272
In Bezug auf die im Brief des Angeklagten vom 11.12.2019 behauptete Eifersucht des E1 auf T1 und die behauptete Fahrt des E1 mit M7 nach Fü. hat der Zeuge M7 (zunächst) angegeben, er wüsste nicht, dass er einmal mit E1 nach Fü. gefahren sei, um dort jemanden zu suchen, doch sei er bestimmt schon einmal mit E1 in Fü. gewesen. E1 und B1 hätten sich öfter gestritten, doch er wüsste nicht, weshalb E1 auf T1, den er selbst nicht persönlich kenne, eifersüchtig hätte sein sollen. Nach intensiver Befragung hat er (sodann) angegeben, er könne sich doch erinnern, dass er mit E1 einmal in dessen Auto, einem Toyota, nach Fü. gefahren sei, um das Auto einer Person, bei der es sich um T1 gehandelt haben könne, zu suchen; dies müsse im Sommer gewesen sein, da E1 im Winter einen Audi nutze; es könne allerdings auch Ende 2016 oder Anfang 2017 gewesen sein; nach ca. einer Stunde, es habe schon gedämmert, hätten sie die Suche allerdings abgebrochen. Er könne sich auch erinnern, dass E1 einmal eifersüchtig gewesen sei und den Verdacht gehabt habe, dass B1 fremdgegangen sei, er wisse jedoch nicht, ob sich der Verdacht auf T1 bezogen habe; er habe dem E1 geraten, sich von B1 zu trennen, da sie sich öfter gestritten hätten, jedoch sei dies E1 schwergefallen, da ihm das Kind der B1 ans Herz gewachsen sei. Er könne sich nicht daran erinnern, dass ihm E1 gesagt habe, dass er dem Angeklagten die Schuld für die Probleme in der Beziehung mit B1 gebe, jedoch könne er sich das vorstellen, da E1 und B1, die die beste Freundin von H1 gewesen sei, eine unterschiedliche Meinung hinsichtlich der Tat des Angeklagten gehabt hätten und sich auch deswegen gestritten hätten; während B1 die Schuld für die Tat allein bei dem Angeklagten gesehen habe, habe E1 den Angeklagten in Schutz genommen und darauf hingewiesen, dass die Beziehung mit H1 auch für den Angeklagten nicht leicht gewesen sei. Bei seinem letzten Kontakt mit E1, sei E1 allerdings noch nicht von B1 getrennt gewesen.
273
(ccc) Der Kernaussage im Brief des Angeklagten an den Verteidiger vom 11.12.2019, wonach der Angeklagte mit E1 „nie“ über die Tat gesprochen habe, die sich in der Annahme des Zeugen M7 widerspiegelt, wonach davon ausgegangen werden müsse, dass ihm E1 die näheren Einzelheiten der Tat berichtet hätte, wenn er über den Tathergang Bescheid gewusst hätte, hat der Angeklagte selbst widersprochen in einem (weiteren) Brief an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 02.01.2020, den der Verteidiger Prof. Dr. P3 in der Hauptverhandlung übergeben hat und der verlesen worden ist, in dem der Angeklagte selbst bestätigt hat, dass er vor seiner Flucht dem E1 erzählt habe, dass er H1 im Schlafzimmer umgebracht („erstochen“) habe; er habe ihm zum Tathergang allerdings lediglich erzählt, dass sie „auf einmal“ tot „auf dem Boden“ gelegen habe, nicht, dass sie geschlafen habe; abgesehen von dem Widerspruch zwischen den beiden Briefen vom 11.12.2019 und vom 02.01.2020 im Hinblick auf das „ob“ einer Erzählung des Tathergangs gegenüber E1 steht die Schilderung im Brief vom 02.01.2020, wonach die Leiche nach der Tat „auf dem Boden“ gelegen habe, allerdings offensichtlich in Widerspruch mit dem Spurenbild in der Wohnung, das die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer als Tatort ausweist (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)); im Übrigen bleibt das Bestreiten im Brief vom 02.01.2020, dem E1 über die Tötung im Schlaf erzählt zu haben, ohne konkrete Substanz.
274
Überdies hat sich das im Brief vom 11.12.2019 aufgeworfene Belastungsmotiv des Zeugen E1, wonach E1 dem Angeklagten die Schuld für das Scheitern seiner Beziehung mit B1 zugeschrieben habe, das sich in der Aussage des Zeugen M7 lediglich ansatzweise widergespiegelt hat, nicht erhärten lassen und findet insbesondere keine Stütze in den Aussagen der Zeugen E1, B1 und T1. Insofern haben die Zeugen E1 und B1 übereinstimmend bekundet, dass ihre Beziehung Ende September oder Anfang Oktober 2016 begonnen habe und ca. eineinhalb Jahre gedauert habe, bevor sie sich im Jahr 2018 getrennt hätten; zwar sei es in der Beziehung wiederholt zu kurzfristigen Trennungen gekommen, jedoch haben weder der Zeuge E1 noch die Zeugin B1 einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den kurzfristigen Trennungen bzw. der endgültigen Trennung und der Tat des Angeklagten bzw. einem (etwaigen) Verhältnis zwischen B1 und T1 hergestellt, wenngleich die Kammer nicht übersehen hat, dass E1 der B1 (erstmals) in einer Trennungsphase sein Wissen über die Tat mitgeteilt hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (ddd)), um durch ein Zeichen des Vertrauens ihre Gunst zu fördern, was indessen nicht den Schluss zulässt, dass Meinungsverschiedenheiten über die Tat des Angeklagten oder eine Eifersucht des E1 auf T1 für die Trennung ursächlich gewesen sein könnten. Ein sich aus der Beziehungsgeschichte zwischen E1 und B1 ergebendes Belastungsmotiv, das sich auf das Aussageverhalten des Zeugen E1 bzw. der B1 niedergeschlagen haben könnte, ist mithin nicht erkennbar; dass das Kind der B1, das nicht von E1 stammt, für E1 eine derartige Wichtigkeit gehabt hätte, um nach der Trennung sein Aussagverhalten zu beeinflussen, erschließt sich nicht. Insbesondere hat sich die Behauptung eines Verhältnisses zwischen B1 und T1 nicht erhärten lassen. Diesbezüglich hat der Zeuge E1 angegeben, insofern keinen Verdacht gehegt zu haben. Es könne sein, dass er mit M7 einmal über T1 gesprochen habe, auch sei ihm bekannt, dass T1 in Fü. wohne, jedoch nicht, wo er genau wohne; er sei auch schon einmal in Fü. gewesen, jedoch nicht mit M7 und nicht, um T1 zu suchen. Er habe mit T1 noch nie ein Problem gehabt, auch habe er nie von Gerüchten gehört, wonach B1 und T1 einmal miteinander „angebandelt“ hätten. In der Beziehung seien sie immer wieder einmal „auseinander“ gewesen, letztlich habe sich B1 von ihm getrennt; er habe die Trennung zwar bedauert, sich jedoch damit abgefunden, da die Beziehung ohnehin nicht mehr „hingehauen“ habe. Daneben hat die Zeugin B1 angegeben, sie habe sich nach der Tat zwei Mal mit T1 getroffen, da er die einzige Person gewesen sei, die mit H1 etwas zu tun gehabt habe. Sie habe damals allerdings eine Beziehung mit E1 gehabt und habe für T1 nichts empfunden und nichts von ihm gewollt; sie habe sich sicher nicht an T1 „herangemacht“. Desgleichen hat der Zeuge T1 angegeben, er habe sich nach der Beerdigung von H1 zwei Mal, zuletzt im Februar oder März 2017, mit B1 getroffen. Die Initiative für die Treffen sei von B1 ausgegangen; sie habe über „Wh.-A.“ mit ihm Kontakt aufgenommen, da sie über H1 reden habe wollen. Er habe den Eindruck gehabt, dass sie sich in ihn verliebt habe, er sei aber nicht darauf eingegangen, da es aus seiner Sicht gegenüber H1 nicht richtig gewesen wäre. Bei den Treffen sei es nicht zu Zärtlichkeiten gekommen, außerdem sei B1 damals mit E1 zusammen gewesen. Er habe danach keinen Kontakt mehr mit B1 gehabt, da er bald darauf eine Beziehung mit einer anderen Frau gehabt habe. Ein Zusammenhang zwischen dem Beziehungsende von E1 und B1 und der Tat des Angeklagten bzw. einem Verhältnis zwischen B1 und T1, das sich nicht feststellen hat lassen, ist mithin nicht ersichtlich.
275
Ob die im Brief des Angeklagten an den Verteidiger vom 11.12.2019 behauptete Fahrt von E1 und M7 nach Fü., die der Zeuge E1 bestritten hat und die der Zeuge M7 erst nach (tatsächlichen oder simulierten) Erinnerungsschwierigkeiten, allerdings ohne nähere zeitliche Einordnung, beschrieben hat, während er sie in seiner polizeilichen Vernehmung vom 01.04.2022, über die der damalige Vernehmungsbeamte KHK P5 aus eigener Erinnerung berichtet hat, nicht erwähnt hat, tatsächlich stattgefunden hat, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung, da sie selbst für den Fall, dass sie stattgefunden hätte, weder einen Schluss auf ein Belastungsmotiv des Zeugen E1 noch sonst einen Schluss gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 erlauben würde. Denn selbst wenn der Zeuge E1 damals den Verdacht eines Verhältnisses zwischen B1 und T1 gehabt hätte, ist nicht ersichtlich, dass ein derartiger Verdacht zum Ende seiner Beziehung mit B1 geführt haben sollte, da die Beziehung erst ein Jahr später, im Jahr 2018, endete, ohne dass insofern ein Zusammenhang mit T1 erkennbar wäre. Dass sich hieraus ein Belastungsmotiv für den Zeugen E1 ergeben sollte, das ihn noch lange Zeit später, bei seinen Vernehmungen im Jahr 2019 bzw. bei seinen Vernehmungen in der Hauptverhandlung zu einer wahrheitswidrigen Aussage zum Nachteil des Angeklagten veranlassen könnte, erschließt sich nicht; im Übrigen besteht (auch) kein Sachzusammenhang der behaupteten Fahrt nach Fü. mit den auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen E1.
276
Die im Brief des Angeklagten vom 11.12.2019 in den Raum gestellte „Erpressung“ des E1 bzw. des R1 ist ohne Anhaltspunkt geblieben und hat insbesondere keine Stütze in den Angaben des Zeugen E1 und des Zeugen R1 gefunden. Unzutreffend ist daneben mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Aussage der Zeugin B1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (cc) (aaa) (ii) (δ)) und der Zeugin L1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (cc) (aaa) (ii) (δ)) die Behauptung, B1 habe die Polizei „eingeschaltet“; stattdessen hat sich nicht B1, sondern L1 am 19.08.2019 mit ihren Informationen über das Tatgeschehen an die Polizei gewandt und hierbei der Polizei eine Tonbandaufnahme eines Gesprächs zwischen ihr und R1 vom 01.06.2017 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (eee)) zur Verfügung gestellt; wenngleich insofern nicht fernliegt, dass L1 bei Streitigkeiten mit R1 gedroht haben mag, ihre Informationen über das Tatgeschehen bzw. die Tonbandaufnahme der Polizei zur Verfügung zu stellen, besteht für eine „Erpressung“, die sich auf das Aussageverhalten des Zeugen E1 bzw. des Zeugen R1 ausgewirkt haben könnte, kein Anhaltspunkt.
277
Unverständlich geblieben ist die Aussage des Zeugen M7, wonach B1 angekündigt habe, den Zeugen E1 „ins Gefängnis bringen“ zu wollen, da insofern einerseits kein Anlass und kein Grund für ein derartiges Bestreben erkennbar ist und andererseits nicht ersichtlich ist, dass ein derartiges Bestreben in einem Zusammenhang mit der Tat des Angeklagten stünde.
278
(b) Der Angeklagte hat nach der Überzeugung der Kammer seinem Bruder R1 bereits am 27.10.2016 anvertraut, dass er H1 getötet habe; er hat ihm zum Tatgeschehen am 28.10.2016 (zunächst) berichtet, dass er H1 mit einem Messer „im Streit“ getötet habe und ihm zum Tatgeschehen am 01.11.2016 (sodann) berichtet, dass er H1 mit einem Messer „im Schlaf“ getötet habe und an der Leiche den Geschlechtsverkehr vollzogen habe.
279
(aa) Der Zeuge R1 hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass ihm der Angeklagte zwei Versionen des Tathergangs geschildert habe.
280
Der Angeklagte habe ihm zum Tathergang zunächst berichtet, dass er H1 im Streit getötet habe. Es müsse am Abend nach der Tat, d.h. am 27.10.2016, gewesen sein, als er in der Arbeit eine Nachricht des Angeklagten bekommen habe mit der Bitte, nach der Arbeit zu ihm zu kommen, es handele sich um eine sehr wichtige Angelegenheit. Er sei deshalb gegen 18 Uhr oder 19 Uhr mit dem Auto zum Wohnhaus des Angeklagten in der B.straße … in F. gefahren. Der Angeklagte sei aus der Wohnung herunterkommen und habe sich zu ihm ins Auto gesetzt. Er sei „anders“ gewesen als sonst, ganz „betrübt“, als sei etwas vorgefallen. Sie hätten geraucht und Musik gehört, wobei der Angeklagte immer wieder zum Dachhimmel des Autos geblickt habe. Er habe den Angeklagten gefragt, was los sei. Der Angeklagte habe gesagt, er solle das Fenster schließen, da Spaziergänger vorbeigehen könnten. Dann habe ihm der Angeklagte gesagt, dass H1 tot sei. Er habe es erst nicht glauben können und ihn gefragt, was die Aussage zu bedeuten habe. Doch der Angeklagt habe gesagt, dass H1 wirklich tot sei und er sie umgebracht habe. Es sei ihm „kalt heruntergelaufen“. Er habe ihn gefragt, wo der Sohn H2sei. Der Angeklagte habe gesagt, dass H2in der Wohnung sei und dass er gleich wieder zu ihm hoch müsse. Daraufhin sei er mit dem Angeklagten in die Wohnung im 1. Obergeschoss gegangen. Als sie die Wohnung betreten hätten, habe er schon eine Blutspur gesehen, die im Flur in Richtung Bad an der Fußleiste verlaufen sei. Er sei mit einem „Tunnelblick“ durch die Wohnung gegangen und sei dem Angeklagten gefolgt. Sie seien in die Küche gegangen und hätten sich unterhalten, wobei er nicht gewusst habe, was er sagen solle, da er „perplex“ gewesen sei. Sie hätten sich an dem Abend nicht über den Tathergang unterhalten, denn er habe davon nichts wissen oder hören wollen; er habe auch nicht gewusst, wo sich die Leiche befinde. Er habe den Angeklagten gefragt, ob er sich der Polizei stellen wolle. Der Angeklagte habe gesagt, er wisse, dass er in das Gefängnis müsse, er wolle jedoch noch ein paar Tage mit seinem Sohn verbringen. Er habe auf die Toilette gemusst, habe sich jedoch nicht getraut, in das Bad zu gehen wegen der Spuren, so dass er auf die „Gästetoilette“, das WC, gegangen sei. Er sei dann gefahren und habe die ganze Nacht nicht schlafen können.
281
Am nächsten Tag, d.h. am 28.10.2016, sei er nach der Arbeit erneut zu dem Angeklagten gefahren und gleich in die Wohnung hochgegangen. Er habe den Angeklagten gefragt, wo die Leiche sei. Der Angeklagte habe im Flur auf das Gitter des Kachelofens gedeutet. Die Leiche habe er allerdings nicht gesehen. Sie seien zunächst in das Wohnzimmer gegangen, dort sei unter dem Kachelofen eine Flüssigkeit herausgelaufen und es sei eine Wodkaflasche herumgestanden. Dann seien sie in die Küche gegangen und hätten sich unterhalten. Er habe den Angeklagten gefragt, wie die Tat passiert sei. Der Angeklagte habe berichtet, er habe eine Flasche Wodka getrunken und sich mit H1 gestritten. H1 sei mit einem Messer auf ihn losgegangen. Er habe ihr das Messer abgenommen, sei mit dem Messer auf sie losgegangen und habe zugestochen. Dabei sei der Angeklagte nicht ins Detail gegangen. Er habe die Details der Tat auch nicht wissen wollen, da ihm die Situation sehr zu schaffen gemacht habe. Sie hätten sich über die Fluchtpläne des Angeklagten unterhalten, wobei Spanien und Marokko in Betracht gezogen worden seien. Damit sei das Treffen beendet gewesen.
282
Ein paar Tage später habe ihm der Angeklagte zum Tathergang sodann berichtet, dass er H1 „im Schlaf“ getötet habe und an der Leiche den Geschlechtsverkehr vollzogen habe. Er habe sich mit dem Angeklagten am Abend auf eine Zigarette an der „B.-Tankstelle“, einem beliebten Treffpunkt an der Bundesstraße B12 in Au. auf der Strecke zwischen F. und P., verabredet. Er sei mit seinem Auto zur „B.-Tankstelle“ gefahren, während der Angeklagte, der mit E1 auf dem Weg von F. nach P. oder von P. nach F. gewesen sei, mit E1 und dem Sohn H2im Auto von E1 zur „B.-Tankstelle“ gekommen sei. Bei dem Treffen an der „B.-Tankstelle“ habe der Angeklagte im Beisein des E1 berichtet, dass er H1 „im Schlaf“ getötet habe. Er habe sich sehr darüber gewundert, dass der Angeklagte so eine Aussage im Beisein des E1 gemacht habe, da er bis dahin gedacht habe, dass bislang niemand außer ihm von der Tat gewusst habe. E1 habe allerdings „gefasst“ auf die Schilderung, dass er H1 „im Schlaf“ getötet habe, reagiert, als ob er schon Bescheid gewusst habe. Als E1 kurz weggegangen sei, zum Zigarettenholen oder auf die Toilette, habe er den Angeklagten gefragt, weshalb er so eine Aussage im Beisein des E1 mache, es sei doch gefährlich, dass noch jemand von der Tat wisse. Der Angeklagte habe ihm jedoch gesagt, dass er E1 bereits auf der Fahrt von der Tat erzählt habe, aber „nicht alles“; er habe gesagt, dass E1 jemand sei, der am wenigsten irgendetwas sagen würde. Neben der Tötung im Schlaf habe der Angeklagte bei dem Treffen an der „B.-Tankstelle“, seiner Erinnerung nach in Gegenwart des E1, berichtet, dass er nach der Tat noch Sex mit der Leiche gehabt habe, da er „der Letzte“ sein habe wollen, der Sex mit H1 habe. Dies habe der Angeklagte ganz „locker“ und „lapidar“ erzählt, als ob es „bedeutungslos“ für ihn sei. Nach dem Treffen sei der Angeklagte mit E1 und dem Sohn H2im Auto des E1 nach P. oder nach F. gefahren. Er sei sich sicher, dass er sowohl die Information über die Tötung „im Schlaf“ als auch die Information über den Sex mit der Leiche von dem Angeklagten selbst gehört habe.
283
Insgesamt habe er sich mit dem Angeklagten nach der Tat bis zur Flucht ca. sechs Mal getroffen, wobei das Treffen an der „B.-Tankstelle“ das einzige Treffen nach der Tat gewesen sei, bei dem er sich mit dem Angeklagten und E1 zu dritt getroffen habe. Daneben habe er in der Zeit zwischen der Tat und der Flucht in Kontakt mit E1 gestanden, wobei sie „absurde Überlegungen“ zur Leichenbeseitigung angestellt hätten; sie hätten zum Beispiel überlegt, die Leiche einzubetonieren oder zu vergraben. Überdies habe der Angeklagte nach der Tat seine Mutter gefragt, ob sie ihn zum Recyclinghof fahren könne, jedoch wisse er nicht, ob sie ihn tatsächlich zum Recyclinghof gefahren habe. Auch wisse er nicht, was mit dem Tatwerkzeug geschehen sei; er habe den Angeklagten nicht danach gefragt und wisse auch nicht, um welches Messer es sich gehandelt habe. Um den Angeklagten bei der Flucht zu unterstützen, habe er den Angeklagten bei der Abholung von Goldbarren bei einer Spedition in Pl. begleitet und dem Angeklagten seinen Führerschein und seinen Personalausweis überlassen.
284
In der Folge habe er L1, bald nach dem Beginn der Beziehung im November 2016, noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., erzählt, was er von dem Angeklagten über den Tathergang erfahren habe, insbesondere dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ getötet habe und Sex mit der Leiche gehabt habe; im Nachhinein habe er ihr allerdings gesagt, dass er glaube, dass die Tat „im Streit“ geschehen sei; über das Gespräch mit dem Angeklagten im Auto am Abend des 27.10.2016 habe er ihr jedoch nicht berichtet. Er habe ihr außerdem berichtet, dass er dem Angeklagten seinen Personalausweis und seinen Führerschein für die Flucht gegeben habe. Es könne sein, dass er L1 erzählt habe, dass sich die Leiche beim Verbringen in das Bad an einem Türstock den Kopf „angeschlagen“ habe, ob ihm der Umstand von dem Angeklagten mitgeteilt worden sei, könne er allerdings weder bejahen noch verneinen, da er sich daran nicht mehr erinnern könne. Darüber hinaus habe er L1 ein paar Umstände erzählt, die nicht gestimmt hätten, nämlich dass er das Tatmesser im Militärgeschäft der Firma M. in F. „mitgehen“ habe lassen und dem Angeklagten gegeben habe; er könne nicht sagen, weshalb er sich damit „brüsten“ habe wollen; tatsächlich stamme das Tatmesser nicht von ihm. Überdies habe er ihr erzählt, dass er dem Angeklagten nach der Tat in der Wohnung mit E1 beim „Weißeln“ geholfen habe und sie mit einer Lampe durch die Wohnung gegangen seien, um zu prüfen, dass man keine Blutspritzer mehr sehe; dies habe jedoch nicht gestimmt, da er tatsächlich nicht den „Mumm“ dazu gehabt hätte.
285
An ein Gespräch mit L2, der Mutter der L1, über die Tat könne er sich nicht erinnern, es könne aber sein, dass sie ihn einmal über die Tat befragt habe. Mit E1 habe er über die Tat gesprochen. Sie hätten vereinbart, dass sie nicht über ihr Wissen über den Tathergang sprechen würden. An ein Gespräch mit E1 über den Geschlechtsverkehr mit der Leiche vor dem Wohnhaus der L1 habe er jedoch keine Erinnerung. Es könne sein, dass er mit M8 über die Tat gesprochen habe. An ein bestimmtes Gespräch könne er sich jedoch nicht erinnern.
286
(bb) Die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen R1 sind glaubhaft. Er konnte sich, abgesehen von unwesentlichen Erinnerungsungewissheiten, an den Inhalt seiner Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass er das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte im Kern zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat.
287
(aaa) Die Aussagetüchtigkeit des Zeugen R1 ist nicht beeinträchtigt.
288
Der Zeuge R1 war zu den Zeitpunkten, als ihm der Angeklagte über den Tathergang berichtete, in der Lage, die Schilderungen des Angeklagten zuverlässig wahrzunehmen. Er war fähig, seine Wahrnehmung in der folgenden Zeit im Gedächtnis zu behalten und bei einer Befragung aus dem Gedächtnis abzurufen. Er verfügt, wie sich bei seinen Vernehmungen gezeigt hat, über das erforderliche sprachliche Ausdrucksvermögen, um den Inhalt seiner Wahrnehmung wiederzugeben. Daran, dass er in der Lage ist, tatsächliche Erlebnisse von anders generierten Vorstellungen zu unter-scheiden, besteht kein Zweifel. Es haben sich in Bezug auf den Zeugen R1 keine Besonderheiten in der Person und keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten ergeben, die Anlass geben könnten, an seinen kognitiven und mnestischen Fähigkeiten zu zweifeln.
289
Der Zeuge R1 konsumierte zwar gelegentlich Cannabis, jedoch ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte für einen schädlichen Gebrauch von Cannabinoiden (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.1) oder eine Abhängigkeit von Cannabinoiden (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.2) bzw. für eine akute Cannabinoidintoxikation (vgl. Kriterien des ICD-10: F12.0) in den Zeitpunkten der Informationsaufnahme und der Informationswiedergabe zum Tatgeschehen; für einen Konsum von harten Drogen ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte; im Übrigen bestanden für eine psychische Störung des Zeugen R1 keine konkreten Anhaltspunkte.
290
Der Zeuge R1, geboren am ...1990, war bei seinen mehrstündigen Vernehmungen in der Hauptverhandlung am 19.08.2022 und am 01.09.2022 in jeder Hinsicht orientiert und in der Lage, seine Erlebnisse zu erinnern und verständlich und differenziert wiederzugeben; er zeigte bei den Vernehmungen keine psychischen Auffälligkeiten. Es handelt sich bei dem Zeugen R1 um einen erwachsenen Zeugen, der beruflich unter anderem von November 2014 bis Juli 2016 und von Mai 2017 bis Dezember 2017 als Lagerist in einem Militärgeschäft in F. und von August 2016 bis Dezember 2016 als Mitarbeiter im Gashandelsunternehmen seines Vaters in Fü. tätig war und mittlerweile als Kraftfahrer eines Tiefkühllieferdienstes tätig ist. Der Zeuge R1 hat seit ...2009 durchgehend die Fahrerlaubnis für die Klassen A, A1, AM, B und L; seither sind gegen ihn keine Führerscheinmaßnahmen, insbesondere nicht im Zusammenhang mit einem Konsum von Drogen, getroffen worden. Die Auskunft aus dem Bundeszentralregister für den Zeugen R1 vom 31.05.2022 enthält keine Eintragung im Zusammenhang mit einer Straftat aus dem Bereich des Betäubungsmittelstrafrechts; das Fahreignungsregister des Zeugen R1 vom 31.05.2022 enthält keine Eintragung im Zusammenhang mit einer Ordnungswidrigkeit, die einen Bezug zu Drogen hat.
291
Der Zeuge R1 ist nach der Überzeugung der Kammer in der Lage, kontrolliert mit Betäubungsmitteln umzugehen. Er ist in der Hauptverhandlung zu seinem Drogenkonsum befragt worden und hat hierbei angegeben, er sei nach der Festnahme des Angeklagten in ein „Loch“ gefallen und habe im November oder Dezember 2016 begonnen, Cannabis zu konsumieren, weil er nachts nicht schlafen habe können. Im März 2017 sei er mit E1 und L1 nach Amsterdam gefahren, um Cannabis zu kaufen und zu konsumieren (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (aaa)). Im Durchschnitt habe er damals alle zwei bis drei Tage einen „Joint“ geraucht. Im Übrigen habe er keine Drogen, insbesondere keine harten Drogen, zum Beispiel Methamphetamin, konsumiert. Für eine Drogensucht oder eine drogenbedingte Persönlichkeitsveränderung des Zeugen R1 haben sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben.
292
In Bezug auf die Zeitpunkte der Informationsaufnahme zum Tatgeschehen, d.h. zu den Zeitpunkten, als ihm der Angeklagte über den Tathergang berichtete, d.h. am 27.10.2016 und am 01.11.2016 sowie bei den weiteren Treffen bis zur Flucht des Angeklagten, stand er nicht unter dem Einfluss von Drogen, da er erst nach der Festnahme des Angeklagten mit dem Konsum von Cannabis begann.
293
In Bezug auf die Zeitpunkte der Informationswiedergabe in der Hauptverhandlung am 19.08.2022 und am 01.09.2022 stand er ersichtlich nicht unter dem Einfluss von Drogen.
294
Im Hinblick auf den gelegentlichen Konsum von Cannabis hat die Kammer, beraten durch den Sachverständigen Dr. R7, keine Einschränkungen der kognitiven und mnestischen Fähigkeiten des Zeugen R1 feststellen können. Die Kammer hat in der Hauptverhandlung den Facharzt für Nervenheilkunde Dr. R7, den Leiter der Suchtabteilung im Bezirksklinikum M., der seit dem Jahr 1987 im Bezirksklinikum M. tätig ist und über eine jahrzehntelange Erfahrung bei der Behandlung von Suchtpatienten verfügt, als Sachverständigen zu den Auswirkungen des Cannabiskonsums auf die kognitiven und mnestischen Fähigkeiten eines Konsumenten befragt. Der Sachverständige Dr. R7 hat ausgeführt, ein gelegentlicher Konsum von Cannabis zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe habe in der Regel keine Auswirkungen auf die Fähigkeit eines Konsumenten, Informationen im Gedächtnis zu behalten und aus dem Gedächtnis abzurufen; der Konsum führe in der Regel nicht zu einer Veränderung oder Löschung der Informationen im Gedächtnis (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (aaa)).
295
Demnach hat die Kammer mit Blick auf den Cannabiskonsum des Zeugen R1 keinen Anlass gesehen, seine kognitiven und mnestischen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen. Der Zeuge R1 stand zum Zeitpunkt der Informationsaufnahme und zu den Zeitpunkten der Informationswiedergabe nicht unter dem Einfluss von Drogen. Für die Zeit zwischen Informationsaufnahme und Informationswiedergabe ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine drogeninduzierte Psychose oder einen auffälligen Dauerkonsum des Zeugen R1. Er ist in der Lage gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und ist nicht mit staatlichen Sanktionen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln belegt worden. Für einen Konsum von harten Drogen, zum Beispiel Methamphetamin, ergaben sich keine konkreten Anhaltspunkte.
296
(bbb) Für die Glaubhaftigkeit der tatbezogenen Angaben des Zeugen R1 spricht die Qualität seiner Aussage. Der Zeuge R1 konnte den Inhalt der beiden Schilderungen des Tathergangs durch den Angeklagten im Kern in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben, wenngleich er weder hinsichtlich der ersten Tatversion noch hinsichtlich der zweiten Tatversion von sich aus nähere Details zum geschilderten Tathergang beschrieb, sei es, weil er sich nicht mehr besser erinnern konnte oder sei es, weil er bewusste oder unbewusste Hemmungen hatte, seinen Bruder, den Angeklagten, im Angesicht zu belasten. Im Kern war er sich allerdings sicher, dass ihm der Angeklagte zuerst geschildert habe, dass er H1 im Streit getötet habe, und dass ihm der Angeklagt danach geschildert habe, dass er H1 im Schlaf getötet habe und nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe.
297
In sich stimmig waren daneben seine Bekundungen zu den Umständen bei den geschilderten Treffen mit dem Angeklagten bzw. mit dem Angeklagten und E1. Zu den Umständen bei dem Gespräch mit dem Angeklagten am Abend des 27.10.2016 konnte der Zeuge R1 eine Reihe von Details beschreiben, zum Beispiel dass der Angeklagte immer wieder zum Dachhimmel des Autos geschaut habe und sich Sorgen wegen Spaziergängern gemacht habe, dass beim Betreten der Wohnung eine Blutspur im Flur in Richtung Bad an der Fußleiste verlaufen sei, dass sie in die Küche gegangen seien und dass er die Toilette aufsuchen habe müssen. Er konnte sich an die Stimmungslage des Angeklagten und an einzelne Gesprächssequenzen noch gut erinnern und konnte auch eigene psychische Wahrnehmungen schildern, zum Beispiel dass es ihm „kalt heruntergelaufen“ sei, dass er mit einem „Tunnelblick“ durch die Wohnung gegangen sei, dass er sprachlos und „perplex“ gewesen sei und in der Nacht nicht schlafen habe können. Ebenso konnte er zu den Umständen bei dem Gespräch mit dem Angeklagten am Abend des 28.10.2016 eine Reihe von Details beschreiben, dass der Angeklagte auf das Gitter des Kachelofens gedeutet habe, dass im Wohnzimmer unter dem Kachelofen eine Flüssigkeit herausgelaufen sei und eine Wodkaflasche herumgestanden sei und dass sie dann in die Küche gegangen seien. Er konnte sich dabei an einzelne Gesprächssequenzen noch gut erinnern. Desgleichen konnte er zu den Umständen bei dem Treffen mit dem Angeklagten und E1 an der „B.-Tankstelle“ noch eine Reihe von Details beschreiben, zum Beispiel dass E1 zwischendurch zum Zigarettenholen oder auf die Toilette gegangen sei. Er konnte sich an die Stimmungslage des Angeklagten und des E1 und an einzelne Gesprächssequenzen noch gut erinnern. Er zeigte allerdings auch Erinnerungsunsicherheiten, indem er zum Beispiel nicht mehr sicher wusste, ob der Angeklagte und E1, als sie an der „B.-Tankstelle“ erschienen, auf dem Weg von F. nach P. oder von P. nach F. waren. Außerdem ließ er offen, ob die Schilderung des Geschlechtsverkehrs mit der Leiche durch den Angeklagten, die in Gegenwart des E1 stattgefunden haben soll, vor oder nach dem Zigarettenholen bzw. dem Toilettengang des E1 erfolgte; indessen weist die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen R1 und L1, die L1 am 01.06.2017 durch (heimliches) Aufnehmen des Gesprächs mit ihrem Handy angefertigt hat, darauf hin, dass die Schilderung des Geschlechtsverkehrs durch den Angeklagten tatsächlich nicht in Anwesenheit, sondern in Abwesenheit des E1 stattgefunden hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (bb) (fff)); dahin deutet auch die durch den Zeugen R1 geschilderte Äußerung des Angeklagten, dass er E1 auf der Fahrt bereits von der Tat erzählt habe, aber „nicht alles“. Des Weiteren ließ er offen, ob und mit welchem Inhalt er bei den anderen Treffen bis zur Flucht mit dem Angeklagten über den Tathergang gesprochen hat, sei es, weil er sich nicht mehr erinnern konnte oder sei es, weil er bewusste oder unbewusste Hemmungen hatte, seinen Bruder, den Angeklagten, im Angesicht zu belasten.
298
Bei seiner Aussage nahm der Zeuge R1 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein. Er zeigte nicht das bei Falschaussagen häufig zu beobachtende Bestreben, sich keine Blöße durch das Eingeständnis von Erinnerungslücken zu geben und Antworten um jeden Preis zu produzieren, sondern brachte es jeweils zum Ausdruck, wenn er sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte; auch Vorhalte aus anderen Vernehmungen, zum Beispiel aus den Vernehmungen des Zeugen E1 und der Zeugin L1 und aus Chatnachrichten bestätigte er nicht pauschal, sondern nur dann, wenn er sich, nach kritischem Nachdenken, an den Inhalt erinnern konnte. In Bezug auf seine Mitteilungen gegenüber L1 nahm er in der Hauptverhandlung eine differenzierte Haltung ein, wobei er allerdings den Kerninhalt seiner Mitteilungen an L1, nämlich dass der Angeklagte H1 im Schlaf getötet habe und nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe, als tatsächlich von dem Angeklagten stammend bestätigte.
299
(ccc) Die Entstehungsgeschichte der Aussage gibt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Angaben des Zeugen R1 zu zweifeln, insbesondere ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Aussage keine Hinweise auf eine bewusste oder unbewusste fremdsuggestive Beeinflussung des Zeugen R1.
300
Der Umstand, dass der Zeuge R1 bei seinen Vernehmungen am 13.11.2016, am 17.11.2016 und am 21.11.2016, über die der Zeuge KHK Z1, der damalige Vernehmungsbeamte, berichtet hat, sein Wissen über die Tat (noch) nicht preisgegeben hat, ist vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem Angeklagten um seinen Bruder handelt, nachvollziehbar und spricht nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Diesbezüglich hat der Zeuge R1 in der Hauptverhandlung erklärt, dass er damals sein Wissen nicht preisgegeben habe, um den Angeklagten zu schützen. So habe ihn die Polizei am 12.11.2016, als die Leiche aufgefunden worden sei, gefragt, ob er wisse, wo sein Bruder sei; dies habe er verneint, obwohl er nach der Flucht des Angeklagten mit ihm in Kontakt gestanden habe und gewusst habe, dass er in Spanien sei. Als ihm die Polizei geschildert habe, dass die Leiche von H1 gefunden worden sei, habe er „so tun müssen“, als ob er „komplett überrascht“ sei, obwohl er bereits gewusst habe, dass sie tot sei. Mit dem Angeklagten habe er telefonisch vereinbart, dass er ihm einen „Affensmiley“ schicken würde, wenn die Tat entdeckt sei; deshalb habe er ihm am 12.11.2016 einen „Affensmiley“ geschickt und ihm geschrieben, dass er sein Handy wegwerfen solle; die Nachrichten habe er danach gelöscht. Überdies habe ihn die Polizei gebeten, den Chatverkehr mit dem Angeklagten fortzusetzen, um herauszufinden, wo er sich aufhalte; allerdings habe er bewusst so geschrieben, dass der Angeklagte erkenne, dass die Nachrichten nicht „echt“ seien.
301
Dass der Zeuge R1 im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist nicht zu beanstanden und spricht nicht gegen seine Glaubwürdigkeit.
302
Auch dass er in der hiesigen Hauptverhandlung am 13.05.2022 (zunächst) von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, ist nicht zu beanstanden und spricht nicht gegen seine Glaubwürdigkeit. Dass er sich im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung, im Kontakt mit dem Verteidiger Prof. Dr. P3 stehend und durch einen Zeugenbeistand beraten, von sich aus zur Aussage bereit erklärt hat und (sodann) in der Hauptverhandlung am 19.08.2022 und am 01.09.2022 ausgesagt hat, hat er ungefragt und aus freien Stücken damit erklärt, dass er oft „schlaflose Nächte“ gehabt habe und ihm „das Ganze“ keine Ruhe gelassen habe, da ihm der Angeklagte zwei unterschiedliche Versionen des Tathergangs geschildert habe; die erste Schilderung sei ganz anders gewesen als die zweite Schilderung; weshalb der Angeklagte zuerst die Version „mit dem Streit“ und danach die Version „mit dem Schlaf“ erzählt habe, leuchte ihm bis heute nicht ein.
303
(ddd) Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat der Zeuge R1, bei dem es sich um den Bruder des Angeklagten handelt, nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Zeuge R1, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen.
304
(eee) Darüber hinaus finden die Angaben des Zeugen R1 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen R1 und L1, R1 und E1 und L1 und E1.
305
Dass sich der Zeuge R1 nach der Flucht des Angeklagten und noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit seiner Freundin L1 über die Einzelheiten des Tathergangs ausgetauscht hat, spiegelt sich in den Chatnachrichten zwischen R1 und L1 am 14.05.2017, am 06.09.2017 und am 10.09.2017 und zwischen L1 und E1 am 02.06.2017 wider. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 14.05.2017 schreibt L1 an R1: „Ihr wolltet eine Leiche verschwinden lassen. Und ich bringe das alles ans Licht. Du wirst sehen und das sind keine Lügen!“ R1 schreibt am 14.05.2017, dass alles nicht stimme, was sie da sage, außerdem kenne er sich aus im Rechtssystem, für ihn gelte „Paragraf 258 Absatz 6“. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 02.06.2017 schreibt L1 an E1, es komme noch so weit, dass sie vor Gericht aussagen müsse, doch sie wolle mit der Sache nichts zu tun haben, da sie H1 nicht gekannt habe und den Angeklagten lediglich einmal gesehen habe; sie kenne allerdings die Wahrheit, R1 könne sie nicht anlügen, trotzdem werde sie nichts sagen. In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 06.09.2017 schreibt L1 an R1: „Die Verhandlung, wo du Lügen aussagst, gebe ich mir noch.“ Daraufhin schreibt R1: „Mhm, nur blöd, Zeugnisverweigerungsrecht.“ In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 10.09.2017 schreibt L1 in einem Streit an R1, sie habe ihn hinsichtlich des Angeklagten unterstützt, die Wahrheit verschwiegen, weil er sie ihr anvertraut habe, Stunden mit ihm im Wohnzimmer über den Angeklagten geredet, damit es ihm besser gegangen sei; jetzt könne er es seiner nächsten Freundin erzählen.
306
Dass sich der Zeuge R1 nach der Flucht des Angeklagten und noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit E1 über die Einzelheiten des Tathergangs, insbesondere über die Tötung im Schlaf und den Geschlechtsverkehr mit der Leiche, ausgetauscht hat, spiegelt sich in den Chatnachrichten zwischen E1 und R1 vom 01.06.2017 wider; daraus geht hervor, dass E1 und R1 (damals) bestrebt waren, ihr Wissen über den Tathergang zu verheimlichen und ihr Aussageverhalten im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. miteinander abzustimmen (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (fff) (iii)).
307
(fff) Überdies werden die Angaben des Zeugen R1 nicht widerlegt durch den Inhalt der durch Vorspielen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs zwischen R1 und L1, die L1 am 01.06.2017 durch (heimliches) Aufnehmen des Gesprächs mit ihrem Handy angefertigt hat. Daraus geht hervor, dass sich der Zeuge R1, der in dem Gespräch teilweise aus dem Chat mit E1 vom 01.06.2017, der die Kenntnis der B1 über den Tathergang zum Gegenstand hatte (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (fff) (iii)), zitiert hat, nach der Flucht des Angeklagten und noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit E1 und L1 über die Einzelheiten des Tathergangs, insbesondere über die Tötung im Schlaf und den Geschlechtsverkehr mit der Leiche, ausgetauscht hat, und seine Informationen über den Tathergang mit E1 und L1 geteilt hat; überdies geht daraus hervor, dass R1 (damals) bestrebt war, L1 zum Stillschweigen über ihr Wissen zu verpflichten und, dass E1 und R1 (damals) bestrebt waren, ihr Wissen über den Tathergang zu verheimlichen und ihr Aussageverhalten im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. miteinander abzustimmen, ferner eine Aussage der B1 zulasten des Angeklagten im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. zu verhindern.
308
(i) Das aufgenommene Gespräch zwischen R1 und L1 vom 01.06.2017 hat folgenden Inhalt:
R1:
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„Da E1.“
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(„Der E1.“)
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L1:
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„Warum, wos hod er iatz no g’schrimm?“
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(„Warum, was hat er jetzt noch geschrieben?)
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R1:
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„‚Ja, owa i glaub, B1 griagt ihra Fotzn eh ned aaf…‘ Na, dös …, i schwör da, bitte sog nixe!“
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(„‚Ja, aber ich glaube, B1 kriegt ihre Fotze* eh nicht auf…‘ Nein, das …, ich schwöre dir, bitte sag nichts!“)
* vulgärer bayerischer Ausdruck für „Mund“
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L1:
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„I sog nix!“
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(„Ich sage nichts!“)
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R1:
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„I glaub da ’s eh. ‚Ja, owa i glaub, B1 griagt ihra Fotzn eh ned aaf vor G’richt. Sie is nur so vorlaut bei Menschen, de wo s’ kennt. Wenn s’ mit ebban vo da Bank oder so telefoniert, hod s’ owei kaam a Wort aua griagt und is immer ganz nervös. Glaub kaam, dass ihr da Richter sowos glaubt. Sorry, duad mia echt leid, i werd dös oisse klarstain oder i geh goa ned zur Verhandlung und moch mi strafbar. Owa dafir sog i überhaupt nix.‘“
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(„Ich glaube es dir eh. ‚Ja, aber ich glaube, B1 kriegt ihre Fotze* eh nicht auf vor Gericht. Sie ist nur so vorlaut bei Menschen, die sie kennt. Wenn sie mit jemandem von der Bank oder so telefoniert, hat sie immer kaum ein Wort herausgekriegt und ist immer ganz nervös. Glaube kaum, dass ihr der Richter sowas glaubt. Sorry, tut mir echt leid, ich werde das alles klarstellen oder ich gehe gar nicht zur Verhandlung und mache mich strafbar. Aber dafür sage ich überhaupt nichts.‘“)
* vulgärer bayerischer Ausdruck für „Mund“
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L1:
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„Aha.“
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(„Aha.“)
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R1:
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„Iatz schreibta wieder.“
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(„Jetzt schreibt er wieder.“)
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L1:
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„Aiso hoda ihr dös vozait mim Sperma und mim Schloffa. Und dös mim Schlong gibta ned zua? Weil dös zoig ma i vo da Nosn außa, oder?“
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(„Also hat er ihr das erzählt mit dem Sperma und mit dem Schlafen. Und das mit dem Schlagen gibt er nicht zu? Weil das ziehe ich mir aus der Nase heraus, oder?“)
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R1:
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„Naja, do hod ma ’s ’o no ned gwisst, ob a gschlong woan is, wia i ’s eam gsogt hob. Dös stimmt ’o no ned amoi.“
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(„Naja, da hat man es ja noch nicht gewusst, ob er geschlagen worden ist, wie ich es ihm gesagt habe. Das stimmt ja noch nicht einmal.“)
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L1:
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„Owa sie hod ma ’s aso gsogt ghod.“
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(„Aber sie hatte es mir so gesagt.“)
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R1:
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„Ja, hoda a ned gsogt.“
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(„Ja, hat er auch nicht gesagt.“)
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L1:
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„Vo eng woaß ma ’o eh ned, wos stimmt.“
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(„Von euch weiß man ja eh nicht, was stimmt.“)
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R1:
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„Wos wos stimmt?“
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(„Was was stimmt?“)
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L1:
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„Ja, wos überhaupt Sache gwen is.“
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(„Ja, was überhaupt Sache gewesen ist.“)
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R1:
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„Wo denn?“
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(„Wo denn?“)
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L1:
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„Ja mit allem! Werdst ja wahrscheinlich mia a grod irganda G’schicht erzait hom. Warum bist ’n du überhaupt so blöd?“
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(„Ja, mit allem! Wirst ja wahrscheinlich mir auch nur irgendeine Geschichte erzählt haben. Warum bist du denn überhaupt so blöd?“)
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R1:
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„Wos bin i so blöd?“
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(„Was bin ich so blöd?“)
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L1:
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„Du hosd zu mir no gsogd, im Januar irgendwann oda wann dös war, na Februar, du hosd eam den oana Punkt…“
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(„Du hast zu mir noch gesagt, im Januar irgendwann oder wann das war, nein Februar, du hast ihm den einen Punkt…“)
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R1:
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„Da R hod eam den Punkt ned gsogd, weil se da R g’schammt hod vor eam.“
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(„Der R hat ihm den Punkt nicht gesagt, weil sich der R geschämt hat vor ihm.“)
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L1:
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„Ja, du hosd owa aa zu mia gsogd, du host eam den Punkt ned gsogd, …“
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(„Ja, du hast aber auch zu mir gesagt, du hast ihm den Punkt nicht gesagt, …“)
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R1:
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„Ja, den hob i eam dann nomoi gsogd ghod.“
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(„Ja, den habe ich ihm dann noch mal gesagt gehabt.“)
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L1:
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„… dass a s’ nomoi baggd hod.“
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(„… dass er sie noch mal gepackt** hat.“)
… vulgärer bayerischer Ausdruck für „Sex haben“
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R1:
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„Wos? Den hob i eam gsogd. Nimmst du aaf?
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(„Was? Den habe ich ihm gesagt. Nimmst du auf?“)
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L1:
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„Na. Du regst mi a so aaf.“
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(„Nein. Du regst mich so auf.“)
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309
Der Inhalt des Gesprächs lässt erkennen, dass E1 und R1 über die Einzelheiten des Tatgeschehens, insbesondere die Tötung im Schlaf und den Geschlechtsverkehr mit der Leiche, unterrichtet waren und bestrebt waren, ihr Wissen über den Tathergang zu verheimlichen und eine Aussage der B1 zulasten des Angeklagten zu verhindern. Überdies geht aus dem Inhalt des Gesprächs hervor, dass E1 sein Wissen über den Tathergang mit B1 geteilt hat und dass E1 die Information über den Geschlechtsverkehr mit der Leiche von R1 erhalten hat (siehe hierzu unter siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (aa) und D. II. 3. c) bb) (3) (c)), wobei der Geschlechtsverkehr mit der Leiche (spätestens) bereits im Januar oder Februar 2017 Gesprächsthema zwischen R1 und L1 gewesen ist. Sofern in dem Gespräch von einem „Schlagen“ die Rede ist, bezieht sich das Gespräch auf einen Verdacht, wonach der Angeklagte im Gefängnis geschlagen worden sein soll (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (bb) (fff) (iii)).
310
(ii) Gegen die Verwertung der auf Antrag der Verteidigung durch Vorspielen in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen (heimlichen) Tonbandaufnahme vom 01.06.2017 bestanden keine Bedenken.
311
Denn zum einen hat sich der Zeuge R1, dessen Rechtskreis durch die (heimliche) Tonbandaufnahme allein betroffen ist, mit dem Vorspielen der (heimlichen) Tonbandaufnahme vom 01.06.2017 in der Hauptverhandlung ausdrücklich einverstanden erklärt.
312
Zum anderen stellt sich das Vorspielen der (heimlichen) Tonbandaufnahme vom 01.06.2017 in der Hauptverhandlung (auch) nach einer Gesamtschau und einer Abwägung, die alle Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen hat, hier als zulässig dar, insbesondere überwiegt insofern das Interesse der Allgemeinheit an einer vollständigen Ermittlung der Wahrheit im Strafprozess das Interesse des durch die Tonbandaufnahme Betroffenen, hier des Zeugen R1, am Schutz seiner Persönlichkeitssphäre.
313
Dabei hat die Kammer im Ausgangspunkt bedacht, dass das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gewährt, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt entzogen ist. Das verfassungskräftige Gebot, diesen Kernbereich, die Intimsphäre des Einzelnen, zu achten, hat seine Grundlage in dem durch Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Bei der Bestimmung von Inhalt und Reichweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG muss berücksichtigt werden, dass nach der Grundnorm des Art. 1 Abs. 1 GG die Würde des Menschen unantastbar ist und gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht. Überdies darf nach Art. 19 Abs. 2 GG auch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Selbst überwiegende Interessen der Allgemeinheit können einen Eingriff in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebensgestaltung nicht rechtfertigen; eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes findet nicht statt. Jedoch steht nicht der gesamte Bereich des privaten Lebens unter dem absoluten Schutz des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. mit Art. 1 Abs. 1 GG. Als gemeinschaftsbezogener und gemeinschaftsgebundener Bürger muss vielmehr jedermann staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen. Art. 2 Abs. 1 GG verbrieft jedem das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Dieses Grundrecht schützt auch Rechtspositionen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit notwendig sind. Dazu gehört in bestimmten Grenzen, ebenso wie das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort. Deshalb darf grundsätzlich jedermann selbst und allein bestimmen, wer sein Wort aufnehmen soll sowie ob und vor wem seine auf einen Tonträger aufgenommene Stimme wieder abgespielt werden darf. Wort und Stimme des Menschen sind auf dem Tonband von ihm losgelöst und in einer verfügbaren Gestalt verselbständigt. Die Unantastbarkeit der Persönlichkeit würde erheblich geschmälert, dürften andere ohne oder gar gegen den Willen des Betroffenen über sein nicht öffentlich gesprochenes Wort nach Belieben verfügen. Die Unbefangenheit der menschlichen Kommunikation würde gestört, müsste ein jeder mit dem Bewusstsein leben, das jedes seiner Worte, eine vielleicht unbedachte oder unbeherrschte Äußerung, eine bloß vorläufige Stellungnahme im Rahmen eines sich entfaltenden Gesprächs oder eine nur aus einer besonderen Situation heraus verständliche Formulierung bei anderer Gelegenheit und in anderem Zusammenhang hervorgeholt werden könnte, um mit ihrem Inhalt, Ausdruck oder Klang gegen ihn zu zeugen. Private Gespräche müssen geführt werden können ohne den Argwohn und die Befürchtung, dass deren heimliche Aufnahme ohne die Einwilligung des Sprechenden oder gar gegen dessen erklärten Willen verwertet wird. Diesen Grundsätzen trägt im Strafrecht der Straftatbestand des § 201 StGB (Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes) und im Zivilrecht die höchstrichterliche Rechtsprechung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht Rechnung.
314
Das Gespräch am 01.06.2017 zwischen R1 und L1, der Freundin von R1, war vertraulich und fand unter vier Augen ohne Anwesenheit von dritten Personen statt. Die Aufnahme des Gesprächs durch L1 auf Tonband erfolgte heimlich, d.h. ohne Wissen und Wollen des R1. Somit stellt sich das Vorspielen der Tonbandaufnahme im Ausgangspunkt als Eingriff in das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete Recht des R1 am eigenen Wort dar. Demgegenüber hat die Kammer jedoch in den Blick genommen, dass der Inhalt des Gesprächs nicht den schlechthin unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung betrifft, insbesondere fällt der Inhalt des Gesprächs nicht in den Bereich der Intimsphäre, da derartige Umstände nicht im Ansatz zur Sprache kommen. Vielmehr handelt es sich bei dem Inhalt des Gesprächs ausschließlich um eine tat- und verfahrensbezogene Unterredung, die Umstände der Tat zum Gegenstand hat. Sonstige Themenbereiche, z.B. aus dem persönlichen Lebensbereich der Gesprächsteilnehmer, werden nach dem Inhalt des Gesprächs nicht angeschnitten. Daher ist das Vorspielen der Tonbandaufnahme zulässig, wenn es sich durch ein überwiegendes Interesse der Allgemeinheit rechtfertigen lässt.
315
Dies war hier der Fall. Dabei hat die Kammer im Rahmen der Abwägung berücksichtigt, dass durch die heimliche Tonbandaufnahme der Rechtskreis des Angeklagten nicht unmittelbar berührt ist, weil es sich nicht um ein Gespräch des Angeklagten handelte, sondern durch die heimliche Tonbandaufnahme unmittelbar allein sein Bruder, R1, betroffen ist. Zwar war R1 als Bruder des Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt, jedoch findet das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO seinen Grund allein in der Rücksicht auf die Zwangslage des Zeugen, der zur Wahrheit verpflichtet ist, aber befürchten muss, dadurch einem Angehörigen zu schaden, und nicht gezwungen werden soll, aktiv zur Überführung eines Angehörigen beitragen zu müssen. Den Schutz des Angeklagten in Bezug auf die Ermittlung der Wahrheit bezweckt das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO hingegen nicht. Indessen hat sich der Zeuge R1 in der hiesigen Hauptverhandlung, nachdem er am 13.05.2022 (zunächst) von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, von sich aus zur Aussage bereit erklärt und (sodann) in der Hauptverhandlung am 19.08.2022 und am 01.09.2022 umfassend zu Sache ausgesagt und von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch (mehr) gemacht. Überdies befand sich R1 bei dem Gespräch mit L1 am 01.06.2017 nicht in der Zwangslage, gegen seinen Bruder, den Angeklagten auszusagen, da es sich nicht um eine Vernehmung, sondern um ein Gespräch mit seiner Freundin handelte, die außerdem kein Zeugnisverweigerungsrecht hatte und als Zeugin (ohnehin) angehalten war, den Inhalt des Gesprächs wahrheitsgemäß wiederzugeben. Auch § 252 StPO in Bezug auf das dem Zeugen R1 zustehende Zeugnisverweigerungsrecht hinderte die Einführung der Tonbandaufnahme mangels Vernehmung beim Aufnehmen des Gesprächs nicht, zumal der Zeuge R1 in der hiesigen Hauptverhandlung von seinem Zeugnisverweigerungsrecht keinen Gebrauch (mehr) gemacht hat. Eine gezielte Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts auf staatliche Veranlassung hin lag ersichtlich nicht vor. Daneben fiel im Rahmen der Abwägung maßgeblich ins Gewicht, dass es sich bei der Tonbandaufnahme um ein Beweismittel in einem Strafverfahren wegen Mordes, mithin um ein Beweismittel in einem Fall schwerster Kriminalität, handelt, dem zur Ermittlung der Wahrheit ein erhebliches Gewicht bei der Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen R1 und der Zeugin L1 zukommt und das einen wesentlichen Rückschluss auf die Authentizität seiner bzw. ihrer Schilderung zulässt. Im Ergebnis musste deshalb der Schutz der Persönlichkeitssphäre des R1 hinter das Interesse der Allgemeinheit an einer vollständigen Ermittlung der Wahrheit im Strafprozess zurücktreten.
316
(ggg) Der Glaubhaftigkeit der Angaben des Zeugen R1 steht nicht entgegen, dass sich R1 in einem Chat mit dem Angeklagten am 06.11.2016, am 07.11.2016, am 08.11.2016 und am 13.11.2016 als unwissend hinsichtlich des Tatgeschehens ausgegeben hat.
317
In einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 06.11.2016 fragt R1 den Angeklagten, ob er Lust habe, eine Zigarette zu rauchen. Daraufhin schreibt der Angeklagte, es sei heute schlecht, da er nicht daheim sei. Am 07.11.2016 fragt R1 den Angeklagten, ob er heute Zeit habe. Daraufhin schreibt der Angeklagte, er sei mit H1 in den Urlaub gefahren. R1 schreibt: „Wirklich, Alter? Wohin? Und schon angekommen?“ Der Angeklagte schreibt: „Paris. Ja, wir sind schon da.“ Daraufhin wünscht ihm R1 „viel Spaß“. Am 08.11.2016 fragt R1 den Angeklagten, wann er heimkomme. Daraufhin schreibt der Angeklagte, er sei am Donnerstag oder Freitag daheim. Am 13.11.2016 schreibt R1 an den Angeklagten: „Ich weiß jetzt, was du getan hast. Stell dich bitte!“ Daraufhin schreibt der Angeklagte: „Mach ich nächste Woche. Ich will noch meine letzten paar Tage in Freiheit genießen.“ R1 schreibt: „Mach es bitte gleich! Mama ist komplett fertig.“ Daraufhin schreibt der Angeklagte: „Das ändert auch nichts mehr, wo ich bin! Sollen mal alle ruhig bleiben oder wo war jeder, als ich Probleme hatte? Nur du und E1 haben mir geholfen.“ R1 schreibt: „Sag mir bitte, was passiert ist, damit ich Gewissheit habe! Dann sage ich auch nichts mehr.“ Daraufhin schreibt der Angeklagte: „Mache ich vor Gericht.“ Die Nachrichten in dem Chat mit dem Angeklagten erwecken für sich betrachtet zwar den Eindruck, dass R1 am 06.11.2016, am 07.11.2016 und am 08.11.2016 (noch) keine Kenntnis über den Tod der H1 hatte und (auch) am 13.11.2016 (noch) keine Kenntnis über den Tathergang hatte, jedoch steht fest, dass es sich hierbei um fingierte Nachrichten des Angeklagten und des R1 gehandelt hat, die gegenüber Dritten eine Urlaubsreise des Angeklagten mit H1 und eine Unkenntnis des R1 über die Tat vorspiegeln sollten, insbesondere hat der Zeuge R1 in der Hauptverhandlung auf Vorhalt des Chats glaubhaft bestätigt, dass er seine Unkenntnis über die Tat simuliert habe. Er hat auf Vorhalt des Chats bekundet, er habe, als der Angeklagte sich auf der Flucht befunden habe, so schreiben müssen, als ob er nicht Bescheid über die Tat wissen würde. Daneben hat der Angeklagte in einem Brief an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 02.01.2020 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (5) (g)) bestätigt, dass er vor seiner Flucht dem R1 gesagt hat, H1 getötet zu haben.
318
(cc) Die Aussage des Zeugen R1 wird gestützt durch die Aussagen der Zeugen L1, L2, N2, L3 und W3.
319
(aaa) Insbesondere wird die Aussage des Zeugen R1 gestützt durch die Aussage der Zeugin L1, der Freundin bzw. Verlobten des R1, die am 03.05.2022 in der Hauptverhandlung vernommen worden ist und R1 am 07.05.2022 geheiratet hat. Sie hat bestätigt, dass R1 von dem Angeklagten die Einzelheiten des Tathergangs, wonach der Angeklagte H1 im Schlaf getötet habe und Sex mit der Leiche gehabt habe, erfahren hat.
320
(i) Die Zeugin L1 hat in der Hauptverhandlung zum Beginn der Beziehung mit R1 angegeben, sie habe R1 im Jahr 2016, der genaue Zeitpunkt sei ihr nicht mehr erinnerlich, über „F.“ kennengelernt und sei im Winter eine Beziehung mit ihm eingegangen. Diesbezüglich hatte sie in ihrer polizeilichen Vernehmung am 22.08.2019 näher angegeben, sie habe R1 im November 2016 auf „F.“ kontaktiert, als in den Medien berichtet worden sei, dass der Angeklagte, mit dem sie im Alter von 14 Jahren einmal Kontakt über das Internet gehabt habe, wegen des Tötungsdelikts in F. gesucht werde; sie hätten sich in der Folge getroffen und seien im Dezember 2016 eine Beziehung eingegangen.
321
Sie hat in der Hauptverhandlung bekundet, sie habe bald nach dem Beginn der Beziehung bemerkt, dass R1 unruhig geschlafen habe. Als sie einmal bei ihm übernachtet habe, habe er im Schlaf „gezuckt“. Sie habe ihn aufgeweckt und habe ihn gefragt, was mit ihm los sei. Er habe ein paar Minuten für sich gebraucht und habe dann gesagt, er komme momentan nicht „klar“ und brauche jemanden zum Reden. Er habe sich dann „komplett geöffnet“ und sie hätten im Bett ein langes Gespräch geführt. R1 habe ihr erzählt, es belaste ihn, was ihm sein Bruder, der Angeklagte, über die Tötung von H1 berichtet habe. Er habe ihr in dem Gespräch in ernster Stimmung erzählt, was er von dem Angeklagten über die Tat erfahren habe. Ob der Angeklagte zu der Zeit noch auf der Flucht oder schon im Gefängnis gewesen sei, sei ihr nicht mehr erinnerlich; es könne noch im Jahr 2016 oder schon im Jahr 2017 gewesen sein. Sie habe öfter mit R1 über das Thema gesprochen, könne aber nicht mehr sagen, wann und wie oft sie noch mit ihm darüber gesprochen habe.
322
R1 habe ihr berichtet, dass er am Abend nach der Tat erfahren habe, dass der Angeklagte H1 umgebracht habe. Der Angeklagte habe ihm eine Nachricht gesandt, in der er ihn um ein Treffen gebeten habe. Daraufhin sei R1 zu dem Angeklagten gefahren und habe mit dem Angeklagten vor dem Wohnhaus ein Gespräch im Auto geführt. Der Angeklagte habe zu R1 gesagt, er habe „Scheiße“ gebaut. R1 habe ihn gefragt, was er getan habe. Der Angeklagte habe ihm gesagt, dass er H1 umgebracht habe.
323
Zum Tathergang habe ihr R1 berichtet, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe, nachdem er eine Flasche Wodka getrunken habe. Er habe H1 mit einem Messer in den Hals geschnitten und auf sie eingestochen, als sie geschlafen habe. Dabei sei ein Zahn getroffen worden. Sie habe noch etwas sagen wollen, habe jedoch nicht mehr sprechen können. Danach habe der Angeklagte die Leiche „vergewaltigt“ bis zum Eintreten der Leichenstarre, da er „der Letzte“ habe sein wollen, der H1 „fickt“. Ob R1 über einen Orgasmus bzw. eine Ejakulation des Angeklagten berichtet habe, wisse sie nicht mehr. Dann habe der Angeklagte die Leiche vom Bett „heruntergerissen“ und in das Bad gezogen, wobei sie sich an einem Türstock den Kopf „angeschlagen“ habe; im Bad habe er die Leiche in die Badewanne gelegt zum „Ausbluten“. Ob der Sohn H2die Tat mitbekommen habe, sei ihr nicht bekannt. R1 habe gesagt, der Sohn H2habe während der Tat „in seinem Zimmer“ geschlafen.
324
Bei dem Tatwerkzeug habe es sich nach der Schilderung von R1 um ein „Damastmesser“ gehandelt, das der Angeklagte von R1 erhalten habe; woher das „Damastmesser“ stamme, sei ihr nicht mehr erinnerlich. Diesbezüglich hatte sie im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung am 22.08.2019 und im Rahmen ihrer richterlichen Vernehmung am 06.09.2019 näher angegeben, es handele sich bei dem Tatmesser um ein „Damastmesser“, das R1 im Militärgeschäft der Firma M. in F., als er dort gearbeitet habe, gestohlen habe und dem Angeklagten geschenkt habe.
325
Zum Motiv des Angeklagten habe R1 berichtet, dass der Angeklagte nicht mehr „ein und aus“ gewusst habe, da er Angst um seinen Sohn gehabt habe und eifersüchtig gewesen sei, da sich H1 getrennt habe. Der Angeklagte habe vor der Tat den Chat zwischen H1 und T1 gelesen.
326
Überdies habe R1 berichtet, dass er und der Angeklagte Ü. zur Leichenbeseitigung angestellt hätten; sie hätten zum Beispiel überlegt, die Leiche einzubetonieren, zu verbrennen oder zu vergraben; der Angeklagte habe jedoch gesagt, er schaffe das nicht.
327
Im Übrigen habe R1 erzählt, dass der Angeklagte, E1 und er nach der Tat zu dritt in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ hätten und mit einer Lampe durch die Wohnung gegangen seien, um zu prüfen, dass man keine Blutspritzer mehr sehe.
328
Nach der Tat habe R1 ein Handy, das er im Internet bestellt habe, in einem Handyladen in P. verkauft und das Geld dem Angeklagten für die Flucht gegeben. Überdies seien der Angeklagte und R1 zu einer Spedition nach Pl. gefahren und hätten Goldbarren für den Angeklagten abgeholt. Daneben habe R1 dem Angeklagten T. zur Trinkwasseraufbereitung für die Flucht besorgt. Schließlich habe R1 dem Angeklagten für die Flucht seinen Personalausweis mitgegeben.
329
Darüber hinaus habe R1 berichtet, dass der Angeklagte dem E1 erzählt habe, dass er H1 umgebracht habe, und dass E1 wisse, wie die Tat abgelaufen sei. R1 und E1 hätten sich öfter getroffen und gesprochen, wobei ihr nicht bekannt sei, worüber sie im Einzelnen gesprochen hätten. Dass der Angeklagte mit der Leiche Sex gehabt habe, habe E1 nach der Schilderung des R1 erst nicht gewusst, da sich der Angeklagte deswegen „geschämt“ habe vor E1; ob dann der Angeklagte oder R1 dem E1 über den Sex mit der Leiche berichtet hätten, sei ihr nicht mehr erinnerlich. E1 habe in der Folge sein Wissen über den Tathergang seiner Freundin B1 erzählt. So habe sie von B1 einmal eine Nachricht oder einen Screenshot erhalten, indem sie ihr mitgeteilt habe, dass H1 „im Schlaf“ getötet worden sei.
330
Sie habe die Informationen über den Tathergang, die sie von R1 erhalten habe, ihrer Mutter L2, der Kindergärtnerin N2 und ihren Freundinnen L3 und W3 erzählt. R1 habe ihr später gesagt, dass seine Schilderung des Tathergangs nicht gestimmt habe, wobei er nicht gesagt habe, was an seiner Schilderung nicht stimme. Im August 2019, als sie und R1 nach einem Streit zeitweilig getrennt gewesen seien, habe sie sich entschlossen, ihr Wissen über den Tathergang der Polizei zu offenbaren, so dass sie sich bei der Polizei gemeldet habe. Im Dezember 2019, als sie sich versöhnt hätten, habe ihr R1 gesagt, sie müsse ihre Angaben bei der Polizei zurücknehmen, da seine Schilderung des Tathergangs nicht gestimmt habe und sie sonst nicht zusammen sein könnten; dies sei jedoch nicht mehr möglich gewesen. Dessen ungeachtet hätten sie sich im Dezember 2021 verlobt und würden am 07.05.2022 heiraten.
331
(ii) Die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben der Zeugin L1 sind glaubhaft. Sie konnte sich, abgesehen von unwesentlichen Erinnerungsungewissheiten, an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte im Kern zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat.
332
(α) Die Aussagetüchtigkeit der Zeugin L1 ist nicht beeinträchtigt.
333
Ihre Fähigkeit, einen Sachverhalt bzw. einen Gedankeninhalt zuverlässig wahrzunehmen, im Gedächtnis zu behalten und bei einer Befragung aus dem Gedächtnis abzurufen, unterliegt keinen Einschränkungen. Sie verfügt, wie sich bei ihrer Vernehmung gezeigt hat, über das erforderliche sprachliche Ausdrucksvermögen, um den Inhalt ihrer Wahrnehmung wiederzugeben. Daran, dass sie in der Lage ist, tatsächliche Erlebnisse von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden, besteht kein Zweifel.
334
Die Kammer hat, sachverständig beraten durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P6, die mit der Zeugin L1 vor ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 gesprochen hat und das Verhalten der Zeugin L1 vor und während ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 beobachtet hat, keine Besonderheiten in der Person und keine Auffälligkeiten im Aussageverhalten der Zeugin L1 festgestellt, die Anlass geben könnten, ihre kognitiven und mnestischen Fähigkeiten, insbesondere ihre Fähigkeit, einen spezifischen Sachverhalt zuverlässig wahrzunehmen, diesen in der zwischen dem Geschehen und der Befragung liegenden Zeit im Gedächtnis zu behalten, das Ereignis angemessen abzurufen, die Geschehnisse in einer Befragungssituation verbal wiederzugeben und Erlebtes von anders generierten Vorstellungen zu unterscheiden, infrage zu stellen; insbesondere haben sich keine konkreten Anhaltspunkte ergeben, dass die Zeugin L1 an einer Persönlichkeitsstörung oder einer anderen psychischen Störung leiden würde, die sich in Bezug auf die Aussagetüchtigkeit niedergeschlagen haben könnte.
335
Die Zeugin L1, geboren am ...1991, war im Zeitpunkt der Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 die Verlobte des Zeugen R1, des Bruders des Angeklagten; sie hat den Zeugen R1 am 07.05.2022 geheiratet. Die Zeugin war bei ihrer mehrstündigen Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 in jeder Hinsicht orientiert und in der Lage, ihre Erlebnisse zu erinnern und verständlich und differenziert wiederzugeben; sie zeigte während der Vernehmung in der Hauptverhandlung keine psychischen Auffälligkeiten.
336
Indessen hat das Verhalten der Zeugin L1 im Vorfeld der Vernehmung die Kammer veranlasst, einen Sachverständigen, nämlich die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. P6, zur Beurteilung der Vernehmungsfähigkeit der Zeugin L1, die auch die Frage nach dem Vorliegen einer psychischen Störung mitumfasst, hinzuzuziehen, da sie im Vorfeld der Vernehmung mit E-Mails vom 30.04.2022 und 02.05.2022 mitgeteilt hat, unter psychischem Druck zu stehen und Angst zu haben, sie selbst bzw. über ihren Zeugenbeistand zwei ärztliche Atteste vom 29.04.2022 und 03.05.2022 übersandt hat, die keine Diagnose enthielten, jedoch Anlass zur näheren Abklärung ihres Zustandes durch einen Psychiater gegeben haben, und sie vor ihrem Vernehmungstermin am 03.05.2022, 15:00 Uhr, somatische Symptome in Gestalt von Erbrechen und Hyperventilation gezeigt hat, die eine kurzfristige ambulante Untersuchung und Behandlung mit Gabe des Medikaments Tavor (Wirkstoff: Lorazepam) in der Notaufnahme des Klinikums D. erforderlich gemacht haben.
337
Während der Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022, für die sie, nach der Entlassung aus dem Klinikum D., ab 17:15 Uhr zur Verfügung stand und die im Beisein ihres Zeugenbeistands, der Rechtsanwältin S9, und in Anwesenheit der Sachverständigen Dr. P6 durchgeführt wurde, hat die Zeugin L1 keine psychischen Auffälligkeiten gezeigt, so dass um 19:44 Uhr die Vernehmung abgeschlossen und die Zeugin entlassen werden konnte.
338
In der Hauptverhandlung am 24.05.2022 hat die Sachverständige Dr. P6 ihr Gutachten zur Vernehmungsfähigkeit der Zeugin L1 am 03.05.2022 erstattet und ausgeführt, sie habe mit der Zeugin L1 am 03.05.2022 im Gerichtsgebäude und in der Notaufnahme des Klinikums D. gesprochen, dabei habe die Zeugin L1 gesagt, dass sie müde sei und Angst habe und nicht aussagen wolle, weil sie es sich mit ihrem künftigen Ehemann, dem Bruder des Angeklagten, nicht „verscherzen“ wolle; sie sei im Gespräch adäquat und kognitiv nicht beeinträchtigt gewesen und habe keine Aufmerksamkeitsstörungen gezeigt. Im Klinikum D. habe sie Tavor (Wirkstoff: Lorazepam) erhalten, hierbei handele es sich um ein gut verträgliches angstlösendes Mittel aus der Gruppe der Benzodiazepine, das in normaler Dosierung nicht zu einer Beeinträchtigung der kognitiven und mnestischen Funktionen führe. In Bezug auf den Zustand und das Verhalten der Zeugin L1 während der Vernehmung am 03.05.2022 hat die Sachverständige ausgeführt, die Zeugin L1 sei aus psychiatrischer Sicht vernehmungsfähig gewesen, insbesondere habe sie die an sie gestellten Fragen verstanden und adäquat beantwortet und habe keine verlängerte Reaktionszeit gezeigt; eine Beeinträchtigung der kognitiven und mnestischen Funktionen sei während der Vernehmung nicht zutage getreten. Es ließen sich zwar bestimmte Persönlichkeitscharakteristika, nämlich leichte histrionische Anteile und manipulative Tendenzen im Sinne einer Persönlichkeitsakzentuierung erkennen, jedoch nicht im Sinne eines psychiatrischen Krankheitsbildes (zum Beispiel im Sinne einer Persönlichkeitsstörung).
339
Den Ausführungen der Sachverständigen Dr. P6, bei der es sich um die stellvertretende Chefärztin der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie im Bezirksklinikum M. handelt, die über eine langjährige Erfahrung in der Diagnostik und der Behandlung von psychischen Störungen verfügt und den Berufsrichtern der Kammer aus einer Vielzahl von Verfahren als zuverlässige und gewissenhafte Gutachterin bekannt ist, schließt sich die Kammer nach kritischer Würdigung und nach dem persönlichen Eindruck, den die Kammer von der Zeugin L1 in der Hauptverhandlung gewonnen hat, an.
340
Das Verhalten der Zeugin L1 im Vorfeld des Vernehmungstermins am 03.05.2022 ist nicht Ausfluss einer psychischen Störung, sondern ist plausibel dadurch zu erklären, dass sich die Zeugin L1 als Verlobte des Zeugen R1, des Bruders des Angeklagten, in einer normalpsychologisch nachvollziehbaren belastenden Konfliktsituation befand, nämlich in einem Strafverfahren gegen ihren künftigen Schwager als Zeugin aussagen zu müssen. Diese Konfliktsituation hat sich zusätzlich dadurch gesteigert, dass sich der Gegenstand der Aussage der Zeugin L1 in erster Linie auf Wissen vom Hörensagen bezogen hat, welches seinerseits auf den Zeugen R1, d.h. den Bruder des Angeklagten und Verlobten der Zeugin, zurückging. Dass der Zeuge R1, der in der Hauptverhandlung am 13.05.2022 als Bruder des Angeklagten (zunächst) von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht hat, in der Hauptverhandlung am 19.08.2022 und am 01.09.2022 ohnehin selbst umfassend zur Sache aussagen würde, ist für die Zeugin L1 bei ihrem Vernehmungstermin am 03.05.2022 noch nicht absehbar gewesen.
341
Für eine Beeinträchtigung der Wahrnehmungs-, Gedächtnis- und Denkprozesse der Zeugin L1 haben sich bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung keine Hinweise ergeben.
342
Überdies haben sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der die Zeugin L1 am 22.08.2019 vernommen hat, aus den Angaben der Zeugin R2. am Amtsgericht S10, die die Zeugin L1 am 06.09.2019 vernommen hat, aus den Angaben der Zeugin L2, der Mutter der Zeugin L1, und aus den Angaben der Zeugen N2, L3 und W3, denen die Zeugin L1 ihr Wissen in Bezug auf das Tatgeschehen anvertraut hat, keine Hinweise auf psychische Auffälligkeiten der Zeugin L1 ergeben.
343
Demnach haben weder die Persönlichkeit noch das Aussageverhalten der Zeugin L1 einen Anlass gegeben, ihre kognitiven und mnestischen Fähigkeiten in Zweifel zu ziehen.
344
(β) Für die Glaubhaftigkeit der tatbezogenen Angaben der Zeugin L1 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin L1 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von R1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben und beschrieb zahlreiche Details zum Kerngeschehen, zum Beispiel dass beim Einstechen auf H1 ein Zahn getroffen worden sei, dass H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nicht mehr sprechen habe können, dass beim Geschlechtsverkehr mit der Leiche die Leichenstarre eingetreten sei, dass der Angeklagte „der Letzte“ sein habe wollen, der H1 „fickt“, dass sich die Leiche beim Verbringen in das Bad an einem Türstock den Kopf angeschlagen habe, dass der Angeklagte die Leiche „zum Ausbluten“ in die Badewanne gelegt habe und dass es sich bei dem Tatmesser um ein „Damastmesser“ gehandelt habe. Überdies beschrieb sie zahlreiche Details zum Nachtatgeschehen, die ihr R1 geschildert habe. Zugleich konnte sie sich gut an die Situation erinnern, als ihr R1 (erstmals) sein Wissen über das Tatgeschehen mitgeteilt habe; so beschrieb sie, dass R1 unruhig geschlafen und im Schlaf „gezuckt“ habe, bevor er sich in einem langen Gespräch im Bett bei ihr ausgesprochen habe; sie konnte sich noch gut an die Stimmungslage des R1 bei dem Gespräch erinnern und das Gespräch (auch) in zeitlicher Hinsicht einordnen.
345
Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin L1 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein. Sie zeigte nicht das bei Falschaussagen häufig zu beobachtende Bestreben, sich keine Blöße durch das Eingeständnis von Erinnerungslücken zu geben und Antworten um jeden Preis zu produzieren, sondern brachte es jeweils zum Ausdruck, wenn sie sich an bestimmte Umstände nicht mehr erinnern konnte; auch Vorhalte aus früheren Vernehmungen und aus Chatnachrichten bestätigte sie nicht pauschal, sondern nur dann, wenn sie sich, nach kritischem Nachdenken, an den Inhalt erinnern konnte.
346
(γ) Dafür, dass die auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben der Zeugin L1 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten.
347
Die Zeugin L1, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 22.08.2019 und bei ihrer richterlichen Vernehmung am 06.09.2019 geschildert.
348
Die Bekundungen der damaligen Verhörspersonen, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin L1 am 22.08.2019 geführt hat, und der Zeugin R2. am Amtsgericht S10, die die Vernehmung der Zeugin L1 am 06.09.2019 als Ermittlungsrichterin geführt hat, und die bei ihren Vernehmungen in der Hauptverhandlung ausführlich aus eigener Erinnerung über den Inhalt der Aussagen der Zeugin L1 in den Vernehmungen vom 22.08.2019 und 06.09.2019 berichtet haben, haben ergeben, dass die Zeugin L1 die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von R1 erhalten hat, im Kern mit gleichem Inhalt beschrieben hat; insbesondere hat die Zeugin L1 in den Vernehmungen jeweils beschrieben, dass ihr R1 im Gespräch geschildert hat, dass ihr der Angeklagte erzählt habe, dass der Angeklagte H1 im Schlaf getötet habe und nach der Tat Sex mit der Leiche gehabt habe.
349
Demnach hat die Zeugin L1 bei ihrer Vernehmung am 22.08.2019 im Kern bekundet, dass ihr R1 mitgeteilt habe, dass er von dem Angeklagten erfahren habe, dass er H1 mit einem Messer einen Schnitt in den Hals zugefügt habe, als sie in ihrem Bett im Schlafzimmer geschlafen habe, dass sie noch etwas sagen habe wollen, aber nicht mehr sprechen habe können, dass er dann noch mehrmals auf sie eingestochen habe und dass er ihr, als sie tot gewesen sei, die Beine hochgehoben habe und sie „vergewaltigt“ habe, bis die Leichenstarre eingetreten sei; hierzu habe der Angeklagte geäußert, er habe der „Letzte“ sein wollen, der sie „fickt“; danach habe er sie vom Bett „heruntergezogen“ und in das Bad gezogen; beim Verbringen in das Bad habe sie sich an einem Türstock den Kopf angeschlagen; er habe sie dann in die Badewanne gelegt und „ausbluten“ lassen „wie eine Sau“. R1 habe ihr berichtet, dass der Angeklagte dem E1 den Tathergang erzählt habe, mit Ausnahme der „Vergewaltigung“, weil sich der Angeklagte deswegen geschämt habe vor E1; von der „Vergewaltigung“ habe R1 dem E1 erzählt. Zusätzlich hat die Zeugin L1 in ihrer Vernehmung am 22.08.2019 bekundet, dass R1 in Bezug auf die „Vergewaltigung“ der Leiche davon berichtet habe, dass der Angeklagte „abgespritzt“ habe.
350
Ebenso hat die Zeugin L1 bei ihrer Vernehmung am 06.09.2019 im Kern bekundet, dass ihr R1 mitgeteilt habe, dass er von dem Angeklagten erfahren habe, dass er H1 mit einem Messer einen Schnitt am Hals gesetzt habe, als sie in ihrem Bett im Schlafzimmer geschlafen habe, dass sie noch etwas sagen habe wollen, aber nichts mehr herausgebracht habe, dass er noch öfter auf sie eingestochen habe und dass er sie, als sie tot gewesen sei, „vergewaltigt“ habe, bis die Leichenstarre eingetreten sei; hierzu habe der Angeklagte geäußert, er habe der „Letzte“ sein wollen, der sie „fickt“; danach habe er sie vom Bett „heruntergezogen“ und in das Bad gezogen; beim Verbringen in das Bad habe sie sich an einem Türstock den Kopf angeschlagen; er habe sie dann in die Badewanne gelegt und „ausbluten“ lassen „wie eine Sau“. R1 habe ihr berichtet, dass der Angeklagte dem E1 den Tathergang erzählt habe, mit Ausnahme der „Vergewaltigung“, weil sich der Angeklagte deswegen geschämt habe vor E1; von der „Vergewaltigung“ habe R1 dem E1 erzählt. Zusätzlich hat die Zeugin L1 bei der Vernehmung am 06.09.2019 bekundet, dass R1 in Bezug auf die „Vergewaltigung“ der Leiche von „Sperma“ berichtet habe.
351
Dass die Zeugin L1 bei ihren Vernehmungen am 22.08.2019 und am 06.09.2019 zur Herkunft des Tatmessers, bei dem es sich um ein „Damastmesser“ gehandelt habe, bekundet hat, dass ihr R1 erzählt habe, dass er das „Damastmesser“ im Militärgeschäft der Firma M. in F., als er dort gearbeitet habe, gestohlen habe und dem Angeklagten geschenkt habe, sie in der Hauptverhandlung angegeben hat, sich an die Herkunft des „Damastmessers“ nicht mehr erinnern zu können, spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit, sondern lässt sich dadurch erklären, dass Gedächtnisinhalte nicht immer vollständig zu jeder beliebigen Zeit abrufbar sind, oder dass sie bewusste oder unbewusste Hemmungen hatte, den R1, mit dem sie zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 (bereits) verlobt war, hinsichtlich eines Diebstahls zu belasten.
352
(δ) Die Entstehungsgeschichte der Aussage gibt keinen Anlass, an der Zuverlässigkeit der Angaben der Zeugin L1 zu zweifeln, insbesondere ergeben sich aus der Entstehungsgeschichte der Aussage keine Hinweise auf eine bewusste oder unbewusste fremdsuggestive Beeinflussung der Zeugin L1.
353
Die Zeugin L1 hat nach ihren Angaben (erstmals) Ende 2016 oder Anfang 2017 von R1 die geschilderten Einzelheiten des Tathergangs erfahren. Sie ist damals nicht als Zeugin vernommen worden und hat sich damals nicht als Zeugin gemeldet; wie aus einer Tonbandaufzeichnung eines Gesprächs zwischen R1 und L1 vom 01.06.2017 hervorgeht, hatte R1 sie gebeten, nichts zu sagen („bitte sag nichts“), worauf sie ihm versprochen hatte, nichts zu sagen („ich sage nichts“). Sie hatte sich, wie der Zeuge EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, berichtet hat, (erstmals) am 19.08.2019, in einer Trennungsphase, bei der Polizei gemeldet und mitgeteilt, dass sie Angaben zum Tötungsdelikt des Angeklagten machen könne; daraufhin war sie, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, (erstmals) am 22.08.2019 als Zeugin vernommen worden und hatte umfassend über ihr Wissen über den Tathergang ausgesagt.
354
Dabei hat sie den Umstand, dass sie sich nicht schon früher als Zeugin gemeldet habe, nachvollziehbar dadurch erklärt, dass sie Angst vor R1 gehabt habe, da es in der Beziehung bei Streitigkeiten öfter zu häuslicher Gewalt des R1 gekommen sei und R1 ihr gedroht habe, er würde sie ebenfalls umbringen, wenn sie ihre „Fresse“ nicht halten würde und sein Bruder wegen ihrer Aussage „lebenslänglich“ bekommen würde; insbesondere sei R1 im März 2018, als sie bei einem Streit gesagt habe, dass sie zur Polizei gehen wolle und die Wahrheit sagen wolle, gewalttätig geworden; er habe zwar nicht zugeschlagen, jedoch habe er sie in eine Ecke geschubst und ihr den Arm verdreht und ihr gesagt, sie solle „ja nichts sagen“. Damals sei die Polizei gekommen, jedoch habe sie nichts über die Tat des Angeklagten gesagt. Tatsächlich fand, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, am 16.03.2018 ein Polizeieinsatz der Polizeiinspektion D. wegen häuslicher Gewalt des R1 zum Nachteil der L1 statt, wobei im polizeilichen Datenbestand zum Sachverhalt vermerkt worden ist, dass R1 der L1 die Finger umgebogen und den Arm nach unten gedrückt habe. Aus der verlesenen Auskunft aus dem Bundeszentralregister vom 31.05.2022 für den Zeugen R1 geht hervor, dass gegen R1 aufgrund des Vorfalls vom 16.03.2018 mit Strafbefehl des Amtsgerichts D. vom 20.06.2018 wegen Körperverletzung eine Geldstrafe in Höhe von 40 Tagessätzen verhängt wurde. Dass sie in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 nicht bereit war, über häusliche Gewalt des R1, mit dem sie seit Dezember 2021 verlobt war, auszusagen, ist im Hinblick auf ihr Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO nicht zu beanstanden und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit.
355
Dass sie sich am 19.08.2019 bei der Polizei gemeldet hat und am 22.08.2019 umfassend als Zeugin ausgesagt hat, hat sie in der Vernehmung am 22.08.2019, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, damit erklärt, dass sie und R1 sich getrennt hätten und sie nun Angst vor R1 habe; es gebe Streit wegen des Umgangsrechts für die gemeinsamen Kinder und sie habe Angst, dass R1 sich mit den Kindern „absetzen“ könne, da er bereits erwähnt habe, dass er mit den Kindern nach Spanien fahren könnte. Ergänzend hat sie in der Hauptverhandlung angegeben, dass sie sich auch deshalb entschlossen habe, sich bei der Polizei zu melden, weil sie sich beim Jugendamt über das Umgangsrecht habe beraten lassen und dort erwähnt habe, dass sie von R1 die Einzelheiten über die Tat des Angeklagten erfahren habe; dort sei sie aufgefordert worden, ihr Wissen der Polizei mitzuteilen. Dass sie sich in der Situation nicht mehr zur Loyalität gegenüber R1 und dessen Bruder, den Angeklagten, verpflichtet sah und sich nicht mehr an ihr Versprechen zum Stillschweigen gebunden fühlte, ist nachvollziehbar und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit.
356
Dass L1 im Dezember 2019, nach der Versöhnung mit R1, versucht hat, ihre Angaben, die sie in der Vernehmung vom 22.08.2019 gemacht hat, zurückzunehmen, ist vor dem Hintergrund der Versöhnung mit R1 nachvollziehbar und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit. Tatsächlich hat L1, wie der Zeuge EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, berichtet hat, am 13.12.2019 telefonisch mitgeteilt, ihre Angaben zurücknehmen zu wollen, und am 17.12.2019 telefonisch angegeben, dass R1 am 09.12.2019 bei ihr gewesen sei und ihr gesagt habe, dass die Umstände, die er ihr über die Tötung der H1 berichtet habe, nicht stimmen würden. Dementsprechend hat die Zeugin L1 in der Hauptverhandlung angegeben, R1 habe ihr bei der Versöhnung gesagt, sie müsse ihre Angaben zurücknehmen, da seine Schilderung nicht stimmen würde und sie sonst nicht zusammen sein könnten. Dass sie vor dem Hintergrund, dass R1 die Rücknahme der Aussage gleichsam als Bedingung für eine Fortsetzung der Beziehung gestellt hat, versucht hat, ihre Angaben zurückzunehmen ist nachvollziehbar. Dabei hat sie sich in inhaltlicher Hinsicht jedoch nicht von ihren Angaben distanziert, sondern lediglich angegeben, dass R1 ihr gesagt habe, dass seine Schilderung nicht stimmen würde.
357
Dass L1 in der Hauptverhandlung am 03.05.2022 (zunächst) versucht hat, eine Aussage zu vermeiden, ist vor dem Hintergrund, dass sie seit Dezember 2021 mit R1, dem Bruder des Angeklagten, verlobt war und den R1 am 07.05.2022 geheiratet hat, so dass sie seither mit dem Angeklagten verschwägert ist, nachvollziehbar und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit; zu dem Zeitpunkt konnte ihr noch nicht bekannt sein, dass R1 im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung ohnehin selbst umfassend aussagen würde.
358
(ε) Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin L1, die zum Zeitpunkt ihrer Vernehmung am 03.05.2022 mit dem Bruder des Angeklagten, R1, verlobt gewesen ist und den R1 am 07.05.2022 geheiratet hat, nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin L1, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen.
359
(ζ) Darüber hinaus finden die Angaben der Zeugin L1 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen R1 und L1, zwischen L1 und E1 und zwischen L1 und M8. So spiegelt sich in den Chatnachrichten zwischen R1 und L1 am 14.05.2017, am 06.09.2017 und am 10.09.2017 und zwischen L1 und E1 am 02.06.2017 wider, dass sich R1 nach der Flucht des Angeklagten und noch vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit seiner Freundin L1 über die Einzelheiten des Tathergangs ausgetauscht hat (siehe hierzu bereits unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (bb) (eee)); dies steht auch nicht in Widerspruch zu dem Inhalt der durch Vorspielen in Augenschein genommenen Tonbandaufzeichnung vom 01.06.2017 (siehe hierzu bereits unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (bb) (fff)). In Bezug auf die Tonbandaufzeichnung vom 01.06.2017 schreibt L1 in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 26.09.2017 an M8, einen Freund des Angeklagten (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (dd)), die Aufnahme mit dem „Sperma“ komme nach P.; die Kripo werde Augen machen, was „der Bruder“ nicht noch alles wisse. Weiter schreibt L1: „Einem Menschen das Leben zu nehmen, ist krass und unterste Schublade, aber den Menschen dann auch noch zu vergewaltigen, ist unverzeihlich.“
360
(bbb) Daneben werden die Aussagen des Zeugen R1 und der Zeugin L1 gestützt durch die Aussage der Zeugin L2.
361
(i) Die Zeugin L2 hat in der Hauptverhandlung bekundet, dass ihre Tochter L1 im November 2016 R1 kennengelernt habe und mit ihm eine Beziehung begonnen habe. Ihre Tochter habe ihr zunächst nicht gesagt, dass er der Bruder des Angeklagten sei. Im April 2017, als ihre Tochter von R1 schwanger gewesen sei, habe sich ihre Tochter ihr jedoch anvertraut und habe ihr gesagt, dass R1 der Bruder des Angeklagten sei und dass der Angeklagte H1 umgebracht habe. Ihre Tochter habe ihr zum Tathergang berichtet, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ mit einem Messer erstochen habe und sich dann an ihr „vergangen“ habe, d.h. sie „vergewaltigt“ habe, da er „der Letzte“ sein habe wollen, der mit H1 Sex habe. Danach habe er sie in die Badewanne zum „Ausbluten“ gelegt und sie dann in Plastiksäcke verpackt. Überdies habe ihre Tochter berichtet, dass nach der Tat in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ worden sei.
362
Zu Gesprächen über die Tat mit R1 befragt, hat die Zeugin L2 zunächst angegeben, mit R1 nicht über die Tat gesprochen zu haben, sodann jedoch auf den Vorhalt, dass diese Aussage nicht mit ihrer polizeilich protokollierten Aussage vom 13.11.2019, wonach sie nicht nur mit L1, sondern auch mit R1 über die Tat gesprochen habe, übereinstimme und nach (erneutem) Hinweis auf die Wahrheitspflicht angegeben, es falle ihr sehr schwer, zu Gesprächen mit R1 auszusagen, da er ihr künftiger Schwiegersohn sei; tatsächlich habe sie jedoch mit R1, im Beisein ihrer Tochter L1, über die Tat gesprochen. R1 habe berichtet, dass der Angeklagte H1 umgebracht habe, da er sich mit H1 gestritten habe und eifersüchtig gewesen sei. Sie habe zu R1 gesagt, dass man deswegen niemanden umbringe. Er habe ihr allerdings erzählt, dass der Angeklagte H1 mit einem Messer „im Schlaf“ umgebracht habe. Dies sei vor dem Prozess oder während des Prozesses gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. gewesen; ihre Tochter sei zu dem Zeitpunkt schwanger gewesen, der Sohn L4, geboren am ...2017, sei noch nicht geboren gewesen. Überdies habe R1 berichtet, dass nach der Tat in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ worden sei.
363
(ii) Die Angaben der Zeugin L2 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat.
364
Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin L2 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin L2 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von L1 und R1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben; dabei beschrieb sie (auch) Details zum Kerngeschehen, zum Beispiel, dass der Angeklagte die Leiche in die Badewanne zum „Ausbluten“ gelegt habe. Sie konnte sich noch an konkrete Gesprächssequenzen erinnern und konnte die Gespräche (auch) in zeitlicher Hinsicht einordnen. Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin L2 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen. Dafür, dass die Angaben der Zeugin L2 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten. Die Zeugin L2, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 13.11.2019 geschildert. Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin L2 am 13.11.2019 geführt hat, haben dies ergeben; insbesondere hat die Zeugin L2 in der Vernehmung am 13.11.2019 beschrieben, dass sie von L1 erfahren habe, dass der Angeklagte H1 mit einem Messer im Schlaf umgebracht und mit der Leiche den Geschlechtsverkehr vollzogen habe, und dass sie von R1 erfahren habe, dass der Angeklagte H1 mit einem Messer im Schlaf umgebracht habe. Der Umstand, dass die Zeugin L2 in der Hauptverhandlung zunächst geleugnet hat, mit R1 über die Tat gesprochen zu haben und erst auf Vorhalt ihrer polizeilich protokollierten Aussage vom 13.11.2019 und nach (erneutem) Hinweis auf die Wahrheitspflicht über das Gespräch, das sie mit R1 über die Tat geführt hat, berichtet hat, ist vor dem Hintergrund, dass sie in der Hauptverhandlung am 06.05.2022 vernommen worden ist und ihre Tochter L1 am 07.05.2022 den R1 geheiratet hat, nachvollziehbar und spricht nicht gegen ihre Glaubwürdigkeit. Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin L2 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin L2, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen. Darüber hinaus finden die Angaben der Zeugin L2 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen R1 und L1; so schreibt L1 in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 14.05.2017 an R1: „Meine Mum weiß auch über alles Bescheid.“
365
(ccc) Ferner werden die Aussagen des Zeugen R1 und der Zeugin L1 gestützt durch die Aussage der Zeugin N2.
366
(i) Die Zeugin N2 hat in der Hauptverhandlung bekundet, sie habe sich als Leiterin des Kindergartens in Ni., den die Kinder der L1 besucht hätten, mit L1 über die Tat unterhalten. Bei einer Gelegenheit, im Jahr 2017, während des Prozesses oder nach dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., habe sie ein Gespräch mit L1 im Büro des Kindergartens gehabt, in dem sich L1, die sehr bedrückt gewesen sei, bei ihr ausgesprochen habe. L1 habe ihr berichtet, dass sie von R1 erfahren habe, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe; er habe sie „aus Eifersucht“ mit einem Messer erstochen, als sie im Schlafzimmer geschlafen habe. Nach der Tat sei in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ worden.
367
(ii) Die Angaben der Zeugin N2 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin N2 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin N2 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von L1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben; dabei konnte sie sich noch gut an die Stimmungslage der L1 bei der Mitteilung über das Tatgeschehen erinnern. Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin N2 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen. Dafür, dass die Angaben der Zeugin N2 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten. Die Zeugin N2, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 13.11.2019 geschildert. Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin N2 am 13.11.2019 geführt hat, haben dies ergeben. Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin N2 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin N2, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen. Darüber hinaus finden die Angaben der Zeugin N2 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen L1 und N2; so schreibt L1 in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 06.09.2017 an N2 in Bezug auf die Tat, sie kenne die komplette Wahrheit, was passiert sei.
368
(ddd) Ferner werden die Aussagen des Zeugen R1 und der Zeugin L1 gestützt durch die Aussage der Zeugin L3.
369
(i) Die Zeugin L3 hat in der Hauptverhandlung bekundet, sie habe sich mit L1, mit der sie seit dem Jahr 2007 befreundet sei, über die Tat unterhalten. Bei einer Gelegenheit, im Februar oder März 2017, vor dem Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P., habe ihr L1 berichtet, dass sie von R1 erfahren habe, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe; er habe ihr, nachdem er eine Flasche Wodka getrunken habe, mit einem Messer die „Kehle“ durchgeschnitten, als sie im Bett im Schlafzimmer geschlafen habe, da sie einen anderen Mann gehabt habe. Danach, als sie nicht mehr gelebt habe, habe er sie „vergewaltigt“ und dann die Leiche in die Badewanne gelegt zum „Ausbluten“. Nach der Tat sei in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ worden. L1 habe sich bei der Schilderung der Tat sichtlich unwohl gefühlt; man habe an ihrem Blick gemerkt, dass sie das „Mitwissen“ über die Tat sehr belastet habe.
370
(ii) Die Angaben der Zeugin L3 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin L3 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin L3 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von L1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben; dabei konnte sie sich noch gut an die Stimmungslage der L1 bei der Mitteilung über das Tatgeschehen erinnern. Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin L3 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen. Dafür, dass die Angaben der Zeugin L3 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten. Die Zeugin L3, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 14.11.2019 geschildert. Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin L3 am 14.11.2019 geführt hat, haben dies ergeben. Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin L3 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin L3, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen. Darüber hinaus finden die Angaben der Zeugin L2 eine Stütze in den verlesenen Chatnachrichten zwischen L1 und L3; so schreibt L1 in einer Nachricht auf „Wh.-A.“ am 01.01.2019 an L3, R1 habe einmal in der Badewanne zu ihr gesagt, wenn er mitbekommen würde, dass sie mit einem anderen Mann schreiben würde, dann würde er nicht so lange warten wie der Angeklagte, sondern würde gleich alles „beenden“; der Angeklagte sei am Tag vor der Tat schon am Bett der H1 gestanden, da habe er „es“ aber noch nicht tun können, weil er sie geliebt habe.
371
(eee) Ferner werden die Aussagen des Zeugen R1 und der Zeugin L1 gestützt durch die Aussage der Zeugin W3.
372
(i) Die Zeugin W3 hat in der Hauptverhandlung bekundet, sie habe sich mit L1, mit der sie seit über zehn Jahren befreundet sei, über die Tat unterhalten. Sie hätten sich, nachdem sie zeitweilig keinen Kontakt gehabt hätten, im Mai oder Juni 2017, als sie beide schwanger gewesen seien, getroffen und bei L1 in Ni. in der Küche ein langes Gespräch gehabt; ob sie bei dem Gespräch oder später, gegebenenfalls erst 2018 oder 2019, über die Tat gesprochen hätten, sei ihr in zeitlicher Hinsicht nicht mehr erinnerlich. L1 habe ihr berichtet, dass sie von R1 erfahren habe, dass der Angeklagte H1 „im Schlaf“ umgebracht habe; er habe sie, nachdem er Wodka getrunken habe, umgebracht, als sie geschlafen habe, „aus Eifersucht“, da sie einen neuen Mann gehabt habe, und „wegen des Buben“. Danach habe er sie noch einmal „gepackt“, d.h. mit ihr Sex gehabt, und dann die Leiche „verräumt“. Nach der Tat sei in der Wohnung geputzt worden; ob L1 berichtet habe, dass „geweißelt“ worden sei, sei ihr nicht mehr erinnerlich.
373
(ii) Die Angaben der Zeugin W3 sind glaubhaft. Sie konnte sich an den Inhalt ihrer Bekundungen sicher erinnern und es besteht kein Zweifel daran, dass sie das geschilderte Geschehen und die geschilderten Gesprächsinhalte zutreffend wahrgenommen und zuverlässig und wahrheitsgemäß wiedergegeben hat. Für die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin W3 spricht die Qualität ihrer Aussage. Die Zeugin W3 konnte die Umstände und den Inhalt der Mitteilungen über das Tatgeschehen, die sie von L1 erhalten hat, in sich stimmig und frei von inhaltlichen Strukturbrüchen wiedergeben. Bei ihrer Aussage nahm die Zeugin W3 eine selbstkritische und erinnerungskritische Haltung ein und legte Erinnerungslücken von sich aus offen. Dafür, dass die Angaben der Zeugin W3 auf ihrer Wahrnehmung beruhen, spricht (auch) ihr konstantes Aussageverhalten. Die Zeugin W3, die mehrfach vernommen worden ist, hat den Kern des Geschehens, d.h. die Inhalte und die Umstände aus dem Geschehensablauf, die für sie im Moment ihres Erlebens subjektiv, also aus ihrer Sicht, von zentraler Bedeutung gewesen sind, so wie in ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung auch schon zuvor bei ihrer polizeilichen Vernehmung am 14.11.2019 geschildert, wobei sie sich damals in zeitlicher Hinsicht noch sicher gewesen ist, dass das Gespräch mit L1 über die Tat zwischen Mai und Juli 2017 in der Küche der L1 in Ni. stattgefunden hat. Die Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten, des Zeugen EKHK M2, der die Vernehmung der Zeugin W3 am 14.11.2019 geführt hat, haben dies ergeben. Ein Motiv, den Angeklagten zu Unrecht zu belasten, hat die Zeugin W3 nicht; es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Zeugin W3, ohne konkreten Anlass, ein Geschehen erfinden sollte, um den Angeklagten auf diese Weise wahrheitswidrig zu beschuldigen.
374
(dd) Die Aussage des Zeugen R1 wird in Teilen gestützt durch die Aussage des Zeugen M8, eines Freundes des Angeklagten, der nach der Berichterstattung in den Medien und der Festnahme des Angeklagten im Jahr 2016 mit dem (inhaftierten) Angeklagten in Kontakt trat und sich mit ihm anfreundete und (zeitweise) auch mit dem Bruder des Angeklagten, R1, befreundet war. Der Zeuge M8 hat glaubhaft bekundet, er habe den Angeklagten (erst) kennengelernt, als er sich in Untersuchungshaft befunden habe, und habe mit ihm selbst nicht über den Tathergang gesprochen. Sein Bruder R1 habe allerdings in der Zeit des Prozesses gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. mit ihm über den Tathergang gesprochen und ihm erzählt, dass H1 im Streit mit einem Messer erstochen worden sei. Er habe sich einmal, in der Zeit des Prozesses in P., mit R1 auf einem Parkplatz neben der Autobahn A3 bei der Anschlussstelle Ai. getroffen; dabei habe ihm R1 erzählt, dass der Angeklagte nach der Tat die Leiche „gebumst“ habe, dies durch die Polizei jedoch nicht herausgefunden worden sei, da die Polizei kein Sperma gefunden habe; die Leiche habe der Angeklagte in die Badewanne gelegt. Ferner habe ihm R1 erzählt, dass E1 die Leiche einbetonieren habe wollen und dass das Tatmesser in die Donau geworfen worden sei. R1 habe bei dem Gespräch auf dem Parkplatz einen Joint geraucht, sei jedoch nicht „zugedröhnt“ gewesen. Eine Tötung der H1 im Schlaf habe R1 nicht erwähnt. Dementsprechend hat der Zeuge M8 bereits in einer E-Mail an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 13.01.2020 mitgeteilt, dass ihm R1 lediglich über eine Tötung im Streit, nicht hingegen über eine Tötung im Schlaf berichtet habe. Der Umstand, dass R1 dem M8 allein die Tatversion im Sinne der Tötung im Streit, nicht jedoch die Tatversion im Sinne der Tötung im Schlaf berichtet hat, erlaubt allerdings allein den Schluss, dass R1 für sich die Tatversion im Sinne der Tötung im Streit für zutreffend gehalten hat oder er gegenüber M8 den Angeklagten nicht im Sinne einer Tötung im Schlaf belasten hat wollen, lässt jedoch keinen Schluss auf die Richtigkeit der einen oder der anderen Tatversion oder den Inhalt der Schilderungen des Tathergangs durch den Angeklagten gegenüber R1 zu.
375
(ee) Überdies wird die Aussage des Zeugen R1 in Teilen gestützt durch die Aussage des Zeugen B5, eines Freundes des Zeugen R1. Der Zeuge B5 hat bekundet, R1 habe nach der Entdeckung der Tat im Jahr 2016 (zunächst) erzählt, dass er den Angeklagten vor der Flucht länger nicht mehr gesehen habe und nichts über die Tat gewusst habe. Später, im Sommer 2021, habe er sich mit R1 einmal an der „S.-Tankstelle“ in P. getroffen; dies sei, den betreffenden Sprachnachrichten auf seinem Handy zufolge, am 31.08.2021 gewesen; dabei habe ihm R1 erzählt, dass er damals gelogen habe und er in Wahrheit nach der Tat des Angeklagten in der Wohnung gewesen sei und noch das Blut gesehen habe, außerdem habe er dem Angeklagten einen Ausweis für die Flucht gegeben; er habe damals nicht anders gekonnt, als zu lügen, da der Angeklagte sein Bruder sei. Zum Tathergang habe ihm R1 lediglich berichtet, dass der Angeklagte vor der Tat eine Flasche Wodka getrunken habe, „um auf unzurechnungsfähig zu machen“, sonst habe er jedoch keine näheren Einzelheiten berichtet.
376
(ff) Der Umstand, dass R1 bei der Beendigung der Beziehung mit seiner früheren Freundin H11 (möglicherweise) die Unwahrheit gesagt hat, in dem er seine Trennungsentscheidung mit der Schwangerschaft einer anderen Frau nach einem „One Night Stand“ begründet haben soll, gibt keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen R1 zu zweifeln, insbesondere ist die Frage nach dem „Leumund“ eines Zeugen kein taugliches Kriterium für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit (vgl. BGH, Beschluss, vom 11.01.2005, Az. 1 StR 498/04).
377
Die Zeugin H11, die zum Tatgeschehen nichts aussagen konnte, hat in der Hauptverhandlung zu ihrer Beziehung mit R1 bekundet, sie habe R1 im September 2016 über eine Datingseite kennengelernt und sei mit ihm eine Beziehung eingegangen; die Beziehung sei im Dezember 2016 durch R1 beendet worden. Bereits im November 2016, als die Flucht des Angeklagten schon in der Öffentlichkeit bekannt gewesen sei, habe R1 einmal gesagt, er wolle mit ihr Schluss machen, weil er sie „in die Sache mit seinem Bruder nicht hineinziehen“ wolle; sie habe ihm jedoch gesagt, dass sein Bruder „Scheiße gebaut“ habe, ändere für sie nichts an der Beziehung. Letztlich habe R1 im Dezember 2016 die Beziehung beendet und zur Begründung, weshalb er mit ihr Schluss mache, gesagt, er habe, bevor er sie kennengelernt habe, einen „One-Night-Stand“ mit einer Frau gehabt, die sich jetzt wieder bei ihm gemeldet habe und ihm mitgeteilt habe, dass sie von ihm schwanger sei; er habe gesagt, er wolle für das Kind da sein, und habe die Beziehung beendet. Nach ihrem Kenntnisstand („soweit ich weiß“) sei R1 nach der Trennung von ihr mit dem „One-Night-Stand“ zusammengekommen; mit der betreffenden Frau sei er jetzt verheiratet, es handele sich um L1.
378
L1 kontaktierte R1 allerdings erst im November 2016 anlässlich der Medienberichterstattung über den Angeklagten, die mit der Auffindung der Leiche der H1 am 12.11.2016 eingesetzt hatte, und begann erst im Dezember 2016 eine Beziehung mit R1. Sie war erstmals im Jahr 2017 von R1 schwanger und das erste gemeinsame Kind, der Sohn L4, wurde am ...2017 geboren, wobei der Beginn der Empfängniszeit unter Heranziehung der gesetzlichen Vermutung des § 1600d Abs. 3 S. 1 BGB frühestens auf den ...2017 fällt, so dass es sich bei der Frau, die vor dem Beginn der Beziehung von R1 und H11, die von September 2016 bis Dezember 2016 bestand, nach einem „One Night Stand“ von R1 schwanger gewesen sein soll, nicht um L1 gehandelt haben kann. Die Zeugin H11 hat jedoch nicht behauptet, dass R1 gesagt hätte, dass es sich bei der Frau des „One-Night-Stands“ um L1 gehandelt habe; diese Zuordnung hat vielmehr allein die Zeugin H11 selbst, in Form einer Schlussfolgerung, getroffen. Vor diesem Hintergrund lässt sich weder feststellen noch ausschließen, dass R1 vor dem Kennenlernen der H11, das im September 2016 stattfand, mit einer Frau, bei der es sich nicht um L1 gehandelt hat, eine einmalige sexuelle Begegnung („One-Night-Stand“) hatte und dass ihm die Frau im Dezember 2016, wahrheitsgemäß oder wahrheitswidrig, mitgeteilt hatte, von ihm schwanger zu sein. Doch selbst wenn R1 bei der Begründung seiner Trennungsentscheidung gegenüber H11 im Dezember 2016 die Unwahrheit gesagt haben sollte, würde dies nicht den Schluss erlauben, dass R1 als Zeuge unglaubwürdig ist und seinen Angaben zum Tatgeschehen nicht geglaubt werden kann. Denn abgesehen von der allgemeinen Erkenntnis, dass kein Mensch immer und jeder Mensch manchmal lügt, betrifft die Beendigung der Beziehung mit H11 einen privaten Bereich des Zeugen R1, der keine Relevanz in Bezug auf den Gegenstand des Verfahrens hat.
379
(gg) Schließlich gibt der Umstand, dass sich der Zeuge R1 in der Hauptverhandlung nicht daran erinnern hat können, ob er auf der Taufe von H2anwesend war, keinen Anlass, an der Glaubwürdigkeit bzw. der Erinnerungsfähigkeit des Zeugen R1 zu zweifeln. Er hat in der Hauptverhandlung zunächst angegeben, er glaube, dass er nicht auf der Taufe anwesend gewesen sei, da er nicht eingeladen worden sei, sodann jedoch auf Vorhalt der Nebenklägervertreterin Rechtsanwältin H12, wonach er auf der Taufe eine Fürbitte vorgetragen habe, angegeben, es könne sein, dass er auf der Taufe anwesend gewesen sei, jedoch habe er kein Bild der Taufe mehr vor Augen; er sei Onkel von drei Kindern und könne sich nicht mehr an die Taufe von H2erinnern. Dass er sich nicht an die Taufe des H2erinnern hat können, lässt allerdings keinen Schluss auf eine Beeinträchtigung seiner Glaubwürdigkeit bzw. Erinnerungsfähigkeit zu, sondern weist lediglich darauf hin, dass die Taufe des H2für ihn ein Ereignis war, dem er keine höhere Bedeutung beigemessen hatte und das bei ihm deshalb keinen bleibenden Gedächtniseindruck hinterlassen hatte. Der Umstand hat in objektiver Hinsicht keine Relevanz in Bezug auf den Gegenstand des Verfahrens.
380
Dem hilfsweise für den Fall, „dass die Kammer zu der Überzeugung des Vorliegens des Mordmerkmals der Heimtücke gelangt und deshalb eine Verurteilung nach § 211 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder dass die Kammer im Zusammenhang mit § 212 StGB das Vorliegen eines besonders schweren Falles erwägt“, gestellten Antrag, die auf dem Notebook des Angeklagten befindlichen Fotos, die bei der Feier der Taufe in der Kirche angefertigt wurden und auf denen der Bruder des Angeklagten, R1, zu sehen ist, in Augenschein zu nehmen, zum Beweis der Tatsache, dass R1 auf der Taufe von H2anwesend war, brauchte die Kammer nicht nachkommen, weil zwischen der Tatsache, die bewiesen werden soll, und dem Gegenstand der Urteilsfindung kein Sachzusammenhang besteht, § 245 Abs. 2 S. 3 StPO. Die unter Beweis gestellte Tatsache hat in objektiver Hinsicht keine Relevanz in Bezug auf den Gegenstand des Verfahrens.
381
Desgleichen brauchte die Kammer dem hilfsweise für den Fall, „dass die Kammer zu der Überzeugung des Vorliegens des Mordmerkmals der Heimtücke gelangt und deshalb eine Verurteilung nach § 211 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder dass die Kammer im Zusammenhang mit § 212 StGB das Vorliegen eines besonders schweren Falles erwägt“, durch die Verteidigung gestellten Antrag auf Vernehmung der R4, der Schwester von R1, zum Beweis der Tatsache, dass R1 auf der Taufe von H2anwesend war, nicht nachkommen, weil die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ist, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO. Denn zwischen der Tatsache, die bewiesen werden soll, und dem Gegenstand der Urteilsfindung besteht kein Sachzusammenhang. Die unter Beweis gestellte Tatsache hat in objektiver Hinsicht keine Relevanz in Bezug auf den Gegenstand des Verfahrens.
382
(c) Die Kammer hat aus den dargestellten Erwägungen keinen Zweifel, dass die Schilderung des Tatgeschehens in den Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1 von dem Angeklagten als (primäre) Quelle der Information stammt. Die Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1, stimmen hinsichtlich der Schilderung des Tatgeschehens dahin überein, dass der Angeklagte vor der Tat eine Flasche Wodka getrunken habe, dass er H1 im Schlaf getötet habe und dass er nach der Tat an der Leiche den Geschlechtsverkehr vollzogen habe. Überdies wird in beiden Aussagesträngen zu den wesentlichen Gesichtspunkten des Tatgeschehens übereinstimmend berichtet, dass das Tatmesser von einem „Bundeswehrshop“ bzw. einem „Militärgeschäft“ stamme, dass H1 bei Beginn der Tat schlafend in ihrem Bett im Schlafzimmer gelegen habe, dass der Angeklagte H1 in den Hals geschnitten bzw. gestochen habe, dass H1 noch etwas sagen habe wollen, jedoch nicht mehr sprechen habe können, dass ein Zahn getroffen worden sei, dass die Leiche nach der Tat zum „Ausbluten“ in die Badewanne gelegt worden sei, dass nach der Tat in der Wohnung geputzt und „geweißelt“ worden sei und dass der Angeklagte mit E1 bzw. mit R1 Überlegungen zur Leichenbeseitigung (einbetonieren, verbrennen, vergraben) angestellt habe. Insbesondere handelt es sich bei dem in beiden Aussagesträngen geschilderten Umstand, dass H1 nach dem Schnitt bzw. Stich in den Hals noch etwas sagen habe wollen, jedoch nicht mehr sprechen habe können, um eine markante Einzelheit, die dafür spricht, dass es sich bei dem Umstand um spezifisches Täterwissen handelt, das von dem Angeklagten stammt.
383
Daneben stimmen die Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1 in der Zusammenschau mit dem Chat zwischen E1 und R1 vom 01.11.2016 dahin überein, dass am 01.11.2016 eine Fahrt des Angeklagten und des E1 von F. nach P. stattgefunden hat und dass es am 01.11.2016, als sich der Angeklagte und E1 auf der Rückfahrt von P. nach F. befanden, zu einem Treffen zu dritt zwischen dem Angeklagten, E1 und R1 an der „B.-Tankstelle“ gekommen ist. In Bezug auf die Fahrt hat der Zeuge R1 die Aussage des Zeugen E1, wonach ihm der Angeklagte auf der Fahrt über den Tathergang berichtet habe, dahingehend bestätigt, dass ihm der Angeklagte an der „B.-Tankstelle“, als E1 zum Zigarettenholen oder auf die Toilette gegangen sei, gesagt habe, dass er E1 bereits auf der Fahrt von der Tat erzählt habe, aber „nicht alles“.
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Hinsichtlich des Treffens an der „B.-Tankstelle“ am 01.11.2016 hat die Kammer nicht übersehen, dass die Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1 in Bezug auf das dortige Gespräch zwar in Teilen abweichen, jedoch geben die Abweichungen nicht Anlass, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen E1 bzw. des Zeugen R1 oder an der Glaubhaftigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen E1 oder des Zeugen R1 zu zweifeln, da es sich um Abweichungen handelt, die zwanglos mit normalen Erinnerungsungewissheiten erklärbar sind.
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Zum einen weichen die Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1 zwar dahingehend ab, dass der Zeuge R1 angegeben hat, dass der Angeklagte bei dem Treffen im Beisein des E1 über die Tötung „im Schlaf“ berichtet habe, wohingegen der Zeuge E1 angegeben hat, dass bei dem Treffen seiner Erinnerung nach nicht über die Tat gesprochen worden sei, da bei dem Treffen der Abschleppunternehmer B5 (Spitzname: „B.“) an der „B.-Tankstelle“ anwesend gewesen sei, während sich der Zeuge R1 an die Anwesenheit des B5 an dem Tag nicht erinnern hat können. Diesbezüglich hat der Zeuge B5 in der Hauptverhandlung bekundet, er habe im Jahr 2016 einmal den R1 an der „B.-Tankstelle“ getroffen, als der Angeklagte im Auto einer anderen Person, bei der es sich um E1 gehandelt haben könnte, an der „B.-Tankstelle“ eingetroffen sei; der Angeklagte sei mit der Person auf dem Weg zum „Burger King“ nach P. gewesen; er glaube nicht, dass der Sohn H2dabei gewesen sei, da er davon ausgehe, dass ihm dies aufgefallen wäre. Er könne nicht mehr sagen, worüber gesprochen worden sei, ob jemand auf die Toilette gegangen sei oder ob sie überhaupt zu viert zusammengestanden seien. Er habe keine näheren Erinnerungen an das Treffen. Demnach ist zweifelhaft, ob das Treffen, das der Zeuge B5 geschildert hat, mit dem Treffen am 01.11.2016 zwischen dem Angeklagten, E1 und R1 identisch ist, zumal sich der Angeklagte und E1, wie sich aus den Chatnachrichten zwischen E1 und B1 und zwischen E1 und R1 vom 01.11.2016 ergeben hat, bei dem Treffen an der „B.-Tankstelle“ am 01.11.2016 nicht auf der Hinfahrt zum „Burger King“, sondern auf der Rückfahrt vom „Burger King“ befanden. Ob B5 bei dem Treffen zwischen dem Angeklagten, E1 und R1 an der „B.-Tankstelle“ am 01.11.2016 zugegen war oder nicht und falls ja, über welche Dauer und in welcher Distanz, hat sich nicht aufklären lassen. Diesbezüglich geht die Kammer allerdings davon aus, dass der Angeklagte und R1 bei dem Treffen an der „B.-Tankstelle“ (auch) im Beisein des E1 über die Tötung „im Schlaf“ gesprochen haben, da sich der Zeuge R1 noch an konkrete Umstände der Situation erinnern konnte und er seine „Verwunderung“ über das Stattfinden des Gesprächs im Beisein des E1, die Reaktion des E1 („gefasst“) und die Gesprächssequenzen im Hinblick auf das Risiko der „Mitwisserschaft“ des E1 konkret schildern konnte. Dass sich der Zeuge E1 daran nicht mehr erinnern konnte, lässt sich allerdings mit einem normalen Vergessensprozess erklären und ist auch deshalb nachvollziehbar, da E1 bereits auf der Fahrt zur „B.-Tankstelle“ von dem Angeklagten über die Tötung „im Schlaf“ erfahren hatte, so dass die (erneute) Schilderung der Tötung „im Schlaf“ an der „B.-Tankstelle“ für E1 keine neue Information (mehr) enthielt; eine (mögliche) vorübergehende Anwesenheit des B5 an der „B.-Tankstelle“ an dem Tag stünde einem Gespräch über die Tat nicht entgegen, da der Zeuge E1 eine durchgehende Anwesenheit des B5 in unmittelbarer Nähe des Angeklagten, die das Risiko des Mithörens bergen würde, nicht geschildert hat.
386
Zum anderen weichen die Aussagen des Zeugen E1 und des Zeugen R1 zwar dahingehend ab, dass der Zeuge R1 angegeben hat, dass der Angeklagte bei dem Treffen seiner Erinnerung nach in Gegenwart des E1 über den „Sex mit der Leiche“ berichtet habe, wohingegen der Zeuge E1 angegeben hat, er habe über „den Sex mit der Leiche“ erst später, nicht von dem Angeklagten, sondern von R1, nämlich im Auto des R1 vor dem Wohnhaus der L1 erfahren, während sich der Zeuge R1 an die beschriebene Situation im Auto nicht erinnern hat können. Diesbezüglich geht die Kammer allerdings davon aus, dass die Schilderung des Zeugen E1 zutreffend ist und E1 erst nach dem Treffen an der „B.-Tankstelle“ am 01.11.2016 von R1 von dem „Sex mit der Leiche“ erfahren hat. Dafür spricht zum einen, dass der Zeuge R1 offen gelassen hat, ob die Schilderung des Geschlechtsverkehrs mit der Leiche durch den Angeklagten, die in Gegenwart des E1 stattgefunden haben soll, vor oder nach dem Zigarettenholen bzw. dem Toilettengang des E1 erfolgte; so ist zum Beispiel denkbar, dass die Schilderung des Geschlechtsverkehrs stattfand, als sich E1 beim Zigarettenholen bzw. beim Toilettengang befand. Dafür spricht zum anderen die Aussage der Zeugin L1, die angegeben hat, dass E1 nach der Schilderung des R1 erst nicht gewusst habe, dass der Angeklagte S2. mit der Leiche gehabt habe, da sich der Angeklagte deswegen vor E1 „geschämt“ habe; während sie sich in der Hauptverhandlung allerdings nicht mehr sicher gewesen ist, ob dann (dennoch) der Angeklagte oder R1 dem E1 über den Sex mit der Leiche berichtet habe, hat sie bei ihrer Vernehmung am 22.08.2019 und bei ihrer Vernehmung am 06.09.2019 angegeben, dass R1 dem E1 von der „Vergewaltigung“ erzählt habe. Damit steht auch der Inhalt der Tonbandaufnahme des Gesprächs zwischen R1 und L1 vom 01.06.2017 (siehe hierzu bereits unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (bb) (fff)) nicht in Widerspruch, in dem R1 zu L1 sagt, der Angeklagte habe dem E1 „den einen Punkt“, d.h. den Sex mit der Leiche („dass er sie noch mal gepackt hat“), nicht gesagt, weil er sich vor ihm „geschämt“ habe; den „Punkt“ habe er, R1, dem E1 dann gesagt.
387
In der Gesamtschau der Aussagen der Zeugen E1 und R1 ist die Kammer mithin überzeugt, dass die Aussagen wahrnehmungsbasiert und glaubhaft sind, da sie sich nicht widersprechen, sich gegenseitig stützen und die vereinzelten Abweichungen zwischen den Aussagen zwanglos mit normalen Erinnerungsungewissheiten erklärbar sind.
388
(4) Die Kammer ist überzeugt, dass der Angeklagte die Wahrheit sagte, als er seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 gestand, H1 im Schlaf getötet zu haben. Es besteht kein Zweifel, dass sein damaliges „Geständnis“, wonach er H1 mit einem Messer tötete, als sie schlafend in ihrem Bett lag, den Tatsachen entsprochen hat. Dies folgt daraus, dass es für den Angeklagten weder einen Anlass noch einen Grund gegeben hat, sich wahrheitswidrig selbst durch die Schilderung der „Tötung im Schlaf“ zu belasten, dass die Schilderung der „Tötung im Schlaf“ mit dem Spurenbild in der Wohnung und mit dem Verletzungsbild an der Leiche übereinstimmt und die Einzelheiten des Tatgeschehens, die auf der Schilderung des Angeklagten als (primärer) Quelle der Information beruhen und von den Zeugen E1 und B1 bzw. den Zeugen R1 und L1 überliefert worden sind, möglich und plausibel sind.
389
(a) Für den Angeklagten bestand weder ein Anlass noch ein Grund, sich gegenüber seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 wahrheitswidrig selbst durch die Schilderung der Tötung im Schlaf zu belasten. Eine Erklärung, weshalb er E1 und R1, seine engsten Vertrauten, bei der Schilderung der Tötung im Schlaf angelogen haben sollte, hat der Angeklagte, der keine Nachfragen zugelassen hat, in seiner Einlassung nicht erbracht und ist (auch) nicht ersichtlich.
390
Die Kammer hat die selbstbelastenden Äußerungen des Angeklagten gegenüber E1 und R1 durch die Schilderung der Tötung im Schlaf kritisch hinterfragt und dabei auch die Möglichkeit eines (privaten) Falschgeständnisses in den Blick genommen, jedoch keinen Anlass und keinen Grund für ein Falschgeständnis des Angeklagten gegenüber E1 bzw. R1 gefunden.
391
Dass sich der Angeklagte bei der Schilderung der Tötung im Schlaf gegenüber E1 bzw. R1 im Sinne eines Renommiergeständnisses, etwa aus einem Geltungsbedürfnis heraus, mit einem unwahren Tathergang hätte brüsten wollen, liegt fern und ist nicht behauptet worden. Gegen ein Renommiergeständnis spricht unter anderem der Umstand, dass er seinem Bruder R1 am 28.10.2016 (zunächst) geschildert hatte, H1 in einem Streit getötet zu haben, und dass er seinem Freund S3 in einem Telefonat aus Spanien am 13.11.2016 geschildert hatte, H1 aus einem Streit heraus getötet zu haben. Dies weist darauf hin, dass sich der Angeklagte durch die Schilderung der Tötung im Schlaf bei seinen Gesprächspartnern kein „Renommee“ versprochen hat, da ansonsten für die Schilderung der Version einer Tötung in bzw. aus einem Streit kein Anlass bestanden hätte.
392
Desgleichen liegt auch ein Bagatellisierungsgeständnis in dem Sinne, dass der Angeklagte bei der Schilderung der Tötung im Schlaf (irrtümlich) gemeint haben könnte, eine Tötung im Schlaf sei ein geringeres Unrecht an dem Opfer oder ein geringeres Übel für das Opfer, und er hierdurch seine Tat in einem – aus seiner Sicht – milderen Licht hätte darstellen wollen, fern und ist nicht behauptet worden. Dagegen spricht zum einen, dass er seinem Freund S3 in einem Telefonat aus Spanien am 13.11.2016 geschildert hatte, H1 aus einem Streit heraus getötet zu haben, und zum anderen, dass er seinem Bruder R1 über die Tötung im Schlaf hinaus den Geschlechtsverkehr mit der Leiche bekannt hatte.
393
Überdies liegt auch ein Defektgeständnis im Sinne einer wahrheitswidrigen Selbstbelastung aus einem allgemeinen Schuldgefühl, aus einer Erinnerungstäuschung oder aus einer beschränkten Zurechnungsfähigkeit fern und ist nicht behauptet worden. Dagegen spricht, dass er seinem Bruder R1 am 28.10.2016 (zunächst) geschildert hatte, H1 in einem Streit getötet zu haben, und dass er seinem Freund S3 in einem Telefonat aus Spanien am 13.11.2016 geschildert hatte, H1 aus einem Streit heraus getötet zu haben. Dies weist darauf hin, dass es sich bei der Schilderung der Tötung im Schlaf am 01.11.2016 nicht um das Produkt einer falschen Erinnerung, sondern um eine reflektierte und bewusste Erzählung aus einer echten Erinnerung handelt (zur behaupteten Gedächtnislücke siehe unter D. II. 3. c) bb) (5) (d)). Überdies ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass sich der Angeklagte bei der Schilderung der Tötung im Schlaf in einer Psychose befunden hätte oder dass er unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gestanden hätte. Die Zeugen E1 und R1 haben zum Verhalten und zum Zustand des Angeklagten am 01.11.2016 keine Auffälligkeiten berichtet und seine Stimmungslage als „normal“ bzw. „locker“ beschrieben. Die Beschreibung des Zeugen R1, dass der Angeklagte den Sex mit der Leiche „locker“ und „lapidar“, als ob es „bedeutungslos“ für ihn sei, geschildert habe, deutet nicht auf eine mangelnde Ernsthaftigkeit seiner Schilderung hin. Es haben sich auch sonst keine Hinweise gefunden, die darauf hindeuten könnten, dass der Angeklagte den Inhalt seiner Schilderung nicht ernst gemeint hätte.
394
Für den Angeklagten bestand mithin kein Anlass und kein Grund, sich wahrheitswidrig eines Tathergangs zu berühmen, der nicht den Tatsachen entsprochen hätte. Stattdessen liegt es nahe, dass sich der Angeklagte unter der Last des begangenen Verbrechens durch das menschliche Mitteilungsbedürfnis gedrängt fühlte, sich vertrauten Personen, seinem besten Freund und seinem älteren Bruder, anzuvertrauen, um sich durch das Aussprechen über den wahren Tathergang zu entlasten und Verständnis und Unterstützung für sich zu erlangen.
395
Der Umstand, dass er seinem Bruder R1 am 28.10.2016, d.h. am Tag nach der Tat, zunächst berichtete, H1 im Streit getötet zu haben, ihm jedoch ein paar Tage später, am 01.11.2016, berichtete H1 im Schlaf getötet zu haben, spricht nicht gegen, sondern für die Richtigkeit seiner Schilderung über die Tötung im Schlaf. Denn anders als bei dem Treffen mit seinem Bruder am 28.10.2016 bestand für den Angeklagten bei dem Treffen am 01.11.2016 nicht das Erfordernis, auf die Frage nach dem Tathergang eine prompte Antwort aus dem Moment heraus zu geben; stattdessen hatte er bis zum 01.11.2016 über die Tat reflektieren können und eine bewusste Entscheidung treffen können, wem er sein Wissen über den Tathergang anvertrauen wollte; demnach konnte er am 01.11.2016 in einer Stimmungslage, die der Zeuge R1 als „locker“ beschrieb, reflektiert und entschieden in der Erwartung der Verschwiegenheit seines Gesprächspartners R1 über den Tathergang berichten und sich durch das Aussprechen über den wahren Tathergang entlasten. Dabei liegt es nahe, dass es dem Angeklagten ein Bedürfnis war, im Gespräch mit seinem älteren Bruder, zu dem er ein vertrauensvolles Verhältnis pflegte, vor der Flucht in das Ausland seine Schilderung vom 28.10.2016 richtig zu stellen und ihm den wahren Tathergang zu bekennen.
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Ebenso bestand für den Angeklagten auf der Fahrt mit E1 von F. nach P. zum „Burger King“ am 01.11.2016 nicht das Erfordernis, auf eine Frage nach dem Tathergang eine prompte Antwort aus dem Moment heraus zu geben, da E1 bis zur Schilderung des Angeklagten am 01.11.2016 nicht über den Tod der H1 Bescheid wusste; stattdessen konnte der Angeklagte am 01.11.2016 auf der Fahrt von F. nach P. in vertraulicher Atmosphäre und in einer Stimmungslage, die der Zeuge E1 als „normal“ beschrieb, reflektiert und entschieden in der Erwartung der Verschwiegenheit seines Gesprächspartners E1, mit dem er in der Vergangenheit eine Vielzahl von Diebstählen begangen hatte und zu dem er ein vertrauensvolles Verhältnis pflegte, über den Tathergang berichten und sich durch das Aussprechen über den wahren Tathergang vor der Flucht in das Ausland entlasten.
397
Der Richtigkeit seines „Geständnisses“ gegenüber E1 und R1 steht nicht entgegen, dass der Angeklagte am 13.11.2016, d.h. einen Tag nach der Entdeckung der Tat, seinem Freund S3, den er im Jahr 2012/13 über das Computerspielen im Internet kennengelernt hatte, in einem Telefonat aus Spanien berichtete, dass er H1 nach einem Streit erstochen habe und die Leiche am nächsten Morgen „auf dem Boden“ gelegen habe (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (5) (d)). Denn zum einen steht die Schilderung, wonach die Leiche nach der Tat „auf dem Boden“ gelegen habe, offensichtlich in Widerspruch mit dem Spurenbild in der Wohnung, das die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer als Tatort ausweist (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)). Zum anderen handelt es sich bei S3, der im Landkreis A., d.h. in erheblicher Entfernung zum Wohnort des Angeklagten, gewohnt hatte und sich mit dem Angeklagten nur selten persönlich getroffen hatte, um einen Freund, den mit dem Angeklagten in erster Linie das gemeinsame Interesse am Computerspielen verband, der jedoch nicht einem ähnlichen Näheverhältnis zu dem Angeklagten stand, wie dies bei E1 und R1 der Fall war, so dass, anders als bei E1 und R1, nicht ohne Weiteres zu erwarten sein würde, dass ihm der Angeklagte bedenkenlos den wahren Tathergang anvertrauen würde, zumal das Bedürfnis des Angeklagten, sich durch das Aussprechen über den wahren Tathergang zu entlasten, bereits gestillt war und der Angeklagte, nach seiner Einlassung, in Spanien bereits „täglich“ mit seiner Festnahme rechnete.
398
In seinem „Geständnis“ gegenüber E1 und R1 hat der Angeklagte eine Vielzahl von Details über den Tathergang geschildert, zum Beispiel den Umstand, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch sprechen habe wollen oder dass das Tatmesser eine Kerbe von einem Zahn davongetragen hab, bei denen es sich um spezifisches Täterwissen handelt und die auf die Erlebnisbasiertheit seiner Schilderung weisen; dazu gehört auch der Umstand, dass sich die Leiche beim Verbringen in das Bad den Kopf angeschlagen habe, und der Umstand, dass er die Leiche zum „Ausbluten“ in die Badewanne gelegt habe. Überdies enthält seine Schilderung (auch) eigene psychische und physische Wahrnehmungen, zum Beispiel den Umstand, dass ihm bei der Tat schwarz vor Augen geworden sei, und den Umstand, dass er beim Hineinlegen der Leiche in die Badewanne Schmerzen am Rücken bekommen habe. Dies spricht dafür, dass seine Schilderung erlebnisbasiert und wahr ist.
399
(b) Daneben stimmt die Schilderung des Angeklagten gegenüber E1 und R1, wonach er H1 mit einem Messer getötet habe, als sie schlafend in ihrem Bett im Schlafzimmer gelegen habe, mit dem Spurenbild in der Wohnung und mit dem Verletzungsbild an der Leiche überein. Das Spurenbild in der Wohnung lässt die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer, den üblichen Schlafplatz der H1, als den Ort der Tötungshandlung erkennen und deutet auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 mit dem Kopf in einer niedrigen (liegenden) Position zum Kopfende des Bettes hin befunden hat; bei einem Kampfgeschehen würde ein breiter gestreutes Spurenbild in der Wohnung bzw. im Schlafzimmer zu erwarten sein (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)). Daneben deutet das Verletzungsbild an der Leiche der H1 auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 in einer liegenden Position im Bett befunden hat; danach ist ein Tatablauf, bei dem H1 zu Beginn geschlafen hat und durch die Gewalteinwirkungen aufgewacht ist, mit dem Verletzungsbild zwanglos in Einklang zu bringen; bei einem Kampfgeschehen würde ein breiter gestreutes Verletzungsbild am Körper des Opfers zu erwarten sein (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (2) (i)).
400
(c) Überdies sind die Einzelheiten des Tatgeschehens, die auf der Schilderung des Angeklagten als (primärer) Quelle der Information beruhen und von den Zeugen E1 und B1 bzw. den Zeugen R1 und L1 überliefert worden sind, plausibel.
401
(aa) Die Schilderung, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch etwas sagen habe wollen, jedoch nicht mehr sprechen habe können („nichts mehr herausgebracht“), ist plausibel und stimmt mit dem Verletzungsbild an der Leiche überein. Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt, er habe nach der Leichenöffnung vom 13.11.2016 eine (ergänzende) Untersuchung des Zungenbeins und des Kehlkopf- und Luftröhrenknorpels der Leiche von H1 durchgeführt und hierbei, nach Feinpräparation und bei stereomikroskopischer Untersuchung, eine vollständige glattrandige diagonal von links oben nach rechts unten verlaufende Abtrennung der linken Schildknorpelplatte ohne Einblutung, eine vollständige glattrandige diagonal von links oben nach rechts unten verlaufende Durchtrennung der rechten Schildknorpelplatte ohne Einblutung und eine kräftige Einblutung in Weichgewebe rechts vorderseitig der Luftröhre festgestellt. Dass sie noch etwas sagen habe wollen, aber nicht mehr sprechen habe können, sei angesichts der festgestellten Verletzungen in der vorderen Kehlkopfregion im Bereich der Stimmlippen, die im Wesentlichen für die Erzeugung des Schalles von Stimm- und Lautäußerungen erforderlich seien, „absolut nachvollziehbar“. Angesichts der Verletzungen sei es plausibel, dass Stimm- oder Lautäußerungen nach dem Halsschnitt nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt möglich gewesen seien; es sei plausibel, dass sie beim Versuch einer Stimm- oder Lautäußerung durch die Verbindung von Atmung und Blutaustritt (nur) noch ein blasenartiges blubberndes oder röchelndes Geräusch hervorgebracht habe.
402
(bb) Die Schilderung, über die die Zeugin L1 berichtet hat, wonach es sich bei dem Tatmesser um ein Damastmesser gehandelt habe, das R1 von einem Militärgeschäft, der Firma M. in F., besorgt („gestohlen“) habe, und die Schilderung, über die der Zeuge E1 berichtet hat, wonach das Tatmesser durch die Tatausführung eine Kerbe von einem Zahn davongetragen habe, sind für sich betrachtet und in der Zusammenschau plausibel.
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Der Bruder des Angeklagten, R1, hatte Zugriff auf die im Sortiment der Firma M. befindlichen Damastmesser, da er von 17.11.2014 bis 31.07.2016 als Lagerist im Lager der Firma beschäftigt war. Dies ergibt sich aus den Angaben der Zeugin F4, der Managerin der Firma M., die überdies berichtet hat, dass sich im Sortiment der Firma M. zwei Modelle von Damastmessern befänden, nämlich ein Damastmesser mit einer klappbaren Klinge (Modellnummer: 44901) mit einer Gesamtlänge von 21,5 cm und einer Klingenlänge von 9 cm und ein Damastmesser mit einer feststehenden Klinge (Modellnummer: 44921) mit einer Gesamtlänge von 21 cm und einer Klingenlänge von 10 cm. Sie hat der Kammer in der Hauptverhandlung jeweils ein Modell der Damastmesser mit den Herstellerdaten übergeben, wobei die Kammer die Damastmesser in Augenschein genommen hat und die Herstellerdaten, aus denen Gesamtlänge und Klingenlänge hervorgehen, verlesen hat. Darüber hinaus hat die Zeugin F4, auf der Grundlage einer Liste mit den „Bestandskorrekturen“ zu den Damastmessern in den Jahren 2015 und 2016, die in der Hauptverhandlung verlesen worden ist, berichtet, dass in den Jahren 2015 und 2016 von dem Damastmesser mit der Modellnummer 44901 fünf Stück (Bestandskorrektur am 05.05.2015: „- 3“; Bestandskorrektur am 21.01.2016: „- 1“, Bestandskorrektur am 21.12.2016: „- 1“) und von dem Damastmesser mit der Modellnummer 44921 drei Stück (Bestandskorrektur am 16.02.2015: „- 1“, Bestandskorrektur am 24.02.2016: „- 1“, Bestandskorrektur am 01.11.2016: „- 1“) abhandengekommen seien, wobei es sich sowohl um „Schwund“ als auch um „Bruch“ handeln könne. Im Unternehmen finde eine laufende Inventur statt, wobei bei der Feststellung eines Fehlbestandes eine Bestandskorrektur in der Datenbank vorgenommen werde. Demnach ist es möglich, dass R1 in der Zeit seiner Beschäftigung bei der Firma M. ein Damastmesser entwendet hat und es vor der Tat an den Angeklagten übergeben hat.
404
Die Damastmesser, die sich im Sortiment der Firma M. befinden, lassen sich als (mögliche) Tatmesser mit den an der Leiche der H1 festgestellten Verletzungen in jeder Hinsicht in Übereinstimmung bringen. Dies folgt aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. P2, dem die beiden Damastmesser, die die Zeugin F4 übergeben hat, mit den Herstellerdaten zur Verfügung gestellt worden sind und der ausgeführt hat, dass jede der an der Leiche festgestellten Schnitt- bzw. Stichverletzungen durch eines der beiden Damastmesser mit einer Klingenlänge von 9 cm bzw. 10 cm verursacht worden sein könne. Im Rahmen der Leichenöffnung seien, soweit eine Sondierung der Stichkanäle möglich gewesen sei, Stichkanallängen von 3,5 cm bis 6 cm feststellbar gewesen, wobei der am weitesten in die Tiefe führende Stichkanal von der rechten Schulter zu einer Blutungshöhle unter dem rechten Brustmuskel am oberen rechten Brustdrüsenansatz geführt habe. Es habe mithin keine Stichkanallänge festgestellt werden können, die nicht durch ein Messer mit einer Klingenlänge von 9 – 10 cm verursacht worden sein könne; unter Berücksichtigung der Kompressionseffekte bei der Zufügung von Stichverletzungen sei eine Klingenlänge von mehr als 5 cm bereits ausreichend, um die an der Leiche festgestellten Verletzungen hervorzurufen. Überdies seien im Allgemeinen nur selten „reine“ Stich- oder Schnittverletzungen zu beobachten, häufiger seien Kombinationen aus Stich- und Schnittverletzungen gegeben. Dementsprechend wiesen die an der Leiche der H1 festgestellten Verletzungen sowohl Stich- als auch Schnittkomponenten auf; dies gelte zum Beispiel für die Verletzung an der Vorderseite des Halses, die als Stichverletzung begonnen haben könne und in eine Schnittverletzung gemündet haben könne. Die Beurteilbarkeit sei durch den Fäulniszustand der Leiche erschwert gewesen, so dass nicht mehr eindeutig zwischen Stich- und Schnittkomponenten abgegrenzt werden habe können. Da sich kaum isolierte Stichkomponenten feststellen ließen, sei eine Differenzierung danach, ob eher das eine oder das andere der beiden Damastmesser als Tatmesser in Betracht zu ziehen sei, nicht möglich.
405
Im Hinblick auf die an der Leiche festgestellten Zahnverletzungen stellt sich, insbesondere unter der Annahme, dass es sich bei einem der Damastmesser, die sich im Sortiment der Firma M. befinden, um das Tatmesser gehandelt hat, auch die Aussage des Zeugen E1, wonach das Messer eine „Kerbe“ von einem Zahn davongetragen habe, als plausibel dar. Nach dem Befund der Leichenöffnung, über die der Sachverständige Prof. Dr. P2, der die Leichenöffnung als Obduzent durchgeführt hat, berichtet hat, erlitt H1 durch einen Stich durch die rechte Wange in die freie Mundhöhle eine Absprengung der Kronen des fünften und sechsten Zahnes des rechten Unterkiefers. Dass es hierbei zu einer Beschädigung („Kerbe“) des Tatmessers gekommen sein kann, folgt aus den Ausführungen des materialkundlichen Sachverständigen Dipl.-Ing. K3 und des zahnmedizinischen Sachverständigen Dr. D1.
406
Der Sachverständige Dipl.-Ing. K3, dem die beiden Damastmesser, die die Zeugin F4 übergeben hat, mit den Herstellerdaten und zwei menschliche Backenzähne zur Verfügung gestellt worden sind und der Härtemessungen an den Messern und an einem Zahn durchgeführt hat, hat ausgeführt, dass die Härtemessung an dem Damastmesser mit der klappbaren Klinge eine Härte des Klingenmaterials von 472 Vickers im Mittelwert, die Härtemessung an dem Damastmesser mit der feststehenden Klinge eine Härte des Klingenmaterials von 440 Vickers im Mittelwert und die Härtemessung an dem Zahn eine Härte des Zahnschmelzes von 312 Vickers im Mittelwert ergeben habe. Da die Härtegrade der Messer höher seien als der Härtegrad des Zahnschmelzes, seien die Messer geeignet, um erheblichen Schaden am Zahnmaterial zu verursachen, und sei es grundsätzlich möglich, mit den Messern die Zähne zu verletzen, ohne dass das Klingenmaterial einen Schaden nehme; dies hänge allerdings von der Berührungsrichtung ab, in der die betreffenden Messer auf die Zahnreihen bzw. die Zahnzwischenräume treffe. Die Biegefestigkeit der Messer sei in Anbetracht der Härte nicht so hoch, dass die Messer bei einem Auftreffen auf einen Zahn „spröde“ brechen würden, allerdings sei es aus materialkundlicher Sicht möglich, dass es durch ein „brutales“ Agieren bei einem Auftreffen der Messer auf die Zahnreihen bzw. die Zahnzwischenräume in einem geeigneten Winkel zu einer „Ausbrechung“ bzw. „Kerbe“ an den Messern komme. Dies sei insbesondere dann möglich, wenn es zu einem Verkanten mit starken Biegekräften in den oberen Bereichen der Zahnzwischenräume komme.
407
Der Sachverständige Dr. D1, dem der Obduktionsbericht mit den Lichtbildern der Leichenöffnung, auf denen auch die abgesprengten Zahnkronen der H1 abgebildet sind, und die beiden Damastmesser, die die Zeugin F4 übergeben hat, mit den Herstellerdaten zur Verfügung gestellt worden sind, hat in Anknüpfung an die Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. K3 ausgeführt, ein Wert von 312 Vickers sei für die Härte von Zahnschmelz, der je nach individueller Mineralisierung in einem Bereich von 300 bis 350 Vickers liegen könne, durchaus repräsentativ, insbesondere habe es sich bei H1 um einen jungen Menschen mit einem guten Zahnstatus gehandelt; nach dem Befund der Leichenöffnung habe es keine Schäden am Kiefer gegeben und hätten die Zähne keine Spuren von Versorgungen, zum Beispiel Füllungen oder Wurzelbehandlungen, aufgewiesen. Bei der Verletzung am fünften und sechsten Zahn des rechten Unterkiefers handele es sich nicht um einen glatten Schnitt durch die Zähne, sondern die Zahnflächen seien nach Art eines Bruchs gewölbt. Die Wurzeln der Zähne hätten sich noch vollständig im Unterkieferknochen befunden, lediglich die Zahnkronen seien abgesprengt worden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Zähne in einer geschlossenen Zahnreihe einen starken Halt hätten und sich innerhalb der Zahnreihe gegenseitig abstützten, so dass es einer erheblichen Krafteinwirkung und eines erheblichen Biegemoments bedürfe, um die Zahnkronen abzusprengen. Durch die Formgebung der Zähne bestehe ein gewisses Eintrittsprofil, so dass ein Messer mit einer dünnen Schneide, wie hier, durchaus zwischen zwei Zähne gelangen könne. Dabei könne es leicht zu Verkantungen und zur Wirkung von Biegekräften kommen, wenn das Messer nicht senkrecht auf die Zähne treffe. Im Hinblick auf die Verletzung an der Wange und das Bruchmuster an den Zähnen sei das Messer mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht senkrecht, sondern in einem gewissen Winkel auf die Zähne getroffen, so dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verkantung gekommen sei. Die Absprengung der beiden Zahnkronen des fünften und sechsten Zahnes spreche deutlich dafür, dass die Schneide des Messers in den Zahnzwischenraum gelangt sei und sich im Zahnzwischenraum verkantet habe. Dabei könne eine dünne Schneide, wie hier, mit einer gewissen Sprödigkeit und einer gewissen Biegsamkeit bei der Wirkung von Biegekräften beschädigt werden. In der zahnärztlichen Praxis komme es zum Beispiel immer wieder vor, dass sehr dünne Extraktionshebel aus Stahl, wenn man sie mit einem bestimmten Hebel anwende und verkante, abbrächen. Im Ergebnis sei es deshalb möglich, dass das Messer mit der Schneide in den Zwischenraum des fünften und sechsten Zahnes gelangt sei und durch ein Verkanten an der Schneide des Messers eine „Kerbe“ entstanden sei.
408
(cc) Die Schilderung, dass der Angeklagte nach dem Tod der H1 an der Leiche den Geschlechtsverkehr vollzogen habe, ist plausibel und steht nicht in Widerspruch zur Spurenlage an der Leiche. Dies folgt aus den gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. A2 und Prof. Dr. P2.
409
(aaa) Die molekularbiologische Untersuchung der im Rahmen der Leichenöffnung entnommenen Abstriche von Mund, Scheide und After der H1, jeweils drei an der Zahl, erbrachte zwar keinen positiven Nachweis des Vorliegens von männlichem biologischem Material; dies wäre jedoch angesichts der Liegezeit der Leiche auch nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
410
Diesbezüglich hat die Sachverständige Prof. Dr. A2, die die Untersuchung an den Abstrichen durchgeführt hat, in der Hauptverhandlung ausgeführt, es sei an den Abstrichen zunächst ein Schnelltest zum Nachweis der im Ejakulat befindlichen sauren Phosphatase durchgeführt worden, der für die drei Abstriche des Mundes ein positives Ergebnis, für die drei Abstriche der Scheide ein positives Ergebnis und für die drei Abstriche des Afters ein schwach positives Ergebnis erbracht habe. Es handele sich hierbei um einen hochsensitiven Test, der einen Hinweis auf das Vorhandensein von Ejakulat geben könne, jedoch, gerade bei Leichenmaterial, auch falsch positive Ergebnisse liefern könne und daher kritisch zu hinterfragen sei. Es sei deshalb an jeweils einem Abstrich von Mund, Scheide und After ein immunchromatographischer Test zur qualitativen Bestimmung des prostataspezifischen Antigens, eines Bestandteils des Ejakulats, durchgeführt worden, der jeweils ein negatives Ergebnis erbracht habe. Sodann seien die Abstriche auf das Vorhandensein von männlicher DNA untersucht worden. Hierzu sei DNA von den jeweils drei Abstrichen von Mund, Scheide und After durch differenzielle Lyse isoliert worden, um die DNA von Spermien von der DNA der Epithelzellen zu trennen. Zur Bestimmung der Menge an menschlicher DNA bzw. des Anteils an männlicher DNA sei das präparierte Material quantifiziert worden. Bei der durchgeführten Quantifizierung hätten sich keine Hinweise auf das Vorhandensein von männlicher DNA ergeben. Dies bedeute allerdings lediglich, dass sich männliche DNA nicht habe finden lassen, nicht, dass männliche DNA nicht vorhanden sei, da sich bei einer Mischung der kleinere Anteil einer Mischung irgendwann nicht mehr nachweisen lasse.
411
Bei einem Geschlechtsverkehr mit einer vollständigen Ejakulation in der Scheide könne man im Ausgangspunkt grundsätzlich davon ausgehen, dass bei einem Abstrich genügend Material vorhanden sei, um männliche DNA nachweisen zu können. Mit Ablauf der Zeit nehme der Anteil an männlicher DNA in der Scheide ab, so dass bei Lebenden schon nach fünf bis sechs Tagen keine männliche DNA mehr nachzuweisen sein könne. Vorliegend handele es sich jedoch um die Abstriche einer Toten, auf die die Erfahrungswerte bei Lebenden nicht übertragen werden könnten. Insofern lasse sich allgemein sagen, dass Spermien in einer Leiche grundsätzlich länger erhalten bleiben könnten als in einer Lebenden. So hätten sich in einzelnen Fällen nach einer Liegezeit von drei Wochen noch Spermien in Leichen finden lassen. Es gebe hierzu jedoch keine ausreichende Studienlage, so dass sich in Bezug auf die hier vorliegende Liegezeit von ca. zweieinhalb Wochen zwischen dem Zeitpunkt der Tat (27.10.2016) und dem Zeitpunkt der Entnahme der Abstriche (13.11.2016) keine eindeutige Aussage treffen lasse, wonach dies oder jenes zu erwarten sein würde, zumal die näheren Einzelheiten des hier in Betracht stehenden postmortalen Geschlechtsverkehrs nicht bekannt seien; insbesondere sei nicht bekannt, ob tatsächlich eine vollständige Ejakulation in der Scheide der Leiche stattgefunden habe. Falls zum Beispiel lediglich eine kurze Penetration stattgefunden habe, sei bestenfalls zu erwarten, dass ein paar Hautzellen des Penis in die Scheide gelangt seien, die sehr wenig Material im Vergleich zu einer Ejakulation sein würden und oftmals nicht mehr in einem geeigneten Zustand bzw. einem geeigneten Mengenverhältnis für einen Nachweis vorhanden seien. Damit sei aus molekularbiologischer Sicht ein postmortaler Geschlechtsverkehr weder bestätigt noch widerlegt.
412
(bbb) Die mikroskopische Untersuchung der im Rahmen der Leichenöffnung entnommenen Abstriche erbrachte keinen positiven Nachweis des Vorliegens von Spermien; dies wäre jedoch angesichts der Liegezeit der Leiche auch nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
413
Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P2, ergänzend zu den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. A2, in der Hauptverhandlung aus medizinischer Sicht ausgeführt, bei der Leichenöffnung am 13.11.2016 sei die Scheide der H1 eröffnet und präpariert worden. Dabei hätten keine Verletzungen im Inneren der Scheide gefunden werden können; dies sei allerdings bei einem Geschlechtsverkehr grundsätzlich auch nicht zu erwarten. Zwar könne man bei einem Vorhandensein von Verletzungen auf Gewalt im Vaginalbereich schließen, jedoch sei der Umkehrschluss nicht möglich; aus dem Fehlen von Verletzungen lasse sich nicht darauf schließen, dass ein Geschlechtsverkehr nicht stattgefunden habe.
414
Im Rahmen der Leichenöffnung seien Abstriche von Mund, Scheide und After der H1 entnommen worden und die Abstriche auf einem Objektträger unter dem Mikroskop zur Orientierung durchgesehen worden, wobei sich bei orientierender Durchsicht kein Hinweis auf das Vorliegen von Spermien ergeben habe. Dies sei auch deshalb nachvollziehbar, da die Leiche erhebliche Fäulnisveränderungen aufgewiesen habe, die auch die inneren Partien betroffen habe; durch den Sauerstoffmangel komme es zu einem Absterben der Zellen (Autolyse), so dass die Beurteilung von fäulnisverändertem Gewebe sehr schwierig sei. Bei erneuter mikroskopischer Durchsicht der Abstriche der Scheide habe sich jedoch ein einziges Fragment gefunden, das ein Spermienkopf sein könnte; allerdings lasse sich eine eindeutige Beurteilung wegen der Fäulnisveränderung nicht treffen.
415
Überdies hänge die Nachweisbarkeit von Spermien in der Scheide von Umständen ab, die hier nicht bekannt seien, zum Beispiel ob es bis zu einer Penetration der Scheide gekommen sei oder ob sich der Verkehr im äußeren Genitalbereich abgespielt habe, wie lange und wie tief eine Penetration stattgefunden habe und ob es überhaupt zu einem Samenerguss gekommen sei; ein Samenerguss müsse nicht vollständig gewesen sein, gegebenenfalls könne lediglich eine geringe Menge an Sperma abgesondert worden sein. Daneben sei die Nachweisbarkeit von Spermien in einer Leiche erheblich von den Lagerungsbedingungen der Leiche ab; je kühler die Lagerungsbedingungen seien, desto geringer seien die Fäulnisveränderungen und desto länger sei der Nachweiszeitraum, so dass eine kühle Lagerung mit geringer Fäulnis einen längeren Nachweiszeitraum ermögliche als eine warme Lagerung mit hoher Fäulnis. Vorliegend sei in Anbetracht der erheblichen Fäulnisveränderungen der Leiche nicht von günstigen Konservierungsbedingungen auszugehen; an der Leiche habe sich ein erheblicher Fliegenmadenbefall gezeigt, der für eine Lagerung unter warmen Bedingungen spreche. Unter diesen Umständen befinde man sich bei einer Liegezeit von 17 Tagen zwischen dem Zeitpunkt der Tat (27.10.2016) und dem Zeitpunkt der Entnahme der Abstriche (13.11.2016) in einem Bereich, der für die Nachweisbarkeit von Spermien als grenzwertig zu beurteilen sei. Im Ergebnis sei deshalb ein postmortaler Geschlechtsverkehr mit Samenerguss in der Scheide aus medizinischer Sicht weder zu belegen noch auszuschließen.
416
(dd) Plausibel ist auch die Schilderung, dass der Angeklagte die Leiche bis zum Eintreten der Leichenstarre „vergewaltigt“ habe, da der Geschlechtsverkehr mit der Leiche in zeitlicher Hinsicht mit dem (wahrnehmbaren) Eintreten der Leichenstarre zusammengefallen sein kann. Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt, dass die Leichenstarre im Durchschnitt ca. eineinhalb bis zwei Stunden nach dem Kreislaufstillstand eintrete, in einzelnen Fällen jedoch auch früher, ca. eine halbe Stunde nach dem Kreislaufstillstand, oder später, bis zu sieben Stunden nach dem Kreislaufstillstand, eintreten könne. Die Leichenstarre trete von oben nach unten in absteigender Reihenfolge ein und löse sich in absteigender Reihenfolge wieder. Für die subjektive Bemerkbarkeit der Leichenstarre stehe deshalb ein Zeitraum von einer halben Stunde bis zu sieben Stunden zur Verfügung. Es sei daher realistisch, dass beim Geschlechtsverkehr des Angeklagten mit der Leiche die Leichenstarre eingetreten sei und der Angeklagte die Leichenstarre wahrgenommen habe.
417
(ee) Nicht unplausibel ist auch die Schilderung, wonach der Angeklagte nach dem Sex mit der Leiche „die ganze Nacht“ neben der Leiche gelegen habe bzw. „am nächsten Tag“ neben der Leiche aufgewacht sei, da die Beschreibung des zeitlichen Gesichtspunkts keine Präzisierung enthält, sondern zwanglos dahin verstanden werden kann, dass er nach dem Geschlechtsverkehr mit der Leiche bzw. nach der Bestellung des Goldbarrens um 03:42 Uhr im Zeitraum bis zum Anbruch des Morgens, gegebenenfalls nach Beruhigung des Sohnes H2, aus einem Ruhebedürfnis heraus sich für eine Weile neben die Leiche gelegt hat bzw. für eine Weile neben der Leiche geschlafen hat.
418
(ff) Die Schilderung, dass sich die Leiche beim Verbringen in das Bad an einem „Türstock“ den Kopf angeschlagen habe, ist plausibel. Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt, es hätten sich am Kopf der Leiche zwar keine (unterbluteten) Verletzungen gefunden, die eine prämortal oder (unmittelbar) postmortal erfolgte stumpfe Gewalteinwirkung durch ein Anschlagen des Kopfes an einen festen Gegenstand belegen könnten, allerdings sei dies bei einer längeren Liegedauer der Leiche auf dem Bett bis zum Verbringen in das Bad auch nicht unbedingt zu erwarten; dass die Leiche nach der Tötung für eine erhebliche Zeit auf dem Bett verblieben ist, geht aus den Bluteintränkungen, die die Matratze durchdrungen haben hervor (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)). Weiter hat der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt, dass es beim Kontakt des (blutigen) Kopfes der Leiche mit einem Gegenstand zu Blutantragungen kommen könne, zumal (auch) nach dem Kreislaufstillstand ein (passiver) Blutverlust durch die Wirkung der Schwerkraft, zum Beispiel bei einem Anheben der unteren Körperpartien der Leiche, möglich sei. Mit Blick auf das Spurenbild in der Wohnung hat die Kammer zwar nicht übersehen, dass Blutanhaftungen auf dem Weg vom Schlafzimmer in das Bad weder an der Türzarge der Tür des Schlafzimmers noch an der Türzarge der Tür des Bades festgestellt bzw. visualisiert werden konnten, allerdings fand sich, wie der Sachverständige Prof. Dr. A1 anhand der gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat, berichtet und erläutert hat, im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur, auf Höhe der Abstellkammer, an einer Wandkante (Mauervorsprung), die zur (offenen) Türlaibung zwischen Durchgang und Flur gehört, ca. 10 cm oberhalb des Bodens eine Blutantragung (Blutkontaktspur), die, so der Sachverständige Prof. Dr. A1, durch einen Kontakt mit der Leiche entstanden sein kann; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1214 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen.
419
(gg) Nicht unplausibel ist auch die Schilderung, wonach der Angeklagte der Leiche beim Verpacken in die Müllsäcke die „Knochen gebrochen“ habe. Zwar sind an der Leiche, wie der Sachverständige Prof. Dr. P2 ausgeführt hat, bei einer postmortalen Computertomographie keine Frakturen festgestellt worden, allerdings könne sich, so der Sachverständige Prof. Dr. P2, die Überwindung der Totenstarre, die einen erheblichen Kraftaufwand erfordere, für einen Laien wie das Brechen von Knochen anfühlen. Es ist deshalb plausibel, dass der Angeklagte die Überwindung der Totenstarre beim Verpacken der Leiche als ein Brechen von Knochen wahrgenommen hat.
420
(hh) Die Schilderung, dass der Angeklagte die Leiche zum „Ausbluten“ in die Badewanne gelegt habe, ist plausibel. Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. P2, in Übereinstimmung mit dem Ergebnis der Blutspurenmusteranalyse des Sachverständigen Prof. Dr. A1, ausgeführt, dass aus medizinischer Sicht die wesentlichen Teile des Tatablaufs bis hin zum „Ausbluten“ auf der Matratze des Bettes stattgefunden hätten (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f) und D. II. 3. c) bb) (2) (h)). Bei einer längeren Liegedauer der Leiche auf dem Bett sei an sich nicht mehr zu erwarten, dass die Verbringung bzw. das Hineinlegen der Leiche in die Badewanne noch zu einem (aktiven) „Ausbluten“ führen oder beitragen könne, da ein wesentlicher (aktiver) Blutverlust einen aktiven Kreislauf voraussetze, allerdings sei durch die Wirkung der Schwerkraft (auch) nach dem Kreislaufstillstand ein (passiver) Blutverlust vorstellbar, hier zum Beispiel ein Blutverlust aus der Wunde am Hals bei einem Anheben der unteren Körperpartien der Leiche. Wenngleich demnach der wesentliche Blutverlust im Sinne eines aktiven „Ausblutens“ auf der Matratze des Bettes stattfand, ist ein weiterer Blutverlust im Sinne eines schwerkraftabhängigen passiven „Ausblutens“ in der Badewanne bei einem Anheben der Beine der Leiche zwanglos vorstellbar. Daneben ist ein Hineinlegen der Leiche in die Badewanne zwanglos mit dem Blutspurenbild im Bad vereinbar. So zeigten sich im Bad, wie der Sachverständige Prof. Dr. A1 anhand der gefertigten Lichtbilder, die die Kammer in Augenschein genommen hat, berichtet und erläutert hat, unter Einsatz von Luminol auf dem Badewannenrand, im Inneren der Badewanne und um den Abfluss der Badewanne kleinfleckige, uncharakteristisch geformte Lumineszenzen; wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 1223 d.A. StA P. Az. 13 Js 17708/16 Bezug genommen (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (c)).
421
(ii) Die Schilderung, dass der Angeklagte nach der Tat in der Wohnung „geputzt“ habe, ist belegt durch den Reinigungszustand der Wohnung, der sich aus den Angaben der Zeugen KHK B6 und KHK S11, den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A1 und den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die von den Räumen der Wohnung gefertigt worden sind, ergeben hat.
422
Die Schilderung, dass der Angeklagte nach der Tat in der Wohnung „geweißelt“ habe, hat sich nicht bestätigt im Sinne eines (flächigen) Streichens der Wände, lässt jedoch die Möglichkeit eines (punktuellen) Übermalens von Blutspuren nach der Tat offen.
423
Ein flächiges Streichen der Wände in der Wohnung bzw. im Schlafzimmer nach der Tat hat sich nicht feststellen lassen; dies folgt insbesondere aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. F5, der ein Wandfarbenmaterialgutachten erstattet hat. Dass an der (östlichen) Wand im Schlafzimmer, am Kopfende des Bettes, nicht großflächig gestrichen worden ist, ergibt sich (auch) bereits daraus, dass sich sowohl vor der Tat, wie aus den Lichtbildern vom 17.10.2016, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben (siehe hierzu unter D. II. 2. e)), ersichtlich ist, als auch nach der Tat, wie aus den bei der Spurensicherung gefertigten Lichtbildern ersichtlich ist, an der Wand hinter dem Kopfende des Bettes eine Vielzahl von Zieraufklebern befunden hat, die augenscheinlich nicht entfernt, verändert oder überstrichen worden sind, aber auch daraus, dass bei der Spurensicherung noch markante Blutspuren an den Wänden festgestellt werden konnten (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (b)).
424
Im Einzelnen hat der Sachverständige Dr. F5, ausgeführt, er habe am 07.12.2016 in der Wohnung mit einem Locheisen neun Wandfarbenproben, nämlich (1.) eine weiße Wandfarbenprobe (Neutralprobe) an der westlichen Wand im Wohnzimmer (neben dem Regal), (2.) eine weiße Wandfarbenprobe (Neutralprobe) an der nördlichen Wand im Wohnzimmer (neben den Bildern), (3.) eine weiße Wandfarbenprobe (Neutralprobe) an der westlichen Wand im Schlafzimmer (Nische neben dem Schrank), (4.) eine weiße Wandfarbenprobe mit rotbraunen Verfärbungen an der südlichen Wand im Schlafzimmer (neben dem Fenster), (5.) eine weiße Wandfarbenprobe mit rotbraunen Verfärbungen an der östlichen Wand im Schlafzimmer (am Kopfende des Bettes), (6.) eine weiße Wandfarbenprobe mit rotbraunen Verfärbungen an der östlichen Wand im Schlafzimmer (am Kopfende des Bettes), (7.) eine weiße Wandfarbenprobe mit rotbraunen Verfärbungen an der östlichen Wand im Schlafzimmer (links neben dem Bett bei der Steckdose), (8.) eine weiße Wandfarbenprobe (Neutralprobe) an der nördlichen Wand im Schlafzimmer (über dem Kinderbett) und (9.) eine weiße Wandfarbenprobe (Neutralprobe) an der nördlichen Wand im Schlafzimmer (unter der Verteilerdose) sowie einen angebrochenen, nicht mehr halbvollen 10 l-Eimer mit weißer Wand- und Deckenfarbe der Marke „G.“, der sich im Abstellraum befunden habe, gesichert und anschließend mit einer Stereolupe untersucht und verglichen. Die Spuren mit den rotbraunen Verfärbungen an der südlichen bzw. östlichen Wand im Schlafzimmer (4., 5., 6., 7.) hätten sich in den weißen Oberschichten optisch eher als „Wischspuren“ dargestellt, als seien sie durch ein „(Ver-)Wischen“ beim Reinigen entstanden, und hätten keine erkennbaren Merkmale eines weißen Überanstrichs, zum Beispiel im Sinne von weißen „Überpinselungen“, gezeigt. Der Materialvergleich der neun Wandfarbenproben und einer Farbenprobe (Nassmuster) aus dem aufgefundenen Farbeimer habe bei der Untersuchung mit der Stereolupe eine (visuelle) Übereinstimmung gezeigt, habe allerdings in der Infrarotspektroskopie und in der Ramanspektroskopie nur eine (chemische) Übereinstimmung der weißen Oberschichten der Wandfarbenproben an der östlichen Wand im Schlafzimmer (5., 6.), deren Hauptbestandteil Calciumcarbonat gewesen sei, mit der Farbenprobe (Nassmuster) aus dem Farbeimer ergeben; die übrigen Wandfarbenproben im Wohnzimmer (1., 2.) bzw. im Schlafzimmer (3., 4., 7., 8., 9.), deren Hauptbestandteil Titandioxid gewesen sei, hätten in der Infrarotspektroskopie und in der Ramanspektroskopie nur untereinander, nicht jedoch mit der Farbenprobe (Nassmuster) aus dem Farbeimer übereingestimmt. Dieser Befund deutet daraufhin, dass im Bereich der Spuren an der östlichen Wand im Schlafzimmer am Kopfende des Bettes (5., 6.) mit der Wand- und Deckenfarbe der Marke „G.“ aus dem aufgefundenen Farbeimer gestrichen worden ist, während in den anderen beprobten Bereichen mit einer anderen Wandfarbe gestrichen worden ist, wobei eine zeitliche Zuordnung der Anstriche, wie der Sachverständige Dr. F5 ausgeführt hat, nicht möglich gewesen ist. Dies erlaubt keinen näheren Rückschluss auf ein (punktuelles) „Weißeln“ nach der Tat, lässt ein punktuelles Übermalen von Blutspuren nach der Tat jedoch als möglich erscheinen, das (auch) mit der Einlassung des Angeklagten, wonach er nach der Tat bestrebt gewesen sei, die Spuren zu beseitigen, in Einklang steht.
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(jj) Die Überzeugung, dass H1 bei dem Beginn der Tötungshandlung im Bett geschlafen hat, wird nicht durch den Umstand erschüttert, dass sie bei der Tötung ein „Zopfbändchen“ getragen hat. Denn nach der Überzeugung der Kammer steht fest, dass H1 nach ihren Gepflogenheiten nicht allein mit offenen, sondern jedenfalls auch mit gebundenen Haaren geschlafen hat. Dies folgt aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die der Angeklagte am 17.10.2016 um 04:19 Uhr gefertigt hat und die H1 zeigen, als sie schlafend, mit gebundenen Haaren, auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts liegt, und aus den Angaben des Zeugen T1.
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Dabei hat sich im Ausgangspunkt aus dem gemäß § 256 Nr. 1 lit. a) StPO (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2000, Az. 1 StR 634/99) verlesenen Abschnitt unter Buchstabe A. (Äußere Besichtigung) Nr. 21 des Obduktionsprotokolls des Instituts für Rechtsmedizin der L-M-U. M. vom 17.11.2016 über die gerichtliche Leichenöffnung der Leiche von H1 am 13.11.2016, das durch die Obduzenten Prof. Dr. P7, Prof. Dr. P2 und C1, die dem Institut für Rechtsmedizin angehören, unterzeichnet ist, der folgende Befund ergeben: „Das Haupthaar ist von vermutlich dunkelbrauner bis rotbrauner Farbe, bis ca. 40 cm lang, leicht gewellt, im Hinterhauptsbereich durch ein dunkelfarbiges Zopfbändchen zusammengehalten.“ Dem hilfsweise für den Fall, „dass die Kammer zu der Überzeugung des Vorliegens des Mordmerkmals der Heimtücke gelangt und deshalb eine Verurteilung nach § 211 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder dass sie im Zusammenhang mit § 212 StGB das Vorliegen eines besonders schweren Falles erwägt“, durch die Verteidigung gestellten Antrag auf (erneute) Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. P2 zum Beweis der Tatsache, dass bei der Obduktion festgestellt wurde, dass H1 zu diesem Zeitpunkt einen Zopf gebunden hatte, brauchte die Kammer nicht nachkommen, weil die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 3 StPO. Die Kammer ist von der Richtigkeit der Beweistatsache aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme bereits überzeugt. Aus dem verlesenen Abschnitt unter Buchstabe A. (Äußere Besichtigung) Nr. 21 des Obduktionsprotokolls vom 17.11.2016 ergibt sich, dass bei der Obduktion festgestellt wurde, dass H1 zum Zeitpunkt der Obduktion einen Zopf gebunden hatte. Hierbei handelt es sich um eine Befundtatsache, bei der ohne Nachteil für die Wahrheitsermittlung auf eine unmittelbare Vernehmung der Verfasser des Obduktionsprotokolls verzichtet werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 21.09.2000, Az. 1 StR 634/99). Der Beweisantrag hat die bloße Befundermittlung in Bezug auf die bei der Leiche von H1 festgestellte Haartracht zum Gegenstand, über die das Obduktionsprotokoll zuverlässig Auskunft gibt. Die Kammer ist deshalb überzeugt, dass das Haupthaar der Leiche von H1 zum Zeitpunkt der Obduktion zu einem Zopf gebunden war, ohne dass es insofern einer weiteren Beweiserhebung bedurfte.
427
Dass H1 nach ihren Gepflogenheiten nicht allein mit offenen, sondern jedenfalls auch mit gebundenen Haaren geschlafen hat, ergibt sich zum einen aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 17.10.2016, aufgenommen um 04:19 Uhr, Dateinamen: 20161017_041937.jpg und 20161017_041941.jpg, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die H1 zeigen, als sie schlafend, mit gebundenen Haaren, auf der türseitigen Matratze des Doppelbetts liegt. Die Metadaten der Bilddateien weisen zur Aufnahmezeit das Datum „17.10.2016“ und die Uhrzeit „04:19“ und zum Aufnahmegerät den Kamerahersteller „Samsung“ und das Kameramodell „SM-G928F“ aus. Wegen der näheren Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die Lichtbilder auf Bl. 932 d.A. StA D. Az. 9 Js 6824/20 Bezug genommen. Die Aufnahmezeiten und das Aufnahmegerät ergeben sich aus der Verlesung der Metadaten, die sich in den Dateieigenschaften der Bilddateien befunden haben. Dabei stimmen die Aufnahmezeiten, die sich aus den Metadaten ergeben, mit den Zeitangaben, die sich aus den Zeitstempeln in den Dateinamen ergeben, überein, außerdem stimmen die Angaben zum Aufnahmegerät, die sich aus den Metadaten ergeben, mit den Modellangaben des Handys des Angeklagten, das bei der Festnahme des Angeklagten am 19.11.2016 in Spanien sichergestellt wurde, bei dem es sich um ein Smartphone „Samsung GSM SM-G928F Galaxy S6 Edge Plus“ handelte, überein. Dabei ist die Kammer, beraten durch den Sachverständigen KHK M5, den Leiter des Kommissariats für Cybercrime der Kriminalpolizeiinspektion P., der das Handy des Angeklagten am 12.12.2016 untersucht hat, überzeugt, dass die Aufnahmezeiten, die sich aus den Zeitstempeln in den Dateinamen und aus den Metadaten der Bilddateien ergeben, den Aufnahmezeiten in der Echtzeit entsprechen (siehe hierzu unter D. II. 2. e)).
428
Die Kammer ist, beraten durch den Sachverständigen S12, der als Obermeister der Friseurinnung D. ca. 20 Jahre lang, bis zum Ende der Bestellung aus Altersgründen im Jahr 2020, als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger im Friseur- und Perückenhandwerk tätig war, überzeugt, dass H1 bei der Aufnahme der Lichtbilder am 17.10.2016 um 04:19 Uhr die Haare nicht offen, sondern gebunden getragen hat. Der Sachverständige S12 hat bei der Betrachtung der Lichtbilder, schlüssig und von großer Sachkunde getragen, ausgeführt, es handele sich bei der Haartracht der auf dem Bett liegenden Person um einen „Dutt“ oder einen „Schopf“, der mit einem Hilfsmittel, zum Beispiel einem Haargummi oder einer Haarspirale, gebunden sein könne, was der „normalen“ Art der Befestigung entspreche, oder ohne ein Hilfsmittel, zum Beispiel mit einer Knoten- oder Schlingtechnik, gebunden sein könne, was bei einer Haarlänge von ca. 40 cm und bei entsprechenden Fertigkeiten grundsätzlich möglich sei, da das Verkeilen der tannenzapfenartigen Schuppenschichten der Haare einen gewissen Halt biete, was allerdings beim Schlafen die Gefahr beinhalte, dass sich die Befestigung bei Bewegungen im Schlaf löse und die Haartracht nicht halte. Bei der Betrachtung der Lichtbilder sei ein Haargummi nicht sichtbar, allerdings lasse sich eine Abtrennung zwischen Kopf und „Dutt“ bzw. „Schopf“ erkennen, die darauf hindeute, dass ein Haargummi oder ein anderes Hilfsmittel, zum Beispiel eine unsichtbare Haarspirale, verwendet worden sei und eher nicht auf eine Knoten- oder Schlingtechnik schließen lasse. Den Ausführungen des Sachverständigen, die bei der Betrachtung der Lichtbilder in jeder Hinsicht nachvollziehbar gewesen sind, schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an.
429
Überdies hat der Zeuge T1 aus eigener Erinnerung berichtet, dass H1 in der Zeit, in der er sich in einer Beziehung mit ihr befunden habe und bei ihr im Bett im Schlafzimmer übernachtet habe, nicht mit offenen, sondern mit gebundenen Haaren geschlafen habe. Er sei sich sicher, dass H1 „eigentlich immer“ einen „Zopf“, d.h. einen „Dutt“ oder einen „Pferdeschwanz“ getragen habe, den sie mit einem Haargummi befestigt habe, auch wenn sie geschlafen habe; es sei überhaupt sehr selten gewesen, dass sie die Haare offen getragen habe. Bei der Betrachtung der Lichtbilder vom 17.10.2016, die H1 zeigen, als sie schlafend im Bett liegt, und die ihm vorgehalten worden sind, hat er angegeben, dass H1 die Haare „meistens“ so, wie auf den Lichtbildern zu sehen, getragen habe und hierbei einen Haargummi verwendet habe.
430
Dem hilfsweise für den Fall, „dass die Kammer zu der Überzeugung des Vorliegens des Mordmerkmals der Heimtücke gelangt und deshalb eine Verurteilung nach § 211 Abs. 1 StGB in Betracht kommt oder dass sie im Zusammenhang mit § 212 StGB das Vorliegen eines besonders schweren Falles erwägt“, durch die Verteidigung gestellten Antrag auf (erneute) Vernehmung der Zeugin B1 zum Beweis der Tatsache, dass H1, wenn sie ins Bett ging, die Haare offen trug, brauchte die Kammer nicht nachkommen, weil die Zeugin B1 als Beweismittel völlig ungeeignet ist, um die aufgestellte Behauptung bestätigen zu können, § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 4 StPO. Mit dem angebotenen Beweismittel lässt sich das in dem Antrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen. Insbesondere ist es lebensfremd, anzunehmen, dass die Zeugin B1, die nach ihren Angaben zwar für ca. sechs Wochen vorübergehend bei H1 gewohnt hat, in der Zeit des Zusammenwohnens jedoch im Wohnzimmer übernachtet hat und Anfang Oktober 2016, nach dem Wiedereinzug des Angeklagten, aus der Wohnung ausgezogen ist, vor, in oder nach der Zeit des Zusammenwohnens das Verhalten bzw. die Gepflogenheiten der H1 hinsichtlich der Haartracht beim Schlafengehen in einer zuverlässigen Weise und einer aussagekräftigen Häufigkeit wahrgenommen hätte. Deshalb ist nicht ersichtlich, dass die Zeugin B1 die in ihr Wissen gestellte Aussage machen könnte.
431
(5) Die Einlassung des Angeklagten zum Tatgeschehen, die er, abgesehen von zwei kurzen persönlichen Erklärungen, in Form einer von ihm bestätigten Verteidigererklärung ohne Möglichkeit der Überprüfung durch kritische Nachfragen vorgebracht hat, ist in den wesentlichen Teilen nicht glaubhaft und verhält sich nicht zum Kern des Tatgeschehens. Sie enthält, soweit sie einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich ist, erhebliche Qualitätsmängel und Ungereimtheiten und weist eine Reihe von Strukturbrüchen auf, wenngleich sie sich in Bezug auf das Randgeschehen in Teilen bestätigt hat. Die Verteidigererklärung ist inhaltsgleich bereits im Prozess gegen den Angeklagten vor dem Landgericht P. vorgetragen worden, was die berufsrichterlichen Mitglieder des damaligen Schwurgerichts, der Vizepräsident des Landgerichts P. H13, der Richter am Landgericht K4 und der Richter am Landgericht S13, als Zeugen bestätigt haben.
432
(a) Hinsichtlich des Geschehens am Tag des 26.10.2016 hat sich die Einlassung in der Verteidigererklärung in Bezug auf die Handyverkäufe und die Einkäufe in P. und den Konsum einer Dose „Wodka Maracuja“ auf der Rückfahrt von P. nach F. in der Beweisaufnahme bestätigt (siehe hierzu unter D. II. 3. b)). Die Schilderung zur Rückfahrt von P. nach F., wonach ihm H1 „wieder einmal“ Vorwürfe wegen seines „Lebens“ gemacht habe, was ein „ständiges Thema“ gewesen sei, ist zwar nicht bestätigt, jedoch plausibel, da dies, wie die Beweisaufnahme ergeben hat (siehe hierzu unter D. II. 2. b)), den üblichen Streitthemen zwischen dem Angeklagten und H1 entsprochen hat und sich H1 in der Beziehung häufig über den mangelnden Arbeitswillen des Angeklagten beklagt hat. Zum konkreten Gesprächsinhalt auf der Rückfahrt von P. nach F. hat sich die Einlassung in der Verteidigererklärung indessen nicht verhalten. Dass es (bereits) hierbei über tatsächliche oder als solche empfundene „Vorwürfe“ hinaus zu einem handfesten Streit gekommen wäre, ist nicht behauptet und ist auch sonst ohne Anhalt geblieben, zumal H1 einen Streit mit dem Angeklagten im Chat mit T1 am 26.10.2016 bzw. 27.10.2016 nicht erwähnt hat und das Gespräch auf der Rückfahrt von P. nach F. ihre Stimmungslage offensichtlich nicht getrübt hat, da der Chat mit T1 durchgehend in einem humorvollen und neckischen Duktus gehalten ist; überdies hat sie einen Streit mit dem Angeklagten auch nicht im Chat mit B1 am 26.10.2016 erwähnt. Stattdessen hat H1, in der Stimmungslage ungetrübt, Pläne mit T1 und mit B1 für Freitag, den 28.10.2016, geschmiedet (siehe hierzu unter D. II. 3. b)). Zudem sind bei dem gemeinsamen Treffen am 26.10.2016 gegen 20 Uhr mit B1, E1 und R1 keine Unstimmigkeiten zwischen dem Angeklagten und H1 zutage getreten (siehe hierzu unter D. II. 3. b)). Dass ihr Vertrauen in den Angeklagten am Abend des 26.10.2016 nicht durch einen Streit beeinträchtigt war, zeigt sich insbesondere daran, dass sie im Chat mit T1 noch um 23:51 Uhr mitgeteilt hat, dass der Angeklagte am Freitag, den 28.10.2016, auf den Sohn H2aufpassen werde, so dass sie sich treffen könnten; dabei liegt nahe, dass sie vor der betreffenden Mitteilung an T1 die Zusage des Angeklagten eingeholt hat, zumindest aber nichts Böses ahnend auf das Entgegenkommen des Angeklagten vertraut hat.
433
Der Grund, der den Angeklagten veranlasst hat, in F. auszusteigen und eine Flasche Wodka zu kaufen, ist in der Einlassung in der Verteidigererklärung, über eine Andeutung hinaus, nicht erklärt; dass der Grund („auch deshalb“) in einer Kränkung durch die tatsächlichen oder als solche empfundenen „Vorwürfe“ der H1 auf der Rückfahrt von P. nach F. gelegen hat, ist möglich, allerdings bleibt angesichts der Schilderung, dass sich das Gespräch in thematischer Hinsicht im Bereich der üblichen Streitthemen („ständiges Thema“) bewegt haben soll, in der Einlassung in der Verteidigererklärung unklar, welcher konkrete Gesichtspunkt aus dem üblichen Gesprächsrepertoire derart kränkend herausgeragt haben soll, dass sich der Angeklagte „deshalb“, um die Situation zu ertragen, veranlasst gesehen hat, auszusteigen und Alkohol zu besorgen. In Bezug auf den Kauf der Flasche Wodka der Marke „Three Sixty“ und der sieben Dosen „Red Bull“ hat sich die Schilderung in der Verteidigererklärung, die der Angeklagte hinsichtlich der Marke des Wodkas („Three Sixty“ statt „Gorbatschow“) in einer persönlichen Erklärung ergänzt hat, in der Beweisaufnahme allerdings bestätigt durch die Verlesung der Verkaufsunterlagen des Supermarktes „E.“ in F. (siehe hierzu unter D. II. 3. b)); plausibel ist demnach (auch) die Schilderung, er habe im Anschluss an das Treffen mit B1, E1 und R1 begonnen, den Wodka mit „Red Bull“ zu trinken, ein Umstand, den er (auch) dem E1 und dem R1 geschildert hat (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (aa) und D. II. 3. c) bb) (3) (b) (aa)) und der sich in der Beobachtung des R1, wonach bei seinem Aufenthalt in der Wohnung am 28.10.2016 im Wohnzimmer eine Wodkaflasche gestanden habe (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (aa)), widergespiegelt hat.
434
(b) Nicht schlüssig ist hingegen die Beschreibung des (angeblichen) nächtlichen Streitgesprächs in der Einlassung des Angeklagten in der Verteidigererklärung, insbesondere lässt die Schilderung eine Reihe von Strukturbrüchen erkennen und fügt sich die (angebliche) „plötzliche“ Drohung der H1, er dürfe den Sohn „nie wieder“ sehen, nicht logisch in den Inhalt des Gesprächs ein.
435
Für einen Streit zwischen dem Angeklagten und H1 in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016 hat sich jedenfalls bis 00:17 Uhr kein konkreter Anhaltspunkt gefunden, insbesondere ist in dem Chat zwischen H1 und T1, der am 27.10.2016 um 00:17 Uhr endete, ein Streit zwischen dem Angeklagten und H1 nicht im Ansatz erwähnt, zumal die Chatnachrichten, in denen H1 und T1 unter anderem über gemeinsame Hochzeitspläne scherzen und sich mit gegenseitiger Eifersucht necken, bis zum Ende des Chats eine heitere Stimmungslage der H1 erkennen lassen.
436
In inhaltlicher Hinsicht knüpft die Beschreibung des (angeblichen) Streitgesprächs im Ausgangspunkt an die Einigung über das Umgangsrecht an, die (auch) die Zeugen H4, B1 und S5 bestätigt haben, wonach der Angeklagte den Sohn H2nach seinem Auszug jeweils sonntags sehen dürfe, jedoch hat sich außerhalb der Einlassung in der Verteidigererklärung kein plausibler Anlass für eine „plötzliche“ Drohung der H1 in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016, wonach er den Sohn H2„nie wieder“ sehen dürfe, finden lassen. Noch um 23:51 Uhr hat H1 im Chat mit T1 mitgeteilt, dass der Angeklagte am Freitag, den 28.10.2016, auf den Sohn H2aufpassen werde, so dass sie sich treffen könnten, wobei nahe liegt, dass sie die Zusage des Angeklagten eingeholt hat; ein plausibler Grund, der H1 veranlasst haben könnte, von der (geplanten) Überlassung des Sohnes an den Angeklagten am 28.10.2016 wieder abzurücken, ist nicht ersichtlich. Desgleichen ist kein plausibler Grund ersichtlich, der H1 veranlasst haben könnte, nicht nur die Einigung über das Umgangsrecht aufzukündigen, sondern dem Angeklagten das Umgangsrecht für die Zukunft kategorisch („nie wieder“) zu versagen.
437
Dass der (angebliche) Streit durch die Erwähnung der K1 und eine dadurch erzeugte Eifersuchtsreaktion der H1 ausgelöst worden sein soll, ist nicht plausibel, da sich H1 für eine Beziehung mit T1 entschieden hatte und im Chat mit T1 am 27.10.2016 um 00:15 Uhr noch geschrieben hatte, T1 „über alles“ zu lieben, so dass kein nachvollziehbarer Anlass für eine Eifersucht auf K1 bestand. Stattdessen stünde zu erwarten, dass H1 auf die Ankündigung des Angeklagten, sich K1 zuzuwenden, nicht mit Eifersucht, sondern mit Erleichterung reagiert hätte, da sie bei der Entscheidung für T1 durch das Mitleid mit dem Angeklagten und die Sorge um das Alleinsein des Angeklagten („er sitzt an Weihnachten allein unter dem Baum“) gehemmt war und sich bei einer neuen Beziehung des Angeklagten ein hemmender Gesichtspunkt für H1 aufgelöst hätte.
438
Überdies hat sich kein konkreter Anhaltspunkt gefunden, dass der Angeklagte überhaupt ein Bestreben gezeigt hätte, die Beziehung mit K1 wieder aufzunehmen; so hat sich weder aus den Angaben der Zeugin K1 noch aus den Chatnachrichten zwischen dem Angeklagten und K1 ein Hinweis auf den Versuch einer Kontaktaufnahme ergeben; stattdessen nahm er am Abend des 27.10.2016 Kontakt zu seiner früheren Freundin M1 auf, mit der er gegen 21 Uhr einen Spaziergang unternahm, nicht jedoch zu K1 (siehe hierzu unter D. II. 4.). Der Beschreibung, dass die Zeit mit K1 „schön“ gewesen sei und „ohne ständigen Streit“ verlaufen sei, steht entgegen, dass auch die Beziehung mit K1 nicht frei von Konflikten war und es einmal, wie sich aus den Chatnachrichten zwischen dem Angeklagten und K1 vom 21.09.2016 ergeben hat, zu einer Tätlichkeit („voll eine ins Gesicht gegeben“) gekommen war (siehe hierzu unter D. II. 2. d)). Dem Vorbringen, dass der Angeklagte von einer Schwangerschaft der K1 ausgegangen sei, steht die Aussage des Zeugen E1 entgegen, wonach der Angeklagte nicht geglaubt habe, dass K1 schwanger sei (siehe hierzu unter D. II. 2. d)). Nicht plausibel ist überdies das Vorbringen, dass der Angeklagte durch die Beziehung mit K1 bereits über die Trennung von H1 hinweg gewesen sei. Denn der Angeklagte hat die Beziehung mit K1 am 27.09.2016 beendet, um die Beziehung mit H1 wieder aufzunehmen und wieder bei ihr einzuziehen (siehe hierzu unter D. II. 2. d)). Noch am 18.10.2016 bezeichnete der Angeklagte H1 im Chat als seine „große Liebe“ und „Traumfrau“ und bat sie inständig um die Fortsetzung der Beziehung. Der „Schlussstrich“, den der Angeklagte in der Zeit seiner Beziehung mit K1 unter die Beziehung mit H1 (angeblich) gezogen hat, war jedenfalls nicht von Dauer. Stattdessen hat der Angeklagte, wie er in seinen Nachrichten an H1 vom 18.10.2016 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, nach Kräften um H1 „gekämpft“.
439
Dementsprechend ist (auch) die Behauptung, der Angeklagte habe lediglich ab und zu seinen Sohn H2sehen wollen und als Vater ein wenig Zeit mit ihm verbringen wollen, als alleiniges Anliegen des Angeklagten nicht plausibel, da er dieses Ziel durch die getroffene Einigung über das Umgangsrecht bereits erreicht hatte; stattdessen hatte der Angeklagte, wie er in seinen Nachrichten an H1 vom 18.10.2016 deutlich zum Ausdruck gebracht hat, nach seinem Wiedereinzug in die Wohnung (auch) das Ziel, H1, seine „große Liebe“ und „Traumfrau“, für sich zurückzugewinnen.
440
Das Vorbringen, dass ihn „das ständige Hin und Her“ der H1 belastet habe und sie ihm bei Streitigkeiten mit der Vorenthaltung des Sohnes H2gedroht habe, ist an sich plausibel und hat sich (auch) durch die Aussage der Zeugin B1 belegen lassen, wonach derartige Drohungen zum üblichen Gesprächsrepertoire bei Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und H1 gehört haben; jedoch ist kein plausibler Grund ersichtlich, der H1, zumal in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016, veranlasst haben könnte, die Einigung über das Umgangsrecht ernsthaft und dauerhaft aufzukündigen, nachdem sie noch um 23:51 Uhr, wie bereits ausgeführt, beabsichtigte, dem Angeklagten am 28.10.2016 den Sohn H2zum Aufpassen zu überlassen. Im Übrigen war dem Angeklagten, wie sich aus seinen Chatnachrichten aus dem August 2016 ergibt, bekannt, dass ein Umgangsrecht auch gerichtlich durchgesetzt werden kann, zumal der Angeklagte in der Trennungsphase im September 2016 durch den Rechtsanwalt S14 anwaltlich vertreten war.
441
Die Beschreibung zum Beginn des (angeblichen) Streitgesprächs, wonach H1 bei der Erwähnung der K1 „völlig ausgerastet“ sei und (deshalb) gedroht habe, dass er und seine Familie den Sohn H2„nie wieder“ sehen würden, ist nicht plausibel. Zwar hat die Kammer nicht übersehen, dass H1 in einer Nachricht an den Angeklagten am 27.09.2016 geschrieben hat, sie schlage K1, falls sie noch einmal „ihren Mann“ anfasse, die Hände ab (siehe hierzu unter D. II. 2. d)), jedoch hatte H1 zum damaligen Zeitpunkt (noch) ein Interesse an einem Neubeginn der Beziehung mit dem Angeklagten, während sie sich zum Zeitpunkt der Tat, am 27.10.2016, bereits für T1 und gegen den Angeklagten entschieden hatte, so dass kein nachvollziehbarer Anlass (mehr) für eine Eifersucht auf K1 bestand; insofern lässt auch die Nachricht des T1 an H1 am 26.10.2016 um 21:45 Uhr, in der er H1, „wenn“ sie eifersüchtig sei, im Scherz mit einer „Atombombe“ verglichen hat, keinen näheren Schluss auf einen generell eifersüchtigen Charakterzug der H1 zu, sondern setzt in dem betreffenden Kontext eine individuelle Beziehung voraus, die zum Zeitpunkt der Tat zwischen H1 und dem Angeklagten nicht mehr bestand; außerdem ist die Äußerung erkennbar auf die Beziehung zwischen H1 und T1 bezogen, nicht jedoch auf die Beziehung zwischen H1 und den Angeklagten. Demnach hätte, wie bereits ausgeführt, als erwartbare Reaktion der H1 auf die (angebliche) Erwähnung der K1 nicht Eifersucht, sondern Erleichterung nahe gelegen, wobei bereits kein plausibler Grund ersichtlich ist, weshalb der Angeklagte in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016 überhaupt ein Gespräch über K1 beginnen hätte sollen, zumal er, wie bereits ausgeführt, kein erkennbares Bestreben gezeigt hat, mit K1 nach der Trennung am 27.09.2016 überhaupt wieder in Kontakt zu treten. Da bereits kein plausibler Grund für eine Eifersuchtsreaktion der H1 bestand, ist nicht ersichtlich, weshalb H1 die (angebliche) Erwähnung der K1 zum Anlass hätte nehmen sollen, dem Angeklagten (deshalb) mit der Vorenthaltung des Sohnes H2zu drohen, zumal sich aus der Einlassung des Angeklagten (auch) nicht ergibt, dass für H1 ein Umgang der K1 mit dem Sohn H2zu besorgen stand; ohne plausiblen Grund bleibt überdies die Erweiterung der (angeblichen) Drohung mit der Vorenthaltung des Sohnes H2auf die Familie des Angeklagten.
442
Die Beschreibung zum Fortgang des (angeblichen) Streitgesprächs lässt thematische Brüche erkennen, die sich in logischer Hinsicht nicht erschließen. Bereits die thematische Verbindung der (angeblichen) Eifersuchtsreaktion mit der (angeblichen) Versagung des Umgangsrechts entbehrt eines plausiblen Grundes. Desgleichen erschließt sich in Bezug auf den Fortgang des Streitgesprächs nicht, wie das Gespräch ohne plausiblen Übergang thematisch zum einen in erhebliche Vorwürfe in Bezug auf die Lebensführung des Angeklagten („Versager“) und zum anderen in erhebliche Beschimpfungen in Bezug auf die Familie des Angeklagten gemündet haben soll, die in massiven Beleidigungen und Verwünschungen der Mutter des Angeklagten gegipfelt haben sollen. Zwar gehörte die Lebensführung des Angeklagten, insbesondere der mangelnde Arbeitswille des Angeklagten, zu den üblichen Streitthemen zwischen dem Angeklagten und H1, jedoch hat sich kein konkreter Anhaltspunkt für einen Groll der H1 gegen die Familie des Angeklagten oder für einen Konflikt der H1 mit der Mutter des Angeklagten gefunden, außer dass sie, wie sich aus den Angaben des Zeugen R1 ergeben hat, es nicht mochte, dass die Mutter des Angeklagten nach dem Rauchen den Sohn H2anfasste; insbesondere ist kein plausibler Grund ersichtlich, der H1 veranlasst haben könnte, die Mutter des Angeklagten als „Schlampe“ zu beleidigen und einen derartigen Hass auf sie zu haben, dass sie ihr einen qualvollen Tod („elendig verrecken“) gewünscht haben sollte.
443
(c) Die Schilderung, wonach der Angeklagte und H1 sich in der Küche beschimpft und beleidigt und sich gegenseitig bedroht und geschlagen hätten, lässt in räumlicher Hinsicht offen, in welchem Raum der Wohnung der (angebliche) Streit begonnen hat. Nach der Aussage des Zeugen E1 hat der Angeklagte den Wodka im Wohnzimmer getrunken; darauf deutet (auch) die Aussage des Zeugen R1 hin, wonach bei seinem Aufenthalt in der Wohnung am 28.10.2016 im Wohnzimmer eine Wodkaflasche gestanden habe. Ob und wie es bei dem (angeblichen) Streit zu einer Verlagerung des Geschehens aus dem Wohnzimmer oder einem anderen Raum in die Küche gekommen ist, geht aus der Einlassung nicht hervor.
444
Überdies ist die Schilderung, wonach H1 den Angeklagten nach der (angeblichen) Ohrfeige mit einem Messer bedroht habe, nicht nachvollziehbar. Ein plausibler Grund, der H1, die bis 00:17 Uhr in heiterer Stimmungslage und mit erfreulicher Perspektive mit T1 gechattet hatte, veranlasst haben könnte, in einer hoffnungsvollen Situation, in der der Auszug des Angeklagten bevorstand und für sie die Aussicht auf eine neue Beziehung mit T1 bestand, den (angeblichen) Streit durch den Griff nach einem Messer zu einer gefährlichen Eskalation zu treiben und den Angeklagten mit einem Messer zu bedrohen, ist schlechterdings nicht ersichtlich, zumal die Einlassung keine Beschreibung enthält, um welche Art von Messer es sich gehandelt haben soll. Zwar hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte, wie sich aus der Aussage des Zeugen R1 ergeben hat, seinem Bruder R1 bei der ersten Schilderung des Tathergangs am 28.10.2016 (ebenfalls) berichtet hat, dass H1 mit einem Messer agiert habe; anders als in der (ersten) Schilderung gegenüber R1, wonach H1 mit dem Messer auf den Angeklagten „losgegangen“ sei, ist in der Schilderung in der Verteidigererklärung allerdings beschrieben, dass H1 dem Angeklagten das Messer, im Abstand ca. eines Unterarmes, lediglich (drohend) an den Hals „gehalten“ habe. Für die Behauptung, dass H1 den Angeklagten bereits bei früheren Streitigkeiten mit einem Messer bedroht habe, haben sich außerhalb der Einlassung in der Verteidigererklärung keine konkreten Anhaltspunkte gefunden; zur häuslichen Gewalt in der Beziehung zwischen dem Angeklagten und H1 haben zwar die Zeugen E2 und R1 berichtet, dass H1 den Angeklagten einmal mit einem Duschkopf geschlagen habe; dass H1 den Angeklagten jemals mit einem Messer bedroht hätte, hat jedoch keiner der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen im Ansatz erwähnt.
445
Auch der zum Fortgang des Geschehens geschilderte Gesprächsverlauf ist nicht plausibel; einerseits wird im Sinne einer offensiven Haltung des Angeklagten beschrieben, der Angeklagte sei angesichts der (angeblichen) Beleidigung seiner Mutter „richtig wütend“ geworden und habe H1 eine Ohrfeige gegeben; andererseits wird im Sinne einer defensiven Haltung des Angeklagten beschrieben, der Angeklagte habe, sich gleichsam ergebend, zu H1 gesagt, sie solle ihn umbringen, da er ohnehin nichts zu verlieren habe; überdies ist die (angebliche) hasserfüllte Äußerung der H1, wonach er es nicht wert sei, umgebracht zu werden, angesichts der hoffnungsvollen Situation, in der sie sich befand, aber auch angesichts ihres Verhaltens in den Wochen vor der Tat, in der sie keine hasserfüllte, sondern, wie aus den Chatnachrichten an T1 vom 19.10.2016 und 20.10.2016 deutlich hervorgeht, eine besorgte und mitleidvolle Haltung gegenüber dem Angeklagten eingenommen hat, nicht nachvollziehbar.
446
Dass angesichts der (angeblichen) Bedrohung mit dem Messer nun der Angeklagte H1 packen habe wollen und sich auf sie zubewegt habe, obwohl sie ihm nach seiner Schilderung im Abstand ca. eines Unterarms ein Messer an den Hals gehalten habe, ist nicht plausibel, da hierbei für den Angeklagten die unmittelbare Gefahr bestanden hätte, selbst massiv verletzt zu werden, zum Beispiel indem sich H1 mit dem Messer als Reaktion auf seine Bewegung gleichzeitig weiter auf ihn zubewegt hätte, wodurch sich der Abstand eines Unterarms gefährlich verringert hätte und eine Stichverletzung am Hals gedroht hätte, oder indem er mit den Händen in das Messer gegriffen hätte und erhebliche Schnittverletzungen an den Händen gedroht hätten. Eine naheliegende und erwartbare Reaktion hätte es angesichts der (angeblichen) Bedrohung mit dem Messer zum Beispiel dargestellt, sich nicht auf sie zuzubewegen, sondern sich von ihr wegzubewegen, und sie aufzufordern, das Messer wegzulegen. Insofern hätten sich kritische Nachfragen an den Angeklagten aufgetan, die der Angeklagte jedoch nicht zugelassen hat.
447
Schlechterdings nicht plausibel ist das Vorbringen, H1 sei mit dem Messer in der Hand in das Schlafzimmer „gerannt“, d.h. in den Raum, der am weitesten von der Küche entfernt gewesen ist und in dem der Sohn H2geschlafen hat. So bleibt bereits unklar, weshalb H1, die zunächst durch die Bewaffnung mit dem Messer eine offensive Position eingenommen haben soll und ein erhebliches Verletzungsrisiko für den Angeklagten etabliert haben soll, sodann aufgrund einer nicht näher beschriebenen Handlung des Angeklagten (Packenwollen und Zubewegen) übergangslos in eine defensive Position gewechselt haben soll und rennend, hierbei das Messer mitnehmend, aus der Küche geflüchtet sein soll, während sie bei Auseinandersetzungen in der Vergangenheit nicht kurzerhand mit Flucht reagierte, sondern (unbewaffnet) den Kampf mit dem Angeklagten aufnahm. Weshalb sie als Zufluchtsort ausgerechnet das Schlafzimmer, den mit Blick auf den Grundriss der Wohnung am weitesten von der Küche entfernt gelegenen Raum, in dem der Sohn H2geschlafen hat, ausgewählt haben soll und hierbei das Risiko, dass der Sohn H2durch die Auseinandersetzung mit dem Angeklagten in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, in Kauf genommen haben soll, erschließt sich nicht; stattdessen hätte es angesichts der (angeblichen) Fluchtreaktion nahegelegen, zum Beispiel in das gegenüber der Küche gelegene Wohnzimmer zu flüchten, dessen Tür sich, wie aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern des Wohnzimmers ersichtlich ist, mit einem Schlüssel an der Innenseite der Tür absperren hätte lassen. Überdies bleibt in der Einlassung in der Verteidigererklärung unklar, weshalb und wie, zum Beispiel gehend oder rennend, der Angeklagte H1 in das Schlafzimmer verfolgt haben soll. Insofern hätten sich kritische Nachfragen an den Angeklagten aufgetan, die der Angeklagte jedoch nicht zugelassen hat.
448
Die Schilderung des Geschehens im Schlafzimmer erschöpft sich darin, dass H1 das Messer im Schlafzimmer noch in der Hand gehalten habe und dass es zu einer gegenseitigen „Schreierei“ und körperlichen Auseinandersetzung gekommen sei, an deren Ende der Angeklagte zugestochen habe. Indessen bleibt unklar, mit welchem Gesprächsinhalt die (angebliche) „Schreierei“ stattgefunden haben soll; außerdem haben die Nachbarn im Wohnhaus in der Nacht eine „Schreierei“ nicht wahrgenommen, obwohl die Wohnung hellhörig gewesen ist und die Nachbarn bei anderen Gelegenheiten deutlich die Streitigkeiten zwischen dem Angeklagten und H1 gehört haben (siehe hierzu unter D. II. 2. c)). Überdies bleibt unklar, wie sich die (angebliche) körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und H1 zugetragen haben soll, zum Beispiel in welcher Position sich der Angeklagte und H1 befunden haben, welche Handlungen sie ausgeführt haben, wie sie sich im Raum bewegt haben und wie H1 (schließlich) auf das Bett gelangt ist. Insofern hätten sich kritische Nachfragen an den Angeklagten aufgetan, die der Angeklagte jedoch nicht zugelassen hat.
449
(d) Darüber hinaus bleibt unklar, wie der Angeklagte, ohne selbst erhebliche Verletzungen davonzutragen, an das Messer gelangt sein soll, zum Beispiel indem er H1 das Messer aus der Hand geschlagen oder entwunden hat oder sie es abgelegt oder fallen gelassen hat. Insofern und hinsichtlich des Kerns des Tatgeschehens hat sich der Angeklagte in der Verteidigererklärung darauf berufen, sich nicht erinnern zu können („nur noch Nebel“); die (angebliche) Gedächtnislücke des Angeklagten ist jedoch nicht glaubhaft.
450
Zwar hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte, wie sich aus der Aussage des Zeugen S3, eines Freundes des Angeklagten, den er im Jahr 2012/13 über das Computerspielen im Internet kennengelernt hatte, ergeben hat, (auch) dem S3 berichtet hat, sich an die Tat nicht erinnern zu können. So hat der Zeuge S3 bekundet, dass ihm der Angeklagte am 13.11.2016 in einem Telefonat aus Spanien berichtet habe, dass er H1 getötet habe. Er habe erzählt, dass er einen Streit mit ihr gehabt habe, da sie ihm den Sohn wegnehmen habe wollen. Er sei alkoholisiert gewesen, da er eine Flasche Wodka getrunken habe. Er sei in die Küche gegangen, habe ein Messer geholt, sei in das Schlafzimmer gegangen und habe zugestochen. Danach habe er sich schlafen gelegt und sei gegen 05:00 Uhr aufgewacht. Da habe er die Leiche und das Blut auf dem Boden gesehen. Ob H1 bei der Tat geschlafen habe oder wach gewesen sei bzw. ob sie gestanden, gesessen oder gelegen habe, habe der Angeklagte nicht berichtet. Er habe allerdings erzählt, dass er einen „Filmriss“ gehabt habe.
451
Die Aussage des Zeugen S3 kann eine Gedächtnislücke des Angeklagten jedoch nicht zuverlässig belegen. Seine Angaben, wonach sich der Angeklagte nach dem „Zustechen“ schlafen gelegt habe und gegen 05:00 Uhr aufgewacht sei und die Leiche und das Blut gesehen habe, sprechen, unter der Annahme, dass sie zutreffen würden, gegen eine Gedächtnislücke des Angeklagten zum Tathergang, da sie darauf hindeuten würden, dass sich der Angeklagte bis zur letzten Handlung vor dem Wachwerden, d.h. bis zu dem „Schlafenlegen“, an das Geschehen hätte erinnern können und der (nicht näher beschriebene) „Filmriss“ erst nach dem „Schlafenlegen“ eingesetzt hätte. Insofern hat der Angeklagte die Schilderung, die er am 13.11.2016 im Telefonat mit S3 abgegeben hat, in seiner Einlassung in der Verteidigererklärung allerdings ausdrücklich dahin abgeändert, dass er sich nach der Tat nicht schlafen gelegt habe („Unsinn“), da an Schlaf nicht zu denken gewesen sei, sondern er nach der Tat und dem Erfassen der Situation gezittert, sich übergeben und Durchfall gehabt habe, wobei, unter der Annahme, dass die Schilderung in der Verteidigererklärung zutreffen würde, unklar bleibt, wie sich die Situation nach dem Wiedereinsetzen der Erinnerung konkret dargestellt haben soll. Darüber hinaus weicht die Schilderung des Angeklagten gegenüber S3 von der Einlassung in der Verteidigererklärung (auch) insofern ab, als er dem S3 berichtet hat, er habe ein Messer aus der Küche geholt und sei mit dem Messer in das Schlafzimmer gegangen, wohingegen in der Einlassung in der Verteidigererklärung behauptet wird, H1 habe ihn in der Küche mit dem Messer bedroht und sei mit dem Messer in das Schlafzimmer „gerannt“. Überdies ist die Schilderung des Angeklagten gegenüber S3, wonach die Leiche der H1 nach der Tat „auf dem Boden“ gelegen habe, nicht schlüssig, da sie mit dem Spurenbild in der Wohnung, das die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer als Tatort ausweist (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)), offensichtlich in Widerspruch steht. Im Ergebnis ist die Schilderung des Angeklagten gegenüber S3 aufgrund ihrer Mängel nicht geeignet, eine Gedächtnislücke des Angeklagten zuverlässig zu belegen, zumal sie erhebliche Widersprüche gegenüber der Einlassung in der Verteidigererklärung aufweist.
452
Stattdessen ergibt sich aus den glaubhaften Aussagen der Zeugen E1 und B1 bzw. der Zeugen R1 und L1, dass sich der Angeklagte tatsächlich sehr gut an den Tathergang erinnern hat können und er den ihm am nächsten stehenden Personen, seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 die wesentlichen Details über den Tathergang anvertraut hat, zum Beispiel den Umstand, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch sprechen habe wollen oder dass das Tatmesser eine Kerbe von einem Zahn davongetragen habe (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (aa) und D. II. 3. c) bb) (3) (b) (cc) (aaa) (i)).
453
Desgleichen hat (auch) die Alkoholisierung des Angeklagten nicht zu einer Gedächtnislücke in Bezug auf den Tathergang geführt; insofern hat die Kammer, beraten durch den Sachverständigen Prof. Dr. N1, keine Hinweise auf alkoholbedingte neurologische, hirnorganische oder affektive Ausfallerscheinungen des Angeklagten finden können (siehe hierzu unter D. II. 5. c)), insbesondere haben sich keine Hinweise auf eine alkoholbedingte Beeinträchtigung von Bewusstsein, Denken und Wahrnehmung ergeben, da der Angeklagte in der Lage war, bei der Begehung der Tat die Details des Tatgeschehens, zum Beispiel den Umstand, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch sprechen wollte und das Tatmesser eine Kerbe von einem Zahn davontrug, wahrzunehmen und nach der Tat noch in der Tatnacht mit den Fluchtvorbereitungen zu beginnen, indem er bereits um 03:42 Uhr einen Goldbarren bestellte.
454
Demnach hat sich die Einlassung in der Verteidigererklärung zum Kern des Tatgeschehens nicht verhalten, obwohl nach den Umständen eine Darlegung des Tathergangs zu erwarten gewesen wäre und eine Gedächtnislücke des Angeklagten als Ursache für das Schweigen über den Kern des Tatgeschehens ausgeschlossen werden kann. Überdies ist in der Einlassung in der Verteidigererklärung nicht Stellung bezogen zum Geschehen mit der Leiche und zur Situation und zum Verhalten des Sohnes H2im Rahmen des Tatgeschehens, obwohl nach den Umständen auch insofern eine Darlegung des Geschehens zu erwarten gewesen wäre und eine Gedächtnislücke des Angeklagten als Ursache für das Schweigen zum Geschehen mit der Leiche und zur Situation und zum Verhalten des Sohnes H2ausgeschlossen werden kann.
455
(e) In Bezug auf die Angaben zur Spurenbeseitigung, Fluchtvorbereitung und Flucht fügt sich die Einlassung in der Verteidigererklärung hingegen in das Ergebnis der Beweisaufnahme ein (siehe hierzu unter D. II. 4.).
456
(f) Insgesamt ist die Einlassung in der Verteidigererklärung, wonach der Angeklagte H1 im Rahmen einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung getötet habe, aufgrund ihrer Mängel und Unklarheiten nicht glaubhaft, insbesondere ist das geschilderte Streitgeschehen aus den aufgeführten Gründen nicht plausibel. Daneben hat die Kammer der Einlassung des Angeklagten in Bezug auf das Tatgeschehen (auch) deshalb keinen Glauben geschenkt, da sie in Form einer Verteidigererklärung ohne Möglichkeit der Überprüfung durch kritische Nachfragen vorgebracht worden ist und nach ihrem Inhalt ein Teilschweigen des Angeklagten darstellt, da sich die Verteidigererklärung zu wesentlichen Gesichtspunkten, zu denen eine Darlegung nahegelegen hätte, insbesondere zum Kern des Tatgeschehens, d.h. zum Ablauf der Tötungshandlung, und zur Situation und zum Verhalten des Sohnes H2im Rahmen des Tatgeschehens nicht verhalten hat.
457
Denn bei einer Einlassung mittels Verteidigererklärung ohne Möglichkeit kritischer Nachfragen ist das Gericht nicht nur befugt, sondern sogar gehalten, im Rahmen seiner Beweiswürdigung zu berücksichtigen, dass dieser von vornherein nur ein erheblich verminderter Beweiswert zukommt, weil es sich um ein, in der Regel im Vorfeld der Angaben schriftlich ausgearbeitetes, situativ nicht hinterfragbares Verteidigungsvorbringen handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21; Urteil vom 11.03.2020, Az. 2 StR 69/19). Solche Einlassungen sind nur sehr eingeschränkt einer Glaubhaftigkeitsprüfung zugänglich. Anders als bei einer mündlich abgegebenen Sachäußerung kann aus ihnen kein unmittelbarer Eindruck des Aussageverhaltens gewonnen werden. Der Beweiswert eines solchen Einlassungssurrogats bleibt substanziell hinter dem einer dem gesetzlichen Leitbild der Einlassung entsprechenden, nicht nur persönlich und mündlich, sondern auch in freier Rede und vollständig getätigten Äußerung zurück (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21; Urteil vom 11.03.2020, Az. 2 StR 69/19).
458
Überdies darf das teilweise Schweigen eines Angeklagten als Beweisanzeichen zu seinem Nachteil verwertet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21). Denn ein Angeklagter, der durch eine Einlassung zur Sache an der Aufklärung des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs mitwirkt, jedoch bei seinem Vorbringen einzelne Tat- oder Begleitumstände eines einheitlichen Geschehens verschweigt bzw. auf einzelne Nachfragen und Vorhalte keine oder lückenhafte Antworten gibt, unterstellt aus freiem Entschluss seine Einlassung insgesamt einer Würdigung durch das erkennende Gericht (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21). Dabei dürfen aus einem Teilschweigen im Rahmen einer Einlassung zu einem bestimmten, einheitlichen Geschehen allerdings nur dann nachteilige Schlüsse für den Angeklagten gezogen werden, wenn nach den Umständen Angaben zu dem verschwiegenen Punkt zu erwarten gewesen wären, andere mögliche Ursachen des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich lediglich fragmentarischer Natur sind, es sei denn, der Angeklagte hat zu dem betreffenden Teilaspekt auch auf konkrete Nachfrage hin keine Antwort gegeben (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21).
459
Das Teilschweigen eines Angeklagten darf auch dann als Beweisanzeichen zu seinem Nachteil verwertet werden, wenn er sich in Form einer Verteidigererklärung zur Sache einlässt, die er sich zu eigen macht, und er Nachfragen entweder generell nicht zulässt oder nicht vollumfänglich beantwortet (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2021, Az. 3 StR 380/21). Denn es macht insofern keinen Unterschied, ob der Angeklagte sich in der Hauptverhandlung selbst mündlich zur Sache einlässt und dabei auf einzelne Punkte des Tatgeschehens nicht eingeht oder er sich der Hilfe seines Verteidigers bedient und diesen für sich unter Auslassung einzelner Teilaspekte zur Sache vortragen lässt. In beiden Fällen macht der Angeklagte in gleicher Weise seine Einlassung zum Gegenstand der freien richterlichen Beweiswürdigung und muss daher eine umfassende Würdigung seines Vorbringens durch das Gericht hinnehmen. Dies gilt auch deshalb, weil der Angeklagte frei ist in seiner Entscheidung, sich Vorbringen seines Verteidigers als seine Einlassung zu eigen zu machen und Nachfragen nicht oder nicht vollständig zu beantworten.
460
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer die ersichtliche Unvollständigkeit der Verteidigererklärung, die sich insbesondere nicht zum Kern des Tatgeschehens, d.h. zum Ablauf der Tötungshandlung, und zur Situation und zum Verhalten des Sohnes H2im Rahmen des Tatgeschehens verhalten hat, als Indiz dahin gewertet, dass das behauptete Streitgeschehen in der Nacht von 26.10.2016 auf 27.10.2016 mit einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung, die mit der Tötung der H1 geendet haben soll, tatsächlich nicht stattgefunden hat. Zum einen wären bei einer wahrheitsgemäßen Einlassung konkrete Angaben dazu zu erwarten gewesen, weshalb und wie der Angeklagte H1 in das Schlafzimmer verfolgt haben soll, welchen Gesprächsinhalt die „Schreierei“ im Schlafzimmer gehabt haben soll, wie sich die körperliche Auseinandersetzung zwischen dem Angeklagten und H1 zugetragen haben soll, wie der Angeklagte ohne erhebliche eigene Verletzungen an das Messer gelangt sein soll und wie er auf sie eingestochen hat. Zum anderen wären bei einer wahrheitsgemäßen Einlassung Angaben zur Situation und zum Verhalten des Sohnes H2vor, bei und nach der Tötung seiner Mutter zu erwarten gewesen. Stattdessen werden in der Verteidigererklärung die den Angeklagten entlastenden Gesichtspunkte teilweise sehr detailliert beschrieben, zum Beispiel die (angeblichen) Beleidigungen der H1 und die (angebliche) Bedrohungen mit dem Messer, wohingegen die wesentlichen Gesichtspunkte des Tatgeschehens, die den Angeklagten belasten, fehlen; dies lässt eine Tendenz zur Bagatellisierung und Externalisierung erkennen, nicht jedoch ein Bestreben, wahrheitsgemäß an der Aufklärung des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs mitzuwirken. Überdies sind andere mögliche Ursachen für die Lückenhaftigkeit der Verteidigererklärung nicht gegeben, insbesondere hat sich eine Gedächtnislücke des Angeklagten ausschließen lassen.
461
(g) Überdies findet die Einlassung in der Verteidigererklärung, wonach der Angeklagte H1 im Rahmen einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung getötet habe, keine Stütze in dem verlesenen Brief des Angeklagten an den Verteidiger Prof. Dr. P3 vom 02.01.2020, den der Verteidiger Prof. Dr. P3 in der Hauptverhandlung übergeben hat. Darin ist ausgeführt, er könne nicht verstehen, warum sein eigener Bruder „Sachen und Dinge“ behaupte, nur um seine Freundin zu beeindrucken; vor allem sei „das“ ja nichts, womit man im Mittelpunkt stehen wolle. E1 und sein Bruder hätten den Leichnam von H1 verschwinden lassen, zerstückeln oder einbetonieren wollen, er habe ihnen jedoch gesagt, dass man das nicht machen könne und er die beiden da nicht mit hineinziehen wolle. Er wisse nicht, warum E1 behaupte, dass H1 geschlafen habe, da er ihm lediglich gesagt habe, dass er sie im Schlafzimmer umgebracht („erstochen“) habe; dass sie geschlafen habe, sei eine Schlussfolgerung des E1. Er habe dem E1 die Tat so geschildert wie dem S3, nämlich dass H1 „auf einmal“ tot „auf dem Boden“ gelegen habe; er „denke“, er habe sich zum Tathergang nicht geäußert. Er wisse definitiv, dass „das mit den Messern und den sexuellen Handlungen“ nicht passiert sei; er verdränge zwar viel, aber an „so was“ würde er sich erinnern können, da er sie nicht anfassen habe können „mit dem ganzen Blut“ und er „viele Handtücher“ auf sie gelegt habe. Er sei „voller Hass und Zorn“ gewesen und habe sie vor seinem Bruder „alles“ genannt. Vielleicht habe er gewollt, dass sein Bruder stolz auf ihn sei, weil er nicht länger zugelassen habe, was sie seiner Familie „antue“, vor allem seiner „Mama“, die sie mit „ständigen Beleidigungen ohne Grund“ bedacht habe; seine „Mama“ habe H1 nie etwas getan oder ein böses Wort über sie gesagt. H1 habe keinen Grund gehabt, zu sagen, dass sie „elendig verrecken“ solle. Genauso verstehe er bis heute nicht, warum sie zu seinem „Papa“ gefahren sei, obwohl er das nicht gewollt habe, und ihn „eine Stunde lang“ beleidigt habe. Er habe „es“ ab dem ersten Augenblick, als er „es“ realisiert habe, bereut und habe geweint; dennoch habe er die ersten Tage nach der Tat „einen unglaublichen Hass“ auf H1 gehabt und habe sie „mit jedem Schimpfwort“ belegt, das es gebe.
462
Eine nähere Beschreibung des Tatgeschehens enthält der Brief nicht, bestätigt allerdings, dass der Angeklagte bereits vor seiner Flucht seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1 gesagt hat, H1 getötet zu haben. Der Behauptung, er habe dem E1 die Tat so geschildert, wie dem S3, und ihm nicht gesagt, dass sie geschlafen habe, steht die glaubhafte Aussage des E1 entgegen. Dass H1 „auf einmal“ tot „auf dem Boden“ gelegen habe, hat der Zeuge E1 nicht berichtet und steht, wie bereits ausgeführt, mit dem Spurenbild in der Wohnung, das die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer als Tatort ausweist (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (1) (f)), offensichtlich in Widerspruch. Unklar ist, was H1 der Familie des Angeklagten „angetan“ haben soll, da sich keine konkreten Anhaltspunkte für Konflikte zwischen H1 und den Eltern des Angeklagten gefunden haben.
463
(6) Nicht bestätigt hat sich indessen bereits im Ermittlungsverfahren ein Gerücht, wonach der Angeklagte vor der Tat gegenüber H1 oder gegenüber Dritten einmal die Äußerung getätigt haben soll, dass, wenn er H1 nicht haben könne, sie auch kein anderer haben dürfe, sondern er sie erschlagen würde. Insofern hat der Zeuge EKHK M2 in der Hauptverhandlung berichtet, dass die diesbezüglichen Erhebungen bereits im Ermittlungsverfahren die betreffende Äußerung nicht erhärtet haben, weil sich im Ermittlungsverfahren sowohl der Zeuge S15 als auch der Zeuge S16, die die Äußerung gehört haben sollen, von der Wahrnehmung der betreffenden Äußerung distanziert hätten, so dass der Ermittlungsstrang zu Ende gewesen sei.
464
(7) Bei einer Gesamtwürdigung der erhobenen Beweise und der den Angeklagten belastenden und entlastenden Umstände und Indizien ist die Kammer, unter Berücksichtigung der Einlassung des Angeklagten, überzeugt, dass sich das Tatgeschehen wie unter C.III.2. festgestellt zugetragen hat.
465
Bereits das Spurenbild in der Wohnung und das Verletzungsbild an der Leiche weisen im Ausgangspunkt darauf hin, dass H1 in ihrem Bett in einer liegenden Position getötet wurde. Das Spurenbild in der Wohnung lässt die türseitige Matratze des Doppelbetts im Schlafzimmer, den üblichen Schlafplatz der H1, als den Ort der Tötungshandlung erkennen und deutet auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 mit dem Kopf in einer niedrigen (liegenden) Position zum Kopfende des Bettes hin befunden hat. Bei einem Kampfgeschehen würde ein breiter gestreutes Spurenbild in der Wohnung bzw. im Schlafzimmer zu erwarten sein. Das Verletzungsbild an der Leiche der H1 deutet auf einen Tatablauf hin, bei dem sich H1 in einer liegenden Position im Bett befunden hat. Sämtliche Verletzungen befinden sich in einem Bereich des Körpers, der im Bett üblicherweise nicht durch eine Bettdecke abgedeckt ist. Danach ist ein Tatablauf, bei dem H1 zu Beginn geschlafen hat und durch die Gewalteinwirkungen aufgewacht ist, mit dem Verletzungsbild zwanglos in Einklang zu bringen. Bei einem Kampfgeschehen würde ein breiter gestreutes Verletzungsbild am Körper des Opfers zu erwarten sein.
466
Mit dem Spurenbild in der Wohnung und dem Verletzungsbild an der Leiche in Einklang steht die Schilderung des Tathergangs durch den Angeklagten gegenüber seinem besten Freund E1 und seinem Bruder R1, wonach er H1 mit einem Messer getötet habe, als sie schlafend in ihrem Bett im Schlafzimmer gelegen habe. Die Aussagen der Zeugen E1 und R1, die sich gegenseitig stützen, sind wahrnehmungsbasiert und glaubhaft. Daran, dass sein „Geständnis“ gegenüber E1 und R1 den Tatsachen entsprach, besteht kein Zweifel, insbesondere bestand für den Angeklagten weder ein Anlass noch ein Grund für eine wahrheitswidrige Selbstbelastung und ist sein „Geständnis“ (auch) in den Einzelheiten plausibel.
467
Demgegenüber ist die Einlassung des Angeklagten in der Hauptverhandlung in den wesentlichen Teilen nicht glaubhaft und verhält sich nicht zum Kern des Tatgeschehens In einer Gesamtwürdigung besteht mithin kein Zweifel, dass sich das Tatgeschehen wie unter C.III.2. festgestellt zugetragen hat.
4. Feststellungen zum Nachtatgeschehen
468
Die Feststellungen unter C.IV. zum Nachtatgeschehen beruhen auf dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung.
469
Dass der Angeklagte die Leiche nach der Tat entkleidete, folgt daraus, dass die Leiche bei der Auffindung nackt war. Es fand sich kein Hinweis, dass H1 üblicherweise nackt zu schlafen pflegte. Stattdessen ist aus den Lichtbildern, die der Angeklagte am 17.10.2016, d.h. zehn Tage vor der Tat, von H1 im Schlaf gefertigt hat (siehe hierzu unter D. II. 2. e)), ersichtlich, dass H1 bekleidet geschlafen hat.
470
Die Feststellung des postmortalen Geschlechtsverkehrs beruht auf den Angaben der Zeugen E1 und R1, aus denen sich ergeben hat, dass der Angeklagte seinem Bruder R1 geschildert hat, nach der Tat den Geschlechtsverkehr mit der Leiche vollzogen zu haben (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (a) (aa)) und D. II. 3. c) bb) (3) (b) (aa)); dass dies plausibel ist, ergibt sich aus den gutachterlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. A2 und Prof. Dr. P2 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (cc)).
471
Dass die Leiche beim Verbringen in das Bad mit dem Kopf gegen eine Wandkante geschlagen hat, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin L1 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (3) (b) (cc) (aaa) (i)); dass dies plausibel ist ergibt sich aus den Lichtbildern der Blutantragung im Durchgang zwischen Schlafzimmer und Flur, auf Höhe der Abstellkammer, an einer Wandkante (Mauervorsprung) und den Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. A1 und Prof. Dr. P2 (siehe hierzu unter D. II. 3. c) bb) (4) (c) (ff)).
472
Die Feststellungen zum Verpacken und zum Verstecken der Leiche beruhen auf den Angaben der Zeugen KHK B6 und KHK S11, die ausführlich über die Situation und die Lage, in der sich die Leiche bei der Auffindung am 12.11.2016 befand, berichtet haben und auf den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die bei der Auffindung der Leiche gefertigt worden sind. Die Feststellungen zu den Reinigungsarbeiten des Angeklagten in der Wohnung beruhen auf der Einlassung des Angeklagten, den Angaben der Zeugen E1, B1, R1 und L1, den Angaben der Zeugen KHK B6 und KHK S11, den gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. A1 und den in Augenschein genommenen Lichtbildern, die von den Räumen der Wohnung gefertigt worden sind. Die Feststellungen zur Entsorgung der Bettwäsche, der Putzlappen und des Mülls beruhen auf den Angaben der Zeugen R1, L1 und F6, des damaligen Lebensgefährten der Mutter des Angeklagten, den Angaben des Zeugen G3, eines Mitarbeiters des Recyclinghofs in W., und des Zeugen W5, der den Angeklagten am 27.10.2016 am Recyclinghof in W. bei der Müllentsorgung gesehen hat, und der Verlesung der Wiegescheine des Recyclinghofs in W. vom 27.10.2016, 29.10.2016 und 03.11.2016.
473
Die Feststellungen zu den Bestellungen der Goldbarren am 27.10.2016 und 29.10.2016, zur Geldabhebung am 28.10.2016, zu den Warenbestellungen am 29.10.2016 und 31.10.2016 und zu den Geldüberweisungen am 30.10.2016, 31.10.2016, 02.11.2016 und 03.11.2016 beruhen auf den Angaben der Zeugen KHK B7 und KHK W6, die die Finanzermittlungen durchgeführt haben, der Verlesung der Rechnungen und Unterlagen über die Goldankäufe bei der Firma P. vom 27.10.2016 und 29.10.2016 und der Übersicht des Kontos der H1 bei der R.bank in F. und den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Überwachungskamera der R.bank in F., die den Angeklagten bei der Geldabhebung am 28.10.2016 zeigen. Der Verkauf der Waschmaschine und des Trockners am 29.10.2016 ergibt sich aus den Angaben des Zeugen D2, des Käufers der Waschmaschine und des Trockners, der die Geräte bei dem Angeklagten abgeholt hat. Die Abholung der Goldbarren am 05.11.2016 in Pl. ergibt sich aus den Angaben des Zeugen R1, der den Angeklagten bei der Abholung der Goldbarren begleitet hat, aus den Angaben der Zeugen KHK B7 und KHK W6, die die Finanzermittlungen durchgeführt haben, und der Verlesung der Abholscheine der Spedition „G.“ vom 05.11.2016.
474
Die Feststellungen zum Spaziergang des Angeklagten mit M1 am Abend des 27.10.2016 beruhen auf den Angaben der Zeugin M1, die bei dem Treffen kein auffälliges Verhalten des Angeklagten beobachtet hat.
475
Die Fortsetzung des Chatverkehrs der H1 mit H4, T1 und B1 durch den Angeklagten ergibt sich aus der Verlesung der Chatverläufe und den Angaben der Zeugen H4, T1 und B1, die angegeben haben, dass ihnen die Chatnachrichten ab 27.10.2016 zunehmend merkwürdig und seltsam vorgekommen seien, da „H1“ anders als sonst geschrieben habe. Zum Beispiel wurde in einer Chatnachricht auf „Wh.-A.“ am 27.10.2016 um 11:16 Uhr vom Handy der H1 an B1 geschrieben, sie, H1, habe heute keine Zeit, da sie den Angeklagten ins Krankenhaus fahren müsse, da er die ganze Nacht „gekotzt“ habe und sich einen Virus eingefangen habe; eine Abfrage bei den Krankenhäusern in F., Gr. und W. hat allerdings, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, keinen entsprechenden ambulanten oder stationären Aufenthalt des Angeklagten ergeben; es besteht mithin kein Zweifel, dass die Nachricht an B1 unter dem Namen der H1 bereits durch den Angeklagten verfasst wurde. Die Nutzung des „F.“-Profils der H1 durch den Angeklagten ergibt sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, und der Verlesung der Postings auf dem „F.“-Profil der H1 vom 28.10.2016, 31.10.2016 und 02.11.2016.
476
Dass R1 am 04.11.2016 in einem Handyladen in P. ein Handy zum Preis von 450 € verkaufte und den Erlös dem Angeklagten übergab, ergibt sich aus den Angaben der Zeugin L1, den Angaben der Zeugen S6, des Inhabers des Handyladens „H.“ und der Zeugin R5, einer Mitarbeiterin des Handyladens „H.“, und aus der Verlesung der Ankaufsvereinbarung des Handyladens „H.“ vom 04.11.2016, die R1 als Verkäufer eines Samsung Galaxy S7 zum Preis von 450 € ausweist. Dass R1 dem Angeklagten für die Flucht seinen Personalausweis und seinen Führerschein aushändigte, ergibt sich aus den Angaben des Zeugen R1 und aus der Sicherstellung des Personalausweises und des Führerscheins des R1 bei der Festnahme des Angeklagten in Spanien, über die der Zeuge EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, berichtet hat. Die Tätowierung des Angeklagten am 04.11.2016 in P. ergibt sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2 und aus dem in Augenschein genommenen Lichtbild vom 04.11.2016, das sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden hat und den Angeklagten beim Tätowieren im Tattoostudio zeigt.
477
Dass der Angeklagte in der Nacht von 05.11.2016 auf 06.11.2016 mit dem Sohn H2zur Flucht in das Ausland aufbrach, folgt daraus, dass sein Handy Samsung Galaxy S6 Edge, wie der Zeuge EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, zum letzten Mal am 05.11.2016 um 22:56 Uhr im Router in der Wohnung in der B.straße … in F. eingeloggt war. Überdies hat der Zeuge R1 berichtet, er habe sich von dem Angeklagten in der Wohnung verabschiedet, als es in der Wohnung bereits stark gerochen habe; sie hätten sich umarmt und der Angeklagte habe zu ihm gesagt: „Wir sehen uns irgendwann wieder.“ Danach sei der Angeklagte gefahren und sie hätten nur noch über ein Handy Kontakt gehalten.
478
Der Aufenthalt des Angeklagten in Paris ergibt sich aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, der Verlesung des Postings auf dem „F.“-Profil der H1 vom 07.11.2016 („Danke für den schönen Urlaub!“) und den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 06.11.2016 und 07.11.2016, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und die den Angeklagten mit dem Sohn H2in Paris zeigen. Am 07.11.2016 wurde der Angeklagte, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, im Auto der H1 zwischen Paris und Orléans bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Radarkontrolle erfasst.
479
Die Route von Paris über Orléans und Valladolid nach Tarifa ergibt aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, aus der Verlesung der Hotelrechnung des Hotels in Orléans vom 08.11.2016 und aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern vom 08.11.2016, 10.11.2016 und 12.11.2016, die sich auf dem Notebook des Angeklagten befunden haben und den Angeklagten mit dem Sohn H2an den betreffenden Orten zeigen.
480
Die Feststellungen zur Vermisstenanzeige und zur (ersten) Nachschau in der Wohnung am 11.11.2016 ergeben sich aus den Angaben der Zeugen H4 und S1, ferner aus den Angaben des Zeugen J1, des Hausmeisters des Wohnhauses, und den Angaben der Zeugen PKH L5, PHK R8 und POK V1, die als Polizeibeamte der Polizeiinspektion F. mit der Vermisstenanzeige bzw. der Nachschau befassten waren.
481
Die Feststellungen zur Auffindung der Leiche am 12.11.2016 durch die Mutter der H1, H4, beruhen auf den Angaben der Zeugen H4 und S1, ferner aus den Angaben des Zeugen J1, des Hausmeisters des Wohnhauses, und den Angaben der Zeugen PHMin K5, PHK L5 und PHK R8, die als Polizeibeamte der Polizeiinspektion F. nach der Auffindung der Leiche mit den ersten Ermittlungen befasst waren.
482
Die Feststellungen zur Tätowierung auf dem linken Oberarm des Angeklagten („gracias por todo“) beruhen auf den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, und den in Augenschein genommenen Lichtbildern der Tätowierung, die nach der Festnahme des Angeklagten gefertigt worden sind.
483
Die Route von Tarifa über Valencia und Barcelona nach Lloret de Mar ergibt aus den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat, und aus der Verlesung der Hotelrechnung des Hotels in Lloret de Mar vom 17.11.2016. Am 15.11.2016 wurde der Angeklagte, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, im Auto der H1 in Spanien bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch die Radarkontrolle erfasst. Am 16.11.2016 wurde er, wie der Zeuge EKHK M2 berichtet hat, im Auto der H1 an zwei Mautkontrollstellen im Bereich von Valencia bzw. von Barcelona bei der Durchfahrt durch die Überwachungskamera erfasst.
484
Die Feststellungen zur Festnahme des Angeklagten in Spanien und zur Überstellung des Angeklagten nach Deutschland und die Feststellungen zur Inobhutnahme des Sohnes H2in Spanien und zur Rückführung des Sohnes H2nach Deutschland beruhen auf den Angaben des Zeugen EKHK M2, der als Sachbearbeiter die polizeilichen Ermittlungen geführt hat.
485
Die Situation des Sohnes H2seit der Rückführung nach Deutschland ergibt sich aus den Angaben der Zeugen H4 und S1.
5. Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten
486
Die F. unter C.V. zur Alkoholisierung des Angeklagten bei der Begehung der Tat beruhen auf den Trinkmengen- und Gewichtsangaben in der Einlassung des Angeklagten und aus der Blutalkoholberechnung des Sachverständigen Prof. Dr. P2 in der Hauptverhandlung.
487
Ausgehend von einer Trinkmenge von 0,6 l Wodka mit einem Alkoholgehalt von 37,5% und einem Gewicht des Angeklagten von (mindestens) 100 kg hat der Sachverständige Prof. Dr. P2 mit Hilfe der Widmark-Formel unter Berücksichtigung einer Dichte von Alkohol von 0,789 g/ml, einer Alkoholmenge von 177,525 g, eines Reduktionsfaktors von 0,7, eines Resorptionsdefizits von 10% und eines stündlichen Abbauwertes von 0,1 ‰ unter der Annahme eines Trinkbeginns zwei Stunden vor der Tat eine maximale Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 2,09 ‰, unter der Annahme eines Trinkbeginns vier Stunden vor der Tat eine maximale Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,89 ‰ und unter der Annahme eines Trinkbeginns acht Stunden vor der Tat eine maximale Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit von 1,49 ‰ errechnet.
488
Der Angeklagte begann nach seiner Einlassung in der Verteidigererklärung „im Anschluss“ an das Treffen mit B1, E1 und R1, das gegen 20:30 Uhr endete, mit dem Trinken des Wodkas, während sich die Tat zwischen 00:17 Uhr und 03:42 Uhr ereignete. Wenngleich der Angeklagte keine Umstände vorgetragen hat, die auf eine nennenswerte Verzögerung des Trinkbeginns nach dem Ende des Treffens schließen lassen könnten, hat die Kammer, um Unsicherheiten bei der Feststellung des konkreten Trinkbeginns auszugleichen und eine etwaige Verzögerung des Trinkbeginns zu berücksichtigen, zugunsten des Angeklagten einen Trinkbeginn drei Stunden vor der Tat angenommen, woraus sich eine maximale Blutalkoholkonzentration bei der Begehung der Tat in Höhe von 1,99 ‰ errechnet.
489
Der Konsum der Dose „Wodka Maracuja“ mit einem Inhalt von 0,33 l und einem Alkoholgehalt von 10% auf der Rückfahrt von P. nach F. am 26.10.2016 zwischen 16:58 Uhr und 17:49 Uhr blieb bei der Berechnung der Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit außer Betracht, da der hierbei aufgenommene Alkohol bis zur Aufnahme des gekauften Wodkas, die nach der Einlassung des Angeklagten erst nach dem Treffen mit B1, E1 und R1, das gegen 20:30 Uhr endete, begann, auf der Grundlage der Widmark-Formel bereits abgebaut war.
490
Für einen Drogenkonsum des Angeklagten im Zusammenhang mit der Begehung der Tat haben sich keine Anhaltspunkte ergeben.
6. Feststellungen zur Schuldfähigkeit
491
Die Feststellungen unter C.VI. zur Schuldfähigkeit des Angeklagten beruhen im Wesentlichen auf dem widerspruchsfreien, nachvollziehbaren und auf zutreffenden Anknüpfungstatsachen gründenden mündlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N1 in der Hauptverhandlung, dem die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaften P. und D., die Vorgutachten des Sachverständigen Dr. B8 vom 21.01.2015 (erstattet nach Exploration) und der Sachverständigen Dr. L6 vom 27.03.2017 (erstattet nach Aktenlage), die Berichte über den Vollzugsverlauf der Justizvollzugsanstalt S. und die Patientenunterlagen des Hausarztes des Angeklagten, Dr. H6, zur Verfügung gestanden haben und der das Verhalten des Angeklagten, der eine Exploration nicht zugelassen hat, an elf Hauptverhandlungstagen beobachtet hat.
492
Dabei hat die Kammer, in Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Prof. Dr. N1, bei dem Angeklagten ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB nicht feststellen können. Bei dem Angeklagten lag bei der Begehung der Tat weder eine krankhafte seelische Störung, noch eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung, noch eine Intelligenzminderung, noch eine schwere andere seelische Störung vor.
493
a) Zum einen litt der Angeklagte, abgesehen von einer Spielsucht, nicht an einer überdauernden psychischen Störung, die ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB erfüllt.
494
Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. N1 ausgeführt, dass sich bei dem Angeklagten, der sich in der Hauptverhandlung ruhig und unauffällig präsentiert habe, keine Anhaltspunkte gefunden hätten, die auf eine krankhafte seelische Störung im Sinne einer endogenen oder exogenen Psychose hindeuten könnten, insbesondere hätten sich keine Hinweise auf eine Schizophrenie oder einen Hirnorganschaden ergeben. Es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich eine derartige Erkrankung bereits in der Vergangenheit in Gestalt von auffälligen Verhaltensweisen oder therapeutischen Interventionen zeigen hätte müssen, jedoch hätten sich aus den Ermittlungsakten, aus den Vorgutachten und aus den Angaben des Bewährungshelfers und der Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten, die über das Verhalten des Angeklagten berichtet haben, keine pathologischen Auffälligkeiten ergeben, die auf eine Erkrankung im Sinne einer Psychose hindeuten würden. Überdies hätten sich bei den psychiatrischen Untersuchungen in der Justizvollzugsanstalt S., die nach der Aufnahme des Angeklagten stattgefunden haben, keine Anhaltspunkte für eine derartige Erkrankung gefunden; insbesondere sei der Angeklagte nach der Abklärung einer Suizidalität im Rahmen der Aufnahme in der Justizvollzugsanstalt S. nach kurzer Zeit aus der psychiatrischen Abteilung entlassen worden.
495
Daneben hat der Sachverständige Prof. Dr. N1 ausgeführt, dass sich bei dem Angeklagten keine Anhaltspunkte gefunden hätten, die auf eine Intelligenzminderung hindeuten könnten. Der Angeklagte habe den Hauptschulabschluss absolviert, eine Berufsausbildung begonnen und eine Trainerlizenz erworben. Er habe in der Haft den Mittelschulabschluss absolviert und eine Berufsausbildung abgeschlossen. Überdies sei der Angeklagte zum Beispiel in der Lage gewesen, Überweisungen zu tätigen, Handys zu kaufen und zu verkaufen und an Sportwetten teilzunehmen. Er habe mithin über eine Lebenstüchtigkeit verfügt, die mit der Annahme einer Intelligenzminderung nicht zu vereinbaren sei.
496
Ferner hat der Sachverständige Prof. Dr. N1 ausgeführt, dass sich bei dem Angeklagten eine schwere andere seelische Störung im Sinne einer Persönlichkeitsstörung, nicht feststellen habe lassen. Zwar seien Auffälligkeiten in der Entwicklung des Angeklagten zu erkennen, zum Beispiel eine mangelnde Konstanz der Bezugspersonen ab dem 12. Lebensjahr nach der Trennung der Eltern, mehrfache Umzüge und Schulwechsel, eine geringe Resonanz auf erzieherische Einwirkungen, Probleme im schulischen und beruflichen Bereich, eine mangelnde Bereitschaft zur Annahme von Regeln, eine fehlende Tagesstruktur und lediglich kurzfristige Beschäftigungen seit dem Jahr 2013, ein pathologisches Spielen seit dem Jugendalter, die Begehung von Straftaten seit dem Jugendalter und ein konflikthaftes Beziehungsverhalten. Diese Auffälligkeiten ließen dissoziale Züge in der Persönlichkeit des Angeklagten erkennen, erreichten jedoch kein klinisches Ausmaß, das nach den diagnostischen Leitlinien der ICD-10 die kinder- und jugendpsychiatrische Diagnose einer Störung des Sozialverhaltens (ICD-10: F91) bzw. die erwachsenenpsychiatrische Diagnose einer dissozialen Persönlichkeitsstörung (ICD-10: F60.2) erlauben würden; gegen das Vorliegen einer dissozialen Persönlichkeitsstörung spreche im Übrigen der Umstand, dass der Angeklagte in der Haft ein angepasstes Verhalten zeige und unter strukturierten Bedingungen den Mittelschulabschluss absolviert und eine Berufsausbildung abgeschlossen habe.
497
Daneben habe sich bei dem Angeklagten, unter Berücksichtigung der Angaben der Zeugin M1 und der Zeugin K1, der früheren Intimpartnerinnen des Angeklagten, die über ein „normales“ Sexualverhalten des Angeklagten berichtet haben, eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Nekrophilie (ICD-10: F65.8) oder eines Sadismus (ICD-10: F65.5) nicht feststellen lassen. Ein postmortaler Geschlechtsverkehr an einer Leiche lasse, so der Sachverständige Prof. Dr. N1, nicht auf eine Störung der Sexualpräferenz schließen und könne auch ohne nekrophile oder sadistische Neigung vollzogen werden.
498
Mit Ausnahme der Spielsucht (pathologisches Spielen, ICD-10: F60.2) sei bei dem Angeklagten eine psychische Störung nicht zu erkennen. Die Spielsucht habe bei der Begehung der Tat allerdings keine Rolle gespielt, da die Tat nicht in einem Zusammenhang mit Geldproblemen oder Glückspiel gestanden habe.
499
Im Übrigen seien bei dem Angeklagten unter Berücksichtigung der Feststellungen zur Suchtanamnese auch nicht die Kriterien für die Diagnose einer Abhängigkeit von Alkohol oder eines schädlichen Gebrauchs von Alkohol erfüllt gewesen.
500
b) Zum anderen litt der Angeklagte, abgesehen von einer Alkoholintoxikation (siehe hierzu unter D. II. 6. c)), nicht an einer vorübergehenden psychischen Störung, die ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB erfüllt, insbesondere bestand bei dem Angeklagten bei der Begehung der Tat keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung im Sinne eines hochgradigen Affektzustandes. Dies folgt aus einer Gesamtwürdigung des Verhaltens des Angeklagten bei der Tat unter Berücksichtigung der Vorgeschichte, der Alkoholisierung und des Nachtatverhaltens. Der Angeklagte hat H1 nicht in einem Streit in einem Zustand der höchsten affektiven Erregung getötet, sondern hat die Tötung planvoll ausgeführt, indem er sich, zur Tötung entschlossen, mit einem Messer zu der Schlafenden in das Schlafzimmer begab und im Schlafzimmer mit dem Messer auf die Schlafende einwirkte, ohne dass hierbei sein seelisches Gefüge zerstört oder erschüttert gewesen wäre. Diesbezüglich hat sich der Sachverständige Prof. Dr. N1 unter Heranziehung der Kriterien von Saß (1985) und Marneros (2006) gegen das Vorliegen eines hochgradigen Affektzustandes ausgesprochen und hierbei insbesondere darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf das Nachtatverhalten des Angeklagten die charakteristischen Kriterien (Saß) einer Affektumkehr im Sinne von Affektaufbau und Affektabbau und einer schweren Erschütterung im Folgeverhalten mit einer Unterbrechung der Handlungskontinuität fehlten. Eine Affektumkehr könne sich im Nachtatverhalten zum Beispiel durch das Entfalten von Rettungsbemühungen, das Herbeirufen von Hilfe oder das Auftreten von Suizidalität zeigen, wohingegen bei dem Angeklagten im Nachtatverhalten das Bemühen um die Vertuschung der Tat und die Vorbereitung der Flucht im Vordergrund gestanden seien. Der Umstand, dass der Angeklagte noch in der Tatnacht mit den Fluchtvorbereitungen begonnen habe, indem er um 03:42 Uhr einen Goldbarren bestellt habe, spreche für eine erhaltene Handlungskontinuität im Folgeverhalten. Überdies fehle das charakteristische Kriterium (Saß) einer Einengung der Wahrnehmung; dies ergebe sich zum Beispiel daraus, dass der Angeklagte bei der Begehung der Tat die Details des Tatgeschehens wahrgenommen habe und später wiedergeben habe können, zum Beispiel den Umstand, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch sprechen habe wollen oder dass das Tatmesser eine Kerbe von einem Zahn davongetragen habe. Die fehlende Einengung der Wahrnehmung spreche für eine erhaltene Introspektionsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der Tat. Gegen das Vorliegen eines hochgradigen Affektzustandes spreche außerdem das charakteristische Kriterium (Saß) einer zustimmenden Kommentierung des Tatgeschehens, das sich hier der Ausführung des Geschlechtsverkehrs an der Leiche, um „der Letzte“ zu sein, der sie „fickt“, entnehmen lassen könne. Ferner ergäben sich bei dem Angeklagten keine Hinweise auf einen affektiven Erregungszustand im Sinne einer akuten Belastungsreaktion (Marneros), die bei einer plötzlichen Erschütterung des bisherigen Lebensentwurfs auftreten könne; der bisherige Lebensentwurf des Angeklagten sei jedoch bereits eine erhebliche Zeit vor der Tat durch die Trennung von H1 und die Beschränkung des Umgangs mit dem Sohn H2infrage gestellt gewesen; überdies sei das Nachtatverhalten des Angeklagten nicht mit einer akuten Belastungsreaktion zu vereinbaren, sondern spreche für eine erhaltene Handlungskontinuität. Den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. N1 schließt sich die Kammer aus eigener Überzeugung an. Im Übrigen ergibt sich das Fehlen einer Affektumkehr (Saß) bei dem Angeklagten auch aus der Schilderung des Angeklagten in einem Brief an den Verteidiger Prof. Dr. H2. P3 vom 02.01.2020, der nach der Übergabe durch den Verteidiger an die Kammer in der Hauptverhandlung verlesen worden ist und in dem der Angeklagte berichtet hat, dass er nach der Tat „voller Hass und Zorn“ auf H1 gewesen sei und dass er noch in „den ersten Tagen“ nach der Tat „einen unglaublichen Hass“ auf H1 gehabt habe und sie „mit jedem Schimpfwort“ belegt habe, das es gegeben habe.
501
c) Die Alkoholisierung des Angeklagten bei der Begehung der Tat hat nicht zu einer Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit oder der Steuerungsfähigkeit des Angeklagten geführt.
502
Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass eine Alkoholintoxikation (ICD-10: F10.0) das Eingangsmerkmal der krankhaften seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB erfüllen kann, wenn sie durch die Beeinträchtigung der Hirntätigkeit zu einer Intoxikationspsychose führt. Hierbei gibt es allerdings keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der Blutalkoholkonzentration in der Regel von einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit im Sinn des § 21 StGB auszugehen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1997, Az. 1 StR 511/95; Beschluss vom 29.05.2012, Az. 1 StR 59/12; Urteil vom 21.09.2022, Az. 6 StR 47/22). Zwar deutet bei Tötungsdelikten im Hinblick auf die erhöhte Hemmschwelle bei Angriffen auf das Leben eine Blutalkoholkonzentration ab 2,2 ‰ als gewichtiges Indiz auf eine erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit hin (vgl. BGH, Urteil vom 22.11.1990, Az. 4 StR 117/90; Beschluss vom 08.03.1995, Az. 2 StR 21/95; BGH, Urteil vom 29.04.1997, Az. 1 StR 511/95). Maßgeblich für die Beurteilung der Schuldfähigkeit ist jedoch eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 29.04.1997, Az. 1 StR 511/95; Beschluss vom 29.05.2012, Az. 1 StR 59/12). Dabei kommt es entscheidend auf die motivationale Steuerungsfähigkeit an, also die Fähigkeit, das eigene Handeln auch bei starken Wünschen und Bedürfnissen normgerecht zu kontrollieren und die Ausführung normwidriger Motivationen zu hemmen (vgl. BGH, Beschluss vom 12.05.2022, Az. 5 StR 99/22). Von Bedeutung sind deshalb diejenigen Umstände, die aussagekräftige Hinweise darauf geben können, ob das Hemmungsvermögen des Täters bei der Begehung der Tat erhalten geblieben ist oder nicht. Zudem ist zu beleuchten, ob eine Alkoholgewöhnung in einem solchen Maße vorliegt, welche das äußere Leistungsverhalten und die innere Steuerungsfähigkeit auseinanderfallen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 22.06.2021, Az. 2 StR 168/21).
503
Nach diesen Maßgaben ist die Kammer überzeugt, dass eine alkoholbedingte Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit oder Steuerungsfähigkeit des Angeklagten bei der Begehung der Tat nicht vorgelegen hat. Die Blutalkoholkonzentration des Angeklagten zur Tatzeit belief sich bei einer Berechnung zugunsten des Angeklagten (siehe hierzu unter D. II. 5.) unter der Annahme eines Trinkbeginns drei Stunden vor der Begehung der Tat auf einen maximalen Wert von 1,99 ‰ und lag mithin noch unter dem (indiziellen) Schwellenwert bei Tötungsdelikten von 2,2 ‰. Überdies haben sich bei der Betrachtung des Verhaltens des Angeklagten vor, während und nach der Tat keine Anhaltspunkte für eine alkoholbedingt Beeinträchtigung des Leistungsverhaltens ergeben. Diesbezüglich hat der Sachverständige Prof. Dr. N1 ausgeführt, dass das Verhalten des Angeklagten vor, während und nach der Tat unter Berücksichtigung der (feststellbaren) psychodiagnostischen Kriterien keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen im Sinne eines neurologischen, hirnorganischen oder affektiven Achsensyndroms erkennen habe lassen. Dabei hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass der Angeklagte bis zur Tat eine erhebliche Alkoholgewöhnung und Alkoholverträglichkeit entwickelt hat, ohne jedoch eine Alkoholabhängigkeit des Angeklagten anzunehmen. Er begann ab August 2016, in größerem Ausmaß Bier und Wodka zu trinken, und trank teilweise bis zu acht Flaschen Bier am Tag. Dennoch ergaben sich aus den Angaben des Bewährungshelfers und der Zeugen aus dem Umfeld des Angeklagten, die über das Verhalten des Angeklagten berichtet haben, in dem betreffenden Zeitraum keine Berichte über konkrete alkoholbedingte Ausfallerscheinungen des Angeklagten. Bei der Betrachtung des Leistungsverhaltens des Angeklagten haben sich keine Hinweise auf neurologische Ausfallerscheinungen im Sinne einer Beeinträchtigung von Feinmotorik, Gleichgewicht und Koordination ergeben, insbesondere war der Angeklagte bei der Begehung der Tat in der Lage, der H1 gezielt die Kehle durchzuschneiden und ihr in einem begrenzten Bereich des Körpers (Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und Oberarm- und Schulterregion) mit erheblicher Krafteinwirkung eine Vielzahl von Schnitt- und Stichverletzungen zuzufügen, ohne dass es hierbei, wie sich aus der Untersuchung der Matratze ergeben hat, zu einer Beschädigung der Matratze, zum Beispiel durch ein Danebenstechen, gekommen ist. Überdies haben sich keine Hinweise auf hirnorganische Ausfallerscheinungen im Sinne einer Beeinträchtigung von Bewusstsein, Denken und Wahrnehmung ergeben; der Angeklagte war in der Lage, bei der Begehung der Tat die Details des Tatgeschehens, zum Beispiel den Umstand, dass H1 nach dem Schnitt in den Hals noch sprechen wollte und das Tatmesser eine Kerbe von einem Zahn davontrug, wahrzunehmen und nach der Tat noch in der Tatnacht mit den Fluchtvorbereitungen zu beginnen, indem er bereits um 03:42 Uhr einen Goldbarren bestellte. Schließlich haben sich keine Hinweise auf affektive Ausfallerscheinungen, zum Beispiel im Sinne von Stimmungsschwankungen, ergeben; vielmehr spricht das Fehlen einer Affektumkehr für eine erhaltene Handlungskontinuität, die durch die Alkoholisierung des Angeklagten nicht beeinträchtigt war.
504
Der Angeklagte befand sich mithin trotz seiner Alkoholisierung, über eine alkoholbedingte leichte Enthemmung hinaus, nicht in einem Zustand, der im Sinne einer Intoxikationspsychose zu einer Verkennung der Realität oder zu einer Einschränkung der Hemmkräfte geführt hat. Seine Einsichtsfähigkeit bzw. seine Steuerungsfähigkeit war durch seine Alkoholisierung nicht beeinträchtigt.
505
d) Im Übrigen lässt die Verdachtsdiagnose eines psychovegetativen Erregungszustandes (ICD-10: R45.1), die der Hausarzt des Angeklagten, Dr. H6, am 12.09.2016 stellte und die zur Krankschreibung des Angeklagten von 12.09.2016 bis 30.09.2016 führte, nicht auf eine psychische Störung, die ein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB erfüllen könnte, bei der Begehung der Tat am 27.10.2016 schließen.
506
Der Hausarzt des Angeklagten, Dr. H6, der Facharzt für Allgemeinmedizin und Chirurgie mit Weiterbildung in psychosomatischer Grundversorgung und in Notfallmedizin ist, hat als Zeuge in der Hauptverhandlung berichtet, der Angeklagte habe ihn am 12.09.2016 in der Praxis aufgesucht und ihm, wie sich auch aus der Verlesung der Patientenkartei ergeben hat, geschildert, er habe für den 01.10.2016 einen „Rehatermin“ in S. bekommen, jedoch habe sich eine deutliche Verschlechterung seiner privaten Situation ergeben; seine Freundin habe ihn verlassen und ihn aus der Wohnung „geworfen“, er lebe nun bei seiner Mutter und schlafe auf einer einfachen Matratze; er habe ca. 15.000 € Schulden, sei unterhaltspflichtig und dürfe sein Kind nicht sehen; er habe ein „Kontaktverbot“ zur Exfreundin und zum Kind für „fünf Jahre“; er sei völlig zerstreut und könne nicht arbeiten. Er habe bei dem Angeklagten die „Verdachtsdiagnose“ eines „psychovegetativen Erregungszustandes“ im Sinne von ICD-10: R45.1 gestellt und den Angeklagten von 12.09.2016 bis 30.09.2016 krankgeschrieben. Ein Anlass, den Angeklagten zu einem anderen (Fach-)Arzt zu überweisen, habe aus seiner Sicht nicht bestanden. Nach dem 12.09.2016 habe sich der Angeklagte nicht mehr bei ihm vorgestellt.
507
Zur Diagnosestellung hat der Zeuge Dr. H6 ausgeführt, er stelle die Diagnose eines „psychovegetativen Erregungszustandes“ zum Beispiel in Fällen, in denen ein Patient einen Todesfall habe und angebe, nicht arbeiten zu können, der Patient jedoch keine Depression habe, sondern in der betreffenden Situation kurzfristig nicht in der Lage sei, eine Tätigkeit verantwortungsgerecht auszuüben; eine Krankschreibung könne in einem derartigen Fall für zwei, drei oder vier Wochen erfolgen, danach verlange die Krankenkasse eine andere Diagnose. Es handele sich bei einem „psychovegetativen Erregungszustand“ um eine leichte psychische Belastungssituation, ohne dass man medikamentös eingreifen müsse, da man davon ausgehen könne, dass relativ kurzfristig eine Besserung eintrete. Er habe die Diagnose als „Verdachtsdiagnose“ gestellt in der Erwartung, dass, wenn es dem Angeklagten längerfristig schlechter gehen würde, er sich erneut vorstellen würde und dass man dann die Diagnose vielleicht hinterfragen und vielleicht ändern müsse und ihn gegebenenfalls zu einem Spezialisten schicken müsse.
508
Zum Zustand des Angeklagten am 12.09.2016 hat der Zeuge Dr. H6 ausgeführt, der Angeklagte habe auf ihn stets den Eindruck eines „bemitleidenswerten“ jungen Mannes gemacht, der einer psychischen Zuwendung bedürfe. Es sei aber nicht so gewesen, dass der Angeklagte „handlungsunfähig“ gewesen sei, zum Beispiel in dem Sinne, dass man ihm nicht hätte zumuten können, zum Arbeitsamt zu gehen; grundsätzlich sei er „zu allem in der Lage“ gewesen. Als er sich am 12.09.2016 in der Praxis bei ihm vorgestellt habe, habe er nicht geweint, sei allerdings „bedrückt“ gewesen. Es sei für ihn belastend gewesen, dass seine Freundin sich von ihm getrennt habe und ihn aus der Wohnung „geworfen“ habe und er seinen Sohn nicht sehen habe dürfen, so dass er „auch noch“ diese Bindung verloren habe. Er sei aber nicht „völlig aufgelöst“ gewesen und sei nicht „in Selbstmitleid zerflossen“.
509
Zuvor habe ihn der Angeklagte, wie sich auch aus der Verlesung der Patientenkartei ergeben hat, am 04.07.2016 aufgesucht, da er die Bewährungsweisung erhalten habe, eine Spielsuchttherapie zu absolvieren. In einem Befundbericht zu einem Antrag auf Leistungen zur Rehabilitation (Spielsuchttherapie) vom 05.07.2016 habe er, wie sich auch aus der Verlesung des Befundberichts ergeben hat, vermerkt, dass sich die „Funktionsbeeinträchtigungen“ im Zusammenhang mit der Spielsucht des Angeklagten seit ca. einem Jahr nach der Geburt seines Sohnes „gebessert“ hätten. Als der Angeklagte dann ca. zwei Monate später, am 12.09.2016, erneut in die Praxis gekommen sei, sei „alles weg“ gewesen und ihm sei „der Boden unter den Füßen weggezogen“ worden; in der Situation habe er erst einmal „gar nichts mehr“ gehabt und habe sich auf seine Spielsuchttherapie, die er letztlich nicht angetreten hat, konzentrieren müssen.
510
Der Zeuge Dr. H6 hat weiter ausgeführt, er habe die Situation am 12.09.2016 so beurteilt, dass bei dem Angeklagten ein zeitlich begrenzter psychisch leicht belastender Zustand vorgelegen habe, der ihn nicht befähigt habe, bis zum Therapiebeginn zu arbeiten; er sei jedoch aus der Erfahrung davon ausgegangen, dass die Belastungssituation vorübergehend sei. Bei der Diagnosestellung gehe er nicht schematisch im Sinne eines „Abklopfens“ oder „Abhakens“ von Diagnosekriterien vor, sondern erarbeite die Diagnose im Gespräch mit dem Patienten unter Berücksichtigung seines Eindrucks und seines Gefühls. Er habe keine Anhaltspunkte gehabt, die ihn veranlasst hätten, am geistigen Gesundheitszustand des Angeklagten zu zweifeln; ihm seien keine Merkwürdigkeiten an dem Angeklagten aufgefallen. Der Angeklagte sei niedergeschlagen gewesen, er habe aber nicht den Eindruck gehabt, dass der Angeklagte „etwas macht“, d.h. sich oder einem anderen etwas antun könnte; falls er den Eindruck gehabt hätte, hätte er sich insofern eine Notiz gemacht.
511
Diesbezüglich hat der Sachverständige Dr. R7 allgemein ausgeführt, dass es sich bei einem psychovegetativen Erregungszustand (ICD-10: R45.1) nicht um eine psychiatrische Diagnose handele, sondern um eine Befindlichkeitsstörung in einer belastenden Lebenssituation, ohne dass die Kriterien einer depressiven Episode oder einer Depression erfüllt seien. Die Betroffenen fühlten sich niedergeschlagen und zeigten vegetative Symptome, zum Beispiel innere Unruhe, erhöhten Blutdruck, erhöhten Puls, Schwitzen und Nervosität. Ein psychovegetativer Erregungszustand (ICD-10: R45.1) erfülle für sich allein kein Eingangsmerkmal im Sinne des § 20 StGB und habe keinen Einfluss auf die Einsichtsfähigkeit oder die Steuerungsfähigkeit des Betroffenen.
512
Daneben hat der Sachverständige Prof. Dr. N1 ausgeführt, dass aus der Verdachtsdiagnose eines psychovegetativen Erregungszustandes (ICD-10: R45.1) am 12.09.2016 nicht auf eine psychische Störung im Sinne eines Eingangsmerkmals des § 20 StGB zur Tatzeit am 27.10.2016 geschlossen werden könne. Es handele sich bei einem psychovegetativen Erregungszustand (ICD-10: R45.1) um einen vorübergehenden Zustand im Sinne einer Befindlichkeitsstörung, die üblicherweise nach ca. zwei Wochen abgeklungen sei, es sei denn, dass sie erneut diagnostiziert werde; die Befindlichkeitsstörung könne sich im Einzelfall auch über zwei Wochen hinaus hinziehen, dies lasse sich hier jedoch lediglich im Sinne einer Hypothese, die sich nicht belegen lasse, mutmaßen, da sich der Angeklagte nach dem 12.09.2016 nicht erneut bei seinem Hausarzt vorgestellt habe.
513
Selbst unter der Annahme der Hypothese, dass der Zustand über die Dauer der Krankschreibung hinaus fortbestanden hätte, fänden sich keine Hinweise, dass die Befindlichkeitsstörung einen Schweregrad erreicht habe, der eine forensische Relevanz haben könnte. Zwar sei es möglich, dass Einschränkungen in der Emotionsregulation, der Schwingungsfähigkeit und der Teilnahme am Leben fortbestanden hätten, dies führe jedoch nicht ohne Weiteres zu einem pathologischen Zustand, der eine psychiatrische Behandlung erforderlich machen würde; dementsprechend habe der Hausarzt des Angeklagten keinen Anlass für eine Überweisung zu einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie gesehen. Es handele sich bei der durch den Hausarzt festgestellten Symptomatik um eine nachvollziehbare Reaktion eines Menschen auf eine schwierige Situation, die jedoch nicht ohne Weiteres zu krankhaften psychischen Veränderungen in Bezug auf das Denken, Fühlen und Wollen des Betroffenen führe. Überdies sei der Leidensdruck des Betroffenen auch daran zu messen, welche ärztlichen Leistungen er in Anspruch nehme; vorliegend habe sich der Angeklagte jedoch nach dem 12.09.2016 nicht erneut bei seinem Hausarzt vorgestellt; dies deute darauf hin, dass der Leidensdruck des Angeklagten nach dem Ende der Krankschreibung nicht mehr in gleicher Weise fortbestanden habe.
7. Feststellungen zum Motiv
514
Die Feststellungen unter C.VII. zum Motiv des Angeklagten ergeben sich aus einer Gesamtschau seiner Persönlichkeit, der Beziehungsgeschichte, der Tatsituation und des Nachtatverhaltens, insbesondere aus seinen Chatnachrichten vom 18.10.2016, in denen er seine Sicht der Situation dargestellt hat.
515
Der Angeklagte hat sich nach den getroffenen Feststellungen des Mordes gemäß § 211 Abs. 2 StGB schuldig gemacht, indem er H1 absichtlich heimtückisch getötet hat. Sonstige Mordmerkmale sind nicht erfüllt, insbesondere nicht die Mordmerkmale der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, der Tötung aus Habgier, der Tötung aus sonst niedrigen Beweggründen oder der grausamen Tötung.
516
Der Angeklagte hat durch seine Tat das Mordmerkmal der heimtückischen Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB erfüllt.
517
Heimtückisch handelt nach ständiger Rechtsprechung, wer eine zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tat ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.1952, Az. 1 StR 485/51; Beschluss vom 02.12.1957, Az. GSSt 3/57; Urteil vom 16.02.2005, Az. 5 StR 14/04; Beschluss vom 10.01.2006, Az. 5 StR 341/05); maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs, d.h. bei Eintritt der Tat in das Versuchsstadium (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2002, Az. 5 StR 139/02; Urteil vom 29.11.2007, Az. 4 StR 425/07; Urteil vom 30.08.2012, Az. 4 StR 84/12; Urteil vom 11.03.2021, Az. 3 StR 316/20). Arglosigkeit ist gegeben, wenn sich das Opfer zum Zeitpunkt der Tat eines Angriffs auf seine körperliche Unversehrtheit nicht versieht (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.1996, Az. 4 StR 150/96; Beschluss vom 30.10.1996, Az. 2 StR 405/96; Urteil vom 03.09.2015, Az. 3 StR 242/15). Der in der Heimtücke zum Ausdruck kommende Unrechtsgehalt liegt darin, dass der Mörder sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.1993, Az. 5 StR 473/93; Urteil vom 30.05.1996, Az. 4 StR 150/96). Die Überraschung des Opfers entfällt, wenn es einen Angriff des Täters für möglich hält; seine Arglosigkeit kann insbesondere dann beseitigt sein, wenn der Tat eine offene Auseinandersetzung mit feindseligem Verhalten des Täters vorangegangen ist (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1977, Az. 2 StR 452/77; Urteil vom 30.05.1996, Az. 4 StR 150/96). Wehrlosigkeit ist gegeben, wenn dem Opfer infolge seiner Arglosigkeit die natürliche Abwehrbereitschaft und -fähigkeit fehlt oder stark eingeschränkt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 29.04.1997, Az. 4 StR 158/97; Beschluss vom 11.09.2007, Az. 1 StR 273/07; Beschluss vom 19.06.2008, Az. 1 StR 217/08).
518
Der Schlafende ist in der Regel arglos, wenn er einschläft, denn er überlässt sich dem Schlaf im Vertrauen darauf, das ihm nichts geschehen werde; in diesem Vertrauen überliefert er sich der Wehrlosigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1969, Az. 3 StR 90/69; Urteil vom 04.07.1984, Az. 3 StR 199/84; Urteil vom 25.03.2003, Az. 1 StR 483/02; Urteil vom 04.12.2003, Az. 5 StR 457/03; Urteil vom 10.03.2006, Az. 2 StR 561/05; Urteil vom 10.05.2007, Az. 4 StR 11/07). Wer sich arglos zum Schlafen niederlegt, nimmt die Arglosigkeit mit in den Schlaf; sie begleitet ihn, auch wenn er sich ihrer nicht mehr bewusst ist; er sieht von besonderen Sicherungsmaßnahmen für die Zeit seines Schlafes ab, weil er demjenigen vertraut, der seinen Schlafraum teilt oder Zutritt zu ihm hat (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1969, Az. 3 StR 90/69; Urteil vom 04.07.1984, Az. 3 StR 199/84; Urteil vom 25.03.2003, Az. 1 StR 483/02; Urteil vom 10.03.2006, Az. 2 StR 561/05). Das besonders Gefährliche und Tückische, das den Täter einer lebenslangen Freiheitsstrafe aussetzt, liegt darin, dass er sein Opfer in einer hilflosen Lage überrascht und es dadurch hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1969, Az. 3 StR 90/69; Urteil vom 10.03.2006, Az. 2 StR 561/05).
519
In subjektiver Hinsicht setzt das Mordmerkmal der Heimtücke nicht nur voraus, dass der Täter die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers erkennt; erforderlich ist außerdem, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zur Tatbegehung ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 24.09.2014, Az. 2 StR 160/14; Beschluss vom 16.05.2018, Az. 1 StR 123/18; Beschluss vom 16.08.2018, Az. 1 StR 370/18). Dafür genügt es, wenn er die die Heimtücke begründenden Umstände nicht nur in einer äußerlichen Weise wahrgenommen, sondern in dem Sinne in ihrer Bedeutung für die Tatbegehung erfasst hat, dass ihm bewusst geworden ist, einen durch seine Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2017, Az. 2 StR 10/17; Beschluss vom 16.05.2018, Az. 1 StR 123/18; Beschluss vom 16.08.2018, Az. 1 StR 370/18; Urteil vom 22.05.2019, Az. 2 StR 530/18, Urteil vom 09.10.2019, Az. 5 StR 299/19; Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 StR 445/21). Das Ausnutzungsbewusstsein kann bereits dem objektiven Bild des Geschehens entnommen werden, wenn dessen gedankliche Erfassung durch den Täter auf der Hand liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.2013, Az. 2 StR 5/13; Urteil vom 15.11.2017, Az. 5 StR 338/17; Beschluss vom 16.05.2018, Az. 1 StR 123/18; Urteil vom 04.07.2018, Az. 5 StR 580/17; Beschluss vom 16.08.2018, Az. 1 StR 370/18; Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 StR 445/21). Das gilt in objektiv klaren Fällen bei einem psychisch normal disponierten Täter selbst dann, wenn er die Tat einer raschen Eingebung folgend begangen hat (vgl. BGH, Urteil vom 31.07.2014, Az. 4 StR 147/14; Urteil vom 29.01.2015, Az. 4 StR 433/14; Beschluss vom 16.08.2018, Az. 1 StR 370/18; Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 StR 445/21). Denn bei erhaltener Unrechtseinsicht ist die Fähigkeit des Täters, die Tatsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für das Opfer realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, im Regelfall nicht beeinträchtigt (vgl. BGH, Urteil vom 27.02.2008, Az. 2 StR 603/07; Urteil vom 31.07.2014, Az. 4 StR 147/14; Urteil vom 15.11.2017, Az. 5 StR 338/17; Beschluss vom 16.05.2018, Az. 1 StR 123/18; Beschluss vom 16.08.2018, Az. 1 StR 370/18; Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 StR 445/21). Wer ein Opfer tötet, das, wie er bemerkt oder auch nur für möglich hält, schläft, weiß selbstverständlich um die aus dem wahrgenommenen Zustand folgende Arglosigkeit und die hierdurch bedingte Wehrlosigkeit des Opfers, die er mit Vornahme der konkreten Tötungshandlung in der erkannten Situation seines Opfers bewusst ausnutzt (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2003, Az. 5 StR 457/03).
520
Nach diesen Maßgaben ist das Mordmerkmal der Heimtücke in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllt, da der Angeklagte nach den getroffenen Feststellungen die zum Zeitpunkt des Angriffs bestehende Arg- und Wehrlosigkeit der H1 bewusst zur Tat ausgenutzt hat. Die Kammer ist überzeugt, dass H1 schlief, als der Angeklagte mit der Tötungshandlung begonnen und ihr mit dem Messer in den Hals geschnitten hat. Dass sie hierbei aus dem Schlaf erwachte und sich zu wehren versuchte, steht der Heimtücke nicht entgegen, da es für die Beurteilung der Tötung als heimtückisch allein auf die Lage des Opfers bei Beginn der Tötungshandlung ankommt. H1 war arglos, als sie sich nach der Beendigung des Chats mit T1 um 00:17 Uhr zum Schlafen niedergelegt hat. Sie überließ sich dem Schlaf in dem Vertrauen, dass ihr im Schlaf nichts geschehen werde, insbesondere vertraute sie darauf, dass ihr der Angeklagte im Schlaf nichts antun werde. Seit dem Wiedereinzug des Angeklagten in die Wohnung teilte sie mit ihm das Schlafzimmer, in das sie ihm zu jeder Zeit den Zutritt gestattete, ohne Sicherungsmaßnahmen zu treffen. So konnte der Angeklagte zum Beispiel am 17.10.2016 um 04:19 Uhr zwei Fotos von ihr machen, als sie schlafend im Bett lag. Die in der Vergangenheit stattgefundenen Streitigkeiten und Auseinandersetzungen beeinträchtigten ihr Vertrauen in den Angeklagten nicht, zumal sie seit dem Wiedereinzug eine Besserung seines Verhaltens wahrgenommen hatte. Hätte sie ein Misstrauen gegen den Angeklagten gehegt und sich im Schlaf nicht sicher gefühlt, so würden Sicherungsmaßnahmen schon deshalb zu erwarten gewesen sein, da auch der Sohn H2im Schlafzimmer schlief. Mit Feindseligkeiten des Angeklagten im Schlaf rechnete sie jedoch nicht und es gab auch in der Tatnacht keinen Anlass für einen Argwohn gegen den Angeklagten. Denn dass es am Abend des 26.10.2016 oder in der Nacht auf den 27.10.2016 zwischen dem Angeklagten und H1 eine Streitigkeit oder eine Auseinandersetzung gegeben hätte, hat die Kammer entgegen der Einlassung des Angeklagten nicht feststellen können und es bestand hierfür auch kein Anhaltspunkt. So ging sie im Chat mit T1 am 26./27.10.2016, in dessen Verlauf ein Streit mit dem Angeklagten nicht im Ansatz erwähnt ist, noch am 26.10.2016 um 23:51 Uhr davon aus, dass der Angeklagte am Freitag, den 28.10.2016, während sie sich mit T1 treffen würde, auf den Sohn H2aufpassen werde. H1 nahm, als sie sich zum Schlafen niederlegte, die Arglosigkeit mit in den Schlaf und überlieferte sich im Schlaf der Wehrlosigkeit. Sie wurde durch den Angriff des Angeklagten in einer hilflosen Lage überrascht und konnte daher dem Anschlag auf ihr Leben keinen erheblichen Widerstand entgegensetzen.
521
Der Angeklagte hat die Arg- und Wehrlosigkeit der H1 nicht nur erkannt, sondern auch bewusst zur Tatbegehung ausgenutzt. Er hat nach den getroffenen Feststellungen, spätestens als er das Schlafzimmer betreten hat und an die schlafende H1 herangetreten ist, bemerkt, dass H1 schlief. Zuvor hatte er H1 bereits am 17.10.2016, 18.10.2016 und 19.10.2016 im Schlaf beobachtet und die Situationen mit seinem Handy fotografisch festgehalten; insbesondere hatte er die äußere Tatsituation, die er in der Tatnacht vorgefunden hat, bereits am 17.10.2016 um 04:19 Uhr antizipiert, als H1 schlafend im Bett lag und er sie mit dem Handy fotografierte. Seine Fähigkeit, die Schlafsituation in ihrem Bedeutungsgehalt für H1 realistisch wahrzunehmen und einzuschätzen, war weder durch seinen Alkoholkonsum noch durch eine psychische Störung beeinträchtigt. Da er erkannt hatte, dass H1 schlief, wusste er, dass sie einem überraschenden Angriff ahnungslos und schutzlos ausgeliefert sein würde. Die gedankliche Erfassung der Arg- und Wehrlosigkeit der H1 durch den Angeklagten lag infolge der Wahrnehmung der Schlafsituation auf der Hand. Indem er der schlafenden H1 mit dem Messer die Kehle durchschnitt, hat er ihre Arg- und Wehrlosigkeit bewusst zur Tötung ausgenutzt.
522
Im Übrigen hat die Kammer bedacht, dass das Vorliegen von Heimtücke in Fällen zweifelhaft sein kann, in denen das Opfer gegen seinen Willen vom Schlaf übermannt wird (vgl. BGH, Urteil vom 08.10.1969, Az. 3 StR 90/69) oder es aufgrund sonstiger Umstände, d.h. nicht wegen seiner Arglosigkeit, nicht in der Lage ist, die Absicht des Täters zu erkennen und dem Angriff wirksam entgegenzutreten (vgl. BGH, Beschluss vom 29.04.1997, Az. 4 StR 158/97), jedoch bestanden für einen solchen Ausnahmefall keine Anhaltspunkte, insbesondere hat H1 den Chat mit T1 um 00:17 Uhr bewusst mit einer Verabschiedung beendet und bestanden keine Hinweise auf eine Alkoholisierung oder eine Erkrankung der H1.
II. Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs
523
Dagegen ist das Mordmerkmal der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
524
Zur Befriedigung des Geschlechtstriebs tötet, wer das Töten als Mittel zur geschlechtlichen Befriedigung benutzt. Das ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall, wenn der Täter schon in der Tötungshandlung geschlechtliche Befriedigung sucht (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1955, Az. 3 StR 163/55; Urteil vom 17.09.1963, Az. 1 StR 301/63), wenn der Täter den Tod des Opfers als Folge der Gewaltanwendung bei oder nach der Erzwingung des Geschlechtsverkehrs anstrebt oder billigend in Kauf nimmt (vgl. BGH, Urteil vom 17.09.1963, Az. 1 StR 301/63; Urteil vom 28.01.1992, Az. 5 StR 491/91) oder wenn der Täter das Opfer tötet, um seine Geschlechtslust an der Leiche zu befriedigen (vgl. BGH, Urteil vom 08.06.1955, Az. 3 StR 163/55; Urteil vom 29.07.1982, Az. 4 StR 279/82). Die Erfüllung des Mordmerkmals setzt voraus, dass der Täter im Augenblick des Tatentschlusses und der Tötungshandlung von sexuellen Motiven geleitet ist (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.1982, Az. 4 StR 279/82; Beschluss vom 10.05.2001, Az. 4 StR 52/01). Wenn das Tatgeschehen entscheidend dadurch geprägt ist, dass der Angeklagte die maßgeblichen Ursachen für den Tod des Opfers gesetzt hat, bevor ihn das Bedürfnis nach sexueller Betätigung und Befriedigung überkommt, ist das Mordmerkmal nicht erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 10.05.2001, Az. 4 StR 52/01).
525
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer das Mordmerkmal der Tötung zur Befriedigung des Geschlechtstriebs nicht feststellen können. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte nach der Tötung der H1 die Leiche entkleidet und an der Leiche den Geschlechtsverkehr ausgeführt hat. Indessen hat die Kammer nicht feststellen können, dass er bereits zum Zeitpunkt des Tatentschlusses bzw. der Tötungshandlung von dem Motiv geleitet gewesen ist, nach der Tötung der H1 seine Geschlechtslust an der Leiche zu befriedigen. Das Geschehen lässt nach den getroffenen Feststellungen bis zum Tod der H1 keinen Sexualbezug erkennen. Überdies hat sich eine Störung der Sexualpräferenz im Sinne einer Nekrophilie oder eines Sadismus bei dem Angeklagten nicht feststellen lassen. Es liegt deshalb nicht fern, dass H1 bereits tot war, bevor ihn das Bedürfnis nach sexueller Betätigung und Befriedigung im Sinne einer Machtdemonstration („der Letzte sein“) überkommen hat.
526
Ferner ist das Mordmerkmal der Tötung aus Habgier im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
527
Ein Täter handelt nach ständiger Rechtsprechung aus Habgier, wenn sich die Tat als Folge eines noch über die bloße Gewinnsucht hinaus gesteigerten abstoßenden Gewinnstrebens um jeden Preis darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2003, Az. 5 StR 223/02; Beschluss vom 07.12.2000, Az. 1 StR 414/00; Urteil vom 02.03.1995, Az 1 StR 595/94; Urteil vom 02.09.1980, Az. 1 StR 434/80). Auf die Größe des Vermögensvorteils kommt es dabei grundsätzlich nicht an (vgl. Fischer, StGB, 69. Auflage 2022, § 211 Rn. 10), überdies muss eine dauerhafte Bereicherung nicht angestrebt werden (vgl. BGH, Urteil vom 02.09.1980, Az. 1 StR 434/80). Das Ziel der Bereicherung muss nicht erreicht werden, sondern es genügt bereits die hierauf gerichtete Absicht des Täters (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.1993, Az. 1 StR 49/93). Das Gewinnstreben braucht nicht das einzige Motiv des Täters sein, es muss jedoch tatbeherrschend und bewusstseinsdominant sein (vgl. BGH, Urteil vom 12.01.2005, Az. 2 StR 229/04; Urteil vom 10.03.1999, Az. 3 StR 1/99; Urteil vom 15.11.1996, Az. 3 StR 79/96; Urteil vom 02.03.1995, Az. 1 StR 595/94; Urteil vom 02.09.1980, Az. 1 StR 334/80); in Fällen eines Motivbündels muss das Motiv der Gewinnerzielung im Vordergrund stehen (vgl. BGH, Beschluss vom 07.12.2000, Az. 1 StR 414/00; Beschluss vom 04.10.1988, Az. 4 StR 475/88; Urteil vom 22.01.1981, 4 StR 480/80; Beschluss vom 04.10.1988, Az. 4 StR 475/88; Urteil vom 02.03.1995, Az. 1 StR 595/94).
528
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer das Mordmerkmal der Tötung aus Habgier nicht feststellen können. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte nach der Tötung der H1, beginnend am 27.10.2016 um 03:42 Uhr, Gold- und Warenbestellungen, Geldtransaktionen und eine Geldabhebung unter Belastung desPP.- bzw. Bankkontos der H1 getätigt hat. Daraus lässt sich jedoch nicht der Schluss ziehen, dass er sie tötete, um sich im Sinne eines Gewinnstrebens auf ihre Kosten zu bereichern. Vielmehr handelte es sich um Beschaffungsmaßnahmen zur Vorbereitung der Flucht in das Ausland.
IV. Tötung aus sonst niedrigen Beweggründen
529
Überdies ist das Mordmerkmal der Tötung aus sonst niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
530
Niedrige Beweggründe liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn die Motive einer Tötung nach allgemeiner sittlicher Anschauung verachtenswert sind und auf tiefster Stufe stehen, d.h. wenn die Beweggründe für die Tat in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag verachtenswert erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1987, Az. 2 StR 559/87; Urteil vom 18.10.1995, Az. 2 StR 341/95; Urteil vom 11.01.2000, Az. 1 StR 505/99; Urteil vom 02.02.2000, Az. 2 StR 550/99; Urteil vom 03.09.2002, Az. 5 StR 139/02; Urteil vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13; Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 422/18; Urteil vom 28.11.2018, Az. 5 StR 379/18). Die Beurteilung erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren; hierbei sind insbesondere das Verhältnis zwischen Anlass und Tat, die Vorgeschichte der Tat, eine den Täter oder das Opfer treffende Verantwortung an einer Konflikteskalation und das unmittelbar vorherrschende Tatmotiv im Zusammenhang mit sonstigen Beweggründen, Handlungsantrieben und Einstellungen des Täters gegenüber der Person und dem Lebensrecht des Opfers zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 17.04.2007, Az. 5 StR 548/06; Urteil vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13; Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 422/18; Urteil vom 28.11.2018, Az. 5 StR 379/18; Beschluss vom 12.09.2019, Az. 5 StR 399/19; Urteil vom 11.05.2022, Az. 2 StR 445/21). Bei normalpsychologischen Tatantrieben hängt die Einordnung der Beweggründe als niedrig davon ab, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 30.08.2012, Az. 4 StR 84/12; Urteil vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13; Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 422/18; Urteil vom 28.11.2018, Az. 5 StR 379/18); das ist beispielsweise der Fall, wenn die tatmotivierende Gefühlsregung jedes nachvollziehbaren Grundes entbehrt (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2000, Az. 4 StR 499/00; Urteil vom 28.01.2003, Az. 5 StR 310/02; Urteil vom 01.03.2012, Az. 3 StR 425/11). Die Tötung des Intimpartners, der sich vom Täter abwenden will oder abgewandt hat, muss nicht zwangsläufig als durch niedrige Beweggründe motiviert bewertet werden (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.2005, Az. 4 StR 243/05; Beschluss vom 24.10.2018, Az. 1 StR 422/18); nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegen diese zum Beispiel nicht vor, wenn Gefühle der Verzweiflung und Ausweglosigkeit bestimmend sind (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2003, Az. 3 StR 149/03; Urteil vom 09.09.2003, Az. 1 StR 153/03; Beschluss vom 10.09.2003, Az. 5 StR 373/03; Urteil vom 19.06.2008, Az. 4 StR 105/08; Urteil vom 23.08.2006, Az. 1 StR 266/06; Urteil vom 22.03.2017, Az. 2 StR 656/13); dies kann insbesondere der Fall sein bei der Enttäuschung des Täters über ein subjektiv als demütigend empfundenes Verlassenwerden (vgl. BGH, Urteil vom 09.09.2003, Az. 5 StR 126/03; Beschluss vom 22.01.2004, Az. 4 StR 319/03; Urteil vom 25.07.2006, Az. 5 StR 97/06; Beschluss vom 07.05.2019, Az. 1 StR 150/19). In subjektiver Hinsicht müssen dem Täter die der Bewertung als „niedrig“ zugrunde liegenden Umstände bekannt und die Beurteilung als sittlich besonders anstößig seiner Einsicht zugänglich gewesen sein (vgl. BGH, Beschluss vom 10.09.2003, Az. 5 StR 373/03; Beschluss vom 14.04.2004, Az. 4 StR 577/03); er muss seine gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern können (vgl. BGH, Urteil vom 19.10.2001, Az. 2 StR 259/01; Beschluss vom 14.04.2004, Az. 4 StR 577/03; Urteil vom 25.09.2019, Az. 5 StR 222/19).
531
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer das Mordmerkmal der Tötung aus sonst niedrigen Beweggründen nicht feststellen können. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte, geleitet von Gefühlen der Eifersucht, Kränkung und Machtlosigkeit, H1 tötete, weil er es nicht ertragen wollte, dass sie sich T1 zugewandt hatte, dass sie einer Familie mit ihm und dem Sohn H2keine Chance mehr geben wollte und dass er in Zukunft in Bezug auf den Umgang mit dem Sohn H2auf ihr Wohlwollen angewiesen sein würde. Ihr Tod sollte eine Beziehung von ihr und T1 verhindern und es ihm ermöglichen, den Sohn H2für sich zu behalten und mit ihm ein Leben im Ausland zu führen. Obwohl die Beziehung zwischen dem Angeklagten und H1 fast von Beginn an problem- und konfliktbehaftet und durch Streitigkeiten und häusliche Gewalt belastet war und der Angeklagte, dessen Bemühungen zur Aufnahme einer Arbeit und zur Überwindung seiner Spielsucht halbherzig geblieben waren, selbst erheblich zu dem Entschluss der H1, sich von ihm zu lösen, beigetragen hatte, war er nicht bereit, seinen Anteil am Scheitern der Beziehung anzuerkennen und die Entscheidung der H1 hinzunehmen. Um den Verlust seiner „Traumfrau“, die er einem anderen Mann nicht gönnte, und den Verlust „seiner“ Familie, dem er sich machtlos gegenübersah, auszugleichen, sprach er H1 das Lebensrecht ab. Zugleich hat die Kammer jedoch berücksichtigt, dass das Verhalten der H1 nach dem Wiedereinzug des Angeklagten und der neuerlichen Beendigung der Beziehung, die sie ihm bereits nach vier oder fünf Tagen erklärt hatte, ambivalent blieb und bei dem Angeklagten ein Wechselbad der Gefühle zwischen Hoffnung und Verzweiflung auslöste. Zwar lehnte sie seine Annäherungsversuche im Sinne von Streicheln und Küssen ab und verhehlte ihm nicht das Empfinden, das sie in Bezug auf T1 hegte. Jedoch gestattete sie ihm auf sein Bitten hin bis Mitte Oktober 2016 trotz des Beziehungsendes vier oder fünf Mal den Geschlechtsverkehr, lobte seine Veränderung zum Besseren und ließ Zweifel am Fortbestand ihres Trennungsvorhabens erkennen, indem sie ihm ihr Schwanken zwischen ihm und T1 und ihr Mitleid mit ihm offenbarte. Ihrem Verhalten und ihren Worten konnte er Signale entnehmen, die Anlass gaben, neue Hoffnung zu schöpfen, die dann jedoch, als sich H1 für T1 entschieden hatte, bitter enttäuscht wurde. In der Gesamtschau können die Gefühlsregungen, die den Angeklagten, der damals 22 Jahre alt und emotional noch nicht gefestigt war, zur Tat motiviert haben und die als normalpsychologische Tatantriebe einer menschlichen Nachvollziehbarkeit nicht entbehren und auch keinen Schluss auf eine niedrige Gesinnung zulassen, nach der Überzeugung der Kammer noch nicht als auf tiefster Stufe stehend bewertet werden.
532
Schließlich ist das Mordmerkmal der grausamen Tötung nach den getroffenen Feststellungen nicht erfüllt.
533
Grausam tötet nach ständiger Rechtsprechung, wer seinem Opfer im Rahmen der Tötungshandlung in gefühlloser und unbarmherziger Gesinnung Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke und Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 08.09.2005, Az. 1 StR 159/05; Beschluss vom 21.06.2007, Az. 3 StR 180/07; Urteil vom 15.08.2019, Az. 5 StR 236/19). Dabei kommt es in objektiver Hinsicht nicht darauf an, ob ein durchschnittlicher Beobachter der Tat Grauen und Abscheu empfindet, da dies bei jeder Tötung möglich ist und noch keine Tötungshandlung charakterisiert, die schwerstes Unrecht und größte Schuld einschließt; stattdessen erfordert das Mordmerkmal der Grausamkeit eine über die „bloße“ Tötung hinausgehende Leidenszufügung gegenüber dem Opfer. In subjektiver Hinsicht muss die Grausamkeit vom Tötungsvorsatz des Täters umfasst sein, d.h. der Täter muss die Umstände, aus denen sich die besonderen Leiden des Opfers ergeben, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen, kennen und wollen; überdies muss die Tat von einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung getragen sein; das äußere Tatbild allein genügt zur Beurteilung nicht (vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1952, Az. 1 StR 243/52; Urteil vom 27.05.1982, Az. 4 StR 200/82; Urteil vom 11.05.1988, Az. 3 StR 89/88; Urteil vom 26.06.1997, Az. 4 StR 180/97; Beschluss vom 13.03.2007, Az. 5 StR 320/06).
534
Nach diesen Maßgaben hat die Kammer das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht feststellen können. Dabei hat die Kammer in den Blick genommen, dass der Angeklagte H1 durch Zufügung einer Vielzahl von Schnitt- und Stichverletzungen im Kopf-, Gesichts- und Halsbereich und in der Oberarm- und Schulterregion getötet hat, die sich bei nachträglicher Betrachtung als überschießend darstellen, da für die Tötung das Durchschneiden der Kehle, das unter anderem zu einer Durchsetzung der Halsvenen und der Kopfschlagadern geführt hatte, ausgereicht hätte. Gleichwohl hat der Angeklagte nach dem Durchschneiden der Kehle mit voller Wucht auf H1 eingestochen, wobei er ihr bei einem Stich in das Gesicht durch die Wange zwei Zahnkronen absprengte. Die Verletzungen haben nicht zu einer sofortigen Bewusstlosigkeit geführt, so dass H1, aus dem Schlaf erwacht, den Todeskampf in demselben Raum, in dem sich ihr Sohn H2befand, bis zum Eintreten der Bewusstlosigkeit miterlebt hat, wobei sie versuchte, zu sprechen und sich zu wehren, was ihr jedoch nicht gelang. Dessen eingedenk hat die Kammer in objektiver Hinsicht, unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P2, übermäßige Schmerzen oder Qualen der H1, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen, jedoch nicht mit der gebotenen Sicherheit feststellen können. Ein Auftreffen der Schnitte und Stiche auf Körperstellen, die besonders schmerzempfindlich sind, ist nicht belegt. Eine erhebliche Bluteinatmung hat, über mutmaßliche Bluteinatmungsbezirke im oberen Bereich des linken Lungenunterlappens hinaus, nicht vorgelegen. Überdies hat die Kammer nicht feststellen können, dass der Angeklagte H1 in subjektiver Hinsicht aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung Schmerzen oder Qualen hat zufügen wollen, die über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgegangen sind, d.h. sie mehr hat leiden lassen wollen, als dies für die Tötung mit einem Messer notwendig gewesen ist. Er hat bereits bei den Schnitten in den Hals mit Tötungsvorsatz gehandelt und dabei ein für eine sofortige Tötung geeignetes Messer eingesetzt. Es liegt nicht fern, dass ihn das Erwachen der H1 veranlasst hat, mit dem Messer auf sie einzustechen, um die Tötung schnell zu Ende zu bringen; dass die nicht unmittelbar tödlichen Messerstiche das Ziel der Tötung überschritten haben, kann ihm deshalb nicht als Grausamkeit zur Last gelegt werden. Für einen Willen des Angeklagten, das Tötungsgeschehen in die Länge zu ziehen, haben sich keine Anhaltspunkte gefunden.
535
Der Angeklagte war als Mörder gemäß § 211 Abs. 1 StGB mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. Die Strafe war mangels Vorliegens eines gesetzlichen Strafmilderungsgrundes nicht gemäß § 49 StGB zu mildern, insbesondere ist der Angeklagte für die begangene Tat uneingeschränkt strafrechtlich verantwortlich. Eine Ausnahme von der absoluten Strafe des § 211 Abs. 1 StGB im Wege der sog. Rechtsfolgenlösung (vgl. BGH, Beschluss vom 19.05.1981, Az. GSSt 1/81; Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 211 Rn. 101 ff.) kam nicht in Betracht.
II. Besondere Schwere der Schuld
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Die besondere Schwere der Schuld im Sinne von § 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB war nach einer zusammenfassenden Würdigung von Tat und Täterpersönlichkeit nicht festzustellen. Die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld kommt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann in Betracht, wenn Umstände von besonderem Gewicht vorliegen, aufgrund derer das Tatbild so stark von den erfahrungsgemäß vorkommenden Mordfällen abweicht, dass die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach der Mindestverbüßungszeit von 15 Jahren auch bei dann günstiger Prognose unangemessen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 22.11.1994, Az. GSSt 2/94; Urteil vom 17.08.2001, Az. 2 StR 167/01; Urteil vom 03.12.2008, Az. 2 StR 435/08; Beschluss vom 27.10.2015, Az. 3 StR 363/15; Fischer, StGB, 68. Auflage 2021, § 57a Rn. 9 ff.; Maier/Geiser, NStZ-RR 2020, 297; NStZ-RR 2020, 361); dies kann z.B. bei einer Mehrheit von Mordmerkmalen oder einer Mehrheit von Tatopfern in Betracht kommen. In diesem Sinne schuldsteigernde Umstände, die den Fall von den in der Schwurgerichtspraxis erfahrungsgemäß vorkommenden Mordfällen abheben würden, liegen nach den getroffenen Feststellungen jedoch nicht vor.
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III. Maßstab der Anrechnung der Auslieferungshaft in Spanien Die Entscheidung über den Maßstab der Anrechnung der Auslieferungshaft in Spanien beruht auf § 51 Abs. 4 S. 2 StGB. Da die Haftbedingungen in Spanien, das seit 01.01.1986 ein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist, in der Regel den deutschen Mindeststandards entsprechen und Hafterschwernisse im Vollzug der Auslieferungshaft weder vorgetragen noch ersichtlich sind, hat die Kammer den Maßstab der Anrechnung im Rahmen des Ermessens auf 1:1 festgesetzt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.06.2003, Az. 5 StR 124/03; Beschluss vom 11.08.2004, Az. 2 StR 34/04; Beschluss vom 24.01.2008, Az. 5 StR 626/07).
IV. Maßregeln der Besserung und Sicherung
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Die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 63 StGB nicht vorliegen.
539
Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht vorliegen.
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Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung war nicht anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 66 StGB nicht vorliegen.
541
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 465 Abs. 1, 472 Abs. 1 StPO.