Inhalt

SG Würzburg, Gerichtsbescheid v. 06.04.2022 – S 9 AS 15/22
Titel:

Hausverbot eines Sozialleistungsträgers gegenüber einem Leistungsempfänger

Normenkette:
SGG § 51 Abs. 1 Nr. 4a
Leitsätze:
1. Bei einem Rechtsstreit über ein Hausverbot für die Räume des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegenüber einem Leistungsempfänger ist der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit gegeben, wenn ein enger Sachzusammenhang zu den vom Träger wahrzunehmenden Sachaufgaben besteht (ebenso BSG BeckRS 2009, 62466). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem mittlerweile aufgehobenen Hausverbot besteht kein Rechtsschutzbedürfnis einer gegen das verhängte Hausverbot erhobenen Klage mehr. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hausverbot, Rechtsweg, Sachzusammenhang, Rechtsschutzbedürfnis
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 22.11.2022 – L 11 AS 197/22
BSG Kassel, Beschluss vom 16.01.2023 – B 7 AS 209/22 AR
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43452

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Aufhebung des am 05.12.2016 vom Jobcenter M.-S. erteilten Hausverbots durch den Bundesarbeitsminister.
2
Am 05.12.2016 erteilte das Jobcenter M.-S. gegenüber dem Kläger ein Hausverbot für die Diensträume und das Gelände des Jobcenters. Der Kläger stand zum damaligen Zeitpunkt im Leistungsbezug beim Jobcenter M.-S.
3
Mit Schreiben vom 21.10.2021, beim Sozialgericht Würzburg eingegangen am 02.11.2021, erhob der Kläger im Verfahren S 9 AS 286/21 Klage. Die Auslegung dieser Klage ergab, dass sie sich zum einen gegen den Landkreis M.-S. richtete; insoweit begehrte der Kläger sinngemäß die Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Zum anderen richtete sich die Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales; insoweit begehrte der Kläger die Aufhebung des am 05.12.2016 erteilten Hausverbots „durch den zuständigen Hausherrn Bundesarbeitsminister“. Auf die Ausführungen des Klägers zur Begründung der Klage wird verwiesen.
4
Mit Beschluss vom 26.01.2022 wurde das Begehren des Klägers, soweit es wegen der Aufhebung des oben genannten Hausverbots gegen die Bundesrepublik Deutschland (vertreten durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales) gerichtet war, abgetrennt und im vorliegenden Verfahren unter dem Aktenzeichen S 9 AS 15/22 fortgeführt. Im Verfahren S 9 AS 286/21 verblieb das gegen den Landkreis M.-S. gerichtete Begehren des Klägers.
5
Mit Schreiben vom 26.01.2022 hob das Jobcenter M.-S. das Hausverbot vom 05.12.2016 ausdrücklich auf und teilte dem Kläger mit, dass kein Hausverbot mehr bestehe. Auf die gerichtliche Anfrage vom 03.02.2022, ob der Kläger nach der Aufhebung des Hausverbots den Rechtsstreit für erledigt erkläre, teilte der Kläger mit Schreiben vom 05.02.2022 unter anderem mit, dass lediglich der Hausherr berechtigt sei, ein erteiltes Hausverbot wieder aufzuheben.
6
Mit gerichtlichem Schreiben vom 10.03.2022 wurden die Beteiligten zur Möglichkeit des Erlasses eines Gerichtsbescheids angehört.
7
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bundesarbeitsminister zur Aufhebung des Hausverbots des Jobcenters Main-Spessart vom 05.12.2016 zu verurteilen.
8
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gab zum Klageverfahren keine Stellungnahme ab und stellte keinen Antrag.
9
Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands wegen der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10
Über die Klage kann nach Anhörung der Beteiligten nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und weil der Sachverhalt geklärt ist.
11
Für die gegen das Hausverbot vom 05.12.2016 gerichtete Klage ist nach Auffassung der erkennenden Kammer gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4 a SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben, weil aufgrund des damaligen Leistungsbezugs des Klägers beim Jobcenter M.-S. ein enger Sachzusammenhang des Hausverbots zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 4 a SGG gegeben war (BSG, B. v. 01.04.2009, B 14 SF 1/08 R).
12
Die Klage, die auf Aufhebung des am 05.12.2016 erteilten Hausverbots durch den Bundesarbeitsminister gerichtet ist, ist unzulässig, weil es am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
13
Das Rechtsschutzbedürfnis gehört zu den Prozessvoraussetzungen, die in jeder Lage des gerichtlichen Verfahrens zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Klage führt. Im vorliegenden Fall hat der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kein schutzwürdiges Interesse an der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes bzw. an der Aufrechterhaltung seines Rechtsschutzbegehrens, weil das Hausverbot vom 05.12.2016 vom Jobcenter M.-S. mit Schreiben vom 26.01.2022, das – ebenso wie das Hausverbot selbst – vom Geschäftsführer des Jobcenters unterzeichnet wurde, aufgehoben wurde. In diesem Schreiben wurde dem Kläger weiterhin ausdrücklich mitgeteilt, dass kein Hausverbot mehr bestehe. Die erkennende Kammer hat – anders als der Kläger – keine Zweifel daran, dass die Aufhebung des Hausverbots wirksam ausgesprochen wurde und dass deshalb – wie vom Jobcenter ausdrücklich mitgeteilt – kein Hausverbot mehr besteht. Die vom Kläger vertretene Auffassung, dass das Hausverbot vom 05.12.2016 nur vom Bundesarbeitsminister aufgehoben werden könne, ist so abwegig, dass sich diesbezüglich rechtliche Ausführungen erübrigen. Die vom Kläger begehrte Aufhebung des Hausverbots vom 05.12.2016 ist somit bereits erfolgt, so dass kein schutzwürdiges Interesse an der Aufrechterhaltung dieses Begehrens besteht. Im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fehlt es somit am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, so dass die Klage als unzulässig abzuweisen war.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und der Erwägung, dass die Klage keinen Erfolg hatte.