Titel:
kein Anspruch auf Rücknahme der Bewilligung familienpolitischer Beurlaubung ohne, Bezüge nach Ablauf des beantragten Zeitraumes, dauernde Dienstunfähigkeit, Verfall von Erholungsurlaub
Normenketten:
BayBG Art. 89 Abs. 1 Nr. 1
BayBG Art. 92 Abs. 3
BayVwVfG Art. 48 und 49
Schlagworte:
kein Anspruch auf Rücknahme der Bewilligung familienpolitischer Beurlaubung ohne, Bezüge nach Ablauf des beantragten Zeitraumes, dauernde Dienstunfähigkeit, Verfall von Erholungsurlaub
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43473
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der am …1971 geborene Kläger war bis zu seiner dienstunfähigkeitsbedingten Ruhestandsversetzung zum 01.03.2020 als Hauptsekretär im Justizvollzugsdienst, zuletzt an der JVA … (JVA), im Dienst des Beklagten tätig.
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1. Mit Datum vom 11.01.2019 beantragte der Kläger zur Betreuung seines Kindes …, geboren am …2010, gemäß Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) Urlaub ohne Dienstbezüge für die Zeiträume vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 sowie vom 11.06.2019 bis 21.06.2019.
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Mit Bescheid des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 01.02.2019 wurde dem Kläger auf seinen Antrag vom 11.01.2019 hin die Beurlaubung unter Wegfall der Dienstbezüge genehmigt. Auf die Vorschrift des Art. 89 Abs. 3 BayBG wurde hingewiesen.
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Mit Schreiben vom 01.04.2019 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend, dass er krankheitsbedingt seinen Urlaub aus dem Jahr 2018 und den Nachtdiensturlaub aus den Jahren 2017 und 2018 bisher nicht habe antreten können. Wegen des Urlaubsverfalls am 30.04.2019 bitte er nun, diesen „alten“ Urlaub an Stelle des „unbezahlten“ Urlaubs nehmen zu dürfen. Nach seinen Aufzeichnungen stünden ihm aus dem Jahr 2018 noch 7 Urlaubstage und aus den Jahren 2017 und 2018 noch je 2 Nachtdiensturlaubstage zu.
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Die JVA teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 04.04.2019 mit, dass ihm die Einbringungsfrist verlängert werde, weil er aufgrund seiner Dienstunfähigkeit den Jahresurlaub 2018 nicht innerhalb der Einbringungsfrist bis zum 30.04.2019 antreten könne.
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Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 19.09.2019 an die JVA und teilte mit, dass er den nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 und vom 11.06.2019 bis 21.06.2019 gewährten Urlaub krankheitsbedingt nicht habe wahrnehmen können. Er bitte nun um die Gewährung der Krankheitsbezüge für diesen Zeitraum.
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Das Bayerische Staatsministerium der Justiz (StMJ) lehnte mit Schreiben vom 20.01.2020 die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung der familienpolitischen Beurlaubung ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Rücknahme der Bewilligung der Beurlaubung vor Antritt bzw. eine vorzeitige Rückkehr aus dem Urlaub grundsätzlich gemäß Art. 89 Abs. 2 Satz 2 BayBG möglich wäre, wenn der Beamte für eine Dienstleistung auch tatsächlich zur Verfügung gestanden hätte. Da der Kläger seit 08.12.2018 durchgehend dienstunfähig erkrankt gewesen sei, stelle sein Wunsch, rückwirkend und lediglich formal zu einer Beschäftigung zurückzukehren, um – ohne Dienstleistung – die entsprechenden Bezüge zu erhalten, kein schützenswertes Individualinteresse dar.
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Gegen die Ablehnung der Rücknahme der Bewilligung der familienpolitischen Beurlaubung legte der Kläger am 17.02.2020 Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete er nicht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2020 wurde der Widerspruch des Klägers vom 17.02.2020 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Begründung der Ablehnung der rückwirkenden Aufhebung der familienpolitischen Beurlaubung des StMJ vom 20.01.2020 Bezug genommen.
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Der Kläger bat mit Schreiben vom 17.07.2020 an die JVA, noch 20 ihm seiner Meinung nach zustehende Urlaubstage zur Abgeltung freizugeben. Ihm seien laut schriftlicher Mitteilung der Bezügestelle … vom 08.06.2020 wegen der Ruhestandsversetzung zum 01.03.2020 23 Urlaubstage abgegolten worden. Nach seinen Unterlagen stünden bei ihm noch 43 Urlaubstage aus: 2 Nachtdienstzusatz Urlaubstage aus 2017, 5 Resturlaubstage aus 2018, 2 Nachtdienstzusatzurlaubstage aus 2018, 30 Resturlaubstage aus 2019 sowie 4 Urlaubstage aus 2020.
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2. Mit Schriftsatz vom 06.08.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 07.08.2020, erhob der Kläger Klage gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 17.06.2020, zugestellt am 09.07.2020 und führte mit klagebegründendem Schriftsatz vom 02.06.2021 aus, dass sein Dienstvorgesetzter ihn Ende des Jahres 2018 aufgefordert habe, seine gesamte Urlaubsplanung für das Jahr 2019 vorzulegen. Dies habe der Kläger im Januar 2019 erledigt. Mit einem Schreiben vom 18.02.2019 und im Gespräch vom 26.02.2019 habe ihm die stellvertretende Dienststellenleiterin der JVA mitgeteilt, dass er aufgrund oder trotz seiner länger andauernden Erkrankung seinen Urlaub einbringen könne, um einen Verfall der Urlaubsansprüche zu verhindern. Mit Schreiben vom 01.04.2019 habe er dann alten Urlaub beantragt. Im Falle einer Zusage hätte er sich für diesen Zeitraum nicht krankschreiben lassen. Der Hauptgeschäftsstellenleiter der JVA, Herr …, habe dem Kläger jedoch mit Schreiben vom 04.04.2019 mitgeteilt, dass dies wegen der Erkrankung nicht möglich sei. Das habe für den Kläger bedeutet, dass es bei Krankheit grundsätzlich keinen Urlaub gebe, auch keinen unbezahlten. Dann sei ihm aber unbezahlter Urlaub vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 und vom 11.06.2019 bis 21.06.2019 gewährt worden. Er habe daher mit Schreiben vom 19.09.2019 um Gewährung der Krankheitsbezüge für den Zeitraum des unbezahlten Urlaubs gebeten. Mit Schreiben vom 17.07.2020 habe der Kläger die JVA schließlich aufgefordert, die 20 Urlaubstage zur Abgeltung freizugeben, welche er statt seines unbezahlten Urlaubs habe nehmen wollen, da ihm diese mit Schreiben vom 18.02.2019 zugesagt worden sei. Die JVA habe dies jedoch mit Schreiben vom 16.11.2020 abgelehnt. Er beantrage daher die JVA … zu verpflichten, die 20 Urlaubstage zur Abgeltung freizugeben.
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Mit Schriftsatz vom 05.07.2021 beantragte das BayStMJ für den Beklagten die Klage abzuweisen.
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Die zulässige Klage sei nicht begründet. Infolge der seit 06.12.2018 anhaltenden Dienstunfähigkeit sei der Kläger mit Ablauf des Monats Februar 2020 in den Ruhestand versetzt worden. Man müsse grundsätzlich unterscheiden zwischen dem Anspruch auf Erholungsurlaub nach Art. 93 Abs. 1 BayBG i.V.m. § 3 der Bayerischen Urlaubs- und Mutterschutzverordnung (BayUrlMV) und der familienpolitischen Beurlaubung nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG. Der Erholungsurlaub und die familienpolitische Beurlaubung seien voneinander unabhängige Anspruchsgrundlagen. So entscheide über die Einbringung des Erholungsurlaubs auf Antrag der Dienstvorgesetzte. Über die familienpolitische Beurlaubung entscheide die oberste Dienstbehörde. Letztere dürfte nur aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt werden. Als der Kläger seinen Antrag auf familienpolitische Beurlaubung am 11.01.2019 gestellt habe, habe er seine Dienstunfähigkeit kennen müssen. Dennoch habe er den Antrag dem Dienstvorgesetzten vorgelegt. Letzterem sei im Sinne der Fürsorge kein objektivierbarer Vorwurf zu machen. Der Kläger habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung vier Wochen im Krankenstand befunden. Zweifel hinsichtlich einer etwaigen dauerhaften Dienstunfähigkeit seien in diesem Moment noch nicht angebracht gewesen. Es sei der Anschein erweckt worden, dass der Kläger den Dienst in absehbarer Zeit wieder aufnehmen würde, zumal er derartige familienpolitische Beurlaubungen in den Vorjahren auch regelmäßig beantragt habe. Offenbar habe er gewusst, dass ein solcher Urlaub nur aus zwingenden dienstlichen Gründen abgelehnt werden dürfe und in der Praxis nicht abgelehnt werde. Dies habe er sich zu seinem Vorteil gereichen lassen. Die Gewährung von Urlaub während anhaltender Dienstunfähigkeit erfolge grundsätzlich nicht, da innerhalb der Dienstunfähigkeit der Zweck der Erholung nicht umfänglich gewährleistet sei. Ein monetärer Nachteil entstehe daraus nicht, da der Beamte auch im Krankenstand lückenlos und in voller Höhe alimentiert werde. Der Urlaub könne im Anschluss an eine Erkrankung in Anspruch genommen werden. Die JVA habe die Einbringung des Erholungsurlaubs am 04.04.2019 versagt. Zu diesem Zeitpunkt hätten tatsächliche Zweifel an der Dienstfähigkeit des Beamten im Sinne des Art. 65 Abs. 1 BayBG bestanden. Aus Fürsorgegründen hätte man die Einbringungsfrist für den Resturlaub aus dem Kalenderjahr 2018 verlängert. Hinsichtlich der Abgeltung der zum Zeitpunkt der Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit bestehenden Urlaubsansprüche verweise man auf das Schreiben der JVA vom 16.11.2020. Die Abrechnung des Urlaubsanspruchs durch die JVA erfolge nach § 9 Abs. 1 Satz 1 BayUrlMV. Ein weiterer Abgeltungsanspruch bestehe nicht.
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Der Kläger erwiderte mit Schriftsatz vom 15.09.2021, dass grundsätzlich in der Rechtsprechung anerkannt sei, dass vor dem Bewilligungszeitraum die Möglichkeit bestehe, eine Abänderung der Beurlaubung vorzunehmen. In Art. 88 Abs. 3 i.V. m. Art. 89 Abs. 2 BayBG sei ausdrücklich geregelt, dass die zuständige Dienstbehörde eine Abänderung der Beurlaubung vornehmen kann. Es sei sogar eine Rückkehr aus dem Urlaub zuzulassen, wenn die Fortsetzung des Urlaubs nicht zugemutet werden könne und dienstliche Belange nicht entgegenstünden. Aufgrund der Dienstunfähigkeit des Klägers seien noch genügend Urlaubstage vorhanden gewesen, deshalb habe er die Beurlaubung ohne Bezüge nicht mehr benötigt. Mit Schreiben vom 22.01.2019 habe die JVA den Kläger zur Überprüfung der Dienstunfähigkeit bei Ruhestandsversetzung bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von … angemeldet. Dieses Schreiben habe man ihm rechtswidrig erst am 14.10.2019 zugesandt. Wäre ihm der Brief rechtzeitig zugesandt worden, hätte er seinen Antrag auf Urlaub ohne Bezüge noch vor der Genehmigung zurückziehen können. Man habe ihm 20 Tage Urlaub ohne Dienstbezüge gewährt. Dies entspreche keinem vollen Monat. Für diesen Zeitraum habe er trotz Krankschreibung keine Bezüge erhalten.
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Das StMJ wies mit Schriftsatz vom 15.10.2021 erneut darauf hin, dass die Bewilligung der familienpolitischen Beurlaubung gemäß Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG auf Antrag des Klägers erfolge und diesem Antrag entsprechend genehmigt worden sei. Unbestritten handele es sich daher um einen rechtmäßigen Verwaltungsakt. Die Rücknahme des Verwaltungsakts gemäß Art. 48 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) scheide bei einem rechtmäßigen Verwaltungsakt aus. Auch ein Widerruf des rechtmäßigen Verwaltungsakts gemäß Art. 49 BayVwVfG komme nicht in Betracht. Die Gewährung der Beurlaubung sei wunschgemäß erfolgt, der Kläger habe zum Zeitpunkt der Beurlaubung keine Einwände gegen diese erhoben. Der Antrag auf Einbringung von Erholungsurlaub vom 01.04.2019 habe seitens der JVA nicht als Antrag auf Widerruf der genehmigten Beurlaubung verstanden werden können und müssen, zumal dazu auch keinerlei Anlass bestanden habe. Zu diesem Zeitpunkt sei nicht objektiv absehbar gewesen, dass die vorliegende Dienstunfähigkeit im weiteren Verlauf zu einer dauernden Dienstunfähigkeit und damit einer vorzeitigen Ruhestandsversetzung führen würde. Eine rückwirkende Aufhebung bzw. ein Widerruf der gewährten Beurlaubung verfolge rein monetäre Interessen des Klägers. In der Rückschau hätte es sich durch den späteren Verfall bzw. die Nichtausbezahlung der Urlaubstage im Rahmen der Abgeltung gemäß § 9 BayUrlMV finanziell günstiger dargestellt, wenn er anstelle der familienpolitischen Beurlaubung bezahlten Erholungsurlaub angetreten hätte. Das finanzielle Interesse des Klägers stelle kein schützenswertes Interesse dar, welches zu einem Widerruf der genehmigten Beurlaubung hätte führen können. An dieser grundsätzlichen Verwaltungspraxis ändere auch das allgemeine Angebot der JVA vom 18.02.2019 nichts, den noch bestehenden Urlaub des Vorjahres und des laufenden Jahres innerhalb der jeweils geltenden Fristen einzubringen. Dieses Schreiben gehe an sämtliche Bedienstete der JVA. Die verspätete, tatsächlich erst mit Schreiben vom 14.10.2019 erfolgte persönliche Unterrichtung des Klägers über die anstehende amtsärztliche Untersuchung bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von … durch die JVA habe einen formellen Mangel im Ruhestandsverfahren dargestellt, der geheilt werden konnte. Dieser Mangel sei zudem für die gegenständliche Streitfrage ohne Bedeutung. Darüber hinaus könne die Argumentation des Klägers nicht durchgreifen, wonach er zum damaligen Zeitpunkt den Antrag auf Beurlaubung zurückgenommen hätte, wenn er gewusst hätte, dass er zur amtsärztlichen Untersuchung geladen gewesen sei. Dies würde nämlich implizieren, dass der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt gewusst haben müsste, dass die Einbringung des Erholungsurlaubs aufgrund der späteren vorzeitigen Versetzung in den Ruhestand nicht mehr erfolgen können würde. Der Leiter der JVA habe dem Kläger erst mit Schreiben vom 23.08.2019 mitgeteilt, dass er ihn für dauernd dienstunfähig halte und eine Ruhestandsversetzung beabsichtigt sei.
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Daraufhin erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 15.11.2021, dass er mit Schreiben vom 01.04.2019 die Aufhebung der Beurlaubung ohne Dienstbezüge beantragt habe. Ihm sei nicht mitgeteilt worden, welche Form oder Frist für diesen Aufhebungsantrag notwendig sei. Man habe ihm nicht mitgeteilt, was die Voraussetzungen für die Aufhebung einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge seien. Dies stelle eine Fürsorgepflichtverletzung durch die Dienstvorgesetzten dar. Das Schreiben der JVA vom 18.02.2019 sei explizit an den Kläger persönlich gerichtet. Dies beweise die Formulierung „endet ihr Beamtenverhältnis vor Ablauf dieser Fristen, biete ich Ihnen die Einbringung bis zur Beendigung des Beamtenverhältnisses an.“. Es beweise auch, dass die JVA zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen sei, dass er sehr wahrscheinlich in den Ruhestand versetzt werden würde. Wenige Wochen davor sei er ohne sein Wissen zur Untersuchung bei den Amtsärzten angemeldet worden.
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Die Beklagtenseite nahm abschließend mit Schriftsatz vom 21.02.2022 dahingehend Stellung, dass eine Fürsorgepflichtverletzung des Dienstvorgesetzten nicht gegeben sei. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetzestext des Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG. Nachdem der Kläger zuvor bereits mehrfach familienpolitische Beurlaubungen beantragt habe, sei davon auszugehen, dass er sich der Auswirkungen bewusst gewesen sein dürfte. Grundsätzlich führe eine Dienstunfähigkeit nicht zu einer Aufhebung eines rechtmäßig auf Antrag erlassenen Verwaltungsakts. Dem Prinzip „kein Vorteil und kein Nachteil durch Erkrankung“ entsprechend habe sich zum Zeitpunkt der Beurlaubung kein Anlass ergeben, den rechtmäßigen und auf Antrag des Klägers erlassenen Verwaltungsakt aufzuheben oder diesen zu einem späteren Zeitpunkt zu widerrufen, weil dem Kläger daraus Vorteile finanzieller Art gereichen würden. Obwohl subjektiv für den Kläger durch das Schreiben der JVA vom 18.02.2019 der Eindruck entstanden sein mag, dass er den beantragten familienpolitischen Urlaub durch Erholungsurlaub ersetzen könne, sei dies nicht der Fall. Erholungsurlaub hätte in diesem Falle nicht der Erholung dienen können. Die JVA habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer bestehenden dauernden Dienstunfähigkeit ausgehen können. Aufgrund langanhaltender Dienstunfähigkeit über drei Monate habe der Dienstvorgesetzte jedoch objektiv begründete Zweifel an der Dienstfähigkeit des Klägers haben dürfen. Deshalb sei die Vorstellung bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von … auch angezeigt gewesen.
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Abschließend teilte der Kläger mit Schreiben vom 22.02.2022 mit, dass das Bundesverwaltungsgericht in der Sache 2 B 118.15 entschieden habe, dass der Dienstherr dann seine Fürsorgepflicht verletze, wenn er den Beamten bei der Beantragung einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge nicht oder nicht qualifiziert auf die Rechtsfolgen der selbigen hinweise bzw. belehre. Die JVA habe ihn nicht auf die Rechtsfolgen einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge hingewiesen. Dies gelte auch für die länger zurückliegenden Zeiträume, in denen er dies beantragt und genehmigt bekommen habe.
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Mit Schriftsatz vom 19.04.2022 erklärte der Beklagte sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung. Der Kläger erklärte sich mit Schreiben vom 23.04.2022 ebenfalls mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Im Übrigen wird gemäß § 117 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtssowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Aufgrund der mit Schriftsätzen vom 19.04.2022 bzw. 23.04.2022 erklärten Zustimmung der Beteiligten kann das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO über die Verwaltungsstreitsache ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
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1. Das Begehren des Klägers ist entsprechend dem erkennbar verfolgten Rechtsschutzziel gemäß § 88 VwGO dahingehend auszulegen, dass er die Verpflichtung der Beklagten begehrt, unter rückwirkender Aufhebung des Bescheides vom 20.01.2019, mit dem ihm familienpolitische Beurlaubung nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG gewährt wurde, nachträglich weitere zwanzig Tage Erholungsurlaub, die er wegen der zwischenzeitlich erfolgten dienstunfähigkeitsbedingten Ruhestandsversetzung nicht habe in Anspruch nehmen können, gegen die Anzahl der gewährten Tage familienpolitischer Beurlaubung auszutauschen und abzugelten.
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2. Die so verstandene Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Der Bescheid des Beklagten vom 20.01.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf nachträglichen Austausch der für die Zeiträume vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 und vom 11.06.2019 bis 21.06.2019 gewährten familienpolitischen Beurlaubung gemäß Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG und im Ausgleich dazu auf Abgeltung weiterer zwanzig Tage nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaubs (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Die Klage scheitert bereits am fehlenden Anspruch des Klägers auf rückwirkende Aufhebung der gewährten familienpolitischen Beurlaubung gemäß Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG, sodass es auf die Frage eines etwaigen ersatzweisen Urlaubsabgeltungsanspruchs nicht ankommt.
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a) Ein Anspruch auf nachträgliche Aufhebung bzw. Umwandlung der angefochtenen Bewilligung ergibt sich entgegen der klägerischen Auffassung zunächst nicht aus Art. 89 Abs. 2 Satz 3 BayBG i.V.m. Art. 88 Abs. 3 BayBG. Nach diesen Vorschriften kann die zuständige Dienstbehörde auch nachträglich auf Antrag bzw. mit Einverständnis des Beamten eine vorzeitige Beendigung der Beurlaubung (Art. 89 Abs. 2 S. 3 BayBG) oder eine vorzeitige Beendigung bzw. eine nachträgliche Änderung des Umfangs der Teilzeitbeschäftigung (Art. 89 Abs. 2 S. 2 i.V.m. Art. 88 Abs. 3 BayBG) anordnen, wenn dem Beamten eine unveränderte Fortsetzung nicht zumutbar ist und dienstliche Belange nicht entgegenstehen.
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Gemessen an diesen Voraussetzungen ist im Fall des klägerischen Begehrens eine von dieser Vorschrift erfasste Konstellation nicht gegeben. Eine vorzeitige Beendigung der familienpolitischen Beurlaubung ist bereits nach dem reinen Wortsinn nicht möglich in einer Situation, in der – wie hier – der Zeitraum der Beurlaubung bereits vollständig verstrichen ist.
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Die vorzeitige Beendigung hätte auch nicht gewährt werden müssen, weil der Beklagte im Schreiben des Klägers vom 01.04.2019 – entgegen dessen Auffassung – keinen entsprechenden Antrag hätte sehen müssen. Ausdrücklich begehrte der Kläger hier, den „alten“ statt des „unbezahlten“ Urlaubs nehmen zu dürfen. Die Zielrichtung, die sich aus diesem Schreiben eindeutig ergibt, war also weiterhin die Inanspruchnahme von Urlaub für den streitgegenständlichen Zeitraum, jedoch gestützt auf eine andere Anspruchsgrundlage. Ein Antrag auf vorzeitige Beendigung ergibt sich aus den Formulierungen des Klägers dagegen unzweifelhaft nicht.
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b) Des Weiteren kommt auch ein Anspruch auf Widerruf nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, konkret nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG nicht in Betracht. Danach darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden, wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist (Nr. 1), wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2), wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Nr. 3), wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsakts noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Nr. 4) oder um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (Nr. 5).
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Zwar handelt es sich bei dem angefochtenen Verwaltungsakt des Beklagten um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt (dazu sogleich unter (1)), jedoch sind die weiteren Widerrufsvoraussetzungen nicht erfüllt (dazu unter (2)).
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(1) Der angefochtene Verwaltungsakt, mit dem dem Kläger familienpolitischer Urlaub ohne Bezüge nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG für die Zeiträume vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 und vom 11.06.2019 bis 21.06.2019 gewährt wurde, ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
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Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Zuständig für die Entscheidung über die Bewilligung der familienpolitischen Teilzeit oder Beurlaubung ist gem. Art. 92 Abs. 2 BayBG die oberste Dienstbehörde. Zutreffend hat demnach in dem vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren über den Antrag des Klägers als Justizvollzugsbeamter des Freistaats Bayern das StMJ den Antrag des Klägers auf familienpolitischen Urlaub verbeschieden.
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Auch im Hinblick auf die materielle Rechtmäßigkeit des Bescheids über die Gewährung familienpolitischen Urlaubs bestehen ebenfalls keine durchgreifenden Bedenken.
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Nach Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG ist Beamten und Beamtinnen mit Dienstbezügen auf Antrag, wenn zwingende dienstliche Belange nicht entgegenstehen, zur tatsächlichen Betreuung oder Pflege von mindestens einem Kind unter 18 Jahren oder einem oder einer nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen Teilzeitbeschäftigung in einem Umfang von mindestens durchschnittlich wöchentlich acht Stunden oder Urlaub ohne Dienstbezüge zu gewähren.
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Der Kläger zählt als – im Zeitpunkt der Beurlaubung – Justizvollzugsbeamter auf Lebenszeit im aktiven Dienst zu dem von der Vorschrift erfassten berechtigten Personenkreis (vgl. BeckOK BeamtenR Bayern/Heizer, 25. Ed. 1.4.2022, BayBG Art. 89 Rn. 2).
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Er erfüllt zudem die erste Alternative der zwei in Art. 89 Abs. 1 Nr. 1 BayBG alternativ aufgeführten familiären Situationen, in denen eine familienpolitische Teilzeit oder Beurlaubung in Betracht kommen, nämlich die tatsächliche Betreuung oder Pflege von mindestens einem Kind unter 18 Jahren (Kinderbetreuungstatbestand) (BeckOK BeamtenR Bayern/Heizer, 25. Ed. 1.4.2022, BayBG Art. 89 Rn. 3). Dabei muss der Beamte das Kind auch tatsächlich betreuen (BeckOK BeamtenR Bayern/Heizer, 25. Ed. 1.4.2022, BayBG Art. 89 Rn. 10). Zwar war der Kläger in den beiden streitgegenständlichen Zeiträumen dienstunfähig erkrankt, es werden jedoch von den Beteiligten weder Umstände vorgetragen, aus denen sich ergibt, dass ihm die tatsächliche Betreuung seines Kindes in Anbetracht seiner Erkrankung nicht möglich war, noch sind derartige Umstände aus dem Akteninhalt ersichtlich.
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Auch geht das Gericht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon aus, dass der Kinderbetreuungstatbestand während der gesamten Dauer der Beurlaubung vorgelegen hat.
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Der Kläger hatte somit, da offensichtlich aus Sicht des Beklagten auch keine zwingenden dienstlichen Belange entgegenstanden, einen gebundenen Anspruch auf familienpolitische Beurlaubung, sodass der gewährende, im streitgegenständlichen Verfahren angefochtene Bescheid rechtmäßig ergangen ist. Weil dem Kläger mit dem angefochtenen Bescheid die im Antrag genannten Zeiträume vom 15.04.2019 bis 03.05.2019 und vom 11.06.2019 bis 21.06.2019 ohne Abweichung gewährt worden sind, handelt es sich auch um einen rein begünstigenden Verwaltungsakt.
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(2) Somit stellt Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG zwar die zutreffende Anspruchsgrundlage für eine Widerrufsentscheidung dar, jedoch sind die Voraussetzungen für den Widerruf nicht erfüllt.
39
Es fehlt vorliegend bereits an dem Merkmal „mit Wirkung für die Zukunft“. In dem Zeitpunkt, in dem der Kläger die Aufhebung der Gewährung familienpolitischer Beurlaubung beantragt hatte, nämlich im Schreiben vom 19.09.2019, waren beide im streitgegenständlichen Antrag genannten Zeiträume bereits verstrichen.
40
Auch wenn man schon in dem Schreiben des Klägers vom 01.04.2019 einen Antrag auf Widerruf sehen würde, wäre dieser dann zwar mit Wirkung für die Zukunft möglich, gleichwohl fehlte es am Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 BayVwVfG.
41
Denn für einen Widerruf für die Zukunft, der in diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen wäre, nennt das Gesetz in Art. 49 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG fünf abschließend aufgeführte Fälle, in denen dieser Widerruf zulässig ist (vgl. bereits oben). Vorliegend ist aber evident kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass im Fall des Klägers der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG), mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Kläger diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG), die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt gewesen wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen bei gleichzeitiger Gefährdung des öffentlichen Interesses ohne den Widerruf (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG), sich auf Grund der Änderung einer Rechtsvorschrift die Berechtigung der Behörde ergäbe, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Kläger von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsakts noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 BayVwVfG) oder dass der Widerruf des dem Kläger gewährten familienpolitischen Urlaubs erforderlich wäre, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 BayVwVfG).
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c) Zwar sieht Art. 49 BayVwVfG in seinem Abs. 2a auch eine Widerrufsmöglichkeit für die Vergangenheit vor: Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann nach dieser Vorschrift, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).
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Auch die hier genannten Voraussetzungen sind unzweifelhaft nicht erfüllt, weil die vom Kläger angefochtene Gewährung familienpolitischer Beurlaubung weder eine teilbare Sachleistung noch eine Geldleistung darstellt. Somit scheidet ein Widerruf nach dieser Vorschrift ebenfalls aus.
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d) Schließlich kommt auch ein Anspruch auf Widerruf als Folge eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus Art. 92 Abs. 3 BayBG, oder nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen wie Treu und Glauben oder aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht in Betracht.
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Nach Art. 92 Abs. 3 BayBG ist bei der Beantragung einer Freistellung nach den Art. 88 bis 91 BayBG durch die zuständige Dienststelle auf die rechtlichen Folgen der Freistellung hinzuweisen. Die Hinweispflicht ist Ausdruck der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 45 des Beamtenstatusgesetzes (BeamtStG). Die Besonderheit und die eigenständige Bedeutung besteht darin, dass sie eine von den allgemeinen fürsorgerechtlichen Grundsätzen abweichende und über diese hinausgehende Aufklärungspflicht des Dienstherrn begründet. Nach § 45 BeamtStG trifft den Dienstherrn nämlich auch unter dem Aspekt der Fürsorge keine allgemeine Belehrungspflicht über den Inhalt der für den Beamten einschlägigen Rechtsvorschriften. Dem Beamten ist es grundsätzlich zumutbar, sich die für seine Entscheidungen und Anträge relevanten Informationen und Kenntnisse selbst zu beschaffen (Heizer, in: BeckOK Beamtenrecht Bayern, Brinktrine/Voitl, 25. Ed., Stand: 01.04.2022, Art. 92 Rn. 6, m.w.N.). In Abweichung von diesen Grundsätzen begründet Art. 92 Abs. 3 BayBG eine von Amts wegen bestehende Aufklärungspflicht über die Rechtsfolgen bei der Beantragung einer Teilzeit oder Beurlaubung gemäß Art. 88-91 BayBG. Der Beamte ist auf die finanziellen Folgen (Besoldung) und die Auswirkungen auf die Versorgung, den Erholungsurlaub und die Beihilfe bzw. Krankenfürsorge hinzuweisen. Auch über die laufbahnrechtlichen Konsequenzen, Auswirkungen auf die Zulässigkeit von Nebentätigkeiten und die Probleme der vorzeitigen Rückkehr zu einer Vollzeitbeschäftigung ist zu informieren. Als Ausnahme zu den allgemein geltenden Grundsätzen für Aufklärungspflichten des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ist die Vorschrift eng auszulegen (OVG Saarlouis U.v. 23.9.2015 – Az.: 1 A 219/14 – BeckRS 2015, 52945, Rn. 27). Der Hinweispflicht ist grundsätzlich genügt, wenn der Dienstherr den Beamten in groben Zügen über die wesentlichen Rechtsfolgen informiert. Dabei werden Inhalt und Umfang der Hinweispflicht auch von dem konkreten Dienstposten des Beamten und dessen Kenntnisstand beeinflusst. Bei einem in der Besoldung oder Versorgung eingesetzten Beamten wird der Umfang der mitzuteilenden Informationen geringer sein als z.B. bei einem Lehrer (BeckOK BeamtenR Bayern, a.a.O. Rn. 7).
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Gemessen an diesen Grundsätzen kann der Kläger für sich keinen (Schadensersatz) Anspruch aus nicht erfolgter ordnungsgemäßer Belehrung des Dienstherrn über die Folgen der Beantragung familienpolitischer Beurlaubung ableiten. Zwar hat die Beklagtenseite ausweislich der vorgelegten Behördenakten lediglich einen Hinweis auf Art. 89 Abs. 3 BayBG gegeben – dies betrifft die Zulässigkeit von Nebentätigkeiten im gewährten Beurlaubungszeitraum – und es existiert eine Anweisung des StMJ an die JVA in Form eines Aktenvermerks, den Kläger auf eventuelle Rückzahlungsverpflichtungen bei einer versehentlich für die beantragten Zeiträume erfolgenden Überzahlung hinzuweisen. Der Umfang dieser Belehrungen dürfte den oben dargestellten Grundsätzen nicht genügen. Dennoch ist der somit festgestellte Verstoß gegen Art. 92 Abs. 3 BayBG im Ergebnis ohne Auswirkung und damit unschädlich.
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Im konkreten Fall gilt es nämlich nicht nur zu berücksichtigen, dass der Kläger selbst noch im Januar 2019 den „unbezahlten“ Urlaub beantragt hat, obwohl er während der vorangegangenen Wochen bereits dienstunfähig erkrankt war. Ihm war darüber hinaus durch mehrere Zeiträume, in denen er zuvor bereits familienpolitische Beurlaubung ohne Bezüge beantragt und bewilligt bekommen hatte, bekannt, welche weiteren Folgen deren Gewährung nach sich zieht. Selbst wenn man jedoch diese faktische Kenntnis nicht als ausreichend für die Heilung des Belehrungsmangels erachtet, so wirkt sich der Verstoß aus einem weiteren Grund nicht aus.
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Der Kläger kann nämlich auch mit dem Argument nicht durchdringen, dass er bei hinreichender Aufklärung über die Rechtsfolgen den „bezahlten“ statt des „unbezahlten“ Urlaubs in Anspruch genommen hätte, weil er hier noch über ausreichend Urlaubstage verfügt habe. Denn auch im Zeitpunkt der Beantragung familienpolitischen Urlaubs war ihm die Zahl der verfügbaren Tage Erholungsurlaub bereits bekannt und dennoch beantragte er – letztlich auf eigenes „Risiko“ -zunächst für die beiden streitgegenständlichen Zeiträume familienpolitische Beurlaubung ohne Bezüge.
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In diesem Zusammenhang greift auch der Verweis des Klägers auf eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 29.6.2016 – Az.: 2 B 118.15) nicht. In dieser Entscheidung wurde einer Beamtin des Saarlandes in zweiter Instanz ein Anspruch auf Schadensersatz für verfallene Urlaubstage zuerkannt. Sie hatte im Anschluss an die Elternzeit zunächst familienpolitische Beurlaubung beantragt und genehmigt bekommen und erst im Anschluss daran Erholungsurlaub beantragt. Letzteres hatte der Beklagte mit Hinweis darauf, dass ihr Anspruch auf Erholungsurlaub aus den vorangegangenen Jahren in einem gewissen Umfang verfallen sei, teilweise abgelehnt. Das OVG des Saarlandes, dessen Entscheidung das Bundesverwaltungsgericht bestätigte (OVG Saarlouis, U.v. 23.9.2015 – Az.: 1 A 219/14 – BeckRS 2015, 52945, beck-online), hatte das erstinstanzliche, klageabweisende Urteil aufgehoben mit der Begründung, der Beklagte hätte gegen die qualifizierte Belehrungspflicht aus § 83 Abs. 7 des Saarländischen Beamtengesetzes (SaarlBG) verstoßen, der mit dem hier anwendbaren Art. 92 Abs. 3 BayBG insoweit inhaltsgleich ist. Die Beamtin hätte einen Hinweis auf den drohenden Verfall des Anspruchs auf Erholungsurlaub erhalten müssen, um ihr damit Gelegenheit zu geben, sich mit qualifiziertem rechtlichen Wissen zwischen Inanspruchnahme von Erholungsurlaub und familienpolitischer Beurlaubung ohne Bezüge entscheiden zu können.
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Der Fall ist mit dem vorliegenden jedoch insoweit nicht vergleichbar. In der diesen Entscheidungen zu Grunde liegenden Konstellation war die Klägerin nämlich dienstfähig und hätte ohne die Beantragung von Urlaub zur Diensttätigkeit zur Verfügung gestanden. Im hier streitgegenständlichen Fall war der Kläger in den Zeiträumen der Beurlaubung ohnehin dienstunfähig erkrankt. Daher hätte der Beklagte auch dem „Antrag“ des Klägers vom 04.04.2019 auf Gewährung von Erholungsurlaub im Austausch gegen den beantragten familienpolitischen Urlaub nicht rechtmäßig stattgeben können und auch nicht durch einen vorangegangenen Hinweis auf die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub anstelle familienpolitischer Beurlaubung ohne Bezüge hinwirken können. Wie von der Beklagtenseite zu Recht ausgeführt, hätte die Gewährung von Erholungsurlaub im Krankheitsfall den Zweck verfehlt, dem Antragsteller „Erholungszeit“ zu ermöglichen, wenn dieser im betreffenden Zeitraum dienstunfähig erkrankt ist. Diese Rechtsauffassung des Beklagten ergibt sich auch aus § 7 Abs. 4 Satz 1 BayUrlMV: Werden Beamte während des Erholungsurlaubs durch Krankheit dienstunfähig und zeigen sie dies unverzüglich an, so wird die Zeit der Dienstunfähigkeit nicht auf den Erholungsurlaub angerechnet.
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Des Weiteren hat der Beklagte dem Kläger die Einbringungsfrist für den Erholungsurlaub verlängert und insofern seiner Fürsorgepflicht genüge getan.
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Der vom Kläger gewünschte „Austausch“ konnte letztlich auch deswegen nicht mehr stattfinden, weil er schließlich, ohne noch einmal in den Dienst zurückzukehren, mit Ablauf des 01.03.2020 dienstunfähigkeitsbedingt in den vorzeitigen Ruhestand getreten ist. Auch hierin unterscheidet sich somit der Fall des Klägers entscheidungserheblich von dem von ihm herangezogenen Fall, den das Bundesverwaltungsgericht zum Gegenstand hat. Diese den Kläger betreffende Entwicklung war im Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten diesem auch weder bekannt noch hätte es ihm bekannt sein müssen. Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus der Formulierung in dem an den Kläger gerichteten Schreiben vom 18.02.2019: „Endet ihr Beamtenverhältnis vor Ablauf dieser Fristen, biete ich Ihnen die Einbringung bis zur Beendigung des Beamtenverhältnisses an.“ Dabei handelt es sich lediglich um einen allgemeinen Hinweis, wie zu verfahren ist, wenn die Gewährung von Erholungsurlaub durch Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht mehr möglich sein sollte. Gründe dafür können jeden Beamten treffen, der noch über Erholungsurlaubstage verfügt, weil die Beendigung des Beamtenverhältnisses nicht nur – wie im Fall des Klägers – aus dauerhafter Dienstunfähigkeit resultieren kann, sondern auch Folge einer Versetzung zu einem anderen Dienstherrn, Entlassung, Kündigung oder des Eintritts des altersbedingten Ruhestands sein kann.
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In Fällen wie dem des Klägers sind Beamtinnen und Beamte weiter über § 9 Abs. 1 Satz 1 BayUrlMV geschützt. Nach dieser Vorschrift ist, soweit bei der Beendigung des Beamtenverhältnisses die vorherige Einbringung von Erholungsurlaub auf Grund einer Dienstunfähigkeit nicht möglich war, der Urlaub der einzelnen Kalenderjahre in dem Umfang abzugelten, in dem der eingebrachte Erholungsurlaub jeweils hinter einem Mindesturlaub von 20 Tagen zurückbleibt. Die mit europarechtlichen Grundsätzen übereinstimmende Vorschrift bietet dem Kläger ausreichenden Schutz seiner finanziellen Abgeltungsansprüche, ein darüber hinaus gehender weiterer Anspruch, wie vom Kläger geltend gemacht, besteht nicht.
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3. Die Kostenentscheidung zu Lasten des Klägers folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterlegene Beteiligte die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).
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5. Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht nach § 124 Abs. 1, § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO liegen nicht vor