Titel:
Verfolgung in Georgien
Normenkette:
AsylG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b, § 4
Leitsätze:
1. Ein Verfolger ist ohne besondere Anknüpfungspunkte nicht in der Lage, jemand in Georgien landesweit zu suchen und zu finden, da es keine Meldepflicht und kein zentrales Melderegister gibt. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der georgische Staat ist schutzfähig und -willig und gewährt wirksamen Schutz durch Strafverfolgung. (Rn. 13 und 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Georgien, staatlicher Schutz, Folgeverfahren, Zweitantrag, Melderegister
Fundstelle:
BeckRS 2022, 43016
Tenor
I. Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung werden abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten ihrer jeweiligen Verfahren zu tragen; für die Antragsteller im Verfahren RN 9 S 22.31004 gilt dies gesamtschuldnerisch. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Bescheide des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) vom 27. Juni 2022.
2
Die Antragsteller sind georgische Staatsangehörige. Sie reisten eigenen Angaben zufolge am 30. Dezember 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 10. Mai 2022 förmlich Asylanträge.
3
Für den Antragsteller zu 1. ist ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 für Schweden aktenkundig (Zeitpunkt der Antragstellung/des Aufgriffs: 3.10.2019; Verlassen des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats: 30.12.2019).
4
Ausweislich einer Befragung des Antragstellers zu 1. durch die Zentrale Ausländerbehörde ... am 7. April 2022 bestätigte er, 2019 in Schweden Asylantrag gestellt, jedoch freiwillig ausgereist zu sein. Die Familie habe zuletzt in Gori gewohnt. Er habe die Schule bis zur 11. Klasse besucht und sei beruflich Lieferant gewesen. Er habe im Monat zwischen 1.500 und 1.700 Lari verdient. Die Ausreisekosten stammten aus eigenen Ersparnissen. Aus der Befragung der Antragstellerin zu 2. ergibt sich ebenfalls, dass sich die Familie bis zur Ausreise nach Deutschland in Gori aufgehalten hat. Kontakt zu ihren Eltern bestehe. Sie habe die Schule mit Abitur abgeschlossen, aber ein Studium nach dem 4. Semester abgebrochen. Sie habe eine Berufsausbildung als Visagistin abgeschlossen. Zuletzt habe sie in einem Schönheitssalon in Gori gearbeitet und ca. 1.000 Lari im Monat verdient. Das Geld für die Reise nach Deutschland (€ 1.200) stamme aus der Arbeit ihres Mannes.
5
Nach einem Datenabgleich zur Aktenanlage hat der Antragsteller zu 1. Verwandte 1. und 2. Grades sowie die Großfamilie im Herkunftsland. Er habe den Beruf des Ingenieurs erlernt und zuletzt im Straßen- und Brückenbau sowie im Vertrieb gearbeitet. Die wirtschaftliche Situation im Heimatland sei durchschnittlich gewesen. Die Antragstellerin zu 2. gab ebenfalls an, Verwandte 1. und 2. Grades sowie die Großfamilie im Herkunftsland zu haben. Sie bestätigte ferner, bis zur 11. Klasse die Schule besucht und anschließend den Beruf der Visagistin erlernt zu haben, den sie zuletzt auch ausgeübt habe.
6
Im Rahmen der Anhörung zur Zulässigkeit des Asylantrags am 11. Mai 2022 gab der Antragsteller zu 1. wiederum an, in Schweden Asylantrag gestellt zu haben. Die Antwort habe er nicht mehr abgewartet. Er sei auf eigenen Wunsch zurückgekehrt. Er habe gedacht, dass sich sein Problem erledigt habe, deswegen sei er zurückgekehrt. Im Rahmen der dortigen Anhörung habe er die gleichen Gründe vorgetragen, deretwegen er jetzt erneut ausgereist sei. Frau und Kinder seien damals nicht mitgereist, weil ihm die Aggression gegolten habe. Für die Familie habe damals keine Gefahr bestanden.
7
Die Antragsteller zu 1. und 2. wurden am 11. Mai 2022 beim Bundesamt persönlich angehört.
8
Der Antragsteller zu 1. berichtete zunächst, mit der Familie in Gori in einer Eigentumswohnung gelebt zu haben. Jetzt sei niemand dort. Die Reisekosten von ca. 1.200 EUR habe er teilweise gespart, teilweise geliehen. Bei der Ausreise sei er kontrolliert worden, es habe keine Probleme gegeben. Sein Vater sei verstorben, seine Mutter lebe in Ozurgeti und arbeite in einer Bäckerei. Des Weiteren lebten ein Bruder und die Großfamilie im Heimatland. Er habe an der Universität Straßen- und Brückenbau studiert, ohne Abschluss. Gearbeitet habe er später bei der Distribution im Vertrieb. Die eigene finanzielle Situation schätze er als durchschnittlich ein. Zur Sache berichtete er von einem Verkehrsunfall am 28. August 2019. Er, seine Frau und das mittlere Kind seien dessentwegen im Krankenhaus behandelt worden. Abends sei ein Mann zu ihm gekommen, jener sei der Bruder des Unfallverursachers und Mitarbeiter der Kriminalpolizei in dem Bezirk gewesen. Jener habe gesagt, dass er die Schäden am Fahrzeug zahlen würde, das wäre alles. Er, der Antragsteller zu 1., solle keine Anzeige bei der Polizei machen, da der Unfallverursacher Bewährung gehabt habe und alkoholisiert gewesen sei. Der Bruder habe den Unfall auf sich nehmen wollen, es sollten keine weiteren Schritte von ihm unternommen werden, damit sein Bruder glimpflich davonkomme. Jener habe ihm auch Konsequenzen erklärt, falls er eine Anzeige bei der Polizei machen sollte. Jener habe ihm gedroht. Er, der Antragsteller zu 1., sei dann zur Vernehmung abgeholt worden. Er habe es aber so wie es sich gehört machen wollen und nicht wie der Typ es gewollt habe. Er habe die Sache so geschildert, wie es gewesen sei. Einige Zeit später sei dessen Bruder nochmal zu ihm gekommen. Jener habe gesagt, dass wenn sein Bruder ins Gefängnis kommen sollte, dann würde er etwas unternehmen, wie zum Beispiel ihm eine Waffe oder Drogen unterschieben, damit auch er ins Gefängnis komme. Jenem würde es nicht schwer fallen, das zu organisieren. Er, der Antragsteller zu 1., habe gesagt, dass er nicht bereit sei, die Anzeige zurückzunehmen. Der Unfallverursacher sollte seine Strafe bekommen. Kurze Zeit später habe es eine Verhandlung gegeben, bei der dieser zwei Monate in Untersuchungshaft gekommen sei. Zu der Zeit sei er massiv von Polizei und fremden Leuten eingeschüchtert und erpresst worden, damit er die Anzeige zurücknehme. Es habe auch Drohanrufe gegeben. Ihm sei mehrmals vor seinem Eingang aufgelauert worden. Er sei mehrmals beleidigt worden. Bei der nächsten Gerichtsverhandlung sei der Verursacher zu 3 Jahren verurteilt worden. Mitte September 2019 sei das Urteil gekommen. Danach sei die Lage noch schlimmer gewesen. Nach der Verurteilung sei nochmal unterstrichen worden, dass die ihm was unterschöben und er ins Gefängnis komme. Daher habe er beschlossen, aus dem Land und nach Schweden zu gehen, damit sich die Situation beruhigen könne. Die Bedrohung habe damals ihm persönlich gegolten, damals hätten sie zwei Kinder gehabt. Er habe damals die Kinder nicht wegbringen wollen. Damals habe er nicht gedacht, dass die seiner Familie etwas antun würden. Aber für diese Leute sei es kein Problem, etwas so zu platzieren, dass man ins Gefängnis komme. Er habe in Georgien Arbeit gehabt, ihnen sei es normal gegangen. Im Dezember sei er zurückgekehrt. In diesem Monat hätten sie das Tauffest in einem Restaurant gefeiert. In diesem Restaurant habe zu der Zeit der Unfallverursacher gesessen, der gerade aus dem Gefängnis gekommen sei. Jener sei zu der Zeit angetrunken gewesen. Sie seien mit ihrer Gesellschaft auch dort gewesen. Jener habe angefangen ihn herauszufordern, damit sie das klären sollten. Jener habe gesagt, dass er schuld sei, dass jener im Gefängnis gewesen sei. Sie seien dann in Streit geraten und in eine Schlägerei. Die Sicherheitsleute des Restaurants hätten sie dann getrennt, sie seien nach Hause gegangen. In dieser Zeit habe dieser Mann ihn in der Arbeit und zu Hause aufgesucht. Er sei auch mit anonymen Nummern angerufen worden, bei denen er bedroht worden sei. Einmal sei er auf der Straße gegangen und in einen Streit geraten, bei dem er zusammengeschlagen worden sei. Bei diesem Vorfall sei auch jemand dahintergesteckt. Das sei mehrere Tage sehr intensiv passiert. Irgendwann habe er die Anrufe nicht mehr entgegengenommen. Seine Frau habe gemerkt, dass sie, wenn sie mit den Kindern unterwegs sei, auch beobachtet worden seien. Sie hätten dann auch angefangen, seine Frau anzurufen und sie bedroht. Später hätten sie auch das ältere Kind angerufen, das zu der Zeit auch schon ein Telefon gehabt habe. Er habe Bedenken gehabt, sich an die Polizei zu wenden, da diese Person auch Mitarbeiter der Polizei sei. Er habe nicht gewusst, ob die Polizei etwas unternehme. Er habe auch nicht gewollt, dass das Problem noch schlimmer werde. Deswegen habe er mit der Familie beschlossen auszureisen. Das sei alles gewesen. Der Verursacher heiße Georgi K* …und dessen Bruder, der bei der Polizei gewesen sei, Nika K* … Der Unfall sei aufgrund des Orts des Unfalls bei der Polizeidirektion Gori angezeigt worden. Krankenwagen und Polizei seien zum Unfallort gekommen. Sie seien dann ins Krankenhaus gebracht worden. Der Bruder sei bei der Polizei gewesen. Jener habe gesagt, er lasse das Auto reparieren, den Rest würde er so hinbekommen, dass sein Bruder nicht der Schuldige sei. Der Bruder sei stellvertretender Leiter der Kriminalpolizei. Beim Alkoholtest anlässlich des Unfalls sei er nicht dabei gewesen. Er wisse aber, dass einer durchgeführt worden sei. Die Einheit des Bruders habe den Unfall aufgenommen. So habe der Bruder auch die Möglichkeit gehabt, die Ergebnisse zu manipulieren. Bei dem Unfall seien viele Zeugen dabei gewesen. Er denke, vor Ort sei alles korrekt geschehen. Aber später, denke er, hätten sie die Sache so gedreht, wie sie es gebraucht hätten, zum Beispiel Dokumente verschwinden lassen oder ändern. Das Stadtgericht Gori habe das Urteil gesprochen. Auf Vorhalt, weshalb der Verursacher verurteilt worden sei, wenn der Bruder die Fakten so gedreht habe, dass Zeugenaussagen und alles geändert worden seien, erklärte der Antragsteller zu 1., nur gesagt zu haben, dass der Bruder das alles hätte manipulieren können. Die Dokumente habe es dort als Beweismittel gegeben. Sie hätten auch eine Aussage gemacht, von daher sei das alles in Ordnung gewesen. Es seien mehrere Zeugen gewesen, die ebenfalls ausgesagt hätten, dass der Verursacher schuld gewesen sei. Seine Aussage sei nicht so wichtig gewesen, weil alles klar gewesen sei, auch anhand der Dokumente der Polizei. Er habe aber schon vorher verlangt, dass der Täter dem Gesetz entsprechend seine Schuld verbüßen müsse. Er wisse nicht, wie entscheidend seine Aussage gewesen sei. Das Urteil sei auch noch ein herber Schlag gewesen, da der Bruder schon vorbestraft gewesen sei. Er habe nichts darüber gehört, ob die anderen Zeugen auch bedroht worden seien. Er kenne die Menschen auch nicht. Auf Frage, weshalb ihm bis jetzt nichts untergeschoben worden sei, meinte er, dass er damals die heiße Phase abkühlen habe wollen. Als er zurückgekehrt sei, habe er eine ganze Zeit lang nichts erfahren. Zwischen seiner Rückkehr und im Restaurantbesuch habe es keine Vorfälle gegeben. Nach dem Vorfall im Restaurant habe es massiven Druck gegeben. Ca. 10 Tage, eine Woche seien sie dann in Tiflis gewesen, um die Ausreise vorzubereiten, dann seien sie ausgereist. Wie es dazu gekommen sei, dass der Täter anlässlich dieses Vorfalls schon frei gewesen sei, könne er nicht genau sagen. Aber er denke, dass jener den Rest zur Bewährung gehabt habe und deswegen entlassen gewesen sei. Bei der Schlägerei sei er auch verletzt worden, aber nicht ernst. Er habe des Öfteren Schlägereien mit dem Täter oder seinem Bruder gehabt. Er hätte den Vorfall oder die Drohanrufe nicht doch bei der Polizei anzeigen können. Er gehe davon aus, dass die Sache dann noch verschärft werde. Er habe es für besser gehalten, sich der Sache zu entziehen und wegzugehen. So wie es ihm seine Frau und das Kind erklärt hätten, sei der Unfallverursacher für die Drohanrufe verantwortlich. Jener habe ihn auch selbst angerufen und ihm gesagt, dass er ihn fertig machen würde. Woher der Unfallverursacher die Telefonnummer des Kindes gehabt habe, wisse er nicht genau. Aber jener hätte es über Schule und Freunde erfahren können oder über seinen Bruder. Er selbst sei telefonisch und auch direkt bedroht worden. Auch ein paar Tage nach dem Vorfall im Restaurant seien sie nochmal physisch aufeinandergetroffen. Sonst habe er nie Probleme mit Behörden oder der Polizei gehabt. Ein Umzug innerhalb Georgiens sei mit drei Kindern unmöglich gewesen, dann Miete zu zahlen oder zu arbeiten. Er habe auch keine Helfer, die ihm zur Seite stehen würden. Er habe in Tiflis auch das Gefühl gehabt, dass ihm da jemand nachgestellt habe. In Georgien sei es auch nicht schwer festzustellen, wo sich jemand aufhalte, da die Kinder dann auch an der Schule angemeldet würden. Nach der Ausreise habe es keine Drohanrufe mehr gegeben. Er gehe davon aus, dass die wüssten, dass sie das Land verlassen hätten. Im Falle der Rückkehr wisse er nicht, was ihn erwarte. Er sei vor nichts geschützt. Es gebe keine Sicherheit, dass der ihm nicht irgendwann etwas antue. Er habe anlässlich der Anhörung die gleichen Gründe vorgetragen wie bei seiner Anhörung in Schweden, zumindest bis zum damaligen Zeitpunkt.
9
Die Antragstellerin zu 2. berichtete zunächst zu den persönlichen Verhältnissen weitergehend, dass ihre Eltern in Tiflis lebten. Beide seien berufstätig und deren wirtschaftliche Situation durchschnittlich. Im Heimatland lebten noch ein Bruder, eine Schwester und die Großfamilie. Die eigene finanzielle Situation schätze sie als durchschnittlich ein. Zur Sache berief sie sich im Wesentlichen ebenfalls auf den Verkehrsunfall vom 28. August 2019 und dessen Folgen. Der Bruder des Unfallverursachers habe sie massiv bedroht und Druck ausgeübt. Jener habe ihrem Mann immer wieder aufgelauert, später habe es anonyme Anrufe gegeben. Der Anrufer habe gedroht, dass jener dafür sorge, dass ihr Mann auch ins Gefängnis komme. Ihr Mann sei auch geschlagen worden. Sie hätten keinen Ausweg mehr gesehen und Angst bekommen. Dann hätten sie den Entschluss gefasst, dass ihr Mann das Land verlasse, bis sich die Sache beruhigen. Er sei nach Schweden gegangen und habe dort um Asyl gebeten. Er sei knapp 3 Monate in Schweden gewesen, sie und die Kinder hätten ihr Leben in Georgien weitergelebt. Ihnen gegenüber habe es damals keine Bedrohung gegeben. Als ihr Mann erfahren habe, dass es ruhig gewesen sei, sei er zurückgekehrt. Nach seiner Rückkehr hätten sie ihr Leben normal weitergelebt. Er habe dann wieder gearbeitet, die Kinder seien in die Schule gegangen. Sie hätten dann ihr drittes Kind bekommen. Anlässlich der Tauffeier seien sie in dem Restaurant zufällig auf den Unfallverursacher getroffen. Als sie sich gesehen hätten, seien sowohl ihr Mann als auch der Täter betrunken gewesen. Es sei dann zu einer Auseinandersetzung gekommen, die dann auch physisch geworden sei. Sicherheitsmitarbeiter hätten die Männer dann getrennt. Sie seien nach Hause zurückgekehrt. Einige Zeit später, spät am Abend, sei der Unfallverursacher an ihre Adresse gekommen. Seit diesem Vorfall hätten sie keine Ruhe mehr gehabt. Jener habe ihrem Mann immer wieder aufgelauert. Außerdem habe es immer wieder anonyme Anrufe gegeben. Jener habe gedroht und versprochen, dass er dafür sorge, ihnen das Leben schwer zu machen und sie Probleme bekommen würden. Jener habe gesagt, dass er die Familie auslöschen werde. Jener habe ihren Mann auch ein paar Mal geschlagen. Am meisten sei sie fertig gewesen, als die Nummer ihres Sohnes angerufen worden sei und später auch ihr Handy. Da seien auch Grüße an den Vater (den Antragsteller zu 1., Anm. d.G.) ausgerichtet worden. Das habe auf sie am meisten gewirkt. Der Bruder des Verursachers hätte leicht die Nummer herausfinden können. Ihr Mann sollte sich ruhig verhalten, sonst würde ihm dasselbe widerfahren wie dem Täter. Sie habe nach einem Ausweg gesucht und sei im Stress gewesen. Sie habe die Kinder zum Online-Lernen angemeldet und nicht mehr zur Schule geschickt. Die Anrufer hätten jeden ihrer Schritte gekannt. Sie hätten sich dann beraten und zur Ausreise entschieden, bevor es eine reale Gefahr für sie geworden sei. Sie sei nach Tiflis zu ihrer Schwester gefahren, habe im Eilverfahren die Dokumente beantragt. In der Früh seien sie in Kutaissi angekommen und nachmittags hätten sie das Land verlassen. Auf Nachfrage bestätigte die Antragstellerin zu 2. u.a., dass auch die Zeugen ausgesagt hätten, dass der Verursacher schuld gewesen sei. Über Bedrohungen der Zeugen wisse sie nichts und habe keine Informationen darüber. Die eigene Aussage sei sehr ausschlaggebend gewesen, weil sie die Geschädigten gewesen seien. Sie hätten Glück gehabt, es hätte auch tödlich ausgehen können. Der Täter sei dann wegen des Unfalls zu 2 Jahren verurteilt worden. Vorher habe er 1 Jahr und 8 Monate gehabt, bei ihnen habe er 2 Jahre bekommen. Dann habe er zusammen grob 3 Jahre bekommen. Das Urteil sei am 20. September 2019 ergangen. Der Verursacher müsse Amnestie bekommen haben, vorzeitig entlassen worden sein oder sein Bruder habe ihm geholfen, vorzeitig entlassen zu werden. Ob der Bruder nicht von vornherein für eine kürzere Strafe hätte sorgen können, könne sie nicht sagen. Zwischen der Rückkehr ihres Mannes und dem Restaurantbesuch habe es keine Vorfälle und keine Bedrohung gegeben. Wegen einer Anzeige hätten sie Angst gehabt, dass es dadurch noch schlimmer werde. Der Verursacher habe einen Bruder bei der Polizei gehabt, sie hätten keinerlei Unterstützung gehabt. Sie glaube, dass der Verursacher mithilfe seines Bruders das Problem gelöst hätte, sodass eine Anzeige nichts gebracht hätte. Sie hätten danach Angst gehabt, dass der dann erst recht etwas gegen ihren Mann unternommen hätte. Für die jüngeren Drohanrufe sei Georgi verantwortlich. Seit der Ausreise habe es keine Drohanrufe mehr gegeben. Er wisse nicht, wo sie seien. Die Wohnung sei auch verschlossen. Er habe sie auf der Nummer auch nicht erreichen können. Ein Nummernwechsel hätte nichts gebracht, die hätte er problemlos auch herausbekommen. In Georgien woanders Fuß zu fassen, wäre schwierig gewesen. Sie hätten dort eine Wohnung und Arbeit gehabt. Sonst hätten sie nirgends Hilfe gehabt. Ihre Schwester sei verheiratet und habe selbst 3 Kinder. Die Wohnverhältnisse seien so, dass die sie nicht auch noch alle hätte aufnehmen können. Sie selbst sei nur von Telefonanrufen betroffen gewesen. Sie direkt sei nicht persönlich bedroht worden. Im Falle der Rückkehr gebe es keine Garantie, dass ihnen aus Rache nicht etwas passieren könnte. Ihre Leben könnten ausgelöscht werden.
10
Auf ein Informationsersuchen an die schwedischen Behörden übermittelten diese die dortigen Asylunterlagen zum Antragsteller zu 1. Dort hatte am 8. Oktober 2019 eine Asylanhörung stattgefunden. Nach der Übersetzung habe er vor Ausreise nach Schweden zuletzt in Gori gelebt. Seine Familie lebe in Tiflis. Zu den Asylgründen befragt trug er ausweislich der Übersetzung Folgendes vor:
11
Ferner ist eine Entscheidung des schwedischen Verwaltungsgerichts – Migrationsgericht – in Stockholm vom 20. Dezember 2019 aktenkundig, mit der der Widerspruch des Antragstellers zu 1. gegen den Ablehnungsbescheid des schwedischen Zentralamts für Migration vom 15. Oktober 2019 (ebenfalls in der Akte) abgewiesen worden ist.
12
Mit Verfügung vom 13. Juni 2022 stufte das Bundesamt den Asylantrag des Antragstellers zu 1. als Folgeverfahren (Zweitantrag) ein.
13
Mit zwei Bescheiden vom 17. Juni 2022 lehnte das Bundesamt die Anträge der Antragsteller auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab. Ferner lehnte es die Anträge auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen; für den Fall, dass sie die Ausreisefrist nicht einhalten sollten, wurde ihnen die Abschiebung nach Georgien oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Ferner wurden die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. bei fristgerechter Stellung eines Eilantrages bis zur Bekanntgabe seiner Ablehnung ausgesetzt. Zudem wurde das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Für den Antragsteller zu 1. handele es sich mit Blick auf das erfolglos abgeschlossene Asylverfahren in Schweden um einen Zweitantrag im Sinne von § 71a AsylG. Für alle Antragsteller lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte im Sinne von § 30 Abs. 1 und 2 AsylG offensichtlich nicht vor. Aus den Ausführungen ergebe sich, dass die Familie ihr Heimatland nicht aufgrund einer konkret gegen sie gerichteten Verfolgung im Sinne von § 3a AsylG bezüglich eines Anknüpfungsmerkmals im Sinne von § 3b AsylG verlassen habe. Vielmehr handele es sich allenfalls um kriminelles Unrecht durch die Seite des angeblichen Unfallverursachers. Soweit die Antragsteller zu 1. und 2. von Repressalien infolge eines durch einen alkoholisierten Täter, der daraufhin zu einer Haftstrafe verurteilt worden sei, berichtet habe, sei ihm bei Wahrunterstellung außer Drohanrufen und einer körperlichen Auseinandersetzung, bei der jener auch geschlagen worden sei, nichts passiert. Vorladungen, Befragungen, Beschimpfungen und stets folgenlos gebliebene Bedrohungen fehlte aber die zur Annahme eines Verfolgungstatbestandes erforderliche Intensität. Zudem sei der Vortrag als unkonkret und unglaubhaft zu bewerten. Es handele sich hier vielmehr um eine konstruierte Geschichte. Dies zeige sich alleine schon daran, dass die Haftstrafe letztlich so angepasst worden sei, dass sich der Täter zum Zeitpunkt des Vorfalls im Restaurant auf freiem Fuß habe befinden können und sich dann gerade zufällig in dem Restaurant befinde, in welchem die Familie die Tauffeier ihres Kindes abhalten wolle. Dies zeige, dass hier künstlich eine (erneute) Gefährdungssituation geschaffen werden sollte, um letztlich die Ausreise der Familie rechtfertigen zu können, zumal vorher seit dem angeblichen Unfall und der Gerichtsverhandlung mehrere Jahre praktisch nichts passiert sei. Zudem sei der Unfallhergang durch den Antragsteller zu 1. in dessen Anhörung in Schweden komplett anders geschildert worden, obwohl er angegeben habe, dort die gleichen Fluchtgründe geschildert zu haben. Laut den dortigen Schilderungen habe der Vater des Antragstellers zur 1. einen Unfall verursacht, welcher dann nach Russland geflohen sei, woraufhin die Familie des dabei verletzten Kindes sich an ihn gewandt habe, wobei es auch zu Repressalien gekommen sei. Ungeachtet dessen sei nach der Erkenntnislage Vorteilsnahme/Korruption von Polizisten seit etwa 2005 nicht mehr zu verzeichnen. Der georgische Staat sei somit schutzfähig und -willig und gewähre wirksamen Schutz durch Strafverfolgung. Die pauschalen Angaben, eine erneute Anzeige bei der Polizei bringe nichts oder die Polizei würde nichts unternehmen, da zudem der Bruder des Täters bei der Polizei arbeite und Ergebnisse manipulieren könne, seien vor diesem Hintergrund zudem als bloße Schutzbehauptungen zu werten. Den Antragstellern drohe unter Bezugnahme auf die Ausführungen zu § 3 AsylG auch offensichtlich kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere sei den Antragstellern in wirtschaftlicher Hinsicht eine Rückkehr zumutbar. Die Antragsteller zu 1. und 2. verfügten über eine sehr gute Schulbildung und könnten auf Berufserfahrung sowie gegenseitige Unterstützung zurückgreifen. Der Antragsteller zu 1. sei jung, gesund und arbeitsfähig und somit auch in der Lage, sich erneut in Georgien um eine Arbeitsstelle zu bemühen, um seinen Lebensunterhalt sicherzustellen. Es sei auch bisher nicht ersichtlich gewesen, dass die Antragsteller zu 1. und 2. den Lebensunterhalt der Familie nicht hätten sicherstellen können. Zudem lebten noch mehrere Angehörige in Georgien, auf deren Hilfe sie, falls nötig, zurückgreifen könnten. Es sei somit nicht ersichtlich, dass die Familie in eine existenzielle Notlage geraten könnte. Auf die weitere Begründung der Bescheide wird Bezug genommen.
14
Gegen diese Bescheide ließen die Antragsteller am 29. Juni 2022 Klagen erheben (RN 9 K 22.31005 und RN 9 K 22.31007) sowie Eilanträge stellen. Die Antragsteller hätten glaubhaft Gründe für Verfolgung dargelegt, weshalb Verfolgungshandlungen und Verfolgungsgründe gegeben seien. Ferner stehe ihnen aus den in der Anhörung genannten Gründen subsidiärer Schutz zu. Zudem bestünden infolge der Darlegungen in den Anhörungen Abschiebungsverbote wegen Verletzung der sich aus Art. 3 EMRK ergebenden Rechte. Der Bescheid des Bundesamtes mache deutlich, wie sich zurzeit die Situation in Georgien darstelle. Die Antragsteller wiesen in ihren Anhörungen darauf hin, dass sie aufgrund dieser Entwicklung und Verfolgung geflohen seien. Ihnen drohe zumindest am Anfang, bis die Sicherheitsorgane sich darüber im klaren seien, zumindest die Gefahr einer erniedrigenden und willkürlichen Behandlung, die weit über das hinausgehe, was in einem Rechtsstaat vorstellbar sei.
15
Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Abschiebungsandrohungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2022 anzuordnen.
16
Im Entscheidungszeitpunkt lag noch kein Sachantrag der Antragsgegnerin vor.
17
Zur Vervollständigung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die weiteren Inhalte der vorab übermittelten Asylakte des Bundesamtes sowie der Gerichtsakten in Haupt- und Eilsache Bezug genommen.
18
Die Eilanträge, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klagen gegen die Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen in den streitgegenständlichen Bescheiden des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.
19
Während eine Klage gegen einen belastenden Verwaltungsakt gemäß § 80 Abs. 1 VwGO grundsätzlich aufschiebende Wirkung hat, hat dies der Gesetzgeber für Klagen gegen Entscheidungen nach dem Asylgesetz weitgehend ausgeschlossen (§ 75 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), so auch im Fall der offensichtlichen Unbegründetheit eines Asylantrags (§ 36 Abs. 3 AsylG). Das Verwaltungsgericht kann allerdings die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO anordnen und wird dies jedenfalls dann tun, wenn sich schon im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz zeigt, dass die von der Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung betroffene Person die ihr durch den Verwaltungsakt auferlegte Ausreisepflicht mit Aussicht auf Erfolg angreifen kann. Im Falle offensichtlicher Unbegründetheit darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn gemäß Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
20
1. Was die in der Hauptsache beantragte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft angeht, liegt dieses Begehren selbst bei Wahrunterstellung nach dem Vorbringen der Antragsteller ersichtlich fern. Die beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung wegen eines oder mehrerer der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründe ist angesichts des in den Anhörungen geltend gemachten Sachverhalts (kriminelles Unrecht, Bedrohungen durch nichtstaatliche Dritte) ganz offensichtlich nicht dargetan.
21
2. Ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Bundesamtes zu § 4 AsylG sind für das Gericht ebenfalls nicht ersichtlich.
22
2.1 Zunächst teilt es die bereits in den streitgegenständlichen Bescheiden geäußerten erheblichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Vorbringens.
23
Der Antragsteller zu 1. hat beim Bundesamt mehrfach bekräftigt, anlässlich seiner dortigen Anhörung die gleichen Gründe vorgetragen zu haben wie bei seiner Anhörung in Schweden. Er sei wegen des geschilderten Sachverhalts nach Schweden gegangen, aber später wieder zurückgekehrt.
24
Allerdings hatte der Antragteller zu 1. in Schweden einen völlig anderen Sachverhalt berichtet. Im hiesigen Asylverfahren machte er geltend, gemeinsam mit anderen Familienmitgliedern am 28. August 2019 Opfer eines Verkehrsunfalls gewesen zu sein und wegen der von ihm sodann erstatteten Anzeige und der daraus resultierenden Folgen für den Unfallverursacher verschiedene Probleme bekommen zu haben, die sich einige Jahre nach seiner Rückkehr aus Schweden fortgesetzt und zur neuerlichen Ausreise geführt hätten. Demgegenüber hatte er in Schweden als Asylgrund von einem Autounfall seines Vaters am 26. August 2019 berichtet, der als Unfallverursacher ein Nachbarskind erfasst habe. Sein Vater sei dann nach Russland ausgereist, weswegen sich die Eltern des Kindes an ihn, den Antragteller zu 1. gewandt hätten. Hieraus hätten weitere Auseinandersetzungen resultiert.
25
Es ist für jedermann offenkundig und geradezu augenfällig, dass diese beiden Sachverhaltsdarstellungen – bei Gegenüberstellung der jeweiligen Anhörungsprotokolle auch in ihren jeweiligen Einzelheiten – miteinander völlig unvereinbar sind. Das Sachvorbringen der Antragsteller zu 1. und 2. ist mithin völlig unglaubhaft. Dies gilt auch, soweit es die Geschehnisse nach Rückkehr des Antragstellers zu 1. nach Georgien anbetrifft, nachdem diese an eine unglaubhaft dargestellte „Vorgeschichte“ anknüpfen.
26
2.2 Unabhängig davon könnten die Antragsteller selbst bei Wahrunterstellung zumutbar auf die Inanspruchnahme internen bzw. staatlichen Schutzes verwiesen werden.
27
2.2.1 So räumen sie letztlich selbst ein, dass in den Jahren zwischen Rückkehr des Antragtellers zu 1. aus Schweden Ende 2019 bis zum zufälligen Aufeinandertreffen mit dem Unfallverursacher im Restaurant Ende 2021 nichts passiert ist. Ganz offenkundig war der Antragsteller zu 1. also nicht „auf dem Schirm“ des Unfallverursachers und dessen Bruders, obwohl nach der Lebenserfahrung mit Blick auf die zum damaligen Zeitpunkt andauernde Inhaftierung der „Leidens- und Rachedruck“ doch wohl besonders groß gewesen sein müsste. Der Antragteller zu 1. blieb aber über zwei Jahre hinweg völlig unbehelligt. Dies spricht mit maßgeblichem Gewicht dafür, dass auch jetzt bei Rückkehr nicht beachtlich wahrscheinlich nicht davon ausgegangen werden kann, dass nach den Antragstellern landesweit gesucht würde. Dies gilt übrigens ebenso mit Blick darauf, dass der Antragsteller zu 1. ein einfacheres Auffinden deshalb befürchtet, weil seine Kinder zum Schulbesuch angemeldet werden müssten. Dies war bereits 2020/2021 der Fall, ohne dass dies vor dem angeblichen Aufeinandertreffen anlässlich der Tauffeier irgendwelche konkreten Konsequenzen gehabt hätte. Gegen eine etwaige Gefährdungswahrscheinlichkeit spricht schließlich ebenfalls die Tatsache, dass es in Georgien weder eine Meldepflicht noch ein zentrales Melderegister gibt und eine Änderung des Wohnsitzes nicht angezeigt wird. Eine Änderung des Wohnsitzes sei den Behörden daher oft nicht bekannt, hinzu komme ein häufiger Wechsel von Straßennamen (vgl. dazu Lageberichte AA 2019 und 2020, jeweils S. 18). Es liegen folglich auch unter diesem Blickwinkel keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass der Unfallverursacher und dessen Bruder überhaupt dazu in der Lage wären, ohne besonderen Anknüpfungspunkt die Antragsteller in Georgien landesweit zu suchen und zu finden.
28
2.2.2 Was staatlichen Schutz angeht, kann bekanntermaßen kein Staat der Welt präventiven Schutz vor etwaigen Nachstellungen nichtstaatlicher Akteure gewährleisten. Daher setzt § 3d AsylG den Maßstab, wann bereits schutzausschließender Schutz vor Verfolgung besteht. Insbesondere § 3d Abs. 2 Satz 2 AsylG betont dabei, dass generell ein solcher Schutz gewährleistet sei, wenn die in § 3d Abs. 1 AsylG genannten Schutzakteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.
29
Nach der Auskunftslage (Lagebericht AA 2020, S. 7) ist seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 von Machtmissbrauch von Amtsträgern allgemein nicht mehr die Rede. Bis zu diesem Zeitpunkt seien Exekutivorgane als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung u.a. wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten seien allgemein nicht mehr zu verzeichnen. Die Geheim- und Nachrichtendienste träten nicht als Repressionsinstrumente auf.
30
Vor diesem Hintergrund kann nicht festgestellt werden, dass ein etwaiges Schutzersuchen der Familie bei den georgischen Strafverfolgungsbehörden von vorneherein aussichtslos gewesen wäre. Die Antragsteller haben nicht einmal versucht, staatlichen Schutz zu erlangen, was gegebenenfalls auch bei vorgesetzten Dienststellen der Polizei in Gori möglich gewesen wäre.
31
Nach alledem kommen im Ergebnis weder den Hauptsacheklagen überwiegende Erfolgsaussichten zu noch führt eine Interessenabwägung im Übrigen zu einer Begründetheit der Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG.
32
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).