Inhalt

VG München, Urteil v. 28.12.2022 – M 30 K 19.2699
Titel:

freiwillige kommunale Zuwendungen an Eltern-Kind-Initiativen, die Kinderbetreuung in Familienselbsthilfe anbieten, Aufforderung zur Abgabe einer Schutzerklärung hinsichtlich der Anwendung scientologischer Lehren und Techniken, Eingriff in die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, Fehlen einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung, allgemeiner öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch

Normenkette:
GG Art. 4 Abs. 1 und 2
Schlagworte:
freiwillige kommunale Zuwendungen an Eltern-Kind-Initiativen, die Kinderbetreuung in Familienselbsthilfe anbieten, Aufforderung zur Abgabe einer Schutzerklärung hinsichtlich der Anwendung scientologischer Lehren und Techniken, Eingriff in die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, Fehlen einer hinreichenden gesetzlichen Ermächtigung, allgemeiner öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43171

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, als freiwillige Leistung ausgestaltete Zuwendungen zur Förderung von Eltern-Kind-Initiativen in Familienselbsthilfe von der Abgabe und Einhaltung einer Schutzerklärung abhängig zu machen, durch die sich der Einrichtungsbetreiber verpflichtet, Personen von der weiteren Durchführung der geförderten Aufgabe unverzüglich auszuschließen, die während des Förderzeitraums als freie Scientologen oder Mitglieder der „Freien Zone“ die Technologien von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten. 
II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin ist nach eigener Darstellung eine freie Scientologin und wendet die scientologische Lehre und Techniken im privaten Bereich sowie bei von ihr veranstalteten Seminaren an. Sie beanstandet die Verwaltungspraxis der Beklagten, kommunale Zuwendungen zu sog. Eltern-Kind-Initiativen von der Abgabe und Einhaltung einer Schutzerklärung bezüglich der Lehre L. Ron Hubbards abhängig zu machen, soweit diese Schutzerklärung eine Selbstverpflichtung der Zuwendungsempfänger vorsieht, keine praktizierenden freien Scientologen oder Mitglieder der „Freien Zone“ zu beschäftigten.
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Die Klägerin war Gründungsmitglied der Eltern-Kind-Initiative … … e.V. Zwischen 1998 und 2003 arbeitete die Klägerin als Aushilfe mit ca. zehn Wochenstunden in der von dieser Eltern-Kind-Initiative betriebenen Kinderbetreuungseinrichtung. Ab dem 1. Mai 2009 war sie dort als Kinderbetreuerin mit einer Wochenarbeitszeit von acht Stunden, ab dem 9. Dezember 2010 mit variierenden Wochenarbeitszeiten als pädagogische Ergänzungskraft tätig.
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Im März 2017 wurde die Beklagte von einer Bürgerin darauf hingewiesen, dass der … … e.V. von zwei aktiven freien Scientologinnen gegründet worden sei und von diesen geleitet werde. Dabei handele es sich um die Klägerin und Frau … … Die Beklagte hat daraufhin Ermittlungen angestellt und dabei u.a. die Satzung des Vereins, einen aktuellen Vereinsregisterauszug sowie das pädagogische Konzept der Einrichtung überprüft. Laut Aktenvermerk vom 3. April 2017 wurden keine Auffälligkeiten festgestellt. Beim Landesamt für Verfassungsschutz erhielt die Beklagte die Auskunft, dass lediglich die Scientology-Organisation nachrichtendienstlich beobachtet werde, während dies bei den Organisationen der freien Scientologen wie „Freie Zone“, „Freie Scientologen“ und „Ron‘s Org“ nicht der Fall sei. Auf entsprechende Befragung teilte der Vereinsvorstand des … … e.V. mit, dass dem Vorstand von einer Tätigkeit der Klägerin und Frau … bei der „Freien Zone“ nichts bekannt sei. Frau … stehe in keinem Kontakt zum Verein, Frau … sei als Ergänzungskraft tätig. Es habe über sie keine Beschwerden aus der Elternschaft gegeben.
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Mit Änderungsbescheid vom 28. September 2017 ergänzte die Beklagte sodann die Betriebserlaubnis des Einrichtungsträgers … … e.V. um folgende Auflagen:
5
1. Der Träger … … e.V. hat innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids eine schriftliche Scientology-Schutzerklärung gegenüber der ... abzugeben und einzuhalten, mit dem Inhalt, dass keine Techniken und Verfahren, die auf der Lehre von L. R. Hubbard basieren (Scientology und dessen Untergliederungen bzw. Abspaltungen wie z.B. freie Scientologen bzw. „die freie Zone“ als Verbreiter) in der Kindertageseinrichtung angewandt, verwendet oder verbreitet werden.
6
2. Der Träger … … e.V. ist verpflichtet, die aktuelle Elternschaft der Kindertageseinrichtung nachträglich innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids sowie neue Eltern bzw. Erziehungsberechtigte, die sich für eine Betreuung ihres Kindes in der Kindertageseinrichtung interessieren, vor Vertragsschluss über eine bekannte Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Trägers bei Scientology sowie deren Untergliederungen/Abspaltungen, die auf der Lehre von L.R. Hubbard basieren bzw. diese verwenden oder verbreiten, zu informieren und der ... hierüber jährlich einen Nachweis vorzulegen.
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Zur Begründung wurde auf § 45 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und Art. 9 Bayerisches Kinderbildungs- und betreuungsgesetz (BayKiBiG) verwiesen. Nach diesen Bestimmungen bestehe eine Erlaubnispflicht für den Betrieb von Kindertageseinrichtungen. Die Auflagen würden zur Sicherung des Wohls der betreuten Kinder gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII angeordnet. Die Befragung des Trägers der Einrichtung habe zwar ergeben, dass sich die Mitgliedschaft von Betreuungspersonen bei den „Freien Scientologen“ bzw. in der „Freien Zone“ bislang nicht auf die Kinderbetreuung ausgewirkt habe. Die Auflagen seien jedoch geeignet und erforderlich, um einer künftigen Kindeswohlgefährdung entgegenzuwirken.
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Gegen den Änderungsbescheid legte der … … e.V. mit Schreiben vom 5. Oktober 2017 Widerspruch ein.
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Mit E-Mails vom 14. und 15. November 2022 informierte die Beklagte den … … e.V. über eine beabsichtigte Änderung der Verwaltungspraxis bei der freiwilligen Förderung der Eltern-Kind-Initiativen in Familienselbsthilfe. Die Förderung setze ab 1. Januar 2018 voraus, dass der jeweilige Zuwendungsempfänger eine Schutzerklärung gegenüber der Beklagten abgebe, die dem beigefügten Muster entsprechen müsse. Dieses Muster der Schutzerklärung, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 7 der Behördenakten), enthielt auszugsweise folgende Passagen:
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2. Der Antragsteller versichert, dass er gegenwärtig sowie während des gesamten Förderzeitraums die Technologie von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden (…) nicht anwendet, lehrt oder in sonstiger Weise verbreitet (…)
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3. Der Antragsteller verpflichtet sich, Personen von der weiteren Durchführung der geförderten Aufgabe unverzüglich auszuschließen, die während des Förderzeitraums die Technologien von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden (…) anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten.
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Die Abgabe einer wissentlich falschen Erklärung Nummer 2 sowie ein Verstoß gegen die Verpflichtung nach Nummer 3 berechtigt die Landeshauptstadt ... zum sofortigen Ausschluss von der freiwilligen Förderung ohne Einhaltung einer Frist (…).
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 kündigte der … … e.V. das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. Juni 2018. Als Kündigungsgrund wurde ausschließlich auf die als Voraussetzung der weiteren EKI-Förderung abzugebende Schutzerklärung verwiesen. Der arbeitsgerichtliche Kündigungsschutzprozess wurde im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2018 durch Prozessvergleich beendet. Auf das Sitzungsprotokoll (Anlage K16) wird Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2019 hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben.
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Sie beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, es zu unterlassen, die Zahlung von Fördergeldern an Kindertageseinrichtungen von der Abgabe und Einhaltung einer Schutzerklärung abhängig zu machen, in der sich die Kindertageseinrichtung verpflichtet, keine freien Scientologen oder Mitglieder der „Freien Zone“ zu beschäftigen, die während des Förderzeitraums die Technologien von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten,
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hilfsweise: festzustellen, dass es rechtswidrig war, die Förderung der Kindertageseinrichtung … … e.V. durch die Beklagte davon abhängig zu machen, dass sich die Kindertageseinrichtung verpflichtet, keine freien Scientologen oder Mitglieder der „Freien Zone“ zu beschäftigen, die während des Förderzeitraums die Technologien von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten.
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Die Klägerin habe einen Unterlassungsanspruch, der sich aus dem Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) sowie aus Art. 3 Abs. 3 GG ergebe. Art. 4 GG schütze nicht nur vor klassischen Eingriffen in die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit. Auch staatliches oder kommunales Handeln, das in Bezug auf die Grundrechtsausübung eine nur mittelbar-faktische Wirkung entfalte, müsse verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Eine Rechtsgrundlage für das Vorgehen der Beklagten gebe es nicht. Zudem werde die Klägerin als freie Scientologin ohne rechtfertigenden Grund mit Angehörigen der Scientology-Kirche gleichgestellt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin sei nicht klagebefugt. Als nur mittelbar Betroffene könne sie nicht in ihren Grundrechten verletzt sein; das Förderverfahren nach dem EKI-Modell richte sich nur an die Einrichtungsträger selbst. Nach der Beendigung ihres Kündigungsschutzprozesses durch Prozessvergleich fehle ihr auch das Rechtsschutzbedürfnis, weil ihr Arbeitsverhältnis endgültig beendet sei. Eine Wiederholungsgefahr sei ebenfalls nicht ersichtlich. Ein Rehabilitationsinteresse bestehe nicht. Eine Rechtsverletzung hätte die Klägerin zudem in ihrem Arbeitsverhältnis geltend machen müssen. Die Klage sei auch unbegründet. Ein Unterlassungsanspruch ergebe sich insbesondere nicht aus dem Grundrecht auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG). Die Klägerin habe schon nicht in einem ausreichenden Maß dargelegt, dass sie an die Lehren von L. Ron Hubbard glaube. Zudem liege ein Eingriff in Art. 4 GG nicht vor. Bei dem EKI-Fördermodell handele es sich um eine freiwillige Leistung, auf die kein Rechtsanspruch bestehe. Es sei daher Sache der Beklagten, die Bedingungen für die Leistung selbst festzulegen, wobei ein weiter Gestaltungsspielraum bestehe. Die Betätigung von Betreuungspersonen bei Scientology oder bei den Freien Scientologen begründe Zweifel an deren Eignung. Angesichts der hohen Bedeutung der staatlichen Schutzpflichten gegenüber Kindern seien an den Nachweis einer Gefährdungslage keine überspannten Anforderungen zu stellen. Ein Unterlassungsanspruch folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Gestaltungsermessen der Beklagten als Subventionsgeberin sei nicht überschritten.
22
Die Klage wurde zunächst von der 18. Kammer des Verwaltungsgerichts angelegt, später aber an die 31. Kammer abgegeben. Die 31. Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 20. Juli 2020 zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Mit Verfügung vom 17. November 2021 hat die 30. Kammer den Rechtsstreit in Umsetzung des Präsidiumsbeschlusses vom 15. November 2021 von der 31. Kammer übernommen.
23
Der Einzelrichter der 30. Kammer hat am 15. Dezember 2022 mündlich zur Sache verhandelt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat im Hauptantrag Erfolg.
25
I. Zur Entscheidung über den Rechtsstreit ist aufgrund des Beschlusses der 31. Kammer vom 20. Juli 2022 auch nach der gerichtsinternen Abgabe des Verfahrens der Einzelrichter berufen. Ergibt sich aus einer Veränderung der Geschäftsverteilung die Zuständigkeit einer anderen Kammer oder wird eine Streitsache innerhalb des Gerichts wegen nachträglich erkannter Unzuständigkeit an eine andere Kammer abgegeben, bleibt das Verfahren Einzelrichtersache (vgl. Clausing in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand 2/2022, § 6 VwGO Rn. 60; Gersdorf in BeckOK VwGO, Stand 10/2019, § 6 Rn. 39; a.A. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 6 Rn. 7a). Denn mit der Übertragung der Streitsache auf den Einzelrichter geht der Rechtsstreit im vollen Umfang auf den Einzelrichter über und ist dem Kollegium entzogen; der Einzelrichter wird anstelle der Kammer der gesetzliche Richter (vgl. BFH, B.v. 28.4.1998 – VII R 102/97 – juris Rn. 6). Daran ändert sich mit der nachträglichen Übertragung eines Verfahrens auf eine andere Kammer nichts, weil dort das Verfahren in der Lage fortgesetzt wird, in der es sich zum Zeitpunkt des Übergangs befindet (vgl. BayVGH, B.v. 28.2.1996 – 19 AA 96.30023 – BayVBl. 1996, 506/507).
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II. Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Klage statthaft (1.) und fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (2.).
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1. Die Klage ist als allgemeine Unterlassungsklage statthaft (vgl. zur Abgrenzung von der vorbeugenden Unterlassungsklage Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, VwGO, Werkstand 8/2022, § 42 Abs. 1 Rn. 162). Das Begehren der Klägerin zielt darauf, die Wiederholung bereits stattgefundener schlicht-hoheitlicher Handlungen – der Aufforderung ihres früheren Arbeitgebers zur Abgabe einer Scientology-Schutzerklärung in Verbindung mit der Einordnung der weiteren Beschäftigung der Klägerin als „förderschädlich“ –, die aus ihrer Sicht mit einer Rechtsverletzung verbunden sind, zu verhindern.
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2. Es fehlt der Klägerin auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
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a) Die Klägerin hat sich mit Schreiben vom 13. Juli 2018 vorgerichtlich an die Beklagte gewandt und vergeblich die Unterlassung des streitgegenständlichen hoheitlichen Handelns verlangt.
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b) Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt auch nicht deshalb, weil die Klägerin gehalten gewesen wäre, die geänderte Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Gewährung von Zuwendungen an Eltern-Kind-Initiativen zum Gegenstand eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu machen. Lässt sich ein Rechtsschutzziel auf verschiedenen rechtlichen Wegen, etwa vor verschiedenen Gerichtsbarkeiten, erreichen, so besteht grundsätzlich für beide Wege ein anerkennenswertes Rechtsschutzinteresse; die rechtlich eröffnete Wahl darf nicht über das Kriterium des Rechtsschutzinteresses prozessual beschnitten werden (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Vorbem. §§ 40 bis 53 Rn. 14). Das Gericht darf die Gewährung von Rechtsschutz nur verweigern, wenn ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der erstrebten gerichtlichen Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Betracht kommt (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Vorbem. §§ 40 bis 53 Rn. 11). Das ist z.B. der Fall bei einer unnötigen Klage, deren Klageziel vollumfänglich ohne die gerichtliche Entscheidung erreichbar ist, insbesondere einfacher, umfassender oder billiger (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, Vorbem. zu §§ 40 bis 53 Rn. 42). Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2016 – 1 C 13/14 – juris Rn. 20). Eine unnötige Klage wird in der Rechtsprechung etwa dann angenommen, wenn mit ihr lediglich ein weiterer Prozess vorbereitet werden soll, in diesem Folgeprozess aber beide Prozessziele auf einmal erreicht werden können. So ist eine „nachgezogene“ Fortsetzungsfeststellungsklage zur Vorbereitung eines Amtshaftungsprozesses unnötig, weil die Amtshaftungsklage auch unmittelbar erhoben werden kann. Demgegenüber kann die Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht mit dem Hinweis darauf abgewiesen werden, dass der Kläger sich zivilrechtlich an den Störer halten solle (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Vorbem. §§ 40 bis 53 Rn. 14; Ehlers in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand 8/2022, Vorbem. § 40 Rn. 88).
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Die Klägerin verfolgt kein Rechtsschutzziel, das anders einfacher, umfassender oder billiger erreicht werden könnte. Sie versucht insbesondere nicht, mit der verwaltungsgerichtlichen Klage einen anderen Prozess vorzubereiten, mit dem mehrere Prozessziele auf einmal erreicht werden könnten. Der Inanspruchnahme des Rechtsschutzes vor den Verwaltungsgerichten steht deshalb – wie im Regelfall – nicht entgegen, dass die Klägerin als Rechtsschutzsuchende gegebenenfalls die Möglichkeit hätte, sich auch durch Anrufung der Gerichte eines anderen Rechtswegs gegen Beeinträchtigungen durch einen privaten Dritten zu wehren (vgl. auch BVerwG, U.v. 13.1.1961 – VII C 219/59 – juris Rn. 7). Im Übrigen wäre ein Vorgehen der Klägerin auf dem Arbeitsrechtsweg auch wegen der damit verbundenen tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten keine eindeutig vorzugswürdige Alternative gewesen (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2015 – 1 C 13/14 – juris Rn. 21). Namentlich kann es bei arbeitsrechtlicher Betrachtung in einer betrieblichen Drucksituation rechtmäßig sein, dass ein Arbeitgeber aufgrund der unberechtigten Androhung schwerer wirtschaftlicher Nachteile einen Arbeitnehmer entlässt (vgl. BAG, U.v. 18.7.2013 – 6 AZR 420/12 – juris Rn. 46). Die Rechtmäßigkeit der Verwaltungspraxis der Beklagten wäre daher im arbeitsgerichtlichen Verfahren möglicherweise gar nicht entscheidungserheblich gewesen.
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c) Ferner besteht das für eine Unterlassungsklage erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse. Es setzt zum einen voraus, dass das künftige, den Rechtsschutzsuchenden beeinträchtigende staatliche Handeln nach seinem Inhalt und seinen tatsächlichen wie rechtlichen Voraussetzungen bereits jetzt so weit bestimmt ist, dass eine Rechtmäßigkeitsprüfung möglich ist. Denn solange sich noch nicht mit der dafür erforderlichen Bestimmtheit übersehen lässt, welche Maßnahmen drohen oder unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen sie ergehen werden, kann ein berechtigtes Interesse an vorbeugendem Rechtsschutz nicht anerkannt werden (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.1974 – 1 C 7.73 – juris Rn. 41; BayVGH, B.v. 30.7.2015 – 10 ZB 15.819 – juris Rn. 9). Es bedarf zum anderen einer Wiederholungsgefahr. Von Wiederholungsgefahr ist auszugehen, wenn die hinreichend bestimmte Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen vergleichbaren tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige behördliche Entscheidung getroffen wird. Die Gleichartigkeit einer Verwaltungsentscheidung kann dabei nur dann angenommen werden, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Interessen seit dem Erlass der früheren Entscheidung nicht geändert haben oder wenn trotz veränderter Verhältnisse eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung der Behörde zu erwarten ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.1993 – 6 C 7/93 – juris Rn. 17). Dabei ist ein großzügigerer Prüfungsmaßstab anzulegen, wenn – wie hier – das Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit (Art. 4 Abs. 1 GG) geltend gemacht wird, weil gerade im religiösen Bereich die Auswirkungen eines solchen Grundrechtsverstoßes besonders tiefgreifend und schwerwiegend sein können, sodass der Grundrechtsschutz im Zusammenhang mit der Prüfung des Rechtsschutzinteresses nicht zu sehr verkürzt werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 25.8.1993 – 6 C 7/93 – juris Rn. 17).
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Die demnach zu fordernde Bestimmtheit des beeinträchtigenden Handelns folgt vorliegend – wie regelmäßig bei einer Klage auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen – bereits aus der vorgenommenen Beeinträchtigung. Frühere Beeinträchtigungen sind taugliche Prognosegrundlage und besitzen insofern Indizcharakter, als sie Art und Umstände zukünftig möglicher Beeinträchtigungen umreißen (vgl. Wysk in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 42 Rn. 69). Da die Beklagte auch weiterhin für die Gewährung von Zuwendungen nach dem EKI-Fördermodell die Abgabe der Schutzerklärung verlangt und die Klägerin glaubhaft ihr Interesse daran bekundet, ihre frühere Beschäftigung als pädagogische Ergänzungskraft in der geförderten Einrichtung wiederaufzunehmen oder aber mit einem anderen Zuwendungsempfänger ein gleichartiges Beschäftigungsverhältnis zu begründen, ist die erneute Behandlung ihrer Tätigkeit als „förderschädlich“ ein inhaltlich ausreichend bestimmtes Verwaltungshandeln, dessen Wiederholung nach den Umständen des Falles auch hinreichend konkret im Raum steht. Dafür bedarf es nicht des Nachweises, dass einem zukünftigen behördlichen Vorgehen in allen Einzelheiten die gleichen Umstände zugrunde liegen werden wie in der Vergangenheit, solange zwischen den Beteiligten mit einiger Wahrscheinlichkeit auch künftig Streit über das geltend gemachte Recht entstehen wird und die gerichtliche Klärung deshalb als richtungsweisend für die Zukunft verstanden werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 24.3.2004 – 1 WB 46/03 – juris Rn. 9).
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III. Die Klage ist begründet. Rechtsgrundlage des Klagebegehrens ist der allgemeine öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch (1.). Die Beklagte hat durch die Aufforderung zur Abgabe der Scientology-Schutzerklärung mittelbar das Grundrecht der Klägerin aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verletzt (2.). Dadurch ist auch ihre gemeindliche Zuständigkeit überschritten worden (3.). Es besteht ferner die hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass sich der nicht gerechtfertigte Eingriff in das subjektiv-öffentliche Recht der Klägerin in Zukunft wiederholen wird (4.).
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1. Rechtsgrundlage des Unterlassungsanspruchs der Klägerin ist in Ermangelung einer spezialgesetzlichen Grundlage der allgemeine öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Die Grundrechte schützen den Bürger vor rechtswidrigen Beeinträchtigungen jeder Art, auch solchen durch schlichtes Verwaltungshandeln. Infolgedessen kann der Bürger, wenn ihm – wie dies hier von der Klägerin geltend gemacht wird – eine derartige Rechtsverletzung droht, unmittelbar gestützt auf das jeweils berührte Grundrecht Unterlassung verlangen, sofern ihm das einfache Gesetzesrecht keinen solchen Anspruch vermittelt (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.2012 – 6 C 9/11 – juris Rn. 22; BayVGH, B.v. 16.7.2010 – 10 CE 10.1202 – juris Rn. 16).
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2. Die Klägerin macht zu Recht geltend, dass die Beklagte durch die Aufforderung zur Abgabe der Schutzerklärung gegen Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verstoßen hat.
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a) Der Schutzbereich des Grundrechts ist eröffnet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können sich Personen, deren persönliche Lebensführung maßgebend an der scientologischen Lehre ausgerichtet ist, auf den Schutz des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses nach Art. 4 Abs. 1 GG berufen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Organisation, der sie angehören, selbst der Status einer Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft zukommt (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20.04 – juris Rn. 17 f.). Bei der Klägerin ist nach den im Verfahren abgegebenen Erklärungen davon auszugehen, dass sie die Scientology-Lehre für sich als verbindlich anerkennt und als freie Scientologin die damit verbundenen Methoden seit langem praktiziert. Sie glaubt dabei ernsthaft an die transzendenten Inhalte des Gedanken- und Ideengebäudes des Gründers L. Ron Hubbard wie die unsterbliche Seele „Thetan“, die sich nach jedem körperlichen Tod wieder erneut verkörpern kann, und empfindet die damit verbundenen Lehren und Technologien von Scientology für sich als verbindlich. Es liegen dem Gericht keine Erkenntnisse darüber vor und wurden solche auch von der Beklagten nicht unterbreitet, dass die Technologie von Hubbard in einem nennenswerten Umfang von Personen ausgeübt wird, die nicht den scientologischen Lehren und Ideen anhängen. Der Klägerin kommt daher unabhängig von der Frage, ob in den scientologischen Lehren eher eine Religion oder eine Weltanschauung zu sehen ist (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1992 – BVerwG 7 C 21.90 – juris Rn. 23), der Schutz des Art. 4 Abs. 1 GG zu. Sie braucht sich dabei auch nicht entgegenhalten zu lassen, dass der Gründer oder die Führungspersönlichkeiten der Scientology-Organisation mit den von ihnen propagierten ideellen Inhalten in Wahrheit ausschließlich verfolgte wirtschaftliche Interessen verbrämten, weil ein solches Verhalten Dritter ihr den Schutz des Grundrechts nicht nähme (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20/04 – juris Rn. 17).
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b) Die Klägerin ist dadurch, dass ihrem Arbeitgeber mitgeteilt wurde, er habe, um ab 1. Januar 2018 in den Genuss weiterer freiwilliger Zuwendungen der Beklagten nach dem EKI-Fördermodell zu kommen, eine Schutzerklärung abzugeben, insoweit in ihrer Religions- und Weltanschauungsfreiheit beeinträchtigt worden, als diese Schutzerklärung die Selbstverpflichtung des Zuwendungsempfängers eingeschlossen hat, keine „freien Scientologen“ oder Mitglieder der „Freien Zone“ zu beschäftigten, die während des Förderzeitraums die Technologien von L. Ron Hubbard bzw. scientologische Techniken und Methoden anwenden, lehren oder in sonstiger Weise verbreiten.
39
aa) Als Eingriff in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit kann auch ein staatliches Handeln zu werten sein, das die geschützten Interessen nur mittelbar und faktisch beeinträchtigt. Die Eingriffsqualität einer Maßnahme setzt dabei nicht voraus, dass sie ein grundrechtlich geschütztes Verhalten ganz oder teilweise unmöglich macht; ein Eingriff kann bereits dann vorliegen, wenn das grundrechtliche geschützte Verhalten oder der Genuss des geschützten Rechtsgutes mit einer nicht nur unerheblich belastenden faktischen oder rechtlichen Folge verknüpft wird. Handelt der Staat nicht hoheitlich und rechtsförmlich mittels Befehl und Zwangsandrohung, genügt jede nicht ganz unerhebliche faktisch beeinträchtigende Wirkung (vgl. Kingreen/Poscher, Grundrechte, 38. Aufl. 2022, Rn. 340).
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bb) Durch ihr Vorgehen hat die Beklagte den Betreiber der Kinderbetreuungseinrichtung und früheren Arbeitgeber der Klägerin faktisch dazu bewegt, den Arbeitsvertrag mit der Klägerin ordentlich zu kündigen, um das Hindernis für die Gewährung weiterer Zuwendungen aus dem EKI-Fördermodell zu beseitigen. Ausweislich des vor dem Arbeitsgericht … geschlossenen Prozessvergleichs sieht sich der frühere Arbeitgeber der Klägerin infolge der geänderten Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Gewährung solcher Zuwendungen auch daran gehindert, das Arbeitsverhältnis neu zu begründen. Der demnach von der Beklagten verursachte Abbruch der arbeitsrechtlichen Beziehungen beeinträchtigt die Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Klägerin, denn er hat seinen Grund ausschließlich in ihren religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20/04 – NJW 2006, 1303 Rn. 17).
41
cc) Für das Vorliegen eines Grundrechtseingriffs unerheblich ist die Frage, ob der … … e.V. im Hinblick auf die geänderte Verwaltungspraxis bei der Gewährung der EKI-Förderung berechtigt war, das Arbeitsverhältnis zur Klägerin zu kündigen. Die grundrechtlich geschützte Privatautonomie hat regelmäßig andere, vielfach weiter gezogene Schranken als sie das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit staatlichem Handeln setzt (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20/04 – juris Rn. 32). Deshalb muss sich die Klägerin auch in der Sache (vgl. zur Frage des Rechtsschutzbedürfnisses bereits oben Rn. 28 ff.) nicht entgegenhalten lassen, die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsvertrages im Rahmen eines vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Vergleichs „akzeptiert“ zu haben.
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dd) Die Klägerin hat durch den Abschluss des Prozessvergleichs im arbeitsgerichtlichen Verfahren auch keinen Grundrechtsverzicht gegenüber der an jenem Verfahren nicht beteiligten Beklagten erklärt. Den diesbezüglichen Prozesserklärungen eine bewusste Preisgabe des Grundrechtsschutzes im Drittverhältnis zur Beklagten zu entnehmen, würde die Grenzen zulässiger Auslegung überschreiten. Auch stellt das vorläufige Hinnehmen eines grundrechtsrelevanten Nachteils keinen Rechtsverzicht dar.
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c) Die nachteiligen Auswirkungen, welche die Klägerin auf ihr Beschäftigungsverhältnis getroffen haben, sind der Beklagten zurechenbar, obwohl sie vermittelt über das Drittverhalten des … … e.V. eingetreten sind.
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aa) Unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme, die nur mittelbar nachteilige Wirkungen auf einen grundrechtlichen Schutzbereich hervorbringt, als Grundrechtseingriff bzw. – in der Terminologie der Osho-Entscheidung des BVerfG (B.v. 26.6.2002 – 1 BvR 670/91 – juris Rn. 78) – als am Maßstab des Gesetzesvorbehalts rechtfertigungsbedürftige Grundrechtsbeeinträchtigung einzustufen ist, ist nicht abschließend geklärt und im Einzelnen umstritten. Einigkeit besteht jedoch über den Grundsatz, solche mittelbar-faktische Einwirkungen auf Dritte als rechtfertigungsbedürftige Eingriffe zu qualifizieren, denen eine nach Art und Intensität eingriffsäquivalente Wirkung zukommt (vgl. BVerfG, B.v. 24.5.2005 – 1 BvR 1072/01 – juris Rn. 50: „Eingriff oder eingriffsgleiche Maßnahme“; B.v. 19.11.2021 – 1 BvR 971/21 – juris Rn. 210: „funktionales Äquivalent“; BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20/04 – juris Rn. 28: „funktionales Äquivalent“; ebenso Klement in Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. 2022, Band 3, § 80 Rn. 68). Insoweit kann zunächst das von dem jeweiligen Hoheitsträger verfolgte Handlungsziel den Geschehensablauf zu einer einheitlichen grundrechtsbeeinträchtigenden Handlung zusammenfassen (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 7 C 20/04 – juris Rn. 31; U.v. 27.3.1992 – 7 C 21/90 – juris Rn. 30). Problematisch an diesem subjektiven Kriterium ist, dass es bei einer mehrgliedrigen Kausalkette häufig nicht zuverlässig bestimmbar ist, welche subjektiven Vorstellungen ein Hoheitsträger tatsächlich mit einer Maßnahme verbindet (vgl. Lenski, ZJS 1/2008, 13/16; Klement in Stern/Sodan/Möstl, Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 3, § 80 Rn. 53). Das Fehlen einer nachweisbaren Finalität der in Rede stehenden Maßnahme rechtfertigt jedoch noch nicht den Schluss, ein Grundrechtseingriff liege nicht vor. So hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Glykolwein-Entscheidung (U.v. 18.10.1990 – C 2/88 – juris) die gezielte Herbeiführung von negativen Auswirkungen auf die Berufsfreiheit der Klägerin nicht feststellen können (Rn. 61), dabei aber hervorgehoben, dass der grundrechtliche Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG unvollständig wäre, wenn an ihm nicht auch mit staatlicher Autorität vorgenommene Handlungen gemessen würden, die als nicht bezweckte, aber voraussehbare und in Kauf genommene Nebenfolge eine schwerwiegende Beeinträchtigung der beruflichen Betätigungsfreiheit bewirken (Rn. 62; ebenso für das Grundrecht aus Art. 4 Abs. 1 GG: BVerwG, U.v. 23.5.1989 – 7 C 2/87 – juris Rn. 51). An der eingriffsgleichen Wirkung einer staatlichen Maßnahme fehlt es hingegen, wenn mittelbare Folgen bloße Rückwirkung („Reflex“) einer nicht entsprechend ausgerichteten grundrechtlichen Regelung sind (vgl. Bethge in Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand 07/201, § 90 Rn. 356c unter Verweis auf BVerfG, U.v. 17.12.2002 – 1 BvL 28, 29, 30/95 – juris; B.v. 11.7.2006 -1 BvL 4/00 – juris).
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Nach diesen Maßstäben ist das Vorliegen einer eingriffsäquivalenten Maßnahme zu bejahen.
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Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin als pädagogische Hilfskraft ist nicht nur eine mehr oder weniger zufällige, entfernte Nebenwirkung der Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten bei der Gewährung von Zuwendungen nach dem EKI-Fördermodell gewesen. Bei der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zur Klägerin hat es sich vielmehr, wenn nicht sogar um eine abstrakt-generell bezweckte, so doch um eine jedenfalls vorhersehbare, typische Folge des Abforderns einer Schutzerklärung gehandelt, die eine Unvereinbarkeit des Praktizierens und Verbreitens scientologischer Lehren mit einer Tätigkeit in einer geförderten Einrichtung voraussetzt. Dass Personen, deren Beschäftigung danach ab dem 1. Januar 2018 als „förderschädlich“ zu gelten hatte, nicht mehr weiterbeschäftigt würden, hat die Beklagte, die selbst erklärt hat, ihr Vorgehen verschaffe von ihr gehegten Eignungszweifeln Geltung und diene dem Schutz des Kindeswohls, zumindest in Kauf genommen. Der vorhersehbare grundrechtsbeeinträchtigende Effekt ist auch als erheblich zu qualifizieren. Ließ das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung hierfür schon das bloße Drohen erheblicher Geschäftsschädigungen genügen (vgl. BVerwG, U.v. 18.10.1990 – Az. 3 C 2.88 – juris Rn. 19), so muss eine erhebliche Beeinträchtigung hier erst angenommen werden. Die Klägerin befürchtet nicht lediglich nachteilige Auswirkungen auf die Ausübung ihrer Beschäftigung. Sie hat bereits den Verlust ihres Arbeitsplatzes in einer nach dem EKI-Fördermodell der Beklagten bezuschussten Kinderbetreuungseinrichtung erlitten und ist seitdem auch daran gehindert, ihre Tätigkeit wiederaufzunehmen. Die Grundrechtsbeeinträchtigung wiegt auch deshalb schwer, weil sie zulasten der Betroffenen, die sich dem Verdacht ausgesetzt sehen, im Rahmen der Betreuung von Kindern deren Wohl zu beeinträchtigen, eine stigmatisierende Wirkung mit sich bringen kann, die geeignet ist, ihr Ansehen in der Öffentlichkeit und im sozialen Umfeld erheblich herabzusetzen (vgl. zur Relevanz eines Stigmatisierungseffekts für die Bestimmung der Eingriffsintensität BVerfG, B.v. 4.4.2006 – 1 BvR 518/02 – juris Rn. 108).
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d) Für den Grundrechtseingriff fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage.
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aa) Die in Art. 4 Abs. 1 und 2 GG verbürgte Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses ist vorbehaltlos gewährleistet. Einschränkungen müssen sich daher aus der Verfassung selbst ergeben. Hierzu zählen die Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang. Die Einschränkung des Grundrechts muss überdies gesetzlich hinreichend bestimmt sein. Dabei verpflichtet die erforderliche Bestimmung und Konkretisierung der verfassungsimmanenten Schranken den (parlamentarischen) Gesetzgeber, die Schranken der widerstreitenden Freiheitsgarantien jedenfalls so weit selbst zu bestimmen, wie sie für die Ausübung der Freiheitsrechte wesentlich sind (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2022 – 8 C 9/21 – juris Rn. 22). Eine solche gesetzliche Grundlage ist für den Eingriff auch aus Sicht der Beklagten nicht gegeben.
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bb) Unbehelflich ist der Einwand der Beklagten, dass es sich bei den Zuwendungen nach dem EKI-Fördermodell um freiwillige Leistungen handle, bei deren Gewährung ihr ein weites Ermessen zugestanden werden müsse. In der Rechtsprechung wurde zwar wiederholt entschieden, dass die Verwaltung für Zuwendungen an Private im Grundsatz keine materiell-gesetzlichen Grundlage benötige; dies bezieht sich aber nur auf den Normalfall der Subventionierung durch Geldleistungen an Private, die keine besonderen Grundrechtsprobleme aufwerfen. Um eine derartige Fallkonstellation handelt es sich jedoch nicht. Vielmehr stehen Eingriffe in die Grundrechtssphäre von am Subventionsverhältnis nicht beteiligten Dritten in Rede. Solche Eingriffe unterliegen dem rechtsstaatlichen Gesetzesvorbehalt (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.1992 – 7 C 21/90 – juris Rn. 40; Grzeszick in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Werkstand 3/2022, Art. 20 Rn. 119 m.w.N.).
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e) Unabhängig davon erweist sich das Vorgehen der Beklagten als nicht verhältnismäßig. Hierfür wäre eine konkrete Gefahr für verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2022 – 8 C 9/21 – juris Rn. 22 unter Bezugnahme auf BVerfG, B.v. 27.1.2015 – 1 BvR 471/10 – juris Rn. 101). Eine solche liegt nicht vor. Sie kann zunächst nicht darin gesehen werden, dass die Beklagte, worauf sie im Informationsschreiben vom November 2017 verwiesen hat, ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen ihr und den Nutzern der geförderten EKI-Kinderbetreuungseinrichtung bedroht sieht. Ebenso wenig auf ein Schutzgut von Verfassungsrang verweist die Zielsetzung der Beklagten, dass Zuwendungsempfänger von EKI-Förderung ausschließlich nach denselben Grundsätzen und Maßstäben tätig werden sollen, die in stadteigenen Kinderbetreuungseinrichtungen gelten. Die bloße Zugehörigkeit von Betreuungspersonen zu scientologisch orientierten Organisationen, selbst der „Scientology-Kirche“, genügt für sich genommen auch nicht als Grundlage der abstrakt-generellen Prognose einer konkreten Gefährdung des Wohls der betreuten Kinder. Die Annahme einer konkreten Gefährdungslage würde vielmehr die einzelfallbezogene Feststellung voraussetzen, dass sich scientologische Vorstellungen tatsächlich auf die Methoden der Kinderbetreuung und das den Kindern vermittelte Weltbild auswirken (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2009 – 12 CS 09.2221 – juris Rn. 26; Wiesner in Wiesner/Wappler, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 6. Aufl. 2022, § 43 Rn. 23).
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3. Ohne, dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, dürfte die Beklagte mit der streitgegenständlichen Maßnahme auch ihre kommunale Zuständigkeit überschritten haben.
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Dabei ist das Verlangen nach Abgabe der Schutzerklärung als eigenständige Maßnahme zu qualifizieren, die von einer Zuständigkeit der Beklagten gedeckt sein müsste. Denn es handelt sich nicht um ein bloßes Element der allgemeinen Förderbedingungen des EKI-Fördermodells, sondern um eine allgemeine, auf bereichsübergreifenden städtischen Vorgaben beruhende formularmäßige Erklärung, die den Antragstellern eine spezifische, unabhängig neben den sonstigen Förderbedingungen stehende Erklärungspflicht auferlegt (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2022 – 8 C 9/21 – juris Rn. 13).
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Die Aufforderung zur Abgabe von Erklärungen zur Religion oder Weltanschauung von Beschäftigten als Voraussetzung einer kommunalen Förderung ist keine der Gemeinde gesetzlich zugewiesene Aufgabe. Das Verlangen nach der Abgabe einer solchen Erklärung gehört darüber hinaus nicht zu den vom kommunalen Selbstverwaltungsrecht umfassten Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, deren sich eine Gemeinde auch ohne speziellen Kompetenztitel annehmen darf, wobei die Verbandskompetenz der Beklagten auch nicht aus einem objektiven Zusammenhang mit einer von der gemeindlichen Zuständigkeit gedeckten Angelegenheit – hier der Förderung von in Selbsthilfe organisierten Formen der Kinderbetreuung – hergeleitet werden kann. Die gemeindliche Kompetenz muss für die konkret durchgeführten Maßnahmen gegeben sein; es genügt nicht, dass die zugrundeliegenden Motive sachlich mit ihrer Selbstverwaltungstätigkeit zusammenhängen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 6.4.2022 – 8 C 9/21 – juris Rn. 15).
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4. Die Klägerin hat die Gefahr einer Wiederholung des rechtswidrigen Eingriffs zu besorgen (s. oben Rn. 33)
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5. Ist die Klage nach alledem aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG begründet, so muss nicht darauf eingegangen werden, ob die Klägerin einen Unterlassungsanspruch auch aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG oder aus Art. 3 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 GG herleiten kann.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 188 VwGO nicht erhoben, weil es sich bei dem gebotenen weiten Verständnis des Begriffs beim Verfahrensgegenstand um eine Angelegenheit der Jugendhilfe handelt. Zur Jugendhilfe gehören alle Streitigkeiten nach dem SGB VIII und den ergänzenden Landesgesetzen, sofern sie dem Bereich der Fürsorge im weiten Sinne zugeordnet werden können; auch Angelegenheiten mit mittelbarem Bezug zu fürsorgerischen Maßnahmen wie etwa die Anerkennung und Förderung von Trägern der Jugendhilfe, insbesondere die Zuschussgewährung für Kindertageseinrichtungen, unterfallen dem Begriff der Jugendhilfe im Sinne des § 188 (vgl. Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 08/2022, § 188 VwGO Rn. 11; BayVGH, B.v. 14.6.2006 – 12 C 06.881 – Rn. 3; OVG NW, B.v. 3.2.2006 – 12 A 3739/05 – juris Rn. 7).
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V. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Das Urteil ist in entsprechender Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO nur wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Sinn des § 167 Abs. 2 VwGO, in die Amtsführung der Behörde erst nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung einzugreifen, rechtfertigt es nach überzeugender Ansicht – anders als bei der Verurteilung zu Geldleistungen – auch bei Leistungsklagen, die auf die Vornahme oder Unterlassung einer schlichthoheitlichen Maßnahme gerichtet sind, das Urteil nur im Kostenpunkt für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. Pietzner/Möller in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 08/2022, § 167 VwGO Rn. 135; Bamberger in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 167 Rn. 14 jeweils m.w.N.).